Deutscher Drucksache 11/5950 11. Wahlperiode

Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung

über die Plenarsitzung der Nordatlantischen Versammlung am 9. Oktober 1989 in Rom

Die 35. Jahreskonferenz der Nordatlantischen Ver- Bundesrat: sammlung fand vom 5. bis 10. Oktober 1989 in Rom statt. Senator Volker Kröning (SPD), (Bremen), stellvertre- tender Leiter der Delegation Die Plenardebatte am Montag, den 9. Oktober Minister Dr. Heinz Eyrich (CDU), (Baden-Württem- 1989, stand unter dem Thema „Abbau der Ost- berg) West-Konfrontation: Die Rolle der Rüstungskon- Staatsminister Rudi Geil (CDU), (Rheinland- Pfalz) trolle ". Senator Horst Gobrecht (SPD), (Hamburg) Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat entsand- Minister Dr. Ottokar Hahn (SPD), (Saarland) ten die folgende Delegation: Staatsminister Dr. Georg von Waldenfels (CSU), (Bayern)

Bundestag: Übersicht der Tagung

Abg. Prof. Dr. Manfred Abelein (CDU/CSU), Leiter Nach den Ausschußsitzungen am 6. und 7. Oktober der Delegation 1989 wurde am Vormittag des 9. Oktober 1989 im Ple- Abg. (DIE GRÜNEN) narsaal des Palazzo Montecitorio die Plenarsitzung durch den Präsidenten der Nordatlantischen Ver- Abg. (CDU/CSU) sammlung, Abg. Patrick Duffy (Vereinigtes König- Abg. Lothar Ibrügger (SPD) reich), eröffnet. Es folgten Ansprachen des Präsiden- Abg. Ulrich Irmer (FDP) ten des italienischen Ministerrates, Giulio Andreotti, Abg. (SPD) und des Generalsekretärs der NATO und Vorsitzen- Abg. (SPD) den des Nordatlantikrates, Dr. Manfred Wörner. Abg. Herbert Lattmann (CDU/CSU) Es schloß sich die Generaldebatte zum Thema „Ab- Abg. (DIE GRÜNEN) bau der Ost-West-Konfrontation: Die Ro lle der Rü- Abg. Lorenz Niegel (CDU/CSU) stungskontrolle " an. Abg. Manfred Opel (SPD) Abg. Peter Petersen (CDU/CSU) Am Nachmittag folgte die Aussprache zu den Berich- ten und Beschlußvorlagen der Ausschüsse, in deren /CSU) Abg. Helmut Sauer (CDU Verlauf folgende Entschließungen verabschiedet Abg. Brigitte Schulte (SPD) wurden (Texte siehe Schlußteil der Drucksache): Abg. Karsten D. Voigt (SPD) Abg. Werner Michael Weiß (CDU/CSU) — Entschließung 204 (1989) betreffend die Informa- Abg. Torsten Wolfgramm (FDP) tionspolitik des Atlantischen Bündnisses Abg. Peter Würtz (SPD) — Entschließung 205 (1989) betreffend das Atlanti- Abg. Benno Zierer (CDU/CSU) sche Bündnis und den Zivilschutz Drucksache 11/5950 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode

— Entschließung 206 (1989) betreffend die mensch- Entwicklung von konstruktiveren und stabileren Be- liche Dimension der Ost-West-Beziehungen ziehungen zwischen Ost und West dar. Nach Besu- chen in verschiedenen osteuropäischen Staaten sei im — Entschließung 207 (1989) betreffend die strategi- Juli erstmals eine Delega tion der Nordatlantischen sche Rüstungskontrolle Versammlung in Moskau mit dem Obersten Sowjet — Entschließung 208 (1989) betreffend die Unterstüt- und hochrangigen sowjetischen Regierungsvertretern zung und Handhabung des Wandlungsprozesses zusammengetroffen. In Rom habe die Versammlung in Europa die bislang beispiellose Begegnung zwischen General Lobow und General Galvin miterleben können. — Entschließung 209 (1989) betreffend Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen Er sei davon überzeugt, daß die Versammlung eine wichtige Funktion übernehmen könne, indem sie Be- — Entschließung 210 (1989) betreffend die tragische ziehungen zu den fortschrittlichen und veränderungs- Situation der türkischen moslemischen Minderheit willigen Kräften in Osteuropa herstelle, Verbindun- in Bulgarien gen mit den sich bildenden repräsentativen Ver- — Entschließung 211 (1989) betreffend die Weiter- sammlungen aufnehme, um diese an ihrer parlamen- verbreitung von Raketen und nuklearen sowie tarischen Erfahrung teilhaben zu lassen und Kontakte chemischen Waffen zwischen den Militärs beider Blöcke fördere und ver- einfache. Er sei sicher, daß die bereits bestehenden — Entschließung 212 (1989) betreffend die Ver- Kontakte in den kommenden Jahren weiterentwickelt schmutzung der Atmosphäre und vertieft werden würden. In keinem anderen Bereich seien die Möglichkeiten, Eröffnungsansprache des Präsidenten der Fortschritte auf dem Weg zu größerer Ost-West-Stabi- Nordatlantischen Versammlung, Abg. Patrick lität und Sicherheit zu erzielen, so vielversprechend wie bei der Rüstungskontrolle. Deshalb laute auch das Duffy (Vereinigtes Königreich) Thema der Plenardebatte „Abbau der Ost-West-Kon- frontation: Die Rolle der Rüstungskontrolle". Nach Der Präsident dankte den italienischen Gastgebern in den Tagen von SALT und MBFR beschäftige man sich der Abgeordnetenkammer und im Senat der Republik inzwischen bei den Rüstungskontrollverhandlungen für ihre Gastfreundschaft. Es sei bezeichnend, daß die mit einem breiten Spektrum von Fragestellungen. Das Nordatlantische Versammlung in dieser Zeit des Wan- jüngste Treffen der Außenminister Baker und Sche- dels und der dramatischen Entwicklungen in Rom, der wardnadse in Wyoming sei ein wichtiger Schritt auf Ewigen Stadt, zusammenträfe. Denn in Rom lägen dem Weg zu weiteren bedeutenden Abrüstungsver- viele Wurzeln gemeinsamer Wertvorstellungen, in einbarungen im Bereich der strategischen, konventio- Rom habe auch unsere Kultur ihren Ursprung. nellen und chemischen Waffen gewesen. Italien sei in der jüngsten Vergangenheit ein bestän- Die Plenardebatte werde zweifellos die Frage aufwer- diger Stützpfeiler der NATO an ihrer Südflanke gewe- fen, ob die Rüstungskontrolle die Ursache oder das sen und habe entscheidend an den militärischen Pro- Ergebnis der gegenwärtigen Verbesserungen in den grammen der Allianz, wie z. B. der Stationierung der Ost-West-Beziehungen sei und bis zu welchem Grad SNF, mitgewirkt. Italien habe kürzlich weitere Maß- das Bündnis größeres Vertrauen in diese Komponente nahmen ergriffen, um seinen Einfluß im Mittelmeer- unserer Sicherheitspolitik setzen solle. Er sei aber si- raum zu vergrößern. Darüber hinaus sei Italien auch cher, daß alle mit ihm darin übereinstimmten, daß bei dabei, seine Rolle im Nahen Osten und in Nordafrika den Verhandlungen über den Abbau konventioneller zu stärken. Diese Entwicklungen zeigten Italiens um- Streitkräfte in Wien die Möglichkeit bestehe, einen fassende Sicherheitsinteressen und legten den Schluß grundlegenden Wandel der militärischen Struktur in nahe, daß es eine führende Rolle bei der Lösung regio- Europa zu erreichen. Es sei weiter zu prüfen, in wel- naler Konflikte spielen könne. chen Bereichen Rüstungskontrolle die gegenwärtigen Es sei bekannt, daß Italien lange Zeit eine Vorreiter- politischen Veränderungen ergänzen und verstärken rolle bei den Bemühungen um eine europäische Inte- könne, jedoch bei gleichzeitigem Festhalten an jener gration, die nun ein entscheidendes Stadium erreiche, Solidarität, die in den letzten 40 Jahren die Grundlage gespielt habe. Er stelle in diesem Zusammenhang mit für die Sicherheit der Allianz gewesen sei. Genugtuung fest, daß der Inhalt der Berichte der Nordatlantischen Versammlung zu den Fragen der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen, der Si- Ansprache des Präsidenten des italienischen cherheitszusammenarbeit sowie der Zusammenarbeit Ministerrates, Giulio Andreotti im Bereich Verteidigung, Forschung und Entwicklung interessante Diskussionen bei den Delegierten über Der • italienische Ministerpräsident brachte seine die Bedeutung der fortschreitenden europäischen Einigung hervorgerufen habe. Freude darüber zum Ausdruck, daß die 35. Jahresta- gung der Nordatlantischen Versammlung, die in das Vor dem Hintergrund des raschen Wandels stelle sich 40. Gründungsjahr des Nordatlantikpaktes falle, in für die Nordatlantische Versammlung die Frage, ob es Rom stattfinde. Im weiteren Verlauf seiner Rede gab in der Sowjetunion tatsächlich grundlegende Verän- Andreotti einen kurzen Abriß über die politischen derungen geben werde. Die überraschenden Ent- Spannungen und Diskussionen im Parlament und im wicklungen in der Sowjetunion und in Osteuropa Senat, die der Unterzeichnung des Nordatlantikver- stellten aber eine einzigartige Gelegenheit für die trages durch die italienische Regierung am 4. Ap ril

Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode Drucksache 11/5950

1949 vorausgegangen waren. Er unterstrich die Be- Er sei davon überzeugt, daß die Allianz unter den sich deutung des Nordatlantikvertrages, ohne den es das verändernden Bedingungen dazu aufgerufen sei, eine zeitige Ende der Stalin-Ara ebensowenig gegeben nichtmilitärische Dimension zu entwickeln, die nicht hätte wie die gegenwärtige sowjetische Perestroika nur dazu diene, Kriege zu verhindern, sondern im und das Streben nach Demokratie in Polen und Un- positiven Sinn ein Instrument zur Entwicklung und garn. Auch die Gründung der Europäischen Wirt- Stärkung der westlichen Interessen im Entspannungs- schaftsgemeinschaft sei ohne den Nordatlantikver- prozeß mit den Ländern des Ostens darstellen solle. trag schwer vorstellbar. Die Grundvoraussetzung für diese Entwicklung sei eine intensive Zusammenarbeit innerhalb der Allianz, Die Bilanz der letzten 40 Jahre des Nordatlantikver- nicht nur was die Lösung regionaler Konflikte, son- trages sei sehr positiv. Das Jahr 1989 unterstreiche dern auch die Herausforderungen der modernen Ge- diese Entwicklung. Während des Gipfeltreffens in sellschaft sowie die industrielle Kooperation und an- Brüssel im Mai 1989 habe man die Werte und die Ziele dere Probleme gemeinsamen Interesses betreffe. der NATO erneut bekräftigt, die dank des Zusammen- Diese politischen Konsultationen dienten dazu, die haltes und der atlantischen Solidarität im Einklang mit politische Dimension der NATO, die besonders erfolg- den Forderungen von Pierre Harmel, nämlich zum reich sei, weiter zu stärken. Die erfolgreiche Arbeit einen der Bewahrung der gemeinsamen Sicherheit der vergangenen Jahre sei ein Ergebnis dieser effi- und zum anderen der Öffnung zum Dialog mit dem zienten politischen Konsultationen innerhalb der Alli- Osten, zu erreichen seien. Diese Haltung der NATO anz über alle Themen von vitalem Interesse für die habe zur fortschreitenden Öffnung der Länder des gemeinsame Sicherheit und Stabilität des Westens. Warschauer Paktes gegenüber neuen politischen An- sätzen und demokratischen Reformen beigetragen. Die zunehmende politische Zusammenarbeit in Eu- Aber trotz dieses radikalen Wandels in Osteuropa, der ropa mit dem Fernziel einer europäischen Union ebenso unvorhersehbar wie unerwartet stattfinde, werde auch zu einer weiteren Stärkung des europäi- blieben die politischen Ziele des Westens dieselben. schen Pfeilers der NATO führen. Mit dieser Stärkung Die Haltung Italiens sei es, die größtmögliche Sicher- des europäischen Pfeilers sei die Übernahme von heit in einem politischen System zu erreichen, das am mehr Verantwortung verbunden, insbesondere was besten für die Erhaltung des Friedens geeignet sei. die Verteilung der Lasten und Risiken bei der Wahr- Anläßlich der Schlußerklärung, die beim letzten Gip- nehmung der gemeinsamen Sicherheitsinteressen an- feltreffen in Brüssel unterzeichnet worden sei, habe gehe. In diesem Zusammenhang unterstrich er, daß die Allianz den Schwerpunkt auf die politischen Per- für das Problem der Lastenteilung innerhalb der Alli- spektiven für die Zukunft gelegt. Unter Berücksichti- anz eine Lösung im Sinne der gemeinsamen Interes- gung der Veränderungen in der Sowjetunion und den sen gefunden werden müsse. Mit Blick auf die inten- anderen Staaten Osteuropas habe man ein Zeichen sive Zusammenarbeit zwischen Nordamerika und Eu- für die Zukunft setzen wollen. Es sei zugleich das Ver- ropa hob der italienische Ministerpräsident abschlie- sprechen der radikalen Umorientierung der Ost-West- ßend hervor, daß auch die Anwesenheit junger Men- Beziehungen, die die NATO mit festem Willen im schen aus Kanada und den Vereinigten Staaten in Sinne einer fortschreitenden „Demilitarisierung" zu Europa ein weiteres Zeichen dieser transatlantischen erreichen versuche. Er unterstrich aber gleichzeitig, Solidarität sei, die zur Wahrung der gemeinsamen daß sich die Kooperation zwischen Ost und West auch Werte der Freiheit und der Sicherheit beitrage. auf die Bereiche Wirtschaft, Indust rie, Informations- austausch sowie Kultur und Wissenschaft beziehen müsse. Ansprache des Generalsekretärs der NATO und Andreotti hob die besondere Bedeutung der Nord- Vorsitzenden des Nordatlantikrates, atlantischen Versammlung, in der alle Mitgliedstaa- ten der NATO vertreten seien, bei den zukünftigen Dr. Manfred Wörner Entwicklungen hervor. Diese Entwicklungen blieben von zwei Faktoren bestimmt, nämlich zum einen von Zu Beginn seiner Rede brachte der NATO-Generalse- dem Wunsch des Westens nach einer Veränderung kretär seine Freude darüber zum Ausdruck, in Rom der Ost-West-Beziehungen von der Konfrontation zur vor den Mitgliedern der Nordatlantischen Versamm- Kooperation und zum anderen von der Notwendigkeit lung, die in ihren Parlamenten die Verantwortung tra- der konsequenten Weiterentwicklung der gerade be- gen würden, sprechen zu können. Zugleich sprach er gonnenen Reformen und neuen politischen Ausrich- seinen Dank für die Unterstützung aus, die Italien tungen in Osteuropa. — nach seinen Worten einer der verläßlichsten Part- ner in der NATO — der Allianz insbesondere durch Im Zusammenhang mit dem Thema Rüstungskon- die mutigen Entscheidungen der letzten Jahre ge- trolle unterstrich er, daß das entspannte interna tionale währt habe. Klima zur Zeit günstige Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluß der Wiener Verhandlungen Das Wort von Albert Camus, nach dem der Mensch über die Reduzierung konventioneller Streitkräfte in sich an alles gewöhne, stimme angesichts des Wan- Europa schaffe, ebenso für einen erfolgreichen Ab- dels in Osteuropa so nicht mehr. Die Entwicklungen schluß der Genfer Verhandlungen über den Abbau der letzten Wochen zeigten, daß sich die Völker chemischer Waffen. Diese günstigen Voraussetzun- Osteuropas nicht mit ihrem Schicksal abgefunden gen seien durch das Treffen von US-Außenminister hätten. Das totalitäre System habe den Wunsch nach Baker mit dem sowjetischen Außenminister Sche- Freiheit, Demokratie und freier Selbstbestimmung wardnadse noch verstärkt worden. nicht unterbinden können, ebensowenig das Verlan-

