<<

Media 636 Perspektiven 12/2020

Eine Studie zum Einfluss emotionaler Bewertungen von Mediengattungen auf die Nutzungsmotive Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Von Alexander Bohn*, Uwe Domke* und Jan Isenbart**

Radio blickt mittlerweile auf eine über 100-jährige Audiomedien ihren Hörern? Was unterscheidet Audio­ Geschichte zurück. Gerade in der zweiten Hälfte medien in diesem Zusammenhang von anderen Me- dieses Zeitraums ist das Radio zu einem echten diengattungen? Und nicht zuletzt: Welche emotio- Massenphänomen geworden und gilt heute als eines nale Bindung besteht zwischen den Nutzern und der letzten tatsächlichen Massenmedien. In den ver- ihren Medien? gangenen Jahrzehnten ist die Gattung durch ver- schiedene Innovationen wie Internet, Smartphone, Kurz und knapp Streaming-Technologie sowie in jüngerer Vergan- genheit durch Smart Speaker und Podcasts stark • Die Studie verknüpft Daten einer Onlinebefragung mit qualitativen gewachsen. „Audio“ als Gattungsbegriff umfasst Einzelinterviews. heute weit mehr als den klassischen UKW-Empfang • Das Instrument des Emotional Branding Monitor (EBM) wurde von Radiosendern, auch wenn dieser nach wie vor erstmalig auf Mediengattungen angewendet. deutlich die Gesamtnutzung im Audiosegment domi- • Bei der Nutzung von Audio wird im Vergleich zu den anderen niert. Medien die positivste emotionale Grundstimmung erzeugt. • Mit Radio und Audio digital werden Harmonie und Lebensfreude Audiomedien mit So ist es nicht verwunderlich, dass die Gattung Audio überdurchschnittlich stark assoziiert. anhaltend hohem seit Jahren konstant hohe Reichweiten erzielt und • Audio bietet damit beste Wirkungsvoraussetzungen für eine positive Stellenwert im den Disruptionen, die andere Mediengattungen er- Wahrnehmung dort platzierter Werbung. Publikum fahren haben, bisher erfolgreich widerstehen konnte. Laut der jüngsten ma Audio nutzen 94 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren Audio­ Diesen Fragen haben sich die Gattungspartner ARD-­ Studie von AS&S, medien. Jeden Tag hören 53 Millionen Menschen in Werbung Sales & Services, RMS Radio Marketing RMS und Deutschland durchschnittlich vier Stunden Audio. (1) Service und Radiozentrale in einer umfassenden Radiozentrale Diese beeindruckenden Zahlen sind auch über die Studie genähert, in der sowohl die allgemeine letzten Jahre nahezu konstant und verdeutlichen den ­Mediennutzung detailliert erfasst wurde als auch enormen Stellenwert, den Audiomedien in der Gunst konkrete Nutzungssituationen. Besonders im Fokus der Hörer genießen. Auch andere repräsentative standen dabei die emotionale Wahrnehmung und Studien bestätigen dies. (2) Bewertung dieser Situationen, die mittels einer impli- ziten Reaktionszeitmessung ermittelt wurden. Dieses Radio ist starkes Damit ist Radio auch im Werbemarkt nach wie vor ein Verfahren wird üblicherweise für die Bewertung von Abverkaufsmedium wichtiges Ergänzungsmedium in den Mediaplänen Marken verwendet und wurde erstmals für eine Me- vieler werbungtreibender Unternehmen. Neben den diennutzungsstudie adaptiert. verlässlich hohen Reichweiten überzeugt Radio dabei immer wieder als starkes Abverkaufsmedium. (3) In den Kernergebnissen der Studie zeigt sich ein- Aber auch neue Audioangebote wie Podcasts sind mal mehr, dass die Menschen Audiomedien über- aufgrund ihrer steigenden Beliebtheit und intensiven durchschnittlich hohes Vertrauen entgegenbrin- Nutzung in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus gen. Audio wird darüber hinaus in der positivsten der Werbewirtschaft geraten. emotionalen Grundstimmung gehört und von allen betrachteten Mediengattungen am positivsten be- Was verbindet Bei der Suche nach den Ursachen für diese große wertet. Wenn Menschen Audio hören, dann um Menschen mit Audio? Beliebtheit ergibt sich eine Reihe von Fragen, die rein bewusst in eine positive Grundstimmung zu kom- quantitative Analysen naturgemäß nicht beantwor- men oder diese zu erhalten. Dadurch wird Audio ten können: Was verbindet und was verbinden Men- und vor allem Radio zum unverzichtbaren Begleiter schen mit Audio? Welche spezifischen Charakte- im Alltag. ristika kennzeichnen Lebenssituationen, in denen Audio konsumiert wird? Welchen Mehrwert bieten Die aktuelle Studie „Media Feeling – Media Reach“ „Sechs glückliche knüpft damit lose an die Untersuchung „Radio macht Gründe“ für Radio * RMS Radio Marketing Service. glücklich“ an, die ARD-Werbung, RMS und Radio- ** ARD-Werbung SALES & SERVICES. zentrale im Jahr 2012 gemeinsam mit dem Kölner Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Media Perspektiven 637 12/2020

