Zwergseeschwalbe
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Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 9 D J Zwergseeschwalbe N F Jahresrhythmik Zwergseeschwalbe Jahres- Sternula albifrons O M rhythmiknicht anwesend Sternula albifrons anwesend S A Durchzugnicht anwesend 1 Unterart:Unterart: St. a.Sternula albifrons albifrons albifrons Durchzugsmax.anwesend A M BrutzeitDurchzug Durchzugsmax. J J Brutzeit Brutstatus Brutvogel Aktueller Brutbestand 65 ‒ 111 Brutstatus Brutvogel (BP) Aktueller Brutbestand (201065 -–2015) 111 Auftreten regelmäßig (BP) (2010-2015) HäufigkeitAuftreten sehr seltenregelmäßig Verbreitung lokal VerbreitungsgradHäufigkeit 2,3 % (Kartsehrierung selten2005-2009,-2012) BestandstrendVerbreitung ohne Trendlokal VerbreitungstrendVerbreitungsgradabnehmend2,3 % (Kartierung 2005-2009,-2012) Bestandstrend ohne Trend GaststatusVerbreitungstrendDurchzüglerabnehmend Aktueller Rastbestand max. 670 (Ind.) (Tagesmaximum) Auftreten regelmäßig HäufigkeitGaststatus selten Durchzügler Aktueller Rastbestand max. 670 Verbreitung lokal (Ind.) (Tagesmaximum) Bestandstrend Daten nicht ausreichend VerbreitungstrendAuftreten Daten nichtregelmäßig ausreichend Häufigkeit selten Verbreitung lokal RingfundmitteilungBestandstrend der DatenBeringungszentrale nicht ausreichend Hiddensee Nr. 10/2015 Verbreitungstrend Daten nicht ausreichend Ringfundmitteilung der Beringungszentrale Hiddensee Nr. 10/2015 Lebensraum Die Zwergseeschwalbe Sternula albifrons besie- reichen mit aktiver Küstendynamik (Strand- delt in Deutschland ungestörte, vegetations- wälle, Hakenbildungen, Anlandungsgebiete), freie oder vegetationsarme Sand- und Kies- die überwiegend innerhalb von NSG bzw. im flächen mit vorgelagerten Flachwasserzonen NLP VB liegen. Binnenländische Brutplätze entlang der Küsten der Nord- und Ostsee. Im bestanden noch bis in die erste Hälfte des Binnenland war sie einst ein Charaktervo- 20. Jh., sind heute aber erloschen. Auch ak- gel der Sand- und Kiesbänke der Mittelläufe tiv betriebene Spülfelder können geeignete größerer Flüsse. Diese Bruthabitate wurden Habitatbedingungen bieten. Sie beherbergten jedoch bereits im 19. Jh. im Zuge der Fluss- insbesondere in den 1970er bis 1990er Jahren kanalisation weitgehend zerstört, sodass die bedeutende Brutplätze (Müller 1970-1990). Art hier nur noch sporadisch (in jüngerer Zeit Wahrscheinlich aufgrund des hohen Prädato- allerdings wieder häufiger) als Brutvogel auf- rendruckes werden sie in jüngerer Zeit jedoch tritt (Kneis et al. 2008; Ryslavy und Mädlow nur noch selten besiedelt. 2008). In Polen bieten die unkanalisierten Neben den typischen Sand- und Kiesflächen Flussläufe der Weichsel und Oder sowie ihrer kann die Zwergseeschwalbe gelegentlich auch Nebenflüsse der Zwergseeschwalbe auch heu- andersartige Habitate besiedeln. So konnten te noch geeignete Lebensräume (Sikora et al. in den Jahren 1979 und 1980 an den Küsten 2007; Tomiałojć und Stawarczyk 2003). des Greifswalder Boddens bei Niederhof und In MV befinden sich die Brutplätze aktuell v. auf Rügen (Halbinsel Zudar, Üselitz) Bruten a. an den Außen- und Boddenküsten in Be- auf Äckern festgestellt werden, die mit Mais, 10 Zwergseeschwalbe ma et al. 2011). In