Preußen Im Film
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Preußen im Film Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinemathek Herausgegeben von Axel Marquardt und Heinz Rathsack Band 5 Rowohlt Gesamtherausgeber: Berliner Festspiele GmbH, Berlin, Intendant: Dr. Ulrich Eckhardt Lektorat für den Verlag: Winfried Ranke Bandredaktion: Wolfgang Müller Schlussredaktion: Volker Weigold Umschlagentwurf: Heinz Waldvogel unter Verwendung der Abbildung: Reichsproklamation im Spiegelsaal von Versailles, Paul Hartmann als Bismarck in einer Szene aus dem Spielfilm ‚Bismarck’ (1940, Regie: Wolfgang Liebeneiner), Archiv Stiftung Deutsche Kinemathek Fotos im Textteil: Archiv Stiftung Deutsche Kinemathek Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Ham- burg, August 1981 Copyright © by Berliner Festspiele GmbH, Berlin 1981 Papier: Scheufelen, Oberlenningen Satz: Times (Linotron 404); Clausen & Bosse, Leck Reproduktionen: Rembert Faesser, Berlin Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany 1000-ISBN 3 499 34005 4 Eingescannt mit ABBYY Fine Reader Preußen Versuch einer Bilanz Eine Ausstellung der Berliner Festspiele GmbH 15. August – 15. November 1981, Gropius-Bau (ehemaliges Kunstgewerbemuseum) Berlin Katalog in fünf Bänden Inhaltsverzeichnis Heinz Rathsack Preußen im Film 7 Gerhard Schoenberner Das Preußenbild im deutschen Film Geschichte und Ideologie 9 Ulrich Gregor Verdrängung, Satire und Innerlichkeit Preußen im Film nach 1945 39 Anthony Slide Preußen im amerikanischen Film Ein Überblick 55 Hans Feld Potsdam gegen Weimar oder Wie Otto Gebühr den Siebenjährigen Krieg gewann 68 Dietrich Kuhlbrodt Preußische Filmästhetik und ihre Strategien 74 Peter Czerwinski Die Welt als Wille und Anschauung: Irrationalität und Ästhetisierung im Film 98 Eberhard Spiess Es war nicht immer nur ‚Lützows wilde verwegene Jagd‘, die über die deutsche Leinwand galoppierte Eine Anmerkung zum Preußentum im Film 121 Helmut Regel Die Fridericus-Filme der Weimarer Republik 124 Friedrich P. Kahlenberg Preußen als Filmsujet in der Propagandasprache der NS-Zeit 135 Wilhelm van Kämpen Das «Preußische Beispiel» als Propaganda und politisches Lebensbedürfnis Anmerkungen zur Authentizität und Instrumentalisierung von Geschichte im Preußenfilm 164 Bernt Engelmann Sonntagnachmittag im Preußenfilm 178 Hubertus Fischer Gespenstische Leibhaftigkeit Figur- und Bildtradition in den historischen Preußenfilmen 183 Hansjörg Pauli Borussia cantat Zur Bild-Ton-Dramaturgie im Preußenfilm 195 Jan-Christopher Horak Liebe, Pflicht und die Erotik des Todes 205 Gertrud Koch Der höhere Befehl der Frau ist ihr niederer Instinkt Frauenhass und Männer-Mythos in Filmen über Preußen 219 Wolfgang Jacobsen / Klaus Nothnagel Vorbemerkung zur kommentierten Filmografie «Preußen im Film» 234 Zitierte Literatur 283 Herausgeber und Autoren 285 Filmregister 286 Preußen im Film Heinz Rathsack Verwirrt von der Fülle des Angebots an Ausstellungen, Kolloquien, Konzerten und Publikationen und – wohl etwas mühsam – seine Auswahl treffend, wird sich der potentielle Zuschauer, Zuhörer oder Leser fragen: Was wird mir schon der Film an neuen Erkenntnissen über Preußen vermitteln? Nichts. An dieser unmissverständlichen Antwort