DÖW DOKUMENTATIONSARCHIV DES ÖSTERREICHISCHEN WIDERSTANDES

FOLGE 211 Mitteilungen JUNI 2013 1963–2013: 50 JAHRE DÖW

2013 kann das DÖW auf sein 50-jähriges Bestehen zurückblicken. Im Lauf dieses halben Jahrhunderts hat sich das 1963 von Wider- standskämpferInnen und Verfolgten gemeinsam mit Wissenschaftlern gegründete Dokumentationsarchiv zu einer international angese- henen Forschungseinrichtung entwickelt: Das DÖW war an der Durchsetzung eines breit gefassten Widerstandsbegriffs ebenso wie an der Etablierung von Forschungsfeldern in der österreichischen Zeitgeschichtsforschung – wie NS-Medizinverbrechen, NS- und Nach- kriegsjustiz, Restitution – entscheidend mitbeteiligt und hat sich darüber hinaus nie gescheut, demokratiepolitische Verantwortung zu übernehmen – etwa in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Strömungen in Österreich. Das runde Jubiläum war Anlass einer Festveranstaltung im Rahmen der Wiener Vorlesungen am 25. April 2013 im Wiener Rathaus: Brigitte Bailer, wissenschaftliche Leiterin des DÖW, gab einen Überblick über die Widerstands- und Nationalsozialismusforschung im DÖW. Als Festredner sprach der deutsche Historiker Hans Mommsen über Hitlers Stellung im NS-Herrschaftssystem und den Mythos der „Volksgemeinschaft“. Auch die neue Publikation des DÖW Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus (Jahrbuch 2013) the- matisiert im ersten Teil Entstehung und Entwicklung des DÖW und ist dem Mitbegründer und langjährigen wissenschaftlichen Leiter des DÖW Herbert Steiner (1923–2001) gewidmet. Sie enthält einen Rückblick auf die letzten 50 Jahre, einen Beitrag über Herbert Steiner und eine Bilanz über das erste große Datenbankprojekt des DÖW, die „Namentliche Erfassung der österreichischen Holo- caustopfer“. Ebenfalls veröffentlicht sind in diesem Band alle Beiträge zum Projekt „Namentliche Erfassung der österreichischen Op- fer politischer Verfolgung 1938–1945“, das vom DÖW und dem Karl von Vogelsang-Institut zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich durchgeführt wurde. Die Projektergebnisse wurden ebenso wie die neu gestaltete Website des DÖW im Rahmen einer Pressekonferenz am 6. März 2013 im Veranstaltungszentrum des DÖW vorgestellt (siehe S. 5).

Nachfolgend ein Auszug aus Brigitte Bailers Resümee über 50 Jahre DÖW (aus der Publikation „Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus“).

Ein halbes Jahrhundert Bestandsjubiläum schen Widerstand in dem im äußeren Jedlicka, obwohl selbst ehemaliger Natio- ist immer auch Anlass für einen Rück- Burgtor eingerichteten Weiheraum. nalsozialist, junge kritische Wissenschaf- blick: mit Freude und auch Stolz über das Gleichfalls 1965 wurde an der Universität terInnen förderte. Das Tauwetter des Kal- in diesem Zeitraum Erreichte und mit Wien das Institut für Zeitgeschichte einge- ten Kriegs ermöglichte innenpolitisch eine Dankbarkeit für alle jene, ohne deren En- richtet, dessen erster Vorstand Ludwig erste Wiederannäherung der drei politi- gagement und Arbeit dies nicht möglich gewesen wäre, insbesondere Herbert Steiner und die Generation der Wider- OPFERSCHICKSALE standskämpferInnen und Verfolgten, die Widerstand und Verfolgung im den Aufbau des DÖW mit ihm unternom- Nationalsozialismus men haben. 50 Jahre Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Forschungsarbeit Jahrbuch 2013 Die Gründung des DÖW 1963 fiel in ein Jahrzehnt des Aufbruchs und des Endes Hrsg. v. Dokumentationsarchiv des der Nachkriegszeit. In die 1960er-Jahre österreichischen Widerstandes fielen der letzte Höhepunkt des davor er- starkten Rechtsextremismus, Großde- Redaktion: Christine Schindler monstrationen gegen den antisemitischen Professor der Hochschule für Welthandel Wien 2013, 378 Seiten Taras Borodajkewycz, und im selben Jahr, EUR 19,50 1965, eine erste sichtbare Würdigung der Republik Österreich für den österreichi- ISBN 978-3-901142-63-5 2 Mitteilungen 211

schen Opferverbände unter Einschluss des der KPÖ nahestehenden KZ-Verbandes. Aus den Grußworten Hatten die Verbände bereits in Entschädi- gungsfragen 1959 zusammengearbeitet, Bundespräsident Dr. waren sie nun auch gemeinsam im Vor- stand des neuen DÖW vertreten. 1968 „Aus einer kleinen und anfangs wenig beachteten Initiative wurde eine staatspoli- schlossen sie sich schließlich zur „Ar- tisch bedeutsame Institution, die längst große Anerkennung genießt. Ohne die beitsgemeinschaft der KZ-Verbände und Forschungstätigkeit des DÖW wären viele Erkenntnisse zu den NS-Verbrechen, die Widerstandskämpfer Österreichs“1 zu- heute zum Allgemeinwissen gehören, nicht aufgefunden und verbreitet worden. sammen, die im selben Jahr die Gedenk- Für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes gab es nie den in stätte für die Opfer des österreichischen der Nachkriegsdiskussion ebenso wie heute manchmal konstruierten Gegensatz Freiheitskampfes (heute: Gedenkstätte für zwischen der Würdigung von Widerstand gegen das Hitler-Regime und dem die Opfer der ) in der Salztorgas- Gedenken an die Zigtausenden von Opfern der Verfolgung und des Terrors. Die se 6 errichtete, die seither vom DÖW be- Selbstverständlichkeit, dass beides zu würdigen ist und aller Opfer zu gedenken ist, treut wird. war eine der wichtigsten Leistungen des DÖW.“ Zur neu etablierten Zeitgeschichtsfor- schung trug das DÖW bereits ab 1965 mit der Publikationsreihe Monographien zur Bundeskanzler Zeitgeschichte2 wesentlich bei. Neben ei- ner Reihe von Arbeiten zu verschiedenen „Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ist mehr als ein Ort der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime und dem Widerstand gegen den NS-Terror. Es ist ein lebendiger Ort 1 Anfang 2013 wurde folgende neue Bezeichnung beschlossen: „Arbeitsgemeinschaft der NS-Op- der Erinnerung an die österreichischen Opfer des Nazi-Regimes. […] fer-Verbände (‚Bundesverband österreichischer Von demokratiepolitischer Bedeutung sind auch die Analysen des DÖW gegenüber AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen den rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Tendenzen der Gegenwart. und Opfer des Faschismus [KZ-Verband/VdA]‘, Hier leistet das DÖW wesentliche demokratiepolitische Arbeit. ‚ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten Das Dokumentationsarchiv ist nicht immer bequem, es spricht auch unangenehme und Bekenner Österreichs‘, ‚Bund sozialdemo- kratischer Freiheitskämpfer/innen, Opfer des Fa- Wahrheiten aus – und auch gerade darin liegt seine Relevanz.“ schismus und aktiver Antifaschist/inn/en‘)“, Kurzbezeichnung: „ARGE Verbände der NS- Opfer“. 2 Eine Auflistung der Publikationsreihe findet sich in dem Beitrag: Vom DÖW herausgegebene bzw. bearbeitete Publikationen, zusammenge- stellt von Herbert Exenberger, in: Dokumen- tationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.), 40 Jahre Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes 1963–2003, Wien 2003, S. 78 f.

Festredner Hans Mommsen wurde im April 2013 für sein Lebenswerk mit dem Victor-Adler-Staatspreis der Republik Österreich ausgezeichnet.

Außenminister Dr.