Drucksache 11/5950 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode gen politischer Gruppierungen, wie etwa der Solida- vergrößernden Abstandes zwischen Ost und West rität in Polen, nach Verwirklichung dieser Werte. habe der Westen in der letzten NATO-Gipfel-Erklä- rung sein umfassendes Konzept für eine Annäherung Es sei offenkundig, daß die Teilung Europas politisch mit dem Osten dargelegt. Die NATO biete dem Osten unhaltbar geworden sei. Zum einen habe der Kommu- Zusammenarbeit an und habe nach dem Gipfeltreffen nismus in ideologischer, wirtschaftlicher und sozialer bereits mit der praktischen Umsetzung begonnen. Da- Hinsicht versagt, da er nicht in der Lage sei, die Pro- bei konzentriere sie sich auf Polen und Ungarn. Beide bleme der modernen Industriegesellschaften zu lösen. Länder könnten als Testfälle für die Strategie der Zum anderen könne man die Freiheit nicht für immer westlichen Allianz angesehen werden. Vorausset- unterdrücken. Es sei das natürliche Verlangen des zung für den Erfolg dieser westlichen Programme sei Menschen, in Frieden und Freiheit zu leben und zu eine völlige Umgestaltung der Ost-West-Beziehun- arbeiten. Diese Erkenntnis stehe hinter dem Prozeß gen. Diese Umgestaltung umfasse zuerst den Abbau des Wandels in Osteuropa, den wir gegenwärtig er- der Warschauer-Pakt-Streitkräfte in Osteuropa auf lebten. Die Atlantische Allianz habe eine wichtige ein Niveau, das einen Angriff unmöglich mache. So- Rolle bei der Schaffung der Voraussetzungen für die- dann sei an langfristige wirtschaftliche Maßnahmen sen Wandel gespielt. Die Dynamik und der Wohlstand sowie an die Einführung von marktwirtschaftlichen der westlichen Gesellschaften habe den sowjetischen Strukturen und den Aufbau demokratischer Institutio- Führern deutlich gemacht, daß der Kommunismus al- nen zu denken. Neben der Beachtung der Menschen- ten Stils versagt habe und daß es keine Hoffnung rechte und der Vereinbarungen der Schlußakte von gebe, auf der Basis der marxistisch-leninistischen Helsinki müßten die Sowjetunion und ihre Verbünde- Ideologie zum Westen aufzuschließen. Dies sei nur ten mit dem Westen bei der Lösung weltweiter Pro- möglich durch eine Öffnung gegenüber den westli- bleme, wie der Umweltverschmutzung und dem Ter- chen Ideen und Werten des Pluralismus und der De- rorismus, zusammenarbeiten. mokratie. Der Generalsekretär hob hervor, daß die gegenwärti- Der NATO-Gipfel im Mai 1989 habe in diesem Zu- gen Veränderungen der politischen Strukturen und sammenhang drei wichtige Ziele abgesteckt. Ein un- der Sicherheitsstrukturen in Europa der westlichen geteiltes Europa, in dem alle Völker das Recht auf Allianz, die in erster Linie eine politische Allianz sei, freie Selbstbestimmung ausüben könnten und in dem zahlreiche Möglichkeiten zur aktiven Mitgestaltung alle gleiche Freiheiten und wirtschaftliche Möglich- gäben. Die zukünftige Rolle der Allianz liege einer- keiten genießen würden. Eine weltweite Zusammen- seits darin, als Instrument des politischen Wandels zu arbeit zwischen Ost und West, um die drängendsten dienen, aber andererseits auch da rin, weiterhin die Probleme der Menschheit — Hunger in der Dritten Grundlage für die militärische Stabilität zu bilden. Die Welt, Umwelt, Energie, Terrorismus und Drogen — Devise der Allianz müsse lauten: Veränderung in Si- lösen zu können. Eine gleichwertige transatlantische cherheit und Frieden. Die politische Strategie müsse Partnerschaft, die auf einem starken Nordamerika aber eine sichere Grundlage haben; dies bedeute Ver- und einem vereinten Westeuropa beruhe. teidigung. Der Westen könne auf eine starke und ein- Wenn Gorbatschow vom „Gemeinsamen Haus Eu- heitliche Verteidigung als Grundlage für einen f ried- ropa" spreche, so beruhe dieses Konzept auf einem lichen Wandel nicht verzichten. Die Verteidigungsan- Interessenausgleich. Dieser beinhalte zwar die Ab- strengungen sollten dabei nicht auf dem heutigen Ni- kehr von der militärischen Konfrontation, nicht aber veau fortgeschrieben werden. Der ermutigende Ver- von der ideologischen Teilung Europas durch den So- lauf der Abrüstungsverhandlungen in Wien zeige, daß zialismus Gorbatschows, der mit den westlichen Wer- es zwar ehrgeizig, aber nicht unrealis tisch sei, ein ten der Freiheit und der Selbstbestimmung wenig ge- Abkommen über den Abbau der konventionellen mein habe. Dennoch werde der Westen, dem mehr an Streitkräfte innerhalb eines Jahres zu erwarten. Das Kooperation als an Konfrontation gelegen sei, versu- Ziel der Rüstungskontrollverhandlungen müsse es chen, die Reformbewegungen in Richtung auf Plura- sein, die Sicherheitssysteme in Ost und West zu mehr lismus und Verwirklichung der Menschenrechte, zu Zusammenarbeit zu bewegen, um sie dadurch siche- unterstützen. rer und transparenter zu machen. Angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise Er sei beunruhigt darüber, daß gegenwärtig viele Mit- in den meisten osteuropäischen Ländern sei ein lang- gliedstaaten ihre Verteidigungsanstrengungen ein- fristiges Programm für grundlegende wirtschaft liche seitig reduzierten, bevor ein Rüstungskontrollabkom- und politische Reformen unumgänglich. Zu einem Er- men erreicht worden sei. Diese strukturelle Abrüstung folg der Perestroika und zur Zukunft der sowje tischen sei falsch und gefährlich. In diesem Zusammenhang Wirtschaft gebe es drei Möglichkeiten, nämlich daß sehe er für die Parlamentarier der NATO die große Gorbatschows Reformen erfolgreich, teilweise erfolg- politische Aufgabe da rin, sich überzeugend gegen die reich oder nicht erfolgreich sein werden. Aber selbst strukturelle Abrüstung auszusprechen, solange es unter günstigsten Voraussetzungen würde das Wirt- noch keine Rüstungskontrollvereinbarungen gebe. ge Aufgabe der Parlamentarier sei schaftswachstum nicht ausreichen, um die wirtschaft- Die zweite wichti liche Lage in der Sowjetunion deutlich zu verbes- es, zur weiteren Vertiefung der Ost-West-Beziehun- gen beizutragen. Zu den beiden Hauptaufgaben der sern. Nordatlantischen Versammlung, nämlich Parlamen- Der Generalsekretär unterstrich, daß nicht nur in der tarier der Allianz zusammenzubringen, um Fragen Sowjetunion, sondern auch in Polen und Ungarn die gemeinsamen Interesses zu diskutieren und die Öf- politischen Reformen an die wirtschaft lichen Notwen- fentlichkeit über die Rolle und die Ziele der NATO zu digkeiten gekoppelt seien. Angesichts des sich weiter informieren, komme als eine weitere Aufgabe hinzu,

Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode Drucksache 11/5950 dazu beizutragen, eine parlamentarische Tradition in einer Welt aussehen würde, in der die USA und die Osteuropa aufzubauen. Sowjetunion möglicherweise nicht mehr zu den tra- genden Pfeilern der Weltpolitik gehörten. Wörner er- Nach diesen Ausführungen beantwortete der Gene- klärte, die NATO habe ihre Ziele umrissen. Es gehe ralsekretär Fragen von Delegierten. um eine neue politische Ordnung in Verbindung mit Abg. Alberini (Italien) leitete mit der Frage ein, was einer neuen Sicherheitsordnung. Seine persönliche der Westen tun könne, um einerseits die Rolle des Auffassung sei, daß Europa eine größere Rolle bei den Bündnisses zu betonen und andererseits den Osten zu Themen Sicherheit und Verteidigung spielen werde. unterstützen. Der Generalsekretär wies darauf hin, Die enge Verbindung mit den Vereinigten Staaten daß der politische Bereich schon immer eines der von Amerika und Kanada würde aber auch in diesem Hauptfelder der NATO gewesen sei. Die Verteidi- Falle unentbehrlich bleiben. gung dürfe deswegen aber nicht vernachlässigt wer- Abg. Niegel (Bundesrepublik Deutschland) fragte un- den. Als Gebiete, auf denen eine Zusammenarbeit ter Hinweis auf die ungelöste Deutschlandfrage und möglich oder denkbar sei, nannte er die politische, die die dazu im Harmel-Bericht aus dem Jahre 1967 ge- wirtschaftliche und die kulturelle Zusammenarbeit. troffene Aussage, wann diese Frage auf die Tagesord- Darüber hinaus erwähnte er die Zusammenarbeit in nung der Weltpolitik komme. Der Generalsekretär bezug auf nichtmilitärische Angelegenheiten, etwa hob hervor, daß ein Prinzip des Nordatlantischen im Bereich der Wissenschaft. Bündnisses das Selbstbestimmungsrecht für alle Völ- Abg. van Traa (Niederlande) fragte, ob es nicht an der ker sei. Die im Harmel-Bericht niedergelegten Prinzi- Zeit sei, daß jetzt auch die NATO mit dem Warschauer pien seien damals wie heute verbindlich. Zur Über- Pakt Gespräche aufnehme. Der Generalsekretär un- windung der deutschen Teilung habe das Nordatlan- terstrich, daß es vielfältige militärische Kontakte mit tische Bündnis in seiner letzten Gipfel-Erklärung klar den Staaten des Warschauer Paktes gebe, aber keine Stellung genommen. Kontakte mit dem Warschauer Pakt als Organisation. Abg. Browne (Vereinigtes Königreich) bat um die Er verwies auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Meinung des Generalsekretärs zu der Frage, ob nicht des NATO-Vertrages, die allein die Antwort auf diese die Menschenrechte Vorbedingungen für Rüstungs- Frage geben könnten. kontrollverhandlungen sein müßten. Darüber hinaus Abg. Hicks (Kanada) stellte die Frage, wie das NATO- bat er um Stellungnahme zur Frage, ob die Gefahr Bündnis dem Osten klarmachen könne, daß man nicht bestehe, daß einseitige Truppenreduzierungen eini- die Absicht habe, Instabilitäten der dortigen Lage aus- ger Mitgliedstaaten des Nordatlantischen Bündnisses zunutzen. Unter Hinweis auf die nur begrenzten Ein- zukünftigen Ergebnissen vorgreifen und eine „kriti- flußmöglichkeiten der NATO wies der Generalsekre- sche Masse" darstellen könnten. Wörner betonte in tär darauf hin, daß man diese Haltung am besten seiner Antwort, dauerhafter Frieden sei nicht möglich durch eine glaubwürdige Politik deutlich machen ohne Menschenrechte und Demokratie. Er stimmte könne. Hinsichtlich der Entwicklung in Polen und der dem Fragesteller zu, daß in der Tat vor einer „kriti- DDR habe das Bündnis eine zurückhaltende Politik an schen Masse" gewarnt werden müsse. Dies durch Öf- den Tag gelegt. fentlichkeitsarbeit auch den Bürgern klar zu machen, sei allerdings eine Aufgabe der Regierungen der Mit- Senator Capuzzo (Italien) wollte wissen, ob nicht Vor- gliedstaaten des Nordatlantischen Bündnisses. aussetzung für die strukturelle Abrüstung die psycho- logische Abrüstung sei. Der Generalsekretär führte dazu aus, Rüstungskontrollverhandlungen, wenn es dazu komme, würden auch Auswirkungen auf die Aussprache zum Thema „Abbau der NATO-Struktur haben. Auch wenn sich die Art der Ost-West-Konfrontation: Die Rolle der Wahrnehmung der Bedrohung gewandelt habe, dürfe Rüstungskontrolle" man deswegen nicht weniger wachsam sein. Zeiten des Überganges seien immer auch Zeiten erhöhter Zu dem von Abg. Frinking (Niederlande) eingebrach- Unsicherheit. Darüber hinaus käme es weniger auf die ten Entschließungsentwurf von Senator Biden (USA) Absichten politischer Führer an, als auf das tatsächlich wurde Übereinstimmung erzielt, daß dieser als vorhandene Potential. Es sei eine wichtige und Grundlage für die Diskussion dienen, daß jedoch nicht schwierige Aufgabe des Bündnisses, diese Zusam- darüber abgestimmt werden solle. Vielmehr solle er menhänge der Öffentlichkeit deutlicher zu machen. an die zuständigen Ausschüsse zurückverwiesen wer- den. Abg. Sir Philip Goodhart (Vereinigtes Königreich) fragte den Generalsekretär, ob die NATO nicht in der Senator Rumor (Italien) betonte, daß die Solidarität Lage sei, eine größere Rolle in der Öffentlichkeit zu des Westens Auslöser für die Entwicklung im Osten spielen, insbesondere im Hinblick auf verzerrte Mel- gewesen sei. Die dringlichste Aufgabe der Gegenwart dungen in den Presseorganen des Ostens. Wörner be- bestehe in der Herstellung eines Gleichgewichts der jahte dies, wies jedoch darauf hin, daß die NATO nach militärischen Kräfte in Europa. Dabei könne die Ver- ihrer derzeitigen Struktur nicht die Befugnis habe, ringerung der Streitkräfte kein Selbstzweck sein, son- eigene Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Zuständig dern müsse die Sicherheit schaffen, die die politische seien hierfür die einzelnen Mitgliedstaaten der Entwicklung fordere. Die Zukunft der Völker hänge NATO. von der gegenseitigen Verständigung ab. Abg. Biehle (Bundesrepublik Deutschland) sprach die Abg. Hicks (Kanada) unterstrich, daß der im Osten künftige Rolle Europas an und fragte, wie diese in stattfindende Wandel unbestreitbar sei. Bei der Rü-

Drucksache 11/5950 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode stungskontrolle sei Ve rifizierung zwar unerläßlich einer klaren Demonstration für die deutsche Einheit und gut, entscheidend sei jedoch der politische Wille, entwickelten. Er erinnerte an den Harmel-Bericht, der den die jeweiligen Verhandlungspartner einzubrin- die Teilung Europas und vor allem Deutschlands als gen bereit seien. Als ergänzende Hilfsmittel für den Hauptgrund für die Spannungen in Europa ansehe. Prozeß der Rüstungskontrolle und Abrüstung kämen Deutschland müsse sein Recht zur Selbstbestimmung wirtschaftliche Unterstützung und kulturelle Kon- wiedererlangen, und dies bedeute ohne Zweifel die takte in Frage. Diese Möglichkeiten dürften nicht ver- deutsche Einheit. paßt werden. Abg. Yavuztürk (Türkei) vertrat die Ansicht, Erfolge Abg. Greisch (Luxemburg) forderte alle Länder in bei den Rüstungskontrollverhandlungen würden Osteuropa dazu auf, dem Beispiel Ungarns und Polens auch zu Verbesserungen im Ost-West-Verhältnis füh- zu folgen. Er wies darauf hin, wie wichtig es sei, daß ren. Die Türkei messe der Rüstungskontrolle und dem auch wirtschaftliche Umstrukturierungen den politi- Rüstungsabbau große Bedeutung in diesem Prozeß schen Wandel in den genannten Ländern begleiten bei. Entscheidend sei jedoch der politische Wille, kon- müßten. Unabdingbar sei für ihn, daß alle chemischen ventionelle Streitkräfte abzubauen. Nach seiner Mei- Waffen vernichtet würden. nung sei dieser politische Wille auch vorhanden.

Abg. Prof. Dr. Abelein (Bundesrepublik Deutschland) Senator Chauty (Frankreich) betonte die große Bedeu- führte aus, es bestehe kein Zweifel daran, daß das tung des Abrüstungsprozesses für den Abbau der Ost Bündnis gegenwärtig eine sehr interessante Phase der West-Konfrontation. Die Sowjetunion sei nach wie vor Geschichte erlebe. Die Nordatlantische Versammlung konventionell überlegen und müsse zunächst greif- treffe während dieser Jahrestagung in Rom mit dem bare Beweise für ihre Absichten vorlegen. Die Abrü- sowjetischen General Lobow zusammen. Die Staaten stung sei eine wesentliche Komponente der Ost-West in Ost und West hätten in den letzten Jahren und Dynamik. Monaten entscheidende Schritte getan, um die Si- cherheit in Europa auf einer Grundlage der Zusam- Senator Roth (USA) maß dem Rüstungskontrollprozeß menarbeit zu ermöglichen. Ein umfassender Rü- entscheidende Bedeutung für das Ost-West-Verhält- stungskontrollprozeß habe zu beträchtlichen Erfolgen nis bei. Die Rüstungskontrolle spiele jedoch nicht die geführt. Die im Jahre 1984 begonnenen CDE-Ver- Hauptrolle in diesem Verhältnis. Hinzu kämen die handlungen hätten die Vereinbarung von Stockholm Menschenrechte und die wi rtschaftlichen Beziehun- hervorgebracht. Der INF-Vertrag habe zu einer Ver- gen. Er wies auf die Abhängigkeit des Prozesses von einbarung geführt, die die Zerstörung einer ganzen der Leistungsfähigkeit der sowjetischen Wirtschaft Kategorie von Nuklearwaffen vorsehe. Darüber hin- hin. Der Westen könne hier aufgrund seiner eigenen aus hätten sich in Paris 149 Staaten dazu verpflichtet, guten Erfahrungen Rat geben. zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein überprüfbares Abg. Barrero (Spanien) verwies auf die Notwendig- Verbot der Entwicklung, Lagerung und des Einsatzes keit, Stabilität und Sicherheit zu konsolidieren. Maß- von chemischen Waffen zu verhängen. nahmen der Entspannung käme dabei eine besondere Die wahrscheinlich vielversprechendsten Ost-West- Bedeutung zu. Sicherheit dürfe nicht nur in Verteidi- Verhandlungen fänden zur Zeit in Wien statt, nämlich gung bestehen, sondern müsse auch Entspannung die VSBM-Verhandlungen. Zum ersten Mal bestehe umfassen. zwischen beiden Pakt-Systemen Übereinstimmung in Abg. Mundeleer (Belgien) unterstrich den instrumen- der Zielsetzung, die Fähigkeit zu einem Überra- tellen Charakter der Abrüstung. Abrüstung dürfe nie schungsangriff einzuschränken. Das Ziel sei es, einen Selbstzweck sein, sondern nur Mittel zum Zweck. Als Zustand des Gleichgewichtes herzustellen, bei dem Rückversicherung, auf die Europa nicht verzichten keine der beiden Seiten auf einen militärischen Erfolg könne, sei es unbedingt notwendig, in den militäri- als Ergebnis eines Angriffs hoffen könne. Er habe in schen Anstrengungen weder konventionell noch ato- Wien den Eindruck gewonnen, daß die Verhandlun- mar nachzulassen. Hinsichtlich der chemischen Waf- gen in einer sehr konstruktiven Atmosphäre stattfän- fen sei zu beachten, daß dieses Problem das Ost-West - den und daß die Aussichten auf solide Verhandlungs- Verhältnis überschreite. Es käme darauf an, daß alle, ergebnisse gut seien. Nichtsdestoweniger müsse der die chemische Waffen besitzen, einem entsprechen- Westen vorsichtig sein, da die Sowjetunion immer den Vertrag beitreten müßten. noch über die stärkste Armee in Europa verfüge. Abg. Haekkerup (Dänemark) hob auf die. besondere Abelein machte auf einen weiteren wichtigen Punkt Bedeutung der Rüstungskontrolle zur See ab. Diese aufmerksam, nämlich daß die gegenwärtige Entwick- und vertrauensbildende Maßnahmen zur See seien lung in Ostdeutschland ein Symbol für die Ernsthaf- ein bedeutsames Thema für die sicherheitspolitischen tigkeit der Entspannung und der Abrüstung sei. Interessen der nordischen Staaten. Er rief dazu auf, 17 Millionen Deutsche hätten sich niemals mit einem hierfür ein eigenes Konzept auszuarbeiten. Regime identifiziert, das ihnen die elementarsten Menschenrechte vorenthalten habe. Während dieser Abg. Sir Philip Goodhart (Vereinigtes Königreich) ver- letzten Wochen seien wir Zeuge dramatischer Ent- wies insbesondere auf die wirtschaftliche Seite des wicklungen gewesen. Fast 40 000 Deutsche, und was militärischen Bereichs in der Sowjetunion. Die Unter- noch wichtiger sei, vornehmlich junge Leute, hätten haltung der Streitkräfte in den Ostblockstaaten verur- deutlich gemacht, daß es keine Alternative zu einem sache für die Sowjetunion hohe Kosten. Dadurch sei freien Leben in einem freien Land gebe. Es sei sicher- die Konjunktur der Wirtschaft in der Sowjetunion sehr lich von den Regierenden in Ostberlin nicht beabsich- eingeschränkt. Diese Zusammenhänge müßten auch tigt gewesen, daß sich die Feiern zum 40. Jahrestag zu den Machthabern im Ostblock klar sein. Bei den Rü-

Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode Drucksache 11/5950 stungskontrollverhandlungen müsse man sich auf den Spannungen zwischen Ost und West im geopoliti- Erfolg der konventionellen Verhandlungen in Wien schen Konzept an Bedeutung verlieren würden. konzentrieren. Abg. Frau Beer (Bundesrepublik Deutschland) ging Abg. Frau Blattmann (Norwegen) lenkte die Auf- auf die Reden von General Lobow und NATO-Gene- merksamkeit auf die Verhandlungen über Seestreit- ralsekretär Wörner ein. Ihrer Meinung nach seien die kräfte, bei denen es gelte, auch die Gesamtstabilität Zielsetzungen, zu denen sich beide bekannt hätten, im Auge zu behalten. Die Seestreitkräfte könnten von falsch. Rüstungskontrollverhandlungen seien ein Teil dem übrigen Abrüstungsprozeß nicht auf Dauer unbe- der westlichen Strategie und somit ein Teil der west- einflußt bleiben. lichen Machtpolitik. Es sei gesagt worden, daß 40 Jahre NATO „Träume wahr gemacht hätten" . Abg. Lello (Portugal) hob die positive Entwicklung in Diese Träume hätten ihre Grundlage im Harmel-Be- einigen Staaten des Ostens hervor. Der Zusammen- richt, im Ergebnis des jüngsten NATO-Gipfels und in halt des politischen Bündnisses sei eine Realität. Le- der Entscheidung zu weiterer Modernisierung gefun- diglich in der sowjetischen Haltung gegenüber der den, aber auch in der Beibehaltung der Abschrek- Rüstungskontrolle zeige sich ein neuer Pragmatismus. kungsdoktrin und der Strategie der „flexible re- Auf jeden Fall müßte der Dialog intensiver werden. Es sponse”. Die Auseinandersetzung um die Modernisie- gelte, ein militärisch konstruktives System der nicht- rung sei vertagt worden. Doch die Modernisierung offensiven Verteidigung zu entwickeln. gehe weiter und sei teilweise bereits abgeschlossen. Die Konsequenz der zur Zeit sehr wichtigen Wiener Abg. (Island) lenkte die Aufmerksamkeit Albertsson Verhandlungen werde sein, daß auch die westliche auf verschiedene Zwischenfälle mit atomar angetrie- Allianz konventionelle Waffen abbauen werde. Aber benen sowjetischen U-Booten im Nordatlantik. Die es werde stattdessen in Zukunft Waffen besserer Qua- isländische Fischereiwirtschaft sei durch diese Ereig- lität geben, die noch effizienter und noch gefährlicher nisse schon in Mitleidenschaft gezogen worden. Er sein würden als die bisher einsatzfähigen. Dieser forderte auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Im technische Fortschritt werde sehr viel Geld kosten, da Hinblick auf Gespräche über Abrüstung zur See die Neuentwicklungen in der Waffentechnologie schlug er vor, den gesamten Nordatlantik zur atom- teuer seien. Alle Bereiche, in denen die NATO dem waffenfreien Zone zu erklären. Warschauer Pakt überlegen sei, seien durch die Rü- Abg. Engwirda (Niederlande) verabschiedete sich mit stungskontrollverhandlungen nicht abgedeckt. Die seinem Beitrag von der Nordatlantischen Versamm- westliche Allianz lehne sogar vertrauensbildende lung und von der Politik. Er drückte seine große Ge- Maßnahmen ab. Obwohl der vorliegende Entschlie- nugtuung über das Tagungsthema und über die ge- ßungsentwurf vertrauensbildende Maßnahmen be- haltenen Reden aus und meinte, daß das Nordatlanti- grüße, sei sie der Meinung, daß sich die Idee der sche Bündnis mit Optimismus in die Zukunft blicken Abschreckung und die Herbeiführung von Vertrauen könne. ausschließen würden. Generalsekretär Wörner habe verlangt, daß sich die UdSSR der westlichen Allianz Abg. Arima (Japan) dankte für die Möglichkeit, an der anpasse und daß die osteuropäischen Länder bedin- Sitzung der Nordatlantischen Versammlung teilneh- gungslos westliche Werte übernehmen sollten. Diese men zu können. Er stellte die strategische Situation in westlichen Werte hätten aber auch ein anderes Ge- Japan dar und wies auf die Verstärkung der sowjeti- sicht, nämlich den Hunger in der Dritten Welt, Kriege schen Streitmacht auch unter Gorbatschow hin. Die und Waffenexporte. Sie frage sich deshalb, ob dies die Sicherheit im Fernen Osten könne nicht unbedingt richtige Perspektive für die UdSSR, Ungarn und Polen mit Optimismus betrachtet werden. Sicherheit sei al- sei. Sie sei der Meinung, daß diese Länder nicht den- lerdings zu einer weltweiten Frage geworden. So selben Weg gehen sollten. Die NATO und der War- seien auch die europäische und die japanische Sicher- schauer Pakt sollten sich vielmehr gegenseitig annä- heit immer enger voneinander abhängig. hern, so daß ein gemeinsames Europa aufgebaut wer- den könne, das zur Auflösung beider Blöcke führe. Senator Gerosa (Italien) verwies auf die Notwendig- keit für das Bündnis, angesichts des gegenwärtigen Abg. Chauveau (Frankreich) wies darauf hin, daß die Wandels in Europa seine Strategie anzupassen. gegenwärtige Entwicklung im Osten die Gefahr einer Grundlage dafür sei das umfassende Konzept der Destabilisierung in sich berge. Dies werde besonders NATO im Bereich der Rüstungskontrolle. Die Haupt- durch die Nationalitätenbewegungen in der UdSSR frage sei, ob Gorbatschow seine Reformpolitik erfolg- deutlich. Der Abrüstungsprozeß werde zur Zeit vom reich weiterführen könne. Das Bündnis müsse immer Wandel der politischen Situation überholt. Im Zusam- mit dem Scheitern der Politik Gorbatschows rechnen. menhang mit den Abrüstungsverhandlungen wies er Deshalb sei das Ziel eines ausgewogenen Rüstungs- auf die Komplexität der Wiener Verhandlungen hin. abbaus vorrangig. Ein Hauptproblem sei die Umgehung der quantitati- ven Verringerung der Zahlen durch die Modernisie- Abg. Rose (USA) verwies darauf, komplexe Vor- rung der Waffensysteme. gänge, die Gorbatschow durch seine Reformen in Gang gesetzt habe, beinhalteten auch Gefahren. Dies Abg. Sengün (Türkei) verwies auf das veränderte zeige das Nationalitätenproblem. Im Zusammenhang Klima in den Ost-West-Beziehungen. Angesichts des mit den Rüstungskontrollverhandlungen betonte er, gegenwärtigen Demokratisierungsprozesses in daß ein Erfolg in Wien auch als ein Beweis für den Osteuropa bestehe auch die Möglichkeit größerer politischen Willen der UdSSR zu werten sei. Er sei der Fortschritte bei den Rüstungskontrollverhandlungen. Meinung, daß angesichts des Wandels im Osten die Er begrüße das Streben nach mehr Demokratisierung

Drucksache 11/5950 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode und nach politischem Pluralismus in Osteuropa. Trotz- Europa, sowie in den militärischen Beziehungen zwi- dem müsse die NATO gegenüber der UdSSR weiter- schen der NATO und dem Warschauer Pakt. Ein sol- hin wachsam sein, da diese ihr militärisches Potential cher komplexer Ansatz müsse auch die politische Zu- noch nicht entscheidend abgebaut habe. sammenarbeit sowohl zwischen Ost und West als auch zwischen Nord und Süd umfassen. Das Ziel sei es, von Abg. Cervetti (Italien) begrüßte die gegenwärtigen einer Konfrontation zu einem positiven Wettbewerb Entwicklungen im Osten, die den Entspannungspro- zu kommen. zeß positiv beeinflussen würden. Im Bereich der Rü- stungskontrolle seien vertrauensbildende Maßnah- Abg. Niegel (Bundesrepublik Deutschland) wies ein- men und ein System gegenseitiger Kontrolle vorran- leitend darauf hin, daß er angesichts der Ereignisse in gig. Angesichts des positiven Verlaufs der Wiener Osteuropa zum ersten Mal das Wo rt vor dem Plenum Verhandlungen müsse man sich nun Gedanken über ergreife. Die gegenwärtige Flüchtlingsbewegung aus die Waffenproduktion und die Umwandlung der Rü- der DDR über Prag in die Bundesrepublik Deutsch- stungsindustrie machen. land bezeichnete er als eine Abstimmung der Bürger mit Füßen gegen eine undemokratische Regierung. Abg. (Vereinigtes Königreich) führte aus, mit Lamond Die jungen Leute, die in den Westen flüchteten, woll- dem vorliegenden Entschließungsentwurf sei er nicht ten nicht nur das Prinzip der Hoffnung hochhalten, sie zufrieden. Wegen des gedämpften Pessimismus im wollten auch für Frieden und ein Leben in Freiheit Entschließungsentwurf, der zudem die Notwendig- kämpfen. Diesen Menschen seien elementare Rechte keit des Einsatzes von Kernwaffen akzeptiere, hätte er vorenthalten worden, die kommunistische Diktatur dagegen gestimmt Er beklagte, daß die Dritte Welt im verweigere ihnen jede Freiheit. Diese Regierung, die Entschließungsantrag nicht erwähnt werde. Wichtiger sich den größten Demonstrationen seit dem 17. Juni Aspekt der Abrüstungspolitik sei aber die Freisetzung 1953 gegenübersehe, habe keine Zukunft mehr. Tau- von finanziellen Mitteln, die dann für die Entwicklung sende seien in Ostberlin, Karl-Marx-Stadt und Plauen der Dritten Welt genutzt werden sollten. Letztlich für Glasnost und Perestroika auf die Straße gegangen. könne man nur dann von Frieden sprechen, wenn es Auch am 40. Jahrestag der Gründung der DDR unter- auch keinen Hunger in der Welt mehr gebe. drücke die Regierung ihre eigenen Bürger. Abg. (Italien) stellte die Glaubwürdigkeit Tremaglia Zur Rolle der Abrüstung betonte der christlich-soziale Gorbatschows in Frage. Die UdSSR unterstütze den Abgeordnete, Rüstungskontrollverhandlungen seien Abrüstungsprozeß nur deshalb, weil sie dadurch nur ein Symptom ungelöster Probleme. Die Flücht- gleichzeitig die eigene Wirtschaft sanieren könne. Er lingswelle und die Demonstrationen hätten an die wies darauf hin, daß es immer noch ein großes wirklichen Ursachen der Spannungen erinnert. Man Übergewicht der UdSSR im Bereich der konven- habe sich zwischenzeitlich sehr an die Teilung Euro- tionellen und der chemischen Waffen gebe. Trotz der pas, die Teilung Deutschlands gewöhnt, es sei sogar Perestroika in der Sowjetunion müsse die NATO vor einer möglichen Destabilisierung gewarnt wor- weiterhin wachsam bleiben, denn Sicherheitspolitik den. Es sei zwar richtig, daß die Lage an der Oberflä- sei unerläßlich für Europa. Die Glaubwürdigkeit der che stabil gewesen sei, aber sie sei im Innern politisch Sowjetunion hänge auch mit der Frage zusammen, niemals stabil gewesen. ob Gorbatschow bereit sei, an einer Lösung der deut- schen Frage mitzuwirken. Niegel unterstrich, daß eine dauerhafte Lösung für Europa ohne die Lösung der deutschen Frage nicht Abg. (Norwegen) unterstrich, daß in dieser Petersen möglich sei. Generalsekretär Wörner habe bekräftigt, Zeit des Wandels in Osteuropa und der sich verbes- sernden Ost-West-Beziehungen mehr Raum für Kon- daß die Prinzipen des Harmel-Berichtes, der die Tei- lung Deutschlands als Grund für die Spannungen zwi- takte und Abrüstungsverhandlungen vorhanden sei. schen Ost und West ansehe, auch heute noch gültig Rüstungskontrolle sei ein wichtiges Instrument, Stabi- seien. Er sei der Meinung, daß durch die Flüchtlings- lität und Sicherheit auf einem niedrigen Streitkräfte- bewegung die aufgezwungene politische Ordnung in niveau zu erhalten. Er hob deshalb den besonderen Osteuropa in Frage gestellt werde. Durch die Flücht- Stellenwert der Wiener Verhandlungen hervor. Ge- lingsbewegung sei die deutsche Frage wieder auf die genwärtig sei die Bedrohung durch das Übergewicht Tagesordnung der Weltpolitik gekommen. Frieden der konventionellen Streitkräfte des Warschauer Pak- könne nur durch die Selbstbestimmung aller Völker tes ebenso groß wie die nukleare Bedrohung. Er beur- erreicht werden. Deshalb müsse auch den 17 Millio- teilte deshalb die Bemühungen um den Abbau von nen Menschen in Ostdeutschland die Möglichkeit ge- Offensivwaffen in Wien sehr positiv. geben werden, in freien, gleichen und geheimen Abg. Earl of Kimberley (Vereinigtes Königreich) be- Wahlen über ihr Schicksal selbst zu entscheiden. Ab- grüßte die positiven Entwicklungen in den Ost-West- schließend rief er die Nordatlantische Versammlung Beziehungen, die auch durch die Anwesenheit von dazu auf, das Streben nach Freiheit und Selbstbestim- General Lobow in Rom zum Ausdruck gekommen mung im anderen Teil Deutschlands zu unterstüt- seien. Im Zusammenhang mit den Rüstungskontroll- zen. verhandlungen bestehe die Gefahr einer einseitigen (Bundesrepublik Deutschland) hob zu Be- ungleichen Abrüstung des Westens. Er wies darauf Abg. Opel hin, daß die Rüstungsanstrengungen der UdSSR auch ginn seiner Ausführungen hervor, daß dank der be- sonderen Atmosphäre in Rom die Diskussionen so unter der Regierung Gorbatschow noch nicht vermin- dert worden seien. breit gefächert, so offen und so liberal wie nie zuvor geführt worden seien. Bevor er sich zum vorliegenden Abg. Gunnella (Italien) forderte einen neuen Ansatz in Entschließungsentwurf äußerte, betonte er, daß die den Beziehungen zwischen den USA, der UdSSR und Dritte-Welt-Problematik ein Schwerpunkt der politi-

