InnovationDas Magazin von Carl Zeiss ISSN 1431-8040 15
In Erinnerung an Ernst Abbe Inhalt
Editorial Formelwerke einzigartiger Persönlichkeiten . . . z Dieter Brocksch 3
In Erinnerung an Ernst Abbe Ernst Abbe 4 Mikroskopobjektive 8 Numerische Apertur, Immersion und förderliche Vergrößerung z Rainer Danz 12 Höhepunkte in der Geschichte der Immersionsobjektive 16 Aus der Geschichte der Mikroskopie: die Abbeschen Diffraktionsversuche z Heinz Gundlach 18 Die Wissenschaft vom Licht 24 Stazione Zoologica Anton Dohrn, Neapel 26 Felix Anton Dohrn 29 Der Freskensaal z Christiane Groeben 30 Bella Napoli 31
Vom Anwender Der Zebrafisch als entwicklungsbiologischer Modellorganismus 32 SPIM – ein neues Mikroskopierverfahren 34 Zivilisationskrankheit Wirbelsäulenleiden: Heilungsmethoden und Innovationen 38 ZEISS im Zentrum für Bucherhaltung z Manfred Schindler 42
Aus aller Welt Carl Zeiss Archiv hilft Ghana-Projekt z Peter Gluchi 46
Auszeichnungen 100 Jahre Brock&Michelsen 48 Auszeichnung für NaT-Working-Projekt 49
Produktreport Digitale Pathologie: MIRAX SCAN 50 UHRTEM 50 Xenonbeleuchtung Superlux™ Eye 50 Carl Zeiss Optik in Nokia Mobiltelefonen 51
Impressum 51
2 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Editorial
Formelwerke einzigartiger Persönlichkeiten...
Formeln umschreiben die Funktionen und Prozesse des Sie beschreibt klar und eindeutig das Auflösungsvermö- Weltgeschehens und des Lebens. Besonders die unschein- gen von optischen Instrumenten bei der Verwendung des baren und kleinen Formeln beeinflussen oftmals ganz sichtbaren Spektrums des Lichts und hat zur Verbesse- entscheidend unseren Wissensstand und die Funktiona- rung von optischen Geräten beigetragen. litäten heutiger Geräte und Untersuchungsmethoden. für die großen...
Fünfzig Jahre nach dem Tod von Albert Einstein (1879- 1955) jährt sich zum einhundertsten Mal die Veröffentli- chung seiner Relativitätstheorie, die Sichtweisen revolu- tionierte, Lebensvorgänge verständlicher machte und die Dimensionen von Raum und Zeit zu erklären begann. Die kurze und knappe Formel E=m·c2 drückt dabei die ungeheure Komplexität unserer Welt aus. Im Zuge seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten hatte Einstein auch Im gleichen Jahr stirbt ein anderer deutscher Mikroskop- Kontakt zu Zeiss: 1925 schrieb er an die Firma Anschütz bauer mit Bezug zu Abbe und Zeiss: Rudolf Winkel in Kiel wegen Herstellung eines Kreiselkompasses: „Die (1827-1905). Aus der 1857 gegründeten „Winkel’sche Schwierigkeiten der Herstellung sind, da es auf 10-4 Werkstatt in Göttingen“ kommen bereits zu Abbes Zei- ankommt, so groß, dass gegenwärtig nur Zeiss so was ten gute Mikroskope. Ernst Abbe besuchte schon wäh- machen kann.” rend seiner Göttinger Studententage die Werkstatt von Winkel. Mit Abbes Besuch 1894 begann dann die engere Zusammenarbeit. 1911 wird Zeiss Hauptgesellschafter von Winkel. Im Oktober 1957 geht die R. Winkel GmbH in der Carl-Zeiss-Stiftung auf. In Ernst Abbes Todesjahr erhielt Robert Koch (1843- 1910) den Nobelpreis für Medizin für seine Untersuchun- gen und Entdeckungen auf dem Gebiet der Tuberkulose. Koch nutzte 1878 zum ersten Mal das „Abbesche Ölim- mersions-System“ und hat sich von dem „gewaltigen Fortschritt“ überzeugt, der „der optischen Werkstätte von Carl Zeiss unter Professor Abbes genialem Beirat“ ge- lungen war. Im Jahre 1904 überreichte die Geschäftslei- tung des Unternehmens Carl Zeiss Robert Koch das 1000. Objektiv 1/12 für homogene Ölimmersion. Viele Beiträge der vorliegenden Ausgabe sind der Per- ... und die kleinen Dinge son Ernst Abbe und seiner Zeit gewidmet. Wir erinnern des Lebens. an die Bedeutung Ernst Abbes für die Optik, besonders an Entwicklungen, die ganz entscheidend von Ernst Abbe 2005 jährt sich Ernst Abbes (1840-1905) Todestag zum und seinen wissenschaftlichen Ergebnissen beeinflusst einhundertsten Mal. Mit zahlreichen Veranstaltungen waren und sind, und an die Bedeutung Ernst Abbes für wird im Laufe des Jahres 2005 an sein großes Lebens- das Unternehmen Carl Zeiss. Verdeutlicht wird das auch werk erinnert. Seine umfangreichen Untersuchungen im durch das Bild auf den Umschlagseiten: ein historischer Rahmen seiner Tätigkeit in den Optischen Werkstätten Bogen, gespannt über mehr als 150 Jahre Optikentwick- Carl Zeiss hatten auch die Formel zur Auflösung im lung mit dem Schwerpunkt Mikroskopie. Mikroskop zum Resultat: d = 2n sin Juni 2005
Dr. Dieter Brocksch
Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 3 In Erinnerung an Ernst Abbe
1857