Institut rheingold aufgesetzt haben. (4) Seinerzeit und unbewusst in Verhalten umgesetzt. Daraus folgt wurden „sechs glückliche Gründe“ identifiziert, letztlich, dass nahezu alle wesentlichen Entschei- warum das Radio auch im neuen Jahrtausend seinen dungen emotional getroffen werden. (7) Platz im Alltag der Menschen behaupten kann: – Das Radio hilft in Augenblicken seelischer Funk- Kahneman spricht in seinen mit dem Nobelpreis Modell unbewusster stille, indem es das Leben auf Knopfdruck wieder prämierten Analysen in diesem Zusammenhang vom und bewusster laut werden lässt und zum Klingen bringt. System 1 und System 2 des menschlichen Gehirns. (8) Wahrnehmung – Das Radio bietet verschiedene psychologische System 1, das unterhalb der bewussten Wahrneh- Wellenlängen an. Sie erlauben ein anheimelndes mungsschwelle arbeitet, steuert dabei automatisierte Wiederhören und ein belebendes Neu-Stimmen, und implizite Vorgänge im Gehirn, woraus wiederum eine passende Grund-Tönung und ein gespanntes spontanes, unreflektiertes und unbewusstes Verhal- Aufhorchen, eine kurzwellige Alltagstaktung und eine ten resultiert. System 2 ist demgegenüber aktiv, wenn erhöhte Reichweite. das menschliche Verhalten reflektiert, rational und – Das Radio ermöglicht jedem Hörer, seine „perfekte bewusst erfolgt, zum Beispiel beim Sprechen, Planen, Welle“ zu finden durch Umschalten zwischen seinen Nachdenken oder in der Bewertung von sachlichen Stammsendern. Dabei wird der Senderwahlknopf zur Fakten. Drehstelle zwischen den psychologischen Wellen- längen. In ihren Übergängen entstehen die glück­ In der Adaption dieser Erkenntnisse auf das Marke- Adaption auf lichen Radiomomente. ting wird üblicherweise konstatiert, dass Marken- das Marketing – Das Radio stellt sich vom morgendlichen Auf­ botschaften vor allem implizit gelernt werden und wachen bis zum nächtlichen Einschlafen immer ihre Wirkung auch ohne bewusste Wahrnehmung wieder neu als Soundtrack und Entwicklungshelfer entfalten. Markenbotschaften zielen also ganz klar des Tagewerks von Menschen bereit. auf System 1. Ähnliches geschieht auch bei der Me- – Das Radio kann nicht nur den Tagesläufen von dienauswahl. Selten läuft die Medienselektion ganz Menschen unauffällig und anschmiegsam überall hin bewusst nach dem viel diskutierten „Uses and Grati- folgen, sondern auch den Entwicklungen anderer fications“-Ansatz (9), was sich auch in entsprechen- und neuer Medien. der Kritik an diesem Ansatz widerspiegelt. (10) Basie- – Das Radio ist werbewirksam, weil es selbst eine rend auf der Annahme, dass die emotionale Bindung Werbung für das klingende Leben ist. Es vermittelt an Medien bzw. die Auswahl bestimmter Medien in eine Art Marktstimmung, in der es uns immer wieder bestimmten Situationen, genau wie die Wirkung von zuruft, was das Leben alles an reizvollen Dingen zu Markenbotschaften, im überwiegenden Maße unbe- bieten hat. wusst abläuft, kann ihre Ausprägung und Wirkung auch entsprechend gemessen werden. Forschungsansatz Unbewusste, Bei der empirischen Messung der emotionalen Ver- Ein etablierter Ansatz zur Erfassung der emotiona- emotionale bundenheit von Personen mit abstrakten Konstruk- len, unbewussten und kognitiv nicht reflektierten Entscheidungen ten wie zum Beispiel Marken, Produkten oder eben Komponenten der Wahrnehmung und der Bewer- mit quantitativen auch Medien und Radiosendern stoßen die klassi- tung ist der Emotional Branding Monitor (EBM). Das Methoden nicht zu schen sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden Marktforschungsinstitut interrogare setzt diese im- erfassen wie zum Beispiel Fragebögen, Gruppendiskussionen plizite Methode seit Jahren erfolgreich für Marken- oder Beobachtungen an ihre Grenzen. Die Frage, wie studien ein. Im Rahmen der vorliegenden Studie man implizite, unbewusste und emotionale Ent- wurde der Ansatz nun erstmalig auf Mediengattun- scheidungen messbar macht, wird seit Jahrzehnten gen übertragen. Die allgemeine Wahrnehmung und in der Sozialpsychologie diskutiert. Bewertung von Medien und deren Eigenschaften erfolgen selten rein rational, sondern werden stark Eine herausragende Stellung in der Forschung neh- durch unbewusste Vorgänge beeinflusst, die sich men in diesem Zusammenhang die Arbeiten von einer Erhebung durch explizite Befragungen ent- Daniel Kahneman (2016) sowie Jaak Panksepp und ziehen. Daher muss deren Erhebung auch implizit Lucy Biven (2012) ein. (5) Wie relevant unbewusste erfolgen. Entscheidungsmuster sind, betont Daniel Kahneman: „An automatic affective valuation – the emotional Die wissenschaftliche Grundlage des EBM sind die Basale Emotionen im core of an attitude – is the main determinant of Arbeiten von Jaak Panksepp (11), die Ansätze und Er- Emotional Branding many judgments and behaviors.“ (6) Weitere For- kenntnisse der (Evolutions-)Psychologie, Biologie und Monitor (EBM) schungsbeiträge gehen davon aus, dass bis zu 80 Neurowissenschaften verbinden, um mit neuro-ana- Prozent der menschlichen Entscheidungen unbe- tomischen und neuro-chemischen Mechanismen wusst fallen und nur ein Bruchteil der Umgebungs- emotionales menschliches Verhalten zu erklären. informationen, die vom menschlichen Körper regist- Panksepp hat eine Reihe basaler Emotionen abge- riert werden, bewusst wahrgenommen wird. Die leitet, welche das unbewusste emotionale Erleben überwiegende Anzahl der Reize wird demnach direkt von Menschen und Säugetieren im Allgemeinen Alexander Bohn/Uwe Domke/Jan Isenbart Media 638 Perspektiven 12/2020

Tabelle 1 Basisemotionen und zugeordnete Begriffe entwickelt von Interrogare

Skepsis/Sorge Fürsorger Balance Lust/Erotik Spiel/Freude Suche Dominanz Weitere Begriffe Vorsicht Hilfsbereitschaft Harmonie Erotik Spiel Abenteuer Erfolg nah Sorge Verantwortung Entspannung Eleganz Lebensfreude Kreativität Macht politisch Tradition Sicherheit Wohlfühlen Leidenschaft Spaß Neugier Aggressivität verständnisvoll Ordnung Schutz Einfachheit Sex Gemeinschaft Abwechselung Rebellion umfassend Skepsis Fürsorge Balance Sinnlichkeit Geselligkeit Inspiration Leistung hilfreich Disziplin Vertrauen Ruhe Lust Dynamik Offenheit Dominanz für mich Vernunft Geborgenheit Freundschaft Genuss Leichtigkeit Freiheit Unabhängigkeit fröhlich Zuverlässigkeit Sehnsucht Selbstbewusstsein hochwertig Nachhaltigkeit Fortschritt Stärke seriös glaubwürdig bereichernd belebend informativ spannend Quelle: Scholz, Sören/Stefanie Sonnenschein: Entscheidung des Unterbewusstseins. In: Markenartikel 4/2018, S. 19-21; Jellesen, Udo: Bauch über Kopf. Implizite Wahrnehmung pharmazeutischer Unternehmen durch Kardiologen: Wie implizite Messverfahren eine neue Erkenntnistiefe ermöglichen. In: PM-Report Pharmamarketing 12/2015, S. 15-17. Scholz, Sören: Gefühlssache. Das Emotionalisierungspotenzial von Marken messen. In: Research & Results 6/2011, S. 24-25.