„Seit seiner Gründung 1963 als eine überparteiliche Einrichtung trägt das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) maßgeblich zur Erforschung der Geschichte von Widerstand und Verfolgung wie auch zur Ver- mittlung der Forschungsergebnisse insbesondere in der Schul- und Erwachsenenbildung und an Universitäten bei. Es steht damit beispielgebend für Rudolf Edlinger, Präsident des DÖW, den Umgang des heutigen Österreichs mit seiner Identität und Geschichte, die uns freute sich über die zahlreichen Gäste. vor dem Hintergrund der Erfahrung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine besondere Verantwortung auferlegt.“ Juni 2013 3

Aspekten des Widerstandes gegen das Bürgermeister Dr. Michael Häupl NS-Regime wurde in dieser Reihe von Jonny Moser erstmals ein Überblick über „Die sogenannte ‚Opferthese‘ – deren Aussage es war, dass die Österreicherinnen die Verfolgung der österreichischen Jüdin- und Österreicher Opfer und nicht Täter waren –, der eine mittlerweile umfangreiche nen und Juden gegeben, weitere Publika- historische Forschung massiv widerspricht, wurde erst langsam Ende der 70er-Jahre tionen befassten sich unter anderem mit zurückgedrängt. Lange Zeit war das Dokumentationsarchiv des österreichischen dem Vernichtungslager Auschwitz und Widerstandes eine der ganz wenigen wissenschaftlichen Instanzen in Österreich, die den durch den Nationalsozialismus ausge- sich gleichermaßen konsequent und fundiert mit der NS-Herrschaft in Österreich, löschten jüdischen Gemeinden.3 Selma mit den Opfern, den Tätern und dem Widerstand gegen das NS-Regime auseinander- Steinmetz, selbst im französischen Wider- setzten.“ stand aktiv gewesen und erste Bibliothe- karin des DÖW, verfasste eine erste Arbeit zur Verfolgung der Roma und Sinti in Ös- Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll terreich4 – ein Thema, über das in jenen Jahren noch kaum jemand sprach.5 Mit „Tausende sind bereit gewesen, nicht in den dicht geschlossenen Reihen mitzumar- dieser Reihe leistete das noch junge DÖW schieren, ihre Augen, Ohren und Herzen nicht zu verschließen, für ein freies und un- in jenen Jahren wissenschaftliche Pionier- abhängiges Österreich einzutreten, Widerstand zu leisten und dafür nur allzu oft mit arbeit in der Aufarbeitung von Widerstand ihrem Leben zu bezahlen. und Verfolgung in der NS-Zeit und etab- Ihr Andenken zu ehren ist das Verdienst des Dokumentationsarchivs des österreichi- lierte sich als wesentlicher außeruniversi- schen Widerstandes, das seit nunmehr 50 Jahren nicht nur über die Verbrechen des tärer Faktor der noch jungen österreichi- Nationalsozialismus informiert, sondern auch das Schicksal all jener Unbeugsamen schen Zeitgeschichtsforschung, wobei präsent hält, das sonst der Vergessenheit anheimgefallen wäre. Wir dürfen aber nie- stets auch die Kooperation mit der univer- mals vergessen, wenn es uns ernst damit ist, die Grundwerte menschlichen sitären Wissenschaft gepflogen wurde. Zusammenlebens hochzuhalten.“ Die Vorreiterrolle behielt das DÖW auch in späteren Jahren bei. Vor allem Mitar- beiter und Mitarbeiterinnen des DÖW leisteten einen wesentlichen Teil bei der Etablierung neuer Forschungsthemen, wie NS-Medizinverbrechen, justizielle Aufar- beitung der NS-Verbrechen nach 1945 oder Entschädigung und Rückstellung für NS-Opfer. Nicht zuletzt publizierte das DÖW 1979 die erste wissenschaftliche Publikation zum Themenkreis des Rechts- extremismus. Das Forschungsfeld zum Holocaust in Österreich wurde deutlich ausgebaut, als auf Anregung der israelischen Gedenk- stätte Yad Vashem das DÖW vom Bun- Festveranstaltung 50 Jahre DÖW desministerium für Wissenschaft und For- schung mit der namentlichen Erfassung Oben: Brigitte Bailer (wissenschaftliche Leiterin des DÖW), Hubert Christian Ehalt der österreichischen Holocaustopfer be- (Wiener Vorlesungen) und Hans Mommsen beantworteten abschließend Fragen aus dem Publikum. auftragt wurde. 2001 konnten nach mehr- jähriger Forschungsarbeit rund 62.000 Unten: Blick ins Publikum Namen veröffentlicht werden, seither

3 Jonny Moser, Die Judenverfolgung in Österreich 1938–1945, Wien u. a. 1966; Ella Lingens, Eine Frau im Konzentrationslager, Wien u. a. 1966; Hermann Langbein, Auschwitz und die junge Generation, Wien u. a. 1967; Alexander Charim, Die toten Gemeinden, Wien u. a. 1966. 4 Selma Steinmetz, Österreichs Zigeuner im NS- Staat, Wien u. a. 1967. 5 Nur der KZ-Verband und die sozialistische Abgeordnete und nimmermüde Kämpferin für die Anliegen der NS-Opfer Rosa Jochmann hat- ten sich der Anliegen der verfolgten „Zigeuner“, wie es damals hieß, angenommen: Brigitte Bailer, Wiedergutmachung kein Thema. Öster- reich und die Opfer des Nationalsozialismus, Wien 1993, S. 179 f.; Rosa Jochmann in der 89. Sitzung des Nationalrats, VII. GP., Steno- graphisches Protokoll, S. 4286. 4 Mitteilungen 211

standsdefinition ist sehr weit gefasst und berücksichtigte schon in den 1970er-Jah- ren neben dem organisierten politischen Widerstand auch andere Formen wider- ständigen und oppositionellen Verhaltens – von der Hilfe für Verfolgte bis hin zu Verstößen gegen die Rundfunkverord- nung, das Heimtückegesetz oder Formen des militärischen Widerstandes von Wehr- kraftzersetzung bis hin zu Fahnenflucht. Damit fasste das DÖW die Begriffe Wi- derstand und politische Verfolgung deut- lich weiter als der Gesetzgeber in den Be- stimmungen beispielsweise des Opferfür- sorgegesetzes, ging aber auch weit über das gesellschaftliche Bewusstsein hinaus, auch hinsichtlich des lange besonders um- strittenen militärischen Widerstandes. Dieser Widerstandsbegriff bzw. diese De- finition der politischen Verfolgung liegt Oben: Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny würdigte insbesondere die auch dem nach mehrjähriger Forschungs- demokratiepolitischen Verdienste des DÖW. arbeit abgeschlossenen, in Kooperation Unten: Ausklang der Veranstaltung bei einem Empfang des Wiener Bürgermeisters mit dem Karl von Vogelsang-Institut Michael Häupl durchgeführten Projekt zur Namentlichen Erfassung der österreichischen Opfer po- litischer Verfolgung zugrunde. In der dazu erstellten Datenbank sind sowohl Wider- standskämpfer und Widerstandskämpfe- rinnen, aufgrund ihrer politischen oder re- ligiösen Überzeugung Verfolgte als auch jene Menschen zu verstehen, deren Ver- halten den Vorstellungen der Nationalso- zialisten widersprach und die deshalb vom NS-Verfolgungsapparat erfasst wurden. Die Namen von rund 8000 Männern und Frauen stehen ab sofort auf der Website des DÖW allen Interessierten für eigene Nachforschungen zur Verfügung. Zu diesen Namen finden sich weiterfüh- rende Informationen zu den Terrorinstru- menten des Nationalsozialismus wie Gestapo, Konzentrationslager und Justiz. Weitere Beiträge widmen sich dem öster- reichischen Widerstand gegen das NS-Re- gime, dem Begriff politische Verfolgung wurden mehr als 1000 zusätzliche Namen Bundesländern6 setzte das DÖW maßgeb- und dem Schicksal der Verfolgten nach festgestellt, sodass derzeit auf der Website liche Impulse für die österreichische der Befreiung 1945. Alle diese Beiträge des DÖW Namen und Todesorte von Widerstandsforschung. Die auf den Linzer sind auch in der vorliegenden Publikation 63.200 als Juden verfolgten Österreichern Historiker Karl R. Stadler zurückgehende abgedruckt. Da es aufgrund nicht mehr und Österreicherinnen abgerufen werden und in diesen Bänden angewandte Wider- oder nur schwer allgemein erfassbarer können. Zusätzlich wurde der historische Quellen bislang nicht möglich war, auch Hintergrund zu den Deportationszielen – die Opfer der Militärjustiz vollständig zu von den Ghettos im Generalgouvernement 6 Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945, erfassen, muss die Gesamtzahl auf mehr bis hin zu Todesstätten wie Auschwitz 3 Bde., Wien 1975, 2. Aufl., Wien 1984; als 9.500 geschätzt werden. Widerstand und Verfolgung im Burgenland oder Maly Trostinec – erfasst und auf der 1934–1945, Wien 1979, 2. Aufl., Wien 1983; Es wird sicherlich auch diese Datenbank Website publiziert. Diese Datenbank wird Widerstand und Verfolgung in Oberösterreich so wie bisher jene zu den österreichischen von internationalen Gedenkstätten wie 1934–1945, 2 Bde., Wien– 1982; Wider- Holocaustopfern im Laufe der nächsten Yad Vashem in Jerusalem oder dem Ort stand und Verfolgung in Tirol 1934–1945, Monate und Jahre noch aufgrund neuer der Information beim Denkmal für die er- 2 Bde., Wien 1984; Widerstand und Verfolgung Dokumente oder Hinweise von Nachkom- in Niederösterreich 1934–1945, 3 Bde., Wien mordeten Juden Europas in Berlin über- 1987; Widerstand und Verfolgung in men bzw. FreundInnen der Opfer oder von nommen. 1934–1945, 2 Bde., Wien–Salzburg 1991. Der- anderen ForscherInnen ergänzt werden Mit der 1975 begonnenen Reihe zu Wider- zeit wird eine entsprechende Publikation zur können. stand und Verfolgung in österreichischen Steiermark vorbereitet. Juni 2013 5 Die österreichischen Opfer politischer Verfolgung im Nationalsozialismus Neue Opferdatenbank | Relaunch der Website www.doew.at