Polen brütet die Zwergseeschwalbe vor allem im Binnenland auf Kiesbänken unregulierter Flüsse, insbeson- dere im Mittellauf der Weichsel (Sikora et al. 2007; Tomiałojć und Stawarczyk 2003). Der Be- stand im Ostseeraum umfasst derzeit insgesamt ca. 2.120- 3.340 BP und verteilt sich wie folgt (Tab. 1). Im ostdeutschen Binnenland war die Zwergseeschwalbe lan- ge Zeit fast völlig verschwun- den und ist erst seit den 1990er Jahren wieder mit einiger Regel- Fütternde Zwergseeschwalben Sternula albifrons. Foto: J. Reich. mäßigkeit an der Elbe bzw. an elbnahen Baggerseen in Sach- Zuckerrüben oder Sommergerste bestellt wa- sen (Kneis et al. 2008) und Süd-Brandenburg ren (Holz und Herrmann 1982). Im Jahr 2006 (Ryslavy und Mädlow 2008; Ryslavy, pers. brüteten zwei Paare auf vegetationsfreien Mitt.) als Brutvogel anzutreffen. In Sachsen Schlickinseln im Polder Murchin (unteres brüteten in den Jahren 2006 und 2007 jeweils Peenetal; Sellin 2007), im Jahr 2013 gab es drei Paare. In Brandenburg ist die Zwergsee- dort eine weitere Brut (Herrmann und Wendt schwalbe seit 2006 ein alljährlicher Brutvo- 2014). Bei der Besiedlung derartiger „unge- gel; der Bestand erreichte 2012 mit 16 Paaren wöhnlicher“ Habitate spielt offensichtlich die ein Maximum. interspezifische Vergesellschaftung eine wich- In MV siedelte die Zwergseeschwalbe im 19. tige Rolle: Auf den von der Zwergseeschwalbe Jh. sowohl an der Küste als auch im Binnen- besiedelten Äckern gab es auch Brutvorkom- land. Holland (1860) fand sie bei seinen or- men von Sandregenpfeifer Charadrius hiaticu- nithologischen Reisen entlang der vorpom- la, Austernfischer Haematopus ostralegus und merschen Küste im Jahr 1859 als Brutvogel Kiebitz Vanellus vanellus (Holz und Herrmann im Greifswalder Bodden auf den Insel Riems 1982). Im Polder Murchin waren die Zwerg- und Ruden sowie im Südteil Hiddensees und seeschwalben mit brütenden Lachmöwen auf der Heuwiese. Nach Zander (1851) brü- Larus ridibundus, Flussseeschwalben Sterna tete sie zahlreich zusammen mit Küstensee- hirundo, Kiebitzen, Rotschenkeln Tringa to- schwalben Sterna paradisaea auf der Insel Lan- tanus und Säbelschnäblern Recurvirostra avo- genwerder. Brutvorkommen im Binnenland setta vergesellschaftet (Herrmann und Wendt (Schweriner See, Goldberger See) lassen sich 2014; Sellin 2007). für das 19. Jh. durch Belege aus Sammlungen nachweisen (Kuhk 1939). Weiterhin gelang Verbreitung Clodius 1886 ein Brutnachweis auf einer Kies- Die Zwergseeschwalbe brütet in ganz Europa bank im Cambser See (Clodius 1904). Auch zerstreut insbesondere an den Küsten, teilwei- in der ersten Hälfte des 20. Jh. trat die Art se aber auch im Binnenland. Der europäische im Binnenland offensichtlich noch häufiger Bestand wird auf 36.000-53.000 BP geschätzt als Brutvogel auf, vor allem im Müritzgebiet. (BirdLife International 2015). Im Ostseeraum Nach Bartels (1950 unveröffentl., zit. in Dep- ist die Art in allen Anrainerstaaten als Brutvo- pe 1965) brütete sie regelmäßig am Schlamm- gel vertreten. Die Vorkommen konzentrieren see bei Boek, in der Kleinen Müritz und bei sich auf die Küsten der südlichen und zent- Müritzhof. Die Brutplätze am Schlammsee ralen Ostsee, der nördliche Teil (Bottnischer und in der Kleinen Müritz gingen durch einen Meerbusen) beherbergt nur kleine Brutbe- Kanalbau im Jahr 1932 verloren. Letztmalig stände (Tjernberg und Svensson 2007; Valka- fand Bartels brütende Zwergseeschwalben im Beiträge zur Avifauna Mecklenburg-Vorpommerns – Heft 2 · 2015 11 Tab. 1: Die aktuellen Brutbestände der Zwergseeschwalbe Sternula albifrons im Ostseeraum. Land Anzahl (BP) Zeitraum Quelle Schweden 350-650 2008-2012 BirdLife International (2015) Finnland 69-72 2006-2012 BirdLife International (2015) Russland/St. Petersburg 200-300 2009 V. Fedorov, schriftl. Mitt. 2009 Estland 150-300 2008-2012 BirdLife International (2015) Lettland 80-150 2012 BirdLife International (2015) Litauen 200-300 2008-2012 BirdLife International (2015) Russland/Kaliningrad 60-130 2000-2009 V. Fedorov, schriftl. Mitt. 2009 Polen 800-1.000 2008-2012 BirdLife International (2015) Mecklenburg-Vorpommern 30-110 2000-2014 AG Küstenvogelschutz MV Schleswig-Holstein 100-150 2000-2009 H. Behmann, schriftl. Mitt. 2009 Dänemark (ohne Nordsee) 80-180 1998-2003 Grell et al. (2004) gesamt 2.120-3.340 Jahr 1945 bei Müritzhof. Im Juni 1983 gelang 1975 brütete wahrscheinlich ein Paar in den R. Krause und G. Heclau im selben Gebiet Haffwiesen bei Mönkebude (C. Scharnweber der einzige binnenländische Brutnachweis in in Müller 1979) und in den Jahren 2006 und MV in der zweiten Hälfte des 20. Jh. (Müller 2013 zwei bzw. ein Paar im Polder Murchin 1985). im Peenetalmoor (Herrmann und Wendt Gegenwärtig brütet die Zwergseeschwalbe in 2014; Sellin 2007). MV ausschließlich an der Küste (Abb. 1). Ver- Die einzigen stabilen, im 20. Jh. durchgehend breitungsschwerpunkte sind die westrügen- besiedelten Brutplätze in MV sind der Bessin/ schen Bodden mit dem Bessin als wichtigstem Hiddensee (NLP VB) und der Langenwerder Brutplatz des Landes sowie die Wismarbucht (NSG). Da die Zwergseeschwalbe jedoch sehr mit den Inseln Langenwerder (NSG) und Kie- flexibel auf geeignete Habitatangebote re- ler Ort sowie der Halbinsel Wustrow (NSG). agiert, gibt es eine Vielzahl weiterer Gebiete, Die Darß-Zingster Boddenkette (NLP VB) be- in denen sie zeitweilig als Brutvogel auftrat. herbergt einige ehemalige, vorübergehend Diese sporadisch besiedelten Gebiete waren besetzte Brutplätze (Schmidt-Bülten, Barther z. T. über längere Zeiträume besetzt und be- Oie, Kirr und Spülfeld Kinnbackenhagen). herbergten durchaus größere Brutbestände Regelmäßige aktuelle Brutnachweise gibt es (z. B. Insel Walfisch (NSG): 1957-1971 durch- für die Windwattgebiete vor den Werderin- gehende Besiedlung mit bis zu 62 BP [1963], seln und dem Bock (NLP VB). Im Greifswal- danach nur noch sporadisch; Heuwiese (NLP der Bodden war die Zwergseeschwalbe in der VB): Brutvogel 1954-1959 und 1970, max. 33 zweiten Hälfte des 20. Jh. bis 1998 ein regel- BP [1958]; Insel Liebitz (NLP VB): BV 1962- mäßiger Brutvogel auf dem Vogelhaken Zu- 1972, max. 35 BP [1962]; Rustwerder/Poel dar (NSG), auf Spülfeldern (Drigge, Wampen, (NSG): durchgehende Besiedlung 1967-1982, Ladebow, Spandowerhagen, Peenemünde, max. 14 BP [1967], danach sporadische Bru- Groß Zicker) und auch auf Ackerflächen (Nie- ten; Vorwerker Wiesen/Poel: nahezu durch- derhof, Üselitz, Halbinsel Zudar). Im Bereich