Eine Frage Der Moral

Eine Frage Der Moral

BRUTALE HERRSCHAFT UMSTRITTENE SCHÄTZE Hundertausende fielen in den Eine Übersicht über problematische lturraub Kolonien den Deutschen zum Opfer SEITE 4 Objekte in hiesigen Sammlungen SEITE 10 ErbeKu und ismus Sonderthema:kolonialess Ra Das Völkermord, Berlin, 06. Januar 2020 www.das-parlament.de 70. Jahrgang |Nr. 2-3 |Preis 1€|A5544 KOPF DER WOCHE Im Dialog mit Namibia Bröckelnde Amnesie Ruprecht Polenz In den Verhandlungen zum Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen und die Wiedergut- AUFARBEITUNG Langsam stellt sich Deutschland dem Schrecken seineskolonialen Erbes machung für die Nachfahren ist lan- ge keine Einigung in ie drei Jahrzehnte deut- Sicht gewesen. En- scher Kolonialherrschaft hoto de November konn- erscheinenals kurzesund ZP /S te der Sonderge- vergleichsweise harmlo- sandte der Bundes- sesKapitel unserer Ge- alliance regierung für die Dschichte,und dass es so deutsch-namibi- früh endete,wird als Glücksfall gesehen: cture schen Beziehungen DasDeutsche Reich hatte einfach zu wenig pa/pi jedoch Neues ver- Zeit, um größeren Schadenanzurichten. ©d künden: „Wir haben Nach1945 wardie Mehrheit der bundes- in vielen Punkten Übereinstimmung erzielt“, deutschen Bevölkerung ohnehin damit be- sagte Polenz. Verhandelt worden sei ein „Pakt schäftigt, die Verbrechen desNationalso- für besonders betroffene Gemeinden, also zialismus zu verdrängen oder zu leugnen, den Siedlungsgebieten der Herero und Nama, und selbst die wenigen kritischen Geister um Wunden aus der damaligen Zeit zu hei- nahmen die Kolonialära nur oberflächlich len“. Es gehe um Bildung, Wohnraum, Ge- wahr,die Ungeheuerlichkeit desHolocaust sundheitsversorgung, Elektrizitätsversorgung und der Nazi-Barbarei verstellte auch ihren und eine Mitwirkung an der Landreform. Indi- Blick auf die dahinterliegende Zeit. viduelle Entschädigungen lehne die Bundes- Landraub? Unterjochung undAusbeu- regierung hingegen ab.Der Ball,soPolenz, tung? Mord undTerror? Institutionalisier- liege nun bei den beiden Regierungen. ahe T ter Rassismus? Wardawas?Essei doch al- lesgar nicht so schlimm gewesen, heißt es oft. Es habe zwar ein paar schwarze Schafe ZAHL DER WOCHE gegeben, den Schlächter Generalvon Trot- ha zumBeispiel, der in Deutsch-Südwest- afrika, demheutigen Namibia,das Volk 11 ,8 der Herero ausrotten wollte.Aber im Gro- ßen und Ganzen seien unsere Urgroßväter Millionen Einwohner lebten –mindestens und Großväter dochrecht anständige Kerle –imJahre 1913 nach einer Schätzung des gewesen, jedenfalls im Vergleich zu den DeutschenHistorischen Museums in den brutalen Franzosen, Briten oder Belgiern. deutschen Kolonien, außerdem siedelten Hundert Jahre nach demEnde desErsten Die Kolonialzeit diente heute nur noch als Staffage.Wie hier in Hamburgwurden in vielen deutschen Städten bis in die Zeit der Bundesrepublik hinein Produkte aus den von euro- dort zu diesem Zeitpunkt mehr als Weltkriegs,als dasDeutsche Reich seine päischenMächten besetzten und ausgebeuteten Gebieten verkauft. ©picture-alliance/imageBROKER 18.000 Deutsche. „Schutzgebiete“ in Afrika, China undder Südsee an die Siegermächte abtreten muss- te,geistertimmer noch dieMär vomdeut- Der Export vonAgrargüternbegründete