zu bieten, wurde gemeinsam mit der New- Media-Agentur BRAINTRUST eine neue userfreundliche Website konzipiert, die ebenfalls seit März 2013 online ist. Hier nimmt die Opfersuche eine zentrale Stel- lung ein und ist als virtueller Gedenkort für die Opfer des NS-Regimes konzipiert: in insgesamt drei miteinander vernetzten Datenbanken können jetzt Informationen zu den Schicksalen von über 70.000 NS- Todesopfern (Shoah-Opfer, Opfer politi- scher Verfolgung) und rund 4600 von der Gestapo Wien erkennungsdienstlich er- fassten Frauen und Männern abgefragt Pressekonferenz im Veranstaltungszentrum des DÖW, 6. März 2013 werden. Ein schneller Sucheinstieg in die- se Personendatenbanken ist schon in die (V. l. n. r.) Brigitte Bailer (wissenschaftliche Leiterin des DÖW), Thomas Stern (Braintrust), Gerhard Ungar (DÖW), Helmut Wohnout (Geschäftsführer des Karl von Vogelsang-Instituts Startseite integriert. zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokratie in Österreich – KvVI) und Johannes Schönner (stv. Geschäftsführer des KvVI) stellten die neue Opferdatenbank und Die Erinnerung an WiderstandskämpferIn- die einem Relaunch unterzogene Website des DÖW vor. nen und Verfolgte im gesellschaftlichen Geschichtsbewusstsein nachhaltig zu ver- Foto: Walter Filip, Wien ankern war neben der wichtigen Gewin- nung von empirischen Daten von Anbe- Mindestens 110.000 ÖsterreicherInnen waren, muss selbstverständlich viel höher ginn an ein Grundanliegen des DÖW. fielen der Verfolgung durch das national- angenommen werden. Ungefähr 100.000 Durch die im Rahmen der neuen Website sozialistische Regime zum Opfer – sie Personen wurden etwa aus dem einen oder mögliche Verknüpfung der biographischen wurden als Jüdinnen und Juden, als Roma anderen Grund von der Gestapo erfasst. Eckdaten mit weiteren Beiträgen, Bildern und Sinti oder aufgrund ihrer geistigen Und manchen gelang es, den Verfolgern und Dokumenten, die jetzt sukzessive er- oder körperlichen Behinderungen ermor- zu entkommen oder gar nicht in deren Fo- folgt, werden auch die Menschen hinter det, sie starben wegen ihrer Widerstands- kus zu geraten. den Daten und ihre individuellen Schick- aktivitäten oder weil sie den Normen des Um einen möglichst leichten und barriere- sale sicht- und greifbarer. NS-Staates nicht entsprachen. freien Zugang zu diesem Wissensspeicher Schon bisher konnten die biographischen Daten von über 63.200 österreichischen Opfern der Shoah auf der Website des Der erste Dachau-Transport aus Wien, 1. April 1938 DÖW abgefragt werden. Seit März 2013 sind hier auch die Ergebnisse des Projekts Namentliche Erforschung der Opfer poli- tischer Verfolgung 1938–1945 – eines Ko- operationsprojekts des DÖW und des Karl von Vogelsang-Instituts zur Erforschung der Geschichte der christlichen Demokra- tie in Österreich – veröffentlicht. Die neue Datenbank enthält Namen und Todesorte von rund 8000 Männern und Frauen. Die Mehrheit dieser Menschen, knapp über 4300, wurde in Konzentrationslagern er- mordet oder fiel den Haftbedingungen (V. l n. r.) Oberst Franz Zelburg, Karl Maria Stepan und im KZ Dachau, 1939/40 zum Opfer, rund 2150 wurden von der NS-Justiz zum Tode verurteilt und hinge- Mehr als 7800 Österreicher wurden 1938 in das KZ Dachau eingewiesen. Der erste richtet oder starben in der Haft in einer Transport traf bereits drei Wochen nach dem „“ 1938, am 2. April 1938, in Justizanstalt. Für 687 konnte kein genauer Dachau ein: Die Häftlinge waren mehrheitlich Repräsentanten des „Ständestaats“ (poli- Todesort festgestellt werden. Mit den Er- tische Funktionäre, Polizei- und Justizfunktionäre) und Juden, aber auch Sozialisten und gebnissen dieses Projekts legt das DÖW Kommunisten. erstmals auf konkreter empirischer For- Die Zusammenstellung bietet Dokumente, Bilder und biographische Angaben zu allen schung beruhende Angaben zur Zahl der Häftlingen des sogenannten „Prominententransports“. Opfer politischer Verfolgung vor. Die Ge- samtzahl all jener, die im Widerstand aktiv www.doew.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1938-1945 6 Mitteilungen 211

WIR GRATULIEREN Barry McLoughlin / Josef Vogl

„... Ein Paragraf wird sich finden“ Sektionschef i. R. Dr. Wilhelm Grimburg feierte am 14. März seinen 90. Geburtstag. Gedenkbuch der österreichischen Der Widerstandskämpfer gegen den Na- Stalin-Opfer (bis 1945) tionalsozialismus ist Gründungsmitglied des DÖW und gehört seit 1963 dem Vor- Wien: Dokumentationsarchiv des stand an. Er hat maßgeblich zur Gründung österreichischen Widerstandes 2013 der Stiftung DÖW 1983 beigetragen. 622 Seiten, EUR 24,50 DÖW-Vorstandsmitglied OSR Dr. Kurt Scholz erhielt das Große Goldene Ehren- ISBN 978-3-901142-62-8 zeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

Obersenatsrat Univ.-Prof. Dr. Hubert Christian Ehalt, Mitglied des DÖW-Vor- stands, wurde zum Ehrenmitglied der Mittwoch, 19. Juni 2013: Pressekonferenz und Buchpräsentation Akademie der Wissenschaften ernannt. 10.00 Uhr Pressekonferenz Der Ehrenpräsident der Israelitischen Kul- Veranstaltungsraum Ausstellung Dokumentationsarchiv, tusgemeinde Wien, DÖW-Vorstandsmit- Altes Rathaus, Wipplingerstraße 6–8, 1010 Wien glied Dr. Ariel Muzicant, erhält im Juni (Eingang im Hof) 2013 die Joseph-Samuel-Bloch-Medaille der Aktion gegen den Antisemitismus in 18.30 Uhr Buchpräsentation Österreich. Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, Währinger Straße 29, 1090 Wien Friedrich Zawrel, Überlebender der Ju- gendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ Ein ausführlicher Beitrag zur Publikation wird in den nächsten Mitteilungen erscheinen. und Zeitzeuge, wurde mit dem Goldenen Weitere Informationen: Dr. Josef Vogl, T 22 89 469–312 | e-mail: [email protected] Ehrenzeichen für Verdienste um die Re- publik Österreich ausgezeichnet. Leopold Engleitner (1905–2013) Sr. Maria Restituta (1894–1943) Leopold Engleitner, Österreichs ältester KZ-Überlebender, starb am 21. April 2013 im 108. Lebensjahr.

Vor 70 Jahren, am 30. März 1943, wurde Leopold Engleitner wurde am 23. Juli 1905 in Aigen-Voglhub () gebo- Schwester Maria Restituta (Helene Kafka) ren. Seine Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas ab Anfang der 1930er-Jahre führte im Landesgericht Wien hingerichtet. Sie noch im „Ständestaat“ 1934–1938 zu kurzzeitigen Festnahmen. (Schon unter der Regie- hatte von zwei Flugblättern – darunter ein rung Schuschnigg wurde die Glaubensgemeinschaft durch Bescheid des Sicherheits- proösterreichisches „Soldatenlied“ – eine direktors von Wien vom 17. Juni 1935 und endgültig mit Beschluss des Bundesgerichts- Abschrift herstellen lassen, wurde denun- hofs vom 7. Februar 1936 verboten.) Nach dem „Anschluss“ 1938 setzten die Unterdrü- ziert und am 29. Oktober 1942 wegen ckungsmaßnahmen des NS-Regimes gegen die Zeugen Jehovas – vor allem wegen de- „landesverräterischer Feindbegünstigung ren Ablehnung von Kriegsdienst und Rüstungsarbeit – bald in voller Härte ein. Schon und Vorbereitung zum Hochverrat“ vom die bloße Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas wurde als „Teilnahme an einer wehr- Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. feindlichen Verbindung“ geahndet. Sr. Maria Restituta wurde 1998 seligge- Im April 1939 wurde Engleitner gemeinsam mit mehreren GlaubensgenossInnen in sprochen. Im März 2013 wurde eine Re- Kreutern bei festgenommen und an die Gestapo Linz überstellt. Von Oktober liquie von ihr in die römische Basilika San 1939 bis Juli 1943 war er in den KZ Buchenwald, Niederhagen (Wewelsburg bei Pa- Bartolomeo – die Gedenkstätte der „Neu- derborn) und Ravensbrück in Haft. Als Engleitner Mitte April 1945 den Einberu- en Märtyrer“ und Glaubenszeugen des fungsbefehl zur Deutschen Wehrmacht erhielt, flüchtete er im Salzkammergut in die 20. und 21. Jahrhunderts – übertragen. Als Wälder und hielt sich bis Kriegsende 1945 versteckt. Reliquie wurde das Kreuz eines von Maria Der Autor Bernhard Rammerstorfer hat Engleitners Biographie in der Publikation Restituta am Gürtel des Ordenshabits ge- Ungebrochener Wille. Der außergewöhnliche Mut eines einfachen Mannes – Leopold tragenen Rosenkranzes gewählt. Engleitner, geb. 1905 aufgearbeitet. Bis 2009 konnte Leopold Engleitner als Zeitzeuge Dokumente zu Sr. Maria Restituta auf der Vortragsreisen durch die USAund Europa unternehmen. Noch im November 2012 reiste DÖW-Website: www.doew.at/erinnern/ der damals 107-Jährige zur USA-Premiere des englischen Dokumentarfilms Ladder in biographien/spurensuche. the Lions’ Den (Leiter in der Löwengrube), in dem er über sein Leben erzählt. Juni 2013 7 Rosa Breuer-Grossmann Ceija Stojka (1920–2013) (1933–2013)

