teressen des Ostens bezeichnen darf. Der Streit in der SPD ist Teil eines Kultur- kampfes, der Ostdeutschland spaltet. Denn auch die Konservativen haben ihre Probleme mit der unterschiedlichen Deu- Entscheidung im „Kreml“ tung der Lebensrealität im abgewickelten Arbeiter-und-Bauern-Staat. Wenn Bürger- Sozialdemokraten aus Ost und West streiten darüber, ob die rechtler und der letzte DDR- Autorin Daniela Dahn als Verfassungshüterin taugt. Ministerpräsident Lothar de Maizière um die Aufnahme früherer SED-Mitglieder elten besaß die Kulisse einer Aus- Dabei hatte Ex-Pfarrer Kuhnert einst streiten oder Joachim Gauck, der Herr einandersetzung soviel Symbol- ein gutes Verhältnis zu Dahn. 1988 lud über die -Akten, und Alt-Bundesprä- Skraft wie in diesem Fall. Noch er sie sogar in seine Kirche zur Lesung sident Richard von Weizsäcker vornehm, heute nennen die Potsdamer das Haus, ein. Dahn war zwar SED-Mitglied, doch aber nicht weniger entschlossen über den in dem einst die SED-Bezirksleitung weil sie in ihrer „Prenzlauer Berg- Umgang mit der DDR-Geschichte debat- residierte, den „Kreml“; noch immer Tour“ den Realsozialismus halbwegs tieren, werden die unterschiedlichen Be- sind am Turm die Umrisse des Sym- real beschrieben hatte, galt sie als kri- trachtungsweisen ebenso deutlich wie bei bols der SED zu erkennen. Drinnen hat tischer Geist. Zehn Jahre später stehen den Diskussionen in der SPD. inzwischen die Demokratie Einzug ge- beide sich nun im „Kreml“ gegenüber Doch die Christdemokraten können aus halten – im „Kreml“ tagt der branden- – als politische Gegner. sicherer Distanz leicht streiten. Die SPD burgische Landtag. Die Front der Auseinandersetzung dagegen leidet sichtlich unter den alltägli- Welche Macht der alte Geist des verläuft allerdings auch quer durch die chen Auseinandersetzungen mit den Post- Hauses noch haben darf, darüber wird SPD. Günter Gaus, Manfred Stolpe und kommunisten. Denn inzwischen spricht ei- am Dienstag dieser Woche im Sit- Regine Hildebrandt plädieren für die niges dafür, daß am Ende die Gaukler von zungssaal 306 gestritten. Auf Vorschlag Frau, die sie für eine oder gar die der PDS den Zauberwettstreit gewinnen der PDS kandidiert die Ost-Berliner „Stimme des Ostens“ halten, Markus Meckel und Klaus Bölling gegen sie. Haß führe ihre Feder, meint Bölling. Kern des Konflikts ist das DDR-Bild Dahns, das sie in ihrem Ost-Seller „Westwärts und nicht vergessen“ skiz- ziert hat. Den Toten an der Mauer hält sie die Menschen entgegen, die bei Bundeswehrübungen ums Leben ka- men, den geplanten Internierungs- lagern der Stasi angebliche ebensolche Pläne im Westen. Dahns politische Re- lativitätstheorie gipfelt in dem Satz: „Mit Blick auf die von mir erlebte post- stalinistische DDR und die finanzstali- nistische BRD scheint mir: Die Summe der Repression ist immer gleich.“ Auch sonst ist die Autorin, die im „Roten Kloster“ von das stu- dierte, was die SED für Journalismus

J. GIRIBÁS J. hielt, in ihrer Wortwahl nicht gerade Richterkandidatin Dahn: „Die Summe der Repression ist immer gleich“ zimperlich – beim Urteil über ein Ur- teil beispielsweise. 1950 hatten DDR- könnten. Während nämlich die geschulten Autorin Daniela Dahn für einen der Richter in Waldheim über 3000 echte Kader der PDS-Basis den Vorgaben ihrer drei Plätze im brandenburgischen Ver- und angebliche Nazis zu hohen Haft- Führungstroika Lothar Bisky, fassungsgericht, die Nichtjuristen zu- strafen verurteilt, gegen 32 Angeklagte und André Brie auf dem Weg zur Macht stehen. Etliche SPD-Abgeordnete ha- wurde die Todesstrafe verhängt. Nach mit geübter Parteidisziplin folgen, liegen ben die Berufung bisher verhindert. der Wende verurteilten bundesdeut- die Nerven unter den sozialdemokrati- Nun will die Schriftstellerin die SPD- sche Juristen die DDR-Richter wegen schen Nachwendepolitikern blank. Für die Fraktion im zweiten Anlauf von ihrer Rechtsbeugung. „Rache“ nennt dies Ost-SPD mit ihren nicht einmal 30000 Mit- Verfassungstreue überzeugen. Dahn – und löste damit Proteste von gliedern sind Austritte wegen der Kollabo- Am schwierigsten wird dies bei dem Waldheim-Opfern aus, darunter auch ration mit der PDS lebensgefährlich. Abgeordneten Andreas Kuhnert wer- Sozialdemokraten. Deshalb wollen es die Gegner der PDS- den, der das Dahnsche Werk genau stu- Lothar de Maizière, letzter DDR- Zusammenarbeit nicht mehr allein bei diert hat. In der ersten Runde im Streit Premier, konterte Dahn-Sprüche auf verbalen Protesten belassen. Sie beginnen, um ihre Kandidatur hatte Kuhnert die seine Weise. Als Dahn bei einer Po- sich zu organisieren. Das „Memorandum“ Genossen darauf hingewiesen, daß sich diumsdiskussion den Einigungsvertrag der Sozialdemokraten Richard Schrö- Daniela Dahn in Passagen ihrer Bücher ein „Ermächtigungsgesetz“ nannte, er- der, Markus Meckel, Erhard Eppler und „ganz offen und demonstrativ außer- innerte er sie daran, daß der Begriff Klaus Böger, veröffentlicht im SPIEGEL halb von Grundprinzipien des Rechts- durch die Nazi-Zeit historisch besetzt (45/1998), ist zur Gründungsurkunde einer staates“ gestellt habe. Seitdem herrscht sei. Dahn blieb bei ihrem Vergleich, de innerparteilichen Plattform geworden.Wie Streit darüber, ob die Autorin zur Hü- Maizière verließ das Podium. in DDR-Zeiten wird der Text kopiert wei- terin der Landesverfassung taugt. Stefan Berg tergereicht. Überall in Ostdeutschland be- rufen sich Sozialdemokraten auf das Pa-

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