Ausbildung und thematik und Physik an den Univer- 1863 wurde Abbe auch Mitglied erste Berufsjahre sitäten Jena (1857-1859) und Göttin- der Jenaer Medizinisch-Naturwissen- gen (1859-1861). Abbes Studienzeit schaftlichen Gesellschaft, in der er Ernst Abbe wurde am 23. Januar 1840 endete mit der Promotion zum Dr. bis 1895 insgesamt 45 Vorträge ge- in Eisenach als Sohn des Spinn- phil. in Göttingen mit dem Disserta- halten hat. Ab 1866 war er freier meisters und späteren Fabrikaufse- tionsthema „Erfahrungsmäßige Be- wissenschaftlicher Mitarbeiter beim hers Georg Adam Abbe und dessen gründung des Satzes von der Äquiva- Hof- und Universitätsmechanikus Carl Frau Christina geboren. Von 1846 bis lenz zwischen Wärme und mechani- Zeiss in Jena. Im Jahr 1870 formulierte 1850 besuchte er die Volksschule. scher Arbeit“. Danach war er für zwei er die berühmte, nach ihm benannte Die nächsten sieben Jahre war er Jahre Lehrer am Physikalischen Verein Sinusbedingung, die ein Kriterium für Schüler der Realschule 1. Ordnung in Frankfurt/Main. die optimal scharfe Wiedergabe von und des späteren Realgymnasiums außeraxialen Objektpunkten bei der in Eisenach. Mit überdurchschnitt- Familie und mikroskopischen Abbildung und für lichem Erfolg in der Reifeprüfung Wissenschaft den Abbildungsmaßstab darstellt. Im schloss er 1857 die Schulzeit ab. gleichen Jahr wurde er außerordent- Bis 1861 folgte das Studium der Ma- Schon früh starb Abbes Mutter: licher Professor an der Universität Je- 14. Juli 1857. Während seiner Stu- na. Am 24. September 1871 heirate- dienzeit heiratete sein Vater zum te er Elise Snell, die Tochter von Prof. zweiten Mal: Eheschließung mit der Snell, dem Ordinarius für Mathematik Anlässlich des 100sten Todes- Witwe Eva Margarethe Liebetrau und Physik an der Jenaer Universität. tages von Ernst Abbe erschien am 11. November 1859. Nach seiner Drei Jahre später wurde das erste 2005 im Verlag Dr. Bussert & Frankfurter Zeit trat Abbe 1863 der Kind, die Tochter Paula, geboren. Am Stadeler, Jena Quedlinburg, Mathematischen Gesellschaft in Jena 18. August 1874 starb sein Vater. Von das Buch „Ernst Abbe – bei. Im gleichen Jahr habilitierte er 1877 bis 1900 ist Abbe Direktor Wissenschaftler, Unternehmer, sich in Jena mit der Schrift „Gesetz- der Sternwarte Jena. Am 1. Mai 1878 Sozialreformer“. mäßigkeit in der Vertheilung der Feh- wird er zum Ehrenmitglied der Lon- ler bei Beobachtungsreihen“. Als Pri- doner Royal Microscopical Society er- [ISBN 3-932906-57-8] vatdozent lehrte er Mathematik und nannt. Und im Juni des gleichen Jah- Physik an der Universität Jena. res wird er ordentlicher Honorarpro-
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fessor an der Universität Jena. 1883 fähiger Mitarbeiter und Nachfolger gelöst von Hermann von Helmholtz, bekommt er den Titel Dr. med. h. c. auch im unternehmerischen und im auf eine Professorenstelle nach Berlin durch die Universität Halle verliehen kaufmännischen Bereich zum Erfolg ab. Ebenso Ablehnung einer ordent- und 1886 den Titel Dr. jur. h. c. der bei. Mit fähigen Mitarbeitern und lichen Professur in Jena. Universität Jena. 1900 wird Abbe ständiger Qualitätskontrolle konnten Der erste Kontakt mit Dr.Otto Schott Korrespondierendes Mitglied der Kai- die hohen Qualitätsstandards durch- erfolgt 1879. Ein Jahr später startet serlich-Österreichischen Akademie der gesetzt und eingehalten werden. Die die Zusammenarbeit. 1882 wird ein Wissenschaften in Wien. 1901 folgen erfolgreiche und zielgerichtete An- privates glastechnisches Laboratorium die Ernennungen zum Ehrenmitglied passung der Unternehmensorganisa- für Otto Schott in Jena eingerichtet. der Sächsischen Akademie der Wis- tion an das Wachstum wurde erzielt Im nächsten Jahr wird der neue Ge- senschaften und zum Ehrenmitglied durch klare Verantwortlichkeiten der sellschaftsvertrag, in den Abbe ge- der Akademie der Wissenschaften in wissenschaftlichen, technischen und meinsam mit Carl und Roderich Zeiss Göttingen. kaufmännischen Mitarbeiter. als offener Gesellschafter eintritt, ab- Ab 1872 wurden alle ZEISS Mikro- geschlossen. Abbe als skope nach Abbes Berechnungen 1884 erfolgt dann die Gründung Unternehmer gebaut. Drei Jahre später, 1875, wur- des Glastechnischen Laboratoriums de Abbe stiller Teilhaber der Opti- Schott & Gen. (später: Jenaer Glas- Schon in den 1860er Jahren setzte in schen Werkstätte von Carl Zeiss. werk Schott & Gen) durch Otto Schott, der Industrie der Prozess der Integra- Dafür verpflichtete Abbe sich, seine Ernst Abbe, Carl Zeiss und Roderich tion von Wissenschaft ein. Neben akademische Tätigkeit nicht über Zeiss. Carl Zeiss waren Siemens und Bayer den gegebenen Umfang zu steigern Auf der Suche nach Flussspat für Vorreiter dieser Entwicklung. Ernst und insbesondere kein Ordinariat in optische Zwecke reiste Abbe zum ers- Abbe trieb diesen Prozess bei Zeiss Jena oder außerhalb anzunehmen. ten Mal 1886 in die Schweiz auf die entscheidend durch die Einstellung Im nächsten Jahr reiste er im Auftrag Oltscherenalp. Nach dem Tode von von wissenschaftlichem Personal vo- des preußischen Kultusministeriums Carl Zeiss am 3. Dezember 1888, wur- ran: die Integration von F&E in das nach London zur internationalen de Abbe 1889 alleiniger Leiter der Unternehmen war ein wichtiger Schritt Ausstellung wissenschaftlicher Gerä- Zeiss Werke. Zugleich ließ er sich von zur Technologieführerschaft. Perso- te. Wegen seiner Verpflichtungen bei den regelmäßigen Lehrverpflichtun- nalpolitisch trug die Heranbildung Zeiss lehnte er 1878 einen Ruf, aus- gen an der Universität Jena entbinden.
