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BRUTALE HERRSCHAFT UMSTRITTENE SCHÄTZE Hundertausende fielen in den Eine Übersicht über problematische lturraub Kolonien den Deutschen zum Opfer SEITE 4 Objekte in hiesigen Sammlungen SEITE 10 ErbeKu und

ismus Sonderthema:kolonialess Ra Das

Völkermord,

Berlin, 06. Januar 2020 www.das-parlament.de 70. Jahrgang |Nr. 2-3 |Preis 1€|A5544

KOPF DER WOCHE Im Dialog mit Bröckelnde Amnesie

Ruprecht Polenz In den Verhandlungen zum Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen und die Wiedergut- AUFARBEITUNG Langsam stellt sich Deutschland dem Schrecken seineskolonialen Erbes machung für die Nachfahren ist lan- ge keine Einigung in ie drei Jahrzehnte deut- Sicht gewesen. En- scher Kolonialherrschaft hoto de November konn- erscheinenals kurzesund ZP

/S te der Sonderge- vergleichsweise harmlo- sandte der Bundes- sesKapitel unserer Ge-

alliance regierung für die Dschichte,und dass es so deutsch-namibi- früh endete,wird als Glücksfall gesehen: cture schen Beziehungen DasDeutsche Reich hatte einfach zu wenig pa/pi jedoch Neues ver- Zeit, um größeren Schadenanzurichten. ©d künden: „Wir haben Nach1945 wardie Mehrheit der bundes- in vielen Punkten Übereinstimmung erzielt“, deutschen Bevölkerung ohnehin damit be- sagte Polenz. Verhandelt worden sei ein „Pakt schäftigt, die Verbrechen desNationalso- für besonders betroffene Gemeinden, also zialismus zu verdrängen oder zu leugnen, den Siedlungsgebieten der Herero und Nama, und selbst die wenigen kritischen Geister um Wunden aus der damaligen Zeit zu hei- nahmen die Kolonialära nur oberflächlich len“. Es gehe um Bildung, Wohnraum, Ge- wahr,die Ungeheuerlichkeit desHolocaust sundheitsversorgung, Elektrizitätsversorgung und der Nazi-Barbarei verstellte auch ihren und eine Mitwirkung an der Landreform. Indi- Blick auf die dahinterliegende Zeit. viduelle Entschädigungen lehne die Bundes- Landraub? Unterjochung undAusbeu- regierung hingegen ab.Der Ball,soPolenz, tung? Mord undTerror? Institutionalisier- liege nun bei den beiden Regierungen. ahe T ter Rassismus? Wardawas?Essei doch al- lesgar nicht so schlimm gewesen, heißt es oft. Es habe zwar ein paar schwarze Schafe ZAHL DER WOCHE gegeben, den Schlächter Generalvon Trot- ha zumBeispiel, der in Deutsch-Südwest- afrika, demheutigen Namibia,das Volk 11 ,8 der Herero ausrotten wollte.Aber im Gro- ßen und Ganzen seien unsere Urgroßväter Millionen Einwohner lebten –mindestens und Großväter dochrecht anständige Kerle –imJahre 1913 nach einer Schätzung des gewesen, jedenfalls im Vergleich zu den DeutschenHistorischen Museums in den brutalen Franzosen, Briten oder Belgiern. deutschen Kolonien, außerdem siedelten Hundert Jahre nach demEnde desErsten Die Kolonialzeit diente heute nur noch als Staffage.Wie hier in Hamburgwurden in vielen deutschen Städten bis in die Zeit der Bundesrepublik hinein Produkte aus den von euro- dort zu diesem Zeitpunkt mehr als Weltkriegs,als dasDeutsche Reich seine päischenMächten besetzten und ausgebeuteten Gebieten verkauft. ©picture-alliance/imageBROKER 18.000 Deutsche. „Schutzgebiete“ in Afrika, China undder Südsee an die Siegermächte abtreten muss- te,geistertimmer noch dieMär vomdeut- Der Export vonAgrargüternbegründete auf, und am Ende wardie Welt verwest- die Bilder,die wir etwaüber Afrika anferti- EDITORIAL schen Kolonialidyll und denZivilisations- eine neue Dimensiondes Mangels: den licht. gen, erzählen mehr vonuns selbst als von ZITAT DER WOCHE leistungen unserer Vorfahren durch Ge- Hunger. Die Rassenlehre der Kolonialherren sollte unserem Nachbarkontinent: Sie spiegeln schichtsbücher,Zeitungsberichte undTV- Aber die weißenHerrenmenschen konn- „wissenschaftlich“ untermauern, was die unsere rassistischenVorurteile und unseren Dokumentationen. ten nichtalle „Eingeborenen“verhungern Unterworfenen aus ihrer Sicht immer eurozentrischen Überlegenheitsdünkel. Es Eine Frage »Meine Karte Erst in jüngster Zeit beginnen wir,die kol- lassen,denn sie brauchten sie als Lohn- schon waren: Sklaven, Knechte,Diener, ist die Welt des„ewigen Negers“, der nun lektive Amnesie zu überwinden und einen sklaven. Die wichtigstenInstrumente zur Subjekte auf der tiefsten Stufe der Minder- angeblich millionenfach nach Europa auf- vonAfrika neuen Blick auf daswilhelminische Kolo- Umerziehung waren derArbeitszwang wertigkeit. Daserklärte Ziel war, die Be- bricht. der Moral nialabenteuer undseine Spätfolgen zu und dasSteuerdiktat. DieAfrikanerund wohner der Kolonien auf eine höhere Kul- Während historische Darstellungen ge- liegt in werfen.Soist zum Beispiel ein Streitum Afrikanerinnen wurden genötigt, in die turstufe zu heben, und die christlichen schundener Sklavenoder Bilder vonver- VON JÖRG BIALLAS dasBerliner Humboldt-Forum entbrannt, Frondienste der Fremdherrscher zu treten, Missionare übernahmen dabei eine wichti- hungernden Kindern mit Empathie be- Europa.« wo demnächst Sammlungsgut aus kolo- ihre Warenzukaufen, über dieHütten- ge Rolle.Sie trichterten den „Heidenkin- trachtet werden, lösen die aktuellen Fotos Das koloniale Erbe ist kein rühmliches.Nir- nialen Kontexten ausgestellt werden soll, oder Kopfsteuerihre Militär- und Verwal- dern“ westliche Werte ein: Gehorsamkeit, vonAfrikanern,die zu Tode verängstigt auf gendwo auf der Welt. Denn das Muster ist Otto von Bismarck,deutscher Reichskanz- wie es so schön heißt. Die Kritiker dieses tungsapparatezufinanzieren. Die Subsis- Fleiß,Arbeitsdisziplin und natürlich sittli- überfüllten Schiffen im Mittelmeer dahin- überall gleich: Unter dem Vorwand, fernen ler,äußert sich im Jahr 1888 skeptisch zum Prestigeprojekts sprechen tenzgemeinschaftwurde in che Gebote wie die Einehe. treiben, oft nur noch Ländern die Zivilisation zu bescheren, wurden verbreitetenzeitgenössischen Wunsch nach vonRaubgut, daszurückge- eine Arbeitsgesellschaft Man gab vor, die „Eingebo- Furcht und Abscheu aus. die Nationen wirtschaftlichund kulturell hem- deutschen Kolonien. geben werden müsse. Der Kolo- verwandelt, die Geldwirt- renen“ aus der Finsternis Rassistische Man nimmt sie nichtals mungslos ausgebeutet. Ohne Rücksicht auf Dass die Geschichtsverges- schaft verdrängte den her- desUnwissenszuerlösen. Menschen wahr,sondern Leib und Leben der Bevölkerung, ohne Be- senheit allmählich über- nialismus kam kömmlichen Tauschhan- Für die Mehrheit der Afri- Weltbilder als bedrohliche schwarze wusstseinfür das Recht auf eine selbstbe- INDIESER WOCHE wunden wird, zeigen auch del. DiegewaltsameMo- kaner aber wardie Koloni- Masse. Sie werden wie in stimmte Zukunft einer jeden Ethnie,zumal im die Entfernung heroischer für einen be- dernisierung hatte verhee- sierung eine Art Gehirnwä- waren immer der Epoche desKolonialis- eigenen Land. THEMA Denkmälerund dieUmbe- trächtlichen Teil renden Folgen: Landflucht, sche,die ihnen die Africa- da. Jetzt mus dehumanisiert. Die deutsche Kolonialgeschichte macht da kei- Interview Grünen-Abgeordneter Ottmar nennung vonStraßenna- Wanderarbeit, Entwurze- ness ausgetrieben hat, ihre „Absaufen! Absaufen!“, ne Ausnahme.Deutsche Besatzer haben ge- von Holtz im Gespräch Seite 2 men,die Kolonialverbre- der Menschheit lung,die Zerstörung des Identität als Afrikaner.So brechen sie skandierte der Mob,als bei mordet und geplündert, versklavt und gede- cher ehren.Auch die Ent- einem Höllen- traditionellen Lebens. schwand der Rest des hemmungslos einer fremdenfeindlichen mütigt. Historisch Kaiser WilhelmII. wollte einen schädigungsforderungen Zugleichdientendie Kolo- Selbstwertgefühls,das nach Demonstration in Dresden Heute ist zu vernehmen, das sei doch wegen »Platz an der Sonne« Seite 3 ehemaliger Kolonienwer- sturz gleich. nien als Laboratorien der dem Trauma der Sklaverei wieder auf. Fernsehbilder voninSee- der im Vergleich zu anderen Nationen relativ den allmählich ernst ge- Moderne,indenen repres- noch übriggeblieben war: not geratenen Migranten kurzen Kolonialzeit Deutschlands,die zudem Herkunft Provenienzforscher stehen vor nommen. sive Verwaltungsapparate, DasDenken, der Glaube, gezeigt wurden.Ausländer, territorial überschaubar angelegt war, nicht so großen Herausforderungen Seite 8 DieDebatten zeigen allerdings auch, dass polizeistaatliche Methoden und militäri- die Sinne und Wünsche der Menschen „Asylanten“, Flüchtlinge seien uner- schlimm gewesen. hierzulandenoch immernicht richtig ver- sche Strategien erprobt wurden; die Inva- wurden kolonisiert. wünscht, schreitdie rechtspopulistische Wersoargumentiert, dem fehltesentweder Perspektive HilaireMbakop blickt auf standenwird, welche fundamentalen Er- soren bauten Konzentrationslager, trenn- Unterdessen schwindet zwar die politische „Alternativefür Deutschland“, und in der an grundlegenden Geschichtskenntnissen. Kameruns Kolonialvergangenheit Seite 11 schütterungen der deutscheKolonialismus ten Wohngebiete nach Rassen, entwickel- und ökonomische Macht desWestens, aufgewiegelten Bevölkerung dröhnt ein Oder aber,und das ist weit problematischer: im Zuge der europäischen Welteroberung ten Maßnahmen zurBevölkerungskon- doch seine kulturelle Hegemonie wirkt vieltausendstimmigesEcho. Hier soll auf Kosten schon einmal missbrauch- Bundestag Die Parlamentariergruppe ausgelöst hat. Mankannoder will nicht trolle,Sozialhygiene und Seuchenbe- fort. Wir maßen unseine universelle Deu- ter afrikanischer Länder Nationalismus ge- „Südliches Afrika“ im Portrait Seite 14 wahrhaben, dass diese als weltgeschichtli- kämpfung. Siezwangen den annektierten tungshoheit an und sehen die Welt nach Alte Begrifflichkeiten Alte und neue Na- schürt werden. che Heilsmission gerechtfertigte Expansion Gebietendas europäischeStaatskonzept wie vormit dem „imperialen Auge“.Aber zis verwenden wieder ganz selbstverständ- Hierzulande hat es lange,viel zu lange gedau- für einenbeträchtlichen Teil der Mensch- lich Begriffe wie Volk, völkisch, Lebens- ert, bis das begangene Unrecht endlich offi- heit einem Höllensturz gleichkam. raum, Rasse, Rassenkampf. Sie glauben, ziell und deutlich benannt worden ist. Das war MIT DER BEILAGE „Man erzählt mir vomFortschritt und ge- dass dasLeben schwarzer Menschen weni- gewiss kein Ruhmesblatt für die deutsche Poli- heilten Krankheiten“, schreibt der große ger wert sei –angeblich zähle es ja auch in tik. afro-karibische Dichter Aimé Césaire, „ich deren Heimatländern nicht viel. Inzwischen sind wir einen Schritt weiter.Dass aber spreche vonzertretenen Kulturen… Neuerdings wird sogar darüber diskutiert, Verbrechen im Namen der Kolonisation nicht vonTausendenhingeopferten Menschen… ob man afrikanische Migranten unbedingt wiedergutzumachen sind, steht außer Frage. Ichspreche vonMillionen Menschen, de- vordem Ertrinkenretten müsse.Inderart Deshalb soll nun mit der Rückgabe seinerzeit nen mangeschickt dasZittern, den Knie- obszönen Gedankenspielen sind jene ras- geraubten Kulturgutes wenigstenssymbolisch fall, die Verzweiflung eingeprägt hat.“ sistischen Weltbilder zu erkennen, die in deutsche Schuld gesühnt werden. der Kolonialära geprägt wurden.Sie waren Gewiss eine richtige Entscheidung, die aller- Raubwirtschaft Kolonialismusund Impe- immer da. Jetzt brechen sie wieder hem- dings nicht ganz leicht umzusetzen sein wird. rialismus, also dasStreben nach Weltherr- mungslosauf. Bartholomäus Grill T In deutschen Museen lagern Unmengen Expo- schaft, warennach dem Sklavenhandeldie nate afrikanischer Kunst. Wasist davon ge- zweite undentscheidende Phase,inder Der Autor war langjähriger Afrika- stohlen, wasrechtmäßigerworben worden? sich diekapitalistischeRaubwirtschaft glo- Korrespondent des SPIEGEL. 2019 erschien Ist es mit der Rückgabe getan? Oder sollte den balisierte undjeneungleiche Weltwirt- sein Buch „Wir Herrenmenschen. Unser Herkunftsländern zusätzlich Hilfe bei der Prä- schaftsordnung schuf, die denglobalen rassistisches Erbe: Eine Reise in die deutsche sentation der Exponate unter sicherheitstech- Das Parlament Süden bis heute benachteiligt. Der Inbe- Kolonialgeschichte“ bei Siedler. nisch und klimatisch oft schwierigen Bedin- Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH griff dieser Plünderungist die Plantage, gungen angeboten werden? 60268 Frankfurt am Main der kamerunische Philosoph Achille Fragen, die vermutlich in jedem Einzelfall im- Mbembe nennt sie„dasTaufbecken der mer wieder neu zu beantworten sind. Dazu 10302 Moderne“: VoralleminAfrika wurden bedarf es eines Miteinanders von Deutschen Millionen vonKleinbauernenteignet, um und Afrikanern. Eine Zusammenarbeit, die un- Weiterführende Links zu den auf riesigen Flächencashcrops für die »Ich aber spreche von zertretenen Kulturen« –der afro-karibischeDichter Aimé Césaire Themendieser Seite finden ter dem Motto stehen könnte: Moral verjährt 4194560 401004 Märkteder „Mutterländer“ anzubauen. (1913-2008) widersprach der Fortschritts-Lüge der Kolonisatoren. ©Dondero/Leemage Sie in unserem E-Paper nicht. 2 MENSCHEN UND MEINUNGEN Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020

Herr von Holtz, Sie sind in Namibia, sung, die auch nennenswerte Geldleistun- GASTKOMMENTARE ehemals Deutsch-Südwestafrika, geboren gen umfassen sollte. und aufgewachsen und 1984 nach SOLL ES BEWEISUMKEHR BEI RESTITUTION GEBEN? Deutschland ausgewandert, um dem Wie ist es jenseits der Debatte über Wehrdienst bei der südafrikanischen Be- den Völkermordanden Hereround Na- satzungsmacht zu entgehen. In Ihrem »Neue ma um die Aufarbeitung des kolonialen Bürohängt eine übergroße Afrika-Land- Erbes in Deutschland bestellt? karte.Wie eng sind IhreBindungen zu Schlecht. Schon die Kinder erfahren nichts WichtigesSignal Ihrem Geburtsland heute? davoninder Schule und entwickeln daher Meine Herkunft kann ich nicht verleugnen, als Erwachsene kein Verständnis für den ie Kolonisierung und der Wettlauf der auch wenn sie mir nicht sofort anzusehen Umgang mit diesem Teil unserer Geschich- PRO europäischen Institutionen um die ist. Ich habe viel Afrika in meinem Blut te.Wer weiß heute schon, dass viele Gren- Kunst- und Kulturschätze Afrikas war und meinem Wesen und bin oft dort, um Konflikte zen in Afrika während der deutschen Kolo- D nialzeit gezogen wurden? Daswirkt sich eine der größten Plünderungen der Verwandte und Freunde zu besuchen. Menschheitsgeschichte.Andie zwei Millionen Ob- bis heute aus,nehmen Sie Kamerun: Dort jekte liegen allein in deutschen Museen. Zurück- Welche Spuren hat die deutsche Kolo- wurden bei der Grenzziehung die unter- gegeben wurde bislang kaum etwas.Auch in nialzeit von 1884 bis 1915 in Namibia schiedlichsten Bevölkerungsgruppen zu- Deutschland verschanzt sich die Politik hinter dem hinterlassen? sammengewürfelt, heute droht dem Land zutreffenden Hinweis,dass das geltende Recht Viele Gebäude,Straßen und Orte tragen ein verheerender Bürgerkrieg. keine Ansprüche auf Rückgaben vorsieht –und deutsche Namen und es gibt eine große drohen« überlässtesder Einzelfallprüfung der Museen, aus Zahl an deutschsprachigen Namibiern, die Union und SPD haben in ihrem Ko- moralischen Gründen einzelne Objekte zurückzu- in vierter Generation im Land leben.Im alitionsvertrag erstmals festgehalten, geben. Restitution als Akt des Großmuts –dieser öffentlichen Bewusstsein wardie südafrika- dass die Erinnerung an die Verbrechen in erneute Paternalismus der ehemaligen Kolonial- nische Kolonialzeit, die von1920bis 1990 OTTMAR VON HOLTZ Eine Bitte der Kolonialzeit Teil der deutschen Ge- macht ist für afrikanische Länder nur schwer er- andauerte,aber lange dasviel größere The- denkkultur werden soll. Ist das nicht ein träglich. Vordiesem Hintergrund erscheint die For- ma. Dashat sich geändert, nachdem diese um Entschuldigung für den erster,wichtiger Schritt?

at derung von Benedicte Savoy und Felwine Sarr, Epoche weitgehend aufgearbeitet wurde. Natürlich, nur sind diesem Bekenntnis bis- riv Frankreich solle alle Gegenstände aus seinen afri- Inzwischen treibt die deutsche Kolonialzeit Völkermord an den Herero und lang kaum Taten gefolgt. Allerdings geht ©p ChristianeHabermalz, kanischen Sammlungen zurückgeben –bis auf die vorallem die Angehörigen der Herero und dasThema auch so tief, dass wir es nicht in »Deutschlandfunk«, Objekte,bei denen sich klar nachweisen lässt, Nama sehr um.Sie wurden vonden Deut- Nama ist überfällig, meint der einer Regierungsperiode werden abhan- Berlin dass sie nicht gewaltsam geraubt oder unter schen ihresLandesberaubt und fast ausge- deln können.Die deutsche Kolonialzeit Druck abgepresst wurden–nur noch halb so radi- rottet, die Folgen sind bis heute sichtbar. Grünen-Politiker prägt unter anderem unser Afrika-Bild bis kal.Savoy und Sarr setzen dabei voraus,was heute –selbst dasdes Afrika-Beauftragten kaum noch ein Historiker ernsthaft in Frage stellt: Die Gräueltaten gegenüber den der Bundesregierung, Günter Nooke. Wer Dass die Kolonialherrschaft ein System strukturel- Volksgruppen bezeichnet die Bundesregie- meint, dass die Kolonialzeit in Afrika dazu len Unrechts und permanenterGewalt war. Und rung erst seit 2015 als Völkermord. Eine beigetragen habe,„den Kontinent aus ar- sie fordernvon der französischen Politik ein, was offizielle Bitte um Entschuldigung steht chaischen Strukturen zu lösen“, offenbart auch in Deutschland dringend gebraucht wird: Ein aber aus,obwohl sie seit vier Jahren mit ein völlig veraltetes, kolonialistischesDen- Gesetz, das Rückgaben ermöglicht und regelt. Namibia über den Umgang mit diesem ken.Damit sich an solchen Sichtweisen et- Wenn wir es ernst meinen damit, Rückgaben als Genozid verhandelt. Warum tut sie sich was ändert, mussdas Thema auch in den Instrument der Unrechtsbewältigung anzuerken- so schwer? Lehrplänen präsenter werden. nen, müssen wir die Voraussetzung dafür in einem Daswüsste ich auch gern.Die Opferseite Restitutionsgesetz schaffen. Die damit verbundene hat ja klare und nachvollziehbare Erwar- Braucht es einen zentralen Gedenk- politische Debatte im Bundestag wäre zudem ein tungen.Erstensfordert sie,dass wir die Ge- ort für die Opfer des Kolonialismus? Signal an die ehemaligen Kolonien, dass mit der walttaten offiziell als Völkermord anerken- Dasist sehr wichtig, wir Grünen haben da- Restitution auch eine ehrliche Auseinandersetzung nen.Dawäre es sehr hilfreich, wenn der zu schon viele Anträge gestellt. Entschei- mit der eigenen historischen Schuld einhergeht. Bundestag endlicheine Resolution verab- dend ist dabei, dass wir die Betroffenen am schieden würde.Ineinem zweiten Schritt Konzept beteiligen.Nur gemeinsam kön- sollte die Bundeskanzlerin oder der Bun- nen wir dasrichtige Format und die richti- despräsident die Angehörigen der Opfer ge Ansprache finden. VerzerrtesBild um Entschuldigung bitten.Drittenssoll dem ein finanziellesEngagement folgen, Frankreichs Präsident Emmanuel an kennt die Umkehr der Beweis- dasspürbar zu einer Verbesserung der Le- Macron hat angekündigt, Kunstwerke CONTRA last aus der Bekämpfungdes orga- benssituation der Betroffenen führt. aus früheren Kolonien komplett an die nisierten Verbrechens.Diesem Mo- Herkunftsländer zurückzugeben. Ist das M dell entspricht auch die Umset- Die Bundesregierung ist zu allen drei ein Vorbild für Deutschland? zung der 1998 in Washington vereinbartenPrinzi- Schritten grundsätzlich bereit, trotzdem Die Lösung kann nicht sein, die Kunstwer- pien zum nationalsozialistischen Raubgut. Danach ist eine Einigung nicht in Sicht. ke in einen Karton zu packen und nach To- muss die öffentlicheHand den sauberen Erwerb Dasliegt meiner Ansicht nach daran, dass go, Kamerun oder Tansania zu verschiffen. aus den Akten beweisen, denn von 1933 bis 1945 die Bundesregierung allesineinem Paket Wenn wir unsauf diese Weise der Vergan- regierten in Deutschland Staatsverbrecher.Dieses verhandeln will. Aber die Frage der finan- genheit entledigen, besteht die Gefahr, Prinzip nun auf den gesamten Besitz öffentlicher ziellen Wiedergutmachung erschwert die dass wir einen Deckel draufmachen und Museen zu übertragen, müsste in heillose Verwir- Verhandlungen wegen der unterschiedli- unsnicht mehr mit ihr auseinandersetzen. rung führen. Das Geschichtsbild, das sich aus der chen Erwartungen auf beiden Seiten sehr. Eilmes scheinbar rein administrativen Maßnahme ergäbe, Wir sollten deshalb einen Schritt nach dem Wasist die Alternative? wäre so grotesk verzerrt wie das dabei vorausge- anderen tun.Prioritär und absolut überfäl- Wir sollten mit den rechtmäßigen Besit- olfgang

/W setzte Bild vom Sinn und Zweck von Museen. Alle lig ist die Bitte um Entschuldigung, danach zern überlegen, was mit den Werken pas-

oto im Schutz der Kolonialmächte unternommenen Ex- können wir weiter darüber reden, wie eine sieren soll. Außerdem ist ein finanziell gut peditionen würden unterschiedslos als Handlun- Entschädigung aussehen kann.Eseilt, ausgestattetesForschungsinstitutzur deut- .A.Z.-F gen von der Art der nationalsozialistischen Völker- denn leider führt daszögerliche Verhalten schen Kolonialgeschichteüberfällig. Wis- ©F Patrick Bahners, morde deklariert. Nicht nur würde die Regelver- der Bundesregierung bereits zu Verwerfun- senschaftler,Institute und Museen in den »Frankfurter Allgemeine mutung des Raubs die Motive der Sammler in pri- gen und neuen Konflikten in Namibia. einstigen Kolonialstaaten sollten wir unter- Zeitung« mitiver Weise vereinfachen, sie würde auch die Ur- stützen und mit ihnen Projekte zur Erinne- heber der Werkeentwürdigen und moralisch erst Wie macht sich das bemerkbar? rung und Aufarbeitung entwickeln.Esgeht wirklich enteignen. Ihnen wird gar nicht erst zuge- Je länger die Verhandlungen dauern, desto hier um unsere gemeinsame Geschichte, traut, dass sie wussten, wassie taten, als sie die mehr verschlechtert sich vorOrt dasVer- deshalb sollten wir auch eine gemeinsame Produkte ihrer Arbeit aus der Hand gaben, und hältnis zwischen Namibiern und den ©gruene-bundestag.de Erinnerungskultur entwickeln. dass sie dafür einen Gegenwert erhielten. Die Mu- Nachfahren der deutschen Kolonialisten. seumsdepots werden in dieser Sicht zu giganti- Die Spannungen und Ressentiments neh- Das Gespräch führte schen Hehlerlagern.Eine Rückabwicklung aller Er- men auf beiden Seiten zu, so gibt es Dro- vonder Höhe der finanziellen Wiedergut- Viele Hereround Nama fordern indi- Johanna Metz. werbungen würde nur eine neue Klasse von Ei- hungen, die Farmen der Weißen ähnlich machung gibt, die allesübersteigen, was viduelle Entschädigungsleistungen. Wa- gentümern privilegieren, die mit den Hofkünstlern wie in Simbabwe gewaltsam zu überneh- Deutschland stemmen könnte.Erschwert rum schließt die Bundesregierung das ka- Ottmar von Holtz (B90/Die Grünen), untergegangener Reiche nicht mehr verbindet als men.Daentsteht eine sehr konfrontative wird eine Lösung auch, weil sich die ver- tegorisch aus? geboren in Gobabis (Namibia), sitzt die Museen, die zur Herausgabe gezwungen wür- Stimmung, die mich sehr sorgt. schiedenen Herero- und Nama-Gruppie- DasAuswärtige Amt hat möglicherweise seit 2017 im Bundestag und ist Obmann den. Es ist ein Fehler,ein Museum als einen Eigen- rungen nicht immer einig sind; einige Angst voreiner juristischen Festlegung und seiner Fraktion im Entwicklungsausschuss. tümer wie jeden anderen zu behandeln. Museen Die Bundesregierung hat unter ande- misstrauen der namibischen Regierung, möchte keinen Präzedenzfall schaffen. konservieren ihren Besitz im Interesseder Allge- remeine Stiftung zur Aufarbeitung der andere sind Teil der Verhandlungsdelegati- Schließlich hatte Deutschland noch andere meinheit, für zukünftige Besucher aus aller Welt. Kolonialzeit und einen Fonds für Hilfs- on.Das allesändert aber nichts daran, dass Kolonien in Afrika, und auch wenn die projekte in Namibia vorgeschlagen. es zuallererst Aufgabe der Bundesregierung deutsche Kolonialzeit vergleichsweise kurz Reicht das der namibischenSeite nicht? ist, um Entschuldigung zu bitten.Die Un- war, warsie streckenweise sehr heftig. Mir WeiterführendeLinks zu den Mehr zum Thema auf den Seiten 1bis 14. Ich kenne keine konkreten Zahlen, aber einigkeit über die Höhe einer Zahlung soll- als Politiker sind die Begrifflichkeiten nicht Kontakt: [email protected] Themendieser Seite finden ich höre,dass es in Namibia Vorstellungen te nicht zu weiteren Verzögerungen führen. so wichtig. Wir brauchen am Ende eine Lö- Sie in unserem E-Paper