weitgehend beschreiben. Diese sind: Skepsis/Sorge, Was unterscheidet Audio dabei von anderen Medien Fürsorge, Balance, Lust/Erotik, Spiel/Freude, Suche, (intermediale Perspektive)? Dominanz. Jeder dieser Emotionen ist eine Reihe von Begriffen zugewiesen (vgl. Tabelle 1). Mithilfe Methode dieser Begriffe lassen sich die unbewusste Wahr- Zur Beantwortung der genannten Forschungsfragen Quantitative nehmung und emotionale Zuweisung standardisiert wurde gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut und qualitative empirisch erheben. interrogare ein Studiendesign entwickelt, das quan- Datenerhebung titative und qualitative Datenerhebungen verbindet. Hierzu werden den Studienteilnehmern die Begriffe Die quantitative Onlinebefragung beinhaltete dabei als Stimulus vorgelegt, und sie müssen möglichst ein Modul zur Impliziten Reaktionszeitmessung (IRT) zügig entscheiden, wie gut ein Begriff, zum Beispiel im Rahmen des EBM. Zur Vertiefung der quantitati- „Dominanz“, auf eine Situation, eine Person, eine ven Ergebnisse wurden aus dem Teilnehmerfeld der Marke, einen Werbesport oder Ähnliches zutrifft. Da- Onlinebefragung zehn Teilnehmer für leitfaden­ bei ist nicht nur entscheidend, welche Bewertung gestützte Einzelinterviews rekrutiert und zu ihrer die Befragten in diesem Zusammenhang treffen, Mediennutzung befragt. sondern auch wie schnell sie es tun. Die Reaktions- zeit ist die wichtigste Messgröße für die Assozia­ Im Rahmen der quantitativen Onlinebefragung wur- Knapp 4 600 tionsstärke und -richtung zwischen dem Stimulus den insgesamt 4 593 Personen über das Onlinepanel Personen online und dem zu bewertenden Konzept. von GapFish befragt. Die Feldzeit betrug zwei Wochen befragt (23.1.-5.2.2020). Es wurden gleichverteilt je n=300 Ansatz erstmals auf In unserer Analyse wurde der Ansatz nun erstmalig Interviews pro Wochentag durchgeführt. Als Ziel- Mediengattungen auf Mediengattungen übertragen. Dabei stand die gruppe der Studie wurden Personen definiert, die angewendet eingangs gestellte Frage im Mittelpunkt, welche Po- analoge oder digitale Audioangebote mehrmals pro sition eine Mediengattung in der emotionalen Wahr- Woche oder häufiger nutzen. Die Stichprobenanlage nehmung ihrer Nutzerinnen und Nutzer einnimmt. erfolgte bevölkerungsrepräsentativ, quotiert auf Alter Im zweiten Schritt der Analyse können aus diesen gekreuzt mit Geschlecht und Bundesland. Nach der Erkenntnissen die Nutzungsmotive für (Audio-)Medien Befragung wurden die Ergebnisse entlang dieser analysiert werden. In der vorliegenden Studie stan- Merkmale gewichtet. den konsequenterweise die folgenden Forschungs- fragen im Mittelpunkt: Was genau verbindet bzw. Am Beginn der Befragung stand die Definition des in- Individuelle verbinden die Menschen emotional mit Radio/Audio-­ dividuellen Medienportfolios der Teilnehmer, anschlie- Medienportfolios Angeboten? Was macht das Besondere von Nut- ßend wurden die Mediennutzung am Vortag detailliert und Mediennutzung zungssituationen aus, in denen Audio gehört wird? erfasst und zwei ausgewählte Mediennutzungssitua- am Vortag erfasst Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Media Perspektiven 639 12/2020

Tabelle 2 Abgefragte Medien und Kategorien

Audio analog Video analog Print analog Radio analog TV öffentlich-rechtliche Sender Tageszeitungen/Zeitschriften/ Magazine in gedruckter Form TV private Sender Audio digital Video digital Print digital Webradio Videostreaming Tageszeitungen/Zeitschriften/ Magazine online bzw. per App Podcasts Video auf DVD/Blu-Ray etc. Musikstreaming Hörbücher, Hörspiele Quelle: Eigene Darstellung.

tionen ausführlich evaluiert. Eine Übersicht zu den der Befragten haben am Vortag der Erhebung analo- abgefragten Medien und deren Kategorisierung zeigt ges Radio gehört. Kombiniert mit Webradio steigt Tabelle 2. An diesem Punkt erfolgte auch die Ermitt- dieser Wert auf 85 Prozent. An zweiter Stelle folgt TV, lung der emotionalen Wahrnehmung der Situationen das 82 Prozent der Befragten am Vortag geschaut der Mediennutzung mittels des EBM Moduls, gefolgt haben. Videostreaming haben 79 Prozent der Be- von den Abfragen zur emotionalen Wahrnehmung ver- fragten schon einmal genutzt, etwas mehr als jeder schiedener Mediengattungen generell. Die zu bewer- Zweite (54 %) hat am Vortag einen Videostream an- tenden Situationen wurden zufällig auf Basis der An- gesehen. Printangebote werden von knapp zwei gaben der Probanden ausgewählt. So wurde sicher- Drittel der Befragten genutzt, unabhängig von der gestellt, dass sowohl die Zeitintervalle als auch die Darreichungsform digital (65 %) oder analog (68 %). Mediengattungen in den Interviews in ausreichendem Bei der Nutzung gestern liegen digitale und analoge Maße berücksichtigt wurden. Die durchschnittliche Printangebote ebenfalls fast gleichauf. 37 Prozent Interviewlänge lag bei 21 Minuten. der Befragten haben am Vortag digitale Printmedien genutzt, 39 Prozent analoge Medien. Die allgemeine Tiefeninterviews zur Im qualitativen Teil der Studie wurden mit zehn aus- Mediennutzung und die Nutzung von Audioangebo- emotionalen Bindung gewählten Teilnehmern und Teilnehmerinnen der ten im Speziellen bewegt sich also auf dem aus der an Radio quantitativen Onlinestudie Tiefeninterviews durch- Reichweitenstudie ma Audio bekannten Niveau. (13) geführt. Zielsetzung hierbei war es, die Erkenntnisse Radio ist dabei ein Begleiter durch den Tag, wie sich zur emotionalen Bindung an Radio beziehungsweise auch in den Einzelinterviews zeigt: Audio spezifischer zu ergründen und insbesondere deren Bedeutung für die Nutzungsmotive abzuleiten. Zitat 1: „[Mein regionaler Lieblingsradiosender] läuft Basierend auf den Ergebnissen der quantitativen von morgens an durch. (…) Die haben das beste ge- Studie wurden daher gezielt Teilnehmer (12) rekru- mischte Programm aus Information, Unterhaltung, tiert, die den folgenden Zielgruppen zugeordnet Kultur und Nachrichten.“ (60-69 Jahre, männlich) werden können: Zitat 2: „Zum Frühstück läuft nebenbei das Radio. Auf der Fahrt zur Arbeit höre ich Autoradio. Während – Zielgruppe 1: intensive Nutzung von analogem der Arbeitszeit kann ich nichts hören, da nutze ich in Radio und digitalem Musikstreaming, im Alter ab 20 der Pause dann Internetmedien, also Facebook oder Jahren; Onlinezeitungen. Auf der Rückfahrt läuft dann wie- – Zielgruppe 2: junge Menschen unter 20 Jahren mit der das Autoradio. Nachmittags bis abends läuft dann intensiver Nutzung von digitalen Audioangeboten je nachdem Radio oder Fernsehen.“ (Streaming, Podcast, Onlineaudio); – Zielgruppe 3: Radio- oder Webradiohörer mit Die Audionutzung erfolgt überwiegend exklusiv, das ­hoher Zuordnung auf die Basisemotion Balance heißt, es werden kaum andere Medien parallel ge- ( Entspannung/Nähe, Item: „Radio gibt meinem Tag nutzt. Drei Viertel (74 %) der Befragten, die am Vor- Struktur“) im mittleren Alterssegment ab 40 Jahren. tag analoges Radio gehört haben, nutzten parallel keine weiteren Medien. Das ist der höchste Wert im Ergebnisse intramedialen Vergleich (vgl. Abbildung 1). Dies ist Allgemeine Mit Blick auf die allgemeine Mediennutzung zeigt sicher auch darauf zurückzuführen, dass gerade Mediennutzung: sich, dass das klassische Radio das am häufigsten Webradio oder Podcasts auf digitalen Endgeräten Radio ist Begleiter genutzte Medium ist. So nutzen 92 Prozent der genutzt werden (müssen), auf denen zahlreiche wei- durch den Tag deutschsprachigen Bevölkerung Radio, 70 Prozent tere Medien sehr niederschwellig verfügbar sind. Alexander Bohn/Uwe Domke/Jan Isenbart Media 640 Perspektiven 12/2020

