Teilnachlass Max Reinhardt Wienbibliothek im Rathaus Handschriftensammlung
ZPH 989
Bestandssystematik
Wienbibliothek im Rathaus/Handschriftensammlung - Teilnachlass Max Reinhardt / ZPH 989
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Biographische Informationen
Reinhardt, Max (eigentlich: M. Goldmann): 9. 9. 1873 Baden - 31. 10. 1943 New York; Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter; 1938 Emigration über London nach New York; Wien, Berlin, New York.
Provenienz des Bestands
Der Teilnachlass Max Reinhardt wurde von der Wienbibliothek im Rathaus im Jahr 1998 von einem Antiquariat gekauft.
Umfang
16 Archivboxen, 1 Foliobox, 1 Großformatmappe.
Information für die Benützung
Die in geschwungenen Klammern angeführten Zahlen beziehen sich auf die jeweiligen Nummern in der Publikation: Max Reinhardt. Manuskripte, Briefe, Dokumente. Katalog der Sammlung Dr. Jürgen Stein. Bearbeitet und herausgegeben von Hugo Wetscherek. Für die Ordnungssystematik wurden alle Informationen aus der o.a. Publikation - inklusive Verweise auf angegebene Primär- und Sekundärliteratur - ohne Prüfung auf Richtigkeit mit Zustimmung des Herausgebers verwendet. Die Orthographie der Zitate wurde vereinheitlicht.
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Abkürzungsverzeichnis
Anm. Beil. Bl.
Anmerkung(en) Beilage(n) Blatt
- Dr.
- Druck
- eh.
- eigenhändig
- hs.
- handschriftlich
Korrektur(en) maschinschriftlich Max Reinhardt Manuskript
Korr. masch. MR Ms. o.D. o.O. S. ohne Datum ohne Ort Seite(n)
Typoskr. U.
Typoskript Unterschrift
- ZPH
- Zuwachsprotokoll Handschriftensammlung
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Archivbox 1
1. Werke
1.1. Regiebücher
1.1.1. Goethe, Johann Wolfgang: Stella, Berlin, Wien, °°.03.1920-1922 (Dr., Ms.,
57 Bl., eh. Notizen und zahlreiche Bühnenskizzen von MR, Leinenband mit hs. Deckelschildchen) {1}
Auch der gedruckte Text wurde von Reinhardt durchgehend in violetter und roter (diese fand bei Zweitbearbeitung der Inszenierung Verwendung) Tinte annotiert. Pro Seite versah er den zu sprechenden Text mit bis zu 26 Fußnoten, die er dann auf den zwischengebundenen Blättern ausführlich erläuterte. Vorliegendes Regiebuch diente als Grundlage für zwei Inszenierungen, auf der letzten Seite finden sich neben den charakteristischen Monogrammen Reinhardts Hinweise auf die Erstaufführung der Inszenierung in den Berliner Kammerspielen am 13. April 1920 sowie die eh. Notiz „Wien, Redoute der Hofburg, 29. September [19]22.“ Begonnen wurde die Arbeit am Stück lt. eh. Datierung auf dem ersten Bl. im März 1920. In einem unveröffentlichten Interview {1709} nennt Helene Thimig spontan „Stella“ auf die Frage nach dem Lieblingsstück Reinhardts, bezeichnet es als das Stück, das er zu seinen gelungensten Inszenierungen zählte. Sie selbst spielte damals in beiden Inszenierungen die Titelrolle und wurde in dieser von der zeitgenössischen Kritik mehrfach mit der Duse verglichen. Die Aufführung des Stückes in den Redoutensälen gilt Gusti Adler (171, S. 161 f.) als „Höhepunkt in Reinhardts Schaffen und Maßstab für alles spätere“, für Fiedler (10, S. 87 f.) ist die Aufführung von 1920 „der letzte Glanzpunkt“ in der langen Reihe der Berliner Inszenierungen. Bei Fiedler (10, S. 46) findet sich weiters auch eine allgemeine Beschreibung der Reinhardtschen Inszenierungshilfen: „... Max Reinhardts ... Regiebücher sind faszinierende Zeugnisse seiner gedanklichen Umsetzung des dramatischen Textes in räumlicher Aktion. Sie haben den Charakter von Partituren des Spiels. Zwischen den Zeilen des Stücktexts, mit breiter Feder und der auch in Briefen bevorzugten violetten Tinte, Bemerkungen, die Bewegung und Mimik andeuten, Hinweise für Tempo und Betonung, gelegentlich auch Textänderungen geben. Auf eingefügten Blättern ausführliche dramaturgische Erklärungen, längere Texte für pantomimische Einfügungen, etwa zur Charakterisierung der Situation am Aktanfang oder als symbolisches Resümee am Ende einer Szene; Vorschriften für Musik, Beleuchtung und Szene; häufig Stellungsskizzen, Grundriss, Bühnenbilddetails von Reinhardts Hand. Daneben und dazwischen Bleistiftnotizen, die während der Probe gewonnene Einsichten fixieren. Oft, bei mehrmals von ihm inszenierten Werken, eine dritte und vierte Schicht in anderer Farbe ...“ In der jüngsten Reinhardt Monographie wird das vorliegende Regiebuch sogar als einzelnes besprochen und als herausragendes Beispiel für Reinhardts Arbeits- und
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Inszenierungsweise beschrieben: „... Für ‚Stella‘ schuf er ein Regiebuch, das allein für den Zusammenbruch Stellas (gespielt von Helene Thimig) nach dem vermeintlichen Verlust des Geliebten Ferdinando mehr als einhundert Vorschläge, Festlegungen, Beobachtungen enthält. Der Regisseur war auf dem Weg zum mit- und weiterdichtenden Dramaturgen, er empfand sich mehr und mehr als Poet des Theaters ...“ (12, S. 63 f.)
1.1.2. Shakespeare, William: Ein Sommernachtstraum, Wien, 10.01.1925
(Fotografien des Regiebuches, 126 Stück) + Beil.: Negative (129 Stück)
1.2. Reden
1.2.1. Münchner Rede, München, 02.07.1929 (Typoskr., 4 Bl., eh. Korr.) + Beil.:
Notiz (Ms., 1 Bl.); Abschrift (Durchschlag, zweifach, je 3 Bl., leichte Abweichungen zum Typoskr.); Umschlag {19}
„... Gewiss, Krieg und Revolution haben begreiflicherweise manches verändert, namentlich in politischer Beziehung. Von dort konnte ein Misston kommen. Aber wir haben ihn sogar in dem früher feindlichen Ausland nicht vernommen ... Warum sollte er just hier Ereignis werden? Die Kunst ist eine Welt für sich, die wie ein Gestirn frei im Raum schwebt. Sie empfängt zwar von dieser Erde Licht, Wärme und Leben, dreht sich aber nach ihren eigenen Gesetzen um ihre eigene Achse. Sie ist exterritorial und den wechselnden Strömungen der Politik nicht unterworfen ...“
1.2.2. Rede zur 25-Jahr-Feier der Schauspielschule des Deutschen Theaters, Berlin, o.D. [1930] (Durchschlag, 2 Bl., hs. Anm.) {21}
„Herr Reichskunstwart ... Das Theater ist heute bedroht, ich fürchte, mehr als je zuvor ... Am stärksten droht, schattenhaft, der Film, das blasse Geisterkind des Theaters. Ich glaube an die große Zukunft des Films seitdem er von der Stummheit erlöst ist und seit die Tür für den Dichter offen steht ...“
1.2.3. Rede im Wiener PEN-Club anlässlich der Ernennung zum Ehrenmitglied,
Wien, o.D. [um 1930] (Durchschlag, 4 Bl., hs. Anm.) {22}
„... Wenn ich mit Menschen zusammen bin, so besetze ich im Gedanken automatisch Rollen und Fächer mit ihnen. Das ist eine Art Berufskrankheit. Sie, lieber Felix Salten, sind der geborene Liebhaber. Der schwärmerischste, zärtlichste, unermüdlichste Liebhaber, den ich kenne ...“