PARLAMENTARISCHES PROFIL Der Chemiker: Karamba Diaby Herausgeber Deutscher Bundestag Fotos Abonnement Platz der Republik1,11011 Berlin Stephan Roters Jahresabonnement 25,80€;für Schüler, Studenten und Auszubildende (Nachweiserforderlich) 13,80€ Mit derständigenBeilage (im Ausland zuzüglichVersandkosten) aramba Diaby wurde 1961 im Senegal geboren –ein Gleichwohl ist festzustellen, dass der Völkermord der deutschen gibt es keine Denkverbote.Aber man muss das mit Respekt Aus Politikund Zeitgeschichte Redaktionsschluss Alle Preise inkl.7%MwSt. ISSN 0479-611 x 03.Januar 2020 Kündigung jeweils drei Wochen vor Jahr,nachdem das Land die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Anfang des 20. Jahrhunderts an den Bevölke- tun“, fordert er.Die Probleme seien nur lösbar,wenn sie nicht (verantwortlich: Bundeszentrale Ablauf desBerechnungszeitraums. Kolonialmacht Frankreich erlangt hatte.„Als ich in rungsgruppen der Herero und Nama im damaligen Deutsch- in einer herabwürdigenden Art und Weise angesprochen wür- Ein kostenloses Probeabonnement für politische Bildung) K die Schule kam, wardas gesamte Schulsystem fran- Südwest-Afrika im öffentlichen Bewusstsein nicht übermäßig den. für vier Ausgabenkann bei unserer Vertriebsabteilung angefordert Druck und Layout zösisch geprägt. Alle Denkmäler im Land erinnertenanFranzo- präsentist. Ja,stimmt der SPD-Politiker zu, es gebe in Sachen Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit etwamit der For- werden. Anschrift der Redaktion FrankfurterSocietäts-Druckerei sen, viele Straßen und Plätze trugen die Namen französischer Erinnerungskultur Defizite.„Äußerungen wie jene von Nooke derung nach einer „Zwei-Kind-Politik“ zu verknüpfen, geht aus (außer Beilage) GmbH &Co. KG Kurhessenstraße 4–6 Namentlich gekennzeichnete Artikel Persönlichkeiten“, erinnert sich der heute 58-jährige SPD-Abge- würde es nicht geben, wenn in Lehrbüchern und in Museen seiner Sicht überhaupt nicht. Es sei eben kein respektvoller Um- Platzder Republik1,11011 Berlin 64546 Mörfelden-Walldorf stellen nichtunbedingtdie Meinung Telefon (030)227-30515 der Redaktion dar.Für unverlangte ordnete,der ganz früh Mutter und Vater verlor,als Waisenkind glasklar eine Erinnerungskultur betrieben würde“, glaubt er. gang, wenn man sagt: „Wenn ihr unser Geld wollt, dürft ihr nur Telefax (030)227-36524 Einsendungen wird keine Haftung in der Familie seiner älterenSchwester aufwuchs und als zwei Kinder haben“. Im Übrigen gebe es die Entwicklungsziele Internet: übernommen. Nachdrucknur mit http://www.das-parlament.de Genehmigung der Redaktion. 24-Jähriger zum Studium in die DDR kam...... der Uno,die als Standards für die Entwicklungszusammenarbeit E-Mail: Leserservice/Abonnement FAZIT CommunicationGmbH Für Unterrichtszweckekönnen Kopien Für Äußerungen, wie jene des Afrikabeauftragten der Bundes- akzeptiert seien. Für Rassismus sei da kein Platz. redaktion.das-parlament@ in Klassenstärkeangefertigt werden. »Sollte es zu bundestag.de c/o InTime Media Services GmbH regierung, Günter Nooke, die Kolonialzeit habe Afrika geholfen, Für ihn als Ostdeutschen –Diaby kam 1985 in die DDR, studier- Postfach 1363 e Entschädigungszahlungen 82034 Deisenhofen sich aus archaischen Strukturen zu befreien, hat Diaby absolut te ab 1986 in Halle Chemie und promovierte später auf dem

Telefon (089)85853-832 kein Verständnis.„Das ist falsch und das Schlechteste,was man Meld kommen, darf dasnicht Gebiet der Geoökologie –ist im Übrigen eines klar: Rassismus Chefredakteur Telefax (089)85853-62832 afrikanischen Völkern gegenüber sagen kann“, findeter. Das er- ist kein ostdeutschesPhänomen. Es sei vielmehr ein allgemei- Jörg Biallas (jbi) E-Mail: dazu führen, dass in [email protected] lebte Unrecht in der Kolonialzeit, als Menschen erniedrigt und nes gesellschaftliches Problem.Menschenverachtende Tenden-

BT/Achim Namibia neue ausgebeutet wurden, könne man nicht schönreden. Ein gesam- zen seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Auch im Stellvertretender Chefredakteur ©D Konflikte entstehen.« Alexander Heinrich (ahe) ter Kontinent sei durch Nookes Aussagen herabgewürdigt wor- Bundestag werden Reden gehalten, die Gruppen herabwürdi- Anzeigenverkauf, den. „Ich wundere mich, dass die Bundeskanzlerin da nicht rea- gen“, beklagt er. Anzeigenverwaltung, „Das Parlament“ giert hat“, sagt er. Die Aufarbeitung der Vergangenheit müsse „auf Augenhöhe“ Der 58-Jährige ist sehr gern Hallenser.„Ich lebe hier seit 34 Verantwortliche Redakteure Disposition ist Mitglied der Claudia Heine(che) FAZIT CommunicationGmbH Informationsgesellschaft Wasden Umgang Deutschlands mit seinem eigenen kolonialen mit den betroffenen Ländern erfolgen. „Es freut mich, dass wir Jahren und habe die Stadt nie länger als vier Wochen am Stück ClausPeter Kosfeld (pk) c/o InTime Media Services GmbH zurFeststellung Erbe angeht, so findet es Karamba Diaby richtig, bei Entschädi- im Koalitionsvertrag verankert haben, dass mehr Geld für die verlassen.“Besonders stolz ist er auf die „starke, wachsame Zi- Hans-Jürgen Leersch (hle) Postfach 1363 der Verbreitung von Johanna Metz(joh) 82034 Deisenhofen Werbeträgern e. V. (IVW) gungsforderungen genau hinzuschauen. SollteeszuZahlungen Provenienzforschung zur Verfügung steht, um die Geschichte vilgesellschaft“inHalle.Das habe sich nach dem Attentat am Kristina Pezzei (pez) Telefon (089)85853-836 –etwainNamibia –kommen, dürfe das nicht dazu führen, aufzuarbeiten“, sagt Diaby. 9. Oktober gezeigt, als ein deutliches Zeichen der Solidarität Sören Christian Reimer (scr) CvD Telefax (089)85853-62836 Fürdie Herstellung der Wochenzeitung Helmut Stoltenberg(sto) E-Mail:fazit-com-anzeigen@ „Das Parlament“ wirdausschließlich dass in dem Land neue Konflikte entstehen. „Dann hätten wir Dass es in der Gegenwart Herausforderungen in Afrika gibt, mit den jüdischen Mitbürgern, aber auch der klaren Ablehnung Alexander Weinlein (aw) intime-media-services.de Recycling-Papier verwendet. nämlich gar nichts bewirkt“, sagt er. müsse zweifellos angesprochen werden, macht er deutlich. „Da von Gewalt gesendetworden sei. Götz Hausding T Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar 2020 KOLONIALES ERBE 3

Propaganda des Reichskolonialbunds in den späten 1930er Jahren (Bild links und in der Mitte), rechts: Koloniendes Deutschen Reiches am Vorabend des Ersten Weltkriegs ©picture-alliance/arkivi Majestät brauchten Sonne

KOLONIEN Im späten 19. Jahrhundert wird Deutschland zur imperialen Macht in Afrika und Asien

er Außenminister trium- Südwestafrika (heute Namibia) und Ostafri- Italien, Portugal und Spanien fast ganz Afri- Beiträge auf den folgenden Seiten 4und 5). Mitteln:Eisenbahntrassen wurden gebaut, junge Weimarer Demokratie eine Hypothek: phiert: Soeben hatte ein ka (in den heutigen Ländern Tansania, Bu- ka unter sich aufgeteilt. Im Ringen um die Mangelnde Professionalität oder fehlendes Unterseekabel verlegt, Schiffspassagen einge- Eine fragwürdige Figur wie Paul vonLettow- Landungskorpsder kaiser- rundi und Ruanda) bis hin zur besagten Ki- vermeintlich letzten unerschlossenen Räu- Interesseder Kolonialgesellschaften am Auf- richtet, Leuchttürme und Wetterstationen an- Vorbeck, der als Kommandeur der Schutz- lichen Marine die Kiaut- autschou-Bucht in China mit der Stadt Qing- me,Einflussgebiete,Rohstoffreservenund bau staatlicher Ordnung führten letztlich da- gelegt, dasSchulwesen und die medizinische truppe eine Blutspur in Ostafrika hinterließ, schou-Bucht besetzt –es dao, nach „Deutsch-Neuguinea“ und bis zu Absatzmärkte und in der Annahme,man zu, dass die „Schutzgebiete“ direkt und for- Versorgung in den Kolonien verbessert. Im in der Einbildung, den Ersten Weltkrieg mit Dist der Auftakt für die In den Inseln in der „Deutschen Südsee“.Die je eigne sich hier „Terra Nullius“, also Nie- mell dem Reich unterstellt wurden.Esist das Reich wurde die Kolonialverwaltung zu ei- seiner Truppe afrikanischer Söldnern („treue - besitznahme an der chinesischen Ostküste. nach Schätzung rund 12 bis 13 Millionen mandsland an, folgte die deutsche Reichsre- Ende vonBismarcks Versuch eines„Kolonial- nem eigenständigen Ministerium aufgewer- Askari“) zu entscheiden, kehrte als „im Felde Bernhard vonBülowwendet sich in seiner „Eingeborenen“ sind keine deutschen Staats- gierung ab 1884 dem britischen Vorbild reichsmit beschränkter Haftung“ (Rudolf tet, es entstanden Hochschulen und For- unbesiegt“ nach Deutschland zurückund Rede im Reichstag im Dezember 1897 indes bürger,sondern Schutzbefohlene desReiches, und stellte überseeische Besitzungen von vonAlbertini). schungsstellen mit Fokus auf die Kolonien – wurde zum prominenten Gesicht desdeut- nicht an China,adressiert werden vielmehr ihnen steht eine privilegierte Minderheit von deutschen Kaufleuten wie dem Bremer Ta- Einen anderen Punkt hatte der Reichskanzler etwazur Untersuchung und Bekämpfung schen Kolonial-Revisionismus.Noch 1940 die europäischen Nachbarn.„Wir empfinden wenigen Zehntausend Deutschen als Kolonis- bakhändler und Kolonial- allerdings hellsichtig er- vonTropenkrankheiten. gehörten dem Reichskolonialbund zwei Mil- auch durchaus nicht dasBedürfnis,unsere ten gegenüber. pionierAdolf Lüderitz un- kannt: Ökonomisch waren Allerdings erreichten die Einheimischen sol- lionen Mitglieder an.Doch die „Lebens- Finger in jeden Topf zu stecken“, sagte der ter den Schutz desReiches. »Wir die Kolonien ein Zuschussge- che Reformgedanken in den kolonialen raum“-Pläne der Nationalsozialisten galten Staatssekretär im Auswärtigen Amt und spä- Roter Adler Bereits im 17. Jahrhundert Der damalige Reichskanz- schäft. Der Handel mit den „Mutterländern“ im Wesentlichen weiterhin bereits nicht mehr Afrika und Übersee,son- tere Reichskanzler.Die Zeiten allerdings,wo hatte unter Kurfürst Friedrich Wilhelm von ler,Otto vonBismarck, verlangen deutschen Kolonien blieb als Arbeitszwang, so hat es der Historiker dern zielten vorallem auf den Osten der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Brandenburg ein deutscher Teilstaat Schutz- blieb freilich skeptisch: „Ih- auch ein verschwindend geringer Dirk vanLaak festgehalten.Das Deutsche Europas. Erde überließ,dem anderen dasMeer und verträge in Übersee geschlossen –mit der re Karte vonAfrika ist ja Teil desdeutschen Außen- Reich schrieb sich auf die Fahnen, in seinen Für Deutschland wie für andere Kolonial- sich selbst den Himmel reservierte –diese Folge,dass unter anderem 1683 am Kapder sehr schön, aber meine Kar- unseren handels,die Einnahmen Kolonien die Sklaverei abzuschaffen.Über mächte standen beim „Wettlauf um Afri- Zeiten seien vorüber.„Wir wollen niemand Drei Spitzen (im heutigen ) der rote te vonAfrika liegt in Platz an der blieben in aller Regel unter die Existenz vonSklaveninOstafrika, die ka“ und der bei der Ausdehnung nach in den Schatten stellen, aber wir verlangen Adler gehisst und die KolonieGroß Fried- Europa“, notierte er in ei- den Kosten für Verwaltung sich im Besitz afrikanischeroder arabischer Asien weniger eine wie auch immer ge- auch unseren Platz an der Sonne.“ richsburg als eine Drehscheibe desSklaven- nem Brief an den vonKolo- Sonne.« und Unterhalt der kolonia- Eliten befanden, sah man ebenso hinweg strickte „Mission civilisatrice“ im Vorder- Das1871gegründete Deutsche Reich ist eine handels errichtet wurde.Allerdings waren nisation begeistertenJour- Bernhard von Bülow, len Besitzungen. wie über den Import chinesischer Tagelöhner grund, es ging vorallem um Absatzmärkte, aus Sicht vieler Deutscher „zu spät gekomme- die finanziellen und militärischen Möglich- nalisten Eugen Wolf. Für Reichsaußenminister Auch der Wettlauf der Euro- („Kulis“). Rohstoffe,umgeopolitische Präsenz. Es sei ne Nation“ im Konzert der europäischen keiten der Hohenzollern für solche Unter- Bismarck stand die Siche- päer um die Trophäe der „ef- ein Irrtum, zu glauben, die Kolonialpolitik Mächte,die seit der Entdeckung Amerikasim nehmungen damals zu begrenzt, die Kolo- rung desErreichten, die so- fektivsten“ Kolonialmacht Hypothek Mit dem Ende desErsten Welt- bezwecke allein die moralischeund mate- ausgehenden 15. Jahrhundert in wechseln- nie wurde nach 35 Jahrenandie niederlän- eben errungene nationale Einheit, im Vor- änderte wenig an dieser Bilanz. Bei der Berli- kriegs verlor Deutschland seine Schutzgebie- rielle Hebung fremder Volksstämme,no- den Kräfteverhältnissen weite Teile der Welt dische Westindien-Compagnie verkauft. dergrund. Dasdeutsche „koloniale Experi- ner Kongokonferenz 1884/85 verständigten te,die nun Mandatsgebiete desVölkerbun- tierte Ostafrika-Pionier Carl Petersinder unter ihre Kuratel gestellt hatten.Imimperia- Im großen Maßstab setzte deutschesKolo- ment“ warfür ihn allenfalls als Einrichtung sich die Beteiligten darauf, dass Kolonisie- deswurden.Als demütigend empfanden es „Kolonial-Politischen Korrespondenz“ im len Wettlauf des19. Jahrhunderts avanciert nialmachtstreben dann im 19. Jahrhundert vonMarine-Stützpunkten und durchdas rung nur noch „effektiv“ zulässig sein sollte, damals viele Deutsche,dass die Siegermäch- Jahre 1886. „Sie soll weitblickend genug der Nachzügler innerhalb weniger Jahrzehnte mit dem „Wettlauf um Afrika“ ein, den der Verteilen vonSchutzbriefen an private Han- also in staatlichen Bahnen stattzufinden ha- te ihnen die Fähigkeit zur Kolonisierung ab- sein, um sich diese Aufgabe als ein hervor- zum flächenmäßig drittgrößten und bezogen Historiker Jürgen Osterhammel einmal als delsgesellschaften denkbar, die rudimentäre be als „Mittel zur Hebung der sittlichen und sprachen.ImMärz 1919 forderte die Weima- ragendesMittel zum Zweck zu stellen.Die- auf die Einwohnerzahl viertgrößtenKolonial- „einzigartigen Vorgang der zeitlich konzen- staatliche Aufgaben übernehmen sollten. materiellen Wohlfahrt der eingeborenen Völ- rer Nationalversammlung mit breiter Mehr- ser ist und bleibt aber schließlich die rück- reich.AmVorabend desErsten Weltkriegs rei- trierten Enteignung einesKontinents“ be- Gerade diesesFehlen hinreichenderstaatli- kerschaften“.Inden Mittelpunkt rückte die heit –aber ohne Folgen –die „Wiedereinset- sichtslose und entschlossene Bereicherung chen die sogenannten deutschen Schutzge- zeichnet hat. Bis 1914 hatten Belgien, cher Strukturen konnte indesRäume exzes- infrastrukturelle Aufwertung der Kolonien zung Deutschlands in seine kolonialen Rech- deseigenen Volkesauf anderer schwäche- biete vonTogo und Kamerun in Westafrika, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, siver kolonialer Gewalt öffnen (siehe die mit wissenschaftlichen und industriellen te“.Die einstigen Kolonien blieben für die rer Völker Unkosten.“Alexander Heinrich T

Anzeige »Die Bürde des weißen Mannes« Im deutsch- und englischsprachigen Raum einzigartig: MISSION EuropäischeMächte rechtfertigten ihre Eroberungen mit einem selbst erteilten Zivilisationsauftrag Das Handbuch zur politikwissenschaftlichen 1879 kursierte unter deutschen Bankiers, In- nisierten. Weit verbreitet waretwadie Klage tellektuellen, Geschäftsleuten und Militärs über die vermeintlicheUndankbarkeit der Einstellungs- und Verhaltensforschung die Schrift einesgewissen Friedrich Fabris: Einheimischen in den kolonisierten Räu- Unter der rhetorisch formulierten Frage: men, die sich dem europäischenZivilisie- „Bedarf Deutschland der Kolonien?“ mach- rungsprojekt durch fehlende Arbeitsmoral te sich der Direktor der RheinischenMissi- oder Ineffizienz widersetzen würden.Von Politikwissenschaftliche on in BarmenGedanken über die Expansi- solchem Denken waresletztlich nicht weit Einstellungs- und on desDeutschen Reiches, daserzur „Cul- zur Annahmeeiner „rassisch“ bedingten tur-Mission“ geradezu berufen sah.„Die Hierarchie der Menschheit –und zum Aus- Verhaltensforschung Zeiten, in denen Deutschland fast nur bruch exzessiver Kolonialgewalt in der Be- Handbuch für Wissenschaft und Studium durch intellektuelle und literarische Thätig- hauptunggegen alles„Chaotische“ und Herausgegeben von Prof. Dr. Thorsten keit an den Aufgaben unseresJahrhunderts „Wilde“. Faas, Prof. Dr. Oscar W. Gabriel und mitgearbeitethat, sind vorüber.“ Ein Volk, Wie klaffend groß die angenommene An- Prof. Dr. Jürgen Maier dasauf die Höhe politischer Macht-Ent- Zeitgenösssische Darstellung des Sturms eines deutschen Landungskorps an der Küste dersartigkeit noch um die Wende zum 2020, 718 S., geb., 98,– € wicklung geführt sei, könne nur so lange Kameruns im Dezember 1884 ©picture-alliance/dpa/akg-images 20.Jahrhundertwar,zeigen die Haager Frie- seine geschichtliche Stellung mit Erfolg be- denskonferenzen, deren Ergebnis,die Haa- ISBN 978-3-8487-2175-7 haupten, als es sich als Träger einer „Cultur- ger Landkriegsordnung, sorgfältigzwischen nomos-shop.de/25071 Mission“ erkenne und beweise,argumen- treibende Kraft desFortschritts und der Zi- Der schnöde imperiale Griff nach fremden Kombattanten(Angehöriger staatlicher tierte Fabri und schloss mit einem Zitat des vilisation –und diese Selbstbeschreibung Territorien ließ sich in den bürgerlichen Streitkräfte) und Nicht-Kombattanten (Zivi- französischen Wirtschaftswissenschaftlers schlug durch auf den Blick auf die außer- und adligen Salonsdenkenals geradezu he- listen, Sanitäter) unterschied: Bereits in der 30 BeiBeitrträge bieten einen umfassenden Überblick über die Theorien und Be- Paul LeroyBeaulieu: „Diejenige Nation ist europäischen Kulturräume.Bestand nicht roischer Akt der Übernahme einer Vor- Präambel wurde dieser bedeutende Fort- funde der politikwissenschaftlichen Einstellungs- und Verhaltensforschung, die größte in der Welt, welche am meisten geradezu eine ethische Verpflichtung, dass mundschaft durch dashochentwickelte schritt deshumanitärenVölkerrechts ein- untergliedert in die Bereiche „Politische Kommunikation“, „Politische Einstel- colonisirt; wenn sie es heute nicht ist, wird jener Teil der Menschheit, der an der Spit- Europas, als „Bürdedes weißen Mannes“, schränkt auf die Bevölkerungen „gesitteter lungen“, „Politische Partizipation“, „Wählerverhalten“ und „Methoden“. sie es morgen sein.“ ze desFortschritts marschiert, den anderen wie es in einem Gedicht desBriten Rudyard Staaten“. ahe T Die „Unterwerfung der Welt“ (Wolfgang Teil der Menschheit an den Segnungen Kiplingheißt. Kolonialisierung wurde nicht Nomos Reinhardt) durch europäische Mächte seit diesesFortschritts teilhaben lässt? „Koloni- erfasstals mehr oder weniger gewaltsames eLibrary www.nomos-elibrary.de dem ausgehenden Mittelalter warspätes- alherrschaft wurde als Geschenk und Gna- Oktroyieren einer fremden Ordnung, son- tensim18. Jahrhundert mit einem bemer- denakt der Zivilisation verherrlicht, als ei- dern als in wilden Zuständen Ordnung Portofreie Buch-Bestellungen unter www.nomos-shop.de Nomos kenswerten Sendungsbewusstsein verbun- ne Art vonhumanitärer Dauerinterventi- überhaupterstschaffende Kraft –fußend WeiterführendeLinks zu den Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer den.Europa, Ort der industriellenUmwäl- on“, schreibt der Historiker Jürgen Oster- auf der Annahme einer „anthropologischen Themendieser Seite finden zungen und der Revolutionen, sah sich als hammel. Andersartigkeit“(Osterhammel) der Kolo- Sie in unserem E-Paper 4 KOLONIALES ERBE Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020

Krieg ohne Tabus

VÖLKERMORD Bei der Nieder- schlagung afrikanischer Widerstands- bewegungen in den deutschen Kolonien waren extremer militärischer Gewalt keinerlei Grenzen gesetzt

Der Krieg der deutschen Kolonialmachtgegendie Hereros war im Februar 1904 auch Thema einer IllustrationimPariser „Petit Journal“. ©picture-alliance/akg-images

nzweigroßen Kolonialkriegen die Afrikaner.Indieser strukturellen Un- den afrikanischen Soldaten gegen die Ge- nehmenden Meldungen über kleinere Wi- Doch ein genauerer Blick auf den Ablauf Herero und Nama an systematischer Ver- schlug dasdeutsche Kaiserreich in gleichheit lagen die Ursachen desWider- wehre der Kolonialtruppe Unverwundbar- derstandsbewegungen im Süden zunächst beider Kriege zeigt auch, dass die Kämpfe nachlässigung. Die Lager waren nicht nur Afrika Widerstandsbewegungen nie- standesund damit der Kolonialkriege, keit garantieren sollte.ImNamen desKul- unterschätzt. So waren in beiden Kolonien in Deutsch-Südwestafrika für den General- vonmilitärischen, sondern auch vonzivi- der: von1904bis 1907 in Deutsch- wenn auch die jeweiligen Anlässe unter- teswurde ein Netzwerk geschaffen, in dem bei Beginn der Kriege kaum Schutztruppen stab in Berlin eine andere Bedeutung hatte len Stellen geführt worden. Südwestafrika –dem heutigen Na- schiedlich waren. Amulette ebenso weitergegeben wurden vorOrt, weshalb die Afrikaner zunächst als die in Deutsch-Ostafrika. So waren viel Imibia –sowie von1905 bis 1908 in Deutsch-Südwestafrika war1884 zur deut- wie kriegswichtige Informationen. große militärische Erfolge verbuchen mehr Soldaten aus der Metropole einge- Sonderstellung Der Kolonialkriegin Deutsch-Ostafrika, dasetwadas Gebiet der schen Kolonie geworden und vonGouver- Gemeinsam warbeiden Kriegen, dass sie konnten.InDeutsch-Südwestafrika bela- setzt worden.Nach und nach stieg ihre Deutsch-Südwestafrika nimmt in dem ak- heutigen Staaten Tansania, Burundi und neur Theodor Leutwein ab 1894 als Sied- für die deutsche Kolonialherren überra- gerten die Herero größere Ortschaften und Zahl auf 14.000 Mann an.Dagegen kämpf- tuellen wissenschaftspolitischen Diskurs Ruanda umfasste.Beide Kriege wurde von lungskoloniekonzipiert worden.Aus die- schend gekommen waren.InDeutsch-Süd- unterbrachen die Eisenbahnlinie vonSwa- ten in Deutsch-Ostafrika überwiegend As- insofern eine Sonderstellung ein, als nur er Seiten der deutschen Truppe mit großer sem Grund waren Herero und Nama zu- westafrika mochte Theodor Leutwein kopmund nach Windhoek. In Deutsch- kari, daswaren afrikanische Soldaten in als Genozid bezeichnet wird. Es stellt sich Brutalität gegen die einheimische Bevölke- nehmend enteignet worden und ihr Land kaum glauben, dass Samuel Maharero, mit Ostafrika breitete sich der deutschen Diensten. die Frage,warum die beiden Kolonialkrie- rung geführt. Der Ausübung extremer mili- in die Hände deutscher Siedler übergegan- dem er ein in seinen Augen freundschaftli- Krieg, ausgehend vonden In Deutsch-Südwestafrika ge so unterschiedlich eingeordnet werden. tärischer Gewalt waren keinerlei Grenzen gen.Die Situation der Herero verschärfte chesVerhältnis pflegte,den Krieg begon- Matumbi-Bergen, sehr Für die warzudem dasmilitärische In Deutsch-Südwestafrika kamen mindes- gesetzt, da kein Mittel der Kriegführung ta- sich durch eine Malaria-Epidemie,eine nen hatte.InDeutsch-Ostafrika hatte Gus- schnell in Richtung Norden Oberkommando im Juni tens70.000 Einheimische umsLeben; für buisiert war, auch nicht dasdes Völker- Rinderpest und die Einführung einer neu- tavAdolf vonGötzen die im Sommer zu- aus. Einheimischen 1904 an Generalleutnant Deutsch-Ostafrika belaufen sich die Schät- mords.Ein Genozid warinKolonialkrie- en Kreditverordnung. Hingegen fühlten Eine weitere Gemeinsam- Lothar vonTrotha gefallen, zungen auf durchschnittlich 300.000 To- gen immer möglich. sich in Deutsch-Ostafrika, das1885 in keit war, dass beide Koloni- war die der dem Kaiser und dem desopfer.Doch Opferzahlen helfen nur be- deutschen Besitz genommen worden war, alkonflikte als konventio- Kolonie ein Ort Generalstab in Berlin als dingt weiter.Inabsoluten Zahlen ausge- »Züchtigungsrecht« Die Kolonien befan- die im Süden der Kolonie lebende Bevöl- nelle Kriege begonnen hat- Hardliner bekannt war. drückt wurden im Majimaji-Krieg wesent- den sich insofern in einer permanenten kerung durch die Einführung einer Kopf- ten und dann in einen alltäglich Nach dem Scheitern der lich mehr Menschen getötet als in Kriegssituation, als die Kolonialherren bei- steuer im März 1905 in ihrer Existenz be- Guerillakrieg übergegangen erfahrener Vernichtungsschlacht am Deutsch-Südwestafrika, wo selbst bei nied- nahe täglich lokalen Widerstand bekämp- droht. Hinzu kam der vonGouverneur waren.Dieser warweder Waterberg im August 1904 rigsten Schätzungen 50 bis 60 Prozent der fen mussten.Ein großer Kolonialkrieg ent- GustavAdolf vonGötzen festgeschriebene durch Massenheere noch Gewalt. ordnete vonTrotha die Herero und Nama ums Leben kamen.Viel- stand immer dann, wenn sich die kriegeri- Arbeitsdienst für afrikanische Männer auf durch Offensiven oder Stel- rücksichtslose Verfolgung mehr mussder jeweilige Kriegsschauplatz schen Handlungen über längere Zeit hin- den Baumwollpflanzungen der deutschen lungskriege gekennzeich- der fliehenden Herero in und dessen Bedeutung im zeitgenössischen zogen, die Kämpfe sich räumlichausdehn- Administration. net, sondern durch Terror und Gegenterror, der Omaheke-Wüste an.ImOktober 1904 nationalen und internationalen Diskursfo- ten und Truppen aus der Metropole zum Während in Deutsch-Südwestafrika im Ja- Abschreckung und Demoralisierung. Um verkündete er dann die sogenannte Ver- kussiert werden: Vonder zivilen und mili- Einsatz kamen.Für die Einheimischen war nuar 1904 zunächst die Herero den Krieg diesen Krieg zu beenden, wandten die nichtungsproklamation, nach der keine tärischen Führung als Siedlungskolonie ge- die Kolonie ein Ort alltäglich erfahrener begonnen hatten und sich die Nama erst deutschen Truppen die alle Ressourcen zer- Gefangenen gemacht werden sollten und plant, aus der die Afrikaner verschwinden Gewalt. Zum Sinnbild hierfür ist in den im Oktober anschlossen, verbündeten sich ce/akg-images störende Strategie der verbrannten Erde an selbst Frauen und Kindern keine Gnade ge- sollten, wurde Deutsch-Südwestafrika zu deutschen Kolonien in Afrika dassoge- in Deutsch-Ostafrika im Kampf gegen die und begangen Gewalthandlungen in Form währt werden sollte.Die Proklamation einem Ort desGenozid. Susanne Kuß T e-allian nannte „väterliche Züchtigungsrecht“ ge- deutschen Kolonialherren vonAnbeginn vonRequisitionen, Kontributionen, Plün- wurde zwar wenige Wochen später auf An- ictur worden.Das koloniale Rechtssystem, ba- sehr unterschiedliche ethnische Gruppen. derungen, Vergewaltigungen, Massakern, ordnung desKaiserszurückgenommen, Die Autorin ist Geschichtsprofessorin ©p sierend auf rassistisch-dehumanisierendem Daseinheitsstiftende Element warder Kult Samuel Maharero(1856 bis 1923) war Kettenhaft, Hinrichtungen, Internierungen doch in den daraufhin gebauten Gefange- an der Pädagogischen Universität Denken, schützte die Weißen, nicht aber um dasMajimaji (Swahili für Wasser), das Oberhäuptling der Herero. in Gefangenenlagern sowie Deportationen. nenlagern starben viele der inhaftierten Freiburg. Die Macht des Skandals REICHSTAG Abgeordnete rückten Missstände der deutschen Kolonialpolitik insBewusstsein der Öffentlichkeit. Die Debatten stärkten auch den Einflussdes Parlaments