auf, und am Ende wardie Welt verwest- die Bilder,die wir etwaüber Afrika anferti- EDITORIAL schen Kolonialidyll und denZivilisations- eine neue Dimensiondes Mangels: den licht. gen, erzählen mehr vonuns selbst als von ZITAT DER WOCHE leistungen unserer Vorfahren durch Ge- Hunger. Die Rassenlehre der Kolonialherren sollte unserem Nachbarkontinent: Sie spiegeln schichtsbücher,Zeitungsberichte undTV- Aber die weißenHerrenmenschen konn- „wissenschaftlich“ untermauern, was die unsere rassistischenVorurteile und unseren Dokumentationen. ten nichtalle „Eingeborenen“verhungern Unterworfenen aus ihrer Sicht immer eurozentrischen Überlegenheitsdünkel. Es Eine Frage »Meine Karte Erst in jüngster Zeit beginnen wir,die kol- lassen,denn sie brauchten sie als Lohn- schon waren: Sklaven, Knechte,Diener, ist die Welt des„ewigen Negers“, der nun lektive Amnesie zu überwinden und einen sklaven. Die wichtigstenInstrumente zur Subjekte auf der tiefsten Stufe der Minder- angeblich millionenfach nach Europa auf- vonAfrika neuen Blick auf daswilhelminische Kolo- Umerziehung waren derArbeitszwang wertigkeit. Daserklärte Ziel war, die Be- bricht. der Moral nialabenteuer undseine Spätfolgen zu und dasSteuerdiktat. DieAfrikanerund wohner der Kolonien auf eine höhere Kul- Während historische Darstellungen ge- liegt in werfen.Soist zum Beispiel ein Streitum Afrikanerinnen wurden genötigt, in die turstufe zu heben, und die christlichen schundener Sklavenoder Bilder vonver- VON JÖRG BIALLAS dasBerliner Humboldt-Forum entbrannt, Frondienste der Fremdherrscher zu treten, Missionare übernahmen dabei eine wichti- hungernden Kindern mit Empathie be- Europa.« wo demnächst Sammlungsgut aus kolo- ihre Warenzukaufen, über dieHütten- ge Rolle.Sie trichterten den „Heidenkin- trachtet werden, lösen die aktuellen Fotos Das koloniale Erbe ist kein rühmliches.Nir- nialen Kontexten ausgestellt werden soll, oder Kopfsteuerihre Militär- und Verwal- dern“ westliche Werte ein: Gehorsamkeit, vonAfrikanern,die zu Tode verängstigt auf gendwo auf der Welt. Denn das Muster ist Otto von Bismarck,deutscher Reichskanz- wie es so schön heißt. Die Kritiker dieses tungsapparatezufinanzieren. Die Subsis- Fleiß,Arbeitsdisziplin und natürlich sittli- überfüllten Schiffen im Mittelmeer dahin- überall gleich: Unter dem Vorwand, fernen ler,äußert sich im Jahr 1888 skeptisch zum Prestigeprojekts sprechen tenzgemeinschaftwurde in che Gebote wie die Einehe. treiben, oft nur noch Ländern die Zivilisation zu bescheren, wurden verbreitetenzeitgenössischen Wunsch nach vonRaubgut, daszurückge- eine Arbeitsgesellschaft Man gab vor, die „Eingebo- Furcht und Abscheu aus. die Nationen wirtschaftlichund kulturell hem- deutschen Kolonien. geben werden müsse. Der Kolo- verwandelt, die Geldwirt- renen“ aus der Finsternis Rassistische Man nimmt sie nichtals mungslos ausgebeutet. Ohne Rücksicht auf Dass die Geschichtsverges- schaft verdrängte den her- desUnwissenszuerlösen. Menschen wahr,sondern Leib und Leben der Bevölkerung, ohne Be- senheit allmählich über- nialismus kam kömmlichen Tauschhan- Für die Mehrheit der Afri- Weltbilder als bedrohliche schwarze wusstseinfür das Recht auf eine selbstbe- INDIESER WOCHE wunden wird, zeigen auch del. DiegewaltsameMo- kaner