Die Widerstandskämpferin Rosa Breuer-Grossmann, ehe- Am 28. Jänner 2013 starb Ceija Stojka, Überlebende mehre- malige Chefredakteurin der Stimme der Frau, starb am rer KZ und engagierte Zeitzeugin, im 80. Lebensjahr. 26. Jänner 2013 im Alter von 93 Jahren. „Ich muss davon berichten, wie die Rom gelebt haben und wie Am 7. 1. 1920 als Kind einer Arbeiterfamilie geboren, wuchs sie leben, und was ihnen geschehen ist.“ Rosa Breuer-Grossmann in der Rosenhügelsiedlung in Wien- Meidling auf. Der Vater engagierte sich ab Ende der 1920er- Ceija Stojka wurde am 23. Mai 1933 in der Steiermark geboren. Jahre in der KPÖ, auch Rosa Breuer-Grossmann und ihre Zwil- Die Familie zog 1939 – bereits geschmäht und verfolgt – nach lingsschwester Elisabeth waren im Kommunistischen Jugend- Wien, Vater Wakar wurde 1941 in ein KZ eingewiesen und er- verband aktiv. Rosa Breuer-Grossmann war deshalb noch als mordet, Mutter Sidonie und die Kinder Mitzi, Kathi, Hansi, Minderjährige 1934–1936 einige Monate in Haft. Karli, Ceija und Ossi wurden 1943 nach Auschwitz-Birkenau Wegen Kontakten zu dem aus der Sowjetunion kommenden deportiert, wo Ossi starb. Ceija überlebte Auschwitz, Ravens- Fallschirmspringer und KPÖ-Funktionär Gregor Kersche wur- brück und Bergen-Belsen, wo sie befreit wurde – fast alle Mit- den Rosa Breuer-Grossmann – zu diesem Zeitpunkt Mutter eines glieder ihrer Großfamilie waren ermordet worden. Insgesamt zweijährigen Mädchens und bereits verwitwet – und ihre Eltern wurden rund 9500 österreichische Roma und Sinti (von 11.000 im Oktober 1943 festgenommen. Rosa Breuer-Grossmann wur- bis 12.000) von den Nationalsozialisten umgebracht. de im Zuge des Verhörs in der Gestapo-Leitstelle Wien schwer 1988 veröffentlichte Ceija ihre Autobiographie Wir leben im misshandelt: Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin. In Reisende auf dieser Welt. Aus dem Leben einer Rom-Zigeunerin (1992) er- „Als Brödl des Schlagens müde wurde, gab er den Stock die- zählte sie von dem Leben nach ihrer Befreiung und ihrer Be- sem jungen Gestapobeamten, aber nach kurzer Zeit verlangte ziehung zur Musik. 2005 berichtete sie in Träume ich, dass ich Brödl von ihm den Stock zurück, mit dem Bemerken: ‚Das lebe? Befreit aus Bergen-Belsen (wie die vorangegangenen Bü- ist ja nichts‘ und schlug mich wie ein Wahnsinniger weiter. cher herausgegeben von Karin Berger) über die letzten Monate Durch diese Misshandlungen wurde ich einige Male ohn- im KZ Bergen-Belsen. mächtig. Zeitweise hieß er mich aufzustehen und zur Ab- Ceija Stojka war Musikerin, Erzählerin, Malerin, sie schrieb wechslung fesselte er die Hände statt vorne [hinten] am Gedichte und Lieder in Romanes und Deutsch. In Auschwitz ist Rücken und drückte meine Arme in die Höhe, dass ich schon mein Mantel berichtete sie 2008 von ihren Erfahrungen: glaubte, dass meine Knochen brechen. Dies alles unter der Verabreichung von kräftigen Ohrfeigen. Er zog auch die auschwitz ist mein mantel Kette immer stärker an und fragte höhnisch: ‚Na, weißt es du hast angst vor der finsternis? noch immer nicht, willst noch immer nicht die Wahrheit sa- ich sage dir, wo der weg menschenleer ist, gen?‘ Als ich am Diwan lag, trat mich Brödl einige Male mit brauchst du dich nicht zu fürchten. den Füßen in den Bauch.“ Zeugenaussage von Rosa Breuer-Grossmann vor der Poli- ich habe keine angst. zeidirektion Wien am 19. 12. 1946 (Das nach 1945 gegen den meine angst ist in auschwitz geblieben Gestapobeamten Anton Brödl angestrengte Verfahren wurde und in den lagern. wegen Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten abgebro- auschwitz ist mein mantel, chen.) bergen-belsen mein kleid und ravensbrück mein unterhemd. Um unter der Folter keine GenossInnen zu verraten, stürzte sich wovor soll ich mich fürchten? Rosa Breuer-Grossmann im Stiegenhaus des Gestapohaupt- quartiers am Morzinplatz in die Tiefe – sie überlebte schwer ver- 2009 verlieh ihr Bundesministerin Dr. Claudia Schmied den letzt. Rosa Breuer-Grossmann und ihre Mutter wurden Ende Titel Professorin, DÖW-Mitarbeiter Andreas Peham würdigte in Jänner 1944 aus der Haft entlassen, ihr Vater blieb bis Ende seiner Laudatio ihre unermüdliche Arbeit als Zeitzeugin: April 1945 im KZ Flossenbürg in Haft. Nach Kriegsende 1945 heiratete sie den Journalisten Georg „Hunderten, ja Tausenden Schülerinnen und Schülern hast Breuer (1919–2009) und begann selbst eine journalistische du mittlerweile vom Erlittenen erzählt. [...] Du wirst zu Karriere. Wichtiges Anliegen war ihr, gegen das Vergessen und Recht für ein neues Selbstbewusstsein der österreichischen Verdrängen der NS-Vergangenheit Österreichs aufzutreten; ins- Roma mitverantwortlich gemacht. Als eine der Ersten gingst besondere junge Frauen sollte die Broschüre Was geht mich das du Ende der 1980er-Jahre mit deinen Erinnerungen an die an? ansprechen, die sie 1963 für die Österreichische Lagerge- Öffentlichkeit, wagtest du den Schritt aus dem Verborge- meinschaft Ravensbrück erstellte (erw. Neuauflage 1974). Nach nen.“ der Besetzung der C`´SR trat Rosa Breuer-Grossmann 1968 aus der KPÖ aus. „Ich muss davon berichten, wie die Rom gelebt haben und wie sie leben, und was ihnen geschehen ist“, schrieb Ceija Stojka, Ihr Leben sowie das ihrer Schwester Liesl Musil-Hahn stehen „überall, wo wir damals waren, die Plätze der Rom, wo sie gela- im Mittelpunkt der Publikation Das Wichtigste ist, sich selber gert haben, die habe ich ja noch im Kopf. Diese Bilder habe ich treu zu bleiben. Die Geschichte der Zwillingsschwestern Rosl ja noch in mir. Und die hole ich mir dann hervor. Die Natur ist und Liesl von Erica Fischer (Wien 2005). mein Leben, ich halte mich gern an einem Baum an.“ 8 Mitteilungen 211 Brigitte Bailer ... niemals vor undemokratischen Strömungen die Augen schließen

Aus der Ansprache der wissenschaftlichen Leiterin des DÖW anlässlich der Einweihung der Nationalen Gedenkstätte für die Opfer der NS-Justiz auf dem Wiener Zentralfriedhof, 11. März 2013

2012 wurde vom Bundeskanzleramt eine Arbeitsgruppe für die Errichtung einer nationalen Gedenkstätte im Bereich der Gruppe 40 auf dem Wiener Zentralfriedhof eingerichtet, in der u. a. auch das DÖW und die DÖW-Vorstandsmitglieder Gerhard Kastelic, Kurt Scholz und Barbara Glück eingebunden waren. Am 11. März 2013 – 75 Jahre nach der Annexion Österreichs durch NS-Deutschland – wurde die Nationale Gedenkstätte für die Opfer der NS-Justiz von Bundeskanzler Werner Faymann und Innenministerin Johanna Mikl- Leitner eingeweiht, im Rahmen des Festakts sprachen auch Brigitte Bailer und Gerhard Kastelic. Derzeit bereiten Brigitte Bailer, Kurt Scholz (Präsident des Internationalen Forums Mauthausen und Vorsitzender des Kuratoriums des Zukunftsfonds) und Wolfgang Maderthaner (Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs) eine Broschüre vor, die neben einem historischen Überblick über Widerstand und Verfolgung auch eine Darstellung von individuellen Opferschicksalen enthalten soll. Die Broschüre wird im Herbst 2013 Schulen kostenlos zu Verfügung gestellt werden.

