H-02: Bern Im Quartär: Eine Hauptstadt in Ihrer Umwelt Heinz Veit Geographisches Institut, Universität Bern, Hallerstrasse 12, 3012 Bern
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H-02: Bern im Quartär: Eine Hauptstadt in ihrer Umwelt Heinz Veit Geographisches Institut, Universität Bern, Hallerstrasse 12, 3012 Bern Einleitung das Eis Mächtigkeiten von bis zu einigen hun- dert Metern erreichte. Im letzten Glazial war der Das Relief des Stadtgebietes und der oberflä- Gurten teilweise vollständig, der etwas höhere chennahe Untergrund im Raum Bern werden Bantiger nur teilweise, bis kurz unterhalb des wesentlich durch zwei Einheiten geprägt: durch Gipfels, mit Eis bedeckt. Im Hochglazial war der die tertiäre Molasse und die quartären, glazialen Aaregletscher der rechte Zufluss des und fluvioglazialen Ablagerungen in Form von Rhônegletschers. Die Vereinigung erfolgte ge- Moränen und Schotterfeldern. Die Molasse tritt nau im Stadtgebiet. Die Würm-Kaltzeit, die in einerseits markant in den beiden Berner «Haus- der Schweiz als Birrfeld-Kaltzeit bezeichnet bergen», dem Bantiger (947 m ü.M.) und dem wird, bestand aus mehreren eigenständigen Gurten (864 m ü.M.) in Erscheinung, anderer- Gletschervorstössen, die auf ca. 105.000, seits kommt sie auch an vielen anderen Stellen 65.000 und 25.000 Jahre datiert werden (Preu- der Stadt an die Oberfläche. sser et al. 2011). Der Vorstoss vor ca. 25.000 Die tertiäre Molasse wird grossflächig von quar- Jahren wird als Hochglazial, „Last Glacial Maxi- tären Lockersedimenten bedeckt, die Mächtig- mum“ (LGM), oder als Hauptvorstoss bezeich- keiten von einigen Metern bis zu mehreren hun- net. Der damals vereinigte Rhône-Aareglet- dert Metern erreichen können. Das Stadtgebiet scher reichte mit seiner Zunge bis in den Raum von Bern wurde im Pleistozän mehrfach von Niederbipp-Wangen an der Aare, ca. 45 km Aare- und Rhônegletscher überfahren, wobei nordöstlich von Bern (Abb. 1). Abb. 1: Bern und Mittelland zur Zeit des letztglazialen Rhône-Aaregletschers (Bini 2009, geo.apps.be.ch/de) 214 Mit dem Rückschmelzen des Eises am Ende kante «Bern-Stadium» konnte mittels kosmoge- der Birrfeld-Kaltzeit sind im Stadtgebiet und in ner Nuklide auf ca. 19.000 Jahre datiert werden der Umgebung von Bern noch mehrere deutlich (Wüthrich et al. 2018). Nach dem LGM erfuhr sichtbare Moränenwälle des Aaregletschers das Mittelland einen relativ schnellen Zerfall des entstanden: Seftigschwand-, Gurten-, Bern-, Eisstromnetzes und war wahrscheinlich vor Schosshalde-, Wittigkofen- und Muri-Stadium 17.500 Jahren bereits eisfrei bzw. nur von Tot- (Staeger 1988) (Abb. 2). Das in Bern sehr mar- eismassen der rasch schmelzenden Gletscher bedeckt (Preusser et al. 2011). Abb. 2: Die spät-hochglazialen Gletscher- stände des Aaregletschers (Gerber 1956); (rot: Bern-Stadium; gelb/grün: Wittigkofen- Stdium; blau: Muri1-Stadium; braun: Muri2- Stadium) Exkursionsroute und Haltepunkte Abb. 3: Exkursionsroute mit Haltepunkten (Swisstopo, Link zur Karte: s.geo.admin.ch/7ef270d9c2) 215 Inselspital, Dachterrasse der Aare also seit dem ausgehenden LGM in seiner heutigen Position fixiert. Vom Standpunkt aus hat man einen schönen Überblick über das Stadtgebiet, das Mittelland, Im Bereich der Nydegg- und Untertorbrücke ist das Aaretal