aber wardie Koloni- Masse. Sie werden wie in stimmte Zukunft einer jeden Ethnie,zumal im die Entfernung heroischer für einen be- dernisierung hatte verhee- sierung eine Art Gehirnwä- waren immer der Epoche desKolonialis- eigenen Land. THEMA Denkmälerund dieUmbe- trächtlichen Teil renden Folgen: Landflucht, sche,die ihnen die Africa- da. Jetzt mus dehumanisiert. Die deutsche Kolonialgeschichte macht da kei- Interview Grünen-Abgeordneter Ottmar nennung vonStraßenna- Wanderarbeit, Entwurze- ness ausgetrieben hat, ihre „Absaufen! Absaufen!“, ne Ausnahme.Deutsche Besatzer haben ge- von Holtz im Gespräch Seite 2 men,die Kolonialverbre- der Menschheit lung,die Zerstörung des Identität als Afrikaner.So brechen sie skandierte der Mob,als bei mordet und geplündert, versklavt und gede- cher ehren.Auch die Ent- einem Höllen- traditionellen Lebens. schwand der Rest des hemmungslos einer fremdenfeindlichen mütigt. Historisch Kaiser WilhelmII. wollte einen schädigungsforderungen Zugleichdientendie Kolo- Selbstwertgefühls,das nach Demonstration in Dresden Heute ist zu vernehmen, das sei doch wegen »Platz an der Sonne« Seite 3 ehemaliger Kolonienwer- sturz gleich. nien als Laboratorien der dem Trauma der Sklaverei wieder auf. Fernsehbilder voninSee- der im Vergleich zu anderen Nationen relativ den allmählich ernst ge- Moderne,indenen repres- noch übriggeblieben war: not geratenen Migranten kurzen Kolonialzeit Deutschlands,die zudem Herkunft Provenienzforscher stehen vor nommen. sive Verwaltungsapparate, DasDenken, der Glaube, gezeigt wurden.Ausländer, territorial überschaubar angelegt war, nicht so großen Herausforderungen Seite 8 DieDebatten zeigen allerdings auch, dass polizeistaatliche Methoden und militäri- die Sinne und Wünsche der Menschen „Asylanten“, Flüchtlinge seien uner- schlimm gewesen. hierzulandenoch immernicht richtig ver- sche Strategien erprobt wurden; die Inva- wurden kolonisiert. wünscht, schreitdie rechtspopulistische Wersoargumentiert, dem fehltesentweder Perspektive HilaireMbakop blickt auf standenwird, welche fundamentalen Er- soren bauten Konzentrationslager, trenn- Unterdessen schwindet zwar die politische „Alternativefür Deutschland“, und in der an grundlegenden Geschichtskenntnissen. Kameruns Kolonialvergangenheit Seite 11 schütterungen der deutscheKolonialismus ten Wohngebiete nach Rassen, entwickel- und ökonomische Macht desWestens, aufgewiegelten Bevölkerung dröhnt ein Oder aber,und das ist weit problematischer: im Zuge der europäischen Welteroberung ten Maßnahmen zurBevölkerungskon- doch seine kulturelle Hegemonie wirkt vieltausendstimmigesEcho. Hier soll auf Kosten schon einmal missbrauch- Bundestag Die Parlamentariergruppe ausgelöst hat. Mankannoder will nicht trolle,Sozialhygiene und Seuchenbe- fort. Wir maßen unseine universelle Deu- ter afrikanischer Länder Nationalismus ge- „Südliches Afrika“ im Portrait Seite 14 wahrhaben, dass diese als weltgeschichtli- kämpfung. Siezwangen den annektierten tungshoheit an und sehen die Welt nach Alte Begrifflichkeiten Alte und neue Na- schürt werden. che Heilsmission gerechtfertigte Expansion Gebietendas europäischeStaatskonzept wie vormit dem „imperialen

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