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Global Player
Bereits vor mehr als einhundert Jahren wurde das Unternehmen Carl Zeiss zum „Global Player“: die ersten Verkaufsfilialen wurden in London (1894), Wien (1902) und St. Petersburg (1903) gegründet. Heute hat das Unternehmen 15 Produktionsstandorte in Deutschland, USA, Ungarn, Schweiz, Mexiko, Weißrussland und China sowie 35 Vertriebsunter- nehmen und über 100 Vertretungen weltweit. 1888 1901
Ab 1890 erweiterte Abbe das Produkt- am 14. Januar 1905, stirbt Ernst Abbe der Carl-Zeiss-Stiftung in Kraft. Be- spektrum stetig: Messgeräte (1890), nach längerer schwerer Krankheit. reits 4 Jahre später folgt das erste Photoobjektive (1890), Ferngläser Ergänzungsstatut. (1894), astronomische Instrumente Der Sozialreformer Mit dem Stiftungsstatut von 1896 (1897) und Bildmessgeräte (1901). Abbe und die verlieh Ernst Abbe dem Betrieb eine Die Mitarbeiterzahl stieg demzufolge Carl-Zeiss-Stiftung einzigartige Unternehmensverfassung. bis 1905 auf über 2000 Mitarbeiter. Neben seinerzeit außerordentlich Abbes Beharrung, neue optische Viele Unternehmen fingen im späten fortschrittlichen Bestimmungen zur Gläser auch anderen Fabrikanten zur 19. Jahrhundert mit betrieblicher Sozi- Unternehmensführung und zu recht- Verfügung zu stellen, half der deut- alpolitik an. Abbe war als Reformer lich verankerten Arbeitsbeziehungen schen optischen Industrie. Skeptisch mit seinen sozialpolitischen Ideen spiegelte sich auch das soziale En- war Abbe bezüglich der Patentnah- seiner Zeit weit voraus. Um den Be- gagement Abbes im Statut wider. me, weil er in ihr ein Hemmnis des stand der Unternehmen Carl Zeiss So wurde eine eigene Interessenver- allgemeinen wissenschaftlichen Fort- und SCHOTT unabhängig von per- tretung der Mitarbeiter geschaffen. schritts sah. Erst als es aufgrund des sönlichen Eigentümerinteressen zu si- Sie hatte zwar kein Mitbestimmungs- Konkurrenzdruckes nicht mehr zu chern, gründete Abbe im Jahr 1889 recht, aber das Recht in allen Fragen vermeiden war, begann man bei die Carl-Zeiss-Stiftung, die er 1891 des Betriebes gehört zu werden. Be- Fotoobjektiven und bei den Fernglä- zur Alleineigentümerin der Zeiss Wer- zahlter Urlaub, Beteiligung am Ertrag, sern mit der Patentnahme. Seine frü- ke und zur Miteigentümerin der ein verbrieftes Recht auf Pensionszah- hen bahnbrechenden Arbeiten blie- Schott Werke machte. Abbe übereig- lungen, Lohnfortzahlung im Krank- ben aber zum allgemeinen Gebrauch net 1891 sein industrielles Vermögen heitsfall und von 1900 an den Acht- offen. Mit Hilfe des Abbeschen Kom- der Carl-Zeiss-Stiftung. Gegen eine stundentag waren weitere soziale parator-Prinzips wurden Geräte zur Abfindung Übergabe der Anteile von Meilensteine. Auf diese Weise wur- hochgenauen Messung von Werk- Roderich Zeiss an die Stiftung. Die den die Stiftungsunternehmen Carl stücken hergestellt. Wichtige Hilfs- Stiftung wurde damit Alleininhaberin Zeiss und SCHOTT zu Vorreitern der mittel für den Instrumentenbau in der Firma Carl Zeiss und Teilhaberin modernen Sozialgesetzgebung. Deutschland. (ab 1919 Alleininhaberin) des Jenaer Toleranz ist ein entscheidender 1903 geht Abbe in den Ruhestand. Glaswerks Schott & Gen. Abbe war Begriff in Abbes Denken. Obwohl Aus diesem Anlass findet ein Fackel- bis 1903 Bevollmächtigter und einer Abbe sicherlich kein Sozialdemokrat zug mit 1500 Mitarbeitern der Stif- der drei Geschäftsführer der Carl- war, war es ihm wichtig, dass sich tungsbetriebe statt. Zwei Jahre später, Zeiss-Stiftung. 1896 tritt das Statut diese Partei frei entfalten konnte.