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schen Arbeit sein müsse. Es dürfe dabei aber nicht munistischen Ideologie ab. Die Einführung der Demo- übersehen werden, daß viele Länder der Dritten Welt kratie in der DDR würde dazu führen, daß sich die einen sehr hohen Verteidigungsetat hätten — teil- Bürger gegen diese Regierung entschieden und ihr weise über 60 % des Gesamthaushaltes — und daher damit die Legitimation entzögen. In der Bundesrepu- viel Geld für Waffen ausgeben würden. blik Deutschland wolle man die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Es stelle sich nun die Frage nach Ausgehend vom Entschließungsentwurf verwies Opel der Haltung der westlichen Verbündeten. In der Ver- darauf, daß die militärische Strategie der Abschrek- gangenheit habe es klare Erklärungen gegeben, aber kung inzwischen überholt sei. Deshalb befürworte er nun würden kritische Stimmen vor einer Destabilisie- die Überprüfung aller strategischen Fragen zwischen rung der DDR warnen. Stabilität dürfe kein Selbst- Ost und West. Die NATO brauche ein umfassendes zweck sein. Wenn der Westen seinen Prinzipien treu militärisches und strategisches Konzept, das die drei bleiben wolle, müsse er sich für Reformen in Osteu- folgenden Punkte umfasse: Strukturelle Nichtan- ropa und insbesondere in der DDR aussprechen. In griffsfähigkeit, bedeutend größere Vorwarnzeiten Antalya sei sogar gesagt worden, daß die Einschrän- und das Unvermögen, größere militärische Operatio- kung von Menschenrechten und Freiheit in Osteuropa nen zu beginnen. Deshalb solle die westliche Allianz bis zu einem gewissem Maße akzeptiert werden das über zwanzig Jahre alte Konzept der „flexible re- müsse, um die Stabilität und den Frieden nicht zu sponse" ändern und ein neues Konzept der „gesicher- gefährden. Diese vordergründige Stabilität sei oftmals ten Verteidigung" annehmen, welches die drei vorge- der Grund für Instabilität in den Ländern, in denen es nannten Elemente einschließen müsse. Verteidigung keine Freiheit gebe. Deshalb müsse der Westen sei- sei sinnlos, wenn sie nicht in der Lage sei, im Falle nen Beitrag leisten, um zu zeigen, daß die Erklärun- eines Krieges Zerstörungen zu verhindern. Es sei be- gen der Vergangenheit mehr als nur Lippenbekennt- kannt, daß angesichts der wirkungsvollen Waffensy- nisse gewesen seien. steme in Ost und West selbst im Falle eines konven- tionellen Krieges die Frontstaaten buchstäblich „von Abg. Bereuter (USA) betonte, daß der Osten auf den der Landkarte wegradiert werden würden". Deshalb Westen zugehen müsse, nicht umgekehrt, und daß die müßten alle exponiert liegenden Staaten in Zentraleu- Länder Osteuropas die westlichen Ideen annehmen ropa ein vitales Interesse an einer verstärkten Abrü- müßten. In bezug auf die Verhandlungen über See- stung sowie an einer Umorientierung der Verteidi- streitkräfte unterstrich er, daß die USA als Weltsee- gungspolitik und der militärischen Strategie haben. macht immer Widerstand gegen die Vernachlässi- Dieses genannte Ziel stelle vor allem eine politische gung der Seestreitkräfte und deren übermäßige Redu- Herausforderung für die beiden Supermächte dar, die zierung geleistet habe. Deshalb spreche sich die USA unzweifelhaft weltweite Interessen und Verantwor- auch gegen ein Verbot von seegestützten Nuklear- tungen außerhalb der jeweiligen Einflußbereiche der waffen aus. NATO und des Warschauer Paktes haben würden. Abg. Rognoni (Italien) vertrat die Auffassung, daß der Soweit es die Rüstungskontrolle angehe, sei er davon Westen im eigenen Interesse die Politik Gorbatschows überzeugt, daß sich die Allianz im politischen Bereich unterstützen solle. Angesichts der dramatischen Ent- auf die Rüstungskontrolle konzentrieren müsse, da wicklungen in Osteuropa stelle sich erneut die deut- sich die wirtschaft liche Umstrukturierung und die sche Frage, die Frage nach der Wiedervereinigung. Verwirklichung der Menschenrechte daraus ergeben Dies sei ein Testfall für die zukünftige Politik der würden. UdSSR. In bezug auf die Rüstungskontrollverhand- lungen betonte er, das Ziel des Westens sei die Redu- Abg. Lattmann (Bundesrepublik Deutschland) sagte zu Beginn seiner Rede, die Atlantische Allianz sei zu zierung der sowjetischen Präsenz in den Ostblocklän- keiner Zeit nur eine militärische Allianz gewesen, dern. Die Abrüstungsbemühungen führten zu Einspa- sondern sie sei traditionell eine Gemeinschaft freier rungen im militärischen Bereich, die dann im zivilen Nationen, die auf den Werten von Freiheit, Demokra- Bereich eingesetzt werden könnten. tie und der Achtung der Menschenrechte beruhe. Die Abg. Voigt (Bundesrepublik Deutschland) teilte mit, gegenwärtige Phase des Umbruchs sei die wirkliche daß er wegen des unerwarteten Verlaufs der Debatte Bewährungsprobe für alle diese Werte und Ideale. Die nicht auf seinen vorbereiteten Redebeitrag zur Rü- Vorgänge in der DDR seien ein Test für die Glaubwür- stungskontrolle eingehen, sondern die Veränderun- digkeit des Westens. Die Fluchtbewegung aus der gen in Osteuropa und die Frage der beiden deutschen DDR, insbesondere von jungen Menschen, die unter Staaten ansprechen werde. Angesichts der Entwick- dem Regime aufgewachsen seien, habe dramatische lungen in Osteuropa und in der DDR hätten deutsche Ausmaße angenommen. Die Regierung, die auf die Redner in der Debatte bestimmte Hoffnungen geäu- zahlreichen Demonstrationen mit Repressionen rea- ßert. Aber man dürfe nicht vergessen, daß viele Men- giere, sei außerstande, den Drang der Menschen nach schen, nicht nur im Osten, sondern auch im Westen Freiheit aufzuhalten. Befürchtungen äußerten, wenn von Deutschland die Rede sei. Deshalb sei es wichtig zu vermeiden, daß Die Frage stelle sich, wie der Westen reagieren solle. neue Ängste und damit zusammenhängende Erinne- Viele westliche Politiker hätten die DDR-Regierung rungen an die deutsche Geschichte entstehen könn- zu Reformen aufgefordert, jedoch sei dies in der DDR ten. schwieriger durchführbar als in anderen Ostblocklän- dern, in denen die Lage durch Reformen wirk lich ver- Voigt betonte, daß die deutsche Politik von drei Prio- bessert werden konnte. Im Gegensatz zu Ungarn und ritäten ausgehen müsse, die denen der deutschen Polen sei die DDR kein historisch gewachsener Staat, Friedensbewegung am Anfang des 19. Jahrhunderts sie leite ihre Existenzberechtigung nur aus der kom- ähnlich seien. Diese Prioritäten beträfen Freiheit, Frie- Drucksache 11/5950 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode den und Europa. Der Beg riff Frieden habe etwas mit Ferner wurden die bisherigen Vizepräsidenten, Sena- Rüstungskontrolle und Abrüstung zu tun. Dabei tor William Roth (USA), Senator Mariano Rumor und denke er nicht nur an die Fortschritte der Wiener Ver- Abg. Zeki Yavurtürk zur Wiederwahl vorgeschlagen. handlungen, sondern auch an die Notwendigkeit ei- Die Versammlung wählte die Kandidaten durch Ak- nes dichten Netzwerkes von Rüstungskontrolle, in das klamation. beide Teile Deutschlands in Zukunft eingebunden Von den Mitgliedern der Delega tion der Bundesrepu- wären. Dies sei nicht nur eine Garan tie für Ost und blik Deutschland wurden in Ämter der Ausschüsse West, sondern auch für die deutsche Sicherheitspoli- gewählt: Abg. Lothar Ibrügger zum Vorsitzenden des tik, die in ein interdependentes Netzwerk eingebun- Ausschusses für Wissenschaft und Technik; Abg. Kar- den sei, selbst wenn die NATO und der Warschauer sten D. Voigt zum Vorsitzenden des Ausschusses für Pakt ihre Funktionen ändern würden. Die Einbindung Verteidigung und Sicherheit; Abg. B ri in multilaterale Strukturen sowie Rüstungskontrolle gitte Schulte zur Generalberichterstatterin des Ausschusses für zi- und gemeinsame Sicherheitsvereinbarungen stellten einen historischen Fortschritt dar. Deshalb spreche er vile Angelegenheiten. sich für eine solche multilaterale Sicherheitspolitik aus. Ausschußsitzungen Das zweite Prinzip sei Freiheit. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts habe es in Deutschland eine Frei- Ausschuß für zivile Angelegenheiten heitsbewegung gegeben, für die Freiheit Vorrang ge- habt habe. Die Menschen in der DDR, die jetzt ihre Der Ausschuß für zivile Angelegenheiten tagte am Stimme erheben würden, verlangten nach Freiheit. 6. und 7. Oktober 1989 unter dem Vorsitz der Abg. Das Wort Vaterland werde nicht von ihnen benutzt, Frau Skarstein (Norwegen). sondern nur von den Führern des Regimes, die vom deutschen Vaterland sprechen würden. Deshalb In seinem Entwurf eines Generalberichts zu dem müsse die Freiheit Vorrang haben, nicht nur für die Thema „NATO und die öffentliche Meinung" ging Deutschen, sondern für alle Nationen in Europa. Senator Genton (Frankreich) zunächst auf die jüngste politische Entwicklung ein, die der Bevölkerung der Europa erlebe zur Zeit ein Zusammenwachsen beider NATO-Staaten die Einsicht in das Fortbestehen der Teile, das nicht auf eine „besondere" Lösung für Erfordernisse einer wirksamen Verteidigung er- Deutschland hinwirke. Die Menschen in der DDR schwere. Die öffentliche Meinung, insbesondere in hofften auf Freiheiten, die es im Westen bereits gebe. der Bundesrepublik Deutschland, sei „verführt" wor- Auch Menschen in anderen Ländern Osteuropas den. Der Generalberichterstatter äußerte die Vermu- kämpften ebenfa lls dafür. Die Menschen, die die DDR tung, die Bundesrepublik Deutschland könne sich bei verließen, um in den Westen zu gehen, seien nicht fortdauerndem Spannungsabbau weiter nach Osten gegen Kommunismus und Sozialismus, weil sie nach entwickeln. Gorbatschow verlangten. Für die DDR bedeute das, was Gorbatschow anbiete, Fortschritt im Vergleich zu Die zum Teil kritische Haltung der deutschen öffent- dem, was sie zur Zeit habe. Die Hoffnung, die diese lichen Meinung gegenüber militärischen Fragen Menschen ausdrückten, sei, daß die Grenze zwischen nahm einen breiten Raum in dem Bericht ein. Erwähnt Ost und West durchlässiger werde. wurden z. B. die verbreitete Ablehnung der Tiefflüge und die Absage des REFORGER-Manövers 1989 aus Zum Abschluß unterstrich der Abgeordnete, daß zum Gründen des Umweltschutzes. ersten Mal in den letzten hundert Jahren deutsche Der Generalberichterstatter war ferner der Ansicht, Hoffnungen und Wünsche in ein gesamteuropäisches eine Bedrohung ergebe sich künftig zunehmend aus Konzept eingebunden werden könnten. Nur wenn dem Süden und Südosten in Gestalt des islamischen dies möglich sei, lohne es sich auch, in Zukunft für die Fundamentalismus. deutschen Interessen zu kämpfen. Abg. Mateman (Niederlande) äußerte sich in der Dis- kussion vorsichtig zweifelnd zu der von Bundesau- ßenminister Genscher verfolgten Politik. Zum Verlauf der Konferenz Abg. Frau Schulte (Bundesrepublik Deutschland) stellte klar, daß es in der CDU/CSU, der SPD und der An der 35. Jahrestagung nahmen eine australische FDP keine Zweifel über die Notwendigkeiten der Ver- und eine japanische Delegation als Beobachter teil. teidigungspolitik gebe. Sie verwies außerdem auf die Zum ersten Mal ergriff auf der Konferenz ein führen- besonderen Schwierigkeiten, die sich aus der dichten der Offizier der Warschauer-Pakt-Organisation, der Besiedlung der Bundesrepublik Deutschland für Tief- sowjetische General Vladimir Lobow, das Wo rt. Er flüge und militärische Manöver ergäben. sprach vor dem Ausschuß für Verteidigung und Si- cherheit über die sowje tische Militärdoktrin. In dem Bericht des Mitglieds des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses, Stan Sloan, über „Per- Die Delegierten der 35. Jahreskonferenz trafen fol- spektiven der Öffentlichkeit und des Kongresses in gende Personalentscheidungen: den USA im Hinblick auf die transatlantischen Bezie- hungen" kam zum Ausdruck, daß auch in Öffentlich- Der bisherige Präsident der Nordatlantischen Ver- keit und Parlament der USA die Wahrnehmung der sammlung, Abg. Patrick Duffy (Vereinigtes König- sowjetischen Bedrohung sich geändert hat. Im Streit- reich), wurde durch Akklamation wiedergewählt. kräfteausschuß gebe es eine starke Tendenz, ein Zah-

Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode Drucksache 11/5950 lenverhältnis von 1 : 5 für die US-Truppen in Europa wissenschaftlichen Vitalität des Bündnisses zu leisten. einerseits und die Truppen der europäischen Staaten Diesem Ziel dienten unter anderem Sommerkurse andererseits zu verlangen. Dadurch erhöhte sich der für junge Forscher, Seminare für Spitzenkräfte der Anteil der europäischen Truppen. Der Berichterstatter wissenschaftlichen Forschung und Subventionen für erwähnte auch die „deutsche Frage", die möglicher- sich ergänzende Forschungsprojekte verschiedener weise jetzt gleichsam unaufhaltsam an die Spitze der NATO-Staaten. Einige Programme seien auch offen weltpolitischen Tagesordnung rücke dadurch, daß für nicht dem Bündnis angehörende Staaten, z. B. Ja- das Versagen der DDR offenkundig werde. Die Bünd- pan. Man bevorzuge keine bestimmte wissenschaftli- nispartner könnten den Wunsch der Deutschen, die che Richtung, allein die Qualität zähle. In 30 Jahren innerdeutsche Grenze zu beseitigen, nicht ignorieren. habe man etwa 250 000 Wissenschaftler unterstützt. Das Ziel sollte aber nicht eine Wiedervereinigung sein, sondern eine „Transformation der DDR" in der Staatsminister Geil (Bundesrepublik Deutschland) Weise, daß eine Wiedervereinigung unnötig werde. fragte nach den Vergabekriterien für die Stipendien, ob diese zentral oder dezentral und nach Quoten für Zusammenfassend stellte der Berichterstatter fest, die die Mitgliedstaaten verteilt würden. Der Berichter- NATO solle sich auch in Zukunft darauf konzentrie- statter antwortete, man bestimme nur den Rahmen ren, die Stabilität des Verhältnisses zwischen beiden und die Leitlinien; es sei den Mitgliedstaaten überlas- Bündnissen zu erhalten. sen, geeignete Wissenschaftler auszuwählen. Abg. Frau Schulte erinnerte an die Konkurrenz zwi- Eine Frage von Abg. Frau Schulte (Bundesrepublik schen den USA, Japan und Europa auf dem Wirt- Deutschland) bezog sich auch auf etwaige Quoten für schaftssektor. Sie fragte, ob alle drei nicht zusammen die NATO-Staaten, ob insbesondere Mitgliedstaaten mehr für die wirtschaftliche Stabilität des Südens tun mit weniger ausgebautem wissenschaftlichem System müßten. besonders berücksichtigt würden. Der Berichterstat- ter verwies darauf, daß der Verteilungsschlüssel vom Anhand des Entwurfs eines Sonderberichts über Zivil- Rat festgelegt sei; derzeit werde er aber überprüft. schutz (Berichterstatter Abg. Zamberletti, Italien) dis- kutierte der Ausschuß über die Notwendigkeit einer Bei der Beratung des Ausschusses über den Berichts- „totalen Verteidigung" , die die militärischen und zivi- entwurf des Unterausschusses „Konferenz über Si- len Elemente zusammenfassen müsse. Die Forderung cherheit und Zusammenarbeit in Europa" führte der nach einer Datenbank, die alle einschlägigen Daten Berichterstatter, Abg. Browne (Vereinigtes König- allen NATO-Staaten verfügbar machen sollte, stieß reich), aus, die einzelnen Teile des sowjetischen Impe- auf Bedenken. riums entwickelten sich sehr unterschiedlich in Rich- tung auf mehr Freiheit. Er nannte an der Spitze Polen Auch in dem Berichtsentwurf des Unterausschusses und Ungarn, weiter die Sowjetunion, sodann die DDR „Information der Öffentlichkeit über Verteidigung und CSSR und am Schluß Rumänien und Bulgarien. Er und Sicherheit" zu dem Thema: „Frankreich, das Ver- ging danach auf die Probleme der Volksgruppen in einigte Königreich und Spanien" (Berichterstatter: der Sowjetunion und insbesondere auch in Bulgarien Abg. Gualtherie van Weezel, Niederlande) nahm die ein. „deutsche Frage" eine besondere Rolle ein. Der Be- richterstatter führte aus, die Diskussion über die Wie- Abg. Sauer (Bundesrepublik Deutschland) erinnerte dervereinigung Deutschlands werde angesichts der an die 250jährige Geschichte deutscher Siedlungen in jüngsten Entwicklungen realer. Er erwähnte eine der Sowjetunion und an die Existenz der Wolgarepu- Pressemeldung, wonach Bundesaußenminister Gen- blik bis 1940. Generalsekretär Gorbatschow habe scher erklärt habe, ein europäisches föderatives Sy- nunmehr versprochen zu prüfen, ob die heute ver- stem könne beide deutschen Staaten aufnehmen. streut in der Sowjetunion lebenden zwei Millionen Nach Ansicht des Berichterstatters stellt sich die Deutschen künftig wieder zusammen in drei oder vier Frage, ob die europäische Gemeinschaft beide deut- Siedlungsgebieten angesiedelt werden könnten. Wei- schen Staaten „aushalte". ter ging Abg. Sauer auf die Situation der Deutschen in Rumänien, Polen und Ungarn ein. Er erinnerte an das Der Berichterstatter äußerte weiter, Hauptziel der polnische Staatsbürgerschaftsgesetz von 1950, wo- NATO-Länder müsse es sein, ihre Interessen zu wah- nach alle Einwohner die polnische Staatsangehörig- ren, nicht aber Generalsekretär Gorbatschow bei der keit erhalten hätten. Die deutschstämmigen Polen Bewältigung von dessen Schwierigkeiten zu helfen. wollten jedoch als Volksgruppe oder Minderheit re- Bei seinen Besuchen in den Ländern, die Gegenstand spektiert werden. seines Berichts seien, habe er eine positive Haltung zur NATO feststellen können. Der deutsch-französi- Der Ausschuß wählte auf Vorschlag von Abg. Frau schen Zusammenarbeit bei der Verteidigung maß der Schulte (Bundesrepublik Deutschland) Senator Gen- Berichterstatter nur symbolischen Wert bei; er unter- ton (Frankreich) zum neuen Vorsitzenden des Aus- strich demgegenüber die entscheidende Bedeutung schusses für zivile Angelegenheiten. Erster stellver- der Zusammenarbeit Europas mit den USA und Ka- tretender Vorsitzender wurde Abg. Mannino (Italien). nada im Bündnis. Deren Truppen müßten in Europa Ebenfalls auf Vorschlag von Abg. Frau Schulte (Bun- bleiben. desrepublik Deutschland) wählte der Ausschuß Abg. Frau Collins (USA) zur zweiten stellvertretenden Vor- -In seinem Bericht zu dem Thema: „Wissenschafts sitzenden. und Umweltaktivitäten der NATO" führte der stell- vertretende Generalsekretär der NATO für Wis- Zur Generalberichterstatterin wählte der Ausschuß senschafts- und Umweltangelegenheiten, Professor auf Vorschlag von Senator Genton (Frankreich) Abg. Jacques Ducuing, aus, Ziel sei es, einen Beitrag zur Frau Schulte (Bundesrepublik Deutschland).