Die nationalsozialistische Herrschaft be- Eindruck von dem Leid, das die national- Ihre letzte Ruhestätte fanden hier auch je- gann im März 1938 mit dem Einmarsch sozialistische Unrechtsjustiz verursachte, ne meist politischen Häftlinge aus dem der Deutschen Wehrmacht, mancherorts und von der Trauer jener Menschen, die Zuchthaus Stein, die nach ihrer Entlassung schon Stunden zuvor mit der Übernahme wussten, dass sie in wenigen Stunden un- im April 1945 in Hadersdorf am Kamp der Macht durch österreichische Natio- ter dem Fallbeil sterben würden. Diese von einer Einheit der Waffen-SS erschos- nalsozialisten. Gleichzeitig setzte bis da- Menschen bezahlten ihr Einstehen für ihre sen worden waren. hin unvorstellbar gewesener Terror gegen politische oder religiöse Überzeugung, ihr Zur Erinnerung an die in Konzentrations- politisch Andersdenkende sowie schran- Eintreten für Mitmenschlichkeit, Freiheit lagern ermordeten Österreicher und Öster- kenlose Demütigung, Beraubung und und Demokratie mit dem Leben. Manche reicherinnen wurden Aschekapseln aus Misshandlung von Jüdinnen und Juden hatten sich einfach nur dem Regime nicht dem KZ Auschwitz, Buchenwald und an- ein. anpassen wollen, hatten ihre Kritik laut deren Lagern ebenfalls in der Gruppe 40 Am 15. März wurde mit der Errichtung und vor den falschen Leuten geäußert. An beerdigt. So wie auch sterbliche Überreste der Gestapoleitstelle Wien begonnen, die den dafür festgesetzten Tagen fanden die von Opfern der NS-Medizinverbrechen zu einem zentralen Instrument der Verfol- Hinrichtungen ab 18 Uhr jeweils im Ab- aus dem Otto Wagner-Spital hier bestattet gung des politischen Widerstandes, oppo- stand weniger Minuten statt. Viele der To- wurden. [...] sitionellen und von den nationalsozialisti- ten wurden anschließend für medizinische Wir schulden es den hier bestatteten schen Normen abweichenden Verhaltens Zwecke in das Anatomische Institut der Frauen und Männern aus Widerstand und wurde. Rund 100.000 Menschen gerieten Universität Wien überstellt, andere sofort politischer Verfolgung, niemals vor unde- in den Folgejahren auf ehemals österrei- in den Schachtgräbern der Gruppe 40 mokratischen Strömungen oder Verletzun- chischem Gebiet in die Fänge der formlos verscharrt so wie auch später die gen der Menschenrechte die Augen zu Gestapo, sehr viele davon aufgrund von Überreste aus dem Anatomischen Institut. schließen. Zu rasch können Worte zu mör- Verrat durch Bekannte, Arbeitskollegen Die Angehörigen erhielten keine Mög- derischen Taten werden. Es gilt, rechtzei- oder gedungene Spitzel. Der Volksge- lichkeit, sich von den Toten zu verabschie- tig dagegen aufzustehen. richtshof, die Oberlandesgerichte Wien den. Vielmehr wurden ihnen die Kosten und Graz und die Sondergerichte sowie des Henkers in Rechnung gestellt. die Militärjustiz verurteilten Tausende Ös- Der Militärschießplatz Kagran war Todes- Diese Zeitung ist eine von terreicherInnen wegen politischen Wider- ort für mehr als 100 Soldaten, Polizei- 1.800 aus dem Leseprogramm von standes, der Verbreitung regimefeindlicher angehörige und Feuerwehrmänner, die Äußerungen, Abhörens ausländischer Sen- von Militärjustiz oder Polizei- und SS- EISENBACHER GmbH der sowie anderer geringfügiger Vergehen. Gerichtsbarkeit zum Tode verurteilt wor- MEDIENBEOBACHTUNG

Im Laufe des Krieges wurden immer mehr den waren. Der Jüngste war 18 Jahre alt. 1060 WIEN, LAIMGRUBENGASSE 10 Verstöße gegen nationalsozialistische Ge- Sie hatten versucht, sich dem Militärdienst TEL.: 01/36060 - 5401; FAX: 01/36060 - 5699 setze mit der Todesstrafe bedroht. Von den zu entziehen, manche hatten sich zu die- E-MAIL: [email protected] vom Dokumentationsarchiv des österrei- sem Zweck selbst Verletzungen zugefügt, INTERNET: www.eisenbacher.net chischen Widerstandes in mehrjährigen um nicht fronttauglich zu sein. Andere Forschungen namentlich erfassten Todes- wiederum hatten öffentlich Kritik an opfern politischer Verfolgung wurden Wehrmacht und Kriegsführung geübt. Sie An der Herstellung dieser Nummer wirkten mit: Brigitte Bailer, Eva Kriss, Willi Lassek, Andreas 2146 hingerichtet oder starben in der Haft. wurden jeweils in den frühen Morgen- Peham, Christine Schindler, Armin Pfahl-Traughber. Mehr als die Hälfte von ihnen verlor ihr stunden, vorbei am schon bereitstehenden Impressum: Verleger, Herausgeber und Hersteller: Leben unter dem Fallbeil im Hinrich- Sarg, zum Hinrichtungspfahl geführt und Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wipplingerstraße 6–8 (Altes Rathaus), tungsraum des Landesgerichts Wien, dar- erschossen. Ihre Leichen kamen entweder 1010 Wien; unter auch junge Menschen, nur wenig äl- gleichfalls ins Anatomische Institut, man- Redaktion ebenda (Christa Mehany-Mitterrutzner, ter als die heute hier anwesenden Schüle- che wurden sofort in der Gruppe 40 oder Tel. 22 89 469/322, e-mail: [email protected]; Sekretariat, Tel.: 22 89 469/319, Fax: 22 89 469/391, rinnen und Schüler. Die Abschiedsbriefe an anderen Orten des Zentralfriedhofs e-mail: [email protected]; web: www.doew.at). der zum Tode Verurteilten geben einen bzw. anderen Friedhöfen bestattet. Juni 2013 9