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special Auch wandte er sich vehement ge- Produkte für die gen Rassismus, der zu seiner Zeit be- Wissenschaft reits sein Unwesen trieb. Er sorgte dafür, dass bei Carl Zeiss niemand Kurz nach Entwicklung der neuen wegen seiner Abstammung, Religion Mikroskope kam es auf dem Ge- oder politischen Meinung benachtei- biet der Bakteriologie zu entschei- ligt wurde. Das zeigt sich zum Bei- denden Durchbrüchen. Robert spiel auch darin, dass zwei seiner Koch schrieb 1904 dazu: „Verdan- engsten Mitarbeiter in der Geschäfts- ke ich doch einen großen Teil der führung, Siegfried Czapski und Ru- Erfolge, welche mir für die Wissen- dolf Straubel, jüdische Mitbürger schaft zu erringen vergönnt war, waren. Ihren ausgezeichneten Mikrosko- pen”. Die medizinische Forschung Förderer von Wissen- in Deutschland errang in den schaft und Forschung Jahrzehnten vor dem Ersten Welt- krieg einen Weltrang, der fast nur Die Förderung von Wissenschaft und mit dem Weltrang der ZEISS Geräte Forschung, aber auch Kultur, war für zu vergleichen ist. Emil Behring Abbe immer ein großes Anliegen. auf dem Gebiet der Serologie oder Als Privatmann förderte Ernst Abbe Paul Ehrlich auf dem Gebiet der die Universität durch anonyme Spen- Chemotherapie sind nur Beispiele. den. Nach Gründung der Carl-Zeiss- Ihre Erfolge sind sicherlich nicht Stiftung wurde die Förderung der monokausal auf ihre Instrumente Universität und auch der Stadt Jena zurückzuführen, aber sie wurden durch die Stiftung betrieben. Bereits durch sie gefördert. Auch für die 1886 begann die Förderung von Wis- Chemie stellte die Firma Carl Zeiss senschaft und Forschung mit dem Produkte zur Verfügung, die zum geheimen „Ministerialfonds für wis- Teil Spezialanfertigungen waren: senschaftliche Zwecke”. beispielsweise Gasinterferometer für Fritz Haber.
Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 7 Mikroskopobjektive
Bild 1-3: Frühe Immersionsobjektive.
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Die Qualität der Objektive früher bletts” eine neue Linsenkombination: Nach ihm ist das Wollaston- Mikroskope war meist beschei- Sie bestanden aus zwei plankonvexen Prisma des DIC-Mikroskopier- den. Die Bilder waren leicht un- Linsen mit einer Blende in der Mitte. verfahrens benannt. Wollaston scharf. Bis weit über die Mitte Sir David Brewsters (1781-1868) Idee entdeckte die Elemente Palla- des 19. Jahrhunderts entstanden Objektivlinsen aus Diamanten her- dium und Rhodium und berich- Mikroskopobjektive in mühsamer zustellen, wurde 1824 von Andrew tete als Erster über die dunklen Kleinarbeit. Das damals übliche Pritchard umgesetzt. Und Brewster Linien im Sonnenspektrum. aufwendige Probierverfahren bei schlug 1813 vor, die Ölimmersion zur Seine Betrachtungsweise der der Zusammensetzung der Optik- Erzielung der Achromasie auszunut- geometrischen Atomanordnung systeme, das sogenannte „Prö- zen. Joseph von Fraunhofer (1770- führte ihn zur Kristallographie beln“, war äußerst zeit- und da- 1841) fertigte 1816 die ersten achro- William Hyde Wollaston (1766-1828), und zur Erfindung des Gonio- mit auch kostenintensiv. matischen Linsen, die in der Mikro- Englischer Physiker, meters für die Winkelmessung skopie eingesetzt werden konnten. Chemiker und Philosoph. von Kristallflächen. 1806 erfand 1823 kombinierte der Pariser Physiker er die Camera lucida, ein opti- Selligue bis zu vier achromatische Kitt- sches Hilfsmittel für perspek- glieder zu einem Objektiv, der Durch- tivisches Zeichnen, welches die Um 1810 wies Joseph Jackson Lister bruch in der Herstellung achromati- Beobachtung des Objekts auf (1786-1869) zum ersten Mal auf den scher Mikroskopobjektive mit höhe- einer Zeichenfläche ermöglicht. Zusammenhang zwischen Öffnungs- rer Auflösung. In ihrer Grundstruktur ist die winkel des Objektives und der er- Carl Zeiss erkannte schon früh im Camera lucida ein Glasprisma reichbaren Auflösung hin. Zwei Jahre Zeitalter der aufstrebenden Mechani- ao mit zwei im 135°-Winkel ge- später verbesserte William Hyde Wol- sierung und der beginnenden indu- neigten, reflektierenden Ober- laston (1766-1828) die Optik der ein- striellen Fertigung, die Notwendigkeit o flächen, die das Abbild einer fachen Mikroskope: er führte mit den der Verbindung von Theorie und Pra- Szene im rechten Winkel zum sogenannten „Wollastonschen Dou- xis, von Wissenschaft und Produktion Auge des Betrachters erzeugt.
8 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Bild 4: d d Positivlinse. f S1 S2 f f f Bild 5: Bilderzeugungsschema.