kommen wir nicht vorbei. Zugleich müssen wir uns fragen lassen, warum wir trotzdem im Zusammen- hang des Preußen-Projekts 1981 an die 60 grosse Filme zeigen und ein Buch publizieren. Die Antwort lautet, dass der Film zwar mit vorgefertigten Ge- schichtsklitterungen, Legenden und Anekdoten arbeitet und damit nichts ei- gentlich Neues zum Thema «Preußen» bietet, dass aber die Kontinuität, mit der die deutsche Filmgeschichte von Skladanowsky bis zu Helma Sanders-Brahms diesen Themenkomplex abhandelt, und der enorme Publikumserfolg, den sol- che Filme in den zwanziger, dreissiger und vierziger Jahren hatten, ein eigenes Phänomen darstellt, das des Nachdenkens wert ist. Wir glauben also nicht, ei- nen Beitrag zur Geschichte Preußens, wohl aber zur Geschichte des deutschen Films leisten zu können. Die deutsche Filmgeschichte der zwanziger und der beginnenden dreissiger Jahre verbinden wir mit Titeln wie ‚Das Kabinett des Dr. Caligarh, ‚Die Nibe- lungen‘, ‚Metropolis’, ‚Faust’, ‚Der letzte Mann’, ‚Nosferatu’, ‚Menschen am Sonntag’, ‚Mutter Krausens Fahrt ins Glück’, ‚Berlin – Alexanderplatz’ oder ‚M’. In unserer Retrospektive werden wir zeigen, dass damit nur ein Teil, wenn sicherlich auch der wertvollste, der damaligen Filmproduktion umschrieben ist. Wir werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Gunst des grossen Publi- kums etwa folgenden Filmen galt: ‚Fridericus Rex’, ‚Der Alte Fritz’, ‚Der Kat- zensteg’, ‚Kadetten’, ‚Luise, Königin von Preußen’, ‚Die Tänzerin von Sanssouci’, Theodor Körner’ oder ‚Der Choral von Leuthen’. Wir dürfen nicht verschweigen, dass nicht nur in der Zeit des Nationalsozialismus Preußen un- kritisch und pathetisch verherrlicht wurde, sondern dass diese Entwicklung sich spätestens zu Beginn der zwanziger Jahre abzeichnete und dass Preußenkritik im Film, wie etwa im ‚Hauptmann von Köpenick’ und in ‚Mädchen in Uniform‘ 7 zu den Ausnahmen gehörte. Kennzeichnend für das Verhältnis des deutschen Films zu Preußen ist die Tatsache, dass ‚Der Choral von Leuthe‘, von Carl Froe- lich, 1932 produziert, seine Uraufführung nach Hitlers Machtantritt in unverän- derter Form erleben konnte. Dieses Buch ist ein Versuch, den bisher nur punktuell behandelten politi- schen Trivialfilm als eine Jahrzehnte währende kontinuierliche Erscheinung, als einen Hauptstrom in der deutschen Filmgeschichte darzustellen. Gerhard Schoenberner und Ulrich Gregor geben einen zusammenfassenden Überblick über die Behandlung der Preußenthemen von den Anfängen bis in die Gegen- wart, der durch Beiträge von Dietrich Kuhlbrodt, Peter Czerwinski und Eber- hard Spiess ergänzt wird. Einzelaspekte wie Frauenhass und Männer-Mythos (Gertrud Koch), Liebe, Pflicht und Erotik des Todes (Jan-Christopher Horak), die Bild-Ton-Dramaturgie im Preußenfilm (Hansjörg Pauli) oder die Figur- und Bildtradition des Preußenfilms (Hubertus Fischer) erhellen den Gesamtzusam- menhang. Das Verhältnis der Filme zur Geschichte Preußens und zu ihrer Ent- stehungszeit wird von Friedrich P. Kahlenberg, Helmut Regel und Wilhelm van Kämpen untersucht. Hans Feld und Bernt Engelmann tragen persönliche Erin- nerungen an die Zeit der Preußenfilme bei. Um zumindest auf einen Aspekt des Preußenthemas im ausländischen Film