Im Februar 1894 erschien der Sozialdemo- habe sieben Männer wegen Nichtigkeiten leitenden Kolonialbeamten und waren er- 1904 führte er im Reichstag die Aufstände überzogener Socken- und Schuhpreise. In Nach den Skandalen lehnte der Reichstag krat August Bebel mit einer „Nilpferdpeit- aufhängen lassen.Und sein Parteigenosse schüttert, dass Beamte durch sadistische der Hererosauf „Misshandlungen Hamburgs Kneipen kommentierten dies im Dezember 1906 nach langer Debatte sche“ im Reichstag. Mit ihr veranschaulich- Georg vonVollmar wiesauf einen deut- Taten selbst zu „Wilden“ wurden.Sover- schlimmster Art“ und „sittliche Verfehlun- die Gäste laut Spitzelbericht: „Erzberger ist die Haushaltsmittel für die Kriegsführung te er seinen Vorwurf, dass deutsche Koloni- schen Bahnangestellten hin, der „nachts merkten sie nach Bebels Reichstagsrede gen der Weißen gegen Hererofrauen“ zu- ein Mann, der mir gefällt. Er sucht alle in Deutsch-Südwestafrika ab.Reichskanzler albeamte brutal nackte Afrikanerinnen gewaltsam in die Häuser desNegerdorfes 1896: „Wenn man die Aufzeichnungen rück. Aber öffentlich setzten sich eher Nar- Fehler aufzudecken und zu besprechen.“ Bernhard vonBülowreagierte mit der Auf- blutig auspeitschen ließen.Auch andere drang, ‚um sich Weiber zu holen’“.Im vonB.[Bebel] lese,sodenke man, es könn- rativedurch, die die Gewalt vonChinesen Die Folgen dieser Kolonialskandale 1906 lösung desParlaments und Neuwahlen. Abgeordnete griffen nun Zeitungsmeldun- März 1896 gelang Bebel sein bisher größ- te gar nicht möglich sein, dass Deutsche so oder Afrikanern gegen europäische Frauen waren nachhaltig und unterstrichen aber- Diese gingen als „Hottentottenwahlen“ in gen auf, die über harte Körperstrafen und ter Coup im Reichstag. Detailreich ausge- handeln können, aber man müsste es glau- vermittelten.Selbst ein kolonialkritischer mals die neue Macht vonReichstag und die Geschichte ein, da die Kolonialpolitik den sexuellen Missbrauch vonAfrikanerin- schmückt beschrieber, wie der deutsche ben, da es ja nicht die ersten Fälle von Abgeordneter wie MatthiasErzberger Öffentlichkeit. Die Korruptions- und Mo- ganz im Mittelpunkt desWahlkampfes nen berichtet hatten.Damit eröffneten sie Kolonialheld Carl Peterssich eine Afrika- Grausamkeiten sind.“ stimmte 1904 den Mitteln für den Trup- nopolvorwürfe führten zur Kündigung der stand. Dass sich hier der „Bülow-Block“ einen Reigen vonKolonialskandalen, die nerin als „Beischläferin“ gekauft und dann Diese Reichstagsdebatten Mitte der 1890er peneinsatz gegen die Hereroszu, weil „ei- Lieferverträge mit Woermann und Tippels- aus Konservativen und Liberalen behaup- Reichstag und Öffentlichkeit die nächsten habe hängen lassen, als sie ein Verhältnis Jahre hatten Folgen: Die körperlicheBe- ne deutsche Frau, die diesen Unmenschen kirch. Auch die personellen Folgen waren ten konnte,lag auch daran, dass der Kanz- Jahrzehnte beschäftigen sollten. mit seinem Diener hatte.Als Quellen strafung der Afrikaner, die in der öffentli- in die Hände fällt, voneinem ganze Dorf erheblich: Der Gouverneur vonTogo, Wal- ler nach den Skandalen für Reformen ein- Bislang hatten vorallem die Sozialdemo- nannte Bebel vorallem chen Diskussion weiterhin missbraucht wird, worauf demar Horn, verlor bereits getreten war. kraten im Rahmen der Budgetdebatten im- kirchliche Kreise,umauch mehrheitlich als notwendig man sie förmlich hin- 1905 seinen Posten, ebenso mer wieder die hohen Kosten desKolonia- katholische und konserva- Die Vorwürfe erschien, wurde offiziell auf schlachtet“. Der Reichstag dann der Direktor der Ko- Eng verflochten Insgesamt zeigte sich, lismus moniert, ohne großesGehör zu fin- tiveAbgeordnete zu über- dasMaß der Briten redu- Einen starken kolonialpoli- lonialabteilung, Oskar dass der Reichstag zu einer gewissen Ein- den.Die nun erhobenen Vorwürfe sorgten zeugen.Die prinzipielle sorgten für ziert, stärker normiert und tischen Einflusserreichte konnte zu Stuebel, und 1907 der Gou- dämmung kolonialer Gewalt im späten dagegen für eine breite emotionale Empö- Bestätigung durch dasKo- kritischer öffentlich beob- der Reichstag durch neue verneur vonKamerun, Jes- Kaiserreich beitragen konnte.Zudem stärk- rung über die Praktiken desKolonialismus, lonialamt führte laut Pro- eine breite achtet. Ebenso kam es dank Skandale 1905/06. Voral- einer gewissen ko vonPuttkamer.Der ten die Skandale die SPD, da sie Feindbil- die auch Teile der Zentrumspartei und der tokoll zu „stürmischen Un- Empörung der Skandale zur Umstruk- lem sozialdemokratische Eindämmung spektakulärste Rücktritt in- der über die Doppelmoral adliger und bür- Linksliberalen erreichten.Dadurch gewann terbrechungen“. turierung der Kolonialver- und freisinnige Reichstags- folge der Skandale warder gerlicher Eliten reaktivierten und einen der Reichstag über dasBudgetrecht hinaus Diese oft monatelangen über die waltung und Versorgung. abgeordneten brachten er- kolonialer desStaatssekretärsund Schulterschlusszum Zentrum und den neue Macht in der Kolonialpolitik. Dass in Berichte über die Kolonial- Praktiken des Allerdings führten die äu- neut zahlreiche Fälle grau- Gewalt preußischen Landwirt- Linksliberalen schufen.Die Skandale zei- Ostafrika weiterhin Sklaverei herrschte und skandale, die Karikaturen, ßerst brutal geführten an- samer Prügelstrafen und schaftsministersVictor von gen dabei, wie eng verflochten Politik und eine brutale Ausbeutung der „Schutzbefoh- Parlamentsdebatten und Kolonialismus. schließenden Kriege in den sexueller Normbrüche beitragen. Podbielski, nachdem sich Massenmedien bereits damals agierten: lenen“, wurde nun breit diskutiert. Prozessezwangen die brei- Kolonien kaum zu wir- durch deutsche Kolonial- der Verdacht auf Vorteils- Vorwürfe wurden wechselseitig aufge- So brachte Bebel im März 1895 im Reichs- tere Öffentlichkeit, sich kungsmächtigen Skanda- beamte auf. Der Zentrums- nahme und Korruption er- bracht, aufgegriffen und verstärkt. Die Re- tag vor, ein Gouverneur Deutsch-Ostafrikas über die kolonialen Praktiken ein Urteil zu len.Die Sozialdemokraten protestierten er- abgeordnete MatthiasErzberger prangerte härtete.Durch seine kommunikative den im Reichstag richteten sich über die bilden.Selbst in den Kneipen diskutierten neut. Nach der Niederschlagung desBoxer- die Bereicherung vonHandelsfirmen wie Macht konnte der Reichstag damit durch- Medien an die ganze Nation und die Welt- die Arbeiter dank der Reichstagsdebatten aufstandesinChina 1900 lasBebel im Woermann und Tippelskirch an, die dank aus Einflussauf die Regierung nehmen. öffentlichkeit und wurden entsprechend über die Kolonien, wie Spitzelberichte be- Reichstag etwaeinzelne Passagen aus Be- korrupter Verflechtungen mit Beamten Neu an die Spitze der Kolonialabteilung intensiv rezipiert. Frank Bösch T legen: Es sei „unglaublich, wenn man hört, richten vonSoldaten über den brutalen überhöhte Preise verlangten.Dank seiner trat der liberal orientierten Bernhard Dern- wie die höheren Beamten dort über Leben Einsatz vor: „Alleswas unsinden Weg Arbeit in der Budgetkommission präsen- burg, der eine verstärkte Untersuchung, Der Autor ist Professor für europäische Weiterführende Links zu den Themendieser Seite finden und Todder Menschen urteilen“. Andere kam, ob Mann, Frau oder Kind, alleswur- tierte er souverän Finanzbilanzen, die er in Disziplinarverfahren und Reformen einlei- Geschichte des 20. Jahrhunderts Sie in unserem E-Paper klagten über die geringen Strafen für die de abgeschlachtet“, hieß es etwahier.Und plastischen Bildern beschrieb,etwaanhand tete. an der Universität Potsdam. T Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar 2020 KOLONIALES ERBE 5

ima Luipert steht mit den Füßen wichtige Punkte geeinigt haben.Ihrer Vor- im Sand, den Blick für ein Foto stellung nach soll die Bundesregierung ernst in die Kamera gerichtet. mithilfe einesFonds die Entwicklung der Rund um ihre Schuhe ragen Ge- Herero- und Nama-Gebiete besondersun- Ssichter aus Tonaus der Erde,sie terstützen.Eine gemeinsame Stiftung soll sehen aus wie Totenmasken. Verdrängter Genozid Austausch und Aufarbeitung fördern, Hil- „Der Völkermord an den Herero und Na- fen für eine dringend notwendige Landre- ma wurde lange geleugnet. Dasmussauf- form fließen.Auch mehr Rückführungen hören“, sagt sie leise,während sie behut- vonGebeinen nach Namibia sind geplant. sam um die Köpfe herumläuft, die eine DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKA Der Völkermord an den Herero und Nama „Wir wollen unssubstanziell und langfris- Künstlerin aus Namibia in der Berliner tig finanziell engagieren“, versichert Po- Akademie der Künste im Sand vergraben im heutigen Namibia ist bis heute nicht aufgearbeitet. Der Regierungsdialog lenz. Doch der Teufel steckt im Detail. So hat. Sie sollen an den Genozid vormehr seien die Vorstellungen über die Summe als hundert Jahren im damaligen Deutsch- zieht sich seit vier Jahren hin, bei den Nachfahren schwindet die Geduld „nicht deckungsgleich“, sagt Polenz. Der Südwestafrika erinnern. Grünen-Abgeordnete Ottmar vonHoltz Für Luipert, geboren in Namibia und Vize- spricht vonfinanziellen Forderungen der Vorsitzende desVerbands der traditionel- Regierung in Windhoek, „die allesüber- len Nama-Führer (NTLA), ist es der erste steigen, was Deutschland stemmen könn- Besuch in dem Land, dessen Vorgänger- te“ (siehe Interviewauf Seite 2). Eine mög- staat, dasDeutsche Kaiserreich, verantwort- liche Erklärung dafür hat Reinhart Kößler lich ist für den tausendfachen Mord an ih- parat: „Namibia ist in einer prekären rem Volk. Unter dem Motto „Nicht über Haushaltslage.Offenbar hofft der ein oder uns, sondern mit uns!“ wird sie in den fol- andere Regierungsvertreter,diese zu verbes- genden zwei Wochen zusammen mit der sern.“ Herero-Aktivistin Esther Utjiua Muinjan- gue durch Deutschland reisen, um den »Keine Rechtsfrage«Sima Luipert kann Forderungen ihrer Stämme Nachdruck zu über all dasnur den Kopf schütteln.Sie verleihen: „Die Bundesregierung mussden und andere Stammesvertreter lehnen allge- Völkermord an den Herero und Nama offi- meine Hilfen an den namibischen Staat ziell anerkennen und dafür um Entschuldi- ohnehin ab,sie wollen individuelle Wie- gung bitten.“ Mit Blick auf die seit 2015 dergutmachung in Form vonReparatio- zwischen Deutschland und Namibia lau- nen.Doch die schließt die Bundesregie- fenden Regierungsverhandlungen zur Auf- rung kategorisch aus.„Es geht hier um eine arbeitung ergänzt sie: „Die Bundesregie- politisch-moralische Frage und nicht um rung mussvor allem endlich mit den Be- eine Rechtsfrage“, erklärt Polenz. Schließ- troffenen verhandeln und nicht mit einem lich habe die Völkermord-Konvention von Staat, der niemals Teil desProblemswar.“ 1948 keine Rückwirkung. Bei den Nachfahren der Opfer schwindet DasdiplomatischeTauziehen um die Auf- die Geduld. Denn vier Jahre nach Beginn arbeitung desVölkermords setzt sich damit desDialogs mit Namibia und fast zwölf fort. Ausgangspunkt dafür wareine Ent- Jahrzehnte nach dem für die Wissenschaft schließung desBundestages, in der die Ab- ersten Völkermord des20. Jahrhunderts geordneten 1989 erstmals die besondere sind beide Forderungen nicht erfüllt. historische und politische Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia beton- »Behandelt wie Tiere« Die Wunden sitzen ten, ohne jedoch vonVölkermord zu spre- tief. Der vonden deutschen Kolonialher- chen.Seither sind Entwicklungsgelder im ren verübte Genozid hat zwischen 1904 Umfang vonfastzweiMilliarden Euro in und 1908 schätzungsweise 80.000 Herero dasLand geflossen.Doch erst im Jahr 2004 und 20.000 Nama in Deutsch-Südwestafri- sprach ein Mitglied der Bundesregierung, ka dasLeben gekostet. Sie starben in eigens die damalige Bundesentwicklungsministe- errichteten Konzentrationslagern, wurden rin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), in willkürlicherschossen oder erhängt oder Namibia den vonden Herero und Nama verdursteten in der Omaheke-Wüste,indie so lang ersehnten Satz aus: „Die damaligen der damalige Gouverneur der Kolonie,Ge- Gräueltaten waren das, was heute als Völ- neralleutnant Lothar vonTrotha, Tausende kermord bezeichnet würde.“ Herero treiben ließ. Sie hatten sich in Auf- An der offiziellen Sprachregelung hat das ständen gegen den Raub vonLand und wenig geändert. Auch auf dem einzigen Vieh gewehrt, vonTrotha erklärte den Auf- Gedenkstein in Berlin, dem „Hererostein“, ständischen daraufhin den Krieg und er- 2009 gestiftet vomNeuköllner Bezirksamt ließ im Oktober 1904 den sogenannten und gelegen an der Ostmauer desNeuen Vernichtungsbefehl: „Die Herero sind Garnisonsfriedhofs,ist nicht vonVölker- nicht mehr Deutsche Untertanen.Inner- mord die Rede.Nach wie vorsteht neben halb der Deutschen Grenze wird jeder He- der kleinen, schwarzen Platte zudem ein rero mit oder ohne Gewehr,mit oder ohne großer Granitfindling, der seit 1973 an die Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber Soldaten der deutschen Schutztruppen er- und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu innert, die zwischen 1904 und 1907 frei- ihrem Volke zurück oder lasseauch auf sie willig am Feldzug in Südwestafrika teilnah- schießen.“ In einem Brief an Generalstabs- men und dabei umsLeben kamen. chef Graf vonSchlieffen erklärte er drei Ta- ge später: „Ich glaube,dass die Nation als Wenig Hoffnung „Die Verhandlungen wer- solche vernichtet werden muß.“ den immer weitergehen“, sagt Sima Luipert Luiperts Urgroßmutter Katrina wurde wie resigniert und blickt, immer noch im Sand Tausende in dasberüchtigte Konzentrati- Nama-Aktivistin Sima Luipert in Berlin inmitten einer Multimediainstallation der namibischen Künstlerin Isabel Tueumuna Katjavivi, die an den Völkermordimdamaligen Deutsch- stehend, auf zwei große Leinwände; sie zei- onslager auf der Haifischinsel deportiert. Südwestafrika vor mehr als einem Jahrhundert erinnert. ©Johanna Metz gen Bäume,andenen die Deutschen einst „Die Frauen wurden vergewaltigt und ihre Vorfahren hängten.Inihrem Heimat- mussten die Schädel der Toten abkratzen“, land sind nicht wenige desWartensmüde. erzählt die Urenkelin.Die Gebeine wurden desAuswärtigen AusschussesimBundes- Regierungen streiten sich um Geld. Aber warnt: „Wenn sie den Prozess nicht inklu- Prozess so zu gestalten, dass er auch von Erst im November sagte der Herero-Führer für die „Rasseforschung“ insKaiserreich tag, Ruprecht Polenz (CDU), nachdenk- dasist nicht unsere Priorität“,erklärt Sima siv gestaltet, werden die Betroffenen ein den Herero und Nama akzeptiert werden Mutjinde Katjjiua der Berliner Tageszeitung verschickt. Im KZ brachte Katrina Luiperts lich: „Der Versöhnungsprozess sollte längst Luipert. Sie spricht aus,was viele Stammes- Regierungsabkommen nicht akzeptieren.“ könne,versichert er.„Doch letzten Endes „taz“: „Wenn alle rechtlichen und diplo- Großmutter und zwei Geschwister zur abgeschlossen sein.Doch dashat eine ganz angehörige denken: „Die Bundesregierung Dass die Bundesregierung noch nicht um entscheidet sie selbst, wie sie ihre Verhand- matischen Prozessescheitern, werden wir Welt. Alle waren Kinder einesDeutschen. andere Dimension entwickelt.“ Man habe musszuerst um Entschuldigung bitten, Entschuldigung gebeten und der Bundes- lungsdelegation zusammensetzt.“ Polenz auf Selbstbefreiung zurückgreifen, und die „Die Herero und Nama wurden behandelt die Klippen unterschätzt, die es zu um- dann können wir über Geld reden.“ Ihrer tag bis heute –wie vonden Fraktionen von sagt auch, dass die Bundesregierung „lieber deutschen Farmer,die auf unserem Land wie Tiere“, sagt Luipert. „Sie verloren ihr schiffen gelte. eigenen Regierung wirft sie Geschichtsver- Grünen und Linken wiederholt gefordert – gestern als heute“ um Entschuldigung für sitzen, werden packen und gehen müssen.“ Eigentum, wurden zu Sklavenarbeitern.“ Die Klippen verlaufen nicht nur zwischen gessenheit vor. „Sie reden voneinem nami- dazu keine Resolution verabschiedet habe, den Völkermord bitten wolle.Doch die Re- Ruprecht Polenz will es soweit nicht kom- Mit Folgen bis heute: „Die Entwicklungs- Bundesregierung und der Regierung in Na- bischen Völkermord, doch als die Deut- nennt Kößler ein „bedauerlichesVersäum- gierung in Namibia wolle genau wissen, men lassen.„Wir haben mehr als hundert unterschiede zu anderen Landesregionen mibia. Sondern auch zwischen beiden und schen kamen, haben sie unsdas Land weg- nis“.Seiner Ansicht nach unterschätzt die was daraus für Deutschland folge.„Des- Jahre gebraucht, um unsmit dem Thema sind gravierend“, berichtet der Soziologe den Vertretern der Herero und Nama, die genommen und nicht den anderen.“ Regierung, „wie sehr die Problematikim halb brauchen wir erst dasRegierungsab- zu beschäftigen.Nun sollte es in dieser und Namibia-Experte Reinhart Kößler. vonder Administration in Windhoek nicht Reinhart Kößler pflichtet ihr bei. „Die na- symbolischen Bereich liegt“. kommen.“ Wahlperiode eine Lösung geben“, hofft der Am Telefon wirkt der Sondergesandte der in die Verhandlungsdelegation einberufen mibische Regierung behandelt den Völker- Ruprecht Polenz will dassonicht stehen Doch wann dasbesiegelt wird, bleibt un- CDU-Politiker 2020 jährt sich der Völker- Bundesregierung für die Verhandlungen wurden und ihr nun nicht zutrauen, den mord als übergreifendesnationalesPro- lassen.Die Bundesregierung habe Namibia klar,auch wenn sich die Verhandlungsde- mord an den Herero und Nama zum mit Namibia, der langjährige Vorsitzende Dialog in ihrem Namen zu führen.„Die blem, was historisch nicht haltbar ist.“ Er gegenüber die Erwartung ausgedrückt, den legationen Ende November immerhin auf 11 6. Mal. Johanna Metz T Erst unerlässlich, dann unerwünscht ASKARIS Mehr als 10.000 afrikanischeMänner standen im Ersten Weltkrieg im Sold der deutschen Truppen. Nach dem Krieg blieben sie entwurzelt zurück

Die Erinnerung ist klein, quadratisch und Stützen der „Kaiserlichen Schutztruppe für „Askari-Relief“ wurde die Kameradschaft den Status von„Staatenlosen“ oder ein schimmert golden.Esist ein „Stolperstein“ Deutsch-Ostafrika“. zwischen deutschen Soldaten und schwar- Zertifikat, welchessie als „ehemalige desKünstlersGunter Demnig, eingelassen Schon in deren Vorläuferin, der „Wiss- zen Söldnern beschworen und deren sol- Schutzbefohlene“ auswies. Der Machtan- in dasPflaster vorder Brunnenstraße 193 manntruppe,“ bediente man sich solcher datische Tugenden gerühmt. Der tatsächli- tritt der Nationalsozialisten verschärfte ih- in Berlin-Mitte,der dort auf Mahjub bin „Askari“ (Kiswahili für „Soldat“) unter an- che Umgang mit den Askari sah anders re rechtliche Situation.Eine der wenigen Adam Mohamed hinweist –besser bekannt derem, um Aufstände der einheimischen aus: Während die deutschen Mitglieder der Nischen, in der Kolonialmigranten arbei- als Bayume Mohamed Husen.Geboren Bevölkerung gegen die Kolonialherren nie- Schutztruppe nach der durch den Versailler ten konnten, seien „entwürdigende Auftrit- 1904 in der Hafenstadt Daressalam, heute derzuschlagen.Nach der Gründung der Vertrag erzwungenen Abgabe der Kolonien te in Völkerschauen und Kolonialfilmen“ Tansania, zu jener Zeit aber Teil der Kolo- ersten offiziellen deutschen Kolonialtrup- in die Heimat zurückkehrten, blieben die gewesen, schreibt die Geschichts- und Kul- nie Deutsch-Ostafrika, kämpfte er im Ers- pe 1891begannen die Kolonialbeamten Askari entwurzelt zurück. Die Bevölkerung turwissenschaftlerinNicola Lauré al-Sama- ten Weltkrieg als Kindersoldat in der systematisch damit, Männer anzuwerben. stand ihnen meist feindlich gegenüber,er- rai. Auch Mahjub gab zu vielen Anlässen „Schutztruppe“.1929 kam Mahjub nach Viele brachten bereits militärischeErfah- klärt die Historikerin Michelle Moyd.Wie den „Vorzeige-Askari“ und versuchte so ge- Berlin, um seinen ausstehenden Kriegssold rung mit und verfügten über wertvolle Mahjub verließen etliche vonihnen Afrika sellschaftliche Anerkennung und finanziel- einzufordern –und blieb.Der Kriegsmi- Sprach- und Landeskenntnisse.Ihre militä- in Richtung Deutschland, um ihren ausste- le Unterstützung zu bekommen. grant gründete eine Familie und schlug rische Funktion warlaut der Historikerin henden Lohn einzufordern.Aus Geldman- Auspolitisch-neokolonialistischen Erwä- sich durch als Kellner im Kempinski, als Stefanie Michels für dasdeutsche Kolonial- gel waren während desKriegesSchuld- gungen wurden afrikanische Migranten in Kiswahili-Lehrer und Komparse.Inden projekt „grundlegend“.Kein Wunder: Oh- Die zeitgenössisch colorierte Fotografie aus der deutschen Propagandazeigt Askaris in scheine ausgegeben worden, mit dem Ver- der NS-Zeit zunächst nicht offen und syste- dreißiger Jahren hatte er in mehr als ne koloniale Truppen hätten die Deut- Ostafrika irgendwann zwischen 1914 und 1918 in Behelfsuniformen. ©picture-alliance/ZB sprechen, diese später einzulösen. matisch verfolgt. Doch dasschützte sie 20 Spielfilmen kleinere Rollen, unter ande- schen „keine Autorität in den Kolonialge- Die Migration aus den Kolonien waraber letztlich nicht vorZwangssterilisation und rem an der Seite vonHansAlbers. 1941je- bieten ausüben können“.Für die afrikani- schon vordem Ersten Weltkrieg eher uner- Internierung. Die Forschung geht vonrund doch wurde Mahjub wegen „Rassenschan- schen Männer wiederum warder Dienst in 1914, vorAusbruch desErsten Weltkriegs, ben sich neben 155 Deutschen 1.168 be- wünscht: Einreise und Aufenthalt vonAfri- 2.000 in Konzentrationslagern ermordeten de“ denunziert und in seiner Wohnung in der Schutztruppe attraktiv.Michels zufolge umfasste die Truppe etwa2.500 Askari und waffnete Askari und rund 3.500 Träger.Der kanern versuchten die deutschen Behörden Menschen afrikanischer Herkunft aus. der Brunnenstraße verhaftet. 1944 starb er ermöglichte ihnen dasLeben als Askari, 260 Deutsche.Auf dem Höhepunkt ihrer größte Teil der afrikanischen Soldaten war möglichst zu verhindern.Wie viele Koloni- Mahjub bin Adam Mohamed wareiner im KZ Sachsenhausen. „Männlichkeit und Erwachsensein“ zu de- Stärke standen schließlich zwischen in den Kriegsjahren gefallen, an Krankhei- almigranten dennoch nach Deutschland vonihnen. Sandra Schmid T MahjubsGeschichteist eng mit dem deut- monstrieren.Viele Väter schickten ihre 12.000 und 15.000 Askari im Sold der ten oder Hunger gestorben, in Kriegsgefan- kamen, ist unklar.Die Afrikanistin Marian- schen Kolonialismus in Afrika verbunden. Söhne deshalb bewusst zur Truppe –oder Deutschen.Bei Kriegsende wardie Schutz- genschaft geraten, desertiert oder zu den ne Bechhaus-Gerst, die die Lebensgeschich- Wie schon sein Vater warereiner vonTau- brachten sie,wie MahjubsVater,gleich mit, truppe in Deutsch-Ostafrika jedoch stark Alliierten übergelaufen. te Mahjubsrecherchiert hat, geht davon senden Afrikanern, die während desErsten wenn sie sich selbst zu den Waffen melde- geschrumpft:Als diese unter Führung des Dieswiderlegt den lang gepflegten Mythos aus,dass zur Zeit der Weimarer Republik Weltkriegs im Dienst desDeutschen Reichs ten.Die Askari gehörten außerdem zu den Generals Paul Lettow-Vorbeck Ende No- vom„treuen Askari“, der bald nach Kriegs- bis zu 3.000 Afrikaner in Deutschland leb- WeiterführendeLinks zu den standen.Als Träger,Fährtenleser und Sol- am besten bezahlten Angestellten der kolo- vember 1918, zwei Wochen nach dem Waf- ende aufkam.InKriegsmemoiren, Liedern ten.Nicht alle waren ehemalige Askaris. Themendieser Seite finden daten rekrutiert, galten sie als verlässliche nialen Institutionen. fenstillstand in Europa kapitulierte,erga- und mit Denkmälern wie dem Hamburger Nach dem Ersten Weltkrieg erhielten sie Sie in unserem E-Paper 6 KOLONIALES ERBE Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020

Langer Atem der Kolonie

HOCHSCHULEN Postkoloniale Theorien behandeln die Langzeiteffekte der kolo- nialen Vergangenheit. Diese ist auch in Deutschland präsent