REZENSIONENN

zum Berliner Antisemitismusstreit ein und Gedenkstätte Mauthausen, hat in der Rei- Schüler-Springorum, Stefanie (Hrsg.): Andrea Hopp untersucht die antisemiti- he der Mauthausen-Studien des Bundes- Jahrbuch für Antisemitismusforschung schen Einstellungen adeliger Frauen im ministeriums für Inneres den Tätigkeits- 21. Berlin: Metropol-Verlag 2012. 19. und 20. Jahrhundert anhand von zwei bericht Nr. 2 des Verwaltungsführers im 448 S. Fallbeispielen. Der Antisemitismus in KZ Mauthausen 1941–1944 herausgege- deutschsprachigen Lexika des Kaiser- ben und ausführlich eingeleitet. Alle Das Jahrbuch für Antisemitismusfor- reichs und der Weimarer Republik steht 350 Einträge zwischen 1. Oktober 1941 schung versteht sich als Forum für wissen- bei Wiebke Wiede und der Antisemitismus und 28. Dezember 1944 sind in dem Band schaftliche Beiträge, die sich sowohl auf in empirischen Studien in Deutschland abgedruckt und fast alle von Perz kom- die Feindschaft gegen Jüdinnen und Juden 1996 und 2006 in vergleichender Perspek- mentiert, erklärt, in manchen Fällen ent- wie auch gegen andere Minderheiten be- tive bei Werner Bergmann und Anna schlüsselt. Ohne diese Kommentare wäre ziehen. Es erschien in den 20 bisherigen Verena Münch im Zentrum. Und schließ- der Bericht auch für Interessierte in seiner Ausgaben unter der Herausgeberschaft des lich fragen Sina Arnold nach dem Anti- Bedeutung nicht verständlich. Historikers Wolfgang Benz, des langjähri- semitismus in der Occupy-Bewegung in Die lapidaren Einträge selbst bestürzen: gen Leiters des Zentrums für Antisemitis- den USA sowie Rainer Erb nach den musforschung an der TU Berlin. Die nun Besonderheiten des rechtsterroristischen „27. 2. 1943 An Zivilkleidung (Alt- vorliegende Ausgabe hat seine Nachfol- Nationalsozialistischen Untergrundes in bekleidung Ost) erhält das hies. Lager gerin in dieser Funktion Stefanie Schüler- Deutschland. Im Anhang findet sich dann als Ergänzung der knapp geworde- Springorum herausgebracht. Inhaltlich noch ein Besprechungsessay von Susanne nen Häftlingsbekleidung zugewiesen: und strukturell änderte sich dadurch aber Urban über neuere Literatur zum Thema 6.500 Mäntel, 2.500 Röcke, 1.300 Ho- nichts an dem bewährten Konzept: Weiter- Jüdische Displaced Persons. sen, 2.800 Westen, 18.091 Hemden hin bleibt das Jahrbuch sowohl inhaltlich Da die einzelnen Beiträge nicht nur vom und 16.213 Unterhosen.“ international wie perspektivisch interdiszi- Inhalt, sondern auch von der Perspektive plinär ausgerichtet, wobei insbesondere her unterschiedlich ausgerichtet sind, kön- Die „Altbekleidung Ost“ benennt die der letztgenannte Gesichtspunkt ihm eine nen sie auch nicht in der Gesamtschau ge- Kleidung der Juden und Jüdinnen, die in besonders interessante und reflexionswür- würdigt werden. Mitunter fehlt es ein we- den Vernichtungslagern ermordet worden dige Dimension verleiht. nig an analytischen Aussagen in den stark waren und deren letzte Habseligkeiten Die ersten zehn Beiträge, die auf einen historisch ausgerichteten Abhandlungen. man noch verwertete. Workshop am Londoner Institute of Je- Eine Ausnahme ist hier der Beitrag von wish Studies zurückgehen, konzentrieren Werner Bergmann zur Gewaltentwick- „21. 4. 44 Das Außenlager Melk wird sich auf Antisemitismus und Judentum in lung, arbeitet er doch gegen Ende die je- in Betrieb genommen. […]“ Litauen: François Guesnet und Darius weiligen Bedingungsfaktoren dafür über- Staliunas geben einen Überblick zu den li- zeugend heraus. Andrea Hopp kann in ih- Insgesamt sind in der kurzen Zeit des Be- tauisch-jüdischen Beziehungen im 19. und rem Beitrag zu antisemitischen Einstellun- stehens dieses Lagers laut Forschungen 20. Jahrhundert, und Werner Bergmann gen adeliger Frauen anhand von nur zwei von Perz mindestens 4801 Häftlinge um- widmet sich für diese Zeit der Zunahme Personen gut aufzeigen, welchen Erkennt- gekommen. des Gewaltniveaus. Darius Staliunas geht nisgewinn auch solche scheinbar „exoti- Wie Perz in seiner Einleitung, in der er antisemitischen Tendenzen während der schen“ Studien erbringen. Bei Sina auch auf die Überlieferungsgeschichte Revolution von 1905 nach, und Klaus Arnolds Untersuchung des Antisemitis- eingeht, ausführt, ist der Tätigkeitsbericht Richter untersucht das Verhältnis von mus in der Occupy-Bewegung bleibt ein Nr. 1 verschollen, auch eine mögliche Antisemitismus und Intelligenzija. Die wenig unklar, ob die geschilderten Einzel- Nr. 3 ist nicht überliefert. Motive für die politische Kooperation von fälle nur Einzelfälle sind oder ob sie für Die Verwaltungsführer eines KZ waren – Juden und Litauern im Ersten Weltkrieg eine allgemeinere Tendenz in der Protest- mit nicht geringem Personal – für Kassa, stehen bei Šarunas Liekis und der Anti- bewegung stehen. Allein diese drei Bei- Registratur, Bekleidung, Verpflegung, semitismus in der Zwischenkriegszeit bei träge lohnen die Lektüre der auch ansons- Technik und Unterkunft verantwortlich. Vladas Sirutavic`´ius im Zentrum. Die ten wieder gelungenen Ausgabe des Jahr- Sie hatten bestimmte Anordnungen und Rolle von hebräischen Übersetzungen buchs für Antisemitismusforschung. Richtlinien einzuhalten, dabei aber enor- untersucht Mordechai Zalkin, Joachim Armin Pfahl-Traughber men Handlungsspielraum, wie Perz zu- Tauber analysiert das Verhältnis von sammenfasst: „Letztlich war ihr Verhalten Hitler, Stalin und dem Antisemitismus in aber entscheidend für die Sicherstellung Litauen. Und schließlich behandeln Perz, Bertrand: Verwaltete Gewalt. der Versorgung der Häftlinge. So konnten Christoph Dieckmann Pogrome in Litauen Der Tätigkeitsbericht des Verwaltungs- sie erheblichen Einfluss darauf nehmen, 1941 und Saulius Suz`´iedelis Erinnerungen führers im Konzentrationslager wie weit das Ausmaß der illegalen An- an den Holocaust in dem Land. Mauthausen 1941 bis 1944. Wien: eignung der den Häftlingen zustehenden Die zweite Rubrik enthält allgemein Bei- Bundesministerium für Inneres 2013 Nahrungsmittel und Bedarfsgüter durch träge zu den unterschiedlichsten Aspekten (= Mauthausen-Studien 8). 306 S. das SS-Lagerpersonal ging.“ (S. 19) des Antisemitismus, die sich auf verschie- Längste Zeit war Xaver Strauß, der zuvor dene Länder und Zeiten beziehen: Daniel Bertrand Perz, einer der profiliertesten schon seit 1934 in Dachau und Flossen- R. Schwartz geht auf die Entwicklung hin Forscher zur Geschichte des KZ und der bürg eingesetzt war, Verwaltungsführer in 10 Mitteilungen 211