und die Alpen. Das Krankenhaus der Molassesandstein am Fluss aufgeschlos- steht auf einer endmoränennahen Seitenmo- sen. Die Oberfläche der Molasse, und damit die räne des Aaregletschers zum Zeitpunkt des Quartärmächtigkeiten, variieren aber im Stadt- Bern-Stadiums. Nach Osten lässt sich der Ver- gebiet erheblich. Nur 100 m südlich der Altstadt, lauf der Moräne mit dem Hauptgebäude der im Bereich des Schwimmbades Marzili, senkt Universität und dem Rosengarten weiterverfol- sich der Molassefels bis auf 270 m Tiefe ab! gen. Nach Süden zu setzt sich die Moräne über Wiederum ca. 100 m weiter aareaufwärts, bei das Loryspital, die Friedenskirche („Pastetenhu- der Dalmazibrücke, ist die Molasse im Bereich bel“, „Vejelihubel“) über das Steinhölzli bis zu des Flusspegels wieder sichtbar. Die Absen- den deutlichen Moränen am Gurten fort. Die kung der Molasseoberfläche in diesem engen ebenen Stadtgebiete zwischen den Moränenhü- Bereich ist die Folge einer subglazialen Rinne geln stehen auf glazifluvialen Terrassen, die in des Aaregletschers, wo Schmelzwässer den Bern als „Felder“ bezeichnet werden (Neufeld, Untergrund tief erodiert haben, ein typisches Murifeld, Kirchenfeld etc.). Der Gurten, und im Phänomen des Schweizer Mittellandes. Osten der Bantiger, überragen als Molassehü- Der Name der Stadt Bern ist erstmals in einer gel das Stadtgebiet. Am Bantiger sind Steinbrü- Urkunde vom 1. Dezember 1208 belegt. Die che erkennbar, aus denen der Bausandstein Cronica de Berna gibt als Gründungsjahr 1191 stammt, mit dem grosse Teile der Berner Alt- an. Wie auch die Städte Burgdorf, Freiburg im stadtgebäude errichtet sind. Breisgau, Fribourg, Offenburg, Murten, Neuen- Schönberg burg am Rhein, oder Thun ist Bern eine Zährin- gerstadt (Herzog Berchtold V.). Die Geschichte Die kleine Wanderung über den Schönberg zum der Namensgebung der Stadt Bern ist unsicher. Rosengarten erlaubt einerseits den Blick über Nach der bekanntesten Legende soll der Stadt- Teile des Stadtgebietes bis zu den Alpen, ande- gründer beschlossen habe, die Stadt nach dem rerseits laufen wir auf der Endmoräne des Bern- ersten in den umliegenden Wäldern erlegten stadiums entlang. Tier zu benennen, das ein Bär gewesen sein Rosengarten soll. Laut dem Lexikon der schweizerischen Ge- Von 1765 - 1877 diente der Rosengarten als meindenamen erfolgt die Herleitung des Na- Friedhof der unteren Stadt. Seit 1913 ist der mens vom keltischen Wort berna (Kluft, Schlitz). Garten eine öffentliche Anlage. Von hier aus hat Jedenfalls ist der Bär das offizielle Wappentier man einen schönen Überblick über die Aare- der Stadt seit 1224 und wird im touristisch be- landschaft und die Altstadt von Bern, die 1983 rühmten „Bärengraben“ gehalten. 1856 ent- ins UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen stand der Bärengraben an seiner heutigen wurde. Die Altstadt wird auf drei Seiten von der Stelle, mit einem zeitweisen Maximalbestand Aare umflossen und besteht in ihrem Kern aus von 24 Tieren (1913). Der neue Bärenpark, mit Molasse-Sandstein. Darüber liegt Altmoräne in mehr Auslauf am Aarehang, eröffnete im Okto- einer Mächtigkeit von ca. 30 m, überlagert von ber 2009. Zu Beginn gab es wegen der Jungbä- ca. 10 m glazifluvialen Kiesen, Sanden und ver- ren bis zu 20.000 Besucher