Bild 6: Negativlinse. R2 R Bild 7: R R1 1 2 Chromatische Aberration. 4 5 6 Bild 8: Sphärische Aberration. zur effektiven Herstellung leistungs- Mit der neuen Theorie berechnete Bereits in seinen frühen Arbeiten ge- fähiger Instrumente, die dem Kon- Abbe einige neue Mikroskopobjekti- langte Abbe zu der Erkenntnis, dass kurrenzdruck standhalten konnten. ve. Endgültig auf eine wissenschaftli- Mikroskopobjektive nur mithilfe neu- Intensiv suchte Zeiss nach einer Lö- che Grundlage stellte Abbe die Ob- er Glassorten zur vollen Leistungsfä- sung. Die ersten Berechnungsversu- jektivproduktion durch die Konstruk- higkeit gebracht werden können. che von Mikroskopobjektiven zwi- tion von Messgeräte, die für eine Das veranlasste Abbe 1882 den jun- schen 1850 und 1854 durch ihn rationelle Fertigung der Objektive mit gen Glaschemiker Otto Schott nach selbst und durch seinen Freund, den gleichbleibend hohem Qualitätsstan- Jena zu holen. Zwei Jahre später wur- Mathematiker Friedrich Wilhelm Bar- dard notwendig waren. Und er baute den Abbe und Zeiss Teilhaber des neu fuß, zeigten jedoch keine nennens- die bereits von Zeiss in den 1850iger gegründeten Glastechnischen Labo- werten Ergebnisse. Jahren eingeführte Arbeitsteilung und ratoriums Schott & Genossen. Mit den Im Jahre 1866 trat Carl Zeiss dann Spezialisierung der Beschäftigten wei- neuen Schott-Gläsern gelang Abbe an den jungen Privatdozenten Ernst ter aus. Später gingen die Mess- und 1886 die Konstruktion der Apochro- Abbe mit der Bitte heran, ihn bei der Prüfgeräte wie Dickenmesser, Refrak- mat-Objektive, der leistungsfähigsten Entwicklung verbesserter Mikroskop- tometer, Spektrometer und Aperto- Mikroskopobjektive des ausgehenden objektiven zu helfen. Auf der Grund- meter in die Serienproduktion. 19. Jahrhunderts. lage der Wellenoptik (Beugungstheo- rie) erarbeitet Abbe in den folgenden Jahren die neue Theorie der Bildent- stehung im Mikroskop, die 1873 pub- liziert wurde. In diesem Zusammen- hang wurde auch die so genannte Sinusbedingung der Abbildung for- muliert, die generell die Auflösungs- grenze eines Mikroskops bestimmt. 7 8
Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 9 Bild 9: Natürlicher (links) und künstlicher Flussspat.
Grund für Abbes ...Im Sommer 1886 sollte die Oltsche- Reise in die Schweiz ner Waare wieder der Vergessenheit entrissen werden. Herr Dr. Abbe, 16. Februar 1889, Vortrag von Dr. Ed- Professor der Physik an der Univer- mund v. Fellenberg in einer Sitzung sität Jena, hatte auf der Nachsuche der Naturforschenden Gesellschaft nach wasserhellem Flussspath bei Bern: Ueber den Flussspath von Olt- Herrn Mineralienfactor B. Wappler in schenalp und dessen technische Ver- Freiberg (Sachsen) Stücke von sol- werthung. „Ein historischnaturwissen- chem gesehen, die Herr Wappler vie- schaftliches Memorandum für spätere le Jahre vorher im Austausch gegen Zeiten”. sächsische Mineralien von mir erhal- 9 …In unsern Alpen ist der Flussspath ten hatte. oder Fluorit keine Seltenheit und tritt ...Wappler gab an, die Stücke von im Gebiete des Protogins (Gneissgra- mir erhalten zu haben, und gab ganz nits), der verschiedenen Gneisse und richtig als Fundort das untere Hasli- krystallinen Schiefer nicht selten und thal im Kanton Bern an. Nach dieser mitunter in vorzüglicher Färbung und Auskunft reiste Herr Professor Abbe interessanten Krystallformen auf… sofort nach der Schweiz und suchte Im Jahre 1830 entdeckten einige mich auf. Er zeigte mir ein Spaltungs- Älpler am Fuss des Oltschikopfs stück durchsichtigen Flussspathes vor (2235 m) auf Oltscheren in einer mit dem Befragen, ob ich ihm ange- Schutthalde Bruchstücke eines glän- ben könne, wo dieses Mineral in der zenden, späthigen Minerals von aus- Schweiz zu finden sei. gezeichneter Durchsichtigkeit, welches sie natürlich für Strahlen, d. h. Berg- Quelle: Mitt. Naturf. Ges. Bern (1889) kristall hielten… p.202-219
10 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Flussspat oder
Fluorid (CaF2)
Flussspat ist ein Mineral aus der Klas- se der Halogenide. Er ist einerseits ein beliebter Schmuckstein aber auch ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Flusssäure, Fluor und Flussmitteln (z. B. bei der Aluminiumherstellung) und zum Ätzen von Glas. Klare Kris- talle werden als Linsen für optische Geräte verwendet. Heute wird in der Optik künstlich hergestellter Fluorit verwendet. Der Name Flussspat geht Bild 10: auf seine Verwendung als Flussmittel Das Alphaus in Bielen (Bühlen) auf der Oltscheren bei der Metallgewinnung zurück. Alp 1889. In der von Trinkler Er setzt sich zusammen aus dem la- 1930 mit den damals besten teinischen Wort fluere („fließen”) Reproobjektiven der Firma Carl Zeiss hergestellt sehr und aus der alten bergmännischen starken Ausschnittsvergrö- Bezeichnung Spat für gut spaltbare ßerung aus dieser Aufnahme Minerale. Flussspat zeigt die Farben lässt sich Ernst Abbe zwei- felsfrei identifizieren. violett, gelb, grün, blau, rosa, braun- farblos, weiß und farblos. Ernst Abbe führte Ende des 19. Jahrhunderts als erster systematisch natürliche Fluss- spat-Kristalle in den Bau von Mikro- skop-Objektiven ein, weil damit eine verbesserte Farbkorrektion erzielt wer- den kann.