Mauthausen. Es ist fast müßig zu erwäh- Entschädigungsgesetzgebung skizziert die nen, dass Strauß für seine Verbrechen Autorin die Entwicklung der Opferfürsor- Leopold Figl. Für Österreich. nicht gebüßt hat – im Rahmen der Maut- gegesetzgebung und die Opferorganisa- Hrsg. v. Wolfgang J. Bandion und hausener Prozesse in Dachau wurde er tionen, die im Lauf der Jahrzehnte gegrün- Helmut Wohnout. Wien: Internationale zwar zu lebenslänglicher Haft verurteilt, det wurden. Vermerkt ist auch die jüngste Kulturwissenschaftliche Gesellschaft, aber 1954 aus der Haft entlassen. Er starb Vergangenheit: das Nationalfondsgesetz Karl von Voglsang-Institut 2012. 69 S. 1998 in seiner bayerischen Heimat. 1995, in dem auch die wegen ihrer sexuel- Wesentliche Informationen bietet der Tä- len Orientierung oder wegen vermeintli- Am 2. Oktober 2012 jährte sich der Ge- tigkeitsbericht zu Häftlingen und inhaf- cher „Asozialität“ Verfolgten berücksich- burtstag von Leopold Figl (1902–1965) tierten Kriegsgefangenen, den SS-Ange- tigt wurden, das Anerkennungsgesetz für zum 110. Mal. Aus Anlass des Jahrestages hörigen (Kommandanturstab und Wach- die Opfer der Militärjustiz 2005 und die wurde in der KZ-Gedenkstätte Mauthau- mannschaften, auch den ukrainischen Problematik der noch immer nicht aner- sen eine Gedenkskulptur enthüllt, die an Hilfstruppen) und Besuchern, insbesonde- kannten als „Kriminelle“ kategorisierten Figls Haft in Mauthausen erinnert. Die re NS-Prominenz. So ergibt sich ein exak- ehemaligen Häftlinge. Broschüre Leopold Figl. Für Österreich tes Bild der jeweiligen Bestandszahlen Im zweiten Teil der Arbeit analysiert begleitete Jubiläum und Skulptur. resp. ihrer Entwicklung, die natürlich mit Dejnega die Bedeutung gesellschaftlicher Der niederösterreichische Bauernsohn, anderen Quellen verglichen und interpre- Bestätigung für die Überlebenden in ihren der Bundeskanzler der Zweiten Republik tiert werden müssen, wie Bertrand Perz es eigenen Erzählungen, wobei sie verschie- werden sollte und 1955, zur Zeit des auch tut. Weitere große Themenfelder sind dene Formen möglicher Anerkennung de- Staatsvertrages, Außenminister war, wur- Bau und Ausbau der Lager Mauthausen finiert. Für die Untersuchung hat Dejnega de unmittelbar nach dem „Anschluss“ und Gusen, die Einrichtung anderer sieben Personen ausgewählt, die alle in Österreichs an Hitlerdeutschland am Außenlager, Einkauf und Lieferung von Mauthausen und meist auch anderen La- 12. März 1938 verhaftet, ins Polizeige- Gütern (auch Zyklon B) unter Nennung gern und KZ inhaftiert waren: Der Tiroler fängnis auf der Wiener Elisabethprome- zahlreicher Firmen sowie die Beschaffung Josef Hechenblaickner war als Zeuge nade gebracht und mit dem ersten Trans- und Verteilung der Nahrungsmittel. Jehovas in Dachau und Mauthausen inhaf- port am 1. April 1938 von Wien in das KZ Das Buch ist keine Gesamtgeschichte des tiert. Michael Horvath überlebte mehrere Dachau überstellt. Figl blieb bis Mai 1943 Konzentrationslagers Mauthausen, aber KZ und musste 1995 den Mord an seinen in Dachau und Flossenbürg inhaftiert. ein wesentlicher Bestandteil und eine be- Enkeln Erwin und Karl erleben, die im Nach seiner Entlassung nahm er konspira- deutende Quelle dieser Geschichte. burgenländischen Oberwart gemeinsam tive Kontakte zu ehemaligen Bauernbund- Christine Schindler mit Peter Sárközi und Josef Simon durch funktionären und zu entlassenen Mithäft- eine Rohrbombe des Briefbombenatten- lingen auf. Im Zuge der Verhaftungen täters Franz Fuchs getötet wurden. Sie nach dem gescheiterten Putschversuch im Dejnega, Melanie: Rückkehr in die starben, weil sie Roma waren, 50 Jahre Juli 1944 geriet Figl durch diese Aktivi- Außenwelt. Öffentliche Anerkennung nach der Befreiung von Michael Horvath täten erneut ins Visier der Gestapo. Von und Selbstbilder von KZ-Überlebenden aus dem KZ. Der kommunistische Wider- Oktober 1944 bis Jänner 1945 war er im in Österreich. Wien–Berlin–Münster: standskämpfer Hans Maršálek aus Wien KZ Mauthausen, anschließend bis zur Be- LIT-Verlag 2012 (= Wiener Studien zur war nach der Befreiung Jahrzehnte maß- freiung im LG Wien eingesperrt. Zeitgeschichte 4). 167 S. geblich an der Erhaltung der KZ-Gedenk- Fast sechs der sieben Jahre NS-Unterdrü- stätte Mauthausen beteiligt und zeit seines ckung verbrachte Figl in KZ- und Gefäng- Im Verlauf des ZeitzeugInnenprojektes Lebens unermüdlich für die Erinnerung an nishaft, wie Helmut Wohnout im Artikel Mauthausen (Mauthausen Survivors Do- Widerstand und Verfolgung tätig. Anton Leopold Figl als Verfolgter des NS-Regi- cumentation Project), das 2002/03 vom Okorn unterstützte die slowenischen mes ausführt. Wohnout zitiert aus den Er- Institut für Konfliktforschung gemeinsam Kärntner PartisanInnen, die aktiv gegen innerungen ehemaliger Mithäftlinge, die mit dem DÖW unter der Leitung von den Nationalsozialismus kämpften, und das Grauen dieser Lagerhaft zu schildern Gerhard Botz durchgeführt wurde, wurden war in Mauthausen und Ebensee in Haft. versuchen – Figl selbst hat sich zeit seines weltweit 860 Überlebende des KZ Maut- Leopold Redlinger war im kommunisti- Lebens kaum zu seinen Erlebnissen im hausen und seiner Nebenlager interviewt. schen Widerstand aktiv, seine jüdischen KZ geäußert. Allerdings ist offenkundig, 2007 startete mit dem Mauthausen Sur- Eltern wurden von den Nationalsozialisten führt Wohnout aus, dass die Erfahrungen vivors Research Project, an dem auch die ermordet. Auch Ignaz Wachtel verlor seine der NS-Diktatur aus dem ehemaligen Autorin Melanie Dejnega, damals Ludwig Eltern im Holocaust, er selbst wurde über „Ständestaat“-Funktionär einen Verfechter Boltzmann-Institut für Historische Sozial- mehrere Stationen und Lager von Bo- der Demokratie gemacht haben. Wohnout wissenschaft, wieder unter Leitung von ryslaw nach Mauthausen und verschiede- schildert Figls Bemühungen um die KZ- Gerhard Botz mitwirkte, eine vergleichen- ne Außenlager deportiert und blieb nach Gedenkstätte Mauthausen und sein Selbst- de Untersuchung von Erinnerungserzäh- der Befreiung in Österreich. Leon Zelman verständnis als ehemals politisch Verfolg- lungen ehemaliger Mauthausen-Häftlinge. kam über das Ghetto Litzmannstadt und ter in vielen Bereichen seiner politischen Eine Auswahl der österreichischen Inter- Auschwitz nach Mauthausen und wurde in Arbeit, insbesondere bei den Staatsver- views verwendete Dejnega für die vorlie- Ebensee befreit. Viele seiner Familien- tragsverhandlungen 1955. gende Arbeit, um die verschiedenen An- angehörigen wurden ermordet. Zelman Dieter A. Binder beschreibt in Der Weg sprüche der ehemaligen Häftlingsgruppen gründete in Wien das Jewish Welcome nach Mauthausen die vielfältigen Benen- auf Entschädigungsleistungen im Lauf der Service und organisierte Austauschpro- nungen, die Leopold Figl in Wien ehren, Jahrzehnte zu beschreiben. Basierend vor gramme für Jugendliche zwischen Israel, die erstaunliche Karriere des jungen Man- allem auf den grundlegenden Arbeiten von den USA und Österreich. nes und seine zahlreichen Funktionen im Brigitte Bailer zur Rückstellungs- und Christine Schindler autoritären „Ständestaat“, insbesondere in Juni 2013 11

Niederösterreich. Immerhin konzediert Sturmscharen, widmet sich aber auch aus- hatte das ihm Mögliche gegen die Nazi- Binder Figl eine schon damals „radikal führlich der politischen Karriere Figls diktatur getan. antinationalsozialistische Grundhaltung“, nach 1945. Leider ist die Broschüre, die zum Anlass skizziert aber auch die Vergangenheitspro- Sicherlich hatte Figl Anteil daran, dass gratis verteilt wurde, vergriffen. Sie ist in blematik ehemaliger „Ständestaat“-Funk- Österreichs Mitverantwortung an den der DÖW-Bibliothek einsehbar; es wäre tionäre in der Zweiten Republik. Nazi-Gräueln – die Mitwirkung, Duldung aber schön, wenn sie virtuell, beispiels- Ernst Bruckmüller kreist in seinem Bei- und Nutznießung von vielen Österreichern weise als PDF-Download, wieder verfüg- trag Politik als Beruf um die politische So- und Österreicherinnen – aus dem Staats- bar gemacht würde. zialisation Figls im Zwischenkriegsöster- vertrag, für Jahrzehnte auch aus der Ge- Christine Schindler reich und den Aufstieg innerhalb von schichtsschreibung und dem öffentlichen Bauernbund und Niederösterreichischen Bewusstsein gestrichen wurde. Er selbst