Der Blick des weißen Kolonialherren schweift über das beherrschte Land –inder Pose der Überlegenheit sah man sich auch im Kaiserreich. Ein rassistisches Denken, das Intellektuelle wie EdwardSaid (1935-2003, Foto links)und Frantz Fanon (1925-1961, Foto rechts)) mit ihren Werken herausgefordert haben. ©picture-alliance/arkivi/Everett Collection/CPAMedia Co. Ltd

hr erstesSeminar zum Postkolonia- Auch würden die Erkenntnisse der postko- was der große Theoretiker desPostkolonia- Auch in den postmigrantischen Gesell- stand, der anschließend auf die Kolonien kale Herrscher zu Bütteln der Besatzer- lismus gab Ina Kerner vor15Jah- lonialen Studien inzwischen vereinzelt in lismus,Edward Said, im AnschlussanMi- schaften der Gegenwart, so Kerner,würden ausgegriffen hätte.Vielmehr konnten In- machte,die regionalen Checks-and-Balan- ren.Die Professorin für Dynamiken Lehrpläne sickern, so zum Beispiel im Eng- chel Foucault in seiner 1978 erschienenen die vonder Mehrheit als andersidentifi- dustrialisierung und Kapitalismus nur des- ces-Systeme der ursprünglichen Regie- der Globalisierung, die heute das lischunterricht. Insgesamt sei aber noch Analyse deswestlichen Orientalismus kon- zierten Menschen ständig mit einer weißen halb reüssieren, weil es den Kolonialismus rungssysteme nachhaltig ausgehebelt ha- Institut für Kulturwissenschaften der viel zu tun nicht zuletzt müssten sich die statierte.InAbgrenzung vondem als wild, Norm konfrontiert, die für die als weiß gel- gab,sagt Kerner.Selbst daswestliche Kul- ben. IUniversität Koblenz-Landau leitet, Mitglieder einer weißen Mehrheitsgesell- geistlosoder rückständig entworfenen Ori- tenden unsichtbar sei. Tatsächlich be- tur- und Geistesleben sei mitunter durch Die postkolonialen Studien haben also ein ist Expertin für die hartnäckigen Langzeit- schaft erst einmal umfassend bewusst ma- entalen versichert sich der aufgeklärte kommt, werLuise oder Leopold heißt, kolonialesGold alimentiert worden.Folgt weitesFeld zu beackern, dassich nicht auf effekte deseuropäischen Kolonialismus. chen, wie die postkoloniale Welt, in der Westler seiner Vernunft und Überlegenheit. wohl eher selten mit, was es für eine Ai- man den einschlägigen Denkerinnen des bestimmte Fächer beschränkt. An der Uni Damals sei ihr der Vorwurf begegnet, post- wir leben, kulturell, politisch und wirt- Der marginalisierte Andere wird somit zur sche oder Adissa bedeutet, auf dem deut- Postkolonialismus gründen unser Wohl- Kassel gibt es inzwischen eine Professur für koloniale Studien seien für die hiesige Wis- schaftlichaufgebaut ist. Negativfolie der eigenen Identität gemacht. schen Arbeitsmarkt vorstellig zu werden stand und unsere Kultur also nicht zuletzt Entwicklungspolitik und postkoloniale senschaftslandschaft zu exotisch.Die ein- Postkolonialen Forschern zufolge wirkt der Eine Praxis,die in der kulturrassistischen oder nach einer Wohnung zu suchen.So auch auf systematischer Ausbeutung und Studien.Ansonsten finden entsprechende schlägige Ablehnung hatte auch damit zu europäische Kolonialismus nämlich nicht Erzählung vomFlüchtling, dem seine un- bemerken jene oft gar nicht, dass Weißsein physischen wie geistigen Grenzziehungen. Perspektiven erst langsam Einzug in die tun, dass der KolonialismusinDeutsch- nur in den ökonomischen Machtbeziehun- hintergehbare Andersartigkeit und mithin dasunmarkierte Normhafte darstellt, weil Auch die strukturellen Probleme vonLän- verschiedenen Disziplinen mit Ausnahme land oft als Vergangenheit der anderen gen vonglobalem Norden die Unfähigkeit zur Integra- sie die tägliche Marginalisierung, die die dern desglobalen Südens der Anglistik, wo sie seit wahrgenommen wurde. zu globalem Süden fort. tion regelrecht in den Leib als schwarz, muslimisch oder südländisch wie Armut, Autoritarismus längerem etabliert sind. Denn mit Verweis auf den Verlust der deut- Auch eurozentrische Klassi- Der geschrieben wird, bis heute Markierten erleben, im eigenen Alltag oder mangelnde Rechts- Die Natürlich wirkt daspostko- schen Kolonialgebiete im Anschlussan fikationsschemata und ungebrochen Anwendung nicht mitbekommen.Nicht vonungefähr staatlichkeit sind keines- loniale Theoriefeld auch den Ersten Weltkrieg hob hierzulande früh postkoloniale Wahrneh- marginalisierte findet. hat sich dasursprünglich aus den USA wegs ausschließlich haus- postkolonialen über die Grenzen der Aka- eine geschichtsklitternde Erzählung an, in mungsweisen seien nach Tragisch wiegt dabei dasso- stammende Studienfeld der Critical White- gemacht. So hat etwader demie hinaus. der die kolonialistische Expansion des wie vorüberall vorhanden. Anderewird zialpsychologische Reakti- ness,dass die komplexen Ausgrenzungs- renommierte Historiker Studien 19. und 20.Jahrhunderts als alleinige Erb- Wasglobale Entwicklung zur Negativ- onsmuster der auf diese mechanismen weißer Mehrheitsgesell- und Politikwissenschaftler haben ein Dekolonisierung In schuld vonBriten, Belgiern und Franzosen angeht, dominiertnoch Weise Abgewerteten, das schaften analysiert, seit einiger Zeit auch in Achille Mbembe wieder- Deutschland sind aus Uni- erschien.Dort, wo man eine deutsch-kolo- immer die Vorstellung, folie der ei- der karibisch-französische Deutschland etabliert. holt darauf hingewiesen, weites Seminaren inzwischen vie- niale Vergangenheit bekannte,wurde sie Europa sei der Motor der genen Identität Psychiater und Vordenker dass der Kolonialismus ei- Feld zu le Initiativenentstanden, häufig idealisiert. Geschichte,sagt Kerner.Oft der Dekolonisierung Frantz Ökonomie Über die kulturellen Identitäts- ne politischeKultur der die sich mit kolonialen Lange Zeit befassten sich in Deutschland wird der Kolonialismus in gemacht. Fanon bereits 1952 in sei- konstruktion hinaus ist die Vergangenheit Gewalt geschaffen hat, die beackern. Hinterlassenschaften in denn auch nur wenige Spezialisten wie der diesem Sinne zumindest nem Werk Schwarze Haut, auch auf der Ebene politisch-ökonomi- als historische Hypothek Städten befassen und etwa Historiker und Afrikawissenschaftler An- untergründig mit positiven weiße Masken bezeugte. scher Fakten präsent. Die klassischen Aus- auf den ehemals koloni- die Umbenennung von dreasEckert oder eben die Politikwissen- Attributen versehen; werden Landnahme, Der machtvolle Blick der Herrschenden, beutungsstrukturen im Nord-Süd-Verhält- sierten Ländern lastet. Zumal diese ohne- Plätzen und Straßennamen anstrengen, die schaftlerin Ina Kerner mit den historischen Ausbeutung und Raub zur zivilisatorischen und mithin dasNarrativ ihrer Minderwer- nis zum Beispiel dasKleinhalten afrikani- hin meist als künstliche Gebilde durch nach Kolonialverbrechern benannt sind. Ablagerungen kolonialer Praktiken und Heilsbringung verklärt. Westliche Wirt- tigkeit, sei den kolonisierten Subjekten scher Ökonomien durch europäische Fir- willkürliche Grenzen entstanden sind, die Die umfassende Dekolonisierung der Per- Denkmuster.Allmählich jedoch sei die schafts-, Kultur- und Politikmodelle er- noch zusätzlich zur ständigen physischen men und Regierungen sind Ina Kerner zu- die Kolonialmächte ohne Rücksicht auf spektiven in Wissenschaft und Gesellschaft Entwicklung einer kritischen Haltung auch scheinen als Blaupause desFortschritts,die Gewalt gleichsam unter die Haut gegan- folge bereits im kolonialen Zeitalter ange- kulturelle,religiöse und ethnische Gemein- steht aber noch aus.Eine breitere Ausei- über Experten-Kreise hinaus zu bemerken, regionalen Wissens- und Handlungssyste- gen.Die rassifizierten Menschen konnten legt und niemals vollständig abgebaut schaften nach ihrem Gusto gezogen haben. nandersetzung mit den kolonialen Ver- sagt Kerner.Mit den Debatten um das me werden als rück- und randständig ge- nach Fanon kaum anders, als dasBild der worden.Die Geschichte Europasist somit Und der Politikwissenschaftler Mahmood mächtnissen ist demnach unbedingt gebo- Humboldt-Forum und die Repartierung dacht. Unterdrücker zu verinnerlichen und sich aufs engste mit der Geschichte der koloni- Mamdani hat gezeigt, dass nach Afrika ex- ten. Christoph David Piorkowski T vonGebeinen und kolonialem Raubgut In der Herstellung kollektiver Identitäten selbst als abweichend vomNormhaften zu sierten Regionen verflochten.Esist nicht portierte Governance-Konzepte,wie die kommt der Diskursallmählich in Gang. gilt vielen Expertinnen zufolge noch heute, sehen. so, dass zunächst der Kapitalismus ent- Herrschaftstechnik der indirect rule die lo- Der Autor ist freier Journalist.

Anzeige DAS LEBEN ÄNDERT SICH Der überhebliche Blick auf das Fremde ETHNOLOGIE DasFach leidet an der eigenen Geschichte.Inzwischen stehen soziokulturelle Dynamiken im Fokus

Bitte benachrichtigen Sie uns bei: Wenige Fächer an deutschen Universitäten Geist desKolonialismus dasFach.Die schauen, in denen insbesondere schwarze Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu ei- sind so sehr aus dem politischen Zeitgeist fremden Länder wurden aus der Perspekti- Menschen als „Primitive“ zur Schau gestellt ner Neuausrichtung desFachs: Die Feldfor- Namensänderung entstandenund leiden gleichzeitig ver- ve vonReisenden und Beherrschern be- wurden, faszinierten Hunderttausende. schung und das„Forschen mit“ statt „For- gleichbar stark unter ihrer Historie wie die trachtet, die aus einer europäisch-überle- Auch wenn der erste Ethnologie-Lehrstuhl schen über“ wurde zum Standard, man Ethnologie.Heute bewerben Hochschulen genden Sicht Informationen über die ver- in Deutschland 1919 nach dem Ende der entfernte sich vonder euro- und ethnozen- Adressänderung den Studiengang damit, die Ethnologie sei meintlichen Wildensammelten und in deutschen Kolonialzeit eingerichtet wurde trischen Perspektive. eine „empirische und vergleichende Wis- Form vonErzählungen und viele deutsche Ethnolo- Doch die Freiburger Ethnologin Judith senschaft“ und erforsche „die Vielfalt kol- und –meist geraubten – gen danach strebten, Wis- Schlehe beklagt, dass der enorme Wandel, Änderung der Bankverbindung lektiver menschlicher Lebensweisen“.Nicht Kulturgütern mit nach Die fremden sen zu generieren, ohne un- den ihr Fach in den vergangenen Jahren immer gab es diesen Anspruch: In seinen Hause brachten.Dass die bewiesenen Rassentheorie vollzogen habe,öffentlich kaum wahrge- Anfangsjahren konzentrierte sich dasFach Glorifizierung der europäi- Länder wurden zu folgen: Die Wissenschaft- nommen werde.„Man verortet unsimmer auf außereuropäische Gruppen, die ganz schen Zivilisation im Wi- aus der ler nutzten die kolonialen noch stark im Bereich vonExotik. Wie in- Telefonisch unter: 089-85853832, anderslebten als die Menschen im indus- derspruch zu den Ideen Strukturen für ihr Fach –et- novativ unsere Themen und wie experi- trialisiertenEuropa. Überspitzt gesagt: Man vonFreiheit und Gleich- Perspektive von wa wenn sie insistierten, mentierfreudig unsere Methoden sind, via E-Mail: [email protected]@intime-media-services.dee nahm dasfaszinierende Fremde in den heit stand, löste man auf, deutsche Truppen in wird zu wenig zur Kenntnis genommen.“ Blick. in dem man zwischen zivi- Reisendenund Deutsch-Südwestafrika soll- Die Ethnologie befassesich heute mit so- oder online unter: Auch wenn die Neugier auf fremde Völker lisierten und weniger zivi- Beherrschern ten nach Gefechten die ziokulturellen Dynamiken überall auf der uralt ist, gilt Experten die Ethnologie als lisierten Völkernunter- Schädel getöteter Gegner Welt –und habe sich vomüberheblichen www.das-parlament.de/aboservice Kind der Aufklärung. In einer Phase,inder schied. So schrieb Imma- betrachtet. einsammeln und mit nach Blick auf dasFremde weit entfernt. in Europa Vernunft zur Richtschnurdes nuel Kant, unter „hundert- Deutschland bringen. Seit vielen Jahren bringtSchlehe etwaStu- Handelnswurde,entstand sie als „Wissen- tausenden vonSchwarzen“ Einen „Teufelspakt“ mit dierende und Promovierende aus schaft der Völker“.Doch in einer Phase,in sei „nicht ein einziger jemals gefunden den Nationalsozialisten bescheinigt der Deutschland und Indonesien in Teams der die europäischen Staaten sich in einem worden, der entweder in Kunstoder Wis- amerikanischeHistoriker H. GlennPenny, zusammen und lässt sie Themen wie etwa „Wettlauf um Afrika“ befanden, prägte der senschaft“ etwas „Großesvorgestellt habe, der die deutscheEthnologie umfassend die akademische Kultur oder Umweltakti- obgleich unter den Weißen sich beständig untersucht hat, den deutschen Forschern – vismus in beiden Ländern erforschen. welche aus dem niedrigsten Pöbel empor- weil sie sich allzu häufig in den Dienst der „Damit haben wir den Blick vonaußen schwingen“. Rassenforschung stellten.Der Freiburger wie voninnen –und aus meiner Erfah- Anthropologe EugenFischer etwakämpfte rung, bringt es viel mehr Erkenntnisse, Herabgeblickt Man blickteauf die Frem- um die „Rettung der Rasse, die das wenn man die Blicke kombiniertund Weiterführende Links zu den Themendieser Seite finden den herab –und wargleichzeitig fasziniert Deutschtum geschaffen hat“.Häufig er- auch dasFremde in der jeweils eigenen Sie in unserem E-Paper vonihnen.Die berüchtigten Völkerkunde- gänztedie Völker- die Rassenkunde. Kultur erkennt.“ Susanne Kailitz T Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar 2020 KOLONIALES ERBE 7

er bleigraue Himmel hen sich auf Ereignisse aus dem Mittelalter. über Berlin passtzum Oder auf die Figur desHeiligen , Thema, über dasMnyaka einem antiken christlichen Märtyrer,der Sururu Mboro heute Vor- häufig mit schwarzer Hautfarbe dargestellt mittag referiert. Mboro, wird –etwaimStadtwappen der bayeri- D schen Stadt Coburg. wie sich der leicht ge- Der Namensstreit bückt stehende Mann mit den kurzgescho- In Augsburg heißt ein Hotel „Zu den drei renen grauen Haaren nennt, stützt seinen Mohren“.Das Logo besteht aus drei Körper auf einen kunstvoll gedrechselten schwarzen Häuptern mit krausem Haar- Gehstock und zeigt mit der Hand auf ein GEDENKEN I Wastun mit Straßennamen, die Täter ehren, und Begriffen, schopf. Bürgerinitiativen vorOrt fordern, Straßenschild. Darauf steht „Petersallee“. dasHotel solle seinen Namen ändern, und Davorhaben sich zwei Dutzend Schüler die als abwertend empfunden werden? Zur Aufarbeitung der Kolonialzeit zwar mit Hilfe vonzweiPunkten, die über versammelt. Seine Stimme wird laut und dem „O” platziert werden sollen.Das Ma- sie beginnt zu zittern, als Mboro erzählt, gehörtauch diese Diskussion nagement weist die Forderung zurück. Der welche Person sich hinter dem Straßenna- Name desHotels gehe auf eine Überliefe- men verbirgt. rung aus dem Jahr 1495 zurück, als drei 1939 ehrten die Nationalsozialisten an dunkelhäutige Mönche aus Abessinien hier dieser Stelle posthum Carl Peters, einen gastfreundlich aufgenommen worden sei- Kommissar in der ehemaligen Kolonie en.Ähnlich argumentiert in Nürnberg der Deutsch-Ostafrika, heute Tansania. Peters Betreiber der dortigen Mohren-Apotheke. warberüchtigt für seinen Rassismus und Der Name stamme aus dem Jahr 1578 und seine Gewalttätigkeit. „Blutige Hand“ wur- sei eine „Wertschätzung der maurischen de er vonden Ostafrikanern genannt, Bevölkerung, die unsdie moderne Phar- „Hänge-Peters“ vondeutschen Kolonial- mazie gebracht hat“, sagte er der Deut- gegnern.Sein Rufwar selbst im Deutschen schen Apotheker-Zeitung. Reich schlecht, so dass ihm eine Ehrung in der Weimarer Republik verweigert wurde. Die Wirkung der Wörter Viele Afrodeut- Diesholten die Nazis nach. sche lehnen aber die Bezeichnung „Mohr“ Längst hat die Bezirksverordnetenver- als durchwegnegativ besetzt ab.Der afro- sammlung vonBerlin-Mitte entschieden, deutsche Rapper Megaloh sagte in einem den Namen zu tilgen.Danach soll die Pe- Interview, er finde den Begriff „komplett tersallee auf dem einen TeilstückAnna- abwertend und rassistisch“.Mit „Mohr“ Mungunda-Allee heißen, nach einer nami- würden Menschen bezeichnet, über die die bischen Unabhängigkeitsaktivistin, auf weiße Obrigkeit verfügte und über deren dem anderen Maji-Maji-Allee nach dem Schicksale sie entschied. Widerstandskrieg der Herero und Nama Um Recht oder Unrecht kann es in dieser gegen die deutschen Kolonisatoren.Aller- Debatte nicht gehen.Grundlegend ist die dings: Widerstand regt sich.Anwohner Frage,auf welche Weise Begriffe wirken, protestieren gegen die Umbenennung. die rassistische Klischeestransportieren. Nicht selten, berichtet Mboro, werde er bei Begriffe wie die vonmanchen immer noch seinen Führungen vonPassanten rassis- als „Negerkuss“ bezeichnete Schaumkugel. tisch beschimpft. Der „Mohr“ im Logo der Firma Sarotti, der inzwischen zum „Sarotti-Magier“ gewor- Exponierter Hauptstadtstatus DasAfri- den ist. Oder der Vater vonPippi Lang- kanische Viertel in Berlin ist kein Einzel- strumpf, der vom„Negerkönig“ zum „Süd- fall: Dutzende Straßennamen in kleinen seekönig“ wurde.Statt Weltliteratur derart und großen Städten zeugen bis heute von zu überarbeiten, müsse man vielmehr dis- der kolonialen Vergangenheit Deutsch- kutieren, warum bestimmte Begriffe wann lands.Während die alten Kolonien Togo verwendet wurden, betonen die Kritiker oder Kamerun als Straßennamen meist als solcher Umbenennungen.Die Befürworter unproblematisch erscheinen, toben vieler- halten dagegen: Der Austausch des„Neger- orts mitunter heftige Debatten um Perso- königs“ stelle weder die Toleranz von nen und Begriffe aus der Kolonialzeit. In Astrid Lindgren infrage noch wolle er Lite- Berlin werden sie besonderserbittert ge- ratur zensieren.Esgehe schlicht um eine führt –was nicht nur auf den exponierten sprachliche Modernisierung, die Ausdruck Status der Hauptstadt als repräsentativer einesveränderten Bewusstseinssei –ähn- Ort der Bundesrepublik zurückzuführen lich der Verbannung von„Fräulein“ aus ist, sondern auch auf den kaum weniger dem offiziellen Sprachgebrauch oder scharfen Diskursumdas geplante Hum- „Weib“ aus der Lutherbibel. boldt-Forum im neu gebauten Stadt- In denselben Kontext gehört auch die De- schloss. Die Aufarbeitung desdeutschen batte um dassogenannte Blackfacing. Als Kolonialismus ist hier verknüpft mit der „Blackfacing“ 2014 zum Anglizismus des Debatte um die Provenienz der ethnologi- Jahresgewählt wurde,erklärte der Sprach- schen Sammlungen, die in der Mitte Ber- wissenschaftler und Vorsitzende der Jury, linsausgestellt werden sollen.Nicht weni- Anatol Stefanowitsch, Blackfacing gelte als ge Exponate kamen durch Betrug, Raub rassistisch, „weil es die Identität und die und Beutezüge in deutschen Besitz. Erfahrung schwarzer Menschen als Kostüm Als 2009 in Berlin-Kreuzberg eine Straße in behandelt, dasweiße Menschen beliebig May-Ayim-Ufer umbenannt wurde,nach an- und ausziehen können.Mit dem Black- einer afrodeutschen Aktivistin, blieb es facing maßen sich viele weiße Menschen noch relativ ruhig. Weichen musste damals an, für schwarze Menschen sprechen und Otto Friedrich vonder Gröben, Begründer handeln zu können, und nehmen ihnen der Sklavenfestung Groß-Friedrichsburg an damit den Raum, diesselbst zu tun.“ der Küste Ghanas. Nun aber sollen im Ber- Die Betroffenen für sich selbst sprechen liner Wedding der Nachtigalplatz und die Die Mohrenstraße in Berlin und der dazugehörige U-Bahnhof sind Aktivisten schon langeein Dorn im Auge. ©picture-alliance/Bidagentur-online/Schoening lassen –das ist womöglich der Schlüssel zu Lüderitzstraße umbenannt werden.Letzte- dieser gelegentlich vertrackt erscheinenden re ist nach einem Bremer Kaufmann be- Debatte.Dann offenbaren sich auch im nannt, der in Südwestafrika Land durch Initiativeeine „namensneutrale Umbenen- Sprecher der Initiative„Berlin Postkoloni- In Hamburg wurden voreinem Jahr zwei Wüste gejagt hatten, um möglichst viele Fall Carl Peters, dem ursprünglichen Na- Betrug in großem Maßstab erwarb und nung“ vor: Die Straßen sollen anderen Per- al“.Die Initiativeengagiert sich für die Auf- Straßen im Stadtteil Ohlsdorf umbenannt. Menschen auszulöschen.Hauptverant- mensgeber der Weddinger Petersallee, Einheimische in Konzentrationslager pfer- sonen gleichen Namenszugeschrieben arbeitung der deutschen Kolonialgeschich- Namensgeber: Adolph Woermann, ein wortlicher für den Genozid warder dama- überraschende Erkenntnisse.ImZwiege- chen ließ. Lüderitzstraßen in Köln und Bo- werden, wie es bei der Petersallee schon ge- te und plädiert für eine kommentierte Um- Großreeder und Völkermord-Profiteur.Be- lige Gouverneur der Kolonie Deutsch-Süd- spräch offenbart Mnyaka Sururu Mboro, chum sind längst verschwunden. schehen ist: Die Straße war1986 umge- benennung nach Persönlichkeiten aus dem gleitet wurde die Aktion voneinem Bünd- west-Afrika, Lothar vonTrotha. der vormehr als 30 Jahren zum Studieren widmet worden.Sie soll seither den antikolonialen Widerstand. „Im Gegenteil: nis aus Nachkommen der betroffenen Eth- nach Berlin zog, warum seine Stimme Kritik an Umbenennungen In Berlin aber NS-Widerstandskämpfer und CDU-Politi- Wir wollen, dass eine Debatte geführt wird. nien mit zivilgesellschaftlichen Initiativen. Ursprung im Mittelalter Doch was ist mit beim Vortrag über die Herkunft diesesStra- sind mehr als 1.500 Widersprüche vonAn- ker HansPetersehren, wie ein Hinweis am Die Gesellschaft mussüber die Geschichte In den beiden Kolonialvierteln in Mün- den anderen Auseinandersetzungen um ßennamenszitterte: Sein Urgroßvater,der wohnern gegen die Umbenennungen im Straßenschild verrät. der deutschen Kolonien aufgeklärt werden chen wird ebenfalls heiß diskutiert. 2006 Begrifflichkeiten, die in den Verdacht gera- am Fuß desKilimandscharoslebte,wurde Afrikanischen Viertel beim Bezirksamt ein- Ein weiterer Einwand vonUnbenennungs- und Schlüsse für die sich daraus erwach- wurde die Von-Trotha-Straße,eine kleine ten sind, rassistischesGedankengut zu vomdeutschen Kolonialregime ermordet. gegangen.Die Anwohner verweisen auf Gegnern: Man könne Ereignisse nicht un- sende Verantwortung ziehen.“ Als „Etiket- Wohnstraße im Münchner Stadtteil Wald- transportieren und um die ebenfalls heftig Dasentsetzliche Werk der „Blutigen Hand“ den Verwaltungsaufwand, der durch die geschehen machen, indem man Straßenna- tenschwindel und Geschichtsklitterung“ trudering, in Hererostraße umbenannt. Sie gestritten wird? ZumBeispiel „Mohr“: –eshat Auswirkungenbis in dasBerlin Umbenennung entsteht. Ausweise,Visiten- men ändere.Damit würde man Geschichte empfindet Kopp vielmehr die „scheinheili- erinnert nun nicht mehr an den Täter,son- Mohren-Apotheken oder Gasthäuser zum vonheute. Mirko Heinemann T karten, Webseiten und Verträge müssten auslöschen.„Genau daswollen wir nicht“, ge“ Umwidmung vonStraßen nach unbe- dern die Opfer: die Angehörigen desVol- Mohren haben ihren Ursprung häufig geändert werden.Stattdessen schlägt die entgegnet der Historiker Christian Kopp, scholtenen Namensvettern. kes, dasdeutsche Kolonialsoldaten in die nicht in kolonialen Zeiten, sondern bezie- Der Autor ist freier Journalist in Berlin. Die Debatte steckt noch in den Kinderschuhen GEDENKEN II Soll es in Berlin ein zentralesDenkmal für die Opfer desKolonialismus geben oder einen »Raum der Stille« im Humboldt-Forum –oder beides?