Oltscheren-Alp (1623 m)
Hütte Nr. 86 mit Bauinschrift "B 1873 H*: wohl Fleckenblock auf massivem Sockel, darin seit 1996 die Wohnkü- che; läges Satteldach mit…, dreiräu- miger Wohnteil nach NE im EG (zwei Stuben in Front, dahinter heute un- benutzte Küche und Schopf, dahinter ein Querläger und ein Doppellängs- stall. Daneben steht eine Rohrmelk- anlage mit 5 Ständen. Die wegen ih- rem besseren Ausbaugrad „das Häus- lein“ genannte Hütte Nr. 86 gehörte den Zeisswerken in Jena, als sie hier Flussspat-Bergbau betrieben. 10
Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 11 Numerische Apertur, Immersion und förd
Bild 1: Die Kausalität von Zur Invarianz der numeri- numerischer Apertur schen Apertur gegenüber der Brechung an einer und Auflösung planparallelen Glasplatte (z. B. Deckglas). Die wichtigste Kenngröße eines n1 = 1,518 , Mikroskopes ist bekanntlich nicht die 1 = 40° , Vergrößerung, sondern sein Vermö- n2 = 1,0 , gen, kleinste Objektdetails auch auf- = 77,4° , 2 gelöst darstellen zu können. Zur Defi- n1 sin 1 = n2 sin 2 nition des Auflösungsvermögens bzw. seinem reziproken Wert, der Auflö- Bild 2: Hochaperturiges Trocken- sungsgrenze, führte Ernst Abbe den objektiv: Die Sinusbedin- Begriff der numerischen Apertur des 2 3 gung ist erfüllt (Erklärung Objektives (Apertura [lat]: = Öffnung, im Text). numerische Apertur = „zahlenmäßi- Den mathematisch interessierten Le- Zwischen der Sinusbedingung und Bild 3: ge“, also dimensionslose Apertur) ser mag es zunächst verwundern, dem Auflösungsvermögen besteht ein Gleicher Objektivtyp: ein. Diese stellt das Produkt aus der dass Abbe den Sinus und nicht den tiefgreifender Zusammenhang: Der Die Sinusbedingung ist nicht erfüllt; außeraxiale Brechzahl nOR und dem Sinus des Tangens des halben Öffnungswinkels Winkelabstand 2 min zweier getrennt Bildpunkte werden stark halben Öffnungswinkels im Objekt- verwendete, so wie es z. B. die Gauß- sichtbarer Objektpunkte (die „Ge- komabehaftet abgebildet raum dar und hat im Gegensatz zur sche Abbildung verlangt. Bei letzterer wichte“ am hantelförmigen Objekt (Erklärung im Text). ∆ alleinigen Verwendung der Größe hat man es aber nur mit sehr engen 2 ymin in Bild 4) muss mindestens (Die Abbildungen 2 und 3 „Öffnungswinkel = 2 ” einen ent- Strahlenbüscheln zu tun, so dass die wurden freundlicherweise scheidenden Vorteil: Gegenüber Bre- Sinus und Tangens der Öffnungswin- (3a) von Herrn Dipl.-Ing. chungen an planparallelen Flächen kel vertauscht werden können. Abbe M. Matthä, Göttingen, 1,22 · zur Verfügung gestellt). (z. B. Deckgläsern) verhält sich die erkannte nach anfänglichen Fehl- sin2 = min d numerische Apertur invariant. schlägen sehr rasch, dass bei der Mit Hilfe des Snelliusschen Bre- mikroskopischen Abbildung eine ganz betragen, weil erst dann das Beu- chungsgesetzes besondere Bedingung, nämlich die gungsmaximum des einen Objekt- Sinusbedingung, eingehalten werden punktes in das Beugungsminimum (1) muss: Sollen Flächenelemente mittels des anderen fällt und somit die bei- weit geöffneter Strahlenbüschel feh- den Objektpunkte gerade noch ge- sin 1 n2 lerfrei abgebildet werden, muss das trennt voneinander gesehen werden = sin 2 n1 Verhältnis von objektseitiger zu bild- können (Beugung an einer kreisrun- seitiger numerischer Apertur gleich den Lochblende bzw. Linsenbegren- lässt sich diese Invarianz leicht bewei- dem Abbildungsmaßstab sein und zung; die Zahl 1,22 hängt mit der sen (Bild 1): sich konstant verhalten. Ist diese Be- Nullstelle der Bessel-Funktion zusam- dingung erfüllt und die sphärische men). 1) (R.W. Pohl bezeichnete (2) Aberration1) (Aberratio [lat] = Abir- Beim Mikroskop ist aber die Auflö- die sphärische Aberra- rung) korrigiert, nennt man die Abbil- sungsgrenze 2∆y (Längendimen- tion treffend als min „...schlechte Vereini- n1 · sin 1 = n2 · sin 2 = ... = ni sin i dung „aplanatisch” ( – sion) und nicht die Winkelauflösung gung achsensymmetri- [gr] = nicht – abirren); außeraxiale von vorrangigem Interesse. Eine ver- scher Lichtbündel Bildpunkte werden komafrei abgebil- blüffend einfache Herleitung der großer Öffnung...“) det. In Bild 2 wird das dreidimensio- mikroskopischen Auflösungsgrenze nale, nahezu fehlerfreie Beugungs- aus der Sinusbedingung gibt R. W. bild eines beleuchteten außeraxialen Pohl an: Punktes (Sterntest) gezeigt, das mit Formel (3a) kann man gemäß Bild einem die Sinusbedingung erfüllen- 4 auch als 2 2 den Objektives aufgenommen wurde. n2 = 1,0 (Luft) 2 1 Ist die Sinusbedingung hingegen (3b) Deckglas, nicht erfüllt, kann die Abbildung n1 = 1,518 ∆ nicht aplanatisch sein und das Objekt 2 y’min 1,22 · Objekt(punkt) der = OP wird stark komabehaftet dargestellt b d Brechzahl nO 1 (Bild 3). schreiben.
