Erwin Huber Bayerischer Staatsminister Für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr Und Technologie Im Gespräch Mit Werner Reuß
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0604/20060418.shtml Sendung vom 18.04.2006, 20.15 Uhr Erwin Huber Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie im Gespräch mit Werner Reuß Reuß: Verehrte Zuschauer, ganz herzlich willkommen zum alpha-forum. Unser heutiger Gast ist Erwin Huber, Mitglied des Bayerischen Landtags und Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. Ich freue mich, dass er hier ist, herzlich willkommen, Herr Staatsminister. Huber: Grüß Gott. Reuß: "Politik ist angewandte Liebe zur Welt." Dieser schöne Satz wird der philosophischen Gelehrten Hannah Arendt zugeschrieben. Sie sind seit fast 40 Jahren politisch tätig, seit über 30 Jahren im Kreistag Dingolfing-Landau in Niederbayern und seit fast 30 Jahren im Bayerischen Landtag. Seit über zehn Jahren sind Sie auch Mitglied der Bayerischen Staatsregierung: als Leiter der Staatskanzlei, als Finanzminister und jetzt als Wirtschaftsminister. Sie waren auch sechs Jahre CSU-Generalsekretär. Sie haben also eine Menge politische Erfahrung: Hat man da noch politische Visionen? Oder, anders gefragt, was ist Politik für Erwin Huber? Huber: Politik ist für mich die Gestaltung der Heimat. Ich bin zur Politik gekommen, weil ich etwas tun wollten für mein eigenes Land und für meine niederbayerische Heimat. Das hat sich ausgeweitet auf Bayern und ich konnte dann auch mitwirken bei vielen Entscheidungen auf der Bundesebene, bei Koalitionsverhandlungen usw. Das heißt, ich habe eine große Spannbreite ausfüllen dürfen, von der Lokal- und Kommunalpolitik bis zur Bundespolitik. Es gibt einem schon ein gutes Gefühl, etwas für die Menschen und für das Land tun zu können. Reuß: Die Politik hat sich in dieser Zeit sicherlich verändert. Was sich ganz sicher verändert hat, ist die Medienlandschaft: Es gibt heute so viele Medien wie nie zuvor, denn wir haben eine unglaublich hohe Mediendichte. Es gibt einen schönen Satz des ehemaligen SPD-Bundesgeschäftsführers Peter Glotz: "Der Unterschied zwischen einem Politiker und einem Schauspieler ist heute graduell und nicht prinzipiell." Ist das so? Muss man als Politiker heute manchmal auch eine gewisse Rolle spielen? Huber: Für schlechte Politiker ist der Unterschied meiner Meinung nach nicht groß. Für den echten Politiker kommt es auf die Sache an, kommt es darauf an, Entscheidungen in der Sache für das Land, für die Zukunft herbeizuführen. Dass man dies auch entsprechend verkaufen darf und muss, das gehört in der Demokratie auch dazu: Man will ja Menschen überzeugen, man will Menschen gewinnen. Man muss ja auch Mitstreiter haben für eine politische Vision. Aber wenn das "Showgeschäft" zum Hauptinhalt würde und die Sache selbst mehr oder weniger zur Nebensache, dann wäre das Ganze falsch angelegt. Dass man in der heutigen Zeit und in der Demokratie überhaupt versuchen muss, Mehrheiten zu gewinnen und die Bürger von einer bestimmten politischen Auffassung zu überzeugen, ist klar. Man muss sie mitnehmen und auch offen sein für den Dialog. In der heutigen Zeit kann man ja Gott sei Dank durch die Nutzung dieser unterschiedlichen Medien – auch das Internet z. B. gehört hierher – mit vielen Bürgern in Dialog treten. Reuß: Man hat angesichts der vielen Medien manchmal den Eindruck, dass die Parteien ein bisschen auf die Medientauglichkeit ihrer Kandidaten achten – und vielleicht sogar darauf achten müssen. Erhard Eppler hat unlängst geschrieben: "Man darf fragen, ob die Gaben, die heute nötig sind, um Bundeskanzler zu werden, andere sind als jene, die man braucht, um Bundeskanzler zu sein." Diese Aussage gilt sicherlich nicht nur für das Amt des Bundeskanzlers, sondern für viele weitere politische Ämter. Ist es so, dass die Medientauglichkeit der Politiker heute eine größere Rolle spielt als früher? Huber: Das glaube ich schon. Die Wahlkämpfe werden ja auch sehr viel mehr über die Medien geführt. Vielleicht hätte es ein Mann wie Konrad Adenauer heute sehr viel schwerer als zu seiner Zeit. Aber man kann auf der anderen Seite auch sagen: Der "Medienkanzler" Gerhard Schröder hat die Wahl gegen Angela Merkel letztlich doch verloren, gegen eine Kandidatin also, der man nicht die gleiche Medienwirksamkeit zugeschrieben hat. Das heißt, nach einer gewissen Zeit kommt es doch mehr auf die Substanz an. Aber dass die Medien in der heutigen Zeit durchaus auch eine Verführung für die Politiker sind, das muss man einfach wissen: Hier sollte der Zuschauer auch entsprechend kritisch sein. Reuß: Nun wollen ja Politiker in der Regel wiedergewählt werden. Huber: Das ist ja auch legitim. Reuß: Ja, das ist legitim. Aber das föderale System in unserem Land bringt es mit sich, dass fast permanent irgendwo Wahlen