NEUES VON GANZ RECHTSN

te, woraufhin er aus der FPÖ ausgetreten nazismus gebrochen und seit Anfang der Neonazi-Skandale in der FPÖ ist. (Kurier, 23. 2. 2013) 1990er-Jahre keine Kontakte in die Szene Sämtliche politische und Parteifunktionen mehr gehabt hätte. Als dann publik wurde, In den ersten Monaten des Jahres zeigte zurücklegen musste im April 2013 auch dass er noch 1995 beim neonazistischen sich insbesondere in Oberösterreich ein- der Aurolzmünsterer FPÖ-Gemeinderat und kurz darauf behördlich aufgelösten mal mehr, dass und in welchem Ausmaß Michael G., da er es unterlassen hatte, die Verein Dichterstein Offenhausen referiert personelle Überschneidungen zwischen Parteiführung über seine Vorstrafe zu in- hatte, meinte Ortner, dass sein Ausstieg der FPÖ und dem neonazistischen Milieu formieren: Der damalige Neonazi war eben einer in Etappen gewesen sei. (Ku- bestehen. 2004 wegen gefährlicher Drohung zu ei- rier, 18. 4. 2013) So sah es auch die FPÖ- Mitte Februar 2013 wurde bekannt, dass ner bedingten Haftstrafe verurteilt wor- Landesspitze, die Ortner weiterhin eine Michael Lindner, FPÖ-Gemeinderat von den. G. hatte zwei Jahre zuvor in einem Chance zur Resozialisierung geben wollte. Aurolzmünster und RFJ-Bezirksobmann E-Mail dem damaligen wissenschaftlichen Als dann aber der Kurier (19. 4. 2013) be- von Ried, auf seiner facebook-Seite einen Leiter des DÖW, Wolfgang Neugebauer, legen konnte, dass der FPÖ-Politiker noch Auszug aus einem Gedicht der Hitler- mit dem Umbringen gedroht. (Kurier, 2006 bei einem Treffen deutscher Neo- Jugend veröffentlichte. Das Gedicht ist in 15. 2. 2013) nazis in Dresden vom NPD-Führungska- einem Sammelband des NS-Verbrechers Am Höhepunkt der Neonazi-Skandalwelle der Holger Apfel mit Umarmung kame- Baldur von Schirach zu finden. Auf einem in Oberösterreich sah sich FPÖ-Landes- radschaftlich begrüßt worden war, musste Foto trägt Lindner ein T-Shirt der Neo- obmann Manfred Haimbuchner gezwun- Ortner alle Ämter zurücklegen und die nazi-Band Ad Hominem. Ein Lied dieser gen, Maßnahmen gegen den „rechten FPÖ-Mitgliedschaft niederlegen. Gruppe heißt Auschwitz rules. Seitens der Rand“ zu versprechen: „Bevor man frag- Mit neuen Vorwürfen konfrontiert sieht FPÖ-Führung gab man an, vor Schritten würdige Leute aufstellt, ist es besser, nie- sich auch der Linzer FPÖ-Obmann und gegen Lindner den Ausgang etwaiger manden aufzustellen. Ich werde aufräu- Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer: Der Verfahren abwarten zu wollen. (Kurier, men bei jenen Leuten, die am rechten Datenforensiker Uwe Sailer, der sich wie 13. 2. 2013) Rand Probleme machen.“ (Kurier, 31. 3. kein anderer um die Aufdeckung der Fabian Wetter, FPÖ-Ortsparteiobmann 2013) Haimbuchners Versprechen hielt jüngsten Neonazi-Skandale verdient ge- und -Gemeinderat in Franking (Bezirk nicht einmal eine Woche – am 6. April be- macht hat, gab gegenüber Medien an, über Braunau), ist gebürtiger Deutscher und hauptete er in einer APA-OTS, die FPÖ Hinweise zu verfügen, dass Wimmer mit war in der neonazistischen NPD aktiv. habe kein Neonazi-Problem, sondern wür- der neonazistischen Homepage Alpen- Seine Gesinnung hat er offenbar beibehal- de nur „von Linksextremisten ständig mit Donau in Kontakt gestanden sei. (Oberös- ten: So bezeichnete er auf seiner face- braunem Dreck beworfen“. terreichische Nachrichten, 25. 4. 2013) book-Seite Schindlers Liste als „jüdischen Eindrucksvoll widerlegt wurde diese Be- Schließlich musste sich die Wiener FPÖ Propagandafilm“ und behauptete, der hauptung kurz darauf von Sebastian Anfang April 2013 von ihrem schon „Zionistische Weltkongress“ habe Ortner, FPÖ-Klubchef im Linzer Gemein- zuvor umstrittenen Pressesprecher Stefan Deutschland 1933 den „Wirtschaftskrieg“ derat: Der Kurier (17. 4. 2013) veröffent- Gotschacher trennen, nachdem er auf sei- erklärt. Ende Dezember 2012 verbreitete lichte ein Video, das Ortner Ende der ner facebook-Seite Zitate aus einem Lied Wetter ein Foto der deutschen Kanzlerin 1980er-Jahre bei einer der berüchtigten der Waffen-SS und Texte der Neonazi- Angela Merkel, auf dem diese einen Da- Wehrsportübungen von Gottfried Küssels Band Stahlgewitter veröffentlicht hatte. vidstern mit der Aufschrift „Zion“ trägt Volkstreuer Parlamentarischer Opposition (Falter, 17. 4. 2013) und als „Vaterlandsverräterin“ bezeichnet (VAPO) zeigt. Dass Ortner – mit seinem wird. Nach Bekanntwerden dieser Skan- damaligen Namen Müllegger – auf einer dale trat Wetter umgehend zurück. (Ku- Liste Küssels als VAPO-Kameradschafts- Zum Thema Rechtsextremismus rier, 13. 2. 2013) führerstellvertreter geführt wird, war be- Kurz darauf wurde bekannt, dass der Lin- reits davor allgemein bekannt. Auch dass z Neues von ganz rechts zer FPÖ-Funktionär Mario Moser auf sei- er Anfang der 1990er-Jahre die neonazisti- z Rechtsextreme Organisationen ner facebook-Seite die Neonazi-Band sche Heimatverbundene Jugend – Kame- z Rechtsextremismus in Österreich Zillertaler Türkenjäger und einen Auf- radschaft Linz angeführt hatte. Ortner be- marsch deutscher Neonazis beworben hat- tonte jedoch stets, dass er mit dem Neo- www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus Ich bestelle folgende Publikationen:

Österreicher im Exil. Mexiko 1938–1947. Eine Dokumentation, Bewahren – Erforschen – Vermitteln. Das Dokumentations- hrsg. v. DÖW. Deuticke 2002, 704 S., Bildteil. Leinen oder archiv des österreichischen Widerstandes, Wien 2008, 190 S., Karton i 15,– Leinen ... Stück i 13,50 ... Stück Karton ... Stück Martin Niklas, „... die schönste Stadt der Welt“. Österreichi- Florian Freund, Concentration Camp Ebensee. Subcamp of sche Jüdinnen und Juden in Theresienstadt. Wien 2009, Mauthausen, 2nd revised edition, 1998, 63 S., i 4,30 232 S., i 19,90 ... Stück ... Stück Rudolf Agstner / Gertrude Enderle-Burcel / Michaela Follner, Jonny Moser, Demographie der jüdischen Bevölkerung Öster- Österreichs Spitzendiplomaten zwischen Kaiser und Kreisky. reichs 1938–1945, Wien 1999, 86 S. i 4,30 Biographisches Handbuch der Diplomaten des Höheren Auswär- ... Stück tigen Dienstes 1918 bis 1959, Wien 2009, 630 S., i 29,90 ... Stück Josef Hindels, Erinnerungen eines linken Sozialisten, Wien Günther Morsch / Bertrand Perz, Neue Studien zu nationalso- 1996, 135 S. i 6,50 ... Stück zialistischen Massentötungen durch Giftgas. Historische Be- deutung, technische Entwicklung, revisionistische Leugnung, Kombiangebot Metropol Verlag 2011, 446 S., Ladenpr. i 24,– ... Stück Gedenken und Mahnen in Wien, Gedenkstätten zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung. Eine Dokumentation, hrsg. v. Heinz Arnberger / Claudia Kuretsidis-Haider (Hrsg.), Gedenken DÖW, Wien 1998 und Gedenken und Mahnen in Wien. und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Wi- Ergänzungen I, Wien 2001. i 13,– (statt i 15,–) derstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Mandelbaum Verlag ... Stück 2011, 712 S., Ladenpr. i 39,90 ... Stück

Gerhardt Plöchl, Willibald Plöchl und Otto Habsburg in den Florian Freund, Die Toten von Ebensee. Analyse und Dokumen- USA. Ringen um Österreichs „Exilregierung“ 1941/42, Wien tation der im KZ Ebensee umgekommenen Häftlinge 1943–1945, 2007, 288 S., Ladenpr. i 9,90 ... Stück Braintrust, Verlag für Weiterbildung 2010, 444 S., i 29,– ... Stück Wolfgang Form/Oliver Uthe (Hrsg.): NS-Justiz in Österreich. Forschungen zum Nationalsozialismus und dessen Nachwir- Lage- und Reiseberichte 1938–1945. Schriftenreihe des DÖW zu kungen in Österreich. Festschrift für Brigitte Bailer, hrsg. vom Widerstand, NS-Verfolgung und Nachkriegsaspekten, Bd. 3, DÖW, Wien 2012, 420 S., i 19,50 ... Stück LIT Verlag 2004, LVIII, 503 S., Sonderpreis i 25,– ( Ladenpr. i 49,90) ... Stück Jahrbuch 2010, hrsg. vom DÖW, Schwerpunkt: Vermittlungs- arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen, Wien 2010, 273 S., Institut Theresienstädter Initiative/DÖW (Hrsg.) Theresien- i 13,50 ... Stück städter Gedenkbuch. Österreichische Jüdinnen und Juden in Theresienstadt 1942–1945, Prag 2005, 702 S., i 29,– Jahrbuch 2011, hrsg. vom DÖW, Schwerpunkt: Politischer Wi- ... Stück derstand im Lichte von Biographien, Wien 2011, 302 S., i 13,50 ... Stück Herbert Exenberger/Heinz Riedel, Militärschießplatz Kagran, Jahrbuch 2012, hrsg. vom DÖW, Gedenkstätte für die Opfer Wien 2003, 112 S., i 5,– ... Stück der Gestapo Wien. Bilder und Texte der Ausstellung, Wien 2012, 205 S., i 9,50 ... Stück DÖW, Katalog zur permanenten Ausstellung. Wien 2006, 207 S., 160 Abb., i 24,50 ... Stück Opferschicksale. Widerstand und Verfolgung im National- sozialismus. 50 Jahre Dokumentationsarchiv des österreichi- DÖW, Catalog to the Permanent Exhibition, Wien 2006, 95 S., schen Widerstandes, Jahrbuch 2013, hrsg. vom DÖW, Wien über 100 Abb., i 14,50 ... Stück 2013, 378 S., i 19,50 ... Stück

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