12 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 erliche Vergrößerung
Nach Bild 4 lässt sich die bildseitige Was ist aber zu tun, wenn man bei numerische Apertur darstellen als einer ganz bestimmten Wellenlänge 2 2 ’ oder im Weißlicht arbeiten muss und Linsendurchmesser d (4) darüber hinaus der „Trockenapertur“, 2 2 ’ d d. h., nOR = 1,0, bereits der maximale n · sin ’= BR 2b Wert von beispielsweise 0,95 zu- geordnet ist? In solchen Fällen kom- 2 2 ’ (Im Allgemeinen ist der Bildraum mit men Immersionsobjektive zum Ein- ab Luft gefüllt, d. h., nBR = 1,0) satz, d. h., solche Objektive, bei de- nen die Frontlinse in eine Flüssig- 4 Unter Berücksichtigung der Sinusbe- keit eintaucht (Immergere [lat] = ein- dingung tauchen), deren optische Daten mit in die Objektivrechnung einbezogen Objektiv-Frontlinse (5) sind. Im Spezialfall der so genannten (z. B. BK 7, n = 1,518) homogenen Immersion, sind die 3 ∆ Homogene nOR · sin 2 y’ Brechzahlen der Immersionsflüssig- Immersion, = ∆ = const. nBR · sin ’2y keit n2 und der Frontlinse n3 für die n2 = 1,518 (Öl) 2) n2 = 1,0 (Luft) Schwerpunktwellenlänge derart an- 2 Deckglas, ergibt sich für den kleinsten, noch geglichen, dass die von einem Ob- n1 = 1,518 auflösbaren Abstand zwischen zwei jektpunkt OP (Bild 5) ausgehenden OP Objekt(punkt) der Brechzahl n Objektpunkten, also für die Auflö- Strahlen ungebrochen durch den O Trockenobjektiv Immersionsobjektiv ∆ 1 2 sungsgrenze 2 ymin Immersionsfilm hindurch gehen und 5 so von der Objektiv-Frontlinse aufge- n · sin ’ nommen werden können. Die nume- Bild 4: 2∆y = 2∆y’ BR min n · sin rische Apertur ist in diesem Fall um Zum Auflösungsvermögen OR des Mikroskopes den Faktor n2 vergrößert worden, so (nach R.W. Pohl, 1941) 1,22 · b · · d dass sich die Wellenlänge und damit 2∆y Objekt, 2∆y’ Bild, 2∆y = min 2 · b · d · n · sin die Auflösungsgrenze auf 1/n ver- 2 objektseitiger OR 2 Öffnungswinkel, kleinert. Ein Trockenobjektiv und 2 ’ bildseitiger (6) ein Immersionsobjektiv unterscheiden Öffnungswinkel, sich folglich hinsichtlich ihrer nume- 2 objektseitige auflösbare Winkelgröße, 0,61 · ∆ rischen Apertur um den Faktor n2, 2 ’ bildseitige auflösbare 2 ymin = nOR · sin sofern sie Strahlen gleichen Öff- Winkelgröße. nungswinkels aufnehmen können. Bild 5: Den Kehrwert von (6) bezeichnet Gebräuchliche numerische Aperturen Einfluss des Immersionsme- man als das Auflösungsvermögen, von Immersionsobjektiven sind 1,25 diums auf die numerische weil dieses einen möglichst großen (Wasserimmersion), 1,30 (Glycerinim- Apertur des Objektives. 2 = Öffnungswinkel des Wert annehmen soll. mersion) und 1,40 (Öl- bzw. homo- Objektives gene Immersion). Die Werte entspre- (numerische Apertur Die Vorteile chen den halben Öffnungswinkeln = n2 • y sin ) 1 = Grenzwinkel der der Immersion = 56°, 59° und 68°; als Trocken- Totalreflexion objektive wären die numerischen (= arcsin [n2/n1] Die für Nicht-Selbstleuchter geltende Aperturen auf 0,83, 0,86 und 0,93 41°) erreicht; streifender fundamentale Auflösungsformel (6) reduziert. Lichtaustritt sagt aus, dass die Auflösungsgrenze Ein Immersionsobjektiv hat gegen- 2 = Totalreflexion von zwei Faktoren, nämlich der über Trockenobjektiven auch den Vor- Wellenlänge und der numerischen teil, dass das an den Frontflächen von Apertur des Objektives abhängt. Will Deckglas und Objektiv-Frontlinse ent- man demzufolge das Auflösungsver- stehende störende Reflexlicht erheb- mögen erhöhen bzw. die Auflösungs- lich minimiert und in manchen Fällen grenze minimieren, müssen kürzere sogar völlig beseitigt wird. Wellenlängen und eine größere nu- Der Vollständigkeit halber sei noch merische Apertur gewählt werden. die Immersionsmethode genannt, die
Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 13 zur Brechzahlbestimmung an isolier- Die förderliche (9a) ten Festkörpern angewendet wird. Vergrößerung -4 Dabei wird das zu vermessende Ob- V · 5,5 · 10 [mm] -4 u = 5,8 · 10 jekt in eine Immersionsflüssigkeit ein- Damit das menschliche Auge zwei 500 · nAObj gebettet, deren Brechzahl ungefähr Bildpunkte (Bild 4) auch als solche in der Nähe der des Objektes liegt. sehen kann, muss – nach Ernst Abbe und Mittels eines Heiz- und Kühltisches – zwischen ihnen ein Winkelabstand wird nun die Temperatur so lange va- 2 zwischen 2 und 4 Bogenminuten, (9b) riiert, bis die Brechzahl der Flüssigkeit bzw. -4 mit der des Objektes übereinstimmt. V · 5,5 · 10 [mm] -4 o = 11,6 · 10 Wesentlich ist dabei die aus der (7) 500 · nAObj Dulong-Petitschen Regel abgeleitete Tatsache, dass die Temperaturabhän- 5,8 · 10-4 ≤ 2 ≤ 11,6 · 10-4 bzw. gigkeit der Brechzahl von Festkörpern signifikant geringer ist als die von vorliegen. Die untere Grenze der Ge- (9c) Flüssigkeiten. Die Brechzahlbestim- samtvergrößerung des Mikroskopes ≈ mung kann entweder mit Hilfe der sei Vu; die obere Grenze Vo, wobei Vu 500 nAObj „Beckeschen Linie” oder, wenn hohe die Gesamtvergrößerung des Mikro- Genauigkeiten erforderlich sind, mit skopes VM gleich dem Quotienten und interferometrischen Mitteln erfolgen; aus der deutlichen Sehweite von 250 an dieser Stelle sei dazu auf die ein- mm und der Gesamtbrennweite des (9d) schlägige Literatur verwiesen. Mikroskopes fM ist. ≈ Daraus lassen sich nun leicht Vu Vo 1000 nAObj und Vo berechnen: 2) Der Mikroskopierende Die Leistungsfähigkeit des Mikrosko- ist zunächst geneigt, (8a) pes wird also nur dann sinnvoll aus- wegen der übereinstim- menden Brechzahlen genutzt, wenn seine Gesamtvergrö- von Objektiv-Frontlinse, ∆ ∆ ßerung nicht kleiner als das 500fache 2 y 2 y [mm] Vu -4 Immersionsflüssigkeit = = 5,8 · 10 (= 2’) und nicht größer als das 1000fache und Deckglas, keinen fM 250 Unterschied zwischen der numerischen Apertur des Arbeits- Deckglasdicken- (8b) objektives gewählt wird. korrigierten Vergrößerungen > 1000 nA be- (z. B. HI 100x/1,40 Obj ∞/0,17) 2∆y 2∆y [mm] V -4 zeichneten unsere Altvorderen sehr = o = 11,6 · 10 (= 4’) und Deckglasdicken- f 250 trefflich als „leere Vergrößerungen”, nichtkorrigierten M ∞ weil eine Auflösung noch kleinerer (z. B. HI 100x/1,40 /0) -4 Immersionsobjektiven Mit = 550 nm = 5,5 · 10 mm Objektdetails nicht mehr erwartet zu machen. Im mono- werden kann, die Vergrößerung also chromatischen Licht und ins „Leere“ geht. (Schwerpunktwellen- länge) kann er das ∆ sicher tun; im polychro- 2 ymin = = 2 sin 2 nAObj Rainer Danz, Carl Zeiss AG, matischen Licht weisen Werk Göttingen aber Immersionsflüssig- [email protected] keit und Deckglas im erhält man schließlich Allgemeinen unter- schiedliche Dispersio- nen auf, d. h., die Brechzahlen sind mehr oder weniger stark wellenlängenabhängig. Dieser Effekt macht sich im mikroskopischen Bild durch Farbfehler und sphärische Aberration bemerkbar. Also: man achte sorgfältig auf den Korrektionszustand des Objektives!
14 Innovation 15, Carl Zeiss AG, 2005 Numerische details Apertur Auflösungs- Die numerische Apertur ist ein Hin- Aus der Formel für die numerische vermögen weis auf das Auflösungsvermögen Apertur geht hervor, dass neben dem eines Objektivs. Vereinfacht ausge- Öffnungswinkel des Objektivs auch Unter dem Auflösungsver- drückt ist das Auflösungsvermögen die Brechzahl des Mediums zwischen mögen eines Objektivs ver- eines Objektivs davon abhängig, wie- Deckglas und Objektiv in die Berech- steht man das Vermögen, viel Licht von einer Struktur des Prä- nung eingeht. im mikroskopischen Bild zwei parates in das Objektiv gelangt. Diese Bei den sogenannten Trockenob- Objektdetails des Präparates Lichtmenge ist abhängig vom soge- jektiven werden die Lichtstrahlen getrennt abbilden zu können. nannten Öffnungswinkel des Objek- beim Eintritt in die Luft zwischen Die numerische Apertur des tivs. Je größer der Öffnungswinkel Deckglas und Objektiv gemäß des Objektivs bestimmt direkt ist, desto besser löst ein Objektiv die Brechungsgesetzes vom Lot wegge- das Auflösungsvermögen; Details eines Präparates auf. Aller- brochen. Stärker geneigte Lichtstrah- je größer die numerische dings wird auf dem Objektiv nicht len gelangen somit nicht mehr in das Apertur, desto besser das dieser Öffnungswinkel sondern die Objektiv und tragen nicht zur Auflö- Auflösungsvermögen. numerische Apertur angegeben. sung bei. Bei den Ölimmersionsobjek- Definiert wird die numerische tiven befindet sich zwischen Deckglas Die theoretisch erreichbare Apertur durch die Formel A = n * sin und Objektiv ein Immersionsöl: auch Auflösung beträgt in der (A: numerische Apertur, n: Brech- stärker geneigte Lichtstrahlen gelan- Lichtmikroskopie etwa zahl des Mediums zwischen Deckglas gen noch in das Objektiv. 0,20 µm. Definiert wird das und Frontlinse des Objektivs, sin : Auflösungsvermögen eines halber Öffnungswinkel des Objektivs. Objektivs über die Formel