stattfinden. Heute werden ja selbst Kommunalwahlen gelegentlich zu Bundestagswahlen hochstilisiert: Man schaut, wie die einzelnen Parteien abschneiden und was gewesen wäre, wenn es eine Bundestagswahl gegeben hätte. Man hat den Eindruck, dass manchmal wichtige Wahlen unbequeme aber notwendige Entscheidungen verhindern. Carl Friedrich von Weizsäcker hat das einmal auf den Punkt gebracht: "Wie kann eine Regierung das langfristig Notwendige entscheiden, wenn es kurzfristig unbeliebt ist und den Wahlerfolg bedroht"? Ist das eine Gefahr? Huber: Ja, natürlich ist das eine Gefahr. Der Unterschied zwischen dem Politiker und dem Staatsmann besteht ja vielleicht überhaupt in dem unterschiedlichen Zeithorizont, in dem da gedacht wird. Man sagt ja gelegentlich, der Politiker denkt an die nächste Wahl, der Staatsmann jedoch an die nächste Generation. Eine der Stärken der bayerischen Politik und vielleicht auch meiner Partei besteht darin, dass wir doch so gute Mehrheiten haben, dass wir in längeren Zeiträumen denken können. Manche Entwicklungen brauchen eben auch eine längere Zeit. Und wenn der Zeithorizont der Politik zu kurz angelegt ist, dann wird daraus Aktionismus. Das heißt, es stellt durchaus eine Gefahr dar, dass ständig Wahlen sind oder Plebiszite oder Umfragen. Aber genau da merkt man dann eben, ob bei einem Politiker oder in einer Partei Substanz vorhanden ist: Das ist dann der Fall, wenn er sich durch wechselnde Stimmungen nicht davon abhalten lässt, das langfristig Richtige zu tun. Reuß: "Wir sind nicht in einer Schönwetterphase der Politik, wir sind in schweren Gewittern und da muss man mit Mut auch unpopuläre Dinge tun. Wer das nicht aushalten kann, ist fehl am Platz in der Politik." Dieser Satz stammt von Ihnen. Man braucht aber nun einmal, Sie haben es zu Beginn bereits gesagt, Mehrheiten, um seine politischen Ziele durchsetzen zu können: Mehrheiten in der Bevölkerung, Mehrheiten in der Partei, Mehrheiten in der Fraktion usw. Manchmal ist es auch auf Bundesebene notwendig, dafür eine Koalition einzugehen. Das kostet sicherlich alles sehr viel Kraft, denn man muss hier ja permanent Überzeugungsarbeit leisten. Dafür braucht man jedoch Geduld. Sind Sie ein geduldiger Mensch? Huber: Geduld gehört mit Sicherheit nicht zu meinen Stärken. Ein geduldiger Dulder bin ich sicher nicht, sondern eher jemand, der versucht etwas voranzubringen. Das hat mir auch schon einiges an Ärger und Kritik eingebracht, weil man den Eindruck hatte, ich würde zu sehr über Einwände oder Bedenken hinweggehen. Auf der anderen Seite ist es aber doch so: Deutschland ist eine langsame Republik. Wir sind der heutigen Dynamik in Europa und überhaupt in der Welt nicht mehr gewachsen. Wir haben auch ein sehr schwerfälliges politisches System. Das heißt, der Föderalismus ist ja nun einmal insgesamt schwerfälliger. Daher müssen wir auch einiges tun im Hinblick auf unsere Strukturen. Die Föderalismuskommission ist da ein guter Ansatz. Aber es müssen auch die Politiker bereit sein, den Bürgern zu vermitteln, dass wir die Dinge anpacken. Wir führen Lösungen herbei. Die Demokratie darf also nicht darin bestehen, dass man einander nur die Schuld zuschiebt: von der Kommune zum Land, vom Land zum Bund und vom Bund nach Europa. Denn die Bürger wenden sich dann auch ab und trauen uns Politikern überhaupt nicht mehr zu, Entscheidungen herbeizuführen. So ein Vertrauensverlust ist jedoch in einer Demokratie nicht ungefährlich. Das heißt, wir sind gefordert hier eine Balance zu finden zwischen der Aufnahme von verschiedenen Einwänden und Bedenken und der notwendigen Entscheidungsfähigkeit. Reuß: Sie sind heute Wirtschaftsminister. Es gibt ja den leicht bissigen Satz des Kabarettisten Dieter Hildebrandt: "Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt." Können Sie verstehen, dass manche Menschen den Eindruck haben, die Politik wäre manchmal hilflos – zumindest gegenüber international agierenden Unternehmen? Huber: Das kann ich nachempfinden und es ist ja auch in der Tat so, dass große Konzerne, die international tätig sind, auf nationale oder gar regionale Politik weniger Rücksicht nehmen müssen. Damit entsteht für viele Politiker ein Gefühl der Ohnmacht oder der Hilflosigkeit und bei manchen Menschen natürlich auch ein Gefühl des Zorns und der Abhängigkeit. Es gab da ja auch mal diesen Spruch: "Die etwas zu sagen haben, die können wir nicht wählen, und die wir wählen, haben nichts zu sagen." Ich glaube jedoch, dass das eine Überzeichnung ist. Wir leben aber in der heutigen Zeit nun einmal in Strukturen zusammen, die sich auf ganz Europa oder sogar die ganze Welt erstrecken. Dementsprechend relativiert sich auch der politische Einfluss und vielleicht auch die nationale Politik. Das macht das Ganze schwieriger: Da muss man Überzeugungsarbeit leisten, da muss man beispielsweise