pro Tag. Kurz vor schwemmtem Moränenmaterial der letzten Kalt- der Eröffnung geriet der Bärenpark in die zeit. Die Aare hat sich in einem Mäander einge- Schlagzeilen, weil die tatsächlichen Baukosten schnitten, der beim Erreichen der Molasse bzw. von etwa 24 Millionen SFr. das ursprüngliche der alten, dichten Moräne, nicht mehr verlagert Budget von 9,7 Millionen SFr. erheblich über- wurde und seitdem stabil ist. Im Stadtgebiet von stiegen. Hier rächte sich die Einsparung von Bern treten oberhalb der Talaue maximal 7 Ter- Sondierbohrungen im Vorfeld, die dann – we- rassenniveaus zwischen 10-70 m auf. Alle 7 gen Rutschungen grosser Teile des Hanges – Terrassen sind jungwürmzeitlich, der Flusslauf doch noch durchgeführt werden mussten. 216 Nydegkirche, Schiffslände wurde es zugemauert. 1959 wurde es bei Reno- vationsarbeiten wieder freigelegt und zwei Hier am Aareufer wurde Bern im frühen 12. Jahre später restauriert. Jhdt. mit der Errichtung der Burg Nydegg ge- gründet. Die Nydeggkirche (Nydegg = mittel- Im Umkreis von Nydeggkirche und Nydeggbrü- hochdeutsch für «Unteres Eck») wurde 1341 bis cke lassen sich auch die bevorzugten Bausteine 1346 an der Stelle der ehemaligen Burg errich- der Stadt Bern beobachten (Labhart & Zehnder tet. Sie ist die zweitälteste Kirche der Stadt 2018). Überall dominiert der Berner Sandstein Bern. Ein Sodbrunnen zeugt von der Wasserge- mit seiner typischen grünlichen Farbe (Abb. 4). winnung am Ende des 12. Jhdt. Der Schacht ist Er stammt aus der Oberen Meeresmolasse, die ca. 20 m tief, durchteuft pleistozäne Sedimente, in Bern und Umgebung ansteht. Es handelt sich und erreicht ab 16,2 m den anstehenden Mo- um Sedimente eines subtropischen Flachmee- lasse-Sandstein. Bis ins 14. Jhdt. genügten die res mit Palmwedeln, Haifischzähnen etc. Die Sodbrunnen in der Stadt. 1393 trockneten viele grüne Farbe entsteht durch Glaukonit. Die Sodbrunnen aus. Ab dann erfolgte wegen Was- Sandsteine sind schwach kalzitisch verbacken. serknappheit die Zuleitung von aussen. Die Da nicht alle Poren davon betroffen sind, kann erste Leitung kam vom Fuss des Gurten, aus der Sandstein Wasser aufnehmen, wodurch es ca. 3,5 km Entfernung. Als Rohrleitungen wur- zum Quellen und Schrumpfen der Tonminerale den hohle Baumstämme (Teuchel) mit einem kommt. Zusätzlich setzt der «Salpeterfrass», Leitungsdurchmesser von 10 cm und Stock- durch Verwitterung des enthaltenen Pyrites und brunnen genutzt, aus denen unter Druck immer der Frost dem Sandstein zu. Wasser lief. Am Ende des 16. Jhdt. waren rund 4000 Teuchel im Einsatz und es gab einen Teu- chelweiher am Westende der Stadt. Hier schwamm ständig der gesamte Jahresvorrat an Baumstämmen! Die Leitungen selbst wurden aus Angst vor Sabotage und wegen des Frostes unterirdisch verlegt. Die dauernd laufenden Brunnen brauchten einen Ablauf, was durch den Stadtbach erfolgte. Der Stadtbach selbst diente nicht der Zufuhr von Trinkwasser, sondern der Abfuhr! Er bestand aber schon seit dem 13. Jhdt. und wurde vor allem als Brauch- und Abb. 4: Berner Sandstein im Gurtensteinbruch Löschwasser genutzt. (https://www.erlebnis-geologie.ch) Der alte Zugang zur Stadt erfolgte über die Un- Zum Schutz vor Feuchtigkeit bestehen deshalb tertorbrücke mit der Felsenburg. Sie wurde viele Gebäudesockel