1.2.4. Rede im Marmorsaal im Zoo, Berlin, 30.05.1930 (Durchschlag, 3 Bl., hs.
Korr. und Anm.) {23}
„... Mein Geschick hat die Rolle, die es mir in den Schoß warf, in den letzten Akten so überraschend ausgebaut, dass ich davon ganz betroffen und benommen bin ... Ich bin kein Mann der Improvisation und habe mir deshalb einige Notizen gemacht, aber sie erscheinen mir armselig angesichts der überwältigenden Fülle von Ehrungen, die mir heute zuteil geworden sind. Ich bin ein alter Grenzjäger auf der schwankenden Linie zwischen Wirklichkeit und Traum. Mein ganzes Leben habe ich auf diesem Grenzpfad zugebracht und
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Güter herüber und hinüber geschmuggelt. Der Weg führte hinauf, hinunter und ist in letzter Zeit so steil gewesen, dass ich einigermaßen außer Atem gekommen bin. Dieser Lebensabschnitt, der mir heute die höchste Freude schenkt, hat mir vor Jahresfrist das Schwerste auferlegt. Er hat mir den Bruder genommen und ich erbe heute die Ehren, die so wahr ich hier stehe, zum großen Teil ihm gebühren ...“
1.2.5. Rede im Schwarzhauptsaal, Riga, o.D. [1931] (Durchschlag, 17 Bl.) + Beil.:
Redeentwurf (Durchschlag, 2 Bl., hs. Anm., Fragment) {24}
„... Wir wissen ja Theatergeschichte ist bis in unsere jüngste Zeit hinein reich an überraschenden Beispielen dafür, dass sich kommende Entwicklungen und Umwälzungen vorher in unsrer Welt ankündigen. Der seismographische Apparat des Theaters reagiert ungemein empfindlich auf Ereignisse, die vorläufig noch Luftgebilde sein mögen, aber doch eben schon in der Luft liegen. Doch um Gotteswillen, ich bin kein Prophet, kein Prophet links, kein Prophet rechts, nur das Weltkind in der Mitte und ich werde mich schwer hüten, in das Fettnäpfchen der Politik zu treten. Ich bin Theatermann und will bei meinem Leisten bleiben. Als Eingeborener jener Insel der Seligen, die bis an ihr Ende spielen dürfen, lebe ich nicht nur mein eigenes, ziemlich unruhiges Leben, sondern zugleich das Leben von tausend Gestalten, die aus der Dichtung unsrer eigenen und vergangenen Zeiten in meinen Umkreis treten ...“
1.2.6. Rede für [Guido] Salvini, Verona, °°.08.1933 (Durchschlag, zweifach, je 2
Bl., hs. Anm.) {26}
Über die Sommerfestspiele in der Arena von Verona.
1.3. Notizen
1.3.1. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) {2}
Umgeschrieben wurde der Monolog einer Darstellerin, der sich in Reinhardts Fassung folgendermaßen anhört: „.. Ja. Er ist da. Natürlich. Nein gar nicht zu meinen Füßen. So galant ist er nicht. wie immer auf deinem Platz. Ja. Im Lederfauteuil ... Sobald Du mit dem Fuß nur achtlos seinen Hals streifst, wirft er sich sofort beglückt auf den Rücken. Wenn ich es genau so versuche, rückt er weg und denkt sicher: Jetzt lässt sie mich nichteinmal ruhig schlafen.“
1.3.2. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 1 Bl.) {3}
Auflistung von Personen und Stücken: „Kabale und Liebe. Shaw Kaiser v. America Der Schwierige. Goldoni ... (Ehrlich) Warum immer diesselben Stücke. Everyman. Sommern. Tr. Faust. Goldoni. Tolstoj. Gibt es so viel? Würde man aufhören wollen immer wieder die Neunte, die Fidelio Ouvert. gewisse Stücke von Mozart Bach Haydn zu spielen. Diese Werke unerschöpflich und mehr Neues als in neuen Stücken, die viel Geschrei machen aber schon im nächsten Winter ganz still und tot für immer sind“.