Im Sommer 2019 jährte sich zum 100. Mal Jahres, dass die deutsche koloniale Fremd- präsentieren.Hermann Parzinger, Präsi- Im September hat dasBerliner Abgeordne- ein ganz besonderer Protest. Denn was herrschaft über Teile Afrikas, Chinasund dent der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, tenhaus den Senat schließlich aufgefordert, Martin Dibobe, der erste schwarze Zugfüh- Ozeaniensimmer noch ein verdrängtesKa- zeigte sich offen für die Idee: „Die Besu- mit der Bundesregierung wegen der Etab- rer der BerlinerHochbahn, und seine Mit- pitel der deutschen Geschichte sei. „Zeit, cher werden im Haus sehr viele Informa- lierung einer Gedenkstätte dasGespräch zu streiter 1919 forderten, warkeine Petitesse: dasendlich zu ändern“, forderte Kirsten tionen über die Zeit desKolonialismus be- suchen.Ein Zwischenbericht desSenats In dem als „Dibobe-Petition“ bekanntge- Kappert-Gonther,die kulturpolitische kommen, aber es wäre wichtig, irgendwo dazu soll bald vorliegen, zu den ersten Ge- wordenem Manifest verlangten Dibobe Sprecherin der Fraktion, Ende Februar in einen Ort zu schaffen, der darüber hinaus sprächsergebnissen soll wohl im Frühjahr und seine 17 Mitstreiter gleiche Rechte für der ersten Bundestagdebatte über den An- nachdenklich macht und eigene Reflexio- diesesJahresein Gespräch desKulturaus- Deutsche und Afrikaner in Deutschland, trag. Es gehe dabei nicht nur um die Rück- nen zulässt.“ schussesdes Bundestagesstattfinden.Kul- einen eigenen afrikanischen Reichstagsab- gabe vonExponaten.„Wir brauchen unab- Andersreagierten die Aktivisten desVereins turstaatsministerin Monika Grütters geordneten und dasEnde vonPrügelstrafe hängig vomHumboldt-Forum eine zentra- „Berlin Postkolonial“.Die Idee scheine (CDU) hatte bereits betont, dass die Initia- und Zwangsarbeit in den deutschen Kolo- le und gut sichtbare Stätte desErinnerns mehr eine Art Werbung für dasHumboldt- tivefür eine solche Gedenkstätte vomBun- nien.Die Härte desKolonialsystemshatte und desLernen“, sagte Kappert-Gonther. Forum zu sein und sei „nicht akzeptabel“, destag ausgehen müsse. Dibobe selbst erlebt, kam er doch 1896 als Unterstützung erhielt sie dabei vonden sagte Mnyaka Sururu Mboro, Mitbegründer Die Grünen im Bundestag argumentieren Teil einer „Völkerschau“ vonKamerun Linken, die kurz darauf in einem Antrag desVereins. Henning Melber verteidigte unterdessen, dass es keine Notwendigkeit nach Berlin.Erblieb,arbeitete sich zum (19/8961) ebenfalls ein zentralesMahn- den Raum der Stille gegen die Kritik: „Wir gebe,das parlamentarische Verfahren vor- Zugführer hoch und kämpfte stets für die mal für die Opfer desKolonialismus for- wollen damit ein Bindeglied schaffen und schnell abzuschließen.Die Anhörung des Rechte der Afrikaner in Deutschland. Ne- derten.Helge Lindh (SPD) ließ Sympa- Einweihung einerGedenktafel am ehemaligen Wohnhaus von Martin Dibobe in Berlin dasHumboldt-Forum in die Pflicht neh- KulturausschussesimApril zum Thema ko- ben einer Gedenktafel an seinem ehemali- thien dafür erkennen, mahnte jedoch: Prenzlauer BergimJahr 2016 ©picture-alliance/dpa men, gestaltend zu wirken.Damit wären lonialesErbe habe gezeigt, dass die Aufar- gen Wohnhaus erinnert seit Juli 2019 auch „Diese Debatte mussamEnde einesge- die weitergehenden Forderungen weder re- beitung raus aus den Museen und rein in eine Informationstafel vordem ehemali- samtgesellschaftlichen Prozesses stehen, lativiert noch obsolet“, heißt es in einer Er- die Gesellschaft müsse.„Hierfür braucht es gen Reichskolonialamt in Berlin-Mitte an der nicht nur in den Feuilletonsals elitärer dessen Abgeordneter Marc Jongen den heizte eine Initiativeumden Afrikanisten klärung vomMärz 2019. nicht zuletzt eine breite Diskussion“, er- diese Petition –diesallesauf Initiativelo- Diskursgeführt werden darf.“ Deutlich Grünen vorwarf, einen „Schuldkomplex in Henning Melber die Debatte um ein ange- Auch die Berliner Landesebene ist Anfang klärte Kappert-Gonther. Claudia Heine T kaler zivilgesellschaftlicherGruppen. skeptischer äußerte sich die Unionsfrakti- Bezug auf die deutsche Kolonialgeschich- messenesErinnerndadurch an, dass sie ei- 2019 aktiv geworden.Ineinem Antrag an Geht es nach dem Willen der Grünen-Bun- on in der Debatte.„Es sei keinem damit te“ kultivieren zu wollen. nen „Raum der Stille“ im Berliner Hum- den Berliner Senat forderten die Berliner destagsfraktion, soll dasGedenken an den geholfen, kurzerhand eine Erinnerungsstät- Mit ihrem Antrag nutzten die Grünen laut boldt-Forum vorschlug. DiesesGroßpro- Regierungsfraktionen SPD, Grüne und Lin- Kolonialismus und seine Opfer heraus aus te zu bauen.Die Entscheidung darüber eigener Aussage ein günstigesZeitfenster, jekt im –zumindest äußerlich –nachge- ke,ein gesamtstädtischesAufarbeitungs- dieser Nische und hinauf auf die große kann nicht am Anfang einer Debatte ste- denn nicht nur über die Zukunft der Pro- bauten Hohenzollernschloss soll ab Herbst und Erinnerungskonzept zu entwickeln, zu WeiterführendeLinks zu den Bühne.Ineinem Antrag (19/7735) kriti- hen“, so der CDU-Politiker Ansgar Heve- venienzforschung diskutierte die Fachwelt 2020 vorallem die ethnologischen und dem auch eine zentrale Gedenk- und Lern- Themendieser Seite finden sierten die Grünen Anfang vergangenen ling. Klar ablehnend äußerte sich die AfD, seit Monaten intensiv.ImJanuar 2019 asiatischen Sammlungen Berliner Museen stätte gehören solle. Sie in unserem E-Paper 8 KOLONIALES ERBE Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020

Die Ausstellung „Unvergleichlich“(27.Oktober bis 24. November 2019) präsentierte herausragende KunstwerkeAfrikas aus dem Ethnologischen Museum in der europäischen Skulpturensammlung im Bode-Museum in Berlin. ©Staatliche Museen zu Berlin/David von Becker Befreiung der Gefangenen

MUSEEN DasHumboldt Forum und die Debatte über den Umgang mit Sammlungenaus kolonialen Kontexten

mNovember 2017 kündigt der neu nen Zeitung“ schreiben die beiden Politi- haus,ein postkolonialer Impuls ausgehen? ren statt aktiv zu agieren.Kritiker sprechen gen Bénédicte Savoy und Felwine Sarr,die schung vonkolonialer Schuld. Doch das gewählte französische Präsident kerinnen: „Von Museen und Sammlungen Können in einem Umfeld, dasarchitekto- vonBeschwichtigung und fordern klare Be- für den französischen Präsidenten den Re- kann nur ein Teilaspekt sein.ImKern geht Emmanuel Macron während einer erwarten wir die Bereitschaft, sich offen der nisch Hierarchien festlegt und Herrschaft kenntnisse.Die bleiben aus. stitutionsbericht verfassthaben.Die Frage es um die Verantwortung, endlich und Rede in Burkina Fasoan, sein Land Frage einer Rückgabe vonKulturgütern aus symbolisiert, Neugier,Respekt und Gleich- Wie wird man also mit den umstrittenen ist: Wie geht man vor, wenn für Objekte pragmatisch die Weichen für die Zukunft werde binnen fünf Jahren alle wäh- kolonialen Kontexten zu stellen.Differen- berechtigung vermittelt werden? Höhepunkten der Sammlung umgehen, et- gar keine Rückgabeforderungen vorliegen? zu stellen und sich auf Augenhöhe zu be- Irend der Kolonialzeit geraubten Ar- zierung und Klärung der Provenienzen Hartmut Dorgerloh, der Intendant des wa den berühmten Benin-Bronzen, die Und an wensoll überhaupt restituiert wer- gegnen. Moritz Holfelder T tefakte zurückgeben –das afrikanische Er- müssen sein, es darf aber nicht der Ein- Humboldt Forums, weist im Gespräch da- ehedem in Benin-Stadt den Königspalast den: an Nationalstaaten, an Herkunftsge- be dürfe kein Gefangener europäischer druck einer Verzögerungstaktik entstehen – rauf hin, dass man ein sehr vielgestaltiges schmückten? 1897 wurden sie vonbriti- sellschaften oder die Nachfahren betroffe- Der Autor lebt und arbeitet als freier Museen sein. insbesondere dann, wenn eine Rückgabe Haus geplant habe,eines, daseben kein schen Truppen im Rahmen einer Strafexpe- ner Einzelpersonen? Die Gemengelage ist KulturjournalistinMünchenund Berlin. In Deutschland versetzt MacronsVorstoß gerechtfertigt erscheint.“ reinesMuseum sei, sondern ein Forum.Er dition entwendet und danach über dubio- komplex. Klaus-Dieter Lehmann, der Präsi- Zuletzt erschien sein Buch „Unser die betroffenen Institutionen für ein paar Es kommt Bewegung in die Debatte –so schwärmt vonder visionären Idee eines se Kanäle desKunsthandels auch an deut- dent desGoethe-Instituts,warnt voreinem Raubgut. Eine Streitschrift zur kolonialen Wochen in eine Schockstarre,vor allem die auch durch den schwarz-roten Koalitions- Hauses, dasineiner divergierenden Welt sche Museen verkauft. Kann man sie in ein „Ablasshandel“ zur moralischen Reinwa- Debatte“ (Ch.Links-Verlag). Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) in vertrag der neuen Bundesregierung, in dem Gemeinsamkeit stärken werde.Erspricht paar Jahren im Humboldt Forum über- Berlin, die mit ihrem Museum für Asiati- die kolonialeVerantwortung thematisiert vonRede und Gegenrede,von Kontroverse, haupt ausstellen, wenn man vorher nicht sche Kunstsowie dem Eth- wird, sowie durch den die man aushalten müsse: „Wir machen mit einer klaren Haltung die Rückgabe ein- nologischen Museum ins Deutschen Museumsbund dasHumboldt Forum zu einem Ort, wo geleitet hat? Transparente Spurensuche Humboldt Forum einzieht. »Wer hat uns mit einem „Leitfaden zum wir dasauch öffentlich aushandeln, wo wir In Bezug auf die Restitutionsdebatte spre- Seitdem werden Fragen der Sammlungsgut aus kolo- den eurozentrischen Blick verlassen, aber chen manche Wissenschaftler und Kurato- PROVENIENZ Die Erforschung ist teuer und mühselig Provenienz und eventueller eigentlich nialen Kontexten“. dafür müssen wir –bitte! –esauch erst rinnen in afrikanischen Ländern vonei- Rückgaben an die Her- gefragt, WasimJahr 2018 angesto- einmal eröffnet haben.“ nem allzu eurozentristischen Wegindie „Provenienzforschung“ lautet dasZauber- nente in München, Natur und Mensch in kunftsgesellschaften unter ßen wird, setzt sich 2019 Zukunft, so etwaFlowerManase vomtan- wort in der politischen und wissenschaftli- Oldenburg, Ritterhaus der Stadt Offen- vielen Fachleuten vehe- was wir fort. Ein wichtigesSignal Austausch und Zusammenarbeit Die auf sanischen Nationalmuseum in Daressa- chen Diskussion über den Umgang mit burg, Natur und Mensch in Freiburg, am ment diskutiert. Die einen Afrikaner geht vonder neu gegründe- den September 2020 verschobene Eröff- lam.Ineinem Interviewmit der Wochen- Sammlungen aus kolonialen Kontexten. Übersee-Museum Bremen und der Völker- fordern die grundsätzliche ten Kulturministerkonfe- nung desHumboldt Forumswird aller- zeitung „Die Zeit“ erklärt sie,der Fokus Doch die Klärung der Frage,oball die Kul- kundesammlung in Lübeck bewilligt. Im Restitution aller Objekte, wollen?« renz aus,die im März in dings nur häppchenweise vorsich gehen. sollte nicht auf den europäischen Museen turgüter oder menschlichen Überreste Zentrum der Forschungsvorhaben stehen die während der Kolonial- Berlin zu ihrer ersten Sit- Bis dasEthnologische und Asiatische Mu- liegen, „sondern auf uns, auf dem, was in rechtlichund moralisch einwandfrei er- vorallem menschliche Überreste sowie zeit „erbeutet“ wurden, Flower Manase zung zusammenkommt. seum in ihrer Ganzheit zu erkunden sind, Afrika geschieht. Unsere Wünsche und In- worben wurden und wie sie in deutsche Sammlungen aus den ehemaligen deut- und machen klar: Diese Ein Eckpunktepapier wird dürfte dasJahr 2023angebrochen sein. teressen spielen aber offenbar keine Rolle. Museen gelangten, ist eine aufwendige wis- schen Kolonien. Gegenstände gehören uns verabschiedet, was nicht Wasdann genau zu sehen sein wird und Werhat unseigentlich gefragt, was wir senschaftliche Detektivarbeit, die die Mu- nicht! Andere sind zurückhaltender und unbedingt zu erwarten war. Andersals im wie man mit den Objekten aus kolonialem Afrikaner wollen?“ seen ohne finanzielle Hilfe und wissen- Kontaktstelle Im ersten Quartal 2020 soll drücken sich um eindeutige Aussagen. zentralistischen Frankreich handelt es sich Kontext umgeht, ist bisher nicht bekannt. schaftliche Beratung nicht alleine werden zudem eine „Kontaktstelle für Sammlungs- Aufden Vorstoß Emmanuel Macronsrea- nicht um ein Lippenbekenntnis desPräsi- Eher pauschalsprechen die Verantwortli- Kritik von Savoy und Sarr Viele europäi- bewerkstelligen können, wie die Leiterin gut aus kolonialen Kontexten“ bei der Kul- giert im Januar 2018 als erster Vertreter ei- denten, sondern um einen föderal verbind- chen vomAustausch mit Herkunftsgesell- sche Museumsleute wollen jede Rückgabe desÜbersee-MuseumsBremen, Wiebke turstiftung der Länder ihre Arbeit aufneh- ner öffentlichen Institution Hermann Par- lichen Beschluss, dem alle Bundesländer schaften und der Zusammenarbeit mit Ku- vonder wissenschaftlichen Aufarbeitung Ahrndt betont (siehe InterviewSeite 9). men.Darauf verständigten sich Mitte Ok- zinger,Präsident der SPK. In einem Artikel zustimmen.Formuliert wird die verpflich- ratoren aus afrikanischen Ländern.Der der Objektbiographien vorbereitet wissen. Unterstützung erhalten die Museen vom tober Kulturstaatsministerin Monika Grüt- in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ tende „generelle Bereitschaft zur Rückfüh- Eindruck entsteht, dass man abwartet, wie Dassei verzichtbar und werde nur vorge- Deutschen Zentrum Kulturgutverluste ters(CDU) und die Staatsministerin für in- bemüht er sich um eine „faire Lösung“.Er rung vonSammlungsgut“.Dennoch bleibt sich die Debatten über Rückgaben entwi- schoben, um einen bereits erwiesenen Un- (DZK) in Magdeburg. Die 2015 gemein- ternationale Kulturpolitik im Auswärtigen spricht voneinem notwendigen Dialog mit vielesvage und bedarf der Konkretisierung. ckeln, und dass man es vorzieht, zu reagie- rechtszustand beliebig zu perpetuieren, sa- sam vonBund, Ländern und Kommunen Amt, Michelle Müntefering (SPD), mit den den Betroffenen in afrikanischen Ländern, Ernüchternd erscheint die Tatsache,dass insLeben gerufene Stiftung sollte ur- Kultusministern der Länder und den kom- voneinem erhöhten Forschungsbedarf, zwar ein Arbeitsprozess mit Experten aus sprünglich vorallem als Ansprechpartner munalen Spitzenverbänden.Bei der Kon- regt europäische Initiativen sowie interna- dem In- und Ausland sowie mit Vertretern bei der Aufarbeitung der Provenienzen von taktstelle sollen sich vorallem Institutio- tionale Leitlinien an und erklärt, man der Herkunftsländer angekündigt wird, es Kulturgütern dienen, die während der NS- nen aus den Herkunftsstaaten und -gesell- müsse helfen, in Afrika Museen zu bauen, aber keinen Zeitrahmen gibt. Viel Rhetorik Diktatur ihren meist jüdischen Besitzern schaften über die Bestände vonSamm- um dann Austausch und Leihgaben verab- steckt in diesem Papier –begeisternde Ent- entzogen wurden.Seit 2018 gehört die lungsgut aus kolonialen Kontexten in reden zu können. schlossenheit ist kaum zu spüren. Aufarbeitung der Provenienzen vonSamm- Deutschland informieren können.„Trans- Dasmonieren vorallem die Mitglieder zi- lungsgut aus kolonialen Kontexten eben- parenz herzustellen“, werde eine „zentrale Klärung der Provenienzen Ein deutliches vilgesellschaftlicher Initiativen, die sich im falls zum Aufgabenbereich desDZK. Im Aufgabe“ der Kontaktstelle sein, betonte Bekenntnis zur Rückgabe wird erst im De- Rahmen der seit 2013 laufenden Kampa- Mai 2019 nahm ein für diesen Zweck ge- Grütters. zember 2018 vonMichelle Müntefering gne „No Humboldt 21!“ mit migrantisch- gründeter neunköpfiger Förderbeirat aus Kritiker bemängeln, dass es an eben dieser (SPD), Staatsministerin für Internationale diasporischen Perspektiven immer wieder Wissenschaftlern, Museumsvertretern so- Transparenz mangelt. Zeitgleich zu ihrer Kulturpolitik beim Bundesminister des kritisch in die Debatte einmischen.Sie wie zwei Vertreterinnender Bundesbeauf- Einigung über die Kontaktstelle veröffent- Auswärtigen, und Monika Grütters(CDU), hinterfragen vorallem dasBerliner Hum- tragten für Kultur und Medien und der lichten mehr als 100namhafte Wissen- Beauftragte der Bundesregierung für Kultur boldt Forum mit seiner für Deutschland Kulturstiftung der Länder seine Arbeit auf. schaftlern und Kulturschaffende den Auf- und Medien, nachgereicht, wenn auch wegweisenden ethnologischen Sammlung, DasGremium entscheidet unter anderem ruf „Öffnet die Inventare“ an die Kultusmi- recht diplomatisch formuliert. In einem die sich einen „Dialog der Weltkulturen“ über die Förderanträge vonMuseen und nisterkonferenz. Es sei „ein Skandal“, heißt Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemei- auf die Fahne geschrieben hat. In der Pu- Sammlungen zur Provenienzforschung, die es in dem Appell, „dass es trotz dieser nun- blikation „No Humboldt 21!–Dekolonia- seit Anfang 2019 beim DZK gestellt werden mehr zwei Jahre anhaltenden Debatte le Einwände gegen dasHumboldt-Forum“ können. noch immer keinen freien Zugang zu den entfaltet sich ein Panorama desIntervenie- Bestandslisten der Museen gibt.“ Die Ver- rensgegen „dasrevisionistische Prestige- Fördergelder Inzwischen hat dasDZK zeichnisse afrikanischer Objekte in den je- projekt in BerlinsMitte“.Die entscheiden- erstmals rund 700.000 Euro für sieben sol- weiligen Sammlungen müssten „unabhän- Weiterführende Links zu den Themendieser Seite finden de Frage ist: Wird vomneuen Berliner Kulturstaatsministerin Monika Grütters(CDU) und Herrmann Parzinger, Präsident der cher Forschungsprojekte in den Museen gig vomGrad der Vollständigkeit“ veröf- Sie in unserem E-Paper Schloss, einem rekonstruierten Herrscher- StiftungPreußischerKulturbesitz. ©picture-alliance/dpa am Rothenbaum in Hamburg, Fünf Konti- fentlicht werden. Alexander Weinlein T Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar 2020 KOLONIALES ERBE 9 »Mehr Zeit zum Zuhören«

WIEBKE AHRNDT Die Leiterin des ZUR PERSON Wiebke Ahrndt, geboren 1963, Bremer Übersee-Museumswirbt für studierte Ethnologie und Altame- rikanistik in Göttingen und Bonn. einen differenzierten Umgang mit Nach verschiedenen Studien- und Forschungsaufenthalten in Los Angeles Sammlungen aus kolonialen Kontexten. und Mexiko promovierte sie 1996 im Fach Altamerikanistik. VonEnde Restitution allein könne 1999 bis Anfang 2002 leitete sie die Amerika-AbteilungamMuseum der nicht die Antwort sein Kulturen in Basel. SeitMärz 2002 leitet sie als Direktorin das Übersee- Museum Bremen. Seit Mai 2010 gehört sie dem Vorstand des Deutschen Museumsbunds an, von 2011 bis 2018 als dessen Vizepräsidentin.

Frau Professor Ahrndt, in Deutsch- Konkrete Rückgabeforderungen bestehen präsentieren und auch über die dortigen land wirdderzeit eine intensive Diskussi- derzeit nur im Zusammenhang mit dramatischenProbleme mit den Folgen on über den Umgang mit Museumssamm- menschlichen Überresten.Dasind wir desKlimawandels erzählen sollen.InBe- lungen aus kolonialen Kontexten ge- auch an den Recherchen dran, um eine zug auf die Restitution gibt es eine große führt. Nach der Debatte über den Um- Rückgabe vornehmen zu können. Diskrepanz zwischen der Debatte,wie sie gang mit NS-verfolgungsbedingt entzoge- in Deutschland in der Öffentlichkeit ge- nen Kulturgütern stehen die Museen führt wird, und der Museumsrealität. nun erneut im Verdacht, in ihren Samm- lungen finde sich Raubgut. Werden diese Im Fall von NS-verfolgungsbedingt Diskussionen zum Image-Problem oder entzogenem Kulturgut hat sich Deutsch- steckt darin auch eine Chance? Es ist eine Frage der Ethik, land mit der Unterzeichnung der Wa- Beides. Die Diskussion erweckt mitunter shingtoner Erklärungselbstverpflichtet, schon den Eindruck, als würde der gesam- wie wir mit den Sammlungen umgehen zu einer „fairen Lösung“ –etwa durch te Sammlungsbestand in den ethnologi- Restitution oder Ankauf –zukommen. schen Museen aus kolonialer Raubkunst und wie wir unsereVerantwortung Braucht es für Kulturgüter aus kolonia- bestehen.Das ist aber de facto nicht der len Kontexten etwas ähnliches Abkom- Fall. Bei rund 80 Prozent der Sammlungs- definieren. men auf internationaler Ebene? bestände handelt es sich um Alltagsgegen- Ich fürchte,das ist illusorisch.Ein ähnli- stände und nicht um Kunst. Aber klar ist chesÜbereinkommenmüsste ja mit den WiebkeAhrndt auch, dass sich in Sammlungen auch Stü- Herkunftsgesellschaften auf der ganzen cke finden, die nicht auf legalem Wegzu Welt erarbeitet werden.Das müsste letzt- unsgekommen sind und bei denen wir lich die UNESCOanpacken.Aber dafür natürlich auch über Rückgabe sprechen braucht es einen sehr langen Atem und müssen.Insgesamt wünsche ich mir in die- In der Diskussion wirdmitunter die den hat in dieser Debatte augenblicklich ser sehr fokussierten Diskussion mehr Dif- Umkehrung der Beweislast gefordert. niemand. ferenzierung. Positiv ist aber,dass die De- Das heißt, nicht die Herkunftsgesell- batte im kulturpolitischen Raum auch da- schaft soll nachweisen, dass ein Samm- Wie erleben Sie die Debatte im inter- zu geführt hat, dass die Museen inzwi- lungsstück geraubt wurde,sondern die nationalen Vergleich? Frankreichs Staats- schen Gelder beantragen können, insbe- Museen sollen nachweisen, dass ihre präsident Emanuel Macron hat das The- sondere beim Deutschen Zentrum Kultur- Sammlungsstücke rechtmäßig erworben ma mit seiner Ankündigung,Kulturgüter gutverluste,umdie nötige Provenienzfor- wurden. Wie stehen Sie zu dieser Forde- aus Afrika restituieren zu wollen, ja or- schung zu betreiben. rung? dentlich gepuscht... Im Grunde entspricht dasbereits der geleb- Ja, aber es ist schon so, dass sich Deutsch- Macht es denn bei der Frage nach ei- ten Realität in den Museen.Ich kenne kein land in dieser Frage am stärksten bewegt ner Restitution einen Unterschied, ob es deutschesMuseum, dasimFall einer Rück- hat. Deutschland ist auch bei der Repatri- sich um Alltagsgegenstände handelt oder gabeforderung den Antragstellern antwor- ierung menschlicher Überreste ganz vorn um Kunst? tet: Beweisen Sie doch erstmal, dass Sie An- dabei. Der Leitfaden desDeutschen Muse- Nein, letztlich spielt daskeine Rolle.Wenn spruch darauf haben.Deshalb werden die umsbunds zum Umgang mit Sammlungs- wir vonaußereuropäischen Objekten spre- Provenienzforschungsprojekte ja gemacht. gut aus kolonialen Kontexten warauch der chen, hilft unsder europäische Kunstbe- Kritisch zu bewerten ist allerdings die Frage erste in Europa. Wir sind in Deutschland griff nicht weiter.Inder Diskussion mit nach dem Beweis.Denn die eindeutig zu zwar später in die Diskussion eingestiegen, den Herkunftsgesellschaften konzentriert beantwortenen Fälle vonRaubgut stellen ziehen faktisch in Europa aber im Augen- sich die Frage der Restitution vorallem auf die Minderheit dar.Wir arbeiten in den blick an allen anderen vorbei. sensiblesKulturgut, dasheißt auf mensch- meisten Fällen mit Wahrscheinlichkeiten. liche Überreste,auf religiöse Objekte oder Es könnte korrekt erworben sein, es könnte Die Debatte wirdinDeutschland auf Herrschaftszeichen.Wenn hier eine il- geplündert oder geraubt sein.Invielen Fäl- WiebkeAhrndt, Leiterindes Bremer Übersee-Museums ©Übersee-Museum Bremen/Volker Beinhorn sehr stark anhand moralischer Katego- legale Erwerbungsgeschichte vorliegt, muss len wurden Sammlungsstücke nicht mit ei- rien geführt. Störtdas? Oder brauchen über Rückgabe gesprochen werden. nem Geldbetrag gekauft, sondern ge- wir diese moralischen Kategorien? tauscht. Dann lautet die kaum zu beant- Ungleichheit und desUnrechts durchaus len finden wir in den Archiven sogar Tage- bedarf, etwadurch dasDeutsche Zentrum Wir brauchen moralische Kategorien. Das Übersee-Museum zeigt seit Ende wortende Frage,gegen was sie eingetauscht Handlungsspielräume existierten, dieei- bücher der Erwerber,die unsInformatio- Kulturgutverluste. Denn wir reden bei diesem Thema viel Oktober eine neue Dauerausstellung zu wurden und ob es ein angemessener nen rechtmäßigen Erwerb ermöglichten. nen liefern.Wir schauen unsdie handeln- mehr über ethische als juristische Fragen. seiner mehr als 100-jährigenGeschichte, Tausch war. In einem juristischen Sinne Wenn wir sonst über keine anderen Fakten den Personen an: Waren sie Sammler,For- Wie stehen denn die Wissenschaftler Es ist eine Frage der Ethik, wie wir mit den auch seiner kolonialen Vergangenheit. führt eine Beweislastumkehr also nicht verfügen, hilft unsdie Untersuchung des scher oder Militärs, wo waren sie statio- und Museumsfachleute in den Ländern Sammlungen umgehen und wie wir unsere WarIhnen bei der Planung der Ausstel- weiter. historischen Kontextesbei der Klärung der niert, wie stellten sich die Gegebenheiten der ehemaligen Kolonien zum Thema Re- Verantwortung definieren.Esist auch gut, lung vor drei Jahren schon klar,welche Frage,obdie Sammlungsstücke rechtmä- in der Kolonie dar? Ausall diesen Informa- stitution? dass Deutschland begonnen hat, sich sei- Intensität die Debatte über das koloniale Der Leiter der Forschungsstelle Ham- ßig erworben worden sein können.Eine tionen können wir Rückschlüsseziehen. Die Diskussion läuft dort letztlich ebenso ner kolonialen Vergangenheit zu stellen Erbe annehmen würde? burgs (post-)koloniales Erbe,Jürgen Zim- strenge Opfer-Täter-Dichotomie wird we- Und wir reisen in die Herkunftsländer, um heterogen wie bei uns. Sie reicht vonder und Verantwortung zu übernehmen.Aber Dass die Debatte international viel Fahrt merer,argumentiert, dass solche Tausch- der der Sache noch den Herkunftsgesell- dort vorOrt zu recherchieren, was an Erin- Forderung, alle Sammlungsstücke zurück- ich wünsche mir,dass wir unsmehr Zeit aufnehmen würde,war mir klar.Sie hat bei oder Kaufgeschäfte trotzdem unter Ver- schaften gerecht. nerungskultur zu den jeweiligen Samm- zugeben, bis hin zu der Ansicht, dass sie in zum Anhören der Vielstimmigkeit aus den unsimHaus schon voretlichen Jahren ein- dacht stehen, weil es in der Hierarchie lungsstücken existiert. den deutschen Museen verbleiben sollen, Herkunftsgesellschaften lassen.Wir waren gesetzt. Die Entscheidung über die Ausstel- zwischen Kolonialherren und Kolonisier- Können Sie kurz skizzieren, wie die damit die Menschen in Deutschland etwas sehr schnell mit der Antwort. Aber die lung zur Geschichte unseresMuseumsha- ten keine Augenhöhe gab. Prüfung der Provenienz von Sammlungs- Ihr Haus gehört zu den großen Mu- über die Kultur der Herkunfsgesellschaften kann nicht allein „Rückgabe“ heißen. ben wir 2013 getroffen.Bereits 2011 hatte Ich mache mit Herrn Zimmerer derzeit ein stücken abläuft? seen. Sind kleinereMuseen nicht völlig erfahren.Uns erreichensehr viel mehr ich begonnen, für den Deutschen Muse- Forschungsprojekt bei unsimHaus zu den Zunächst nehmen wir unsvor allem ganze überfordert mit dieser sehr aufwendigen Wünsche nach Kooperation und Wissens- umsbund Empfehlungen für den Umgang ehemaligen deutschen Kolonien in Kame- Sammlungsbestände vorund weniger ein- Provenienzforschung? transfer als nach Rückgabe.Wir starten bei- Das Interview führte mit menschlichen Überresten zu erarbei- run, Namibia und Tansania, bei dem wir zelne Objekte,weil die Quellenlage das Dasist nicht nur für kleine Museen eine spielsweise gerade eine Kooperation mit Alexander Weinlein. ten, 2016 folgte dann die Arbeit an den genau dieser Frage nachgehen.Man muss oftmals nicht zulässt. Wir schauen unsdie Herausforderung. Auch wir können das im Südpazifik. Vonunseren Koope- Empfehlungen für den Umgang mit sich genau anschauen, in welcher Phase Informationen in unseren Eingangsbü- nur leisten durch drittmittelfinanziertes rationspartnern wurde unsganz klar ge- Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. der Kolonialzeit solche Geschäfte gemacht chern an: Wasist dort über die Herkunft Personal. Alle Museen –kleine wie große – sagt, dass man die Sammlungsobjekte wurden.Inbestimmten Phasen und Län- der Sammlungsstücke verzeichnet, in wel- sind auf Projektfinanzierung angewiesen, nicht zurückhaben möchte,sondern Digi- Ist das Bremer Übersee-Museum im dern konnte in der Regel voneinem frei- chem Jahr kamen sie ins Museum, und wer mit eigenen Mitteln ist dasnicht zu stem- talisate und unser Wissen über die Ge- WeiterführendeLinks zu den Augenblick mit konkreten Rückgabefor- willigen Geschäft keine Rede sein.Aber wir warder Einlieferer,mitunter existieren men.Kleiner Museen haben aber sicher- schichte der Objekte.Und dass wir die Kul- Themendieser Seite finden derungen konfrontiert? wissen auch, dass es in diesem System der auch Korrespondenzen.Inglücklichen Fäl- lich einen höheren fachlichen Beratungs- tur SamoasinDeutschland gemeinsam Sie in unserem E-Paper 10 KOLONIALES ERBE Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020 Werkedes Anstoßes

Wemgehören Kunst und Kultur,die zu Kolonialzeiten nach Deutschland gelangten –egal,obals Raub oder offizielle Schenkung? Über den Umgang mit Objekten und Werken im kolonialen Kontext wirdseit Jahren gestritten. Manches Museumgeht offen mit seiner Vergangenheitum, anderetun sich dabei schwerer.Klar indes ist, dass das Thema in der Öffentlichkeit angekommenist und nicht zuletzt im zu eröffnenden Berliner Humboldt Forum eine große Rolle spielt. Wirstellen hier Objekte vor,andenen sich die Diskussion in den vergangenen Jahren kristallisiert hat.