hinzuweisen, veröffentlichen wir den Aufsatz «Preußen im amerikanischen Film» von Anthony Slide. Die unentbehr- lichen filmografischen Daten haben Wolfgang Jacobsen und Klaus Nothnagel zusammengestellt. Anlässlich des Preußen-Projekts in Berlin veranstaltet die «Stiftung Deut- sche Kinemathek’ gemeinsam mit den «Freunden der Deutschen Kinemathek’ im Herbst 1981 eine umfassende Retrospektive, die bis zum Beginn unseres Jahrhunderts zurückgreift. Diese Filmreihe und das vorliegende Buch wollen durch die Darstellung des Preußenbildes im deutschen Film anregen, über deut- sche Geschichte in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts nachzudenken, und den Filmhistorikern Materialien übermitteln, die ihnen helfen sollen, die Geschichte des deutschen Films vollständiger und differenzierter zu erfassen. Mein Dank gilt allen Autoren und Mitarbeitern, im besonderen Masse Gerhard Schoenberner für die redaktionelle Beratung und Axel Marquardt, der beharrlich mit ebensoviel Liebenswürdigkeit wie Energie die vielen Stränge un- serer Arbeit zu einem Buch und zu einer Retrospektive zusammengefügt hat. Heinz Rathsack Vorstand der Stiftung Deutsche Kinemathek 8 Das Preußenbild im deutschen Film Geschichte und Ideologie Gerhard Schoenberner Keine andere Epoche der deutschen Geschichte hat solche Spuren im Bewusst- sein der Nachgeborenen hinterlassen, ist von solch mythenbildender Kraft ge- wesen wie die Geschichte Preußens. Das gilt besonders von der frideriziani- schen Zeit, in der alles zusammenzufliessen scheint, was den Begriff Preußen ausmacht. Allein die Nennung dieses Wortes genügt bis heute, um bei vielen Menschen ein ganzes Arsenal von Assoziationen und Emotionen in Bewegung zu setzen, ja eine bestimmte Haltung auszulösen. Preußen ist längst abgehoben von seiner realen geschichtlichen Gestalt, die weitgehend unbekannt geblieben ist, es existiert nahezu unabhängig davon als Vorstellung, Mythos, reine Ideologie. Literatur und Kunst haben die zur Le- gende geronnene Geschichte verbreitet, in Anekdoten bewahrt, in Medaillons gefasst, wohlpräparierte Ausschnitte eines grösseren Wirklichkeitszusammen- hangs, oft auch pure Erfindung, Genrebilder in direktem Gegensatz zur histori- schen Wahrheit, und das alles tausendmal repetiert und abgewandelt, geglättet, auf die ihm innewohnende «Moral» hin stilisiert und auf den Begriff gebracht, verselbständigt und mit eigenem Leben begabt. So mächtig war diese Ideologie, dass am Ende auch Wirklichkeitspartikel einfliessen konnten, die man – ausserhalb des Verblendungsmechanismus ge- stellt und bei Licht betrachtet – nur als ungeheuerlich bezeichnen kann. Freilich, es blieb bei ihrer blossen Erwähnung; die realistische Schilderung, wie zeitge- nössische Berichte sie geben, wurde mit Fleiss vermieden, nur der Tatbestand selbst benannt, stets auch verharmlost, auf jeden Fall aber gerechtfertigt, seine Ursachen nie geklärt. Dass Preußens Armee zur einen Hälfte aus zum Wehr- dienst gepressten, leibeigenen Bauern, zur anderen aus gekauften Söldnern und Verschleppten von jenseits der Landesgrenzen bestand, die mit barbarischen Zwangsmassnahmen von der Desertion abgeschreckt und in Kriege gejagt wer- den mussten, die nicht die ihren waren, das lernten