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Ausschuß für Verteidigung und Sicherheit einigten Königreichs, Moray Stewart, über die Mög- lichkeiten der Intensivierung der Rüstungszusam- Die Sitzung des Ausschusses für Verteidigung und menarbeit in der Allianz und die Rolle, die der Unab- Sicherheit fand am 6. und 7. Oktober 1989 unter dem hängigen Europäischen Programmgruppe (IEPG) in Vorsitz von Abg. Sir Geoffrey Johnson Smith (Verei- diesem Zusammenhang zukommt. nigtes Königreich) statt. Der Generalberichterstatter, Höhepunkt der Ausschußsitzung war das gemein- Abg. (Bundesrepublik Deutschland) stellte sei- Voigt same Auftreten des Obersten Alliierten Befehlshabers nen Generalbericht über die Sicherheit des Bündnis- Europa, General Galvin, und des stellvertretenden so- ses vor. Darin werden die neuen Entwicklungen ana- wjetischen Generalstabschefs, General Lobow. Es war lysiert und kommentiert, die im vergangenen Jahr in das erste Mal, daß ein sowjetischer General vor der bezug auf die konventionellen Streitkräfte in Europa Nordatlantischen Versammlung das Wort ergriff. Ge- (KSE) stattgefunden haben, insbesondere die Erklä- neral stellte die Militärdoktrin der Sowjet- rung von seiten der UdSSR und ihrer Verbündeten, Lobow einseitige Reduzierungen bei den konventionellen union vor und betonte, daß das Ziel der Politik der Sowjetunion eine Politik der Kriegsverhinderung sei. Streitkräften vorzunehmen, sowie die Ernsthaftigkeit, mit der die im März 1989 in Wien begonnenen Ver- Er erklärte, daß dieses Ziel nicht nur die Doktrin so- wjetischer Politik sei, sondern auch deren Praxis ent- handlungen über die KSE fortgesetzt werden. Dar- über hinaus werden die Probleme der Rüstungskon- spreche. Dies werde dadurch deutlich, daß die Sowjet- trolle untersucht. Eine besondere Rolle spielen dabei union tiefe Einschnitte bei ihren Soldaten und deren die Verhandlungen über die Reduzierung der strate- Bewaffnung vorgenommen habe. In diesem Zusam- gischen Waffen (START), die im Juni wieder aufge- menhang nannte er die einseitigen konventionellen Abrüstungsschritte der Sowjetunion, die von General- nommen wurden, sowie die in Europa stationierten sekretär Gorbatschow im letzten Jahr angekündigt nuklearen Kurzstrecken- und Gefechtsfeldwaffen, für die es noch keine offiziellen Verhandlungen gibt. worden waren. Die Sowjetunion wünsche eine ver- nünftige Verteidigungsfähigkeit und nicht offensive Auch zu dem Problem der chemischen Abrüstung und militärische Macht. Vor diesem Hintergrund fragte er, zu evtl. zu ergreifenden Stabilisierungsmaßnahmen was der Westen diesem Schritt entgegenzusetzen im Bereich der Seestreitkräfte wird Stellung genom- habe. Die in der Sowjetunion in Gang befindliche men. Vor dem Hintergrund der Debatte innerhalb der Umgestaltung beziehe sich nicht nur auf den wirt- NATO über die Annahme eines Gesamtkonzepts für das Bündnis im kommenden Jahrhundert werden in schaftlichen Bereich, sie habe auch Auswirkungen auf dem Bericht Vorstellungen über den Prozeß und das den Verteidigungsbereich. Letztlich diene sie dem Wohle der Außenpolitik der Sowjetunion und liege Rahmenwerk entwickelt, das nach Auffassung des Generalberichterstatters durch die gegenwärtigen in- damit im Interesse aller Länder. ternationalen Entwicklungen geboten ist. General Galvin führte in seinem Vortrag aus, daß das Der Zwischenbericht des Unterausschusses „Konven- Atlantische Bündnis wenig Fortschritte in der Vermin- tionelle Verteidigung: Neue Konzepte einer europäi- derung der Kampfkraft des Ostens erkennen könne. schen Sicherheitszusammenarbeit" wurde von den Die sowjetischen Streitkräfte seien nach wie vor die stärksten der Welt. Auch der Westen reduziere auf- Ko-Berichterstattern, den Abg. Gama (Portugal) und grund von Verhandlungsergebnissen seine konven- Estrella (Spanien), vorgestellt. Im Mittelpunkt ihres Berichtes steht die französisch-britische Zusammen- tionellen Streitkräfte. Die Sowjetunion könnte viel zur arbeit auf dem Gebiet der Verteidigung. Ausgehend Beruhigung des Westens beitragen, wenn sie folgen- von der historischen Entwicklung der Rüstungszu- des tun würde: Erstens, ihre „Blitz-Fähigkeit" durch sammenarbeit dieser beiden Länder wird auf die Hin- Reduzierung des Umfangs ihrer gestaffelten Streit- dernisse eingegangen, die einer Zusammenarbeit im kräfte zu beseitigen; zweitens, ihre ganz offensicht- Wege stehen. Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts lich offensiv orientierten logistischen Systeme abzu- bildeten die Sicherheitsprobleme der nordischen Län- bauen; drittens, ihre operierenden Manöver-Truppen der. völlig zu reduzieren; viertens, diese Schritte mit Ände- rungen ihrer Militärdoktrin und der Struktur ihrer Abg. Lello (Portugal) stellte den Entwurf eines Be- Streitkräfte in Richtung auf eine wahrhaft defensiv richts des Unterausschusses „Verteidigungszusam- ausgerichtete Verteidigung einhergehenzulassen; menarbeit" vor. Ein Schwerpunkt des Berichts stellt fünftens die Rate ihrer Waffenproduktion zu verlang- die Debatte über die Lastenteilung im Bündnis dar. samen und sechstens jeder Seite erlauben, zu beob- Eingehend werden die unterschiedlichen Vorschläge achten daß diese Änderungen auch wirk lich stattfin- für eine wirksame Fortsetzung dieser Debatte analy- den. siert. Dabei wird die Verbindung zwischen der Frage der Lastenteilung und des Prozesses der Rüstungs- Botschafter Richard Burt, Leiter der Delega tion der kontrolle besonders hervorgehoben. In einem weite- USA bei den Genfer Verhandlungen über Nuklear- ren Schwerpunkt werden die möglichen Auswirkun- und Weltraumwaffen und Chefunterhändler der USA gen der europäischen Integrationsbestrebungen im bei den START-Verhandlungen, sprach zu dem Rüstungsbereich untersucht. Dabei spielen die Unab- Thema, ob die jüngsten Entwicklungen bei den hängige Europäische Programmgruppe (IEPG) und START-Verhandlungen Hoffnungen für eine frühzei- die Einheitliche Europäische Akte eine besondere tige Einigung böten. Wenngleich der Westen nach Rolle. seiner Auffassung eine einmalige Chance zur Errei- chung eines Abrüstungsübereinkommens mit der So- Anschließend sprach der stellvertretende Unterstaats- wjetunion besitze, wage er doch keine Voraussagen sekretär aus dem Verteidigungsministerium des Ver- über den Zeitpunkt der Erreichbarkeit einer solchen

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Übereinkunft. Er wies darauf hin, daß sowohl Präsi- Reformprozeß hingewiesen. Der vom Generalbericht- dent Bush, als auch der sowjetische Außenminister erstatter vorgelegte Entschließungsentwurf wurde Schewardnadse gesagt hätten, daß ein START-Ver- positiv beurteilt, da er in Ergänzung zum Generalbe- trag bei einem geplanten Gipfel der Supermächte im richt Möglichkeiten des Westens zur Unterstützung Jahre 1990 unterschriftsreif sein könnte. Diese Ein- des Reformprozesses in Osteuropa aufzeigt. schätzung sei das Ergebnis der Gespräche zwischen Im weiteren Verlauf der Sitzung sprach der Direktor Baker und Schewardnadse in Wyoming im September der Wirtschaftsabteilung der NATO, diesen Jahres, in denen die Sowjetunion ihre Forde- Jean-Claude zum Thema „Interne und externe wirtschaft- rung fallen gelassen hätte, daß ein START-Vertrag an Renaud, liche Herausforderungen für die Allianz". Er unter- ein Verbot weltraumgestützter Verteidigung der USA strich, daß wirtschaftliche Faktoren für die NATO in gebunden sein solle. Neben der Halbierung der ato- den nächsten Jahren eine größere Rolle spielen wür- maren Sprengköpfe seien nach wie vor ungelöst Pro- den und verwies auf den Grundkonflikt zwischen dem bleme der luft- und seegestützten Cruise missiles und Streben nach Wohlstand und sozialer Sicherung ei- Differenzen über den 1972 abgeschlossenen ABM- nerseits und der kostspieligen Sicherheitspolitik an- Vertrag. Der Erfolg der Gespräche in Wyoming zeige dererseits. Zu den Wirtschaftsreformen in Osteuropa erste Früchte bei den Genfer Verhandlungen, doch bemerkte er, daß die UdSSR Jahrzehnte brauche, um könne nicht vorausgesagt werden, wann diese abge- sich mit der Wirtschaft im Westen messen zu können. schlossen sein würden. Der Veränderungsprozeß führe kurzfristig — wie sich Abg. Voigt (Bundesrepublik Deutschland) wurde zum bereits in Ungarn zeige — zu Inflation, Arbeitslosig- Vorsitzenden des Ausschusses für Verteidigung und keit und sozialer Ungerechtigkeit. Sicherheit gewählt. Im Anschluß daran sprach erstmals ein Vertreter des Der Unterausschuß „Konventionelle Verteidigung: ungarischen Handelsministe riums, Sandor Szabo, vor Neue Konzepte einer europäischen Sicherheitszu- dem Wirtschaftsausschuß. Er schilderte die gegen- sammenarbeit", der ein neues Mandat erhalten hat, wärtige wirtschaftliche Lage Ungarns, die durch Stag- ist in Unterausschuß „Die Zukunft der Streitkräfte" flation, eine stark angestiegene Auslandsverschul- umbenannt worden. Den Vorsitz hat Senator Capuzzo dung und ein großes Haushaltsdefizit gekennzeichnet (Italien) übernommen. sei. Angesichts dieser wirtschaft lichen Krisensituation sei die Öffnung zur Marktwirtschaft durch Deregulie- rung, Importliberalisierung und Privatisierung not- wendig gewesen. Er rief die westlichen Länder zur Wirtschaftsausschuß Unterstützung für Ungarn auf, da der Reformprozeß nur mit Hilfe von außen erfolgreich fortgesetzt werden Der Wirtschaftsausschuß tagte in Abwesenheit der könne. Ergänzend zu diesen Ausführungen berichtete Vorsitzenden, Frau Ministe rin Simonis (Bundesrepu- ein Vertreter des ungarischen Außenministeriums, blik Deutschland), am 6. Oktober 1989 unter dem Vor- Istvan Zelnik, über die politischen Entwicklungen in sitz des Abg. Estrup (Dänemark) und am 7. Oktober Ungarn und lud die Mitglieder des Wirtschaftsaus- 1989 unter dem Vorsitz des Abg. Rose (USA). An den schusses zu einem Besuch in Ungarn ein. Ausschußsitzungen nahmen ungarische und japani- sche Delegierte als Beobachter teil. Einen weiteren Schwerpunkt der Ausschußberatun- gen bildete der Zwischenbericht des Unterausschus- Zu Beginn der Sitzung wurde der Entwurf eines Gene- ses „Transatlantische Handelsbeziehungen" zum ralberichts über die Probleme und Perspektiven der Thema „Spannungen im Welthandelssystem: 1992 sowjetischen Wirtschaftsreform beraten, den der Ge- — Europa und das Bündnis" , den der Abg. Gaud neralberichterstatter, Abg. Engwirda (Niederlande), (Frankreich) vorstellte. Er betonte die wichtige Rolle vorstellte. Im Vordergrund des Berichtes stehen die der USA und der Europäischen Gemeinschaft bei den Schwierigkeiten, die mit einer Neustrukturierung des gegenwärtigen GATT-Verhandlungen und ihre große sowjetischen Wirtschaftssystems verbunden sind. Der Verantwortung für das Welthandelssystem. Im Hin- Generalberichterstatter betonte, daß durch den Re- blick auf den Binnenmarkt 1992 habe die EG lange formprozeß das System in Bewegung geraten sei, aber dessen Implikationen im Bereich Wirtschaft und Si- noch keine Ergebnisse der Perestroika im wirtschaft- cherheit, vor allem gegenüber den USA, nicht gese- lichen Bereich spürbar seien. Das Hauptproblem für hen. Deshalb sei ein verstärkter politischer Dialog mit den Handel mit dem Westen sei die Nichtkonvertier- den USA erforderlich, um der Furcht vor einer „Fest- barkeit der sowjetischen Währung. Es liege im Inter- ung Europa" entgegenzuwirken. esse des Westens, den Reformprozeß zu unterstützen, um die Sowjetunion an marktwirtschaftliche Struktu- Im Anschluß an den Bericht wurde die darin ange- ren und demokratische Institutionen heranzuführen. sprochene Problematik eines Beitritts der Türkei zur EG erörtert. Während Abg. Sabunis (Türkei) einen In der Diskussion über den Generalbericht wurde her- sofortigen Beitritt der Türkei zur EG forderte, verwies vorgehoben, daß es angesichts der wirtschaftlichen der Berichterstatter auf die innenpolitischen Probleme Krisensituation in der Sowjetunion keine Alternative der Türkei, das wirtschaftliche Gefälle zwischen der zu den von Gorbatschow eingeleiteten Reformen Türkei und der EG sowie den noch ungelösten Zy- gebe. Im Ausschuß bestand Einigkeit darüber, daß pern-Konflikt als Grund für die Zurückhaltung der EG eine Beurteilung der Erfolgsaussichten des Reform- gegenüber einem türkischen Beitritt. Abg. Krieps (Lu- prozesses schwierig sei. In diesem Zusammenhang xemburg) unterstrich, daß die schwierige wirtschaftli- wurde insbesondere auf das Nationalitätenproblem in che Situation der Türkei das Hauptproblem sei und im der UdSSR und die damit verbundene Gefahr für den Falle eines EG-Beitritts eine lange Übergangszeit er-

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forderlich sei. Abg. Engwirda (Niederlande) meinte, darauf hin, daß trotz der politischen Entspannung in daß ein türkischer Beitritt erst nach der Verwirkli- Europa die Verteidigungsbereitschaft der Allianz chung des Binnenmarktes im Jahre 1992 in Betracht nicht nachlassen dürfe, insbesondere im relativ insta- komme. Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden bilen Mittelmeerraum. Er wies auf die starke politi- die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der sche Differenzierung in seinem Kommandobereich EG sowie die Gefahr des Protektionismus auf beiden hin und erläuterte die besondere geographische Lage, Seiten angesprochen. Minister Dr. Hahn (Bundesre- die die Streitkräfte an der Südflanke der Allianz vor publik Deutschland) betonte, daß der Binnenmarkt schwierige Aufgaben bei der Erfüllung ihres Auftra- 1992 keine „Festung Europa" schaffe, sondern im Ge- ges stelle. Aufgrund dieser speziellen Situation setzte genteil einen größeren Markt mit verbesserten Mög- er sich nachdrücklich für die uneingeschränkte Fort- lichkeiten. setzung laufender und geplanter Modernisierungs- vorhaben der Bündnispartner, insbesondere im Be- Zum Abschluß der Sitzung sprach der italienische Fi- reich der Luftwaffen und der Kommunikationssy- nanzminister, Guido Carli, über die Aussichten für steme, ein. eine internationale finanzielle und monetäre Zusam- menarbeit. Er ging auf die jüngste Tagung des Inter- Im Anschluß daran berichtete der stellvertretende Ge- nationalen Währungsfonds ein, deren Hauptthemen neralsekretär für politische Angelegenheiten der die Kursschwankungen der amerikanischen Wäh- NATO, Botschafter Dr. Wegener, über die Ergebnisse rung, das Haushaltsdefizit in den USA sowie die hohe des NATO-Gipfeltreffens im Mai 1989 und die jüng- Auslandsverschuldung einiger osteuropäischer Län- sten Entwicklungen bei den Rüstungskontrollver- der gewesen seien. Er betonte die Notwendigkeit, die handlungen. Die NATO habe mit der Gipfelerklärung Märkte mehr und mehr miteinander zu verflechten und dem Gesamtkonzept für Rüstungskontrolle und und angesichts des Wandels in Osteuropa die Ent- Abrüstung ihre Vitalität und Entschlußkraft unter Be- wicklung zu einer Marktwirtschaft zu unterstützen. weis gestellt und ebenso die Fähigkeit, auf den Wan- Auf die Frage nach einer möglichen Mitgliedschaft del in Osteuropa angemessen zu reagieren. Worum es der UdSSR im Internationalen Währungsfonds be- nun gehe, sei die Gestaltung der Zukunft mit dem tonte er, daß dies vor allem ein technisches Problem Ziel, die Spaltung Europas zu überwinden. Der Alli- darstelle, da die UdSSR keine Marktwirtschaft sei und anz komme hierbei eine Schlüsselrolle zu, wobei die über keine konvertible Währung verfüge. Konsultationsverfahren im Bündnis von entscheiden- der Bedeutung seien, insbesondere auch bei der Ge- Der Ausschuß wählte nach dem Ausscheiden der Vor- staltung der Kooperation mit den Staaten Osteuropas. sitzenden, Frau Ministerin Simonis (Bundesrepublik Es sei realistisch, von einem ersten Ergebnis der KSE- Deutschland) und des Generalberichterstatters, Abg. Verhandlungen in Wien im Jahre 1990 auszugehen. Engwirda (Niederlande) Abg. Rose (USA) zum Vorsit- Der Schwerpunkt dieser Verhandlungen über kon- zenden des Wirtschaftsausschusses sowie Abg. Sabu- ventionelle Streitkräfte in Europa werde sich in der nis (Türkei) und Abg. Wiggin (Vereinigtes König- Folge von der rein nume rischen Betrachtung mehr reich) zu seinen stellvertretenden Vorsitzenden. Zum und mehr auf begleitende Maßnahmen und andere Generalberichterstatter wählte der Ausschuß den bis- Elemente der Stabilität verlagern, bei denen die kol- herigen stellvertretenden Vorsitzenden, Abg. Estrup (Dänemark). lektive Verantwortlichkeit der jeweiligen Bündnis- mitglieder wichtig sei. Ein weiterer Höhepunkt der Sitzung des Politischen Politischer Ausschuß Ausschusses war die kurze Ansprache des stellvertre- tenden sowjetischen Generalstabschefs, General Lo Die Sitzungen des Politischen Ausschusses fanden am bow. Die Diskussionsbeiträge, die er gehört habe, 6. und 7. Oktober 1989 unter Vorsitz der Abg. George seien gut und ermutigend gewesen. Es gebe keinen (Vereinigtes Königreich) und Bouvard (Frankreich) Zweifel, daß die Streitkräfte allerseits verringert wür- statt. den und an Bedeutung verlören. Er habe in dieser Sit- - zung Dinge gehört, die man früher nicht habe hören Zu Beginn der Sitzung stellte der Generalberichter- können; dies seien die Irrtümer der Vergangenheit. statter, Abg. Bouvard (Frankreich), seinen Generalbe- Heute sei Sicherheit unteilbar, man lebe in einem richt über die sowjetische Außenpolitik unter Gorba- Haus, unter einem Dach. General Lobow dankte für tschow vor. Der Generalbericht gibt einen Überblick die Einladung und für die Gelegenheit zum Gespräch. über die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Seine Teilnahme sei für ihn sehr ermutigend und biete „Neuen Denkens" in der sowjetischen Politik. Der ein Beispiel für künftige Kontakte. Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß trotz der in der Außenpolitik der Sowjetunion zu verzeichnenden Den Zwischenbericht des Sonderausschusses für positiven Entwicklung weiterhin Anlaß zur Sorge in Bündnisstrategie und Rüstungskontrolle stellte der bezug auf die westlichen Interessen bestehe. Nach Ko-Berichterstatter, Abg. Frinking (Niederlande), vor. Auffassung des Generalberichterstatters bleibt die Der Bericht faßt die wichtigsten Elemente des im Mai Haltung der NATO, ein nukleares und konventionel- 1989 auf dem NATO-Gipfel verabschiedeten globalen les Abschreckungspotential aufrechtzuerhalten und Konzepts des Bündnisses zusammen. Anschließend sich gleichzeitig um Entspannung zu bemühen, das wurde der Sonderbericht über die weltweiten Heraus- geeignetste Konzept. forderungen für die Allianz, den der Sonderberichter- statter, Abg. George (Vereinigtes Königreich), vorge- Als Gastredner wies der Oberkommandierende der legt hatte, beraten. Nach diesem Bericht besteht die Alliierten Streitkräfte in Südeuropa, Admiral Howe, wichtigste Rolle des Atlantischen Bündnisses 40 Jahre

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Atlantisch-Pazifisches Seminar men. Das ASEAN-Bündnis sei wirtschaftlicher Natur; sollte es eine militärische Dimension erhalten, könne Im Anschluß an die 35. Jahrestagung der Nordatlanti- sich Japan aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht schen Versammlung fand am 10. Oktober 1989 in Rom beteiligen. Japan sei bereit, wie andere Staaten auch das Atlantisch-Pazifische Seminar unter dem Vorsitz weltweite Verantwortung zu übernehmen, z. B. im des Präsidenten der Nordatlantischen Versammlung, Rahmen der UNO. Abg. Duffy (Vereinigtes Königreich), statt. Senator Hamer (Australien) betonte in seinem einfüh- Am Anfang stand ein Vortrag von Herrn Stephen renden Beitrag die Übereinstimmung der australi- Kirby, Direktor des Zentrums für Verteidigungs- und schen Regierung und Opposition in der Außenpolitik. Abrüstungsstudien an der Universität Hull. Er befaßte Die geopolitische Lage im pazifischen Raum sei von sich mit der Frage, ob sich angesichts der wachsenden zahlreichen Unterschieden und Einzelinteressen ge- wirtschaftlichen Bedeutung des pazifischen Raumes prägt, so daß eine gemeinsame Sicherheitspolitik die USA von Europa ab- und diesem Raum zuwenden kaum denkbar erscheine. Im übrigen stellte er fest, könnten. Trotz der im einzelnen dargelegten Argu- daß die Hauptbedrohung für den Frieden im Pazifik mente für eine derartige Verlagerung des Interesses aus Europa komme. der USA kam der Referent nach einer umfassenden Analyse zu dem Ergebnis, daß eine solche Verlage- In der anschließenden Diskussion erklärte Sir Juli rung nicht zu erwarten sei. Neben anderen Gesichts- Ridsdale (Vereinigtes Königreich) unter anderem, Moment seien nur die Bundesrepublik Deutschland punkten führte er für diese Auffassung an, die Sowjet- union sei nach wie vor eine europäische Macht. We- und Japan in der Lage, der Sowjetunion wirtschaftlich zu helfen. gen der zu erwartenden politischen und wirtschaftli- chen Schwierigkeiten auf ihrem eigenen Territorium Abg. Gama (Portugal) verwies darauf, daß die Sowjet- und im gesamten Ostblock werde die Sowjetunion in union im pazifischen Raum weder wirtschaftlich noch Zukunft selbst ein Interesse am Fortbestehen der militärisch ein Bündnis habe. Er sah die größte Bedro- NATO haben. Generalsekretär Gorbatschow werde hung des pazifischen Raums in dem Ausbau der indi- aber auch seine Vorstellungen eines Europa des Jah- schen Militärmacht. res 2000 (Gemeinsames Europäisches Haus) weiter- verfolgen. Unabhängig von der Dynamik der politi- Abg. Voigt (Bundesrepublik Deutschland) war eben- schen Situation in Deutschland müsse daher der We- falls der Auffassung, daß Europa das wichtigste Si- sten nun selbst definieren, wie er sich das künftige cherheitsrisiko für die pazifische Region sei. Auch dar- Europa vorstelle, um nicht gegenüber der Sowjet- aus erwachse eine Verpflichtung für die Politik in union politisch in die Defensive zu geraten. Europa. Es folgte die Erörterung der beiden Tagesordnungs- Senator Nagano (Japan) bestätigte auf entsprechende punkte des Seminars: „Gorbatschows Initiativen: At- Fragen, daß seinem Land die Beteiligung an einer kol- lantische und pazifische Perspektiven" und „Ame- lektiven Verteidigungsstruktur für Asien durch die rika, Europa und der Pazifik: Gestaltung einer sich Verfassung verboten sei. Er persönlich sei allerdings ändernden wirtschaftlichen Balance". anderer Auffassung. Nach einer Analyse der politi- schen Verhältnisse unter anderem in China und Kam- In das erste Thema führte zunächst Abg. Voigt (Bun- bodscha sowie des japanisch-sowjetischen Konflikts desrepublik Deutschland) ein. Er vertrat die Auffas- um die vier nördlichen Inseln wiederholte der Senator, sung, daß Generalsekretär Gorbatschows Absichten sein Land begrüße Generalsekretär Gorbatschows die sowjetische Innen- und Außenpolitik veränderten. Entspannungsinitiativen. Die unveränderte militäri- Dem Westen sei daran gelegen, daß diese Absichten sche Überlegenheit der Sowjetunion im Pazifik mache in der Sowjetunion selbst und in den anderen Ost- aber Wachsamkeit erforderlich. Zugleich fürchte sein blockstaaten verwirklicht würden. Der Westen sollte Land das Wiedererstarken des Nationalismus im pazi- durch Kooperation, auch auf wirtschaftlichem Gebiet, fischen Raum. den Wandel fördern. Es sei zu erwarten, daß die Ent- wicklung auch Schwierigkeiten und Rückschritte In das zweite Thema führte zunächst Abg. Engwirda bringe. Die NATO werde angesichts der bestehenden (Niederlande) ein. Er sah im Welthandelssystem eine militärischen Fähigkeiten des östlichen Bündnisses Tendenz gegen multilaterale Beziehungen zugunsten und für den Fall geänderter Absichten der Sowjet- von mehr bilateralen und regionalen Wirtschafts- union notwendig bleiben. Abgesehen von diesem mi- initiativen (z. B. Europäischer Binnenmarkt und Frei- litärischen Aspekt werde den Schwerpunkt der NATO handelsabkommen USA — Kanada). Dies erschwere zukünftig eine politische Rolle im West-Ost-Dialog die GATT-Verhandlungen in Genf. Er beschrieb die bilden. Man dürfe hoffen, die Teilung Europas zu wachsende wirtschaftliche Macht Japans nicht nur im überwinden. Dieses Ziel zu erreichen, werde jedoch pazifischen Raum sondern weltweit. In diesem Zu- Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, erfordern. sammenhang erwähnte er, daß Japan nach der So- wjetunion und den USA den drittgrößten Militärhaus- Senator Nagano (Japan) unterstrich in seiner Einfüh- halt habe. Er schilderte sodann die wirtschaftlichen rung in das Thema die Bereitschaft seines Landes, die Probleme der USA, die innerhalb weniger Jahre vom Initiativen Generalsekretär Gorbatschows zu unter- größten Gläubiger zum größten Schuldner geworden stützen. Man denke an die Vorbereitung eines Frie- seien. Die Wirtschaftsbeziehungen mit Japan seien densvertrages mit der Sowjetunion. Das Hauptpro- der Eckstein der amerikanischen Pazifikpolitik. In be- blem sei die Rückgabe der vier nördlichen Inseln an zug auf Europa gebe es Unsicherheiten hinsichtlich Japan. Es gebe im Pazifik keine Militärbündnisse ver- der Währungsunion, der Sozialpolitik und der politi- gleichbar der NATO, sondern nur bilaterale Abkom- schen Union. Außerdem bestünden weiterhin Be-

Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode Drucksache 11/5950 nach seiner Gründung darin, über die Eindämmungs- wurde die Arbeit der Arbeitsgruppe für Nukleare Si- politik hinauszugehen und anderen Themen, die für cherheit und Nichtweiterverbreitung diskutiert. Der die internationale Gemeinschaft von Belang sind, grö- Berichterstatter, Senator Chauty (Frankreich), be- ßere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Sonderbe- schäftigte sich hierin mit der Frage der Weiterverbrei- richterstatter nennt unter anderem regionale Pro- tung von militärisch genutzter Nukleartechnik, der bleme, das Problem der Weiterverbreitung chemi- Technologie chemischer Kampfstoffe sowie der Trä- scher und nuklearer Waffen sowie die Umweltproble- gertechnologie. Fragen der Endlagerung nuklearer matik. Darüber hinaus wurde der Zwischenbericht Abfälle und nukleare Störfälle auf See wurden eben- des Unterausschusses „Osteuropa" , den der Bericht- falls in dem Berichtsentwurf der Arbeitsgruppe be- erstatter Abg. Petersen (Norwegen) vorstellte, bera- handelt. ten. Der Bericht ist dem gegenwärtigen politischen Wandel in Osteuropa und der Reaktion des Westens Bei erneuter Abwesenheit des Sonderberichterstat- auf diese Veränderungen gewidmet. Der Berichter- ters, Senator Wirth (USA), stellte der stellvertretende statter stellt fest, daß der gegenwärtige Wandel in Ausschußvorsitzende, Abg. Boehlert (USA), den Be- Osteuropa die Nordatlantische Versammlung zu richt über den „Globalen Klimawechsel" vor. Dabei Recht veranlaßt habe, sorgfältig zu prüfen, wie sie zur wurde besonders ausführlich auf die Fragen des kli- Förderung dieses Reformprozesses beitragen könne. matischen Treibhauseffektes sowie die Maßnahmen, die zur Verhinderung dieser Umweltschädigung ge- Zum Abschluß der Sitzung hatten Beobachter aus troffen werden können, eingegangen. Zwei weitere Polen und Ungarn die Gelegenheit, das Wo rt zu er- Berichtsentwürfe, der Zwischenbericht des Unteraus- greifen, um den Mitgliedern des Politischen Aus- schusses für Forschung- und Entwicklungszusam- schusses über die gegenwärtigen Veränderungen in menarbeit durch den Berichterstatter Abg. Ungarn und Polen im wirtschaftlichen und vor allem Banks (Großbritanien) und der Sonderbericht über neue im politischen Bereich zu berichten. Abg. (Po- Roskita Technologien und Verteidigung, vorgestellt vom Son- len) übermittelte Grüße des polnischen Sejm und des- derberichterstatter Abg. (Spanien), wur- sen Präsidenten Geremek. Polen sei zwar Mitglied des Perez-Liorca den ausführlich diskutiert und anschließend ange- Warschauer Vertrages, aber Polen und seine Regie- nommen. Anstelle der in Abwesenheit von Senator rung seien kein Feind der NATO. Die 80er Jahre hät- Wirth (USA) vorgelegten Resolution zu Fragen des ten einen tiefgreifenden Wandel gebracht. Der Wan- weltweiten Klimawechsels wurde eine weiterge- del in West- und Osteuropa sei untrennbar miteinan- hende Entschließung vom Vorsitzenden, der verbunden. Die politischen Reformen in Mitteleu- Sir Peter (Vereinigtes Königreich), zur Verschmutzung ropa hätten die s trategische Lage bereits jetzt ent- Emery der Atmosphäre vorgelegt und mit Zusätzen einstim- scheidend verändert; es sei für Polen heute undenk- mig verabschiedet. Ebenfalls verabschiedete der Aus- bar, an einer kriegerischen Auseinandersetzung teil- schuß die Entschließung betreffend die „Weiterver- zunehmen. Polen erwarte vom Westen Unterstützung breitung von Raketen und nuklearen sowie chemi- für erste freie Wahlen, raschen Fortschritt in Richtung schen Waffen", die als Entschließung Nr. 211 vom Ple- auf ein VKSE-Abkommen und Wirtschaftshilfe, denn num angenommen wurde. ohne westliche Investitionen würden alle Reformen keinen Erfolg haben. Polen stehe zu Europa und zur europäischen Idee. Die anschließende Diskussion be- Der Ausschuß hatte zwei Experten zu Vorträgen ein- handelte ausführlich Fragen der wirtschaft lichen Ent- geladen. Ein Vertreter des kanadischen Außenmini- wicklung und Reform in Polen, die Frage der Bezie- steriums, Oberst Cleminson, stellte die Zusammen- hungen Polens zur EG und das deutsch-polnische hänge und Probleme sowie kanadische Aktivitäten im Verhältnis. Bereich der Ve rifikation unter Berücksichtigung der Forschungsaktivitäten sowie Durchführungsmaßnah- Neben dem Vorsitzenden des Politischen Ausschus- men dar. Der amerikanische Sicherheits- und Um- ses, Abg. George (Vereinigtes Königreich), wurden weltexperte, Dr. McDonald, hielt einen Vortrag zum auch die stellvertretenden Vorsitzenden, Abg. Her- Treibhauseffekt. rero (Spanien) und Abg. Berman (USA) sowie der Ge- neralberichterstatter Abg. Bouvard (Frankreich), wie- Hervorgehoben werden sollte besonders die Bericht- dergewählt. Zum Vorsitzenden des Unterausschusses erstattung über die im September durchgeführte „Osteuropa und die Sowjetunion" wurde Abg. Peter- Reise des Unterausschusses in die Sowjetunion. Zur sen (Norwegen) gewählt. Als Vorsitzender des Unter- Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der sowjeti- ausschusses „Vertrauens- und Sicherheitsbildende schen Akademie der Wissenschaften soll über den Maßnahmen" wurde Abg. Smith (USA) wiederge- Ständigen Ausschuß die Erlaubnis zur Einladung des wählt. Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion eingeholt werden.

Ausschuß für Wissenschaft und Technik Zum Abschluß der Sitzung wurde nach vierjähriger Tätigkeit der bisherige Vorsitzende des Ausschusses Im Mittelpunkt der Sitzung des Ausschusses stand die Sir Peter Emery (Vereinigtes Königreich) im Vorsitz abschließende Beratung des Generalberichtes über von Abg. Ibrügger (Bundesrepublik Deutschland) ab- die Verifikationstechnologie im Bereich der Rüstungs- gelöst. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden die kontrolle, der vom Generalberichterstatter, Abg. Ausschußmitglieder Abg. Boehlert (USA) und Senator Ibrügger (Bundesrepublik Deutschland), vorgelegt Chauty (Frankreich) gewählt. Sir Peter Emery (Verei- wurde. Der Bericht wurde nach Diskussion mit einer nigtes Königreich) wird zukünftig dem Ausschuß als Änderung einstimmig angenommen. Ausführlich Berichterstatter dienen.

Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode Drucksache 11/5950 fürchtungen, daß die Vollendung des Binnenmarktes tes als Impuls für die Weltwirtschaft, erhoffe sich aber zu einer „Festung Europa" führe. Er kam zu dem die unveränderte Offenheit der europäischen Ergebnis, daß die Industriestaaten verstärkt eine glo- Märkte. bale Wirtschaftspolitik betreiben und den politischen Dialog im Sinne umfassender Partnerschaften intensi- In der anschließenden Diskussion äußerte Abg. Frau vieren müßten. Schulte (Bundesrepublik Deutschland) die Auffas- sung, die ökonomische Stärke des Westens habe den Abg. Edwards (Australien), der als zweiter in das Wandel im Osten gefördert. Was die Entwicklung der Thema einführte, betonte, sein Land wünsche nicht so ärmsten Länder Asiens angehe, so sei eine Zusam- sehr bilaterale Beziehungen, sondern vielmehr ein menarbeit Japans mit den anderen Industriestaaten freieres multilaterales Handelssystem. Der pazifische erforderlich. Raum sei gekennzeichnet durch stark wachsende Volkswirtschaften ohne gemeinsame politische Direktor Kirby (Universität Hull) erklärte in seinem Orientierung. Sein Land sei bereit, eine Rolle bei der Schlußwort, bevor man den osteuropäischen Ländern Förderung regionaler Kooperation und einer freieren die Befähigung zum Wirtschaften vermittelt habe, Welthandelspolitik zu spielen. seien Kapitalhilfen wenig sinnvoll. Im übrigen war er Als dritter führte Abg. Arima (Japan) in das Thema der Meinung, daß die anderen westlichen Industrie- ein. Auch er plädierte für freie multilaterale Handels- staaten den USA mit einem „umgekehrten Marshall- beziehungen und gegen protektionistische Maßnah- Plan" bei der Überwindung der wirtschaftlichen Pro- men. Japan begrüße die Vollendung des Binnenmark- bleme helfen müßten.

Prof. Dr. Manfred Abelein, MdB Senator Volker Kröning Leiter der Delegation Stellvertretender Leiter der Delegation

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Entschließung 204 Gemeinschaft keine weitgehende politische betr. die Informationspolitik des und militärische Annäherung stattgefunden hat; Atlantischen Bündnisses c) die jüngste Entwicklung zu nutzen, die den eu- Die Versammlung ropäischen Bündnisländern eine besondere Rolle innerhalb des Bündnisses übertragen 1. begrüßt die auf dem Gipfel der Staats- und Re- möchte; gierungschefs der Mitgliedsländer des Atlan- tischen Bündnisses im Mai 1989 erzielten positi- d) eine auf eine Kosten-Nutzen-Analyse gestützte ven Ergebnisse sowie die auf diesem Treffen er- allgemeine Überprüfung der Informationsme- griffenen Initiativen, insbesondere im Bereich thoden der NATO vorzunehmen. der Abrüstung;

2. ist darum bemüht, dem Atlantischen Bündnis das ihm gebührende Ansehen zu verschaffen als Zu- sammenschluß von Ländern, die ernsthaft ent- schlossen sind, die internationalen Spannungen Entschließung 205 abzubauen, betont jedoch ebenfalls die Notwen- betr. das Atlantische Bündnis und den Zivilschutz digkeit, die westliche Öffentlichkeit vor übertrie- benem Optimismus zu warnen im Hinblick auf Konsequenzen, die ein rascher Abschluß der lau- Die Versammlung fenden Abrüstungsverhandlungen auf die Vertei- 1. verweist auf ihre Entschließung 196 aus dem Jahre digungsanstrengungen der Mitgliedsländer des 1988; Atlantischen Bündnisses haben könnte; 2. begrüßt das grundsätzliche Einverständnis, das der 3. stellt fest, daß das gegenwärtige internationale Generalsekretär der NATO in seiner Antwort auf Klima für die öffentliche Meinung der demokra- diese Entschließung im Hinblick auf die Einrich- tischen Nationen mit der Schwierigkeit verbun- tung einer Datenbank über Zivilschutz zum Aus- den ist, Verständnis für die Notwendigkeit aufzu- druck gebracht hat, und äußert den Wunsch, daß bringen, weiterhin bedeutende — insbesondere rasch diesbezügliche Schritte unternommen wer- finanzielle — Anstrengungen für die Aufrecht- den, damit die Mitgliedstaaten des Bündnisses im erhaltung einer ausreichenden Verteidigung Notfall über zuverlässige und sofort abrufbare In- ihrer Lebensweise und ihrer Unabhängigkeit formationen verfügen; zu unternehmen sowie die Konsequenzen einer umfangreichen internationalen Militärpräsenz 3. bekräftigt, daß die zukünftige Unterstützung des zu ertragen; Atlantischen Bündnisses durch die Öffentlichkeit weitgehend davon abhängt, ob die Aufgaben der 4. begrüßt daher die Tatsache, daß sich das Bündnis NATO auf nicht-militärische Aktivitäten, insbeson- einer Neudefinierung der jeweiligen Rollen seiner dere den Zivilschutz, ausgedehnt werden; nordamerikanischen und westeuropäischen Hälf- ten zuwendet und dabei letzterer größere Autono- 4. betont, daß die NATO in diesem Bereich nicht zu mie verschaffen möchte, als die einzige Antwort ersetzen ist, weil sie über Mittel für einen soforti- auf den Gedanken eines „gemeinsamen europäi- gen Einsatz verfügt, die für eine internationale Or- schen Hauses" ; ganisation einzigartig sind;

5. besteht auf der Notwendigkeit, der Öffentlichkeit 5. fordert die Regierungen der Mitgliedsländer des zu zeigen, daß das Atlantische Bündnis hauptsäch- Bündnisses dringend auf: lich eine politische Rolle spielt und nicht nur eine militärische Organisation ist; a) das internationale Sekretariat der NATO damit zu betrauen, die Möglichkeiten für die Einrich- 6. fordert die Regierungen der Mitgliedsländer des tung einer Datenbank über Zivilschutz zu prü- Bündnisses dringend auf: fen;

a) in ihren an die Öffentlichkeit gerichteten Mittei- b) die Informationsverfahren und -systeme der lungen zu betonen, daß die in letzter Zeit in den Mitgliedsländer des Atlantischen Bündnisses im Mitgliedstaaten des Warschauer Pakts eingetre- Bereich des Zivilschutzes im Rahmen des Mög- tenen wichtigen und hoffnungsvollen Verände- lichen zu vereinheitlichen; rungen in den Ländern des Warschauer Paktes immer noch einen ungewissen Ausgang neh- c) in den Mitgliedsländern des Atlantischen Bünd- men können und daß die Aufrechterhaltung ei- nisses ein Netz von Kontakten im Bereich des ner zuverlässigen Verteidigungsfähigkeit wei- Zivilschutzes zu schaffen; terhin als Sicherheit gegenüber möglichen Trendwechseln erforderlich ist; d) längerfristig ein einheitliches Steuerungs-Kon- trollsystem zwischen den Mitgliedsländern des b) die strategische Überlegenheit hervorzuheben, Bündnisses sowie die Schaffung eines Ständi- die die Sowjetunion in einem Europa hätte, in gen Ausschusses für Mittel der zivilen Not- dem zwischen den Staaten der Europäischen standsplanung in Betracht zu ziehen.

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Entschließung 206 b) sicherzustellen, daß die KSZE-Treffen, die sich mit der menschlichen Dimension befassen, in- betr. die menschliche Dimension der teressierten Gruppen und Kontrollorganisatio- Ost-West-Beziehungen nen offenstehen; Die Versammlung c) die Gelegenheit des Kopenhagener Treffens der Konferenz über die menschliche Dimension 1. begrüßt die positiven Entwicklungen, die in eini- (CDH) zu nutzen, um die Voraussetzungen für gen Ländern des Warschauer Pakts erfolgen; einen offenen und fruchtbaren Dialog zwischen 2. ist jedoch zutiefst besorgt über die Politik der den Teilnehmerstaaten über Fragen der Zwangsassimilierung und die Verletzung der menschlichen Dimension zu schaffen, ungeach- Rechte der türkischen moslemischen Minderheit tet ihrer Zugehörigkeit zu verschiedenen Mili- durch die bulgarische Regierung, die zu einem tra- tärbündnissen, insbesondere durch die Einbe- gischen Massenexodus von über 300 000 Men- ziehung von Mitgliedern von Nicht-Regierungs schen geführt hat, und über die Unterdrückung der organisationen und Menschenrechtlern in ihre Grundrechte durch die rumänischen Behörden; nationalen Delegationen; 3. und ist ebenfalls besorgt über die fortgesetzte Un- d) und, insbesondere, die Parlamentarier zu ermu- terdrückung der Meinungsfreiheit durch die Re- tigen, eine Rolle in dem vom Wiener Schlußdo- gierungen der Tschechoslowakei und der Deut- kument eingesetzten Kontrollmechanismus zu schen Demokratischen Republik, die bisher übernehmen, indem sie die Regierungen der 110 000 ostdeutsche Bürger dazu veranlaßt hat, ihr Mitgliedstaaten dazu bewegen, diesen Mecha- Land zu verlassen; nismus in Anspruch zu nehmen, wenn Men- schenrechtsverletzungen in den Teilnehmer- 4. betont, daß selbst in denjenigen Ländern, in denen staaten der KSZE begangen werden. eine Verbesserung der humanitären Situation zu verzeichnen ist, wie z. B. in der Sowjetunion, wei- terhin schwerwiegende Probleme bestehen, zu de- nen in erster Linie der Einsatz der Psychiat rie für Entschließung 207 politische Zwecke zählt; betr. die strategische Rüstungskontrolle 5. stellt die zunehmenden Volksdemonstrationen für nationale und ethnische Identität in der Sowjet- Die Versammlung union und in Osteuropa fest, die auf die Notwen- digkeit dieses grundlegenden Menschenrechts 1. erinnert an ihre Entschließung 198 betr. den Ab- hinweisen, und hofft, daß diese Entwicklungen ih- schluß und die Implementierung eines START ren friedlichen Charakter beibehalten werden, im Vertrages, die 1988 von der Versammlung mit Geiste der vom Präsidenten der UdSSR vor der Par- großer Mehrheit angenommen wurde; lamentarischen Versammlung des Europarates ab- 2. nimmt die wiederholte und bedingungslose Un- gegebenen Erklärung, die insgesamt im Einklang terstützung des Bündnisses für eine 50 %ige Re- steht mit den Erklärungen, die von den Führern duzierung der strategischen Arsenale der USA demokratischer Nationen in dieser Frage abgege- und der UdSSR zur Kenntnis, die erst im Mai bei ben wurden, und die als solche eine willkommene dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der Verbesserung in den europäischen Beziehungen NATO in Brüssel erneut bekräftigt wurde; darstellt; 3. erkennt die erfreulichen Fortschritte der Reagan- 6. begrüßt den Abschluß des KSZE-Folgetreffens in Administration bei den Verhandlungen mit der Wien und insbesondere den Überwachungsmecha- Sowjetunion über eine Rahmenvereinbarung an, nismus, der im Schlußdokument dieses Treffens deren Ziel es ist, einen stabilitätsfördernden Ver- vereinbart wurde; - trag von historischer Tragweite in greifbare Nähe 7. unterstreicht die Bedeutung der menschlichen Di- zu bringen; mension bei den Ost-West-Beziehungen als einen 4. ist davon überzeugt, daß mit dem START-Rah- unverzichtbaren Faktor des Vertrauens zwischen menabkommen die Überlebensfähigkeit des stra- den Staaten; tegischen Potentials der USA dadurch gewährlei- begrüßt8.infolgedessen die Aussicht auf eine bal- stet ist, daß das sowjetische Erstschlagspotential dige Einigung in Abrüstungsfragen innerhalb des tiefen Einschnitten unterworfen wird, die USA je- KSZE-Prozesses, weist jedoch darauf hin, daß diese doch ihre Vergeltungspotentiale soweit auflok- Fortschritte den Frieden fördern und die rasche kern können, wie sie es für nötig halten; Entwicklung der menschlichen Dimension unter- 5. begrüßt die in den vergangenen Wochen erfolg- stützen sollten; ten augenfälligen Fortschritte der Vereinigten 9. fordert die Regierungen und Parlamente der Mit- Staaten und der UdSSR bei der Lösung einiger gliedsländer des Bündnisses dringend auf: wichtiger Probleme, die einem START-Vertrag noch im Wege stehen und a) sicherzustellen, daß die menschliche Dimension des KSZE-Prozesses als die wesentliche Voraus- 6. weist daher endgültig die Vorstellung zurück, daß setzung für Frieden und Sicherheit in Europa weitere Fortschritte bei den START-Gesprächen betrachtet wird; in irgendeiner Form an den Ausgang der Ver-

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handlungen über konventionelle Rüstungskon- 3. ist daher ermutigt durch und unterstützt den De- trolle gebunden werden sollen; mokratisierungsprozeß in Polen und Ungarn und die Bemühungen um eine Umstrukturierung der 7. daß die jüngste amerikanische Ini tiative hofft, dortigen Volkswirtschaften in Richtung auf eine über ein zuvor auszuarbeitendes Verifikationsre- Einbeziehung wichtiger marktwirtschaftlicher gime vor einer Vertragsunterzeichnung nicht ge- Elemente; rade dann zu Verzögerungen führt, wenn andere wichtige Differenzen im Mittelpunkt stehen soll- 4. ist überzeugt, daß die Schritte zu Wirtschaftsrefor- ten, und men in einigen Ländern Osteuropas langfristig geht8.daß davon aus, die Sowjetunion den Forde- Grundvoraussetzungen für eine stabile demokra- rungen nach umfassender Verifikation ebenso tische Entwicklung sind; aufgeschlossen gegenüberstehen wird wie bei 5. betont darüber hinaus die bestehenden und po- dem INF-Vertrag; tentiellen positiven und erneuernden Auswirkun- 9. ist der Überzeugung, daß ein START-Abkommen gen der in der Sowjetunion vollzogenen Reformen so, wie es im vereinbarten Vertragsentwurf vorge- auf Regierung und Gesellschaft in anderen Mit- sehen ist, den allgemeinen Sicherheitsinteressen gliedsländern der Warschauer Vertragsorganisa- des Atlantischen Bündnisses entspräche und ist tion; ferner überzeugt, daß die noch bestehenden Hin- 6. befürchtet daher, daß der Reformprozeß in der dernisse mit dem erforderlichen Maß an politi- Sowjetunion unter dem Fehlen konkreter wirt- schem Willen auf beiden Seiten überwunden wer- schaftlicher Ergebnisse und der steigenden Unzu- den können; friedenheit bei den Verbrauchern den ethnischen 10. ist zuversichtlich, daß die Regierung der Vereinig- und nationalistischen Spannungen, den sozialen ten Staaten über ausreichende Mittel, Fähigkei- Unruhen und der politischen Opposition leidet; ten und Unterstützung verfügt, um sowohl bei den 7.die erklärte begrüßt Absicht einiger Länder des START-Verhandlungen in Genf als auch bei den Warschauer Paktes, als ein Element der begonne- KSE-Verhandlungen in Wien zügig und ener- nen Wirtschaftsreformen in einigen Ländern gisch auf einen Vertragsabschluß hinzuarbeiten; Osteuropas die Gesamtverteidigungslasten zu 11. fordert die Regierungen und Parlamente der Mit- verringern und do rt freiwerdende Reserven für gliedsländer des Nordatlantischen Bündnisses den zivilen Bereich zu verwenden (und bemerkt in dringend auf: dieser Richtung bereits erfolgte Schritte, ein- schließlich u. a. einseitiger Reduzierungen und die Vereinigten Staaten auch weiterhin uneinge- der Bereitschaft, im Rahmen der VKSE asymme- schränkt und bedingungslos bei ihren weiteren trische Einschnitte zu akzeptieren); Bemühungen zu unterstützen, unverzüglich — und ohne Verknüpfung mit anderen Rüstungs- istbesorgt,8.jedochdaß dieser Übergang aufgrund kontrollverhandlungen — an der Überwindung der Vorlaufzeit langwierig sein wird und daß sich der verbleibenden Hindernisse für ein START- die aus den Abrüstungserfolgen ergebenden wirt- Abkommen auf der Grundlage des von der Rea- schaftlichen Verbesserungen nicht kurzfristig gan-Administration ausgehandelten Vertragsent- einstellen werden; wurfs zu arbeiten. 9. glaubt deshalb, daß die Bündnismitglieder sich bemühen sollten, diesen Prozeß zu fördern, nicht nur im Hinblick auf ihre Rüstungskontroll- und Entschließung 208 Verteidigungspolitiken, sondern auch in Form betr. die Unterstützung und Handhabung des von kurzfristigen direkten Hilfen durch Maßnah- Wandlungsprozesses in Europa men, wie sie kürzlich vom Senatsausschuß der Vereinigten Staaten für Auswärtige Beziehungen Die Versammlung gefordert wurden; 1. ist sich der Unteilbarkeit des Sicherheitskonzep- 10. erkennt die im Washingtoner Vertrag, Harmel- tes in Europa sowie der Wechselwirkung zwi- Bericht und in der KSZE-SchluBakte festgeschrie- schen der fortschreitenden Integra tion der osteu- bene Verpflichtung der Länder des Atlantischen ropäischen Länder in der Weltwirtschaft, der Sta- Bündnisses zu konstruktiven Veränderungen in bilität in Europa und der schrittweisen Überwin- Osteuropa sowie die Tatsache an, daß Polen und dung der widernatürlichen Teilung Europas be- Ungarn ihre Wirtschaftsreformen nicht ohne wußt; fremde Hilfe erfolgreich umsetzen können; 2. unterstützt die in der Sowjetunion von Präsident 11. ist daher ermutigt durch die erklärte internatio- Michail Gorbatschow durchgeführte Politik der nale Bereitschaft, die Reformbemühungen in Perestroika sowie ähnliche Initiativen zur Herbei- Osteuropa so lange zu unterstützen, wie sie zu führung wirtschaftlicher und sozialer Verände- mehr Demokratie und Pluralismus in der Gesell- rungen in anderen Ländern der Warschauer Ver- schaft führen, und durch den im Juni von den G-7 tragsorganisation, sofern diese Initiativen die be- in Paris einstimmig gefaßten Beschluß, daß die treffenden Länder den marktwirtschaftlich orien- EG-Kommission bei der Koordinierung der Unter- tierten Wirtschaften und demokratischen Institu- stützung für Polen und Ungarn federführend sein tionen näherbringen ; soll;

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12. ist der Überzeugung, daß die westlichen Länder f) indem sie reformwilligen Ländern den Zugang schneller handeln sollten, um Lebensmittelhilfe zu westlichen Märkten erleichtern und die und Kreditgarantien zu gewähren und eine Um- Schaffung von joint ventures zwischen Ost und schuldung für die reformwilligen Länder, die eine West fördern, u. a. durch die Einführung von solche Unterstützung benötigen, zu ermöglichen, Maßnahmen auf bilateraler und multilateraler und begrüßt als einen ersten Schritt die kürzlich Ebene, die den westlichen Investoren gewisse erfolgte Entscheidung der EG-Kommission, Polen Garantien im Hinblick auf ihr für solche Trans- und Ungarn bei der Umstrukturierung ihrer Wirt- aktionen zur Verfügung gestelltes Kapital ver- schaft zu helfen; schaffen; 13. vertritt die Überzeugung, daß unter den gegebe- g) indem sie die technische Zusammenarbeit und nen Umständen Kapitalspritzen in die Wirtschaf- den Handel zwischen Ost und West anregen, ten reformwilliger Mitgliedsländer der War- insbesondere in dem entscheidenden Bereich schauer Vertragsorganisation am produktivsten des Umweltschutzes, u. a. durch die Förderung sind, wenn sie mit marktwirtschaftlich orientier- von Projekten der wissenschaftlichen Zusam- ten Reformen einhergehen; menarbeit und eine koordinierte und selektive Reduzierung der Exportkontrollen für Techno- 14. unterstützt die westlichen Länder bei der Umset- logie im Rahmen des Koordinationskomitees zung von Versprechen in konkrete und dann für multilaterale Exportkontrollen (COCOM); praktische Maßnahmen dort, wo sie am meisten gebraucht werden; h) indem sie, u. a. durch die Erstellung von Aus- bildungs- und Austauschprogrammen und ge- 15. fordert die Regierungen und Parlamente der Mit- lockerte Visabestimmungen, Besuche in ihrem gliedsländer des Atlantischen Bündnisses drin- Land für Touristen, Studenten, Hochschulleh- gend auf, zusammenzuarbeiten, um den wirt- rer, Ingenieure und Geschäftsleute aus reform- schaftlichen und sozialen Wandel in den Mit- willigen Mitgliedsländern der Warschauer gliedsländern der Warschauer Vertragsorganisa- Vertragsorganisation erleichtern und fördern; tion anzuregen: i) indem sie den Beitritt dieser Länder zu interna- a) indem sie bei befreundeten Staaten, interna- tionalen Wirtschaftsinstitutionen wie dem tionalen Organisationen und Institutionen ih- GATT und dem IWF aktiv unterstützen — so- ren Einfluß dahingehend geltend machen, daß bald diese Länder bereit sind, ihre mit der Mit- sie die wirtschaftlichen und sozialen Reformen gliedschaft in solchen Institutionen verbunde- in Ost- und Mitteleuropa fördern; nen Verpflichtungen zu übernehmen und so- fern sie die erforderlichen Bedingungen für ei- b) indem sie die Erleichterung des Schuldenpro- nen Beitritt erfüllen können — und indem sie blems in Polen unterstützen durch den Ab- interessierten Ländern den Beobachterstatus schluß eines vernünftigen Abkommens zwi- in diesen Institutionen verleihen, um ihnen bei schen dem IWF und Polen, das die Bereitstel- der Anpassung ihrer Regelungen an die übli- lung eines dringend erforderlichen Stand-by chen internationalen Praktiken zu helfen; Kredits ermöglicht, sowie durch eine längerfri- stige und umfassendere Umschuldung der ver- j) indem sie — als Ausdruck ihrer Bindung an die bürgten Schulden für Polen im Rahmen des in der Erklärung der Staats- und Regierungs- Pariser Clubs; chefs des Bündnisses vom Mai 1989 niederge- legten Ziele — die außergewöhnliche Rolle des c) indem sie dafür Sorge tragen, daß die direkte Wirtschaftsausschusses der NATO als eines finanzielle Unterstützung für Polen und andere Diskussionsforums für Wirtschafts- und Sicher- reformwillige Länder auf wettbewerbsför- heitsdimensionen des Wandels in den Mit- dernde Initiativen, die neue Handlungsmög- gliedsländern der Warschauer Vertragsorgani- lichkeiten eröffnen, konzentriert wird, wie z. B. sation und für die von den Bündnisländern ge- auf die Schaffung von kleinen und mittleren genüber Osteuropa ergriffenen Initiativen un- Betrieben, Handwerksbetrieben und Dienst- terstützen und dafür Sorge tragen, daß die Be- leistungsunternehmen, auf Verbesserungen teiligung an den Arbeiten dieses Forums auf der Agrarproduktion, die Verteilung der möglichst hoher Ebene erfolgt; Agrarprodukte mit Hilfe der Nahrungsmittel- kette sowie die Ausbildung von Angestellten 16. fordert die Parlamente und Mitgliedstaaten des und Unternehmensleitern; Nordatlantischen Bündnisses dringend auf: d) indem sie im Rahmen der Europäischen Ge- entsprechend den Initiativen im US-Senat eigene meinschaft die rasche Unterzeichnung von finanzielle Sofortmaßnahmen zur Unterstützung Handels- und Kooperationsabkommen voran- des Demokratisierungs- und Reformprozesses in treiben und die weitere Liberalisierung des Polen, Ungarn und anderen Ländern Osteuropas Handels unterstützen; zu erwägen, die zur Einführung politischer Demo- kratie, wirtschaftlichem Pluralismus und zur Ach- e) indem sie innerhalb der Europäischen Ge- tung der Menschenrechte bereit sind; meinschaft die Möglichkeiten für eine stärkere Beteiligung der Europäischen Investitionsbank 17. beschließt, daß die Nordatlantische Versamm- bei der Finanzierung geeigneter Infrastruktur- lung, die einzigartig ist, weil sie Parlamentarier projekte untersuchen; aus 16 Bündnisländern umfaßt, als Kontaktstelle