DER THRON MANDU YENU DIE BENIN-BRONZEN

DiesesPrunkstück ist buchstäblich reich an König Njoya übrigensließ sich einen neu- DieBenin-Bronzen zählen zu den berühm- Nach Europa kamen sie als Bestandteil von Perlen: „Mandu Yenu“ heißt der Thron, der en ähnlichen Thron anfertigen, der sich bis testen Kunstwerken aus der afrikanischen mehr als 3.000 Objekten und Gegenstän- in absehbarer Zeit im Berliner Humboldt heute in der königlichen Sammlung von Geschichte und zu den bekanntesten Bei- den, die britische Soldaten 1897 während Forum als Teil der Sammlung desEthnolo- Bamum befindet. spielen, wenn es um koloniale Raubkunst einesFeldzugesimheutigen erbeu- gischen Museumszubewundern sein soll. geht. Neben dem British Museum in Lon- tet hatten.InEuropa wurden sie an Samm- Der Name bedeutet übersetzt „reich an don besitzt dasEthnologische Museum in ler und Museen verkauft. Ein Hamburger Perlen“.Das nicht zuletzt durch seine Farb- Berlin die umfassendsten Sammlungen der Forschungsprojekt untersucht derzeit Hin- lichkeit bestechende Objekt stammt aus Bronzen.Sie sollen mindestensinTeilen tergründe,auch Kameruner Wissenschaft- dem Königreich Bamum im Hochland des im Humboldt Forum zu sehen sein. ler sind daran beteiligt. Die Wissenschaft- heutigen Nordwest-Kamerun in Westafrika ler versprechen sich vonder Untersuchung und zählt zu den umstrittensten Objekten auch eine Entscheidungsgrundlage für Po- in der Diskussion über KunstimKontext litiker,wie mit den Bronzen umzugehen kolonialer Abhängigkeit. sei. Viele Museen und Politikerbekennen BamumsKönig Njoya hat den Thron als ei- inzwischen, dass es sich bei den Schätzen nesder Heiligtümer desLandes1908dem um Raubkunst handelt. Entsprechend äu- deutschen Kaiser Wilhelm II. nach offiziel- ßert sich beispielsweise dasHamburger ler Lesart „geschenkt“.Absicht dahinter Museum für Kunstund Gewerbe über drei war, die Beziehung zu den deutschen Kolo- Bronzen in seinem Besitz. nialherrn zu stärken –aus heutiger Sicht DasBerliner Ethnologische Museum be- könnte man dasVerhältnis zwischen den sitzt eigenen Angaben zufolge etwa Staaten beziehungsweise Herrschern als ei- 440 Bronzen als Teil von530 historischen ne Art Vernunftehe bezeichnen.ImHum- Objekten aus dem Königreich Benin.Etwa boldt Forum soll der Thron in historischen die Hälfte davonsoll im Humboldt Forum Kontext eingebettet werden.Kritiker for- gezeigt werden.Der Erwerbungskontext dern ungeachtet dessen eine Rückgabe die- werde eine große Rolle spielen, heißt es ser und weiterer Objekte in die Ursprungs- vonder Stiftung Preußischer Kulturbesitz. länder. Einer Sprecherin zufolge haben weder die nigerianische Regierung noch dasKönigs- haus offizielleine Rückgabe der Werke ge- fordert. „DasKönigshaus hat gelegentlich in verschiedenen fachlichen Foren und Ver- öffentlichungen angeregt, dass einzelne Objekte nach Nigeria zurückgegeben wer- den“, erklärt die Sprecherin lediglich. Eine mögliche Perspektivefür den künfti- gen Umgang mit den Objekten sei eine Zirkulation der Objekte nach Nigeria, wie sie derzeit im Rahmen desBenin-Dialogs erarbeitet wird. DasBerliner Museum ist seit Beginn Mitglied diesesForums. Im Ok- tober 2018 verständigte sich die Gruppe darauf, dass in Benin City ein neuesMuse- um mit einer Ausstellung historischer Ob- jekte aus dem Königreich Benin errichtet werden soll, für daseuropäische und nige- rianische Museen Objekte zur Verfügung ©picture-alliance/dpa (freigestellt) ©picture-alliance/Heritage Images (freigestellt) stellen werden.

©picture-alliance/dpa WITBOOI-BIBEL UND -PEITSCHE

©Übersee-Museum Bremen/Volker Beinhorn „Wir können Geschichte nicht ungesche- 1902 geschenkt wurden.Geraubt dürften hen machen, aber wir stellen unsunserer sie deutsche Kolonialherrenneun Jahre zu- SATTEL, VORDERZEUG UND ZAUMZEUG Verantwortung“, sagte die baden-württem- vorhaben, im Jahr 1893. Nun sollen die bergische Wissenschaftsministerin Theresia Gegenstände im Heimatort Witboois,Gi- AUS DEM PALAST DES LAMIDOS, TIBATI, Bauer (Grüne), als sie Anfang 2019 eine beon, ein Museum erhalten.Stammesältes- KAMERUN Peitsche und eine Bibel an Namibia zu- te der Nama wollten indesnicht, dass die ©picture-alliance/Paul Zinken/dpa/ZB (editiert) rückgab.Beideswar in der Kolonialzeit ge- namibische Regierung Peitsche und Bibel Ein deutscher Offizier klaute die prächtige Stücke gebe es noch keine offizielle Rück- raubt worden.Die Gegenstände gehörten erhält. Auch beklagten sie sich darüber, Satteldecke und einen Pferdekopfschmuck gabeaufforderung, sagt eine Museumsspre- KREUZKAP-SÄULE AUS NAMIBIA Hendrik Witbooi, einem Anführer desVol- dass Deutschland nicht zu einer umfassen- aus dem Sultanspalast vonTibati im heuti- cherin dazu. „Jedoch werden derzeit Ge- kesder Nama, dessen Mitglieder vormehr den Entschädigung für den Genozid an gen Kamerun und nötigte sie 1902 dem spräche mit dem Ziel geführt, eine einver- Die 3,50Meter hohe Säule ist nach Anga- bieten und den BesitzanspruchPortugals als 100Jahren zu Tausenden vonTruppen den Name zur Kolonialzeit bereit sei. Die Bremer Übersee-Museum regelrecht auf. nehmliche Lösung zu finden.“ Für eine ben desAuswärtigen Amts daseinzige Kul- demonstrieren.Als dasLand zur Kolonie der deutschen Kolonialmacht getötet wur- Regierungen verhandeln seit Jahren über Die Gebrauchsgegenstände kommen aus Rückgabe brauche es eine konkrete Forde- turgut, für dasder Bundesregierung eine Deutsch-Südwestafrika wurde,kam das den.InNamibia gilt er als Nationalheld. eine Wiedergutmachung für Gräueltaten der Sammlung Oltwig vonKamptz. Für die rung beispielsweise voneiner Regierung. offizielle Rückgabeforderung vorlag. Die Original aus Stein nach Berlin.Namibia Peitsche und Bibel lagerten im Linden-Mu- aus der Kolonialzeit. Kristina Pezzei T DasMuseum sei grundsätzlich offen dafür Säule warvor 125 Jahren auf Anweisung warbis 1915 deutsche Kolonie. seum in Stuttgart, wohin sie vermutlich –was sich im Übersee-Museum in einer vonKaiser Wilhelm II. nach Berlin ge- Mitte Mai diesesJahresverkündeten Kul- unlängst eröffneten Dauerausstellung schafft worden.Sie gilt als ehemaligespor- turstaatsministerin Monika Grütters, der zeigt, in der sich dasHaus kritisch mit den tugiesischesHerrschaftszeichen, dasvon namibische Botschafter AndreasGuibeb ersten 100Jahren seiner eigenen Samm- Portugal um 1486 an der heutigen namibi- und der Direktor desDeutschen Histori- Weiterführende Links zu den Themendieser Seite finden lung auseinandersetzt. schen Küste aufgestellt wurde.Die Säule schen Museums, Raphael Gross,dass die Sie in unserem E-Paper sollte anderen Seefahrern Orientierung Säule an Namibia zurückgegeben wird. Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar 2020 KOLONIALES ERBE 11

Der 1899 erbaute Bismarck-Brunnen in Buea im Westen Kameruns und die Brückevon Edea sind zwei der bekanntesten Hinterlassenschaftenaus der 32 Jahreandauernden Kolonialherrschaft des deutschen Kaiserreichs in Kamerun. Buea war die deutsche Kolonial-Haupt- stadt Kameruns.InEdea strahlt die 160 Meter lange Stahlbogenbrückeaus Oberhausen seit 1911 eiserneStabilität aus. ©picture-alliance/imageBROKER VonBewunderung geprägt

KAMERUN Die deutschekoloniale Vergangenheit wird im täglichen Bewusstsein oft als Gegebenheit hingenommen

itte November hatte schätzt. Etliche Verwaltungsgebäude,Ge- die Entwicklungder ihnen anvertrauten denden Schulen.Allerdings gilt dasnur akten insFranzösische übersetzt worden. tav-Nachtigal-Säule in Duala und der Bis- dasGoethe-Institut fängnisse,Krankenhäuser,Kirchen und Gebiete zu tun.Sie beschränkten sich da- für den französischsprachigen Teil des Bis heute erinnern neben den architektoni- marck-Brunnen in Buea. in KamerunsHaupt- Schulen, die während der deutschen Herr- rauf, die vonden Deutschen hinterlassene Landes.Informationen zur Zeit desdeut- schen und baulichen Hinterlassenschaften Dass um aus den überseeischen Gebieten stadt Jaunde eine schaft im Land entstanden, werden noch Infrastruktur zu pflegen oder diese auszu- schen Kaiserreicheswerden sowohl in der auch zahlreiche Ortsnamen an die deut- seinen Nutzen zu ziehen, mit der deut- Kulturwoche unter immer genutzt. Auch deshalb blicken viele bauen.Das warder Fall Grund- als auch in der Se- sche Kolonialherrschaft, da sie in dieser schen KolonialzeitUnrecht und Verbre- M dem Motto „The Kameruner heute noch etwas nostalgisch beim Eisenbahnnetz, das kundarschule unterrichtet. Zeit entstanden.Das sind Namen wie Lo- chen einhergingen, ist ein Fakt, der nicht Burden of Memory“ zur Aufarbeitung der auf die deutsche Kolonialzeit zurück. sich aus der 1911 eröffne- »Das vom Laut Goethe-Institutlernen lodorf, Nachtigal, Idenau oder Marienberg. vergessen werden darf. Unter dem Deck- deutschen Kolonialgeschichte veranstaltet. Dastechnische Know-howder Deutschen ten Nordbahn und der in Kamerun rund 230.000 Idenau etwawar eine vomMannheimer mantel der zivilisatorischenMission fügten Die Bühne und der öffentliche Raum ge- ist aber nicht nur im Baugewerbe sichtbar. Mittellandbahn, deren Bau deutschen Menschen Deutsch als Unternehmer und Politiker,Ferdinand Sci- die deutschen Kolonialherren den Einhei- hörten in dieser Zeit vielen afrikanischen Es kam ebenfalls im Eisenbahn- sowie im wegen desAusbruchsdes Fremdsprache.Damit ist pio, gegründetesGebiet am Kamerunberg, mischen viel Leid zu: Hohe Abgabelast, Künstlern, Performern und Historikern. Brückenbau zum Ausdruck.Die 1911 eröff- Ersten Weltkriegesabge- Kaiserreich dasLand führend in Afri- in dem Kakao, Kautschuk, Bananen, Ölpal- Wucher,Enteignungen, Zwangsarbeit, Trä- Die einzelnen Veranstaltungstage trugen nete Brücke vonEdea wird heute zwar nur brochen werde musste,zu- aufgebaute ka. Im Allgemeinen haben men und Kaffee angepflanzt wurden.Dort gerwesen, Vergewaltigungen, Willkürjustiz Überschriften wie „Last“, „Erinnerung“, noch vonFußgängern und Motorradfah- sammensetzte.Den Fran- die Jugendlichen ein posi- ist ein Dorf entstanden, dasheute 15.000 –all dieswar Teil der Methoden, auf die „Widerstand“, aber auch „Rückeroberung“. rern genutzt, aber sie hat keineswegs an zosen ist lediglich der Ab- Eisenbahnnetz tives Deutschlandbild, Bewohner zählt und zur Hauptstadt des auch in Kamerun gern zurückgriffen wur- So eine kritische,vertiefte Auseinanderset- Prestige verloren, und ihr wirdsogar eine schnitt Eseka-Jaunde zu wirdweiterhin ganz gleich, ob sie Deutsch Verwaltungsbezirks gewachsen ist. de.Die Deutschen bauten ein brutalesRe- zung mit der Vergangenheit ist noch recht politisch-kulturelle Bedeutung zuerkannt: verdanken.Von der Teil- in der Schule gelerntha- gime der Unterdrückung auf und spielten selten in Kamerun, dasDeutschlandbild ist Sie repräsentiert die guten Beziehungen, strecke Mbanga-Nkong- benutzt.« ben oder nicht. Die Mehr- Deutsche Friedhöfe Im Jahr 1890kamen einzelne Gruppen gegeneinander aus.Dies sehr positiv. die Deutschland und sein ehemaliges samba abgesehen, wird das heit der Menschen, die sich acht Deutsche vomPallottiner-Orden nach führte dazu, dass manche Volksstämme Denn wenn über die deutsche Kolonialzeit „Schutzgebiet“ seit mehreren Jahrzehnten vomdeutschen Kaiserreich im Anschlussandas Abitur Elog Ngango und bauten auf einer Anhöhe oder Stammesfürsten sich gegen sie auf- gesprochen wird, sind viele Menschen der unterhalten. aufgebaute Eisenbahnnetz weiter benutzt. für Deutschkurseanmelden, hat eine be- eine Missionskirche,der sie den Namen ei- lehnten.InKamerun werden die Häuptlin- Ansicht, dass sich die Deutschen vorallem Es gibt nicht wenige,die den Standpunkt rufliche Schule besucht. ner im Erzgebirgskreis liegenden Stadt ga- ge Rudolph Duala Manga Bell, Martin Paul gut mit Technik auskennen.Sie kommen Qualität Im Ersten Weltkrieg mussten die vertreten, dass Kamerun eine wirtschaft- Auch in der Hochschulbildung gehört die ben: AusElog Ngango wurde Marienberg. Samba, Wilhelm Madola und Edanda Mbi- zwangsläufig zu diesem Schluss, wenn die Deutschen Kamerun verlassen.Nach der lich starke Nationgeworden wäre,wenn deutsche Kolonisation zum Unterrichts- Da sich die ersten katholischen Missionare, ta als erste Märtyrer betrachtet, weil sie zu 32 Jahre andauernde Kolonialherrschaft Entscheidung desVölkerbundes übernah- Deutschland es nicht frühzeitig verloren kanon der Studiengänge Geschichte und die insLand kamen, dort niederließen, Unrecht hingerichtet wurden. Sie wurden desdeutschen Kaiserreichesderjenigen der men die Franzosen 80 Prozent desTerrito- hätte.Nach wievor giltder Deutsche als Germanistik. Im Jahr 2016 nutzten7.336 wird es als Geburtsort der katholischen alle desHochverrats angeklagt und am Dritten und Vierten Französischen Repu- riumsdes Landes, der Rest ging an die Bri- arbeitsam, diszipliniert und willensstark. Kameruner die Möglichkeit, in Deutsch- Kirche in Kamerun betrachtet. DasDorf ist 8. August 1914, am Beginn desErsten Welt- blik gegenübergestellt wird: DasSchloss, ten.Eswurden schnell kritische Stimmen „Made in Germany“ stand und steht für land zu studieren.Damitist Deutschland seit 1990ein Wallfahrtsort.Auch finden kriegs,getötet. Jeden 8. August legen die dasder Kolonialgouverneur Jesko Eugen gegen die künstliche Teilung desLandes hohe Qualität. Auch deshalb träumenim- daszweitbeliebteste Studienland der Ka- sich immer noch Friedhöfe,auf denen die Angehörigen desStadtkreisesBell nun Blu- vonPuttkamer als eigenen Amtssitz in laut. In den 1940er und 1950er Jahren mer mehr Jugendliche davon, eine Ausbil- meruner.Auch gibt es viele wissenschaftli- Grabinschriften auf Deutsch verfasstsind. men auf dem Grab ihresehemaligen Ober- Buea erbauen ließ,ist ein architektonisches wurden Parteien gegründet, die die Wie- dunginDeutschland zu machen. che Studien zum Thema. Im Nationalar- Konsequenterweise nennt man sie „deut- hauptesnieder.Inder Stadt Ebolowa fin- Kleinod. DasGebäude im wilhelminischen dervereinigung und Unabhängigkeit auf Als die Deutschen Kamerun verließen, chiv in Jaunde wird ein Großteil der Do- sche Friedhöfe“.ImRahmen einesvon det sich ein Standbild vonMartin Samba. Stil ist heute der Amtssitz deskameruni- ihre Fahne schrieben.Konsequenterweise hinterließen sie Tausende vonSchülern, kumenteaus der deutschen Kolonialzeit Deutschland finanzierten Projekts wurden Hilaire Mbakop T schen Präsidenten in der Südwestregion. schrieben einige den Namen desLandes die drei Jahrzehnte lang auf Deutsch aus- aufbewahrt. Mit Unterstützung desGoe- sie genauso restauriert wie andere deutsche Deutsche Bauten werden vorallem auf- weiterhin auf Deutsch.Den Franzosen und gebildet worden waren.Bis heute ist the-Institutsist der vonPeter Geisslerauf- Denkmäler aus der Kolonialzeit, vonde- Der Autor ist als Schriftstellerund Mitar- grund ihrer Widerstandsfähigkeit hoch ge- Briten wurde vorgeworfen, sehr wenig für Deutsch Wahlpflichtfach an allgemeinbil- gestellteBestand deutscher Verwaltungs- nen zwei besondersbekannt sind: die Gus- beiter der Klassik Stiftung Weimar tätig Durch die nationale Brille INTERVIEW KolonialkritischeTöne kommen im Schulunterricht zu kurz, sagt Schulbuchforscher LarsMüller

Herr Müller,inwiefern kommtdas Persönlichkeiten oder Zeiträume.Die sonengruppeals selbstbestimmteAkteure Zeul (SPD) 2004 zum Völkermord an den mer mehr fachfremdenLehrkräften unter- daran wurde aber nicht angeknüpft. Auf Thema„Deutschlands koloniales Erbe“ Schulbücher undLehrkräfte müssendas in Erscheinung treten.Das heißt, sie wer- Hererowurde bereitskurze Zeit später in richtet. Ich plädiere dafür,dassinder Leh- europäischer Ebenestellt Euroclio, dereu- in denSchulbüchernund Fächern in dann mit Inhalt füllen.Meist geht es erst den weitestgehend als Opfer dargestellt,et- Schulbücher aufgenommen.Inden ver- rerausbildung übergreifende Themenwie ropäische Geschichtslehrerverband, im Deutschland vor? darum, wie die europäischen Mächte Afri- wa wenn sieinKetten liegenoder abgema- gangenen zwei bis drei Jahren beobachten Rassismus oder Diversitätstärker berück- Projekt „Historiana“ Quellen über den DasThema Imperialismus istseit der ka „in Besitznahmen“ und dannwird der gertgezeigtwerden. wir,dassdas wieder abnimmt. sichtigt werden. Beitrag der Kolonien zumErsten Weltkrieg Gründung der Bundesrepublik fester Be- Konfliktzwischen demDeutschenReich zur Verfügung. Auch dasInstitut für diskri- standteildes Geschichtsunterrichts in allen undden Bewohnernder Kolonien thema- Die meistenSchulbücherwerdennur Wiesensibel gehen die Geschichtsbü- Gibt es auf der europäischen Ebene minierungsfreie Bildung hat Fortbildun- Bundesländern.Eswird in der Regel zu- tisiert. Fokussiertwird oft auf dasheutige überarbeitet undnicht neu geschrieben. cher denn mitSprache um? Projekte,von denen gelernt werden gen für Lehrkräfte durchgeführt. Es gibt sammen mitdem Ersten Weltkriegbehan- Namibia undden Deutsch-Herero-Krieg. Spielt das aucheine Rolle dabei? BestimmteBegriffe werden weniger be- kann? verschiedene Projekte,die durch teilneh- delt undbeginnt mit der „Aufteilung“ des Anschließend kommenmeist die Exkursi- Ja,Schulbücher sind überarbeitete Versio- nutzt undschrittweise gestrichen.Begriffe, DerImperialismus warzwarein europäi- mendeBeobachtung oder Interviews un- afrikanischen Kontinents undden Konflik- onskapitel.Prüfungsrelevant istaber nur nen vonüberar- vondenen die Autoren denken, dass sie schesPhänomen,erwird immernoch sehr tersuchen,wie dasThemenfeld in der Un- ten zwischen denKolonialmächten. Teil die Geschichte desImperialismus,sodass beitenBüchern. notwendig sind, die sie aber nicht mehr stark durch die nationale Brilleunterrich- terrichtspraxisbehandelt wird. Die Ergeb- dieses Kapitelsist oft auch dasThema ko- es vorkommt,dassdie Exkurse aus Zeitnot Man musssagen, benutzen wollen, werden in Anführungs- tet: England fokussiert beispielsweise auf nisse dieser Projekte müssen dannindie lonialesErbe.Esgibt Exkurseüber Stra- übersprungen werden. dass es keine ab- striche gesetzt.Weil eineErklärung fehlt, Indien, Deutschland auf die Geschichte Unterrichtsmaterialien zurückgeführt wer- ßen-Umbenennungen,Rassismus in der gesicherte wissen- denke ich,dassden Schülern nicht be- der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwest- den.DassDeutschland wesentlichdiverser Gesellschaftoder verschiedenste Denkmä- Findet sich in den Büchern inzwi- schaftliche Prü- wusstist, warum die Anführungszeichen afrika. Dazu kommt, dass wir sehr unter- wird, musssich auch in denSchulbüchern ler.Die Lehrpläne der einzelnen Bundes- schen die Perspektive der Betroffenen? fung oder eine da stehen.Dazu kommt, dass in Fächern schiedliche Didaktiken in Europa haben. undimUnterrichtskanon widerspiegeln. länder unterscheiden sich da nur in De- Bei der Beschreibung, wie der Kontinent ut strukturierte Ein- wie Biologie oder GeographieBegriffe wie Es gibt ein deutsch-französischesoder ein tails.Auch kanndas Thema im Geogra- unter deneuropäischenAkteuren aufge- bindungder „Rasse“ oder „Stamm“ noch sehr viel län- deutsch-polnischesSchulbuchprojekt, bei Das Gespräch führte Lisa Brüßler ert-Instit phie-, Gemeinschaftskunde- oder Politik- teiltwurde,spielen Afrikaner unddie afri- Fachwissenschaft ger unkritisch benutzt wurden. denensich binational auf einen Themen- unterricht eine Rolle spielen, etwawenn kanische Geschichte keine Rolle.Viele in die Schulbuch- kanon undeine Didaktik geeinigtwird. So Dr.des. Lars Müller ist assoziiertes eorg-Eck die Kolonisation oderWirtschaftssysteme Schulbücher sprechen von„dem“Afrika produktion gibt. Istein weiteres Problemfeld auch die etwas für 28 Länder zu entwickeln, da sind Mitglieddes Leibniz Institut für interna- ©G behandelt werden. oder „den“ Afrikanern.Dasseseine Veränderungen Ausbildung der Lehrkräfte? wir nochlange nicht. tionale Schulbuchforschung Reichsbildung undfunktionierende Ge- finden nur Ja,das koloniale Erbe istkein verpflichten- Wasgenau bekommenSchüler über sellschaften gab,bevor die Europäer ka- schrittweisestatt,eswerden also mal eine desThema in der Aus- undWeiterbildung Gibt es weitereInitiativen, die Hoff- den deutschen Kolonialismus vermittelt? men, wird nicht deutlich.Geht es bei- Doppelseite,Quellenoder Absätze desAu- vonLehrkräften.Dazu kommt, dass es kei- nung machen? Lehrpläne geben nicht im Detail vor, was spielsweise um denDeutsch-Herero-Krieg, torentextesausgetauscht. Dabei versuchen nen Mangel an Materialien gibt, nur sind Ja,bereits in den 1980erJahren gab es an oder wie dasThema unterrichtet werden gibt es Zitate und Abbildungenvon Here- Autoren oft aktuelle Ereignisseaufzugrei- sie sehr verstreut undvieleLehrkräfte ha- der UniversitätBremenein Projekt, in dem WeiterführendeLinks zu den muss. Sie geben meist nur eine grobe rosund Namas. Diese Zusammenstellung fen.Die Rede der ehemaligen Entwick- benoftmals zu wenig Wissen, diese zu be- versucht wurde,mit Personen aus Namibia Themendieser Seite finden Struktur vor, nennenbestimmteBegriffe, reicht aber meist nicht aus,damit die Per- lungsministerin Heidemarie Wieczorek- werten.Zudem wird Geschichtevon im- zusammen Materialien zu entwickeln – Sie in unserem E-Paper 12 KOLONIALES ERBE Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020

Beim AfrikagipfelimNovember in Berlin standen die InvestitionspartnerschaftenimMittelpunkt. Für die Industrieländer interessant ist das starkeWachstum in einigen Regionen Afrikas.Die Kolonialgeschichte spielt kaum noch eine Rolle. ©picture-alliance/dpa Schwierige Partnerschaft

AFRIKAPOLITIK Übergeordnete Interessen prägen dasVerhältnis Deutschlands zu seinen Ex-Kolonien in Afrika