Abbildung 1 Zitat 3: „Ich höre grundsätzlich nur öffentlich-recht- Parallelnutzung während der Nutzung von Audiomedien liches Radio. Da bin ich dran gewöhnt, und da habe „Kein weiteres Medium genutzt“, in % ich auch das Vertrauen.“ (18-29 Jahre, männlich) Zitat 4: „Was den Wahrheitsgehalt und den Inhalt Radio* 79 angeht, vertraue ich Fernsehen und Radio.“ (14-17 Jahre, weiblich) Radio oder Webradio 74 Zitat 5: „Ich vertraue dem Radio am meisten, weil mir die Radiomoderatoren näher und vertrauter sind Hörbücher 69 als z. B. Fernsehmoderatoren.“ (50-59 Jahre, weib- lich) Webradio 55 Um die Relevanz von Audio für seine Hörerinnen und Drei Podcasts 54 Hörer genauer zu untersuchen, ist es hilfreich, die Nutzungssituationen Musikstreaming 46 Situationen zu betrachten, in denen Audio genutzt wird. Dabei kristallisieren sich drei Nutzungssitua- * Nettozählung. tionen deutlich heraus: bei der Arbeit, zur Entspan- Basis: Alle Befragten (n=4 593). nung und zur Information.

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Wie Abbildung 4 zeigt, ist Radio mit 27 Prozent das Feeling - Media Reach“. beliebteste Medium bei der Arbeit. Zur Entspannung greifen 29 Prozent der Befragten auf digitale Audio- angebote zurück, wobei innerhalb dieser Gruppe das Unverzichtbarkeit Die hohe tägliche Nutzung allein ist zwar ein Indi- Musikstreaming mit 16 Prozent am beliebtesten ist. von und Vertrauen in kator, sagt aber noch wenig darüber aus, wie rele- Geht es jedoch um Information, ist das klassische das Medium Radio vant Audiomedien für ihre Hörer sind. So kann eine Radio mit seinen redaktionellen Inhalten der klare hohe Nutzung ohne Weiteres in einer Habitualisie- Favorit und liegt deutlich vor allen anderen Audioan- rung der Nutzung, mangelnden Alternativen oder geboten: 17 Prozent der Befragten greifen bevorzugt einer niederschwelligen Verfügbarkeit begründet auf Radio zurück, um sich zu informieren. sein. Gefragt nach den drei Medien, auf die sie am wenigsten verzichten könnten, nennt rund die Hälfte Auch in den Einzelinterviews wurden die verschie- der Befragten (53 %) das Radio (vgl. Abbildung 2) denen Vorteile der Audionutzung von den Teilneh- gefolgt von Videostreaming und Social Media, die je mern herausgestellt: 39 Prozent der Befragten als unverzichtbar anse- hen. Für weitere 37 Prozent ist das öffentlich-recht- Zitat 6: „Radio ist für mich auf der einen Seite ein liche Fernsehen unverzichtbar, für 31 Prozent das gutes Medium zum Ausruhen und Entspannen. Auf www.audioeffekt.dePrivatfernsehen. Damit ist belegt, dass Radio nicht der anderen Seite ist es für mich sehr wichtig, um 1 nur sehr intensiv und regelmäßig genutzt wird, aktuelle Informationen zu bekommen.“ (60-69 Jahre, sondern auch einen hohen Stellenwert für seine männlich) Hörerinnen und Hörer besitzt. Dies verdeutlicht ein- Zitat 7: „Es stört mich nicht, dass ich keinen Einfluss mal mehr die Relevanz der Fragestellung, was Radio darauf habe, was im Radio läuft, denn ich kann gele- eigentlich auf emotionaler Ebene bei den Men- gentlich sehr gut [dabei] abschalten.“ (40-49 Jahre, schen auslöst. männlich) Zitat 8: „[Radio] kann schon eine gewisse Struktur geben. In verschiedenen Arbeitsbereichen läuft ja Neben der Unverzichtbarkeit wurde auch das Ver- auch das Radio während der Arbeit.“ (14-17 Jahre, trauen in Medien als möglicher Indikator der Nut- weiblich) zungsmotivation untersucht. Hier liegt Radio, dem 18 Prozent der Gesamtbevölkerung von allen Medien Im Vergleich mit den anderen abgefragten Medien­ Vergleich mit anderen am meisten vertrauen, auf Platz 2 hinter dem öffent- gattungen zeigt sich, dass vor allem TV und Video­ Mediengattungen lich-rechtlichen Fernsehen (21 %). Interessant ist in streaming stark auf Unterhaltung einzahlen (vgl. diesem Zusammenhang, dass sich die Reihenfolge Abbildung 5). Durchaus plausibel zeigt sich in Bezug in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen umkehrt: auf „informiert werden“ ein differenzierteres Bild: In dieser Gruppe genießt Radio das höchste Vertrauen Hier haben die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender (vgl. Abbildung 3). einen deutlich höheren Stellenwert als private Fern- sehsender. Das öffentliche-rechtliche Fernsehen liegt Im Kern decken sich diese Ergebnisse mit Erkennt- bezüglich Information auch vor Audio bzw. Radio. nissen aus anderen Studien (14), und so betonen die Interessant ist der Blick auf die Funktion „nicht Befragten in den Einzelinterviews diesen Aspekt auch alleine sein“. Hier erfüllen drei Medien eine Art sehr deutlich: „soziale“ Funktion für die Befragten. Video analog Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Media Perspektiven 641 12/2020

Abbildung 2 Unverzichtbarkeit der Medien im Vergleich Frage: „Wenn Sie für eine Woche nur drei Medien nutzen könnten, welche Medien würden Sie dann auswählen?“, in %

Radio gesamt* 52

Videostreaming 39

Social Media 39

Fernsehen / TV: öffentlich-rechtliche Sender 37

Fernsehen / TV: Privatsender 31

Musikstreaming 25

Tageszeitungen in gedruckter Form 20

Tageszeitungen online bzw. per App 12

Hörbücher, Hörspiele 5

Podcasts 4

Video auf DVD, Blu-Ray etc. 3

Kein weiteres Medium 2

* Nettozählung. Basis: Alle Befragten (n=4 593).

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

Abbildung 3 Vertrauen in Medien Frage: „Welchem Medium vertrauen Sie am meisten?“, in %

Gesamtbevölkerung 14–49 Jahre

TV: öffentlich-rechtliche Sender 21 12 www.audioeffekt.deww.audioeffekt.deRadio gesamt* 18 16 2 Tageszeitungen in gedruckter Form 14 10

Videostreaming 8 13

Musikstreaming 7 11

Tageszeitungen online bzw. per App 6 8

TV: Privatsender 6 6

5 Social Media 8

* Nettozählung. Basis: Alle Befragten (n=4 593).

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

www.audioeffekt.deww.audioeffekt.de 3 Alexander Bohn/Uwe Domke/Jan Isenbart Media 642 Perspektiven 12/2020

Abbildung 4 Situative Audionutzung Frage: „Welches der folgenden Medien passt für Sie persönlich am besten dazu?“, in %

ausruhen und unterhalten informiert konzentriert nicht entspannen werden werden arbeiten alleine sein

Audio gesamt 26 15 19 33 18

Radio 22 12 17 27 15

Audio digital 29 11 6 23 13 Web Radio 4 3 2 6 3 Podcasts 2 1 2 1 2

Musikstreaming 16 5 1 16 6

Hörbücher, Hörspiele 7 2 0 1 2

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

Abbildung 5 Situative Mediennutzung – präferiertes Medium nach Situation Frage: "Welches der folgenden Medien passt für Sie persönlich am besten dazu?", in %

ausruhen und unterhalten informiert konzentriert nicht entspannen werden werden arbeiten alleine sein

Audio gesamt 26 15 19 33 18

Radio 22 12 17 27 15

Audio digital 29 11 6 23 13

Web Radio 4 3 2 6 3

Podcasts 2 1 2 1 2 www.audioeffekt.deww.audioeffekt.deMusikstreaming 16 5 Basis: Alle Befragten (n=4.593); Angaben in %1 16 6 4 Hörbücher, Hörspiele 7 2 0Frage: Welches der folgenden Medien passt für Sie persönlich am1 2 besten dazu?

Video analog 18 34 30 3 24

TV: öffentlich-rechtlich 8 16 22 2 12

TV: privat 10 18 8 2 12

Video digital 16 29 4 3 14

Videostreaming 14 26 4 2 13

Video auf DVD, Blu-Ray etc. 1 2 0 0 1

Print analog 4 1 15 2 1

Print digital 1 1 15 1 1

Social Media 4 9 10 2 18

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

www.audioeffekt.deww.audioeffekt.de 5 Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Media Perspektiven 643 12/2020

Abbildung 6 Emotionale Grundstimmung/Wahrnehmung bei der Mediennutzung Reaktionszeitmessung, in %

Print digital Video analog Print analog Video digital Audio digital Audio analog

64 70 77 79

Emotionale Wahrnehmung / emotionale Grundstimmung

Basis: Alle Medienevaluationen (n=9 062); Top-Values der Qualität der emotionalen Medienwahrnehmung.

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

(Fernsehen) wird hier am passendsten eingeschätzt. sammenfassung dieser über den Tag gleichverteil- 24 Prozent der Befragten nutzen TV, um sich nicht ten Nutzungssituationen ist in der Grafik für jedes allein zu fühlen, bei Audio gesamt sind es 18 Prozent. Medium dargestellt. Dabei entspricht ein höherer Dass Radio von Hörern ganz bewusst genutzt wird, Wert einer höheren bzw. positiveren emotionale um Stille zu füllen und sich nicht alleine zu fühlen, Grundstimmung, ähnlich einem Stimmungsbaro- wurde in der Vergangenheit auch in anderen Studien meter. nachgewiesen. (15) Entscheidend ist, dass jemand im Hintergrund redet, um sich nicht allein zu fühlen. Am unteren Ende der Skala ordnen sich Print digital Auch Social Media werden ihrem Namen gerecht, und Video analog (also das klassische Fernsehen) www.audioeffekt.dedenn ebenfalls 18 Prozent Befragten greifen auf so- mit der geringsten emotionalen Grundstimmung ein. 6 www.audioeffekt.deziale Medien zurück, um sich nicht alleine zu fühlen Print analog sowie Video digital (also in erster Linie bzw. Einsamkeit zu bekämpfen. Videostreaming) liegen im betrachteten Spektrum im Mittelfeld. Audio digital und Audio analog werden Emotionale Grundstimmung demgegenüber in einer besonders positiven emotio- bei der Medienrezeption nalen Grundstimmung wahrgenommen. In der De- Die bisher vorgestellten Ergebnisse beruhten auf tailanalyse zeigte sich, dass Begriffe wie „gut, positiv, Befragungsdaten und waren in erster Linie deskrip- gefällt mir, attraktiv, passt zu mir“ mit keiner Lebens- tiver Natur. Sie verweisen auf bewusst wahrgenom- situation, in der ein Medium konsumiert wird, so stark mene Handlungen der Befragten, die diese auch assoziiert werden wie mit Audio. Das heißt, Audio- greifbar verbalisieren können. Im Abschnitt zum medien werden in einer positiven Stimmung konsu- Forschungsansatz wurde erläutert, dass dies für die miert, und die Befragten sind dem Medium Audio emotionale Wahrnehmung von Medien nicht möglich emotional besonders stark verbunden. ist, da diese in System 1 und damit in hohem Maße unbewusst abläuft. Aus diesem Grund wurde die Neben der Grundstimmung wurde auch die emotio- Wahrnehmung der emotionale Wahrnehmung und Zuweisung von Me- nale Wahrnehmung der Mediennutzungssituationen Nutzungssituation diengattungen mittels des weiter oben bereits be- mittels impliziter Messung erhoben. In den Ergeb- schriebenen EBM-Ansatzes gemessen. nissen zeigt sich, dass Audiomedien emotional be- sonders stark in den Emotionssystemen Balance, Emotionale In der Analyse der Medienrezeptionen zeigt sich, Lust/Genuss, Spiel/Freude und Suche verortet sind. Grundstimmung bei dass die emotionale Grundstimmung bei der Nut- Top-Assoziationen zu den Konsumsituationen von der Nutzung von zung von Audio mit weitem Abstand zu den ande- Audio analog sind „Harmonie“ und „herzlich“, bei Audio am positivsten ren Medien am höchsten bzw. positivsten ist. In Audio digital sind dies „Spaß“ und „gutes Gefühl“ Abbildung 6 sind alle gemessenen Nutzungssitua- (vgl. Abbildung 7). Hier bestätigen sich die Erkennt- tionen der Befragung pro Mediengattung aggre- nisse aus den Einzelinterviews ebenso wie die Er- giert dargestellt. Es wurde bei jedem Befragten gebnisse aus der Befragung: Balance steht für Ent- jeweils eine implizite Messung (EBM Modul) zu spannung, Ruhe finden und Suche für Information, ­einem bestimmten Medium zu einer konkreten beides Nutzungsszenarien, die dem Radio zuge- Viertelstunde des Vortages durchgeführt. Die Zu- schrieben werden. Alexander Bohn/Uwe Domke/Jan Isenbart Media 644 Perspektiven 12/2020

Abbildung 7 Emotionale Wahrnehmung von Medien Reaktionszeitmessung, in %-Punkten

Audio analog Audio digital Video analog Video digital Print analog Print digital (n=2 333) (n=2 223) (n=1 404) (n=1 081) (n=1 027) (n=994)

Skepsis/Sorge -1 0 2 -1 -1 0

Fürsorge 5 -3 -4 -8 8 3

Balance 10 9 -3 1 -4 -14

Lust/Genuss 3 9 0 1 -6 -7

Spiel/Freude 8 5 3 1 -7 -10 Suche 5 2 -4 -7 5 -1 Dominanz -4 0 1 1 -1 2

Basis: Alle Medienevaluationen (n=9 062); Abweichungen vom Mittelwert.

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

Tabelle 3 Assoziationen pro Medium

Audio analog Audio digital Video analog Video digital Print analog Print digital Harmonie Spaß Spiel Spaß Tradition Skepsis Lebensfreude Lebensfreude Aggressivität Lust Vernunft Fortschritt Wohlfühlen Genuss Geselligkeit Spiel Ordnung Verantwortung www.audioeffekt.deGeselligkeit Harmonie Rebellion Genuss Nachhaltigkeit Ordnung 7 www.audioeffekt.deSpaß Lust Spaß Leidenschaft Verantwortung Disziplin Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling – Media Reach“.

Auffällig ist insbesondere, dass bei Audio analog Noch etwas detaillierter als die Betrachtung der Assoziationen jedes und Audio digital die stärksten positivsten Aus- angesprochenen Emotionssysteme ist die Analyse Mediums mittels schläge zu sehen sind. Keine der anderen Medien- der Assoziationen pro Mediengattung. In Tabelle 3 impliziter Messung kategorien weist ein ähnlich scharf konturiertes sind die Top-5-Assoziationen jedes Mediums dar- erhoben emotionales Profil ihrer Konsumsituationen auf. gestellt, die wiederum mittels impliziter Messung Inhaltlich entspricht ein höherer Wert einer stärke- erhoben wurden. Harmonie und Lebensfreude ren emotionalen Wahrnehmung und Verbundenheit werden ausschließlich bei Radio (Audio analog) mit dem Medium. und bei Audio digital überdurchschnittlich stark as- soziiert. In Bezug auf Lebensfreude spielt dabei Die geringste emotionale Wahrnehmung unter allen zweifellos Musik eine wesentliche Rolle. Wohlfüh- Mediengattungen hat dagegen Print digital. Dies ist len und Geselligkeit werden ebenfalls stark mit durchaus plausibel, denn eines der Hauptnutzungs- Audio analog assoziiert. Radio bietet den Men- motive für Print digital ist die schnelle, sehr bewusste schen also eine Art einfach verfügbare Wohl- und flüchtige Information über tagesaktuelle Themen. fühl-Oase, einen Kokon. Gleichzeitig erzeugt es Dabei werden naturgemäß weniger emotionale durch die direkte Ansprache des Hörers oder der Grundbedürfnisse erfüllt, wie beispielsweise bei der Hörerin, in vielen Fällen garniert mit regionalen In- entspannten Lektüre der gedruckten Sonntagszei- formationen und starkem lokalem Bezug, das Ge- tung oder dem Anhören einer neuen Folge des Lieb- fühl nicht allein zu sein, sondern dazuzugehören. In lingspodcasts. den Einzelinterviews wurden diese Aspekte eben- falls deutlich: Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Media Perspektiven 645 12/2020

Abbildung 8 Mediennutzung im Tagesverlauf in %

50 Video analog

45 Audio analog 40 Video digital 35 Audio digital 30 Print digital 25 Print analog 20

15

10

5

0

Basis: Alle Befragten (n=4 593), alle Medienevaluationen (n=9 062). Frage: „Welche der folgenden Medien haben Sie gestern genutzt?“/„Und wann genau haben Sie gestern das jeweilige Medium genutzt?“

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

Zitat 9: „Zwischen meinem Lieblingsradiosender und Prozent im Auto. Es ist also keineswegs so, dass im mir besteht eine freundschaftliche Verbindung.“ Auto nur noch Playlists und Podcasts gehört werden. (50-59 Jahre, weiblich). Zitat 10: „[Bei uns steht] das Radio im Esszimmer, Bei den Printangeboten ist eine relativ flache Kurve aber das geht überall hin [und füllt die Wohnung mit mit dem typischen Frühstücks-Peak bzw. ÖPNV-Peak Leben].“ zu erkennen. Die Kurven von Print digital und Print analog sind gleich ausgeprägt, wobei ein Drittel der www.audioeffekt.deEin anderer Aspekt ist das gemeinsame Radiohören Print-digital-Nutzung außer Haus stattfindet. Die TV-­ 8 mit der Familie oder Freunden, beispielsweise beim Kurve zeigt das gewohnte Bild mit einer starken Essen oder Autofahren. Schließlich bietet Radio sei- Nutzung am Abend. Interessant ist dabei die nahezu nen Konsumenten gute, sorgenfreie Unterhaltung, gleich verlaufende Nutzung von Streamingangeboten was sich in der Assoziation von Spaß widerspiegelt. und analogem TV am Vormittag. Mit Audio digital, das seinen Nutzern in einem deut- lich größeren Maße die individuelle Auswahl von In- Die Mediennutzug im Tagesverlauf ist in hohem Mediennutzug halten (Podcasts, Musiktiteln, Playlists) ermöglicht, Maße habitualisiert: Radio beim Frühstück, im Auto in hohem Maße wird Spaß noch einmal stärker verbunden. und bei der Arbeit, TV am Vorabend und abends auf habitualisiert der Couch, was die Vermutung nahe legt, dass die Emotionale Im deskriptiven Teil der Befragung wurden die Teil- emotionale Grundstimmung und Wahrnehmung zu Wahrnehmung im nehmer gebeten, ihre Nutzung im Tagesverlauf in verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich hoch aus- Tagesverlauf einem reduzierten Schema anzugeben. In der Aus- fallen. Abbildung 9 zeigt entsprechend die emotionale wertung zeigt sich das fast schon klassische Bild der Grundwahrnehmung pro Mediengattung im Tages­ Mediennutzung im Tagesverlauf (vgl. Abbildung 8). verlauf. Radio ist dabei insgesamt ein Begleiter im Tagesver- lauf und zeigt die typische Verlaufskurve mit starker Für Audio zeigt sich ein relativ gerader Kurvenver- Nutzung vom Morgen bis zum Mittag. Audio digital lauf: Die positive emotionale Grundstimmung ist im wird den ganzen Tag über recht gleichbleibend ge- Tagesverlauf gleichbleibend hoch. Im Durchschnitt nutzt. Radio ist gleichzeitig das Medium mit der liegt die emotionale Wahrnehmung bei 77 Prozent stärksten Außer-Haus-Nutzung: Im Auto wird von 35 für Audio digital und 79 Prozent für Audio analog. Am Prozent Audio analog gehört, Audio digital nutzen 14 Abend steigt die positive Wahrnehmung von Audio Alexander Bohn/Uwe Domke/Jan Isenbart Media 646 Perspektiven 12/2020

Abbildung 9 Emotionale Gesamtwahrnehmung im Tagesverlauf Reaktionszeitmessung, Top-Values, in %

90

80

70

Audio digital 60 Audio analog Print analog 50 Video digital Video analog Print digital 40 9:00 Uhr 14:00 Uhr 24:00 Uhr und 12:00 Uhr und 17:00 Uhr und 20:00 Uhr nachts zwischen nachts 0:00 und 6:00 Uhr vormittags vormittags zwischen 9:00 Vorabend Vorabend 17:00 zwischen abends abends 20:00 zwischen und morgens zwischen 6:00 und zwischen morgens mittags mittags zwischen 12:00 und nachmittags nachmittags zwischen 14:00 Basis: Alle Medienevaluationen (n=9 062).

Quelle: ARD-Werbung Sales & Services, RMS und Radiozentrale: Studie „Media Feeling - Media Reach“.

digital etwas an, sicher beeinflusst durch die Nut- nen vor allem am Abend ihre Leserinnen und Leser zung von Podcasts, Playlists und Hörbüchern, die die in einem emotional positiven Setting erreichen. Hier Menschen stark ansprechen und für die sich die zeigt sich ein ähnlicher Effekt wie bei Audio digital: www.audioeffekt.deww.audioeffekt.deAbendstunden etwas besser eignen als parallel zur Die Lektüre der Zeitschrift oder Wochenzeitung am 9 oder auf dem Weg zur Arbeit. Audio analog ist inter- Abend scheint auf dem Sofa emotional deutlich be- essanterweise zur reichweitenstarken Zeit am Vor- friedigender zu sein als das Info-Snacking über den mittag auch in der emotionalen Verbundenheit am Tag hinweg. stärksten. Werbekontakte und Wirkungschancen Fernsehen (Video analog) erreicht am Vormittag in Die referierten Ergebnisse lassen sich auch dahin- Radio bietet beste seiner emotionalen Wahrnehmung nahezu das Ni- gehend interpretieren, dass Radio ganztägig beste Voraussetzungen veau von Audio analog und liegt hier deutlich über Wirkungsvoraussetzungen für eine positive Wahr- für positive Audio digital. Im Zeitfenster des Nutzungspeaks am nehmung dort platzierter Werbung bietet. Mehrere Wahrnehmung Abend nach 20.00 Uhr sinkt die Emotionskurve bei Aspekte lassen sich hierfür anführen: Die ermittelte von Werbung Fernsehen sehr deutlich ab; die emotionale Verbin- emotionale Grundstimmung fällt beim Radio im dung zu den Sehern ist zu diesem Zeitpunkt sogar Medienvergleich am höchsten aus. Man trifft die am schwächsten im Tagesverlauf. Video digital hin- Hörer mit seiner Werbebotschaft also bereits in einer gegen ist den Tag über wesentlich gleichbleibender, positiven Grundstimmung an. Diese positive Ver- mit wenigen Ausschlägen in der emotionalen Wahr- bundenheit zum Medium besteht den ganzen Tag nehmung. über. Es gibt somit viele Gelegenheiten, die Kunden oder potenziellen Kunden in unterschiedlichen Si- In Bezug auf Print ist deutlich zu sehen, dass Print tuationen anzusprechen, ob unterwegs, bei der digital vor allem tagsüber die Menschen emotional Arbeit oder zu Hause. Hinzu kommt, dass diese anspricht, am Morgen und Abend sinkt die emotio- Ansprache im Radio dann erfolgen kann, wenn – nale Bindung spürbar. Gedruckte Printprodukte zei- im Gegensatz zu anderen Medien – auch die Reich- gen hingegen ein deutlich höheres Niveau und kön- weiten sehr hoch sind. Die positive Grundstimmung beim Hören von Audio Media Perspektiven 647 12/2020

Abbildung 10 Brutto-Werbeinvestitionen 2019 in Radio und TV im Tagesverlauf in Mio Euro

7 672

Spendings Audio analog Spendings Video analog

3 779

1 727 953 916 693 612 648 487 235 345 15 201 10 9:00 Uhr 14:00 Uhr 24:00 Uhr und 12:00 Uhr und 17:00 Uhr und 20:00 Uhr nachts zwischen nachts 0:00 und 6:00 Uhr vormittags vormittags zwischen 9:00 Vorabend Vorabend 17:00 zwischen abends abends 20:00 zwischen und morgens zwischen 6:00 und zwischen morgens mittags mittags zwischen 12:00 und nachmittags nachmittags zwischen 14:00

Quelle: RMS/Nielsen Werbestatistik.

Interessanterweise spiegelt die aktuelle Verteilung Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Audiomedien in Audiomedien werden der Werbeinvestitionen im Tagesverlauf dieses Phä- der positivsten emotionalen Grundstimmung gehört in positivster nomen nur bedingt wider (vgl. Abbildung 10). Im werden und ihre Hörerinnen und Hörer am stärksten Grundstimmung Laufe des Tages nehmen die Werbevolumina bei emotional erreichen. Wenn Menschen Audio hören, gehört Radio ab, obwohl, wie gezeigt, auch außerhalb von dann erfolgt dies, um bewusst in eine positive Grund- Prime- und Drivetime attraktive Voraussetzungen für stimmung zu kommen oder diese zu erhalten. Dies www.audioeffekt.dedie Wahrnehmung von Werbebotschaften gegeben resultiert in einem überdurchschnittlich hohen Ver- 10 sind. Bei TV wird besonders viel Werbegeld in der trauen, das die Menschen Audio entgegenbringen. abendlichen Primetime investiert, wenn die Reich- So ist es auch wenig verwunderlich, dass Audio und weite zwar sehr hoch, aber die emotionale Grund- insbesondere Radio ein unverzichtbarer Begleiter im wahrnehmung des Mediums am geringsten ist. Auch Alltag vieler Menschen sind. Besonders hervorge­ hier steckt noch Vermarktungspotenzial für Radio. hoben werden muss, dass die positive emotionale Grundstimmung bei der Nutzung im gesamten Tages­ Fazit verlauf gleichbleibend hoch ist. Damit bietet Radio Emotional Branding Die vorgestellte Studie beantwortet die Hauptfrage, auch ganztägig beste Wirkungsvoraussetzungen für Monitor (EBM) was Menschen emotional mit den verschiedenen eine positive Wahrnehmung dort platzierter Werbung. erstmals für Mediengattungen verbinden und welchen Einfluss Bewertung von dies auf die Mediennutzung hat. Da die emotionale Radio ist vor allem ein Medium, das bei der Arbeit, Mediengattungen Wahrnehmung unbewusst abläuft, wurde hierfür ein zur Information und zur Entspannung genutzt wird. eingesetzt implizites Messverfahren eingesetzt. Der Emotional Durch die positive emotionale Assoziation und Grund- Branding Monitor (EBM) des Marktforschungsinstituts stimmung, die sie erzeugen, schaffen Audiomedien interrogare wurde dazu erstmalig für die Bewertung eine Wohlfühlatmosphäre in entspannten Lebens- von Mediengattungen eingesetzt und in eine Online- situationen und vermitteln Lebensfreude. befragung mit knapp 4 600 Interviews integriert. Zusätzlich wurde die Mediennutzung der Befragten Abschließend lässt sich festhalten, dass die Men- Audio bleibt ein dokumentiert. Die quantitativen Erkenntnisse wur- schen Audio vertrauen, sie wollen nicht darauf ver- Massenphänomen den in einem multi-modalem Ansatz mit qualitativen zichten. Sie sind positiv gestimmt, wenn sie Audio- Einzelinterviews vertieft. medien konsumieren, oder werden dadurch positiv Alexander Bohn/Uwe Domke/Jan Isenbart Media 648 Perspektiven 12/2020

gestimmt. Mit diesen Eigenschaften und dem her- Princeton University, Department of Psychology, Princeton, ausragenden Stellenwert bei seinen Nutzern wird NJ. 2002, S. 453 ff.; https://www.nobelprize.org/uploads/ 2018/06/kahnemann-lecture.pdf (abgerufen am Audio auch in absehbarer Zukunft ein Massenphä- 10.8.2020). nomen bleiben – und damit auch ein attraktiver 7) Vgl. Esch, Franz-Rudolf/Thorsten Möll: Marken im Gehirn = Werbeträger für die Werbewirtschaft. Emotion pur. Konsequenzen für die Markenführung. In: Esch, Franz-Rudolf/Wolfgang Armbrecht (Hrsg.): Best Practice der Markenführung. Wiesbaden 2009. 8) Vgl. Kahneman (Anm. 5). Anmerkungen: 9) Vgl. Blumler, Jay G./Elihu Katz (Hrsg.): The Uses of Mass Comunications: Current Perspectives on Gratifications 1) Quelle: agma 2020 (ma 2020 Audio II, WHK und Ver­ Research. Beverly Hills 1974. weildauer Audio Total). agma Arbeitsgemeinschaft 10) Vgl. u.a. McQuail, Denis: Mass Communication: Media-­Analyse e.V.: ma 2020 Audio II: Hohe Nutzung An Introduction. 3. Auflage. London 1994. auch ohne Corona-Effekt. Presseinformation; https:// 11) Vgl. Panksepp/Biven (Anm. 5). www.agma-mmc.de/fileadmin/user_upload/ 12) Im Folgenden wird für die bessere Lesbarkeit aus- Pressemitteilungen/2020/PM_ma_2020_Audio_II.pdf schließlich die männliche Form verwendet. Es sind damit (abgerufen am 10.8.2020). Personen jeden Geschlechts gemeint. 2) Vgl. zur ARD/ZDF-Studie Massenkommunikation 2020 13) Vgl. agma (Anm. 1). den Beitrag von Christian Breunig, Marlene Handel und 14) Vgl. u.a. EBU Media Intelligence Service: Market Insights. Trust in Media 2020. Update June 2020; https://www. Bernhard Kessler in diesem Heft; außerdem: Domenichini, ebu.ch/files/live/sites/ebu/files/Publications/MIS/open/ Bernard: Radio, Musik und Podcasts im digitalen Trans- Trust_in_Media_2020/EBU-MIS-Trust_in_Media_2020.pdf formationsprozess. Audioversum-Studie 2020. In: Media (abgerufen am 28.9.2020). Perspektiven 2/2020, S. 53-61. 15) Vgl. Spitzer, Oliver/Uwe Domke: Radio trifft den Sehnerv. 3) Vgl. www.audioeffekt.de, die gemeinsam betriebene In: Markenartikel 5/2018, S. 70-74 sowie BBC Radio 4: Wirkungsplattform von ARD-Werbung und RMS. 16-24 year olds are the loneliest age group according 4) Vgl. Domke, W.: „Radio macht glücklich“: Intermediale to new BBC Radio 4 survey. Results of the Loneliness Wirkungsanalyse zum emotionalen und werb­lichen Experiment, 2018; https://www.bbc.co.uk/mediacentre/ ­Potential des Radios. Ergebnisbericht erstellt für AS&S, latestnews/2018/loneliest-age-group-radio-4 (abgerufen RMS & RADIO ZENTRALE. Online unter: https://kipdf.com/ am 12.10.2020) sowie Ebel, Theresa: AUDIO 2018 – RMS radio-macht-glcklich_5ad­10ac37f8b9a442f8b45f3.html on Tour, Statement Theresa Ebel, september Strategie & (abgerufen am 12.10.2020). Forschung, 2017; https://www.youtube.com/watch?v= 5) Vgl. Kahneman, Daniel: Schnelles Denken, langsames PDQ7OIDSyoc&t=7s (abgerufen am 12.10.2020) sowie Denken. München 2016; sowie Panksepp, Jaak/Lucy Domke, Uwe: „Radio macht glücklich“: Intermediale Wir- Biven: The Archaeology of Mind. Neuroevolutionary Origins kungsanalyse zum emotionalen und werblichen Potential of Human Emotions. 2012. des Radios. Ergebnisbericht erstellt für AS&S, RMS & 6) Vgl. Kahneman (Anm. 5), S. 470; vgl. auch Kahneman, Radiozentrale; https://kipdf.com/radio-macht-glcklich_ Daniel: Maps of Bounded Rationality: A Perspective on 5ad10ac37f8b9a442f8b45f3.html (abgerufen am Intuitive Judgment and Choice. Nobel Prize Lecture. 12.10.2020).