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1.3.3. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 1 Bl.) {4}
„... Es ist kaum fassbar, wie viel Grade von Stille es gibt bis zum regungslosen wie versteinerten Dasitzen und zum atemlosen Zuhören ...“
1.3.4. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 2 Bl.) {5}
„Um den ganzen Erdball werden, wenn die Sonne untergeht, die Lichter angezündet zum festlichen Spiel des Theaters ... Zur höchsten Vollkommenheit entwickelt sich das Theater dort, wo starken Bühnentalenten ein ebenso begabtes Publikum gegenübersitzt, dessen Aufnahmefähigkeit ebenso tief und genial ist ...“
1.3.5. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 2 Bl.) {6}
Auflistungen, z.B. „... Krauss als Shylock, Gerichts Szene Keine bürgerlichen Regeln möglich. Vom Galgen ...“
1.3.6. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 1 Bl.) {7}
„... Kammerspielhaus ein Irrtum später erkannt. Das sogen. beste Publikum ist das schlechteste. Abgestumpfte unnaive Menschen. Zerstreut, müde ...“
1.3.7. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) {8}
„... Im Spiel des Theaters schuf der Mensch sich eine eigene Welt ... (Textvariante des unter {12} beschriebenen Manuskripts) ... Seit Jahrtausenden von Jahren wiederholt der Mensch dieses Spiel und er wird nicht müde, in Tausenden von Gestalten immer wieder sein Ebenbild zu sehen ...“
1.3.8. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 2 Bl.) {9}
„... Ein Stück kann bis zum letzten Detail ausgearbeitet und festgelegt sein ... es wird doch erst in dem Zusammenspiel zwischen Schauspieler und Zuschauer gezeugt und geboren werden; und deshalb kann keine Probe, auch die vollendetste Generalprobe, eine Sicherheit des Erfolges sein ...“
1.3.9. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 2 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 2 Bl.)
{10}
„Die Idee der Kammerspiele. Seit ich beim Theater bin, hat mich ein bestimmter Gedanke verfolgt. Schauspieler und Zuschauer so eng als nur irgend möglich zusammen zu bringen ...“
1.3.10. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 5 Bl., Fragment) + Beil.: Transkription (Durchschlag,
6 Bl.) {11}
Das von MR eigenhändig foliierte Manuskript beginnt mit einer zweiseitigen Aneinanderreihung von Stichworten, Beobachtungs- und Ideenskizzen zum Theaterwesen: „... Die laute Sprache: vom Räuspern, Husten, Hin- und Herrücken, Zettel entfalten ... Bonbons auspacken ... Die Franzosen ... Die Italiener ... Die Naiven in London ... Die Lieblinge ... Die Amerikaner beim Football ... Die verdunkelte Hemisphäre des Theaters ... Die Kritiker im Parkett ... Das Premieren Publikum ...“ Es folgt eine dreiseitige Abhandlung übertitelt „Das Regiebuch“: „... Man liest ein Stück ... Man muss vor Aufregung innehalten im Lesen. Die Visionen überstürzen sich. Manchmal zeigt sich keine. Dann denkt man an
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die Besetzung der großen und kleinen Rollen, erkennt wo das wesentliche liegt ... Das gelesene, das gespielte Stück. Niemals eine absolute Kongruenz. Idealfall, wenn der Dramatiker für seine Schauspieler schreibt, ihnen die Rollen auf den Leib schreibt. Shakespeare, Molière (für sich selbst), Nestroy ... Keine Noten für Sprechen. Erfindet seine eigenen Zeichen ... Man spielt alle Rollen. Dann liest man das Geschriebene vor der Probe durch, ändert das und jenes, fügt hinzu ... Ein großer Schauspieler lehnt den Cassius im Cäsar ab, weil er ‚Dreck am Stecken‘ hat ... Einige haben eigene Ideen wollen den lustigen Teufel durchaus als gefallenen Engel spielen ... Da jede Bewegung, jeder Blick, jeder Gang etwas bedeuten muss, keine zufälligen, nichtssagenden Blicke, Gänge, Bewegungen, Pausen. Äußerste Sparsamkeit mit dem Wort, dessen Knappheit eine Vorbedingung für das Drama ist ... Man spricht mit den Schauspielern über ihre Rollen, sagt das Wesentliche. Dann kommt die Leseprobe. Man sagt keine Details ... Kampf mit dem Text, mit dem Gedächtnis ... Dann kommt man, hört zu. Manches ist neu, interessant, persönlich geworden. Man ändert, verwirft ... Kritik ist eine gefährliche, oft tödliche Waffe. Brahm hatte fast immer recht. Er war der beste, fast unfehlbare Kritiker. Aber deprimierte ... Der Schauspieler ist ein Mondwandler. Er spaziert in Trance an gefährlichen Abgründen.“ Die hier fehlende dritte Seite des Manuskripts befindet sich heute in Binghamton (Sign.: R5083(0)1) und war zuletzt bei der Salzburger Gedächtnisausstellung zu sehen. Eine masch. Abschrift derselben liegt dem Manuskript bei. Da Reinhardt bekanntlich nie die Theorien seines Theaters ausformuliert hat, handelt es sich bei der, hier im Original vorliegenden Abhandlung wohl um den am häufigst zitierten seiner Texte überhaupt (Auszüge desselben finden sich bei 171, S. 51-54 sowie bei Fiedler (10, S. 42-44), im Ausstellungskatalog des Theatermuseums in Zusammenarbeit der Max-Reinhardt-Forschungs- und Gedenkstätte von 1983 (S. 87 f.) und an zahlreichen anderen Orten, wobei der Text stets nur nach Gusti Adler und ohne Nachweis des Originalmanuskripts zitiert werden konnte.
1.3.11. Notiz, überschrieben: „Der Weg zum Theater“, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) +
Beil.: Transkription (Durchschlag, 2 Bl.) {12}
„... Im Spiel des Theaters schuf der Mensch sich eine eigene Welt. Am Anfang war sie wüst und leer. Da schied der Mensch das Licht von der Finsternis ... Und der Mensch schuf den Menschen aus seinem Ebenbilde. Mann und Weib ... Und er stellte sie mitten auf die Bretter, die die Welt bedeuten und sprach zu ihnen: Erfüllet diese Welt und machet sie Euch untertan. Seit Tausenden von Jahren wiederholt der Mensch dieses schöpferische Spiel und wird nicht müde, sein Ebenbild in Tausenden von Gestalten zu sehen ...“
1.3.12. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 1 Bl.)
{13}
„... Schönbrunnerstr. (jetzt Mar. Str) verb. Burg mit Schönbrunn? Wie lang Donaufahrt Pressb. Wie lange von Wien nach Baden Auto (früher?) ... Bücher aus m. Bibl.? Salzburg Chron. Buch? ... Beethoven Lichnowsky und? ... Privilegien der Burgschauspieler ...“
1.3.13. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 1 Bl.)
{14}
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Stichworte für ein Buchprojekt: „... Der Tod Rasputins. Die Ermordung im Theater. Die Abdankung des letzten Sultans Ben Hamid. Die Rede Rathenaus. Der Frieden in Versailles. Die Ermordung des bulgarischen Königs. Das Eindringen des Mobs in Versailles ...“
1.3.14. Notiz, o.O., o.D. (Ms., 1 Bl.) + Beil.: Transkription (Durchschlag, 1 Bl.)
{20}
Ausführlich über die Wechselbeziehung zwischen Schauspieler und Publikum: „Ein Liebhaber der nur in seine Liebe und nicht in seine Geliebte verliebt ist würde ich einen schlechten Liebhaber nennen ... Es ist ein beliebtes aber kein gutes Märchen, dass ein Schauspieler so von seiner Rolle und von seinen Empfindungen überwältigt ist, dass er seine Umgebung ganz vergisst, dass er gar nicht weiß, dass er im Theater ist, und dass ein Publikum ihm zusieht. Es widerspricht dem Wesen des Schauspielers ...“
1.3.15. Notizblock, o.O., ab März 1919 (Ms., zahlreiche Skizzen, mehrfach monogrammiert, 49 Bl.) {15}
Enthalten sind zahlreiche Konzepte zu Besetzungslisten und Repertoireplänen sowie einige ausführliche Gedankensammlungen, u.a. zu den Themen Talent und Film sowie eine mehrseitige Abhandlung „gegen Socialisierung des Th.“ Unter den eh. Zeichnungen Reinhardts erscheinen besonders die Skizzen zum Theaterinneren interessant, in denen er sowohl Zuschauer- als auch Bühnenräume entwirft. Auf den letzten drei Seiten bspw. finden sich konkrete Entwurfsskizzen zu den bekannten Stalaktitenstützen, die Hans Poelzig dann zu einem der wichtigsten Gestaltungselemente beim Umbau des Zirkus Schuhmann zum Großen Schauspielhaus machte. Bemerkenswert auch die zahlreichen Briefkonzepte, unter den Erwähnung findenden Namen jene von Salten, Bahr, Roller, Harden, Poelzig und Stefan Zweig. Auch finden sich einige Überlegungen zur Einrichtung und Ausgestaltung des gerade erworbenen Schloss Leopoldskron. Eine mehrseitige, offenbar für den Berliner Stadtsenat konzipierte Resolution, ist in zwei Varianten vertreten. Seinem Selbstporträt stellt Reinhardt eine Luftblase mit der Zahl „200000“ gegenüber.
1.3.16. Notizblock, o.O., [1922] (Ms., Skizzen, 13 Bl.) {16}
Notizblock mit Notizen zum „Großen Welttheater“ mit 2 ganzseitigen Entwurfsskizzen zum Bühnenraum. Auf Anregung Reinhardts und in enger Zusammenarbeit mit diesem schrieb Hofmannsthal das „Große Welttheater“, das im Sommer 1922 in der Salzburger Kollegienkirche zur Uraufführung kam. „Die schon von Platon gebrauchte, im Barock zu einem Zentralbegriff werdende Metapher vom Menschen als einem Spielzeug Gottes wird darin aktualisiert und in Reinhardts Schauspiel Metapher überführt. Es ging dabei nicht nur um die ‚Wiedererweckung des Barocktheaters‘, sondern um den prinzipiellen Erweis der zeitlosen Gültigkeit eines Stoffes, der, wie Hofmannsthal schreibt, ‚zu dem Schatz von Mythen und Allegorien gehört, die das Mittelalter ausgeformt und den späteren Jahrhunderten übermacht hat‘, um den Versuch, jenem alten traditionellen Stoff: das Welttheater, auf welchem die Menschen vor Gott ihr Lebensspiel aufführen, einen neuen Gehalt zu geben, worin der Zeitgeist zum Ausdruck käme ...“ (10, S. 112 f.). Neben detaillierten Ausführungen zur Dekoration und Ausstattung des Welttheaters („... Die
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Dekoration besteht im Grunde aus drei Plattformen. Die unterste ist abgeschlossen mit schweren Eisengittern zwischen halbrunden breiten Mauerpfeilern. Diese Gitter und Pfeiler sind nur etwa 75 cm hoch ... Die Tracht ist spanisches Barock und nähert sich dem französischen Rokoko ...“) finden sich im vorliegenden Notizbuch auch einige Entwürfe zur szenischen Disposition sowie auch die konkrete Ausarbeitung einzelner Dialoge: „... Hinter dem König stehen ein Krieger in voller Rüstung unbeweglich wie eine Statue und ein Gelehrter in altertümlicher Professorentracht, der nach Bedarf Gesetze entwirft und einträgt ... Wir wollen dem Volk gewisse Freiheiten geben. Damit werden wir die Freiheit verlieren ... Die Freiheit ist immer etwas, das der Eine dem Anderen rauben muss ...“ Karl Kraus reagierte auf die Aufführung des „Großen Welttheaters“ übrigens mit einem „Vom großen Welttheaterschwindel“ überschriebenen Aufsatz, in dem er erklärte, dass ihn ebendiese Inszenierung dazu veranlasst hätte, seinen Austritt aus der katholischen Kirche zu vollziehen.
1.3.17. Notizblock, o.O., [1922] (Ms., 25 Bl., eh. monogrammiert) {17}
Notizblock mit eh. dramaturgischen Überlegungen zu „Die Namenlosen“ von Henri-René Lenormand. 14 beschriebene Seiten. Offenbar für die Aufführung im Wiener Volkstheater (Helene Thimig in der Hauptrolle, Premiere am 20.12.) konzipierte Dramaturgie. Die Übersetzung des französischen Dramas stammte von Berta Szeps-Zuckerkandl. Klar nach den einzelnen Bildern und Szenen gegliedert, akzentuiert Reinhardt den Handlungsablauf, hebt einzelne Monologe und Aussprüche besonders hervor, formuliert Einfügungen und legt die Stellungen der Akteure auf der Bühne fest. Weiters finden sich noch einige wenige Notizen sowie ein Briefkonzept an Siegfried Löwy.