ür Angela Merkel (CDU) wares nische Kontinent bietet ungeheure Chan- genüber guter Regierungsführung den Vor- nach Europa. Zudem ist die Region ein kaum aufgearbeitet. Zumindest öffentlich Derweil werden in afrikanischen Ländern die einer der angenehmeren Termi- cen: Sechsder zehn am schnellsten wach- zug erhält“, sagt Melber. Hotspot gewaltbereiter Islamisten.Noch beteuern sie nun, dasändern zu wollen. Stimmen lauter,die vonden europäischen ne: Mitte November empfing senden Volkswirtschaften der Welt sind in immer verüben sie in der Sahelregion An- 2018 kündigte FrankreichsPräsident Em- Staaten Entschuldigungen und Wiedergut- die Bundeskanzlerin sieben afri- Afrika zu finden.Inzahlreichen Großstäd- Sozialstandards Afrikanische Experten se- schläge und kontrollieren ganze Landstri- manuel Macron an, geraubte Kunstschät- machungen für die Kolonialverbrechenfor- kanische Staatschefs zum Afri- ten desKontinents wächst eine kleine,zah- hen im Fokus auf Privatinvestitionen oh- che.Das Kalkül der Europäer: Wenn die ze an die ehemaligen Kolonien zurückge- dern.ProminentestesBeispiel ist der Völker- Fkagipfel in Berlin.Eswar bereits lungskräftige Mittelschicht. Dazu kommen nehin keine Partnerschaft. „Bei Investitio- Region nicht stabilisiert wird und Konflikte ben zu wollen.Auch die Bundesregierung mord an den Herero und Nama, den deut- die dritte Afrikakonferenz ihrer Amtszeit. Bodenschätze und eine große Nachfrage nen an Orten, wo die Mehrheit der Bevöl- zunehmen, könnte die Migration nach bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag sche Soldaten Anfang des20. Jahrhunderts Dabei warAfrika für die deutsche Außen- nach Produkten aller Art. In den nächsten kerung keinen Zugang zu Wasser,Nahrung Europa stärker werden. erstmals dazu, dass deutsche Kolonialerbe in der damaligen Kolonie „Deutsch-Südwest- politik bis vorwenigen Jahren eine Rand- zehn Jahren könnte laut Entwicklungsmi- oder Gesundheitsversorgung hat, sollten Doch dasdeutsche Engagement bleibt aufzuarbeiten.Das ist weitreichender,als afrika“ verübten.Seit vier Jahren verhandeln zone –von der Entwicklungspolitik abge- nisterium in Afrika mehr gebaut werden Investitionen sich nicht nur auf Profite weit hinter dem der Ex-Kolonialmacht es auf den ersten Blick erscheint. Tausende Deutschland und Namibia über eine Ent- sehen.Aus Berliner Sicht waren ansonsten als in den vergangenen 100Jahren in konzentrieren, sondern den sozialen Kon- Frankreich zurück. Allein in Mali sind geraubte Kunstschätze und menschliche schuldigung –bisher ergebnislos. eher die USA und die früheren Kolonial- Europa. „Es liegt jetzt an der Wirtschaft, text im Blick haben.Das fehlt mit im 4.500 französische Soldaten stationiert. Gebeine könnten nach Schätzungen von „Die bislang mangelnden Konsequenzen mächte Großbritannien und Frankreich die neuen Chancen auf dem Nachbarkon- Compact with Africa“, sagte der kongolesi- „Es gibt in Frankreich noch immer ein Fachleuten noch in deutschen Archiven aus dem Mitte 2015 erfolgten Zugeständ- zuständig. Deutschland setzte woanders tinent zu sehen und zu nutzen“, erklärte sche Sozialwissenschaftler Nene Morisho starkesGefühl, dass man Afrika sozusagen und Museen lagern.Erste Richtlinien zum nis,dass die Kolonialverbrechen im dama- Schwerpunkte: Osteuropa, Asien, USA. unlängst Entwicklungsminister Gerd am Rande desAfrikagipfels.Kritiker wie steuern müsse“, meint Afrikawissenschaft- Umgang mit diesem Erbe liegen auf dem ligen Deutsch-Südwestafrika ein Völker- Dabei warauch Deutschland einst Koloni- Müller (CSU). Morisho fordern in allen Programmen kla- ler Kappel. Doch auch in Frankreich wer- Tisch.Die Bundesregierung hat auch eine mord gewesen sind, mindert die Glaub- almacht. Sechsafrikanische Länder –Na- Bisher tut sie dasaber kaum.Nur ein Pro- re Umwelt- und Sozialstandards, damit die den immer wieder Rufe laut, dass andere zentrale Anlaufstelle für Rückgabeforde- würdigkeit deutscher Afrika-Politik“, sagt mibia, Togo, Kamerun, Tansania, Burundi zent aller deutschen Auslandsinvestitionen lokale Bevölkerung vonPrivatinvestitionen EU-Partner vorOrt mehr leisten sollten – rungen gegründet. Doch bisher haben nur Experte Melber.Gleichzeitigwäre eine und Ruanda –gehörten bis 1919 ganz oder geht nach Afrika, meist in die nordafrika- auch wirklich profitiert. was sich vorallem an Deutschland richtet. einzelne Museen und Forschungseinrich- deutsche Entschuldigung nur ein Anfang – teilweise zum deutschen Kaiserreich.Die nischen Staaten und nach Südafrika. „Zwi- Auch im politischen Engagement Deutsch- tungen Kunstschätze und menschliche denn auch auf andere ehemalige Kolonial- deutsche Herrschaft wardurch den verlore- schen Kairo und Johannesburg sind kaum lands spielt die Migrationeine entschei- Kunstschätze Ob dasAfrika-Engagement Gebeine zurückgegeben.InDeutschland mächte würde der Druck steigen, sich für nen Ersten Weltkrieg aber relativ kurz. Be- deutsche Firmen zu finden“, konstatierte dende Rolle.Vor allem in der Sahelregion Deutschlands und anderer Ex-Kolonial- gebe es immerhin „interessante Diskussio- die noch immer ungesühnten Verbrechen sondersenge politische oder wirtschaftli- die bundeseigene Kreditanstalt für Wieder- ist Deutschland präsent. Mehr als mächte am Ende als Partnerschaft wahrge- nen“, während in Frankreich „praktisch dieser Ära zu entschuldigen. Daniel Pelz T che Beziehungen pflegte Deutschland zu aufbau (KfW) in einer Analyse vergangenes 1.000 Bundeswehrsoldaten sind in Mali nommen wird, hängt noch voneinem an- nichts passiert“ sei, kritisierte der senega- den meisten ehemaligen Kolonien lange Jahr.Auch hier sind es Firmen aus den frü- stationiert. Kein Zufall, denn durch die Re- deren Faktor ab.Bisher haben die europäi- lesische Intellektuelle Felwine Sarr un- Der Autor ist Afrikaexperte nicht. heren Kolonialmächten und aus China, gion verlaufen wichtige Migrationsrouten schen Staaten ihre Kolonialvergangenheit längst. der DeutschenWelle. Auch jetzt geht es der Bundesregierung die bessere Geschäfte machen.Rund nicht zuvorderst um historische Bindun- 1.000 deutschen Firmen in Afrika stehen gen.Ihre Afrikapolitikorientiert sich an rund 10.000 chinesische gegenüber. aktuellen deutschen Interessen.„Ob es um Vielfältige Beziehungen im gegenseitigen Respekt Frieden, Klimaschutz, um wirtschaftliche Wohlstand und Migration In dieser Lage Entwicklung, Migration und andere große will sich Deutschland in Afrika mit einem STÄDTEPARTNER DeutscheKommunen unterhalten Kontakte zu ehemaligen Kolonien in Afrika Fragen unserer Zeit geht –wir sind unsalle neuen Ansatz profilieren: Die Bundesregie- einig, dass Afrika mit seinen mehr als rung will mehr ausländische Privatinvesti- Jenseits der großen Politik sorgen oftmals andischen Schulen eine Partnerschaft. Ein 50 Staaten und einer wachsenden Bevölke- tionen auf den Kontinent locken.Sosollen kommunale Kontakte zwischen verschie- Schüleraustausch wird vonder Landesre- rung bei der Lösung globaler Fragen eine Jobsund Wohlstand entstehen, die Migra- denen Ländern für multikulturelle Freund- gierung unterstützt. Die Pfälzer engagieren wichtige Rolle zukommt“, sagte die Kanz- tion dagegen gebremst werden.Zugleich schaft, Respekt und Verständnis.Seit Ende sich im Schulbau, bei der Schulausstattung lerin bei der Konferenz im November. aber sollen auch deutschen Firmen Zugang desZweiten Weltkriegs,der für Deutsch- sowie in der Lehrerfortbildung. Schon seit zu lukrativen Märkten bekommen. land im materiellen und moralischen De- Jahren kooperieren zudem die Universität Große Chancen Frieden, Entwicklung, Mi- Konzepte gibt es reichlich.Das Finanzmi- saster endete,waren es auch einfache Städ- Kaiserslautern und die technischen Hoch- gration: Drei Schlüsselworte,die viel darü- nisterium verantwortet den „Compact with tepartnerschaften, die eine neue Annähe- schule in Ruanda. Einen Austausch gibt es ber verraten, warum sich Deutschland Africa“ –Investitionspartnerschaften mit rung und Aussöhnung möglich machten. auch zwischen der Universitätsklinik deutlich stärker mit dem Nachbarkonti- derzeit zwölf afrikanischen Ländern.Das Wassich zunächst auf Kontakte mit westli- Mainz und der Stadt Butare. nent beschäftigt. „Die Migrationswellen, Entwicklungsministerium hat einen Fonds chen Nachbarn und ehemaligen Kriegsgeg- die nach Europa und auch nach Deutsch- aufgelegt, der auf eine Milliarde Euro an- nern beschränkte,entwickelte sich im Lau- Zahlreiche Engagements Wie aus der Da- land kamen, spielten eine große Rolle, wachsen soll. Deutsche und afrikanische fe der Jahrzehnte zu einem geografisch tenbank desRGRE hervorgeht, unterhalten auch wenn die meisten Migranten gar Firmen können bei Investitionen in Afrika weit verzweigten Netzwerk, dasheute den deutsche Städte zu den meisten ehemali- nicht aus Afrika stammten“, sagt Robert unterstützt werden.Zudem hat dasMinis- globalen Süden ebenso umfasstwie,seit gen deutschen Kolonien in Afrika vertiefte Kappel, langjähriger Direktor desGIGA-In- terium Beratungsangebote für deutsche Fir- dem politischen Umbruch Ende der Abgesandte der Partnergrundschule Bockenau in Rheinland-Pfalz auf der Baustelle der Beziehungen.Alleine 17 Partnerschaften stituts in Hamburg. men gestartet, die in Afrika investieren 1980er Jahre,auch die früheren Ostblock- Primarschule CyamatareinRuanda. ©Partnerschaftsverein RLP/Ruanda e.V. (Vertrag), Freundschaften (zeitlich be- Dasdeutsche Engagement hat daher deut- wollen.Ähnliche Angebote macht auch staaten.Nach Angaben desRatesder Ge- grenzte Vereinbarung) oder Kontakte (oh- lich zugenommen, aber die traditionellen dasWirtschaftsministerium mit den Pro- meinden und Regionen Europas(RGRE) ne förmliche Festlegung) bestehen mit Ru- Partner haben einen Vorsprung. „Frank- grammen „Pro! Afrika“ und „Wirtschafts- pflegen deutsche Kommunen aktuell mehr tergrund der geschichtlichen Verflechtung Städteverbindungen mit Ruanda entstan- anda, alle in Rheinland-Pfalz. reich und Großbritannien sind sehr viel netzwerk Afrika“. als 7.000 Partnerschaften, Freundschaften und der engen politischen und entwick- den, daszusammen mit Burundi und Tan- Neben Berlin pflegt auch Trossingen in Ba- präsenter auf dem Kontinent. Daskann Nicht nur Firmenvertreter verlieren da und Kontakte weltweit. lungspolitischen Beziehungen zwischen sania einst die Kolonie Deutsch-Ostafrika den-Württemberg eine Städtepartnerschaft man an den Investitionen, am Handel und schnell den Überblick. Kritiker werfen der Deutschland und Namibia und mit Blick bildete. mit Windhuk, daneben gibt es vertiefte am geostrategischen Engagement sehen – Bundesregierung vor, mit den verschiede- Kontakt nach Afrika Eine besondere Rol- auf die besondere Verantwortung, die der Kontakte zwischen Dessau-Roßlau in Sach- etwaMilitärbasen oder Interventionen in nen Programmen die eigenen Ansätze zu le spielen dabei die Beziehungen zu frühe- Deutsche Bundestag gegenüber Namibia Pfälzer Netzwerk Die Pfälzer sprechen sen-Anhalt und Rehoboth, ebenfalls eine regionalen Konflikten“, sagt Kappel. konterkarieren.„Es ist schwer, einen inte- ren Kolonien.Auf einem Friedhof in Ber- zum Ausdruck gebracht hat“, umreißt die voneiner „Graswurzelpartnerschaft“ und Stadt in Namibia. Acht Treffer weist die Doch die klassische Aufteilung ändert sich. grierten Ansatz zu erkennen, der intern ab- lin-Neukölln erinnert ein Gedenkplatte in Berliner Staatskanzlei die Grundlage des verweisen auf die vielfältigen, engen Bezie- Datenbank für Partnerschaften mit Tansa- Großbritannien ist durch den chaotischen gestimmt und nicht nur vondeutschen In- den Umrissen Namibiasandie Opfer der Engagements.Die Zusammenarbeit er- hungen beider Länder „mit gegenseitigem nia aus,darunter Eckernförde in Schleswig- Brexit-Prozess politisch zunehmend auf teressen geleitet ist“, sagt Henning Melber, Kolonialherrschaft im früheren Deutsch- streckt sich auf Polizei und Stadtentwick- Respekt und Achtung“.Das Projekt gehe Holstein mit Tanga sowie Hamburg mit sich selbst fokussiert. Auch die USA ziehen Herausgeber desBuches„Deutschland und Südwestafrika zwischen 1884 und 1915. lung, daneben geht es um Schulen und die über die reine Entwicklungszusammenar- Daressalam. sich derzeit vonder Weltbühne eher zu- Afrika –Anatomie eineskomplexen Ver- Blutiger Höhepunkt der militärischen Akti- Ausbildung, Umweltschutz, Sport und Kul- beit hinaus und stehe für „Partnerschaft im Die Stadt Duisburg (NRW) pflegt schon rück. Zeitgleichwächst der Einflussneuer hältnisses“. vitäten im deutschen „Schutzgebiet“ war tur.Die Partnerschaft lebe wesentlich vom alltäglichen, gesellschaftlichen und kultu- seit 1973 eine Partnerschaft mit der Stadt Player: Neben China gehören dazu auch Denn während sich die Bundesregierung die Niederschlagung desAufstandesder Engagement zahlreicher Nichtregierungs- rellen Leben“, wie der Partnerschaftsverein Lomé in Togo.Die baden-württembergi- die Türkei oder Russland. Denn der afrika- in der Afrikapolitik vorallem die Förde- Herero und Nama 1904 bis 1908 (siehe organisationen, mit deren Hilfe der Kultur- Rheinland-Pfalz/Ruanda betont. sche Stadt Schopfheim ist seit dem Jahr rung vonDemokratie und Menschenrech- Seiten 4und 5). Knapp hundert Jahre spä- austausch und Schulpartnerschaften orga- Nach Angaben desVereinsgibt es inzwi- 2000 Partnergemeinde vonDikome in Ka- ten auf die Fahnen schreibt, werfen ihr Kri- ter,am6.Juli 2000, begründete Berlin eine nisiert würden, heißt es in der offiziellen schen 40 offizielle Kontakte vonStädten, merun, basierend auf einer kirchlichen Ini- tiker dasGegenteil vor. Auch autoritär re- Städtepartnerschaft mit Windhuk, der Beschreibung der kommunalen Beziehung. Landkreisen oder Verbandsgemeinden mit tiativeaus den 1970er Jahren.Die Schopf- gierte Staaten wie Ruanda oder Ägypten ge- Hauptstadt Namibias. Es ist die einzige un- So engagiert sich eine Gruppe Berliner Ruanda. Eine wichtige Säule sind die heimer halfen den Kamerunern beim Bau hören im Rahmen des„Compact with Afri- ter vielen Städtepartnerschaften Berlinsmit Polizisten für den Nashornschutz. Schulpartnerschaften mit dem afrikani- vonWasserleitungen und der Krankenstati- Weiterführende Links zu den Themendieser Seite finden ca“ zu den deutschen Partnerländern.„Es einer Stadt in Afrika. Die Partnerschaft mit In Rheinland-Pfalz ist seit den frühen schen Staat. So unterhielten 2014 mehr als on und starteten eine Direktvermarktungs- Sie in unserem E-Paper scheint, dass dasWirtschaftsinteressege- Windhuk wurde vereinbart „vor dem Hin- 1980er Jahren ein ganzesNetzwerk an 180 rheinland-pfälzische Schulen mit ru- initiativefür Kaffee. Claus Peter Kosfeld T Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar 2020 KOLONIALES ERBE 13

uch wenn so manche Erin- Einesder Nationalmuseen, dasUnabhän- nerung an die deutsche gigkeitsmuseum neben der neoromanti- Zeit in Namibia bröckelt: schen Christuskirche mit seinen vonKaiser Die Hans-Dietrich-Gen- Wilhelm gestifteten Fenstern, ist ein Sym- scher-Straße in Windhoek, bol dafür,wie manche deutsche Spuren in A den letzten Jahren schwinden.Dort stand an der die Zentrale der Re- Tiefe Spuren gierungspartei Swapo liegt, wird bleiben. der Alte Reiter,die Statue einesSchutz- In keinem anderen Land Afrikas, wohl trupplers. Die Statue wurde in dasInnere auch in keiner anderen ehemaligen Kolo- desAlten Forts verlegt und ist derzeit unzu- nie,sind die Spuren der gut drei Jahrzehn- NAMIBIA Der deutscheEinflussist auch heute noch überall spürbar gänglich.Statt dessen beherrscht nun das te,indenen dasDeutsche Reich Deutsch- monumental-glitzernde,von Nordkorea- Südwestafrika beherrschte,deutlicher und nern gebaute Unabhängigkeitsmuseum die sichtbarer.Hier ist Deutsch eine der acht Kuppe oberhalb der einstigen Kaiserstraße, Nationalsprachen.Das Bier wirdnach die nun Independence Avenue heißt. Sol- bayerischem Reinheitsgebot gebraut. che Änderungen kommen in behutsamen Schwarzbrot, Sauerkraut und Schwarzwäl- Schritten –aus der Bismarckstraße etwa der Kirsch werden in den Restaurants und wurde erst jetzt, 30 Jahre nach der Unab- Cafés Windhoeks oder Swakopmunds an- hängigkeit, die Simeon-Kambo-Shixunge- geboten.Wer in diesen auf Englisch be- leni-Straße,benannt nach einem Guerilla- stellt, den fragt irritiert der dunkelhäutige führer der Swapo. Kellner :„Wie bitte?“ Für sanfte Änderungen wirbt Zed Ngavirue, Dabei haben nur noch 14.000 der 2,5 Mil- ein ebenso besonnener wie eindrucksvoller lionen Namibier Deutsch als Mutterspra- Diplomat. Er leitet die Verhandlungen der che –diese Minderheit aber ist in Wirt- namibischen Regierung mit Berlin, wie schaft, Kultur und zum kleinen Teil in der beide Seiten mit dem Kolonialerbe umge- Politik einflussreich.Viele Touristen kom- hen sollen –obesalso eine offizielle Ent- men aus der Bundesrepublik, um staunend schuldigung geben soll und eine Wieder- in der Hauptstadt an der Heinitzburg, dem gutmachung für den Völkermord an Here- Alten Fort oder dem Tintenpalast vorbeizu- ro und Nama. Ngavirue,ein 86 Jahre alter, wandeln –der Spitzname für den einstigen hochgewachsener Akademiker mit sanfter Gouverneurssitz und seine Tinte versprit- Stimme,sagt, sein Land beseitige nicht zenden Beamten, in dem heute dasParla- Symbole der Deutschen, sondern Symbole ment sitzt. Diese Tradition zieht viele an, der Unterdrückung. Die Kolonialgeschich- und sie wird gepflegt wie manche ver- te sei nicht fröhlich gewesen.Der Reiter meintliche deutsche Übung -sosauber, mit dem Gewehr in seiner Hand verletzt wohlgeordnet und sicher wie in der Innen- ebenso die Gefühle vieler Namibier wie so stadt Windhoeks ist es in vielen Städten manche Straßennamen gut hundert Jahre der Bundesrepublik nicht mehr. nach dem Ende der deutschen Kolonialzeit Einen Bildersturz oder gar eine Kulturrevo- am 28. Juni 2019. lution gab es weder,als Südafrika 1919 die Auch nach dem Abbau desReitersund Verwaltung vomdeutschen Gouverneur als mancher Straßenschilder: Windhoek und Mandatsgebiet desVölkerbundesüber- vorallem die Seefrischen Lüderitzbucht nahm, noch 1990, als Südwestafrika als und Swakopmund zeigen deutsche Archi- Namibia unabhängig wurde und die tektur und Läden -sokönnte es vorgut Swapo die Regierung stellte.Das hatte hundert Jahren auch heim im Reich gewe- mehrere Gründe.Die Unterdrückung des sen sein.Vom Windhoeker Karnevalund Kolonialaufstandesder Völker der Herero Sportvereinen über die Esskultur bis zur und der Nama gegen die Schutztruppen Wirtschaftsstruktur sind die Deutschnami- warebenso wie danach die Rassendiskri- bier,oft in fünfter Generation in Namibia, minierung der südafrikanischen Machtha- präsent. Aber auch im Deutschen Kultur- bergegen die schwarze und farbige Bevöl- rat, im Rundfunk, in der Namibischen kerungsmehrheit hart, aber irgendwie Wissenschaftlichen Gesellschaft mit Unter- auch, meist, eine Spur paternalistischer gruppen vonder Geologie über Vogelkun- und kleinteiliger als anderswo.Zudem de bis zur Märchenforschung. Orts- und wussten die neuen Machthaber 1919 wie Häusernamen reichen vomAlten Amtsge- auch 1990, welche tiefen Spuren die deut- richt in Swakopmund bis zum Hohenzol- sche Kultur hinterlassen hatte,und dass es lernhaus.Die Bildungsarbeit deutscher unter den Deutschprachigen nicht nur un- Missionare hatte erheblichen Einfluss. einsichtige Farmer gab,sondern auch so Die Pflege dieser Traditionen gibt derzeit manche Brückenbauer auf beiden Seiten. Einkommen -manche Farmer,die wegen Diese wenigen haben mehr für den Res- der Dürre ihre Schafzucht aufgeben muss- pekt vorund die Bewahrung der Kultur ge- ten, wurden zu Fremdenführern, die Besu- tan, als so manche der Südwester und ihr chern aus deutschsprachigen Ländern ihre Einflüsterer,die Allgemeine Zeitung –die Heimat zeigen, die etwadoppelt so groß einzige deutschsprachige Tageszeitung au- ist wie die Bundesrepublik. Ob Souvenir- ßerhalb Europas–ihnen zugestehen mö- geschäfte in der Windhoeker Innenstadt gen. mit ihren wilhelminischen Fassaden oder Apotheken: Oft sind die Inhaber Deutsche, Knorrige Gestalten Daswaren bisweilen ebenso im Cafè Anton in Swakopmund knorrige Gestalten wie Wilhelm Weitzel, mit seinen Mettbrötchen und Butterge- der an der Spitze der Interessengemein- bäck. Aber die Namibierdeutschen passen schaft deutschsprachiger Südwester stand sich an; aus dem altertümelnden Südwes- und mit Finanzhilfe aus Bonn eine alterna- terdeutsch wurde ein Nam-Släng (Nam- tivedeutschsprachige Wochenzeitung deutsch, ), in dem sich Deutsch, gründen ließ. Diese Gruppe suchte und Afrikaansund Englisch als Sprachinsel ver- fand schon früh dasGespräch zum einen mengen und im Hitradio Namibia, dem mit deutschen Politikern wie dem damali- Vergangenheit und Gegenwart: Hinter der Christus-Kirche von 1910 liegt das moderne Windhoek. ©picture-alliance/imageBROKER einzigen deutschsprachigen Privatsender gen Außenminister Genscher,zum anderen Afrikas, ausleben. und vorallem mit der Swapo.Damit lernte Gestützt werden diese tiefen deutschen die Exilbewegung, dass bewaffneter Kampf heim.Erund seine damalige Frau errichte- ruhigen und zum Bleiben und zum Mit- Der Inhaber einesAntiquariats in Windho- Bundesrepublik.Bis erste Regierungspoliti- Spuren weniger aus Nostalgie denn Weit- nicht der einzige Wegzum Machtübergang ten auf ihrer Farm südlich vonWindhoek wirken bewegen.Der WegWietersheims ek, Wolfgang Hartmann, gab kurz vor ker in Berlin dasWort vomVölkermord in sicht durch viele tausend junge Schwarze warund nicht alle Weiße verhärtete Be- eine Farmschule.Bald kamen die Kinder verlief in Wellen -als er Korruption in der Weihnachten 2019 den ersten wissen- den Mund nahmen, dauerte es lange,und und Afrikaaner,die Deutsch als Fremdspra- wahrer desHergebrachten.Als Dank be- nicht nur der Farmarbeiter,sondern auch Swapo kritisierte,verlor er sein Amt und schaftlichen Studienband heraus,der die als sie es taten, blieb dasnicht unwider- che lernen, sowie die etwa400 in der DDR nannte die Deutsche Höhere Privatschule der anfangs skeptischen Nachbarfarmen. wurde Oppositionsabgeordneter und dann Debatte unter Deutschen über ihre Irrwege sprochen.Dahalfen zumindest kleine Ges- aufgewachsenen, nach 1990nach Namibia in Windhoek, die ebenso wie deutschspra- Die Swapo beobachtete dasaufmerksam - BuchhändlerinSwakopmund. Voreinigen im Kolonialkrieg 1904 bis 1908 und die ten, Schärfen zu besänftigen, etwadie abgeschobenen schwarzen Ossis vonNa- chige Regierungsschulen viel für die Be- als sie an die Macht kam, ernannte sie Wie- Monaten gründete er einen neuen Ge- Frage,obdas Vorgehen gegen die Herero Rückgabe desvon einem portugiesischen mibia, die ein Oshi-Deutsch pflegen, eine wahrung der deutschen Sprache tut, ihre tersheim zum Landwirtschaftsminister. Sie sprächskreis,der wieder Brücken bauen der erste Völkermord war, nun auch auf Seefahrer 1486 errichteten Steinkreuzes Mischung aus Deutsch, English und Oshi- Aula nach dem Farmer Wilhelm Weitzel. setzten zum einen auf dessen Sachver- soll. Englisch zugänglich macht mit dem be- Cape Cross, dasein Korvettenkapitän 1893 vambo. Robert von Lucius T Einen ähnlichen Wegging eine Generation stand, zum anderen wollten sie mit ihm Buchhändler, deren gibt es nur wenige im zeichnenden Titel „Nuanced Considerati- nach Berlin brachte.ImAugust 2019 wur- später und nicht minder wirkungsvoll der und zwei, drei anderen deutschsprechen- Lande,scheinen in Namibia für eine sol- ons“.Diese Debatte hat nicht nur Histori- de es aus dem Deutschen Historischen Mu- Der Autor war Afrikakorrespondent ebenso freidenkende Anton vonWieters- den Politikern die weiße Bevölkerung be- che Brückenbaueraufgabe prädestiniert: ker bewegt, sondern auch die Politik in der seum wieder nach Namibia gebracht. der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Deutsches Sprach-Erbe auf Neuguinea Mit der kaiserlichen Yacht UNSERDEUTSCH Der Einflussvon Missionsschulen wirkt noch nach PHILATELIE Zum kolonialen Postwesen gehörten auch eigene Briefmarken

„Du laufen geht wo?“ Dasist kein verun- sprache ist eine Verbindung vonFranzö- klingt merkwürdig anders. Dasbringt den Die deutsche Kolonialzeit hat neben den 80 Pfennig und voneiner bis fünf Mark. In nialgeschichtlich keine Rolle,wenn man glückter Satz einesSchülers, der gerade an- sisch mit indianischen und westafrikani- australischen Studenten auf die Spur.Er städtebaulichen auch kleine Spuren hinter- Südwestafrika galt als Währung damals wie vondem Notgeld absieht, dasinSüdwest- gefangen hat, Deutsch zu lernen.Esist schen Sprachen: Haitianisch, dasheute schreibt seine Masterarbeit über seine Ent- lassen: Briefmarken.Die kleinen Papier- in Deutschland die Reichsmark. Eine eige- afrika vonprivaten Firmen nach Kriegsaus- auch kein Kiezdeutsch, dasman in deut- zehn Millionen Menschen sprechen.Auf deckung und macht dadurch die Sprache schnipsel mit Motiven und Wertaufdruck ne Währung wie zum Beispiel in der Kolo- bruch 1914 in Umlauf gebracht wurde, schen Großstädten hören kann, sondern Unserdeutsch hingegen unterhalten sich der Öffentlichkeit bekannt. Heute gehört waren und sind im Postverkehr unerläss- nie Ostafrika gab es in Südwestafrika nicht. weil dasBargeld knapp wurde.InOstafrika ein Satz aus einer anderen Sprache.Sie heute nicht einmal mehr einhundert Per- Volker zu einer Gruppe vonWissenschaft- lich, und auch für die deutsche Kolonial- Damit spielen Münzen und Scheine kolo- erfolgte die letzte Prägung deutscher Mün- wird viele Tausend Kilometer vonDeutsch- sonen.Esist ein Erbe der deutschen Kolo- lern, die Unserdeutsch aufzeichnet und er- verwaltung warder Aufbau einer Postver- zen noch 1916 auf Veranlassung desOber- land entfernt gesprochen, in Papua Neu- nialzeit in Deutsch-Neuguinea im Südpazi- forscht. Die Germanisten Péter Maitz und waltung äußerst wichtig, um die Kommu- befehlshabersPaul vonLettow-Vorbeck. guinea und in Australien.Ihre Sprecher fik. Werner König vonder Universität Augs- nikation in Gang zu bringen und um den Die Goldstücke mit einem Nennwert von nennen es zwar Falsche Deutsch, Kaputte- Unserdeutsch entstand zwischen 1884 und burg leiten dasProjekt; eine verdienstvolle Aufbau einer Wirtschaft in demgroßen 15 Rupien zeigen einen Elefanten vordem ne Deutsch oder Unsere Deutsch; für 1914, als die Insel NewBritain im Bis- Aufgabe,denn Unserdeutsch wird wohl Land zu fördern.Schon 1888 wurde Süd- Hintergrund desKilimandscharo und sind Sprachwissenschaftler ist es jedoch kein ge- marck-Archipel noch Neupommern hieß bald aussterben.Nur noch einige Dutzend westafrika in den Weltpostverein aufge- heute begehrte und teure Sammlerstücke. brochenesDeutsch, sondern eine eigen- und die dortige Stadt Kokopo noch Her- alte Menschen sprechen es. nommen, und der Aufbau einer Postver- Die meisten Kolonialbriefmarken sind bei ständige Sprache.Sie bezeichnen es als Un- bertshöhe.Dort in der Nähe lag die Zen- Für deutsche Muttersprachler ist dasKreol- waltung in allen Landesteilen warbis Ende weitem nicht so teuer.Denn sie konnten serdeutsch oder Rabaul Creole German.Es trale der Herz-Jesu-Missionare,die vonder deutsch weitgehend verständlich, weil der 1890-er Jahre abgeschlossen. auch in Berlin an einem Sonderpostschal- ist also eine Kreolsprache auf der Grundla- Ordensniederlassung im westfälischen Hil- 90 Prozent seinesWortschatzesaus dem ter erworben werden; eine Möglichkeit, die ge desDeutschen -die einzige,die es auf trup entsandt worden waren.Die Ordens- Hochdeutschen stammen.Seine Gramma- Zögerlicher Beginn Die Ausgabe eigener vonSammlern damals eifrig genutzt wur- der Welt gibt. schwestern unterrichteten dort Waisenkin- tik ist allerdings wesentlich anders. Es gibt Briefmarken erfolgte etwas zögerlich.Zu- de,sodass diese Briefmarken auch heute der aus dem ganzen Land, die aus ge- im Genus keinen Unterschied zwischen erst wurden Briefmarken mit unterschiedli- noch für wenige Euro im Handel erhältlich Ursprung Kreolsprachen entstehen aus mischten Verbindungen zwischen Europä- männlich,weiblich und sächlich, es heißt chen Wertangaben aus dem Deutschen sind. Verkauft wurden die Marken in Berlin dem Kontakt zwischen zwei oder mehre- ern oder Asiaten mit indigenen Frauen her- de mann, de frau, de kind. Die Hauptwör- Reich verwendet. Als Motiv zeigten die sogar noch bis Sommer 1919, als der Kai- ren Sprachen.Zunächst kommt es zu einer vorgegangen waren.Unserdeutsch warzu- ter bleiben ungebeugt, weil keine weiteren Marken Krone und Adler.Ab1897 wurden ser längst abgedankt hatte und die Kolonie Sprachvermischung, einem Pidgin als zu- nächst eine Gruppensprache (Soziolekt), Fälle bestehen. diese Marken mit einem Aufdruck schon mehrere Jahre vonTruppen aus Süd- sätzlicher Verkehrssprache.Die folgende die den entwurzelten Kindern Identität Der Plural wird mit alle gebildet: alle „Deutsch-Südwest-Afrika“ versehen.Dies afrika besetzt war. hle T Generation wächst dann damit als Mutter- gab.Sie gaben es an ihre Kinder weiter. schuh sind standarddeutsch die Schuhe. geschah auch in den anderen deutschen sprache auf: Eine Kreolsprache ist geboren. Erst 1979 entdeckt der Australier Craig Vol- Bei den Verben gibt es nur eine Zeitform: Kolonien. nce/dpa In der Kolonialzeit entwickelten sich die ker Unserdeutsch.Umwährend seinesAuf- Igeht kann ich gehe,ich ging und ich bin 1901 kam es dann zur ersten (und einzi- e-allia meisten dieser Sprachen.Daher beruht de- enthaltesauf Papua Neuguinea seine knap- gegangen bedeuten. Thomas Paulwitz gen) eigenständigen Kolonialausgabe. Als ren Wortschatz meist auf dem Englischen, pe Studentenkasseaufzubessern, hält er Motivzeigten die Marken die kaiserliche ictur ©p WeiterführendeLinks zu den Französischen, Spanischen oder Portugiesi- Deutschkurse.Eine Teilnehmerin hat be- Der Autor ist Chefredakteur der Yacht „Hohenzollern“ auf Hochseefahrt. Erinnerung an die kaiserliche deutsche Themendieser Seite finden schen.Die größte und bekannteste Kreol- reits Vorkenntnisse,doch ihr Deutsch Deutschen Sprachwelt Die Wertangaben reichten vondrei bis Post in der Stadt Windhoek Sie in unserem E-Paper 14 KEHRSEITE Das Parlament -Nr. 2-3 -06. Januar2020