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zu Parlamentariern aus Ländern des Warschauer 9. fordert die 35 Teilnehmerstaaten dringend auf: Paktes dienen wird, mit dem Ziel, Erfahrungen und konkrete Vorstellungen über die Rolle des a) sich unverzüglich um die Verabschiedung ei- Gesetzgebers bei der Festsetzung der Innen- und ner neuen Folge einander ergänzender VSBMs Außenpolitik auszutauschen, und daß sie zur För- zu bemühen, die folgende ntowendige Ele- derung eines besseren Verständnisses und eines mente umfassen sollten: größeren Vertrauens zwischen den Regierungen i. Informationsaustausch über Bodenstreit- und Bevölkerungen dieser Länder beitragen wird, kräfte und bodengestützte Luftstreit- wo dies möglich ist und sie es für angebracht kräfte, insbesondere über ihre Stationie- hält. rung, ihren Auftrag sowie ihre Stärke in Friedenszeiten; ii. Ankündigung in bezug auf Truppenver- legungen von einer Garnison in eine an- Entschließung 209 dere und in bezug auf die Einberufung betr. Vertrauens- und Sicherheitsbildende von Reservisten, wobei vorzugsweise Maßnahmen nach dem Schema für die der Vorankün- digungspflicht unterworfenen militäri- schen Aktivitäten vorzugehen ist; Die Versammlung iii. Ankündigung der geplanten Stationie 1. begrüßt die am 9. März 1989 erfolgte Eröffnung rung neuer wichtiger konventioneller der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicher- Waffensysteme für Boden- oder Luft- heitsbildende Maßnahmen (VSBM), an denen streitkräfte; sich 35 Staaten beteiligen; iv. Vor-Ort-Inspektion normaler Standorte 2. ist ermutigt durch die Übereinstimmung, die bei in Friedenszeiten, um eine Bewertung den Vorschlägen des Bündnisses, des Warschauer der Informationen über militärische Paktes und der neutralen und blockfreien Staaten Streitkräfte und die Stationierung wichti- in einigen Punkten besteht; ger neuer konventioneller Waffen zu er- 3. stellt mit Befriedigung fest, daß schon zu Beginn möglichen; Arbeitsgruppen gebildet wurden; v. gemeinsam zu vereinbarende Anpas- 4. ist überzeugt, daß die Verhandlungen über die sungsmaßnahmen, deren Ziel es ist, die VSBM eine wichtige Rolle spielen bei der Errich- Wirksamkeit der Bestimmungen des tung eines neuen Sicherheitssystems in Europa, Stockholmer Dokuments zu erhöhen, indem sie die Androhung oder die Anwendung und die sich gegebenenfalls auf neue von Gewalt verhindern und die parallel verlau- Obergrenzen und neue Formen ankündi- fenden Verhandlungen über die konventionellen gungspflichtiger Aktivitäten beziehen; Streitkräfte in Europa (VKSE) ergänzen; vi. die Schaffung verbesserter Bedingungen 5. ist sich bewußt, daß die Beseitigung von Ungleich- für akkreditiertes Militärpersonal; heiten, die der Sicherheit und der Stabilität in vii. falls erforderlich, die Schaffung eines Europa abträglich sind, die beste Voraussetzung wirksamen Netzes zur rechtzeitigen Ver- zur Aushandlung von Beschränkungen militäri- breitung von Informationen über die scher Aktivitäten ist, sofern diese den allgemei- VSBM; nen Sicherheitsinteressen aller Teilnehmerstaa- ten entsprechen; viii. gleiche Behandlung von Medienvertre- tern; 6. stellt mit Befriedigung die bis jetzt erfolgte An-- wendung der im Stockholmer Dokument aus dem ix. einen regelmäßigen Meinungsaustausch Jahre 1986 enthaltenen Bestimmungen fest; über die mit der tatsächlichen Situa tion und Struktur der konventionellen Streit- 7. begrüßt das am 12. Juni 1989 zwischen den Ver- kräfte verknüpfte Militärdoktrin und da- einigten Staaten und der UdSSR geschlossene mit verbundene Fragen, die sich insbe- Übereinkommen über die Verhinderung gefährli- sondere auf Ausbildung, Aktivitäten im cher militärischer Aktivitäten als wesentlichen Feld sowie Verteidigungsausgaben be- Beitrag für die Schaffung eines internationalen ziehen. Klimas von Vertrauen und Sicherheit; 10. fordert die Regierungen und Parlamente der Mit- begrüßt8.die von Präsident Bush am 12. Mai 1989 gliedstaaten des Nordatlantischen Bündnisses ergriffene Initiative zugunsten des Konzepts des auf: „offenen Himmels", das auf das Territorium der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion und, je a) zu untersuchen, unter welchen Bedingungen nach Vereinbarung, auf das Staatsgebiet ihrer je- die derzeitige Ausnahme der Vorankündi- weiligen Verbündeten anwendbar ist und einen gungspflicht militärischer Aktivitäten — die wichtigen Schritt im Hinblick auf die Transparenz Alarmbereitschaft — ohne Gefahr aufgehoben militärischer Aktivitäten darstellt; werden könnte;

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b) zu untersuchen, wie die Ziele und Verfahren men der KSZE eingegangenen Verpflichtungen des amerikanisch-sowjetischen Abkommens nachzukommen; aus dem Jahre 1989 über die Verhinderung gefährlicher militärischer Aktivitäten und an- 3. verweist auf die in der Verfassung der Volksrepu- derer Abkommen angewandt werden könnten blik Bulgarien aus dem Jahre 1971 enthaltenen zur Verhinderung und Einschränkung von Bestimmungen, die den in diesem Land ansässigen Zwischenfällen in Europa und den angrenzen- Mitgliedern der türkischen moslemischen Minder- den Regionen, einschließlich der von atomar heit gleiche Rechte garantieren und sie vor jeder betriebenen Schiffen verursachten Unfälle so- Form der Diskriminierung bewahren, sowie auf die wie der Verletzungen des Luftraums und der einschlägigen Bestimmungen der Schlußakte von territorialen Gewässer; Helsinki, die die Rechte der in den Unterzeichner- staaten ansässigen ethnischen Minderheiten ga- c) ausreichend detaillierte nationale Stellung- rantieren; nahmen über die Möglichkeit, die VSBM über die im Stockholmer Dokument getroffene Ver- 4. ist bemüht um die Wahrung der Menschenrechte einbarung hinaus auf die Aktivitäten der und der Grundfreiheiten, auf denen das Atlanti- Seestreitkräfte anzuwenden, im Zusammen- sche Bündnis beruht; hang mit den strategischen Zielen des Bünd- 5. ist zutiefst beunruhigt über den von den bulgari- nisses in Erwägung zu ziehen; schen Behörden am Ende des Jahres 1984 eingelei- d) zu untersuchen, ob Vertrauen und Sicherheit teten Prozeß der Zwangsassimilierung, dessen Ziel durch die Erstellung eines regelmäßigen und es ist, die ethnische, religiöse und kulturelle Iden- gegenseitigen Austauschprogramms zwischen tität der 1,5 Millionen Menschen zählenden türki- militärischen und zivilen Verantwortungsträ- schen moslemischen Minderheit zu zerstören, was gern der NATO und ihren Ansprechpartnern in in flagranter Verletzung der zwischen der Türkei den Staaten des Warschauer Pakts gefördert und Bulgarien geschlossenen Abkommen und in- würden; ternationalen Instrumente geschieht; e) zu untersuchen, inwieweit die gegenwärtigen 6. bedauert zutiefst, daß die bulgarischen Behörden Verhandlungen zu einer gerechten Analyse auf überaus brutale Methoden, durch die Men- der von den Warschauer Pakt-Staaten ange- schen verletzt und getötet werden, zurückgreifen, kündigten einseitigen Maßnahmen — Streit- um die friedlichen Demonstrationen und die Mas- kräftereduzierungen und Umstrukturierung sen-Hungerstreiks zu unterdrücken, die von der des Verteidigungspotentials — beitragen türkischen Minderheit zur Unterstützung ihrer For- könnten, was die sofortige Verabschiedung derungen in bezug auf die Beendigung der Assimi- der vom Bündnis in bezug auf den Informa- lationskampagne und die Wiederherstellung ihrer tionsaustausch über die bewaffneten Streit- Rechte und ihres Status veranstaltet werden; kräfte und die großen Programme für die Sta- 7. ist äußerst beunruhigt über die seitdem von den tionierung konventioneller Waffen gemachten bulgarischen Behörden verfolgte Politik, durch die Vorschläge durch alle Verhandlungspartner bisher mehr als 310 000 Türken zur Auswanderung und die entsprechenden Einschätzungen mit in die Türkei gezwungen wurden und dabei ihr einschließt sowie eine Verbesserung der Reise- Eigentum, ihren Besitz und ihre sozialen Rechte und anderen Arbeitsbedingungen des akkre- aufgeben und in einigen Fällen sogar ihre Ehegat- ditierten Militärpersonals, bis die Ergebnisse ten und Kinder zurücklassen mußten; über die KSE-Verhandlungen vorliegen. fordert8.die Regierungen und Parlamente der Mit- gliedstaaten des Atlantischen Bündnisses dringend Entschließung 210 auf: betr. die tragische Situation der türkischen a) ihre Anstrengungen zugunsten der türkischen moslemischen Minderheit in Bulgarien moslemischen Minderheit fortzusetzen und zu intensivieren und dadurch zu einer raschen Lö- sung dieses tragischen Problems beizutragen Die Versammlung und in diesem Zusammenhang die bulgarischen 1. verweist auf ihre Entschließungen 168, 184 und 190 Behörden aufzufordern, ihre Politik der Assimi- (jeweils angenommen in den Jahren 1985, 1986 lierung der türkischen moslemischen Minder- und 1987), in denen sie die Regierungen und Par- heit unverzüglich zu beenden und die Rechte lamente der Mitgliedsländer des Atlantischen und den Status der moslemischen Türken in Bündnisses dringend aufgefordert hat, dem Pro- Übereinstimmung mit ihren in den türkisch-bul- blem der Unterdrückung der türkischen moslemi- garischen Abkommen und den internationalen schen Minderheit in Bulgarien weiterhin Aufmerk- Instrumenten eingegangenen Verpflichtungen samkeit zu schenken; wiederherzustellen; 2. verweist auf die im August 1989 vom Generalse- b) alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel aus- kretär der NATO im Namen der Verbündeten ab- zuschöpfen, um das Einverständnis Bulgariens gegebene Erklärung, in der er die bulgarischen für Verhandlungen mit der Türkei herbeizufüh- Behörden aufgefordert hat, Appellen der interna- ren, mit dem Ziel, die Rechte und den Status der tionalen Gemeinschaft auf Erfüllung ihrer im Rah- türkischen moslemischen Minderheit wieder-

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herzustellen und ein umfassendes Auswande- mit dem Ziel, die Verbreitung solcher Waffen zu rungsabkommen zu schließen; begrenzen; c) die bulgarischen Behörden zu drängen, von Po- 7. würdigt die Anstrengungen der Genfer Abrü- litiken und Praktiken abzusehen, die die Mit- stungskonferenz, ein weltweites Verbot chemi- glieder der türkischen moslemischen Minder- scher Waffen zu erreichen; heit dazu zwingen, Bulgarien in Scharen zu ver- ist8.durch ermutigtsich abzeichnende Fortschritte lassen; bei den Verhandlungen zwischen den Vereinig- d) die bulgarischen Behörden aufzufordern, der in- ten Staaten und der Sowjetunion über ein welt- ternationalen Presse und ausländischen Delega- weites Verbot chemischer Waffen; tionen freien Zutritt zu allen Regionen des Lan- 9. unterstützt die Bemühungen der Staaten, die auf des, die überwiegend von Türken besiedelt dem Weg über Regelungen zur Kontrolle von Ra- sind, zu gewähren; ketentechnologien versuchen, den Export solcher e) die Situation der türkischen moslemischen Min- Technologien zu drosseln, ist aber derheit bis zur Regelung dieser Angelegenheit 10. besorgt darüber, daß die Staaten mit einem ent- weiter zu verfolgen; sprechendem technischen Know-how sich derar- f) dem Präsidenten des bulgarischen Parlaments tigen Regelungen nicht anschließen; den Inhalt dieser Entschließung zu übermit- 11. ersucht die Regierungen und Parlamente der Mit- teln; gliedstaaten des Nordatlantischen Bündnisses 9. fordert die Regierungen und Parlamente der Bünd- und die Regierungen und das Parlament der So- nisländer auf, unverzüglich konkrete Maßnahmen wjetunion dringend: zu ergreifen, um die bulgarische Regierung zur a) zusätzlichen Druck auf die Nationen auszu- Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen üben, die in dem Verdacht stehen, nukleare gegenüber der türkischen moslemischen Minder- sowie binäre und nicht binäre chemische Waf- heit zu veranlassen. fen und Mittel, die den Einsatz dieser Waffen ermöglichen, zu erwerben, damit diese Staaten von ihren Projekten in diesem Bereich Abstand nehmen und entsprechende Beweise dafür Entschließung 211 vorlegen; betr. die Weiterverbreitung von Raketen und b) denjenigen Nationen, die im Verdacht stehen, nuklearen sowie chemischen Waffen nukleare und chemische Waffen sowie Mittel, die den Einsatz dieser Waffen ermöglichen, zu Die Versammlung beschaffen, solange keine militärische und wirtschaftliche Unterstützung mehr zu gewäh- 1. ist besorgt über Beweise, aus denen hervorgeht, daß eine zunehmende Zahl von Staaten über ren, bis diese Länder glaubwürdig nachgewie- sen haben, daß bei ihnen keine derartigen Pro- Möglichkeiten verfügt, nukleare und chemische Waffen sowie Trägersysteme für Raketen herzu- gramme bestehen oder solche Programme auf- gegeben wurden; stellen; 12. fordert die Regierungen und Parlamente der Mit- 2. ist alarmiert über die relativ problemlose Art und gliedstaaten des Bündnisses dringend auf: Weise, auf die chemische Waffen hergestellt wer- den können; ihre Anstrengungen im Hinblick auf die Herbei- führung eines weltweiten Verbots der Entwick- 3. stellt fest, daß der Erwerb nuklearer und chemi- lung, Produktion, Lagerung und des Einsatzes scher Waffen und der Mittel, die ihren Einsatz chemischer Waffen fortzusetzen. ermöglichen, andere Staaten, die in Reichweite dieser Waffen liegen, dazu bewegt, sich ihrerseits ebenfalls mit solchen Waffen auszustatten; Entschließung 212 4. ist sich bewußt, daß Anstrengungen, die Verbrei- tung nuklearer und chemischer Waffen und der betr. die Verschmutzung der Atmosphäre Mittel, die einen Einsatz dieser Waffen möglich machen, zu kontrollieren, auf zahlreiche Schwie- Die Versammlung rigkeiten stoßen; 1. ist zutiefst besorgt über die Anzeichen des Ozon- 5. unterstützt die von der Staatengemeinschaft un- abbaus in der oberen Atmosphäre; ternommenen Anstrengungen, der Verbreitung 2. begrüßt die internationalen Bemühungen um eine von nuklearen Waffen im Rahmen von Regelun- Eindämmung des Ozonabbaus durch die Redu- gen über die Nichtverbreitung Einhalt zu gebie- zierung von Emissionen ozonschädigender che- ten; mischer Substanzen, wie z. B. Fluorchlorkohlen- wasserstoffe (FCKW) und Halone; und 6. begrüßt Initiativen wie die von der „australischen Gruppe" eingeführten Exportkontrollen für che- 3. begrüßt die von mehreren Ländern eingegangene mische Wirkstoffe, die für die Herstellung von Verpflichtung, diese Emissionen schneller zu re- chemischen Waffen verwendet werden können, duzieren als es ursprünglich im Wiener Überein-

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kommen und im Montrealer Protokoll vereinbart anwendbare Alternativen zur Verfügung ste- war; aber hen, spätestens jedoch bis zum Jahre 1995;

4. stellt fest, daß sich die geltenden Übereinkommen b) sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Ur- über Emissionen nicht auf Tetrachlorkohlenstoff sachen für die Konzentration von Tetrachlor- und Methylchloroform beziehen, welche erheb- kohlenstoff und Methylchloroform in der At- lich zum Ozonschwund beitragen; mosphäre festzustellen, und die erforderlichen 5. ist sich bewußt, daß gegenwärtig Austauschstoffe Maßnahmen zu ergreifen, um den Ausstoß die- für FCKWs und Halone entwickelt werden, die für ser Stoffe in die Atmosphäre unverzüglich, die Ozonschicht weitaus weniger schädlich wä- spätestens bis zum Jahre 1995, zu stoppen; ren; und c) die Entwicklungsländer zu einer dauerhaften 6. ist von der Notwendigkeit eines weltweiten Ver- Wiederaufforstung sowie einer dauerhaften bots für ozonschädigende Chemikalien über- und umweltverträglichen Entwicklung im zeugt; Energiebereich zu ermutigen, indem man Mit- 7. ist alarmiert über die zunehmende Konzentration tel zur Erleichterung der Schuldenlast, techni- von Treibhausgasen in der Atmosphäre sowie sche Unterstützung sowie multilaterale und bi- über die großflächige Entwaldung, durch die die laterale Hilfsprogramme einsetzt; Absorptionsfähigkeit der Biosphäre für Kohlen- dioxid herabgesetzt wird; d) ihre Treibhausgas-Emissionen sobald wie möglich zu reduzieren, indem sie Energieein- ist8.über besorgt die Schwierigkeiten, die ein Ver- sparungen, die Verwendung erneuerbarer und zicht auf FCKWs und Halone sowie die Reduzie- nicht fossiler Energiequellen sowie fossiler rung von Treibhausgasen für die Entwicklungs- Brennstoffe, wie z. B. Erdgas, fördern, um die länder bedeuten würden; Kohlendioxid-Emissionen herabzusetzen; 9. begrüßt das unter der Schirmherrschaft der Ver- einten Nationen und der Weltorganisation für Me- e) die technischen und finanziellen Ressourcen teorologie entstandene intergouvernementale zu erwägen und, wenn möglich, bereitzustel- Gremium für Klimaveränderungen; len, die den Entwicklungsländern die Möglich- keit verschaffen, die für den Ozonabbau ver- 10. stellt fest, daß in der Öffentlichkeit zunehmende antwortlichen Emissionen von Treibhausgas Besorgnis über die globale Klimaveränderung und chemischen Stoffen zu reduzieren, ohne herrscht; dabei ihre wirtschaftliche Entwicklung zu be- 11. begrüßt das von der NATO erstellte Programm, einträchtigen; dessen Ziel es ist, die Forschung über eine globale die Zusammenarbeit mit den Warschauer Klimaveränderung zu fördern; f) Pakt-Staaten im Bereich des Umweltschutzes 12. ist überzeugt, daß die NATO-Länder bei der För- mit Hilfe gemeinsamer Programme im Bereich derung des Umweltschutzes eine Vorreiterrolle von Wissenschaft, Technologie und Schad- spielen müssen; stoffreduzierung zu fördern; die Parlamente der Mitgliedsländer des 13. fordert g) Forschungsanstrengungen zu unterstützen, Bündnisses dringend auf: deren Ziel es ist, die Folgen der Konzentration a) Produktion und Verwendung von FCKWs und von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu er- Halonen einzustellen, da in den meisten Fällen mitteln.

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