AUFGEKEHRT ORTSTERMIN: PARLAMENTARIERGRUPPE »SÜDLICHES AFRIKA« PERSONALIA >Uwe Lambinus † Perlen vordie Bundestagsabgeordneter 1972-1994, SPD Umweltsäue Am 31. Dezember starb Uwe Lambinus im Alter von 78 Jahren. Der aus Marktheiden- üngst wurde in hiesigen Gefilden ei- feld stammende Oberamtsrat im Notar- ne neue Schweine-Art, die Umwelt- dienst trat 1956 der SPD bei,wurde 1976 Jsau, entdeckt –und auch gleich Vorsitzender des Unterbezirks Main-Spes- durchsDorf getrieben.Denn man- sart und gehörte von 1970 bis 1984 dem che hielten es für eine Schweinerei, dass bayerischen SPD-Landesvorstand an. Lambi- der WDR ein Kinderlied in Zeiten von nus warimSport-, vorwiegend aber im „Fridays for Future“ zu einer Klima-Kri- Rechtsausschuss tätig. tik am Mobilitätsverhalten der im Hüh- nerstall Motorrad fahrenden Oma – >WilliZylajew kindlich-fiesals Umweltsau bezeichnet Bundestagsabgeordneter 2002-2013, –umgedichtet hatte.Den aufgeschreck- CDU ten Hühnern gleich empörte sich das Am 9. Januar wird Willi Zylajew 70 Jahre Publikum.NRW-Ministerpräsident Ar- alt. Der Diplom-Sozialarbeiter aus Hürth/ min Laschet twitterte entrüstet. Neona- Rhein-Erft-Kreis trat 1969 der CDU bei,war zis demonstrierten vorder WDR-Zentra- von 1975 bis 2003 dort Stadtrat und ist, mit le.Letztere hatte noch nie ein Problem Unterbrechungen, seit über 30 Jahren Kreis- mit dem, was Oma und Opa so taten. tagsmitglied. Von1995 bis 2002 warer Nun ist es fast schon müßig zu diskutie- NRW-Landtagsabgeordneter.ImBundestag ren, ob klimatechnisch aktuell der Bil- wirkte Zylajew im Familien- sowie im Ge- ligflug der Enkel, nennen wir sie Flug- sundheitsausschuss mit. Ferkel, nach Barcelona oder die Mittel- meer-Kreuzfahrt vonOmi und Opi mit >Klaus Gärtner ihren Alt-68er-Nachbarn Brigitte und Bundestagsabgeordneter 1976-1983, Hansdas größere Problem ist. Feststeht FDP allerdings: Omasund Opaswestdeut- Klaus Gärtner wird am 10. Januar 75 Jahre schesWirtschaftswunder und die alt. Der Politologe aus Kaarst wurde 1968 Deutschland AG waren keine Green Eco- FDP-Mitglied. Von1988 bis 1993 amtierte nomy. Oma und GenosseOpa hatten in Gärtner als Staatssekretär im schleswig-hol- der Lausitz auch keine sozialistischen steinischen Finanzministeriumund danach Solar-Panels gebaut. Darum hatten Oma bis 2002 als Chef der Staatskanzlei in Kiel. und Opa den Club of Rome sowie die Gärtner warimHaushaltsausschuss tätig. Grünen gegründet und den Jutebeutel erfunden. >Eike Ebert Zu Großeltern-Zeiten warnicht alles Bundestagsabgeordneter 1990-1994, schlecht: Bei Oma und Opa galt für Sati- Die Abgeordneten rund um den Vorsitzenden der Parlamentariergruppe,Martin Rabanus (SPD,vorne links), im Austausch mit der Staatsministerin im Auswärtigen Amt für Interna- SPD re nämlich, was man schon in Jenenser tionale Kulturpolitik, Michelle Müntefering (SPD,vorne rechts),und dem Namibia-Beauftragten, Ruprecht Polenz (CDU). ©C.Ratter/Büro Michelle Müntefering EikeEbert vollendet am 11. Januar sein 80. WG-Küchen lernt: Spannungen aushal- Lebensjahr. Der Rechtsanwalt aus Darm- ten! Dasist vorbei, Satire darf nicht stadt schloss sich 1956 der SPD an und mehr alles! Um den Blutdruck in der wurde 1989 Vorsitzender des Unterbezirks. Kernzielgruppe desÖffentlich-Rechtli- Partnerschaftlicher Dialog auf Augenhöhe Seit 1981 gehörte er der Stadtverordneten- chen zu senken, entschuldigte sich versammlung in Darmstadt an und warvon WDR-Intendant TomBuhrowineiner 1985 bis 1995 deren Vorsteher.Ebert enga- Sondersendung für dasLied, dasdann Es vergeht kaum eine Sitzungswoche,inder Martin Raba- Entwicklung der afrikanischen Länder“.Deutschland, sagt lösen, hält er für falsch.Ebenso unzutreffend sei es, sämt- gierte sich im Finanzausschuss. gelöscht wurde.Und die Schweine? Sie nus (SPD) nicht einem afrikanischenPolitiker die Hand der Sozialdemokrat, habe einen hervorragenden Rufin liche Probleme Afrikasdem Kolonialismus anlasten zu pfeifen! Sören Christian Reimer T schüttelt. Dastut er dann in seiner Funktion als Vorsit- Afrika. „In Bezug auf Demokratie,auf Rechtsstaatlichkeit, wollen. >Winfried Fockenberg zender der Parlamentariergruppe „SüdlichesAfrika“.Im- auf die Ordnung und auf Verwaltungsabläufe gelten wir Zu den positiven Entwicklungen in Afrika zählt Rabanus Bundestagsabgeordneter 1990-1994, merhin zwölf Partnerländer gibt in der Region –unter an- als Vorbilder.“ In den Gesprächen macht Rabanus gleich- , dasermit seiner ParlamentariergruppeimJahr CDU VOR 40 JAHREN... derem Namibia, Südafrika und Botswana. Erst Anfang wohl immer wieder darauf aufmerksam, „dass es auch bei 2019 besucht hat. Eine stabile Demokratie mit Meinungs- Am 15. Januar wird Winfried Fockenberg Dezember,soerinnert sich der SPD-Abgeordnete an das unsProbleme gibt“.Wichtig sei ihm ein partnerschaftli- und Medienfreiheit habe sich dort entwickelt, sagt er.Das 75 Jahre alt. Der Diözesansekretär aus Bott- jüngste Treffen, sei eine Delegation aus Botswana in Ber- cher Dialog auf Augenhöhe.„Da ist es nicht verkehrt, Land erstritt sich seine Unabhängigkeit im Jahr 1966, bis rop trat 1965 der CDU bei.Von 1976 bis Chaotische lin gewesen.Sie bestand aus Abgeordneten und Verwal- wenn wir unsals Deutsche ein bisschen demütiger zei- dahin wardie Republik eine britische Kolonie.Die er- 1999 warerdort Ratsherr und von 1976 bis tungsmitarbeitern desdortigen Parlaments und interes- gen, als wir vonaußen gesehen werden.“ reichten Erfolge in dem Land seien zuallererst auf gute 1991 Bürgermeister.Fockenberg gehörte Gründung sierte sich für die Abläufe im Deutschen Bundestag. Durch den Kolonialismus,soempfindet es Rabanus,sind Entscheidungen der Politikervor Ort zurückzuführen. dem Familienausschuss an. Geht es bei derartigen Zusammentreffen auch um den die ehemaligen Kolonialstaaten Europasund die Länder „Die Erträge aus den reichhaltigen Diamantenvorkom- 13.1.1980: Die Grünen werden Kolonialismus? Durchaus,sagt Rabanus.„DasVerhältnis Afrikasineiner ganz besonderen Art und Weise miteinan- men bleiben im Land, weil die Schürfrechtenicht an aus- >Franz Müntefering Bundespartei. Die Handlung des zwischen Afrika und Europa –auch vordem Hintergrund der verknüpft. „Dasist mit viel Leid verbunden, mit kul- ländische Unternehmen vergeben wurden“, sagt Rabanus. Bundestagsabgeordneter 1975-1992, „Films“, den rund 250sogenannte auto- desKolonialismus –ist eigentlich immer Thema.“ Es ge- turellen Gegensätzen, mit Entwicklungsschüben, aber Es werde versucht, einen möglichst großenTeil der Wert- 1998-2013, SPD nome Delegierte im Januar 1980 in ei- he um Spätfolgen, wie etwadie Frage: Wemgehört eigent- auch mit entstandenen kulturellen Gemeinsamkeiten schöpfungskette der Diamantenveredelung im Land zu Franz Müntefering vollendet am 16. Januar nem Kinosaal in Karlsruhe verfolgten, lich dasLand? Zu allererst aber gehe es immer um die und Anknüpfungspunkten“, sagt der Sozialdemokrat. Die behalten.Mit den Einnahmen füllten sich auch nicht sein 80. Lebensjahr.Der Industriekaufmann warunübersichtlich.„Chaotischer ging’s Frage,wie die Beziehungen, insbesondere die wirtschaftli- vomAfrikabeauftragten der Bundesregierung, Günter kleine Gruppen vonEliten die Taschen.Das Geld werde aus Neheim bei Arnsberg schloss sich 1966 nimmer“, schrieb „Der Spiegel“.Die Au- chen Beziehungen, zwischen dem jeweiligen Land und Nooke (CDU), vertretene Ansicht, der Kolonialismus ha- in die Verkehrsinfrastruktur investiert, in die soziale Infra- der SPD an, stand von 1992 bis 1998 an der tonomen hatten eigentlich in die über- Deutschland vertieft werden können, „zum Wohle der be dazu beigetragen, Afrika aus archaischen Strukturen zu struktur und auch in Bildung. Götz Hausding T Spitze des Bezirks Westliches Westfalen und füllte Stadthalle gewollt, wo der Grün- wardanach bis 2001 SPD-Vorsitzender in dungskongress der Grünen stattfand. Nordrhein-Westfalen. Von1992 bis 1995 Doch sie wurden abgewiesen und muss- amtierte er als NRW-Arbeits- und Sozialmi- nister.Esfolgten sechs Jahre als SPD-Bun- LESERPOST desgeschäftsführer bzw. -Generalsekretär, Manfred Stolpe kurz unterbrochen von seiner Zeit als Bun- Zur Ausgabe 51 vom 16. Dezember Zur Ausgabe 47-48 vom 18. November plant, wirkt nur bedingt gegen Altersarmut. desverkehrsminister 1998/99. Den Vorsitz 2019, „Verhärtete Positionen“ auf Seite 2019, „Das Rezept ist fertig“ auf Seite Ursula Reichert, gestorben der Bundespartei hatte er 2004/05 sowie 11: 9: Hanau 2008/09 inne.Von 2002 bis 2005 amtierte Aus wissenschaftlichfundierten Gründen der Ich bin für eine Grund- oder Basisrente von zir- Am 29. Dezember 2019 starb Manfred er als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfrak- Verkehrssicherheit und auch aus Umwelt- ka 1.000 Euro in Deutschland –und das für al- Stolpe (SPD), einer der populärsten Politi- tion und wardanach bis 2007 Bundesar- schutzgründen befürworteich die grundsätz- le.InZukunft sollten alle Arbeitnehmer in die Haben Sie Anregungen, Fragen oder ker Ostdeutschlands,imAlter von83Jah- beitsminister und Vizekanzler. liche Einführung einerHöchstgeschwindig- Rentenversicherung einzahlen, auch Selbst- Kritik? ren in Potsdam.Stolpe fungierte von1990 keit von130 Stundenkilometern auf allen Au- ständige und Freiberufler,umeine Grundrente Schreiben Sie uns: bis 2002 als brandenburgischer Minister- >IngeborgPhilipp

chiv tobahnen in Deutschland.Mit der Einführung für alle zu ermöglichen. In einem reichen Land, präsident. Er warbesondersbeliebt, weil er Bundestagsabgeordnete 1992-1994,

ildar eines solchen Limits müsstenaberselbstver- wie es Deutschland ist, erhaltenviele Men- Das Parlament eben nicht aus dem Westen kam.Schon PDS –B ständlichauch dienotwendigen Überwa- schen, die ein Leben lang gearbeitet haben, Platz der Republik 1 vor1990, zu Zeiten Am 19. Januar begeht Ingeborg Philipp ih- pa chungsmaßnahmen einhergehen, damitso nur eine Rente von wenigen hundert Euro bei 11011 Berlin als Konsistorialprä- ren 95. Geburtstag. Die Diplom-Physikerin ©d Der Gründungsparteitag der Grünen dieErnsthaftigkeitfür alle Verkehrsteilneh- hohen Mietkosten. Auch durch die akute [email protected] sident, galt seine schloss sich 1989 der PDS an und wurde fand in der Karlsruher Stadthalle statt. mererkennbar ist. Wohnkrise müssen viele dieser Menschen zur Stimme in Ostwie Simon 1990 Mitglied des Landesvorstands Bran-

Es wäre sehrschön, wenn dieFraktionen im Tafel gehen oder Pfand-Flaschen sammeln. Zu- Leserbriefe geben nicht die Meinung in West, stand er ven denburg. Philipp gehörte dem Forschungs- Deutschen Bundestagdieses simple Anliegen dem nutzen Kriminelle diese Armut oftmals der Redaktion wieder.Die Redaktion doch im Rufe eines /S ausschuss an. nce

ten über einen Monitor verfolgen, was ohneideologischen Dissensunterstützen aus,wie der Tatort „One WayTicket“ am zwei- behält sich vor,Leserbriefe zu kürzen. geschätzten Ver- allia in der Stadthalle passierte: Dort stritten würden. ten Weihnachtstag emotional und authetisch mittlers. Dass die >Hermann Pohler zwei Tage lang 1.004 reguläre Delegierte Karl Ernst Forisch gezeigt hat. Die nächste Ausgabe von „Das Ostdeutschen nicht picture Bundestagsabgeordneter 1990-1998, © über den politischen Kurs undüber die Hürth Eine Grundrente,wie sie die Bundesregierung Parlament“erscheint am 20. Januar. Bürger zweiter CDU Möglichkeit einer doppelten Parteimit- Klasseblieben, lag Hermann Pohler vollendet am 22. Januar gliedschaft. Bereits existierende grüne ihm besondersamHerzen.Erwar fraglos sein 85. Lebensjahr.Der promovierte Agrar- Landesverbände mit Bunten Listen, SEITENBLICKE die Stimme der früheren DDR.Stolpe, wissenschaftler aus Leipzig trat 1954 der Frauenbewegungen, Maoisten, aber 1936 in Stettin geboren, hatte Jura studiert CDU in der DDR bei.Der Direktkandidat des auch Konservativen und anderen Grup- und trat 1959 in den Dienst der Evangeli- Wahlkreises Leipzig Iwirkte im Wirtschafts- pierungen unter einen Hut zu bringen, schen Kirche Berlin-Brandenburg. Vorwür- sowie im Telekommunikationsausschuss schien unmöglich.Linke und Gemäßig- fe,mit der Staatssicherheit zusammengear- mit, dessen stellvertretenden Vorsitz er von te standen sich unversöhnlich gegen- beitet zu haben, wieserstets zurück. 1994 bis 1998 inne hatte. über,mehrfach stand der Parteitag vor 2002 berief ihn Bundeskanzler Gerhard dem Scheitern.Inletzter Minute gelang Schröder (SPD), der um einen prominen- >Werner Schulz es dann doch: Am 13. Januar 1980 kon- ten Sozialdemokraten aus dem Osten in Bundestagsabgeordneter 1990-2005, stituierten sich Die Grünen als Bundes- seinem Kabinett bemüht war, zum Ver- Bündnis 90/Die Grünen partei. kehrsminister.Mit StolpesNamen ist vor Am 22. Januar wird Werner Schulz 70 Jahre Der Gedanke,dass vonder neuen Partei allem die Einführung der Lkw-Maut ver- alt. Der Diplom-Ingenieur aus Berlin, der einst die Handlungsfähigkeit einer Bun- bunden.2005schied er aus dem Amt. sich seit den 1970er-Jahren in DDR-Opposi- desregierung abhängen könne,müsse je- Obwohl es um Manfred Stolpe krankheits- tionsgruppen engagierte,war 1989 Grün- dem, der den Gründungskongress erlebt bedingt in letzter Zeit ruhig geworden war, dungsmitglied des Neuen Forums und ge- hat, „grelle Alpträume verursachen“, ur- meldete er sich gelegentlich besorgt zu hörte 1990 der ersten frei gewählten Volks- teilte die „Süddeutsche Zeitung“.Karls- Wort. Einige Regionen Ostdeutschlands kammer an. 1991 zählte er zu den Wegbe- ruhe habe „die Untauglichkeit und Un- fühlten sich inzwischen vergessen, rekla- reitern des Zusammenschlusses von Bünd- verantwortlichkeit der grünen Bewegung mierte er vergangenen Februar. bmh T nis 90 mit den Grünen. Von1990 bis 1994 bewiesen“, meinte „Die Zeit“.Die etab- amtierte Schulz als Sprecher seiner Fraktion lierten Parteien belächelten die Grünen und warbis 1998 deren Parlamentarischer –und unterschätzten sie.Bei der Bun- Geschäftsführer.Von 2009 bis 2014 gehörte destagswahl 1980 scheiterten sie zwar BUNDESTAG LIVE er dem Europäischen Parlament an. noch an der Fünf-Prozent-Hürde.1983 zogen sie aber in den Deutschen Bun- Topthemen vom 15. –17.01.2020 >Hans-Joachim Sopart destag ein. Benjamin Stahl T Bundestagsabgeordneter 1990-1992, Organspende (Do) CDU Deutsche EU-Ratspräsidentschaft (Fr) Hans-Joachim Sopart wird am 23. Januar Phoenix überträgt live ab 9Uhr 70 Jahre alt. Der Mediziner aus Gommern/ Kreis Jerichower Land trat 1984 der CDU Auf www.bundestag.de: der DDR bei und warnach 1990 Kreistags- Weiterführende Links zu den Die aktuelle Tagesordnung sowie die mitglied. Sopart gehörte dem Gesundheits- Themendieser Seite finden Debatten im Livestream Sie in unserem E-Paper ausschuss an. bmh T Informationen in Leichter Sprache Ausgabe Nr. 136 Beilage für:

leicht Kolonialismus erklärt! Was hat Deutschland damit zu tun?

Was ist Kolonialismus? Kolonialismus in den letzten 500 Jahren In diesem Text geht es um Kolonialismus. Kolonien gab es schon immer.

Das Wort bedeutet: Auch die alten Römer und Griechen Ein Land erobert Gebiete in einem hatten Kolonien. anderen Land. Sie haben Gebiete in anderen Meistens liegt das eroberte Land in Ländern erobert. einem anderen Teil der Welt. Und sie haben sich dort Und die Menschen dort haben eine niedergelassen. andere Lebens-Weise als die Eroberer. Das Wort „Kolonialismus“ hat aber mit Kolonien in einer bestimmten Die Eroberer übernehmen Zeit zu tun. die Herrschaft über die Einwohner. Die Zeit des Kolonialismus fing vor Manche Gebiete nehmen sich die etwa 520 Jahren an. Eroberer mit Gewalt. Also ungefähr im Jahr 1500. Die eroberten Gebiete werden mit Damals haben Länder aus einem Fach-Wort bezeichnet. Europa angefangen, Man nennt sie: Kolonien. in anderen Teilen von der Erde Gebiete zu erobern. Die Länder von den Eroberern nennt man: Kolonial-Mächte. Zum Beispiel in: • Amerika „Macht“ ist ein anderes Wort für ein • Asien Land, das großen Einfluss hat. • Afrika Kolonialismus • Was hat Deutschland damit zu tun?

Viele Gebiete hatten die Europäer Oft wurden die Einheimischen auch gerade neu für sich entdeckt. vertrieben. Oder sie wurden als Sklaven in Zum Beispiel bei Entdeckungs-Reisen andere Länder gebracht oder durch Abenteurer, Forscher und verkauft. See-Fahrer. Oder sie wurden ermordet. Zum Beispiel durch den See-Fahrer Christoph Kolumbus. Die Einheimischen hatten keine Rechte mehr.

Warum haben die Sie mussten die Gesetze von der Kolonial-Mächte das gemacht? Kolonial-Macht annehmen. Und auch die Sprache und Es gab verschiedene Gründe, warum die Kolonial-Mächte Gebiete erobert Lebens-Weise. haben: Die Kolonial-Mächte dachten, • Sie wollten mehr Gebiete besitzen. dass die Lebens-Weise von den Einheimischen weniger wert war als Durch mehr Gebiete hatten sie ihre eigene Lebens-Weise. mehr Einfluss. Sie nannten sie zum Beispiel: Wilde. Und sie hatten mehr Platz für Menschen. Oder für die Land-Wirtschaft. Es gab auch Probleme mit Krankheiten. • Sie wollten wertvolle Dinge aus den Gebieten haben. Und zwar mit ansteckenden Zum Beispiel Gold, Gewürze oder Krankheiten, die die Kolonial-Mächte Farb-Stoffe. mitgebracht haben.

• Sie wollten ihre Lebens-Weise Daran sind viele Einheimische verbreiten. gestorben. Zum Beispiel die christliche Religion. Welche Länder hatten Kolonien? • Sie wollten Waren an die Kolonie verkaufen. Die ersten großen Kolonial-Mächte Denn dadurch konnte man viel Geld waren Spanien und Portugal. verdienen. Beide Länder hatten viele Schiffe.

Mit den Schiffen entdeckten sie neue Was ist mit den Einheimischen Gebiete. passiert? Portugal hat zum Beispiel Indien Die Einheimischen sind die Menschen, entdeckt. die schon immer in den eroberten Später hatten auch folgende Länder Gebieten gelebt haben. viele Kolonien: Die Einheimischen waren nach der • die Niederlande Eroberung nicht mehr frei. • Groß-Britannien Sie wurden unterdrückt. • Frankreich Sie mussten für die Kolonial-Macht • Deutschland arbeiten. • Italien Manche hat man zu Sklaven • Belgien gemacht. • Japan Streit um Afrika Deutschland als Kolonial-Macht Im 19. Jahrhundert teilten die großen Kolonial-Mächte fast die ganze Welt Deutschland hatte schließlich viele unter sich auf. Kolonien.

Dabei kam es zu einem Streit um Auf der Liste der größten Afrika. Kolonial-Mächte war es auf Platz 3.

Jedes Land in Europa wollte Gebiete Nur Groß-Britannien und Frankreich in Afrika als Kolonie haben. hatten größere Gebiete.

Am Ende war fast ganz Afrika erobert. Alle deutschen Kolonien zusammen waren am Ende 6-mal so groß wie Fast alle Gebiete von Afrika wurden Deutschland. zwischen den europäischen Ländern aufgeteilt. Vor allem Händler wollten, dass Deutschland Kolonien hat. Fast alle Völker in Afrika hatten ihre Freiheit verloren. Sie wollten mit den Kolonien Geld verdienen. Und den Handel verbessern. Was war mit Deutschland? Es ging aber auch um Macht und Auch Deutschland hat beim einen guten Ruf. Kolonialismus mitgemacht.

Und beim Streit um Afrika. Einheimische wehren sich Deutschland hat Gebiete in Asien Nicht alle Einheimischen in den und Afrika übernommen. Kolonien haben sich einfach Diese Gebiete sind heute eigene Länder. erobern lassen. Sie heißen heute zum Beispiel: Manche kämpften für ihre Freiheit. • Togo Oft haben sie gegen die Europäer • Kamerun • Tansania verloren. • Namibia Denn die Europäer hatten die • Ruanda besseren Waffen. • Burundi In deutschen Kolonien haben sich • Papua-Neuguinea die Einheimischen immer wieder gewehrt.

Ab wann hatte Deutschland Diese wurden hart bekämpft. Kolonien? Besonders im heutigen Namibia Deutschland hatte von 1884 bis 1919 haben sich 2 einheimische Völker Kolonien. gegen die Deutschen gewehrt.

Also ungefähr 30 Jahre lang. Das eine Volk waren die Herero. Das andere Volk hieß Nama. Deutschland hat später mit dem Kolonialismus angefangen, als die Die Deutschen haben die Menschen anderen Länder von Europa. extrem unterdrückt. Und sie haben ihr Land geraubt. Ein Grund dafür war: Die deutsche Regierung hatte wenig Deswegen kam es zwischen 1904 Interesse an Kolonien. und 1908 zu schlimmen Kämpfen. Kolonialismus • Was hat Deutschland damit zu tun?

Die Herero und die Nama haben sich • Die Deutschen haben in der gewehrt. Kolonien viel Schlimmes getan. Und die Deutschen sind mit Gewalt Sie haben viele Länder ausgebeutet. gegen sie vorgegangen. Dabei wurden viele Menschen getötet. leicht Sie haben die Herero und die Nama in so eine Art Gefängnis gesperrt. Wie sollen die Deutschen mit dieser Schuld umgehen? Und sie haben viele Herero und • Sollen wir uns mehr mit dem erklärt! Nama ermordet. deutschen Kolonialismus Es waren viele 10-Tausend Tote. beschäftigen? Zum Beispiel in der Schule?

Das Ende vom deutschen • Brauchen wir Orte, um uns an den Kolonialismus deutschen Kolonialismus zu erinnern? Deutschland hatte 30 Jahre lang Zum Beispiel Denkmäler? Kolonien. • Wie können sich die ehemaligen Nach dem 1. Welt-Krieg musste Kolonial-Mächte bei den früheren Deutschland alle Kolonien aufgeben. Kolonien entschuldigen? Die Sieger vom 1. Welt-Krieg hatten Zum Beispiel mit Geld als Entschädigung? das entschieden. Weil Deutschland den 1. Welt-Krieg • Sollen die ehemaligen verloren hat. Kolonial-Mächte Dinge zurückgeben, die sie den Kolonien weggenommen haben? Das Ende vom Kolonialismus Zum Beispiel Kunst-Gegenstände? weltweit • Wie können die Länder heute Heute gibt es keine Kolonien mehr. besser zusammen-arbeiten? Alle Länder von der Welt können Mit diesen Fragen beschäftigt sich in selbst über sich bestimmen. diesem Jahr auch der Bundes-Tag. Aber viele von den ehemaligen Kolonien sind heute arm. Weitere Informationen in Leichter Sprache gibt es unter: Es gibt Kriege und Hunger. www.bundestag.de/leichte_sprache Das ist auch eine Folge der Zeit, als diese Länder Kolonien waren. Impressum Weil die Länder dabei so stark ausgebeutet wurden. Dieser Text wurde Nachrichten Viele Länder waren auch nicht auf in Leichte Sprache Werk ihre Freiheit vorbereitet worden. übersetzt vom: www.nachrichtenwerk.de Deswegen haben sie heute Probleme. Ratgeber Leichte Sprache: http://tny.de/PEYPP

Titelbild: © picture alliance / imageBROKER, Fotograf: H.-D. Falkenstein. Piktogramme: Pic- Sprechen über die Zeit der to-Selector. © Sclera (www.sclera.be), © Paxtoncrafts Charitable Trust (www.straight-street. com), © Sergio Palao (www.palao.es) im Namen der Regierung von Aragon (www.arasaac.org), Kolonien © Pictogenda (www.pictogenda.nl), © Pictofrance (www.pictofrance.fr), © UN OCHA (www. unocha.org), © Ich und Ko (www.ukpukvve.nl). Die Picto-Selector-Bilder unterliegen der Crea- Lange wurde in Deutschland nicht tive Commons Lizenz (www.creativecommons.org). Einige der Bilder haben wir verändert. Die Urheber der Bilder übernehmen keine Haftung für die Art der Nutzung. über die Zeit der Kolonien gesprochen. Das hat sich geändert. Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ 2-3/2020 Die nächste Ausgabe erscheint am 20. Januar 2020. Es geht zum Beispiel um solche Fragen: