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Bonjour Deutschland Luftverkehr unter Nachbarn

1926-2006

Conception : Dialogue & Stratégie 01 46 27 23 00 Bonjour Deutschland Luftverkehr unter Nachbarn

1926-2006

Zeitzeugen erzählen die Geschichte französischer Fluggesellschaften vom ersten Flug nach Deutschland am 26. Mai 1926 bis heute

Umschlaggestaltung: Dialogue et Stratégie, . Als Vorlage diente ein Plakat der „Lignes aériennes Farman“ von Albert Solon aus dem Jahre 1930 und ein Airbus A 320. Inhaltsverzeichnis Seite

Acht Jahrzehnte Jean-Cyril Spinetta Air-France-Präsident 5

Weltweit einmalig Alfred Grosser 7

Paris-: Eröffnungsflug mit Hindernissen 9

Ratschläge einer französischen Fluggesellschaft aus dem Jahre 1927 11

Chronik 13

Air France in Berlin 15

Euroberlin: Eine europäische Utopie? 1988 - 1994 19

Eine Reise von Paris nach 21

Satelliten, Kühe und frische Rosen fliegen durch die Luft 23

Eigenes Frachtzentrum nach Maß 25

Hamburg-Paris in weniger als zwei Stunden 27

Am Hamburger Flughafen erlebt 29

Dreimal so schnell wie vor 80 Jahren 31

Neubeginn mit Bleistift und Radiergummi 35

Zwischen Abflug und Ankunft 37

Als Köln-Bonn noch ein Diplomaten-Flughafen war 41

Durch Süddeutschland in den Osten 47

Geschäftsreisende aufspüren 49

Air Inter mit Trikolore-Tarif 51

Der Minister spendet Lederkoffer 53

Im Dialog mit den Medien 57

Frauen und Männer prägten Air France 63

Geert Schäfer-Surén, ein Freund 63

Militärflieger gut gelandet. Wilfried Mayer: Stationsleiter in Düsseldorf 65

Madame Air France 67

Flugscheine wurden nachts ausgestellt 69

Die Allianz mit KLM 71

SkyTeam und das Drehkreuz Paris-Charles de Gaulle 73

Nachwort 75

Streckennetz 1937 nach Deutschland (aus der Air France-Revue). Unser Dank gebührt unseren Kunden, Acht dem Netz der Reiseagenturen und Veranstalter, aber auch den deutschen Jahrzehnte Luftfahrtbehörden. Sie alle haben uns auch in schweren Zeiten unterstützt. Nicht zuletzt möchte ich an die Frauen und Männer erinnern, die seit 80 Jah- ren oder über drei Generationen lang Air France gedenkt der 80 Jahre durch ihr Können und ihr Engagement Präsenz französischer Verkehrsluft- das Vertrauen ihrer Landsleute erwor- fahrt in Deutschland. Am 26. Mai 1926 ben haben. Ihnen verdanken wir, dass eröffnete die Vorgängergesellschaft so zahlreiche Deutsche unserer Ge- „Lignes Aériennes Farman“ die Strecke sellschaft die Treue halten. Ihnen allen Paris - Köln - Berlin. Seit ihrer Grün- einen besonders großen Dank. dung 1933 fliegt Air France auf den Air France wird alles unternehmen, um Linien, die Farman eröffnet hat. Bis das in sie gesetzte Vertrauen zu erhal- zum Zweiten Weltkrieg baute sie ihr ten und im Dienste des großen Part- deutsches Streckennetz aus, und da- nerlandes Deutschland zu bleiben. nach nahm sie ihre Dienste wieder auf, im Rhythmus der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen unse- Jean-Cyril Spinetta res großen Nachbarlandes. Air-France-Präsident Alfred Grosser, dieser hervorragende französische, in geborene Historiker, hat in seinem Vorwort die ausschlaggebende Rolle gewürdigt, die das deutsch-französische Ge- spann geleistet hat. Die Partnerschaft wurde im Freundschaftsvertrag vom 22. Januar 1963 besiegelt. Ebenso im Air-France-Plakat von Robert aus dem Jahre 1950. Air-France-Präsident Jean-Cyril Spinetta. Aufbau der europäischen Union wäh- rend der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts. In diesem Rahmen leistete Air France ihren Beitrag bei der An- näherung dieser zwei großen Nationen. Heute ist Deutschland das europä- ische Land, in dem Air France am bes- ten vertreten ist – ein Markt, der wesentlich zum Umsatz und zur Ent- wicklung der Fluggesellschaft beiträgt. Deutsche Reisende sind ständig auf unserem weltweiten Streckennetz unterwegs, geschäftlich oder privat. Ganz selbstverständlich nutzen sie die 20 000 wöchentlichen Anschlussver- bindungen auf unserem Pariser Flug- hafen-Drehkreuz Charles de Gaulle. 5 Alfred Grosser am Rednerpult des Bundestages in Bonn, am 3. Juli 1999.

Politisch wurde das entscheidende terhin nur ihren westdeutschen Freun- Weltweit einmalig Datum der 9. Mai 1950, ein Datum, den begegnen, die auch von der Wirk- das völlig berechtigt als Europa-Tag lichkeit der ehemaligen DDR wenig gefeiert wird. Robert Schuman bot der Kenntnis genommen haben. Bundesrepublik eine gleichberechtigte Aber alle könnten die enormen Fort- Teilnahme an einer supranationalen schritte der Partnerschaft feststellen, 1926: Aristide Briand und Gustav europäischen Kohle- und Stahlge- wenn sie nur wüssten, wie erstaunlich, Stresemann erhalten den Friedens- meinschaft an. Im September 1956 wie beinahe ungeahnt das Geleistete nobelpreis. 2006: Air France feiert die beendete der von Konrad Adenauer ist. Wenn man einer deutsch-franzö- achtzig Jahre französischer Flüge und Regierungschef Guy Mollet unter- sischen Jugendgruppe sagt, es gebe nach Deutschland. Niemand würde schriebene Luxemburger Vertrag die nun südlich von Strassburg eine neue behaupten, dass die Zwischenzeit er- letzten deutsch-französischen Konflik- Rheinbrücke ohne Zoll, ohne Polizei, eignislos gewesen ist! Aber dieses te: die Saar durfte deutsches Bundes- ohne ein auffallendes Zeichen, dass Geschehen ist in beiden Ländern land werden und die Mosel sollte man von einem Land ins andere wohlbekannt. Um die heutigen freund- kanalisiert werden, um das Lothringer kommt, antworten die einen „Et alors?“ schaftlichen Beziehungen zu erklären, Stahl zum Rhein zu bringen. und die anderen „Na und?“ – so die heutige Partnerschaft, genügt es, Aber das spektakulärste Ereignis war selbstverständlich ist die Verflechtung 1945 zu beginnen. dann, am 23. Januar 1963, die feier- zwischen Deutschland und Frankreich Beziehungen innerhalb der Zivilgesell- liche Unterzeichnung, im Elysée Palast, geworden. schaften waren schnell nach dem des von Präsident Charles de Gaulle Ende des Krieges entstanden. Die und Bundeskanzler Adenauer unter- Alfred Grosser Präambel der französischen Verfas- schriebenen Freundschafts-Vertrag, sung von 1946 begann ja mit der der nun jedes Jahr mit vielen deutsch- Feststellung, der Sieg sei davonge- französischen Veranstaltungen ge- tragen worden „über die Regime, die feiert wird. Wenn es manchmal den versucht hatten, die Menschen zu un- politischen Beziehungen schlechter terjochen und zu entwürdigen“. Nicht geht oder wenn der deutsch-franzö- über ein Volk oder eine Nation. Des- sische Motor wegen mangelndem Luftpostkarte der Fluggesellschaft „Euroberlin“ aus Anlaß des ersten wegen ist das Wort „Versöhnung“ nur Treibstoff neuer Vorschläge stillsteht, Fluges im November 1988. mit Vorsicht zu gebrauchen. Als ich so sollte doch immer bedacht werden, Die Briefmarke erinnert an den 25. Jahrestag des deutsch- 1947 zum ersten Mal seit 1933 nach dass das Netz der wirtschaftlichen, französischen Vertrages. Daneben Deutschland reiste, unterhielt ich mich gesellschaftlichen, wissenschaftlichen ein Symbol für das geteilte und eingeschlossene Berlin. mit dem Oberbürgermeister meiner Beziehungen zwischen beiden Ländern Geburtsstadt Frankfurt, die mein Vater dichter und vielfältiger ist als zwischen als jüdischer Kinderarzt bereits im ers- jedem der beiden und irgend einem ten Hitler-Jahr mit seiner Familie ver- anderen Land. lassen hatte. Der OB hatte seine Das dann im Namen der Freiheit Inhaftierung im KZ Buchenwald über- wiedervereinigte Deutschland hat lebt. Ich hatte mich doch nicht mit ihm in diesem Sinne weitergewirkt. Mit zu versöhnen! Wir hatten aber eine manchmal mangelnder Einsicht für die gemeinsame Mitverantwortung für die Verwirklichung der Einheit. Direktflüge freiheitliche Entwicklung Deutsch- von Paris nach Leipzig wurden erst lands. Diese Gemeinsamkeit war die 2006 wieder von Air France ein- Grundlage der deutsch-französischen gerichtet. Und noch allzu viele Fran- Austausche, Begegnungen, Partner- zosen wissen wenig über die gar nicht schaften der Nachkriegszeit. mehr so „neuen Länder“, weil sie wei- 6 7 1 Pilot noch die Journalistin besaßen ein Zurück zum Eröffnungsflug nach Paris-Berlin: Visum. „Schon seit einer Stunde stan- Berlin. Um 14:30 Uhr hob die Farman den wir auf dem Flughafen und schlu- endlich in Köln ab und landete wenig Eröffnungsflug gen uns mit den Einreiseformalitäten später in . Hier wurden die Fran- herum,“ empörte sich die fliegende zosen schon vom Bürgermeister zu mit Hindernissen Reporterin. „Hoffentlich macht der einem Willkommenstrunk erwartet. In moderne Luftreiseverkehr diesem seiner Rede sprach das Stadtober- schrecklichen Papierkrieg bald ein haupt die Hoffnung aus, der Rauch Ende. Doch es blieb uns schließlich der Schlote möge den Himmel über nicht erspart, in Begleitung von zwei Essen nicht so verdunkeln, dass Gendarmen durch Köln zu ziehen und die täglichen Flugdienste erschwert Die erste Flugroute zwischen Deutsch- die Bekanntschaft mit der neugo- würden. land und Frankreich wurde 1926 von tischen Polizeipräfektur zu machen. Gleich zwei Maschinen verließen an den französischen „Lignes Aériennes Ein dunkles Gebäude, wie aus dem jenem 26. Mai 1926 den Flughafen Farman“ und der „Luft Hansa“ (da- Mittelalter, man könnte es sich gut Paris-Le Bourget. Die erste von Pierre malige Schreibweise) eröffnet. Am vorstellen als Verlies für Flugreisende, Robin hatte neben dem Mechaniker 26. Mai rollte Pierre Robin mit einer die eine Abneigung gegen Visum- noch vier Passagiere an Bord. Die einmotorigen Farman F. 170 in Paris- anträge haben“. In zwei Stunden er- zweite, mit Jule Landry am Steuer, Le Bourget an den Start, in Berlin war teilten die Behörden jedem ein provi- transportierte Werkzeuge, Ersatzteile es Bruno Rodschinka mit einer drei- sorisches Visum. und sonstige notwendigen Utensilien. motorigen G 24. Das erste Über die dreistündige Verspätung „Und schließlich näherten wir uns Bündnisabkommen der Luftfahrt wur- haben sich die Gebrüder Farman in Berlin“, berichtete die Journalistin. de in die Praxis umgesetzt. Beide der französischen Hauptstadt ziemlich „Geometrisch und wohlgeordnet erin- Aviateure sollten sich bei der Zwi- geärgert. Sie verlangten von ihren An- nert diese Stadt an ein kubistisches schenlandung in Köln treffen. gestellten einen reibungslosen Dienst Bild, auf dem selbst die Gärten wie mit „Persönlichkeiten aus Politik und und das bei jedem Wetter. Dick, Henry der Schnur abgesteckt sind.“ Der Luftfahrt waren zu unserem Abflug und Maurice Farman waren in erster Empfang in Tempelhof entsprach ganz gekommen“, berichtete die französi- Linie Flugzeugbauer, betrieben aber dem historischen Ereignis. Kaum war sche Journalistin Louise Faure-Favier. auch ihre eigene Fluggesellschaft. die „hängebauchige“ Farman zum „Um 10 Uhr hob unser Aeroplan in Le Voraussetzung dafür war damals Flug- Stehen gekommen, wurde sie von Bourget ab. Neben mir saß ein junger erfahrung als Pilot. Alle drei kamen als einer begeisterten Menge umringt. Student aus Köln. Ganz begeistert Söhne des britischen Journalisten Hände wurden geschüttelt, Glück- erklärte er mir, wie froh er jetzt sei, Thomas Farman – er war Korrespon- wünsche ausgesprochen, Vertreter 2 in zweieinhalb Stunden nach Köln zu dent des „Daily Telegraph“ – während des Reichsverkehrsministeriums, der reisen, wodurch er pünktlich zum der siebziger Jahre des 19. Jahrhun- „Deutschen Luft Hansa“, der franzö- Mittagessen nach Hause komme“. derts in Paris zur Welt. Dick wurde sische Botschafter, Redakteure der Der Flug führte über Soisson, Laon, Elektroingenieur und baute die erste großen Berliner Zeitungen, französis- die Ardennen, Lüttich, nach elektrische Straßenbahn in Rio de che Pressekorrespondenten, Photo- Köln. Janeiro, lernte 1912 fliegen und leitete graphen und Schaulustige drängten Für den Flugzeugführer Pierre Robin während des Ersten Weltkriegs eine sich um Besatzung und Fluggäste. war der erste Linienflug nach Berlin Flugzeugfabrik in Lyon. Henry absol- Ein nicht minder herzlicher Empfang kein so aufregendes Unternehmen. vierte ein Studium an der Kunst- wurde Luft-Hansa-Kapitän Rodschinka Bei Pannen wusste er seine Maschine akademie, gewann dann als erster in und seinen Passagieren in Paris berei- selbst zu reparieren. Wie viele seiner Europa den Preis für einen Flug im tet. An jenem Mittwoch begann ein Kollegen begann er mit zwölf Jahren geschlossenen Kreis auf einer Distanz regelmäßiger Flugverkehr zwischen eine Mechanikerlehre in der Flugzeug- von einem Kilometer. Maurice, der beiden großen Hauptstädten. Wegen fabrik der Gebrüder Farman. Dann jüngste, war ebenfalls Pilot, baute der beiden Zwischenlandungen dau- 3 1 - In Berlin gelandet. Eine dreimotorige Farman Jabiru F 301. begleitete er Testpiloten auf ihren Autos und Flugzeuge. Allen gemein- erte der Flug sechseinhalb Stunden. Erprobungsflügen, erwarb den Pilo- sam war ihre Begeisterung für sportli- Im Vergleich zu einer Bahnfahrt von 17 2 - Historische Aufnahme in Köln vom tenschein, kam nach seinem Militär- che Wettkämpfe. Sie fuhren Rad- und Stunden war das ein großer Fort- Erstflug der beiden Fluggesellschaften „Lignes Aériennes Farman“ und Luft dienst als Pilot wieder zu Farman. In Autorennen. Schließlich taten sie sich schritt. Hansa, am 26. Mai 1926. der Berlin-Maschine, einer Farman zu einem Familienunternehmen zusam- Von nun an wurde die Strecke Berlin- 3 - Fliegen macht Spaß! Das wollen die „Jabiru“ F. 170, saß Robin in einer men. Mit ihren eigenen Flugzeugen Paris abwechselnd von jeder Flug- bekannten Zirkusartisten, die Brüder Gondel, den Kopf im Freien. Dahinter bauten sie ein Liniennetz nach Brüssel, gesellschaft beflogen. Während die Fratellini, ausdrücken, vor dem Flug nach Berlin mit der Linienmaschine war Platz für acht Passagiere. Die , , Kopenhagen, „Luft-Hansa“-Maschine am Montag Farman Jabiru F 170. Tragflächen bestanden aus Holz und , Berlin, , Leipzig, nach Paris flog und am Dienstag zu- Leinwand, der Rumpf aus Holz und München, Frankfurt und Moskau auf. rück, startete das französische Flug- Stahl. Mit dem 500-PS-Motor konnte Das waren Strecken, auf denen die zeug in umgekehrter Richtung ab Robin bei einer Flughöhe von 2000 Piloten sich durch wechselndes Wet- Berlin. Somit standen den Fluggästen Meter eine Geschwindigkeit von 189 ter, dichte Wolkendecken, Nebel, Eis eine tägliche Verbindung zur Verfü- km/h erreichen und 500 Kilometer und Schnee kämpfen mussten. Unter gung. Um die hohen Kosten zu sen- ohne Zwischenlandung fliegen. diesen Umständen half die beste ken – auch in der Hoffnung eines Nach der Landung auf dem Flugplatz Routenkarte nicht viel. Die Farmans Tages ohne die Subventionen der Re- Köln-Butzweilerhof kam es jedoch zu verordneten ihren Flugzeugführern ein gierungen auszukommen – übernahm einer bösen Überraschung: Weder der Training im Instrumentenflug. „Farman“ in Paris die gesamte organi- 8 9 satorische Arbeit für die „Luft Hansa“: die Langeweile mit einem Roman, keiten bereiten, dann schauen Sie Kundenwerbung, Flugscheinverkauf, einer Illustrierten oder einer Zeitung nicht zum Himmel auf, sondern auf die Wartung, Auftanken. Die deutsche anzugehen, sich ganz dem Schauspiel Erde. Sie werden beim Blick nach Fluggesellschaft brauchte in Paris kein der unter einem wechselnden Land- unten zu Ihrer Überraschung feststel- Ersatzflugzeug und Crew in Reserve schaftsbilder hinzugeben. Studieren len, wie sich die Landschaft um die halten, hier sprang der Partner ein. Im Sie die Landkarte, versuchen Sie die Vorderkante des Flügels dreht, wäh- Gegenzug nahm die „Luft Hansa“ in Gegend, die Städte, Flüsse, Hügel, rend die Tragfläche wie eine unbewe- Berlin die Interessen der „Lignes Berge, Wälder zu erkennen. Das ist gliche Achse in der Luft zu stehen Aériennes Farman“ wahr. Damit so- eine überaus fesselnde und lehrreiche scheint. wohl von den Kosten als auch den Beschäftigung. Einnahmen ein gerechter Vergleich Die Luftkrankheit möglich wurde, sah der Pool-Vertrag Einige Hinweise Die sogenannte Luftkrankheit ist keine vor, dass beide Gesellschaften etwa für den Luftreisenden wirkliche Krankheit, allenfalls ist sie gleich große und schnelle Flugzeuge Werden Sie nicht ungeduldig, wenn vergleichbar mit einer Art Übelkeit. Sie einsetzten. Angespornt durch die der Start nicht auf die Stunde genau hat zwei Ursachen: In einer Flughöhe guten Erfahrungen mit „Luft Hansa“, stattfindet, wie er im Flugplan angege- von beispielsweise 2000 Metern kann schloss „Farman“ auch mit anderen ben ist. Diese Verspätung ist nicht auf der Reisende ein Unwohlsein verspü- Fluggesellschaften solche Pool-Ab- die Nachlässigkeit der Fluggesell- ren, wie das manchmal bei der An- kommen ab, so mit , KLM und schaft zurückzuführen, sondern auf kunft auf größeren Höhen in den skandinavischen . deren Bemühen, Sie so sicher wie Bergen der Fall sein kann. Das ist ledi- Der Pilot des Eröffnungsfluges, Pierre möglich an Ihr Ziel zu bringen. Es ist glich eine vorübergehende Unpäßlich- Robin, saß ab 1936 im Cockpit der nämlich besser, das gute Funktio- keit und ohne jede Folgen. Hingegen Air-France-Maschinen. Die Journalis- nieren des Motors ein zweites Mal zu trifft das Flugzeug, wenn es Wälder, tin Louise Faure-Favier schrieb Reise- überprüfen, als sich auf ein Abenteuer weite Wasserflächen oder hügeliges bücher. Dort fand der Passagier alle mit einem Motor einzulasssen, auf den Land überfliegt, auf unterschiedlich Hinweise auf die Sehenswürdigkeiten, man sich vielleicht nicht ganz verlas- starke Luftströmungen. Diese drücken die er überflog. Das war besonders sen kann. Es ist auch schon einmal die Maschine hoch oder hinunter, mal nützlich, wenn Wolken die Sicht auf notwendig, die neuesten Angaben sackt sie rechts, mal links ab, mal ist die Erde versperrten. über das Wetter abzuwarten. Laut den die Bewegung leicht und kaum spür- Luftfahrtbestimmungen ist es nämlich bar, dann wieder von roher Gewalt Wolfgang Häg dem Flugzeugführer nicht erlaubt, in erfaßt. Es besteht jedoch keinerlei den Wolken zu fliegen – und selten Grund zu Befürchtungen. Der Aero- darüber. Ein Aviateur, der durch eine plan nimmt immer wieder seine ge- Wolkenlandschaft fliegt, ist genauso wohnte Lage ein. Sollte dieses Schau- hilflos wie ein Kurzsichtiger am Steuer keln Sie doch ängstigen und sollten seines rasenden Automobils. Eine Sie ein ähnliches Gefühl verspüren wie In der Passagierkabine der Farman Goliath erwarten die Reisenden Korbsessel, Luftreise ist kein Abenteuer! bei einer Seekrankheit, dann öffnen eine Routenkarte und große Fenster, die man öffnen kann. Sie einfach das Fenster und atmen tief Wie soll man sich anziehen? die frische hereinströmende Luft ein. Müssen Sie sich in Pelze hüllen, einen Das ist noch immer die beste Me- dicken Overall anziehen, Schutzbrille thode, die man empfehlen kann. und Handschuhe tragen, mit einem Wort sich als Flugzeugführer verklei- Die Landung den? Das wäre bis auf wenige Aus- Der Aeroplan nähert sich wieder der nahmen völlig überflüssig. Ihr Pilot Erde. In der Ferne kommt schon der Ratschläge einer zieht sich so warm an, weil er in der Flughafen in Sicht. Sie unterhalten französischen offenen Kanzel dem scharfen Fahrt- sich mit Ihrem Nachbarn über die wind und den Wirbeln des Propellers Stadt unter Ihnen, und auf einmal ist Fluggesellschaft ausgesetzt ist. Sie dagegen, in der der Ton weg, obwohl Ihr Reisegefährte Kabine, haben außer etwas Durchzug weiterspricht. Seien Sie ohne Furcht, aus dem Jahre nichts zu befürchten. Ziehen Sie sich Sie sind nicht plötzlich taub geworden. an wie zu einer Fahrt mit dem Auto- Schlucken Sie mehrmals. Damit schaf- 1927 mobil. fen Sie hinter Ihrem Trommelfell wieder den gleichen Druck wie außen. Sie Die Kurve nach dem Start erlangen schnell wieder Ihr Gehör Die Zeit während des Fluges Sobald der Aeroplan einige hundert zurück. Eine Flugreise, obwohl sehr kurz, Meter Höhe erreicht hat, kippt er auf scheint sich manchmal unendlich hin- einer Seite etwas ab und zieht eine zuziehen. Das hängt mit der jeweiligen Kurve. Die Maschine geht auf den ge- Erinnerungsfoto vor dem Doppeldecker Farman Goliath 1921. Reiseflughöhe zusammen. Je höher planten Kurs. Sie brauchen sich vor ein Flugzeug fliegt, um so langsamer diesem Flugmanöver nicht zu fürch- scheint die Landschaft unten vorüber- ten, Ihr Leben ist nicht in Gefahr. Sollte zugleiten. Besser ist es jedoch, statt Ihnen diese Kurve Unannehmlich- Die Journalistin Louise Faure-Favier liest ihren Mitreisenden während des Fluges aus ihren Reisebüchern vor. Mikrophon und Lautsprecher gehören zur Ausrüstung. 10 11 gewiesen nach auszuwei- Sommer 1983 Chronik chen und untersagte ihm die Lan- Einsatz des Kurzstreckenjets 737.200. dung. Trotzdem setzte Génin ohne An Bord ist Platz für 110 Passagiere. Schwierigkeiten auf dem Kölner Flug- platz Butzweilerhof auf. Er wollte da- Sommer 1988 mit beweisen, dass mit den vorhande- Weltpremiere: Am 18. April 1988 fliegt nen Bodeneinrichtungen ein Blindflug zum ersten Mal der Airbus A 320 nach möglich ist. Berlin.

1933 November 1988 Am 30. August geht die „Air France“ Start der ersten von 100 wöchent- Die Pioniere: 1926 - 1939 aus der Fusion von fünf Gesell- lichen Flügen der neuen Fluggesell- schaften hervor. schaft „EuroBerlin France“ ab Berlin- Tegel nach Frankfurt, Köln, München 1926 - Berlin 1939 und . Am 26. Mai ist das erste französische Die Air France fliegt täglich von Paris Verkehrsflugzeug – eine einmotorige über Köln nach Berlin sowie von Paris Winter 1989-1990 Farman 170 des Typs Jabiru – in Ber- über Strassburg, München, Direktflüge in die großen französischen lin-Tempelhof gelandet. Der Pilot, nach Bukarest. Im September, mit Metropolen wie Nizza, , Lyon, Pierre Robin, benötigte von Paris-Le dem Ausbruch des Zweiten Welt- Bordeaux und . Noch mehr Bourget bis in die deutsche Haupt- kriegs, wird der Flugverkehr einge- Verbindungen ab Paris: Nach Berlin, stadt vierzehn Stunden. Am gleichen stellt. Düsseldorf, , Köln, Frankfurt, Tag flog in der Gegenrichtung eine Hamburg, Hannover, München, Nürn- dreimotorige der „Luft berg und Stuttgart. Hansa“ (damalige Schreibweise) unter Nach dem 2. Weltkrieg Flugkapitän Rodschinka von Berlin Mai 1992 So sieht der Künstler Albert Solon die Fluglinie von Paris über Saarbrücken und Frankfurt nach Berlin (1932). nach Paris. Umzug von München-Riem zum Flug- August 1947 hafen Franz-Josef-Strauss. Air France 1928 - Nürnberg - Dortmund - Ham- Eröffnung eines Flugdienstes zwischen landet dort als erste Fluggesellschaft burg - Saarbrücken - Frankfurt - Paris und Frankfurt mit einer Propeller- mit dem großen Airbus A 340. Leipzig maschine der DC 3. Die „Lignes Aériennes Farman“ (eine Sommer 1996 Vorgängergesellschaft der Air France) Oktober 1949 Ende der Flugplan- und Tarifvereinba- weitete ihre Linien nach Deutschland Einrichtung einer Zwischenstation in rungen zwischen Air France und Luft- und darüber hinaus zielstrebig aus: München-Riem auf der Strecke Paris - hansa. Paris - Nürnberg - Prag, Paris - Köln - Wien. Dortmund - Hamburg - Kopenhagen Sommerflugplan 2006 und Malmö, Paris - Saarbrücken - Januar 1950 Paris Eröffnung der Linie Paris -Leipzig. Die Frankfurt - Leipzig - Berlin. Le Bourget nach Frankfurt und Berlin- Fluggesellschaft „Regional“ fliegt zwei- Tempelhof wird ab Januar zweimal mal täglich im Auftrag von Air France 1929 wöchentlich mit der viermotorigen nach Paris. Die „Société Générale des Transports Languedoc angeflogen. Aériens“ (Fusionsgesellschaft der spä- Von den zehn wichtigsten deutschen teren Air France) richtete eine Flugver- Januar 1951 Flughäfen unterhält die französische bindung von Paris über Hamburg nach Berlin-Tempelhof wird die Einsatz- 54 tägliche Dienste nach Paris. Stockholm ein: Flugzeit 6 Stunden. zentrale aller Flüge der Air France in Jede Woche fliegt sie zwölfmal nach Deutschland. Von hier aus fliegt sie Lyon. 1930 - Nachtflug: Berlin - Paris nach Frankfurt, Nürnberg, München, Drei Flugzeugtypen der Air France: Douglas DC-4, Vickers Viscount und die Douglas DC-3. Dem französischen Piloten Gaston Düsseldorf und Hamburg. Génin und seinem Navigator Albert Aubert gelingt in der Nacht vom Januar 1960 30. April auf den 1. Mai der erste Erstflug des französischen Düsenflug- Nachtflug im internationalen Linien- zeuges Caravelle nach München. verkehr auf der Strecke Berlin - Paris. In Deutschland werden ausschließlich Das Flugzeug: Eine Farman „Goliath“. Jets eingesetzt: Die „Caravelle“ fliegt nach Frankfurt, Berlin, Düsseldorf, Blindflug: Paris - Köln Hamburg und München. Auf der Pol- Am 19. Dezember des gleichen Jah- route wird die Boeing 707 eingesetzt, res starteten Génin und sein Navigator von Paris über Hamburg, Anchorage Manne bei dichtem Nebel mit einer nach Tokio. dreimotorigen Farman 300 zu einem Flug von Paris nach Köln. Nach drei Juni 1968 Stunden erreichten sie Köln; auch hier Einsatz des dreistrahligen Düsenflug- war die Sicht gleich null. Der Flughafen zeugs Boeing 727, es kann 130 Pas- Erstflug des neuen Airbus A 320 am Köln-Butzweilerhof hatte ihn zuvor an- sagiere transportieren. 18. April 1988, Ankunft in Berlin-Tegel. 12 13 1952: Dramatischer Zwischenfall 1961: Die „Caravelle“ auf allen Air France Am 29. April startet die DC-4 von Strecken Frankfurt nach Berlin. An Bord befin- April: Alle Flüge nach Berlin-Tegel wer- in Berlin den sich elf Passagiere und fünf den mit der „Caravelle“ durchgeführt. Besatzungsmitglieder. Auf einmal grei- (zwei tägliche Dienste Paris - Frankfurt fen zwei sowjetische Jagdflugzeuge - Berlin und zweimal täglich Düssel- vom Typ JAK die Maschine an. dorf - Berlin und München - Berlin). Der Flugkapitän, Gilbert Schwallinger, 13. August: Der Bau der Mauer been- bringt seine Passagiere und die Be- det abrupt den Flüchtlingsstrom und satzung durch die Flucht in die Wolken zwingt den Senat den Flugreisever- in Sicherheit. Zwei Passagiere sind kehr finanziell zu unterstützen. Damit ernsthaft verletzt. Nach der Landung will er verhindern, dass die Anzahl der stellte man sieben Granateinschläge Flüge reduziert wird. Die Zeit der (20 mm) und annähernd hundert Propellerflugzeuge Schussspuren an der Treibstoffleitung 1969: Zusammenarbeit Air France – und an den Tragflächen fest. Von sow- British European Airways (BEA) 1926 jetischer Seite gab es keine offizielle Um das chronische Defizit der Berlin- Die „Lignes Aériennes Farman“, eine Erklärung. Strecken zu verringern, schließt Air der Gründerfirmen der Air France Die alliierten Fluggesellschaften trans- France eine Allianz mit der British (1933), eröffnet im Mai 1926, gemein- portieren zwischen 1950 und 1990 European Airways ab. Geflogen wird sam mit der Deutschen Luft Hansa die rund 138 Millionen Passagiere von mit der BAC 1 11 der BEA. Die Ma- Die Farman Goliath Jabiru wurde auch auf der Linie Paris - Berlin eingesetzt. Strecke Paris - Köln - Berlin. und nach Berlin ohne weitere ernst- schinen tragen die Logos beider Ge- hafte Zwischenfälle. sellschaften. Die deutschen Flugbe- 1931 gleiter werden von beiden Airlines ge- „Farman“ nimmt eine zweite Flug- 1953: Flüchtlingstransporte aus stellt. Die Stationsleitung zieht wieder Die drei Luftkorridore zwischen Westberlin und der Bundesrepublik. verbindung Paris - Berlin über Saar- Ostdeutschland nach Berlin-Tempelhof um. brücken, Frankfurt und Leipzig- Die westdeutschen Behörden stehen auf. Das ist die Gründung des „Cen- vor einem ernsten Problem: Der 1971: Erleichterung auf dem tral-Air-Express“ im Sommer 1931, Flüchtlingsstrom aus Ostdeutschland Landweg der den täglichen Flug über Köln übersteigt 800 Menschen pro Tag und Die Übereinkunft der vier Alliierten ergänzt. sprengt die Kapazitäten des Auffang- erleichtert den Transit auf dem Land- lagers in Marienfeld (ungefähr 300.000 wege zwischen West-Berlin und der 1933 - 1939: Paris - Köln - Berlin im Jahr 1953, dem Rekordjahr). Da Bundesrepublik Deutschland. Der Luft- Air France wird 1933 gegründet. Sie die Evakuierung auf dem Landwege verkehr, der bisher für zahlreiche Ber- fliegt täglich die Strecke Paris-Le unmöglich ist, wurde eine Vereinba- liner einzige Weg nach draußen, geht Bourget - Köln - Berlin, hauptsächlich rung mit den alliierten Fluggesellschaf- stark zurück, auch für Air France. mit der Farman F-103 „Etoile d’ar- ten getroffen. Sie bieten zu einem Vor- gent“. zugstarif alle Plätze an, die 24 Stun- 1972: Ende der Allianz den vor dem Abflug verfügbar sind. Air Mai: Air France beendet ihre Allianz 1939 France transportiert während mehrerer mit BEA und kehrt auf den Flughafen Mit Kriegsausbruch stellt Air France Jahre durchschnittlich 25 Flüchtlinge Tegel zurück. ihre Dienste nach Deutschland ein. pro Tag. 1960 werden von 140.000 in Marienfeld registrierten Flüchtlingen 1975: AF, BEA und Pan American 39.000 per Flugzeug in den Westen Airways (PAA) in Tegel 1950 Wiederaufnahme der geflogen. Mit der Errichtung der Ber- Flugdienste liner Mauer im August 1961 kommt 1976: Die Concorde in Berlin der Flüchtlingsstrom zum Erliegen und 17. Januar: Noch vor Aufnahme des Zurück in Berlin damit auch die Flüchtlingstransporte. regulären Liniendienstes nach Rio de Am 5. Januar 1950 beginnt Air France Janeiro, kommt die von einem deut- mit der Strecke Paris - Frankfurt -Ber- Das Zeitalter der schen Unternehmen gecharterte Con- lin, gefolgt von Paris - Nürnberg -Mün- Düsenflugzeuge corde nach Berlin Tegel. 60.000 Be- chen - Berlin. Geflogen wird zweimal sucher strömen zum Flughafen. wöchentlich mit einer viermotorigen 1960: Eröffnung des Flughafens 1977: Boeing 727.200 „Languedoc“. Tegel – Erste Flüge mit der „Cara- velle“ Air France fliegt zweimal täglich Paris - 1951: Zentrale Flugleitung Um die Reaktion der Sowjets kennen- Düsseldorf - Berlin mit Boeing 727.200 Januar: Berlin-Tempelhof wird zu einer zulernen, führte Air France einen Test- (154 Sitzplätze). Sie ersetzte die klei- eigenständigen, zentralen Flugleitung flug mit der „Caravelle“ zwischen nere Caravelle. Am 29. April 1952 beschiessen zwei sowjetische mit rund 60 Mitarbeitern ausgebaut. Frankfurt und Berlin durch. Die Sow- Jagdflugzeuge eine DC-4 der Air France. Mit 70 wöchentlichen Flugverbindun- jets genehmigten diesen Flug nicht, Zwei Passagiere werden ernsthaft verletzt. gen ist Berlin damit die bedeutendste aber sie sprachen sich auch nicht Niederlassung in Mitteleuropa. Alle dagegen aus. Flüge ab Berlin nach Nürnberg, Mün- 24. Februar: Offizieller Linienflug der chen, Düsseldorf und Frankfurt sind Caravelle zwischen Paris-Frankfurt nonstop. und Berlin. 14 15 1980: Der 5.000.000. Passagier Air France feiert den 30. Jahrestag ihres innerdeutschen Streckennetzes und gleichzeitig den 5.000.000 Pas- sagier auf den Strecken von und nach Berlin.

1984: Concorde und KaDeWe 1.Oktober: Zur Eröffnung einer franzö- sischen Woche chartert das Kaufhaus „KaDeWe“ eine Concorde aus Paris. An Bord befinden sich prominente Vertreter der französischen Gastro- nomie.

1987: „Arc 124°5“ Air France schenkt der Stadt Berlin die Air-France-Präsident Joseph Roos eröffnet die Agentur im Berliner Europa Center (Juni 1965). monumentale Skulptur „Arc 124°5“. Sie wurde vom Bürgermeister von Berlin, Diepgen und dem Präsidenten der Air France, Friedmann, in Anwe- senheit des deutschen Außenminis- ters Genscher und dem Premier- minister und Bürgermeister von Paris, Chirac, eingeweiht.

EuroBerlin Erster Flug der neuen deutsch-fran-

Über die Hintertreppe in die Caravelle. zösischen Fluggesellschaft „EuroBer- lin“. Sie gehört zu 51% Air France und zu 49% der Deutschen . Der Firmensitz befindet sich in Berlin- Tegel. Sie fliegt ab Berlin nach Frank- furt, Stuttgart, München, Nürnberg, Köln, Düsseldorf und Hamburg.

Im November 1983 wurde Ingeborg Cummings (Mitte) der 100 millionste Passagier 1989: Öffnung der Mauer auf den innerdeutschen Linien. Evelyne Planet, Air-France-Distriktleiterin (rechts), Der französische Premierminister und Bürgermeister von Paris, Jacques begrüßt sie bei der Ankunft. Chirac, übergibt dem Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen ein Kunst- 1990: Wiedervereinigung werk des Künstlers Bernar Venet. 3. Oktober: Deutschland ist wieder- Von links: Der Künstler, Außenminister Genscher, Chirac und seine Frau, Air-France-Präsident Jacques Friedman und Diepgen. vereinigt und der Luftverkehr nach Berlin normalisierte sich. Der Zugang ist für alle Fluggesellschaften offen.

2000 Oktober: Sechsmal täglich nach Paris.

16 17 von Airlines der Alliierten angeflogen ungewöhnlich. Die Fluggesellschaft „EuroBerlin“: werden. Die Wahl fiel auf Großbri- ging auch bei den Preisen neue Wege tannien, wo sie von der Fluggesell- und bot einen Superapex-Tarif und ein Eine schaft „Monarch“ moderne Flugzeuge Abonnement für Vielflieger an. Der Er- samt Piloten mieteten. Air France und folg war durchschlagend. Nach einem europäische Lufthansa einigten sich auf deren Jahr saß der 500 000. Fluggast in Kurzstreckenjet Boeing 737-300. Er einer Maschine von „EuroBerlin“, und Utopie? entsprach den neuesten Lärmnormen ein halbes Jahr später war die Million und hatte sich bereits im innerdeut- erreicht. Die Gesellschaft zeichnete 1988 – 1994 schen Verkehr bewährt. Im November sich trotz der Atmosphäre des Kalten 1988 nahm „EuroBerlin France“ den Krieges durch Risikofreude aus. Eine Flugdienst auf und war sofort rentabel fünfte Maschine wurde angeschafft. Le Monde, Mittwoch 22. Juni 1988: – in dieser Brache eine Ausnahme. Die Berliner Öffentlichkeit unterstützte „Air France und Lufthansa wollen ge- Die Abfertigung am Flughafen Tegel jede Initiative. Der gute Ruf von Air meinsam eine Fluggesellschaft grün- übernahm der „Berlin Lufthansa Air- France und Lufthansa übertrug sich den. Ein Projekt, das ‚Euro Berlin’ port Service“, eine zu diesem Zweck auf „EuroBerlin“. Die Zusammen- heißen soll. Das Kapital der Gesell- gegründete Tochtergesellschaft der setzung der Airline war europäisch: schaft wird zu 51% von Air France Lufthansa. Gewartet wurden die Ma- französisch, deutsch und britisch. Das gehalten und zu 49% von Lufthansa. schinen in Tegel von „Monarch“ und in hochmotivierte Personal war überwie- Die neue Fluggesellschaft wird die Westdeutschland von Lufthansa. Die gend deutsch. Verkehrsrechte der Air France von und Geschäftsbedingungen waren klar: nach Berlin nutzen, um Frankfurt, „EuroBerlin“ war ein französisches Dann veränderte sich die politische Köln, München und Stuttgart zu be- Unternehmen und damit dem franzö- Lage schlagartig: Nach der Öffnung dienen. Diese Firmengründung ist ein sischen Verkehrsministerium (DGAC) Boeing 737 in den Farben der französisch-deutschen Fluggesellschaft Euroberlin. der Berliner Mauer am 9. November äußerst geschickter und ausgeklügel- unterstellt. Die Betriebsvorschriften (Foto Lufthansa: Gerd Rebenich) 1989 und der Wiedervereinigung ter Schachzug im Hinblick auf den waren britisch. Die französisch-deut- Deutschlands am 3. Oktober 1990 großen europäischen Markt ab Januar sche Airline flog Frankfurt, Stuttgart, konnten Lufthansa und 14 weitere 1993…“ Köln und München an. Da „Euro- Fluggesellschaften nach Berlin fliegen. Berlin“ in West-Berlin kein Verkaufs- Air France und Lufthansa beschlos- büro eröffnen wollte, wurde sie von Air sen, dass „EuroBerlin“ von der Winter- Wie gründet man eine France vertreten. In der Bundesrepu- saison 1990/91 an die Strecken nach Fluggesellschaft? blik kümmerte sich die Lufthansa um München, Stuttgart und Frankfurt allein die Buchungen und welweit beide Erster Geburtstag der Euroberlin. Auf der Anzeige überreichen In nur sechs Monaten wurde die bediente. Mit dem letzten Flug 1994 ein Lufthansa-Flugbegleiter und eine Air-France-Stewardesse ihrer zusammen. Kollegin von Euroberlin Blumen. Fluggesellschaft „EuroBerlin France“ wurde die Zusammenarbeit der bei- aufgebaut. Ungewöhnlich war, dass den Fluggesellschaften beendet. die Air France weder Flugzeuge noch „EuroBerlin“ überraschte ihre Passa- Personal dafür hatte und der Partner giere mit einem Menu in der Ge- Lufthansa beides nicht stellen durfte. schäftsreiseklasse und kalten Mahl- Jean F. Signoret Die zwei mussten sich für den zeiten in der Economy-Class, unab- Sonderfall Berlin eine alliierte Lösung hängig von der Uhrzeit und der Dauer ausdenken; denn die Stadt durfte nur des Fluges. Das war im Berlinverkehr

Kuchen zum Geburtstag, präsentiert von vier Stewardessen der Euroberlin in ihren schicken Uniformen des französischen Couturiers Georges Rech am 8. November 1989. (Foto EuroBerlin: Musée Air France)

Berliner Morgenpost vom 27. Oktober 1994

„Mit acht bei “Monarch Airlines” in Großbritannien geleasten Boeing 737-300 flog Euroberlin nach kurzer Anlaufphase schon bald Gewinn ein.“

(Fotos: BM)

18 19 den Thüringer Wald. Unsere Route Paris-Orly. In Ergänzung zu diesem Eine Reise führte am knapp 1000 Meter hohen Flug bot die französische Airline jedes Schneekopf vorbei. Auf seinem Gipfel Jahr anlässlich der Leipziger Messe von Paris stand eine Herberge und eine Wetter- Sonderflüge an, darunter auch die station, deren Bulletins von der Funk- Concorde. Dieser Dienst wurde 1991 nach Leipzig station Leipzig DDL weitergeleitet wur- mit der Auflösung von einge- den. Es kam vor, dass der Schneekopf stellt. Von 1992 bis 1998 flog der meldete: Dichter Nebel auf der ge- „Nürnberger Flugdienst“ im Auftrag samten Strecke, Sicht Zero und ge- der Air France auf der Strecke Leipzig schlossene Wolkendecke. Dabei war - Paris. 2006 nahm Air France die der Himmel blau, man konnte gren- Strecke nach Leipzig wieder in ihren Die französische Fluggesellschaft zenlos weit sehen. Nur eine winzige Flugplan, zweimal pro Tag. „Lignes Aériennes Farman“ eröffnet Wolke befand sich über der Station. 1926, zusammen mit der Deutschen Dadurch konnten die armen Leute Luft Hansa, die Strecke Paris - Köln - nicht weiter sehen als bis zu Ihrer Berlin. Danach kam die Linie nach Nasenspitze. Dann tauchte Gotha auf, Leipzig-Halle dazu. Die Route führte in , Weimar, Jena und schließlich zweieinhalb Stunden von Paris-Le Leipzig. Bourget nach Saarbrücken, eine Letzter Abflug nach Berlin. Wir über- Stunde später landete die Maschine in flogen noch die Lutherstadt Witten- Frankfurt und zwei Stunden danach in berg mit seinem Schloss, und schon Leipzig-Halle. Von dort aus war die landeten wir in Tempelhof.“ Maschine dann eine Stunde später in Die Strecke wurde hauptsächlich mit Berlin-Tempelhof. der dreimotorigen Farman F 103 Der Funker Philippe Fournier be- „Etoile d’argent“ bedient. Das für acht schrieb 1931 eine Reise von Saar- Passagiere ausgelegte Flugzeug er- brücken nach Berlin über Leipzig: reichte eine Reisegeschwindigkeit von „Hinter Saarbrücken überflogen wir 190 km/h. Die Strecke wurde jeden ein Nudistencamp – hier öffneten wir Sommer beflogen, aber dann 1934 die Fenster. Dann kam das pfälzische eingestellt. Leipzig stand danach auf Gebirgsmassiv, der Rhein zeigte uns den Flugplänen der ein Jahr zuvor den Weg nach Mainz, und schon war gegründeten Air France. Frankfurt in Sicht. Von hier aus ging es Im Sommer 1986 flog Air France in Richtung Leipzig, wir überquerten Leipzig wieder an, gemeinsam mit ein Mittelgebirge, Fulda, ein einsames Interflug: Eine Iljuchin 62 verband täg- Benediktinerkloster und schließlich lich den Flughafen Schkeuditz mit

So sah im Herbst 1932 das europäische Liniennetz der Fluggesellschaft Farman aus.

Die Concorde kam im März 1986 zur Messe nach Leipzig. Das Flugzeug durfte mit einfacher Schallgeschwindigkeit über bewohntes Gebiet fliegen. Eine „Embraer 145“ auf dem Weg von Leipzig nach Paris im Sommerflugplan 2006.

20 21 Düsseldorf, Nürnberg, Frankfurt, Stutt- Nachfolger Otto Meyer übergeben. In Satelliten, gart, Köln, die jedoch mit Kurz- Hahn entstand ein zentrales Fracht- streckenflugzeugen angeflogen wur- terminal von 6 180 qm mit einer Um- Kühe und frische den, umfangreiche Frachtsendungen schlagskapazität von 60 000 Tonnen passten dort nicht hinein. So wurden pro Jahr. Die Zusammenarbeit der Rosen fliegen die Güter mit großen Lastwagen zum Fluggesellschaften im Passagiertrans- Drehkreuz Paris gefahren und dort auf port wurde erfolgreich auch in der durch die Luft große Maschinen verladen. 1974 Luftfracht, Sky team cargo, genannt, kaufte Air France den ersten Fracht- umgesetzt. jumbo Boeing 747 F und setzte ihn auf Heute fliegen in den Bäuchen der der Strecke Paris - New York ein: Fas- Fracht- und Passagierflugzeuge Millio- sungsvermögen 100 Tonnen. 75 Pro- nen Tonnen Güter aller Art. Das hätte Während der Berliner Luftbrücke 1948 zent der deutschen Fracht geht nun sich während der Berliner Luftbrücke - 1949 schienen Flugzeuge nur noch über Paris in alle Welt, die anderen 25 wohl niemand ausmalen können. für den Transport von Versorgungs- Prozent nach Frankreich. gütern da zu sein. Eine unübersehba- Tempo in der Luft ist jedoch noch Dieser Bericht wurde aus Unterlagen re Flotte von Propellermaschinen voll- lange nicht alles. Auch die Fracht- von Helmut Scherret zusammenge- gepackt mit Kohlen, Lebensmitteln, abfertigung am Boden musste schnel- stellt. Luftfracht ist eine unentbehrliche Einnahmequelle. In handliche Kisten verpackte Pakete für Paris werden in eine Farman-Maschine vom Typ F 160 verstaut. dem Nötigsten landeten auf den drei ler werden. In Frankfurt entwickelte Air Berliner Flughäfen. Die „fliegenden France ein computergestütztes Re- Güterwagen“ hatten am Ende der servierungs- und Abfertigungssystem. Blockade 2,3 Millionen Tonnen Ver- Elektronisch konnten nun die einzel- sorgungsgüter nach Westberlin ge- nen Sendungen auf die Lkws, Fracht- schafft. oder Passagiermaschinen in Paris Danach wurde das Flugzeug fast zugeteilt werden. Schwerpunkte im unmerklich wieder Reisevehikel für Frachternetz sind neben den USA, Passagiere, und spielte für den Post- Kanada, Südamerika, Asien und der und Frachttransport nur noch eine Mittlere Osten. Die Liste der mit den Nebenrolle. Die Fluggesellschaften Flugzeugen transportierten Güter ist mussten, schon aus Gründen der unendlich: Ein 24 Tonnen schwerer Rentabilität, alles unternehmen, ihre Kessel für eine Düngemittelfabrik in Maschinen mit mehr als Reisegepäck Indien, Hubschrauber, Autos, Com- zu füllen. Dafür baute die französische puter, Satelliten, aber auch Keramik- Fluggesellschaft eine eigene Abteilung figuren von Hummel, Textilien, Frisch- Humorvoll stellt Roland Hugon 1952 die Möglichkeiten der Luftfracht dar. in Paris und den anderen Ländern auf, gemüse, Schnittblumen, Milchkühe mit dem Ziel, Industrie und Handel für und frischgeschlüpfte Küken, Sport- den Gütertransport per Flugzeug zu schuhe und Skier. 1985 beförderte Air Der New York-Frachter, eine Super-Constellation, wird beladen. gewinnen. 1960 richtete sie eine France 23 000 Tonnen Güter aus Fassungsvermögen 14 Tonnen. (1960) Frachterlinie zwischen Paris, Frankfurt Deutschland. Das Frachtgeschäft hatte und Berlin ein. Die DC-4-Maschinen sich längst vom Zusatzverdienst zum konnten acht Tonnen Güter laden. Der „Goldesel“ entwickelt. Eigene Lager- Für Schwer- und Spezialtransporte ist die französische Airline bekannt. So beauftragte die Fa. Borsig Berlin die Gesellschaft, einen Abhitzekessel nach erste Frachtchef, Helmut Scherret, bot und Frachtabfertigungshallen werden Indien zu transportieren. Seine Ausmaße: 6 m Länge, 2,40 m Durchmesser, Gewicht 24 Tonnen. (1980) für eine Großsendung von 1000 kg gebaut, noch effizientere Elektronik einen Sondertarif von 40 Pfennig pro eingesetzt, im Verkauf sind Spediteure Kilo an. In Berlin waren das Unter- und Industrie Großkunden geworden. nehmen, wie Siemens, Borsig, BMW, Auch die Flughäfen haben in der Luft- Schering, die am internationalen Luft- fracht längst eine sprudelnde Ein- transport interessiert waren. Air France nahmequelle entdeckt. hatte auch ab Hamburg eine Linie Auf der Suche nach kostengünstigen über den Nordpol nach Japan einge- Lösungen wird ein neuer Flughafen richtet. In dieser Stadt hatten tradi- gesucht. Nach umfangreichen Studien tionsgemäß zahlreiche Importeure und zog Air France schließlich von Frank- Exporteure ihren Sitz, die nicht alle furt auf den ehemaligen Militärflug- Güter per Schiff, sondern auch mit dem hafen „Hahn“ im Hunsrück. Dort wer- schnelleren Flugzeug verschicken den die Frachtgüter aus den sieben wollten. Air France brachte aus Japan deutschen Flughäfen nach Zielorten die ersten Autoersatzteile von Honda geordnet und nach Maschinentypen nach Deutschland. auf Paletten oder Containern ver- Schnell wurde es notwendig, größere packt. Lkws brachten die Fracht- Flugzeuge wie die Boeing 707 einzu- stücke zur Drehscheibe des Pariser setzen, die 40 Tonnen Fracht auf ein- Flughafens. Ähnlich wurde in umge- mal in die USA bringen konnte. In kehrter Richtung mit Importgütern ver- Deutschland richtete die französische fahren. Airline neben den Passagierschaltern Inzwischen hat Frachtdirektor Helmut eigene Frachtbüros ein. In München, Scherret die Air-France-Fracht seinem 22 23 ment gezeigt. Das erste Betriebsjahr tronische Buchungssysteme einge- Eigenes war so erfolgreich, dass Air France ihre führt, zusammen mit führenden Spe- Frachtdirektoren in Warschau und ditionsunternehmen wurden an einer Frachtzentrum Prag anwies, einen regelmäßigen Lkw- Vereinheitlichung der Transportlogistik Dienst von und nach Hahn aufzuneh- gearbeitet. Das heißt: nach Maß men. Dadurch gewinnt der Umschlag- 1. Anwendung der ISO Norm 9001 platz noch mehr an internationaler Version 2000 an allen bedeutenden Bedeutung. Um Buchungsanfragen Betriebsstätten. der Spediteure mit den logistischen 2. Intensive Zusammenarbeit mit füh- Betriebsabläufen der Air France zu renden Speditionsunternehmen am koordinieren, werden Dokumentenab- Logistikprogramm Cargo 2000 fertigung und einen Kundendienst ein- (C2K). Für jedes Unternehmen gelten die gerichtet. 3. Einführung der elektronischen Bu- gleichen Regeln: Gesamtkosten sen- Nach drei Jahren sind die Kapazitäts- chung. Beteiligung der Air France ken, Einnahmen optimieren, Qualität grenzen der Frachtanlage erreicht. Im am Portal GF-X. verbessern. Die deutsche Frachtorga- Mai 2000 wird die vom Unternehmen Air-France-Cargo Deutschland/Öster- Im Oktober 1974 wird der erste Jumbo-Frachter Boeing-747 F in Dienst gestellt. Ein für die Fracht konzipierter Lkw mit versenkbaren Rollenbahnen bringt die Fracht nisation der Air France brauchte ein CARGO-Immobilien gebaute zweite reich hat als drittstärkste Delegation zu den Jumbo- und Combi-Frachtern nach Paris. (Foto: Fünf-Palettenzug der Fa. Haller Stuttgart) eigenes Frachtlager, das die Funktio- Frachthalle eingeweiht. An das Flug- des Unternehmens mit dem weltweit nen eines Sammel-, Transit- und Ver- vorfeld angeschlossen, können von zweitgrößten HUB (nach Paris) eine teilungszentrum (HUB) erfüllt. Nach hier aus direkt Flugzeuge be- und ent- besondere Vorreiter Rolle übernom- gründlichen Studien über den Stand- laden werden. Der Flughafen Frank- men. ort, die Logistik und den Personal- furt-Hahn hat auch hier wieder un- bedarf fiel die Wahl auf den ehemali- bürokratisch und kompetent gehan- Air France – KLM gen Militärflughafen Hahn, der allen delt. Das Jahr 2004 steht ganz unter dem Kriterien entspricht. Neue Herausforderungen Zeichen des Zusammenschlusses von Auch für den Hauptumschlagsplatz Air France und KLM. Am 6. Mai fan- Paris-Charles-de-Gaulle wurden posi- Parallel zur logistischen Entwicklung den gemeinsame Präsentationen vor tive Auswirkungen erwartet. Man der Air France, trifft sie 1999 zwei wei- Vertretern der Spediteure und der rechnete damit, dass sich die Anzahl tere Entscheidungen von großer Trag- Industrie statt. Von nun an arbeiten die der zwischen Deutschland und Paris weite: Die Verkaufsregionen Deutsch- Nummer zwei und die Nummer drei verkehrenden Lastwagen verringerte, land, Österreich und Luxemburg wer- auf dem deutschen Luftfrachtmarkt die verbliebenen aber besser ausge- den zusammengelegt. Air France und engstens zusammen. lastet würden. Gleichzeitig hoffte man, Delta Air Lines (DL) unterzeichnen Am 30. September 2004 verabschie- einen geringeren Arbeitsaufwand und einen Allianzvertrag. Air-France-Cargo det sich Frachtdirektor Otto Meyer in 1997 – zentrales Frachtterminal auf dem Flughafen Hahn 6180 qm Lagerhalle, 1800 qm Rampenfläche, Umschlagskapazität 60 000 Tonnen pro Jahr. eine Verbesserung der Transport- nahm nun als Verkaufsagent die kom- den Ruhestand. Nachfolger ist zum qualität zu erreichen. merziellen Interessen von DL wahr ersten Mal seit mehr als 50 Jahren in und wurde verantwortlich für die Deutschland ein Franzose, Christophe 1997 Terminaleröffnung Bodenabfertigung. Boucher. Zur Eröffnung des Frachtterminals im Qualität Juli 1997 kommen zahlreiche Gästen Otto Meyer aus der Landesregierung, aus der Neben der Rentabilität und der Industrie, aus dem Handel und dem Sicherheit gehört die Qualität zu den Speditionsgewerbe. Air France hatte erklärten Unternehmenszielen der Air mit diesem Schritt auch für die Region France. Es wurden Arbeitsprozesse Hunsrück wirtschaftliches Engage- standardisiert (ISO Zertifizierung), elek-

Innenansicht des zweiten Air-France- Frachtterminals am Flughafen Frankfurt-Hahn.

24 25 gäste wurden speziell von vier japani- dem schon bald mehr als 120 Unter- Hamburg-Paris schen Air-France-Mitarbeitern betreut. nehmen angehören. Danach brachte er französische Mode nach Hamburg. in weniger als Start ins Düsenzeitalter Als Präsident des Hamburger Mode- 1960 begann für Air France in Ham- clubs – von 1962 bis 1970 – veranstal- zwei Stunden burg eine neue Ära, das der Düsen- tete Schäfer-Surén zusammen mit den flugzeuge. Nach Paris wurde nun Häusern der Pariser Haute Couture, so täglich die französische Caravelle Christian Dior, Yves Saint-Laurent, Guy eingesetzt und nach Tokio flog man Laroche, Pierre Balmain jedes Jahr komfortabel mit Boeing 707. Die Rei- einen glanzvollen Modeball, der weit Ab 1950 ist die Air France sezeiten verkürzten (Daten wären noch über die Grenzen Hamburgs für Auf- wieder in Norddeutschland zu präzisieren) sich ständig. sehen sorgte. Auch das war ein Mittel, Aber nicht nur die Passagiere profitie- Vertreter des Handels, der Wirtschaft, Hamburg gehörte 1950 zu den ersten ren von diesen Neuerungen. Auch die der Reisebürobranche und der Spe- deutschen Städten, die die Air France Luftfrachtkunden erkannten den Vor- dition in angenehmer Atmosphäre nach dem Krieg wieder anflog. Die teil, Waren schneller und zuverlässiger Frankreich als Kulturnation bekannt zu Flugstrecke führte zunächst von Paris von und nach Japan zu transportieren. machen. nach Berlin und auf dem Rückweg Dies galt in besonderem Maße für die Paris und das übrige Frankreich stie- ging es über Hamburg wieder nach zahlreichen Schiffsersatzteilsendungen gen zu begehrten Reisezielen auf, wie Paris. Die Fluggesellschaft flog anfangs der Werftindustrie Norddeutschlands. die wachsenden Passagierzahlen zeig- mit der französischen „Languedoc“ (Was wurde noch geflogen und was ten. Ab 1966 flog die Caravelle täglich nach Hamburg. Nach einem Jahr kam kam aus Japan?) non-stop zwischen Hamburg und die zweimotorige 250 km/h schnelle Paris. Ab 1973 zweimal pro Tag. DC 3, die schon bald von der noch Die „Ära Schäfer-Surén“… 1973 ist aber auch das Ende des schnelleren viermotorigen DC 4 (350 Mit dem Einsatz der ersten Düsenflug- Polarfluges von Paris über Hamburg - km/h) abgelöst wurde. Auch der Flug- zeuge übernahm im Januar 1961 Anchorage nach Tokio. plan ändert sich in Paris - Düsseldorf - Geert Schäfer-Surén als erster deut- Die Mehrzahl der japanischen Unter- Hamburg und zurück. scher Direktor die Repräsentanz der nehmen hat ihren Sitz von Hamburg Drei Jahre später eröffnete die franzö- Air France für Norddeutschland. nach Düsseldorf verlegt. Ein Zwi- sische Fluggesellschaft ein Büro in Schäfer-Surén, 1914 in geboren, schenstop in Hamburg auf dem Weg Hannover. Das lohnte sich besonders erwarb 1933 auf der deutschen Ver- nach Tokio, zuletzt mit dem Jumbojet während der weltgrößten Industrie- kehrsfliegerschule alle Lizenzen für Boeing 747 war nicht mehr rentabel. Schneller von Hamburg nach Tokio. Zeitungsanzeige zur Eröffnung der Linie Hannover-Paris. (1986) Werbung der sechziger Jahre. messe, zu der jedes Jahr Hunderttau- Land- und Seeflugzeuge, sowie für Für seine Bemühungen um ein besse- sende von Besuchern anreisten. Eine Instrumenten- und Kunstflug. Während res Verständnis zwischen Deutschen Eine Boeing 707 beim Zwischenstopp auf dem Weg über den Pol nach Tokio. Gelegenheit für Air France, mit Sonder- des Zweiten Weltkriegs war er Pilot in und Franzosen wurde Schäfer-Surén flügen von Paris nach Hannover zu flie- der deutschen . 1975 vom französischen Generalkon- gen. 1950 bewarb er sich bei der Air France sul Henry Rollet der Orden des „Che- Aber auch in Hamburg blühte das Ge- in Berlin, nicht für einen Platz im Cock- valier de l’ordre national du mérite“ schäft. Ab 1954 kam die schnelle (500 pit, sondern zum Bodendienst. Seine verliehen. Im Juni 1979, nach fast km/h) viermotorige Vickers Viscount an guten Französischkenntnisse und zwanzig Jahren als Air-France-Direktor die Alster. Air France eröffnete eine seine 6000 Flugstunden sprachen für für Norddeutschland trat Geert Schä- größere Agentur mit riesigen Schau- ihn. Er sollte mit Deutschen und fer-Surén in den Ruhestand. fenstern, am zentral gelegenen Alster- Franzosen die Flugvorbereitung, das tor 21. Gegenüber hatte sich schon Be- und Entladen der Maschinen und Otto Meyer die holländische KLM eingerichtet, deren Abfertigung organisieren sowie später gesellten sich auch Lufthansa helfen, die Niederlassung der Air France und die japanische JAL dazu. auf- und auszubauen. Zwei Jahre später übertrug ihm die französische Hamburg – Sprungbrett nach Japan Fluggesellschaft die Leitung der Nie- Inzwischen hat die starke internationa- derlassung für Nordbayern in Nürn- le Position Hamburgs als Welthandels- berg. 1957 wurde er Leiter für die platz dazu geführt, dass immer mehr Verkehrsförderung in der Deutschland- japanische Firmen hier ihre Vertretun- direktion in Frankfurt. gen einrichteten. In Hamburg lebte die Die neue Aufgabe in der norddeut- stärkste japanische Kolonie in Deut- schen Niederlassung sollte auch der schland und entsprechend groß war Völkerverständigung dienen. Das eher die Nachfrage nach Flugdiensten in auf England ausgerichtete Hamburg den Fernen Osten. wollte er mit Frankreich bekannt Air France richtete ab 1959 Direktflüge machen. So gründete er 1965 mit von Paris - Hamburg - Anchorage nach Unterstützung des französischen Ge- Tokio ein. Geflogen wurde zweimal neralkonsuls und des französischen wöchentlich mit L 1649 Superstar Handelsrates für Norddeutschland den Liner. Air France war die erste und ein- Kreis „Amicale des Hommes d’Affai- zige Fluggesellschaft, die Hamburg mit res franco-allemands“, einen Kreis Tokio verband. Die fernöstlichen Flug- deutsch-französischer Geschäftsleute, 26 27 Sie waren auf geheimnisvolle Weise wir haben uns daran gehalten. Wir hat- Am Hamburger spurlos verschwunden. ten 400 Meter freie Sicht nach vorn Nach langem Suchen fanden die Kol- und genau so viel nach hinten, das Flughafen erlebt legen die Spur der Vermissten. Die macht zusammen 800 Meter.“ waren statt im Aquarium in der Air- France-Küche gelandet und anschlies- Sale boche send in der Ersten Klasse auf dem Flug nach New York serviert worden. Unter Es kommt vor, dass wegen schlechten den fünf Passagieren saß auch der Wetters in Hamburg und am Zielflug- bekannte Meeresforscher und Leiter Stationsleiter Lucien Rousseaux begleitet den hafen Paris-Charles-de-Gaulle, ein Flug Sänger Charles Aznavour zum Flugzeug. des Ozeanographischen Museums gestrichen wird. Ein aufgebrachter Nie im Aquarium von Monaco, Jacques-Yves Cousteau. französischer Passagier verlangte so- angekommen fort den Stationsleiter zu sprechen. Ich Waschküche kam und versuchte ihn zu beruhigen. Eines Tages erhielt ich am Hamburger Außer der Eisenbahn gäbe es keine Flughafen ein Telex, das mir die An- Seit drei Tagen stak der Hamburger Möglichkeit nach Paris zu kommen. kunft lebender Tiere an Bord unserer Flughafen in dichtem Nebel. Alle Flug- Daraufhin kommt er ganz nahe zu mir Nordpol-Maschine (Tokio - Anchorage- zeuge mussten auf andere Airports heran und schrie: „Monsieur, sie sind Hamburg - Paris) ankündigte. Ein zwei- ausweichen, nur die wollte nichts weiter als ein „sale boche“. Bei tes Telex präzisierte: Es sind vier King- nicht. Sie versuchte zu landen und mir geriet er mit dem Schimpfwort für Crabs. Diese Tiere können bis zu zwei schaffte es. Dann baten die beiden Deutsche an den Falschen. Ich blieb Meter groß werden, sind also nicht zu Piloten ungerührt um die Wettervorher- gelassen und lächelte ihn an. Verblüfft übersehen. Sie waren für das Ozeano- sage für den Weiterflug nach Amster- nahm er seinen Anrechtsschein (vou- graphische Museum in Monaco be- dam. Die Flugkontrolle machte ihnen cher) für die Eisenbahn und ver- stimmt. Die Krustentiere landeten klar, dass sie soeben bei einer Sicht schwand. Er konnte nicht wissen, dass wohlbehalten und flogen dann weiter von nur 400 Meter gelandet seien und er mich als Belgier so nicht beleidigen nach Paris. Doch dann kam plötzlich dass das erlaubte Minimum bei 800 konnte. ein Telex aus Paris mit der Frage: Habt Meter horizontal sei. Der Kapitän: „Wir ihr versehentlich die Tiere ausgeladen? wissen das mit den 800 Metern, und Lucien Rousseaux ✝

Sonderflug mit dem Jumbo von Paris zur Hannover Messe.

Reisende aus Hamburg können New York am selben Vormittag erreichen. Werbung von 1978.

28 29 bauer, der Piloten und der Flughäfen. Reisen wurde bequemer und sicherer. Dreimal so Im Winter musste der Pilot mit Allerdings wurde der große Zeitgewinn Schnee, Nebel, stürmischen Winden, durch die wachsende Verkehrsdichte schnell wie vor geringer Sicht und einem zeitweise teilweise wieder aufgehoben. rauen Kontinentalklima fertig werden. 80 Jahren Im Sommer war es etwas besser. Er Die Weiterentwicklung der Technik stieß auf Gewitter, die er umfliegen erlaubt es jedoch, dass die Flugzeuge konnte, als das Wettervorhersage- bei fast jeder Wetterlage landen kön- system immer besser wurde. nen. Mit dem Instrumentenlande- system lassen sich präzise Anflüge Vom Erstflug der Farman „Jabiru“ F und Landungen auch dann noch aus- Aus der Sicht der Piloten 170 im Jahre 1926 bis zum Airbus von führen, wenn die Sicht aus dem Cock- heute wurde diese Route immer pit drastisch eingeschränkt ist. Bei der Innerhalb von 80 Jahren ist die Flug- sicherer. Besonders revolutionär war Betriebsstufe der Cat IIIa darf der Pilot zeit von Berlin nach Paris immer kür- der Übergang vom Propellerflugzeug bei einer Minimalsicht von nur 200 zer geworden. Das liegt natürlich am zum Düsenflugzeug. 1950 transpor- Meter landen; bei Cat IIIb genügen 50 enormen Fortschritt im Flugzeugbau, tierte die viermotorige Douglas DC-4 Meter, und bei Cat IIIc sind automati- aber es gibt noch andere Gründe. etwas mehr als 60 Passagiere mit 350 sche Landungen ohne jede Außen- Die drei wichtigsten sind Sicherheit, km/h in 2000 m Höhe, in einer Kabine sicht möglich. Pünktlichkeit und Komfort. Die Ver- ohne Druckausgleich. In den sechzi- Jean-Pierre Ravet besserungen auf der legendären Linie ger Jahren bot die französische Cara- Paris - Berlin verdankt man besonders velle schon Platz für rund 80 Pas- in der Anfangsphase dem Mut und sagiere, sie flog in einer Höhe von der Kompetenz aller, der Flugzeug- 10 000 Meter mit 800 km/h. Das

Im Berliner Luftkorridor Wolfsburg, am Ende des Korridors, 1965 wurde die Frachtlinie Paris - war es möglich, auf die normale Flug- Frankfurt - Berlin eröffnet. Geflogen Fast alle Flugzeuge nach West-Berlin höhe von 10 000 Meter zu steigen. wurde mit „Breguet Deux ponts“. Air landeten nach dem Zweiten Weltkrieg Obwohl die Route gut hundert Kilome- France war damals schon im Flug- in Tempelhof. Britisch European Air- ter länger war als der Südkorridor, ge- hafen Tegel, entschied sich jedoch, für ways setzte die Vickers Viscount ein, wann man spürbar an Zeit und sparte die Frachtmaschinen weiterhin den Pan American die Douglas DC-6 und Treibstoff. Für den Rückflug nach Flughafen Tempelhof zu nutzen, da Air France die Douglas DC-4. Be- Berlin stiegen die Flugzeuge auf nor- sich die dortigen Mitarbeiter seit der kanntlich mussten sich alle Berlin an- male Flughöhe, um dann, etwa 100 Luftbrücke als unersetzliche Fracht- fliegenden Maschinen in den drei Luft- km vor Wolfsburg, auf die in den Korri- spezialisten erwiesen hatten. Der korridoren an die 1945 beschlossenen doren erlaubte Flughöhe zu sinken. Hauptteil der Ladung war für die Winterliche Morgenstimmung am Flugsteig des Berliner Zentralflughafens Tempelhof. Im Vordergrund wartet eine DC-4 der Air France auf die ersten Passagiere. Beschränkungen halten. Jede der drei Die Luftkorridore wurden vom ameri- Strecken Berlin - Frankfurt bestimmt. (Foto: Flughafengesellschaft Berlin) Verbindungsstrecken zwischen West- kanischen Militär überwacht. Wenn Nach Frankreich bestand die Fracht Berlin und der Bundesrepublik waren die Piloten bei Gewitter dringend um überwiegend aus elektronischen Arti- 37 Kilometer breit und 3000 Meter eine Erlaubnis zur Kursänderung keln der Berliner Industrie. hoch. Auch Düsenflugzeuge wie die nachsuchten, erhielten sie die Geneh- Caravelle, die dreimal so hoch fliegen migung manchmal sogar von den im François Rude können, mussten sich daran halten. Berliner Kontrollzentrum anwesenden So flog Air France auf dem Weg nach Russen. Sowjetische Jagdflugzeuge München nicht direkt nach Süden, tauchten von Zeit zu Zeit entlang des sondern über den halb so langen mitt- Korridors auf, um die Einhaltung der leren Korridor nach Westen. Über Routen zu kontrollieren.

Stewardessen nehmen Air France wollte in Deutschland nur Nach dieser intensiven Schulung Flugbegleiterinnen, Männer waren nicht übernahmen sie den Borddienst auf kein Trinkgeld gefragt. In Paris erhielten die jungen den innerdeutschen Strecken. „Von Vor 45 Jahren auf den innerdeutschen Frauen eine gründliche Ausbildung im Berlin aus flogen wir zweimal pro Tag Flugstrecken der Air France. Bereich Sicherheit an Bord, geübt nach Frankfurt oder München und zu- wurden alle Handgriffe für Notfälle. rück, begleiteten die Passagiere die In der „Frankfurter Allgemeinen Zei- Cockpit der Caravelle mit Flugkapitän Lionel Casse. (1958) Danach erst wandten sich die Aus- Treppe zum Flugzeug hinauf und am tung“ erschien eine ungewöhnliche bilder dem äußeren Erscheinungsbild Ziel wieder hinunter.“ Passagierbrük- Stellenanzeige: Air France suchte zwei zu. Die Stewardessen hatten immer ken waren noch nicht erfunden, eben- Dutzend Stewardessen, die „Hôtes- Ruhe auszustrahlen, vor allem wenn so wenig die Platzkarten, entspre-

Anflugkarte auf Westberlin mit den drei ses du réseau Allemagne" (HRA). das Flugzeug in Turbulenzen geriet. chend schnell ging es beim Einsteigen Luftkorridoren im August 1953. 30 31 zu. Alle liefen übers Vorfeld die Treppe hafen Tempelhof aus verreisen woll- Die kleine effiziente Truppe deutscher hoch, um sich die schönsten Plätze zu ten, statt von Tegel. Die Lösung des Flugbegleiterinnen hatte sich in weni- erobern. Das Durchschnittsalter der Problems: Sitzplätze auf den Maschi- gen Jahren einen ausgezeichneten Flugreisenden lag damals bei 50. nen der BEA, die von Tempelhof Ruf innerhalb der französischen Flug- „In den sechziger Jahren war das Flie- abflog, für Air-France-Passagiere re- gesellschaft erworben. Das lag neben gen noch ein aufregendes, neues Er- servieren und die Stewardessen an ihrer hohen Professionalität auch et- lebnis. Viele Passagiere konnten sich Bord der Briten arbeiten lassen. Inès was an dem leichten deutschen Ak- nicht vorstellen, dass man für die Mahl- Limper war von diesem Wechsel nicht zent, den die Franzosen überraschen- zeiten an Bord nichts bezahlen muss- sonderlich begeistert. „Ich habe mich derweise charmant fanden.“ 1974 te und wollten auf keinen Fall als nicht bei Air France beworben, um wurden die Deutschland-Stewardes- „Zechpreller“ von Bord gehen. Wir dann in diesem völlig anderen Am- sen ganz in die Air France integriert mussten viel erklären. Neulingen war biente zu arbeiten. Bei den Englän- und die innerdeutschen Flugdienste auch schwer klar zu machen, dass wir dern war alles hierarchisch aufgebaut, eingestellt. Auf den internationalen kein Trinkgeld annehmen durften. Un- weit weg von der warmen familiären Linien fand man sie wieder, so auch an einsichtigen entgegnete ich schließ- Atmosphäre bei den Franzosen.“ Bord des Überschallflugzeuges Con- lich, dass ich Bedienungsgeld erst ab Inzwischen kam das erste französi- corde. Einige haben geheiratet, das 1000 Mark aufwärts akzeptiere. Das sche Düsenflugzeug, die Caravelle, Heiratsverbot galt nicht mehr. kühlte ihre Spenderlaune endgültig ab. nach Deutschland. Die deutschen „Ich heiratete einen Air-France-Piloten Die deutschen Flugbegleiterinnen ar- Stewardessen waren selbstverständ- und heute fliegt unsere Tochter eben- beiteten anfangs ausschließlich auf lich für die Ansagen an Bord zustän- falls als Pilotin durch die Welt. Rück- dem innerdeutschen Streckennetz dig, die auf dieser Maschine zwischen blickend war das für mich eine aufre- zwischen Berlin, Frankfurt, München, Cockpit und der Ersten Klasse, neben gende, erfüllte Zeit.“ Hamburg, Hannover, Stuttgart, Nürn- der Küche gesprochen wurden. „Das berg und Düsseldorf. Ähnlich ging Air hatte den Vorteil, dass wir auch gleich- Inés Limper-Damon France in Berlin mit der British Euro- zeitig die zwölf Passagiere in der pean Airways (BEA) vor. Der französi- First betreuten. Hier saßen Vielflieger, schen Airline liefen die Passagiere da- die wir schon bald alle mit Namen von, die lieber vom stadtnahen Flug- kannten“.

Inés Limper-Damon, Stewardesseauf den inner- Spalier für einen besonderen Fluggast war natürlich die Ausnahme. deutschen Flügen der Air France in Sommeruniform Links neben der Treppe Inés Limper-Damon. und Autorin des Berichts „Stewardessen nehmen kein Trinkgeld“.

Cockpit eines Airbus A320, auf der ihre Tochter als Pilotin arbeitet.

Flugverbindungen zwischen Berlin und Paris von 1926 bis 2006

Jahr Flugzeug Passagiere Reisegeschwindigkeit Flugzeit km/h

1926 Farman Jabiru 8 190 6 Stunden

1936 Wibault 283T12 10 230 4:45 Stunden

1950 DC-4 64 350 4:30 Stunden

1960 Caravelle 89 800 3:30 Stunden

1983 Boeing 727/200 154 930 2:35 Stunden

1987 Airbus A 320 159 825 2:50 Stunden

2006 A 318 / A 320 110 à 159 825 1:45 Stunden

32 33 ten die Ankunftszeiten der Fluggäste Feierabend zu Air France und übten. Neubeginn mit vermerkt werden, dazu Anschluss- Die teure Ladenagentur wurde über- flüge und Rückreise. Alles möglichst in flüssig, übernahmen doch private Bleistift und Großbuchstaben oder Schönschrift. Reisebüros die neue Technik. Das war Natürlich landeten schon damals Flug- die Zeit, in der die Fluggesellschaften Radiergummi gäste auf der Warteliste. Sobald ein den Flugscheinverkauf und die Bu- Platz frei wurde, las ein Mitarbeiter chungszentrale in die oberen Stock- dem Passagier die wichtigsten Infor- werke verlegten. Zehn Jahre später mationen vor: Flugnummer, Abflugzeit, wurde wieder ein neues System zur wann er am Schalter sein musste und automatischen Ticketausstellung („Sy- wann ihn der Bus von der Air-France- tare“) eingeführt. Statt mit dem Flugzeug kommt Air France Durch Frankfurt weht ein diesmal mit dem Ballon nach Frankfurt zu einer Agentur zum Flughafen brachte. Ge- „Französischen Woche“. Hauch von Fernweh päck konnte schon in der Agentur auf- Kundendienst gegeben werden. Plätze in der Ersten Eine Ferienreise mit dem Flugzeug? Klasse waren Mangelware. Sie muss- Es war kurz vor Weihnachten. Einer Die meisten Deutschen konnten sich ten immer erst in Paris angefordert unserer besten Erste-Klasse-Passa- das vier Jahre nach dem Zweiten werden. giere, Direktor eines Chemie-Kon- Weltkrieg nicht vorstellen. Selbst die zerns, kaufte in Rio für seine Frau ein Fluggesellschaften glaubten nicht so Mitte der fünfziger Jahre erschien das Körbchen frische Erdbeeren. Es sollte recht an die Zukunft. Ein erster Ver- erste Buch auf Deutsch: „An den vier eine Weihnachtsüberraschung wer- such, im Jahre 1947 den Linienver- Enden der Welt“. Ein Bildband mit den. Im Flugzeug bat er eine Stewar- kehr zwischen Paris und Frankfurt Reiseinformationen über die von Air dess, das kostbare Körbchen im wieder aufzunehmen, wurde abge- France angeflogenen Länder. Das Bord-Kühlschrank zu deponieren. Im brochen. Beim zweiten Anlauf 1950 Buch war in den Reiseagenturen eine Winter 1959 gab es eben noch nicht flog die Air France zweimal pro Woche große Hilfe bei der Kundenberatung. alles Obst der Welt zu jeder Jahres- mit einem viermotorigen Propeller- Doch dann gab es massiven Protest zeit. In Dakar wechselte die Be- flugzeug von Paris über Frankfurt nach aus der im Westen nicht anerkannten satzung. Prompt wurden die Erdbee- Berlin. Wenige Tage vor der Linien- DDR. Auf der Landkarte waren alle ren von der neuen Crew unabsichtlich eröffnung wurde die neue Verbindung Grenzen eingezeichnet – mit Ausnah- auf dem Flug nach Paris zusammen Schnupper-Reise für Reisebüroleute auf die Französischen Antillen. (1971) bekannt gemacht; und an der Frank- me der innerdeutschen. mit anderem frischem Obst den First- furter Hauptwache entstand in einem Am meisten gefragt war die Strecke class-Passagieren gereicht. Es wäre teilweise zerstörten Haus ein proviso- Frankfurt - Berlin. Anfangs setzte Air untertrieben, nur von einer Reklama- risches Büro. Langsam wehte wieder France die Languedoc, dann die DC-4 tion zu sprechen, als der Mann in Paris ein Hauch von großer weiter Welt nach Tempelhof ein. Von 1960 an flog sein Eigentum abholen wollte. Die durch die Stadt. Einige Fluggesell- der erste französische Jet, die Cara- Kunde des Missgeschicks war schon schaften und Reisebüros ließen sich velle, nach Tegel. In nur sechs Jahren per Telex in Frankfurt, bevor unser nieder. Allerdings war Fliegen noch ging es jede Woche bis zu siebenmal Vielflieger auf Rhein-Main landete. Den lange etwas Elitäres. von Frankfurt nach Berlin. Und mit Air-France-Leuten gelang es, an Weih- dem Bau der Mauer musste die An- nachten frische Erdbeeren aufzutrei- Air France hatte keine Mühe, deutsche zahl der Berlinflüge verdoppelt werden. ben. Am 27. Dezember schließlich Mitarbeiter zu finden. 1952 zog sie in Wegen der großen Nachfrage wurde machte sich der Niederlassungs- das neue achtstöckige Hochhaus am mit etwa 40 Reisebüros aus der direktor trotz Eis und Schnee mit sei- Kaiserplatz um, gegenüber dem Region Frankfurt ein „daily-call“ verein- nem Auto auf den Weg nach Ludwigs- Frankfurter Hof. Hinter dem Flug- bart. Air France rief die Büros zwi- hafen und überbrachte die frischen scheinschalter begann der Motor der schen 16 und 17 Uhr an und sammel- Erdbeeren persönlich. Der VIP war Gesellschaft zu schnurren, die Reser- te die Buchungen ein. Die Passagier- wieder versöhnt. vierungsabteilung (Resa). Anfangs ge- Listen schickte man per Telex an das Mit der Eröffnung der Linie Paris- nügten zwei Mitarbeiter und einfachste Flughafenbüro. Wegen der Gewichts- Frankfurt - - Teheran kam Air Die Caravelle zum Kennenlernen. Reisebüroangestellte fliegen 1961 Mittel. An Stelle der heute allgegen- und Trimm-Kalkulation ging man bei France mit dem diplomatischen Kurier- nach Paris-Orly. wärtigen Rechner und Bildschirme Männern von einem Körpergewicht dienst der USA in Kontakt. Jede Wo- stand auf einem runden Tisch eine von 78 kg und bei Frauen von 68 kg che flogen zwei Kuriere von Frankfurt drehbare Trommel, gespickt mit Kar- aus. über Istanbul nach Teheran. Außerdem teikarten. Für jeden Flug wurde hand- Im September 1969 schaffte Air zwei Kuriere auf der Strecke Frankfurt schriftlich eine Passagierliste erstellt, France auf einen Schlag in der alten - Paris - Casablanca - Dakar - Conakry für die kommenden vier Wochen und Resa den Round-Table, Karteikarten, - Abidjan - Accra - Lomé -Cotonou - die nächsten zwei bis drei Monate. Die Bleistifte und Radiergummis ab. Alle Lagos - Douala - Brazzaville. Der ame- Mitarbeiter trugen darauf die Buchun- Mitarbeiter lernten jetzt den Umgang rikanische Military Air Transport Ser- gen ein, allerdings nur mit Bleistift. Das mit dem neuen Computer-System vice (MATS), der als größte Fluggesell- zweite Hilfsmittel war ein Radier- „Alpha 3“. Nach der SAS war Air schaft der Welt galt, bediente nur un- gummi, mit dem alte Reservierungen France die zweite Fluggesellschaft in regelmäßig Flughäfen in Afrika (außer gelöscht werden konnten. Frankfurt, die ein computergestütztes Casablanca), so dass auf Zivilfluglinien Die Daten der Passagiere (Name, Reservierungssystem einführte. Jetzt geflogen werden musste. Adresse etc.) wurden bei Anruf, noch mussten auch die Ansprechpartner in Viele amerikanische Soldaten zogen während des Telefonats, direkt in die Reisebüros und Reisestellen trainiert es vor, ihren Urlaub in den USA zu ver- Listen eingetragen. Desgleichen konn- werden. Sie kamen jede Woche nach bringen. Ein Akquisiteur war speziell 34 35 für die Amexco-Travel-Agencies auf France zusammen mit dem Dom- mehr. Hunderte Vorfeldarbeiter dräng- den amerikanischen Militärbasen zu- kapitular zu Köln, regelmäßig Charter- ten sich, in respektvoller Entfernung ständig. Die Nachfrage war groß und flüge nach Lourdes. Geflogen wurde um die Maschine. Die geladenen wurde noch größer, als das System mit der innerfranzösischen Fluggesell- Gäste wurden dann nach und nach „Fly now, pay later“ eingeführt worden schaft Air Inter. durch die Maschine geführt. Auf der war. Eine besondere Rolle spielte das Besucherterrasse drängten sich Tau- Überschallflugzeug Concorde. Mit der sende von Zuschauern. Das Echo in Wissenschaftler und Mitarbeiter der Eröffnung der Strecke nach Washing- den Medien war enorm. europäischen Weltraumorganisation ton wurde die Concorde auch für Der Autor traf einen Passagier, bei ESA und des Darmstädter Raumfahrt- deutsche Air-France-Flieger zur At- dem er nicht sicher war, wie er wohl zentrums ESOC reisten regelmäßig traktion und dann noch mehr, als die richtig angesprochen werden müsste: nach Paris und nach Cayenne, den Maschine 1977 in New York landen Philipp von Hessen. Auf seine Frage Zielflughafen des „Ariane“-Raketen- durfte. Zahlreiche First-class-Kunden antwortete der Fluggast: „Ach junger startplatzes Korou. So flog der verant- (auch von der Konkurrenz) waren be- Mann, sagen Sie einfach Königliche wortliche Professor des Instituts für reit, für den enormen Zeitgewinn (mit Hoheit zu mir.“ extraterrestrische Biologie der Univer- Transit in Paris) einen höheren Preis zu sität Frankfurt mit fünf seiner Stu- zahlen. Schon nach kurzer Zeit hatten Udo Zinsser, denten nach Cayenne. Mit an Bord wir Stammkunden. Gebietsleiter Verkauf war ein Behälter mit Blutegeln, die zu In den achtziger Jahren gab es Incen-

Die Caravelle wirbt für Frankfurt. Versuchszwecken in den Weltraum tive-Gruppen und Charterreisen. Der Der gelernte Buchhändler ging zuerst zu befördert werden sollten. Der Trans- Höhepunkt war der erste „Rund-um- Amexco und 1955 schließlich in die port nach Cayenne erforderte beson- die-Welt-Flug“ im Dezember 1986. Bei Reservierung zu Air France. Dann war er dere Aufmerksamkeit, da die Tiere nur einer späteren „Tour du Monde“ gab Akquisiteur und wurde schließlich Ver- bei einer konstant niedrigen Tempe- es sogar Wiederholer, die zur Bedin- kaufsleiter. Französisch hat er während ratur die Reise wohl überstanden. gung machten, mit demselben Reise- seiner Schulzeit und als Soldat in Frank- reich gelernt. Englisch während seiner Nicht einfach bei Transit und Zwi- leiter und derselben Crew zu fliegen. Kriegsgefangenschaft in South Carolina. schenlandungen in verschiedenen Ein großes Ereignis war die Concorde Klimazonen. Aus diesem Sonder- in Frankfurt am 24. April 1976: Mit- transport entwickelte sich eine gute arbeiter der Reisebüros und gute Zusammenarbeit zwischen Fracht- Kunden wurden ins Flughafenrestau- abteilung und Wissenschaftlern. rant eingeladen. Von dort aus hatte In den achtziger Jahren führte der man die beste Sicht auf das Vorfeld deutsche Lourdes-Verein Köln Bahn- und den Überschalljet. Die Concorde reisen nach Lourdes durch. Da viele rollte langsam auf das Restaurant zu Pilger ältere und gebrechliche Men- und blieb mit der Bugspitze zum Res- Die Agentur in der Frankfurter Kaiserstrasse preist Frankreich schen waren, wurde die Bahnreise zu taurant gerichtet stehen. Auf dem Vor- als Reiseland an. strapaziös. Deshalb organisierte Air feld bewegte sich plötzlich nichts

Wir waren kontaktfreudig, sahen technische Flugabfertigung zuständige Zwischen Abflug hübsch aus, waren höflich und zuvor- Team, OPS genannt, plus die Mecha- kommend und natürlich hochmoti- niker. und Ankunft viert. Nach einer zweiwöchigen Ein- Im alten Abfluggebäude ging es mit weisung vertraute uns Air France ihre den Jahren immer enger zu. Ständig Passagiere an. drängten neue Fluggesellschaften Es kam uns so vor, als träfe unser nach Frankfurt. Kein Wunder, dass um Berufseinstieg genau mit einem Reise- das Terminal Behelfsgebäude wie boom zusammen. Seit dem Einsatz Pilze aus dem Boden schossen. Von Hostess am Flughafen von schnellen Düsenmaschinen woll- ihrer Holzbaracke auf dem Vorfeld hat- Frankfurt ten immer mehr Leute fliegen. Die ten unsere OPS-Kollegen freie Sicht Ute Raffauf mit dem „Pillbox“ Fluggesellschaften suchten dringend auf Start und Landungen. Sie hatten genannten Uniformhütchen. Personal. Wir erlebten es bei der fran- direkten Kontakt zu den Piloten und Natürlich begann die Air-France- zösischen Caravelle, die fast jede informierten sie über die Zahl der Geschichte in Frankfurt nicht erst im Stunde von Frankfurt nach Berlin und Fluggäste, das Gewicht der Koffer, der März 1964. Die Fluggesellschaft flog zurück flog. Wir hatten alle Hände voll Post und der Fracht. Sie erstellten bereits seit 1950 von Paris nach zu tun. Ladepläne, errechneten den Ver- Frankfurt. Doch für mich und fünf Selbstverständlich waren wir Hostes- brauch an Treibstoff, holten aktuelle andere neue Hostessen ging an jenem sen nicht allein. Unsere Mannschaft be- Wetterdaten ein und errechneten das Märztag ein Traum in Erfüllung: Wir stand aus dem Stationsleiter (der im- genaue Startgewicht. durften für die französische Airline ar- mer mal wieder wechselte), dem Pas- Währenddessen wir Hostessen – in beiten. Zuvor hatten wir uns im Aus- sageleiter, unserem verehrten Willy unseren schicken Uniformen von land den gewandten Umgang im Eng- Platil, und einer Reihe von Verkaufs- Christian Dior – von Maschine zu lischen und Französischen erworben. fachkräften. Dazu kam das für die Maschine hasteten. Unser Verkaufs- Die Concorde dockt in Frankfurt an. 36 37 schalter lag neben dem der Lufthansa sollte theoretisch eine Umsteigezeit Der Herbst 1977 war ein neuer Wen- die erste Pilotin dabei. Etwas verlegen gleichzeitig mit dem Umzug gab es und der Panair do . Da es noch von nur 45 Minuten möglich machen. depunkt. Sabotageakte und Flug- fragte sie, ob wir ihr mit ein Paar Schu- neue Uniformen von George Rech. keine Computer gab, aus denen man Das Wunderwerk hatte so viele Kin- zeugentführungen zwangen die Be- hen passend zur Uniform aushelfen Der technische Fortschritt hielt uns sekundenschnell die Flugverbindun- derkrankheiten, dass wir zusätzliche hörden zu neuen Sicherheitsbestim- könnten. Vor lauter Aufregung hatte weiter auf Trab. So wurde ein Auto- gen oder Tarife abrufen konnte, war Mitarbeiter einstellen mussten. Die mungen. Jetzt wurden Passagiere und sie erst in Frankfurt bemerkt, dass sie matensystem installiert, bei dem Rei- schnelles Umblättern nötig. Wir schlu- waren nur damit beschäftigt, verloren Gepäck systematisch nach Waffen zwei linke Schuhe eingepackt hatte, sende ohne Gepäck selbst einchecken gen im Luftkursbuch „ABC“ nach und gegangene Koffer aufzuspüren. durchsucht. Fehlte beim Einsteigen einen braunen und einen schwarzen. konnten. Bald kam dann auch das in einem „How Much“ genannten Es wird wohl für immer rätselhaft blei- ein eingecheckter Passagier, wurden Durch das massive Polizeiaufgebot „elektronische Ticket“: Ein Flugschein, Tarifwälzer. Über allem regierte Pas- ben, warum ausgerechnet in dieser alle Koffer aus dem Flugzeug wieder rund um die Startbahn glaubten wir den es nur noch im Computer gab. sageleiter Platil mit grimmiger Miene Zeit des Umbruchs unter den Hostes- ausgeladen. Dann musste jeder Flug- uns in völliger Sicherheit. Noch mehr Für manche Passagiere war die billett- und goldenem Herzen. Hier war für sen ein Babyboom ausbrach. Kaum gast sein Gepäck persönlich identifi- Sicherheitskräfte kamen, als der Inter- lose Art zu reisen gewöhnungsbedürf- uns jetzt der Nabel der Welt, für uns war eine neue junge Dame ausgebil- zieren. Die Sicherheitsleute brachten city-Anschluss an den Flughafen fertig tig. Geändert haben sich aber manche und Passagiere, die Lieschen Müller det, war sie auch schon schwanger. den herrenlosen Koffer weg. Ergebnis: war. Jetzt war der Airport jederzeit von Fluggäste überhaupt nicht. So unser hießen oder eben Mohamed Ali, Daraufhin machte sich Air France auf Gewaltige Verspätung und verpasste der ganzen Bundesrepublik aus direkt Herr Bance, mit dem wir schon eine damals noch Cassius Clay, Paul Anka die Suche nach jungen Männern, bei Weiterflüge in Paris. erreichbar. Genau diese Zeit haben ganze Reihe nicht ganz einfacher oder Gilbert Bécaud. Hinter dem denen dieses Risiko nicht zu erwarten Bekanntlich ist der Fortschritt unauf- sich Luftpiraten ausgesucht, zwei Gepäckreklamationen durchexerziert Schalter lag ein kleiner Raum. Hier war. Es kam noch schlimmer. Jetzt haltsam. 1976 wurden wir „automati- unserer Flugzeuge zu entführen. Am hatten. Die letzte, der ich beiwohnen klapperte die Telexmaschine, wurden sorgten die Männer dafür, dass die siert“. Das Check-in von Hand war 7. März 1984 zwang ein Pirat die musste, endete damit, dass er einen die Abrechnungen gemacht, die richti- Uniformkleider unserer Hostessen vorbei, dank des neuen Systems Piloten der Paris-Maschine, mit 62 Wutanfall mit Entkleidungsnummer ge Atmosphäre, um nach dem Trubel schnell zu eng wurden. Blieb also nur „Gaetan“ sollte alles einfacher werden. Passagieren nach Genf zu fliegen. Erst hinlegte. Als die herbeigerufene Polizei der Abfertigung bei einem Kaffee zu noch der Gang zum Chef, um den Wir übten so lange, bis wir alles be- nach langen Verhandlungen gab der ihn abführte, war er bei seiner Rum- Kostüm und lange Hosen wurden bei Uniformen Standard. entspannen. Mutterschaftsurlaub zu beantragen. herrschten, und schließlich konnten Entführer auf. Einige Tage später pelstilzchen-Darbietung nur noch mit Hier eine Schöpfung von Georges Rech. Immer mehr Menschen verreisten. Um Zeit zu sparen, bekamen wir wir in einem Arbeitsgang Gepäck wie- wurde das zweite Flugzeug gekapert, Socken und einem Pullover bekleidet. 1966 meldete der Flughafen bereits Fahrräder. Mit ihnen schafften wir in gen, den dazu gehörenden Passagier diesmal nach Teheran gezwungen. Aber zur Ehrenrettung meiner Pas- fünf Millionen Fluggäste. Es musste Rekordzeit die langen Strecken zum einchecken, den Sitzplatz bestimmen Zum Glück ging auch diese Ent- sagiere sei hier ausdrücklich betont, ausgebaut werden. Die Abfertigung Abfluggate und wieder zurück zum und alles sicher im Computer spei- führung unblutig aus. Aber der Schock dass jener Herr in allen meinen Jahren der Berlin- und Inlandsflüge wurde in Schalter. Ein Hotel entstand direkt vor chern. Herrenlose Koffer konnten an- stak uns allen noch lange in den am Flughafen die absolute Ausnahme eine neue Halle verlegt. Aber auch das der Tür und ein Bahnhof unter der hand des Strichcodes dem Fluggast Knochen. blieb. blieb nur eine provisorische Lösung. Erde. Quasi passend zum neuen zugeordnet werden. Im Dezember 1984 starb ein ganz lie- Ein Jahr wollte ich seinerzeit bleiben, Im März 1972 zogen wir alle in den rie- Terminal bekamen wir ein neues Outfit. ber Kollege, „Papa Platil“. An seinem als ich 1964 als Hostess bei Air France sigen Komplex des neuen Terminals Eine dunkelblaue Uniform für den ersten Arbeitstag nach dem Urlaub antrat. Ein ganzes Arbeitsleben später, Koffer bekommt um. Das Gebäude war in drei Zonen Winter mit cremefarbenem Oberteil. verloren wir den „Pfeiler“ unserer 2004, ging ich in den Ruhestand. An Strichcode aufgeteilt. Teil A war Lufthansa vorbe- Für den Sommer war sie hellblau oder Flughafen-Mannschaft. meiner Stelle stehen nun wieder junge halten, in B waren die ausländischen lachsfarben. Unser rundes Hütchen, Im Juni 1985 holte uns der Terror wie- Frauen am Beginn einer Laufbahn, Airlines und C blieb den Charterflug- die Pillbox, bekam einen Schirm. Lange wähnten wir die Flughafenwelt der ein: Eine Detonation erschütterte deren Faszination durch kaum einen gesellschaften. Es gäbe viel zu erzählen: Von unsägli- in Ordnung. Doch dann gab das hes- das Gebäude. Unser Make-up-Spie- anderen Beruf übertroffen werden Alles war neu und zunächst unge- chen Diskussionen um die Berech- sische Verwaltungsgericht grünes gel flog von der Bürowand, Scheiben dürfte. wohnt. Kernstück des Terminals war nung von Übergepäck, besonders zur Licht für den Bau der Startbahn West. in der Halle B splitterten, eine Wolke eine elektronisch gesteuerte 38 Kilo- Weihnachtszeit. Oder wie unsere Hilfs- Das war für Umweltschützer das Sig- aus Zementstaub legte sich über alles, Ute Raffauf meter lange Gepäckförderanlage. Sie bereitschaft für behinderte Passagiere nal, ihrerseits zu bauen – Barrikaden. Menschen schrieen vor Schmerz und

Abfertigungsschalter im alten Terminal beinahe zum Haschisch-Schmuggel Pünktlich zum Baubeginn am 2. No- Entsetzen oder waren vor Angst ge- am Frankfurter Flughafen. ausgenutzt wurde. Oder von jenem vember 1981 strömten nicht nur Start- lähmt, wie eine Lehrerin mit ihrer Tag des Jahres 1976, als das bahngegner, sondern auch Hundert- Klasse, Sirenen heulten, Polizisten und schnellste Passagierflugzeit der Welt, schaften von Polizei aus mehreren Sanitäter rannten durcheinander. Wie die Concorde, das erste und einzige Bundesländern zum Airport. Die Fahrt wir unsere Passagiere in diesem Elektronik zieht in die Abfertigungsschalter. Mal in Frankfurt landete. Und auch von zur und von der Arbeit war jedes Mal Chaos doch noch zum Flugzeug Die ersten Bordkarten werden automatisch ausgedruckt. herzbewegenden Momenten, die wir voller nicht ungefährlicher Über- brachten, weiß ich nicht mehr. Die mit Waisenkindern aus Vietnam erleb- raschungen. Uns empfahl man, die Hälfte unserer Leute mussten wir nach ten. Sie wurden in Saigon in ein Flug- Uniformen erst am Flughafen anzuzie- Hause schicken, so standen sie unter zeug gesetzt und stiegen in Paris um hen. Wer wollte schon Zielscheibe für Schock. Während der folgenden Tage nach Frankfurt. Hier sollten sie bei Demonstranten abgeben? erfuhren wir, dass die Bombe in einem Adoptiveltern ein neues Zuhause fin- Inzwischen haben sich die Flugzeuge Abfalleimer versteckt war. Drei Men- den. Unterwegs hatten sie mehrmals weiterentwickelt. Obwohl wir mit der schen starben, 52 wurden zum Teil die Betreuer wechseln müssen: Klei- Deutschen Lufthansa in scharfem schwer verletzt. ne, verängstigte Wesen, die sich an Wettbewerb standen, schloss das die Arbeits- und ereignisreiche Jahre uns klammerten und nicht noch ein Zusammenarbeit bei der Pilotenaus- schlossen sich an, bis uns 1994 wie- weiteres Mal weitergereicht werden bildung nicht aus. Statt kostspielige der ein Umzug bevorstand. Diesmal wollten, an fremde Eltern. Sie ließen Simulatoren anzuschaffen, schickte ging es „back to the roots“, nämlich an uns mit verheulten Augen zurück. Air France ihre Flugzeugführer lieber den Standort, wo wir einst anfingen. Irgendwann wurden wir wieder neu zur Konkurrenz in die Trainingshalle. Das alte Flughafengebäude war abge- eingekleidet. Diesmal kam die Uniform Das galt für die Flugzeugmuster rissen und durch das supermoderne von Rodier. Kleider mit AF-Aufdrucken Boeing 737, Boeing 747 und Airbus Terminal 2 ersetzt. Air France hatte in zwei Farben. Revolutionär: Zum A310. Fast fünfhundert Air-France- sich dort eine strategische Schalter- ersten Mal durften wir lange Hosen Piloten nahmen an 29 Ausbildungs- reihe gesichert, zwischen Parkhaus tragen. kursen teil. Und eines Tages war dann und dem Pendelzug „Sky-line. Fast 38 39 Doch kommen wir zum diplomati- mindestens eine bis zwei Mistère 20, Als Köln-Bonn schen Teil unseres Flughafens zur Zeit eine Nord 262, eine Mystère 50, eine vor der Wiedervereinigung. Auf großen Caravelle. Diese Flüge müssen auch noch ein Flughäfen landen mindestens 40 Flug- alle vom Air-France-Personal abgefer- gesellschaften, das heißt, dass die ein- tigt werden, und sie treffen in der Regel Diplomaten- und ausreisenden Diplomaten sich gleichzeitig mit einem Linienflug oder auch auf diese 40 Fluggesellschaften während der Nacht ein. Flughafen war verteilen. Nicht so in Köln: Der gesam- Wenn der Präsident persönlich kam, te Diplomatenverkehr lief über vier wurde es richtig spannend: Solange Transportunternehmer: Lufthansa, Bri- die französische Luftwaffe noch über tish Airways, Swissair und Air France. keinen eigenen Airbus A 310 verfügte, Als das gemütliche Bonn noch Bun- In der Praxis sah das so aus, dass in war eine Caravelle natürlich nicht das deshauptstadt war, glaubten viele, der jedem Flugzeug ein Minister, Staats- geeignete Transportmittel, also wurde dazugehörige Flughafen müsse eben- sekretär, Unterstaatssekretär und eine etwas größere Maschine bei Air falls beschaulich sein. Eigentlich liegt Nachgeordnete saßen, alle sind wich- France gechartert, etwa eine B 727 der aber fast im Schatten des Kölner tig. Im Normalfall erfolgt das Aus- oder oder A 300. Ich erinnere mich an den Doms und bekam aus optischen Einsteigen über die Fluggastbrücke, Fall, als die ersten Mobiltelefone auf- Gründen das Bonn angeklebt, Flug- wie bei gewöhnlichen Passagieren tauchten: riesige Geräte mit großer hafen Köln-Bonn. Hunderte Staats- auch, aber eventuell vor den normalen Außenantenne und kleiner Reichweite. gäste stiegen hier aus, ständig war der Bürgern, oder aber hinter diesen (falls Ein französischer Organisator verlang- Airport in den Medien zu sehen. Auch nicht jeder sehen darf, wer sich an te, dass ihm in Köln ein hier brauchba- außerhalb des politischen Reisever- Bord befindet), oder aber der Aus- res Gerät übergeben werde, damit er kehrs war Köln der Ausweichflughafen, nahmefall: Fluggastbrücke weg, Aus- ständig mit seiner zuständigen Dienst- wenn das Wetter in Frankfurt oder steigen über die gesondert herange- stelle, der Botschaft, der Polizei und Bei schönstem Wetter kommt die DC-3 der Air France am Flughafen Düsseldorf an. Damals ging man noch zu Fuß zum Flugzeug, Düsseldorf eine Landung nicht mehr führte Fluggasttreppe, roter Teppich, der Station in Verbindung stehen Fahrgastbrücken gab es noch nicht. möglich war. Vielleicht liegt es in der Musik und Sonderfahrt mit Polizei- konnte. Der erzürnte Mann kam nie Natur der Dinge, dass eine kleine eskorte und Fahrzeugkolonne. Das allein. In der Frühzeit des Handys gab Mannschaft Unvorhersehbares meis- muss natürlich vorher abgesprochen es ein solches Gerät nirgendwo zu tern muss. Davon möchte ich ein werden. Und wieder sind alle wichtig: mieten. Als ich dem Herrn das erklärt wenig berichten. Die Flughafengesellschaft, der Bun- hatte, kam prompt die Antwort: „Wenn In Köln halfen uns andere Fluggesell- desgrenzschutz, die örtliche Polizei, ich ein Mobiltelefon verlange, will ich es Schönheitskönigin der zu Ende gehenden Ära der Propellerflugzeuge: Die Lockheed Constellation Super Starliner. schaften oder Dienstleister, Fluggäste, die Polizei der Stadt Bonn, und nicht auch haben – Sie werden noch von mir Gepäck samt Flugzeuge zu betreuen. zu vergessen, der Protokollchef des hören.“ Ein bis zwei Pressattachés be- Das eigene Personal bestand aus mir, Auswärtigen Amtes, und der Botschaf- gleiteten ihn. An Bord der Frühmaschi- als Stationsleiter und ein zwei Kolle- ter der betroffenen Nation. ne lag immer ein Extrapaket französi- gen. Es kam ständig vor, dass auf die- Trotzdem grenzte es immer wieder an scher Zeitungen, die wurden dann so- ser kleinen Station täglich bis zu vier ein Wunder, wie all die Flugzeuge fort nach Bonn gebracht, damit der Flüge im planmäßigen Verkehr durch- innerhalb der vorgesehenen Bodenzeit Präsident oder Minister oder Staats- liefen, zusätzliche Flüge im Umlei- pünktlich abfliegen konnten. Das war sekretär möglichst druckfeuchte Pari- tungs-, Charter- oder Sonderverkehr, der „Normalfall“. Nun wird es kompli- ser Presse vorfand. doch dazu später. Der Stationsleiter zierter: Wie jeder weiß, verstehen sich Logistisch waren solche Sonderflüge musste die Gabe der Allgegenwart be- Franzosen und Deutsche recht gut, einfach abzuwickeln. Bei einem Staats- sitzen. Seine Anwesenheit war für arbeiten in vielen Dingen eng zusam- empfang wurde das Flugzeug auf dem jeden Flug von Air France, Air Charter, men und beraten sich gern untereinan- Vorfeld etwas abseits vom Fluggast- Regierungsflug oder ähnlichem uner- der. Wenn sich Staatspräsidenten gebäude abgestellt, die Fluggasttrep- lässlich. durch die Luft bewegen, reisen sie in pe herangefahren, der rote Teppich Gefordert war größte Vielseitigkeit. Ich der Regel nicht in einem Linienflug- ausgerollt, das Musikkorps der Bun- hatte Flugscheine auszustellen, Passa- zeug, sondern sie benutzen eine deswehr spielte die Nationalhymne. giere zu beraten, telefonisch Auskunft Regierungsmaschine. Für Minister ge- Dann Begrüßung durch den Protokoll- zu geben, Reservierungen und Um- nügt eigentlich ein Flugzeug, das der chef des Auswärtigen Amtes und den buchungen vorzunehmen. Nach jeder jeweiligen nationalen Fluggesellschaft Bundeskanzler (oder entsprechenden Landung rief die Flugzeugbesatzung gehört und innen ein wenig umdeko- Minister). Dann fuhr die Eskorte nach nach dem Stationsleiter oder dessen riert wird: Salon für den Chef, Trenn- Bonn. Eines guten Tages dachte man Vertreter. Oft mussten ganz einfach wand, dahinter der Tross, Trennwand, bei der Bundeswehr und der Flug- Sprachprobleme gelöst werden, so dahinter das Volk, sprich Presse usw. hafenverwaltung, dass sich Staatsemp- wenn die einen unzureichend Englisch Diese Sonderflüge – und es gab sie fänge auf dem militärischen Teil des sprachen oder das Personal der abfer- häufig – bedürfen wiederum der sorg- Flughafens ganz gut machen würden. tigenden Gesellschaft kein Französisch fältigen Vorbereitung. Etwa eine Der liegt nun etwa zwei Kilometer von verstand. Er hatte gerade zu stehen, Woche vor dem Ereignis, ob Arbeits- Empfangsgebäude entfernt, erreichbar wenn auf dem Essenstablett die Gabel besuch oder Staatsempfang, liegt der nur über das Vorfeld, einen Rollweg auf der falschen Seite lag, das Crois- ungefähre Flugplan vor, und es reist und die Flughafenrandstrasse. Jetzt sant ist „aber nicht französisch“, die zunächst einmal ein Vorauskommando hing es an mir ohne Dienstfahrzeug Konservenmilch auch nicht, oder ein an, was in Frankreich normalerweise oder Fahrrad mir Zutritt zum militäri- Fluggast auf dem Nachbarsitz im von der Luftwaffe mit Sonderflügen schen Bereich zu verschaffen. Dafür Flugzeug sein Gebiss vergessen hat. vorgenommen wird, es landen also war ein besonderer Ausweis erforder- 40 41 Roter Teppich für den dem Flugplan im Reisebüro nichts zu ser gleich nach Hause nach Straßburg. Zu jener Zeit bestand unser regulärer französischen Präsidenten François Mitterrand. tun hat. In ihm wird die Flugroute eines Anruf des Kapitäns über die Funk- Verkehr von und nach Berlin aus Ankunft zum Staatsbesuch bestimmten Fluges genau beschrie- frequenz der Lufthansa mit der Bitte durchgehenden Flügen aus Paris, mit auf dem Flughafen Köln-Bonn. ben, in ihm sind aufgeführt: Flugzeug- um Intervention. Ich sauste los. Zum Stop in Köln-Bonn. Bei der Zwischen- typ, die Registriernummer, die Stärke Glück stand die Maschine auf dem landung in Köln fand die Passkontrolle der Flugzeugbesatzung und die Anzahl zivilen Vorfeld. Die Ministerin war der einreisenden Passagiere statt, und der voraussichtlichen Fluggäste sowie bereits an Bord und stritt sich mit dem Zusteiger hatten wir natürlich auch. die vorgesehene Abflugzeit, die Ge- Piloten, der nicht bereit war, ihren Als erste gingen beim Weiterflug schwindigkeit und die Flughöhe usw. Anweisungen zu folgen. Er versuchte natürlich die Transitreisenden an Bord. Der Flugplan wird von der ausgehen- ihr zu erklären, was ein Flugplan und Nicht so allerdings, wenn eine wichti- den Station erstellt, zur Flugsicherung ein Slot ist. An Bord basteln wir einen ge Persönlichkeit nach Berlin reisen gebracht, dort überprüft und regis- Flugplan. Damit lief ich zurück zur wollte, und das war öfters der regie- triert, in Rechner eingegeben, und Flugsicherung, die diesen auch akzep- rende Bürgermeister. Der wurde nun dient später zur Überwachung eines tiert, und dann erfolgt die Arie mit dem von Sicherheitsbeamten an den übri- jeden Fluges. Ich beschreibe hier die Slot nach Strassburg. Die Rhein- gen Fluggästen vorbeigeschleust und Situation, wie sie vor Beginn des Com- schiene ist an einem Samstagnach- ging als erster an Bord. Obwohl im puter-Zeitalters war, also teilweise mittag total überlastet, da zu den nor- Besitz einer Bordkarte für die Eco- auch noch zur Abwicklung unserer malen Flügen eine Menge Charterflüge nomy-Klasse, und diese war auch Flüge mit Staatsgästen. Dieser Flug- von Skandinavien in Richtung Mittel- nur vom Senat bezahlt worden, setzte plan muss spätestens 30 Minuten vor meer unterwegs sind. „Madame la er sich ganz selbstverständlich in der Startzeit abgegeben sein, und jede Ministre“ startete an diesem Tag mit die erste Klasse. Nun kam es regel- Fluggesellschaft hat allergrößtes In- zwei Stunden Verspätung. mäßig vor, dass alle zwölf Sitze von teresse daran, dieses möglichst noch Ein besonderes Kapitel stellte der Transitgästen aus Paris belegt waren. früher zu erledigen, denn 30 Minuten Berlin-Verkehr dar. Zu jener Zeit gab es Von der Kabinenbesatzung zu Hilfe vor Abflug stehen meistens die Flug- ja noch die Mauer, und an eine Wieder- gerufen, musste ich den Bürgermeister gäste am Schalter. Hinzu kommt die vereinigung hat niemand gedacht. Wir aus seiner Zeitungslektüre reißen und Sache mit den Slots, Zeit- bzw. Luft- als alliierte Gesellschaft waren beson- ihn in den hinteren Teil der Maschine raum, der zur Abwicklung eines Flug- ders gefragt, die Bundesregierung for- verweisen. lich, der spätestens drei Tage vor dem Damals war eine Direktübertragung zeuges notwendig ist. Nachdem der derte in regelmäßigen Abständen Son- Eine besondere Behandlung erwartete großen Ereignis beantragt und dann nach Frankreich noch nicht möglich. Himmel über Europa immer voller derflüge nach Berlin an, zusammen mit ein bayrischer Ministerpräsident auf am Vortag des Geschehens bei der Die Filme flogen an Bord einer wurde und auch die Flughäfen an ihre Briten und Amerikanern waren wir die dem Weg nach Paris. Von drei kräfti- Bundeswehr persönlich abgeholt wer- Sondermaschine nach Paris zurück. Kapazitätsgrenzen gelangt waren, einzigen, die die Luftkorridore nach gen Bodyguards abgeschirmt stürzte den musste. Mit dem eigenen Wagen Nach der Landung der Präsidenten- wurde es höchste Zeit, die meisten Berlin befliegen konnten. er sich in den Warteraum, wobei die fuhr ich zuerst um den Flughafen maschine kam eine zweite mit den Flüge durch Slots zeitlich zu koordinie- Sicherheitsleute sich auffallend frei- herum, durch den Stadtteil Porz-Wahn übrigen Delegationsteilnehmern, Minis- ren. Hierzu war wiederum eine geson- willig der Kontrolle stellten und ihre Auf der Suche zum Fliegerhorst. Dort hielt einen dann ter und hohe Mitarbeiter. Nach einer derte Meldung (für jeden Flug) an eine Waffen zwecks getrennter Unter- nach Schweinshaxen die Wache an, denn ohne Genehmi- knappen Stunde war der Zauber dann Koordinationsstelle in Frankfurt zu sen- bringung im Laderaum ablieferten. gung kommt man natürlich nicht auf vorbei: Der Staatsbesuch im Konvoi den, die vom Personal der Lufthansa Der Ministerpräsident wurde nicht das militärische und abgesperrte Ge- nach Bonn, die Besatzungen der besetzt war. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem kontrolliert. Laut einer Anweisung des lände. Nach einem Anruf bei einem Flugzeuge auf dem Weg zum Hotel. Ich Für Flugreisen von Staatsgästen galten unsere Boeing 727 früh am Vormittag Innenministeriums durften gewisse Vorgesetzten und einer Wegbeschrei- musste noch die schriftliche Aufbe- die gleichen Regeln, sie hatten jedoch als Überführungsflug aus Paris eintraf, Persönlichkeiten unkontrolliert an Bord. bung gelangte ich schließlich ins reitung des Tages erledigen. Vorrang vor Linienflügen. Flugpläne betankt wurde und fertig für den Abflug Ich wurde misstrauisch und fragte Passierscheinbüro. Die Vorbereitungen für die Rückreise und Slots besorgte die französische war. Kurz vor Eintreffen der Delegation nach, und tatsächlich: dieser Fluggast Am Morgen des Staatsbesuches stand begannen rund zwei Stunden vor dem Luftwaffe. Allerdings haben französi- wollte unser Kapitän das Flugzeug von trug eine geladene Pistole im Halfter. uns weder ein Dienstfahrzeug noch ein Start: Überprüfung bei der Flug- sche Stellen und Militärs eine etwas außen inspizieren. Starr vor Schreck Ich unterrichtete den Kapitän davon, Funkgerät zur Verfügung. Glücklicher- sicherung, Übermittlung der Flugpläne, andere Einstellung zu Flugplänen. So entdeckte er auf der rechten Rumpf- bevor der Passagier einstieg. Der Pilot weise erklärt sich der Abfertigungs- Einholung der Wettermeldungen und kam es nicht selten vor, dass ein erfor- seite seines schönen weißen Flug- lehnte jede Ausnahme strickt ab. So partner bereit, einen Angestellten samt der Notice to airman „NOTAM”, derlicher Flugplan überhaupt nicht vor- zeuges einen blauen Strich, der sich habe ich an diesem Tag Herr Strauß Fahrzeug mit Zulassung für den militä- Kontrolle bei der LSG, ob die Speisen lag oder die Flugsicherung beim ersten bis hinter die Tragfläche zog. Die entwaffnet, auch wenn er zunächst, rischen Teil vorübergehend auszulei- entsprechend den Anweisungen vor- Funkkontakt seitens der Besatzung die Toilette war etwas leck geworden. Mit heftig polternd, protestierte. hen. Andernfalls hätte ich mit dem bereitet waren, das heißt besondere AF-Station mit der Bitte um Inter- so einem Flugzeug konnte man natür- Die Begleitgruppen bei französischen Lastwagen der „Lufthansa Service Gerichte, auf 1. Klasse-Geschirr von Air vention oder Korrektur anrief. Das geht lich keinen Staatsgast transportieren – Staatsbesuchen wurden meistens in GmbH“ (LSG) mitfahren müssen. Die France, Cognac einer bestimmten aber im Normalfall nicht, da die Air der Flugzeugrumpf musste gereinigt Flügen von Air France befördert, in war für die Ent- und Beladung zustän- Marke und ob der Lufthansa-Mecha- France weder Geschwindigkeit noch werden. Wer macht das, die Technik einigen Fällen auch von Chartergesell- dig. Befreundete Kollegen eines ande- niker am Platz war, um die Maschine Flughöhe oder Reiseroute kennen darf, der Lufthansa, oder die Flughafen- schaften wie „Euralair“, oder der ren Unternehmens überließen mir zwei vorab zu überprüfen. Dann ging alles militärische Geheimsache. Also ist eine gesellschaft, die den Toilettenservice „EAS“, in den Farben von „Air Charter Handsprechfunkgeräte, so konnte ich wahnsinnig schnell: Ankunft von Absprache mit dem Kapitän notwen- durchführt? Dann wurde das Tor zum Internartional“. Auf einem dieser ACI- in Kontakt mit dem Air-France-Schalter Presse, Präsident und/oder Delegation, dig, und das Flugzeug steht auf dem Flughafengelände geöffnet, der Konvoi Flügen traf ich dann zu meiner Über- bleiben. Einsteigen und ab. Nach zehn Minuten Vorfeld, fernab vom Gebäude. rollte an und die Passagiere kletterten raschung einen Piloten wieder, der Zunächst landet, etwa 15 Minuten vor war wieder alles vorbei. Das ist alles zu managen, solange nie- in die Maschine. Es war ausgeschlos- vorher für die Groupe de liaison airien dem eigentlichen Staatsgast, ein Jetzt wird es Zeit, ein wenig über den mand aus der Reihe tanzt. Ich erinnere sen, jetzt noch die Maschine zu wie- ministeriel, der französischen Flugbe- Vorauskommando – meistens eine Flugplan zu reden, und über den „Slot“, mich an einen Massenabflug an einem nern, auch die Sicherheitsleute protes- reitschaft, eine DA 20 befehligte. Nach Caravelle – mit den Pressefotografen französisch „Créneau“. Hinter den Ku- Samstagnachmittag. Eine Ministerin tieren heftig. Also musste der Kapitän seiner aktiven Militärzeit saß er nun und Fernsehleuten, die Landung und lissen des Airport wird nach einem be- stellte fest, dass sie eigentlich gar nicht zähneknirschend mit einer schmutzi- auf dem Co-Piloten-Sitz in der Boeing Ankunft der Delegation aufnahmen. sonderen Flugplan gearbeitet, der mit mehr nach Paris muss, sondern bes- gen Maschine abfliegen. 737. Wir kannten uns mittlerweile 42 43 recht gut, und weil der Rückflug erst für Ein weiterer Flug mit der „Euralair“. schlossen, von der Besatzung keine Unsere Fluggäste waren nicht beson- den übernächsten Tag vorgesehen Abflug gleich am nächsten Morgen, die Spur, von Fluggästen auch nicht. Alle ders glücklich darüber, dass der Zu- war, erhob sich die Frage: Was machen Crew wieder im Maritim. Kaffee für den irgendwo auf der Autobahn. Dann kam gang zum Flughafen so sehr erschwert wir heute abend? Die Übernachtung nächsten Morgen sollte es an Bord die Besatzung, mit den gleichen roten und die Autobahn teilweise gesperrt der Besatzung wurde in solchen Fällen geben, die Kekse sollte der Flieger aus Ohren. Der Chefsteward rief verzweifelt war. Es waren nicht wenige, die so von der Bundesregierung geregelt, und Paris mitbringen. Man ging davon aus, nach heißem Wasser für den Kaffee. In ihren Flug verpassten und ihren Unmut die Crew wohnte im Hotel Maritim in dass die Presse bereits gefrühstückt der Bordküche war Wasserkochen am Air-France-Schalter kund taten. Königswinter. So trafen wir uns am hat. Über Nacht ist es kalt geworden, nicht vorgesehen, lediglich schon späten Abend im Hotel, und die Be- und es hat geschneit. Schon die Fahrt heißes Wasser kann mit Bordmitteln Manfred Räder satzung wünschte sich das, was die zum Flughafen ließ mich nichts Gutes warm gehalten werden. Anfrage bei meisten französischen Besatzungen in ahnen – zur vorgesehenen Abflugszeit der Bundeswehr: Habt Ihr heißes Deutschland erwarten: Schweinshaxe. stand ich im Stau auf der Autobahn. Wasser? Antwort: „Nein, wir haben kei- Nun ist Schweinshaxe nicht eben das Normalerweise nahm ich den Waldweg nen Catering-Betrieb.“ Sehr kooperativ rheinländische Nationalgericht. Wir über die sogenannte „Panzerstrasse“, waren die Kameraden eigentlich nie. machten uns also auf die Suche nach vorbei an den belgischen Kasernen. Aber ein schlauer Lader hat eine Idee: der süddeutschen Köstlichkeit. Am Der Weg über die Autobahn, zehn Es gibt ja eine Kantine. Also stürzte ich anderen Ende der Königswinterer Alt- Kilometer weiter, erschien mir sicherer. mit dem Steward eilends in die Kan- stadt, fanden wir tatsächlich ein Res- Mit hochroten Ohren kam ich am tinenküche und wir füllten zwei Ge- taurant, wo wir zumindest deftig essen Fliegerhorst an. Gott sei Dank, die tränkebehälter mit kochendem Wasser. konnten. Türen der Maschine waren noch ge- Am modernen Köln-Bonn-Airport gehen die Lichter Knapp vor der Reisegruppe waren wir später aus als auf anderen Flughäfen. wieder zurück an Bord. Eine ganz andere Situation herrschte auf Köln-Bonn, wenn der amerikanis- che Präsident zu Besuch kam. Dann herrschte Ausnahmezustand – der Flughafen war schon zwei Tage vorher fest in amerikanischer Hand. Überall standen die Herren mit den breiten Rücken und dem Knopf im Ohr ganz unauffällig herum, und die deutsche Polizei durfte im besten Fall den Verkehr zwischen Autobahn und Flughafen regeln, auch das Vorfeld war praktisch für Normalsterbliche tabu. Warum ich das erwähne, obwohl wir nicht unmittelbar betroffen waren?

44 45 arbeit mit Luft Hansa (damalige France richtete eine Frachtverbindung Durch Schreibweise) von Vorteil. In Nürnberg ein. Mitte der siebziger Jahre zieht es kümmerte sich die deutsche Flug- viele Deutsche ans warme Mittelmeer. Süddeutschland gesellschaft um die französische. Von Darauf hin baute Air France ihr Flug- hier aus konnten die Passagiere um- angebot aus nach Nizza, und in die in den Osten steigen nach Stuttgart oder München. Tropen auf die französischen Antillen. Es kam regelmäßig vor, dass die Flug- Die Pilger nach Lourdes wollten nicht gäste neue Flugzeugmuster kennen mehr per Bus oder Eisenbahn zu die- lernten, zwar alles Propellermaschinen sem Wallfahrtsort reisen, sondern mit mit ein, zwei oder drei Motoren, aber dem Flugzeug. Die Pilgerflüge gingen Nächtliche Abreise auf dem Nürnberger Flughafen. Die dreimotorige Wibault 283 der Air France hatte mit ständig besseren Leistungen und ab Nürnberg und München. Platz für zehn Passagiere und erreichte eine Reise- größerem Komfort. So flog Air France Dank einer Zusammenarbeit mit dem geschwindigkeit von 230 km/h. Die ersten Passagiere aus Paris flogen mit der „Dewoitine 338“ täglich von Nürnberger Flugdienst wurde Lyon 1923 nach Süddeutschland. Die fran- Paris nach München in knapp vier angeflogen. Die Stadt war für Ge- zösische „Compagnie Franco-Rou- Stunden, ohne Zwischenaufenthalt in schäftsleute und Skifahrer gleicher- maine“ landete auf dem Flugplatz Nürnberg. Die französische Flug- maßen gefragt. Inzwischen riefen Fürth. Ziel der Fluggesellschaft war gesellschaft nahm ihre Flugdienste immer mehr Geschäftsreisende nach Paris mit den Hauptstädten Ost- nach Deutschland, kriegsbedingt, Flügen, die es ihnen erlaubten, bei- europas zu verbinden: Prag, Buda- wieder ab 1947 auf. Nach München spielsweise morgens nach Paris zu pest, Belgrad, Bukarest und später kam sie im Herbst 1949. Von da aus fliegen und abends wieder zuhause zu Istanbul. Damals schafften die Flug- flog sie weiter nach Wien. München sein. Darauf hin gestaltete Air France

Auf dem Stadtflughafen München-Riem geht man zeuge Etappen, die rund 500 Kilo- war auch Zwischenstation, für die ihre Flugpläne ab München und noch zu Fuß über das Vorfeld zum Flugzeug. Hier meter auseinander lagen, und man legendäre „Super Constellation“, von Stuttgart entsprechend. Das Strek- eine Douglas DC-4 der französischen Fluggesell- flog nur am Tag. Typische Zwischen- da aus ging es nach Damaskus und kennetz in Süddeutschland sah Flüge schaft. landungsplätze waren Straßburg und Teheran. 1951 eröffnete Air France im nach Paris wie folgt vor: Fünfmal pro Fürth, später Nürnberg. Wer geschäft- Stadtzentrum von München ihre Woche ab Nürnberg, sechsmal ab lich oder privat die großen Städte Agentur am Odeonsplatz. Einige Jahre Stuttgart, neunmal München sowie je Osteuropas besuchen wollte, musste später flog die Airline von Paris nach drei Flüge nach Nizza und Lyon. einige Zwischenlandungen in Kauf Stuttgart, Nürnberg und Berlin. nehmen. Die dauerten allerdings in der 1959 begann das Zeitalter der Düsen- Michel Juhel Regel nicht länger als zehn Minuten. flugzeuge. Der französische Jet, die Für einen Flug Paris - Istanbul musste „Caravelle“, kam nach München und man 13 Stunden rechnen, die sechs flog weiter nach Wien. Auch für den bis sieben Stopps eingeschlossen. Gütertransport per Flugzeug war die Schon damals war die Zusammen- bayerische Hauptstadt attraktiv. Air

Passagiere drängen sich über die Hintertreppe in die Caravelle. Die Aufnahme entstand am Stuttgarter Flughafen. „Benutzen Sie die Luftpost !“ (1925) 46 47 Konkurrent war Hapag-Lloyd. Der da- meiner großen Freude hatten sich Geschäfts- malige Direktor „aircharter internatio- unsere Umsätze rasch vervielfacht. nal“, Rodolphe Franz, schaffte es Einige Reisebüro-Chefs so wie der reisende sogar, eine Boeing 737 in Lourdes zu Air-France-Direktor Jumez beglück- stationieren. Mit dieser wurden dann wünschten mich zu diesem Erfolg. aufspüren Pilgerflüge von Irland und Deutschland Das schöne dabei war, dass die lATA- durchgeführt. Abrechnungen der örtlichen Reise- büros praktisch die gesamten Um- sätze widerspiegelten, die die dortigen Kunden gebracht hatten. Kundenfischen am Bodensee

Das französische Düsenflugzeug Caravelle wird Es lohnte sich, die Wirtschaftsseiten (1962-1972) bei seiner ersten Landung in Stuttgart trotz der Zeitungen zu studieren. Hier erfuhr Michael Adami kühlen Wetters von einer kleinen Delegation begrüßt. Rechts der Air-France-Direktor Louis man in den 60er und 70er Jahren, wo Als Akquisiteur in München war ich Aguettant. Großprojekte in der Welt geplant sind auch für das Bodenseegebiet zustän- wie neue See- und Flughäfen, Indus- dig. Für den württembergischen und trieanlagen. Deutsche Consulting En- badischen Raum, von gineers sowie Planungs- und Bau- bis . Ich stellte schnell fest, firmen bewarben sich. Kurz danach dass unser Umsatz in den dortigen reisten viele Verantwortliche in alle Reisebüros schwach ausfiel. Dabei Welt. Zahlreiche Langstrecken-Ziele, steckte das gesamte Gebiet voller wie Robertsfield in Liberia, Dakar, Möglichkeiten für Geschäftsreisen. Kairo, Südostasien und Mittelamerika Firmen wie „ZF“ Zahnradfabrik Fried- wurden äußerst attraktiv. Dann verreis- richshafen, Maybach (Schiffsmotoren) Die Concorde auf Besuch in Nürnberg. ten die Bauleiter, Facharbeiter, ganze und später MTU, Dornier und Dornier- Montageteams. Obwohl die heimische System, Perkin + Eimer Überlingen, Fluggesellschaft von den staatlichen Telefunken Konstanz, Byk Gulden Institutionen begünstigt wurde, konn- Konstanz (Pharma), um nur einige zu ten wir hier zum Zuge kommen, zumal nennen. Diese Unternehmen waren wenn Lufthansa das Reiseziel gar weltweit aktiv und kauften ihre Reisen nicht oder noch nicht bediente. fast ausschließlich bei den örtlichen Kongressreisen waren ebenfalls ge- Reisebüros. Diese Geschäftsreisen fragt, beispielsweise für eine Ärzte- wurden hauptsächlich mit der Swissair tagung in Tokio. Die Firmen begannen und über den nahen Züricher Flug- Incentive-Reisen zur Verkaufsförderung hafen abgewickelt. Swissair war für zu buchen, keineswegs nur auf Geschäftsreisende immer erste Wahl, Zum Sondertarif von 568 Mark kann man abends von München ans Mittelmeer nach Nizza fliegen. Mittelstrecken, Fernreisen bis Japan sowohl für Europa-Strecken als auch waren sehr beliebt. Deutsche Sym- für Langstreckenflüge. Als alterna- phonie-Orchester flogen mit ihren tives Drehkreuz dazu bot sich jedoch Instrumenten nicht nur Linie, sondern Paris an. Nach sorgfältiger Analyse

1984 landete zum ersten Mal eine Boeing 737 der Air France auf dem Flughafen Stuttgart. mieteten ganze Maschinen. Messen der Flugpläne und der Anschluss- Das Empfangskomitee stellte sich trotz niedrigen Temperaturen den Fotografen. und Ausstellungen brachten viele verbindungen hatte Air France sehr Passagiere weltweit auf unsere Flug- gute Karten. In jenen Jahren gab es zeuge. Filmproduktionen wie die Ba- ab Friedrichshafen noch keine regulä- varia Filmgesellschaft München reisten ren Flüge: Swissair und Air France flo- immer häufiger zu exotischen Orten, in gen von Zürich nach Paris-Orly mit den Indischen Ozean. guten Anschlüssen an unser Fern- Sonderreisen buchten Taucher, Hoch- streckennetz. Wir boten bei weitem see-Segler und Fischer. Andere zog es die meisten Fernziele an. in die Berge: Alpinisten-, Trekking- Auch im Europa-Verkehr konnte Air Touren für kleinere Gruppen in den France zum Zuge kommen. Lufthansa Himalaja, unser großer Konkurrent war war am Bodensee nicht der größte hier Air India. Beliebt waren und Anbieter. Selbst für LH-Fans war der Mexiko. Unser Partner in München Reiseweg vom Bodensee nach war der Alpenverein, Hauser Excursio- Zürich, Flug nach Frankfurt, dort Um- nen. Gefragt waren ebenfalls Studien- steigen auf den eigentlichen LH-Flug, reisen nach Mittelamerika, Südameri- nicht immer ideal, auch tariflich nicht. ka, Nahost, Laos/Kambodscha, Ja- Folglich war Paris die beste Alternative pan und China. zu Zürich (oder AF zu SR). Mit dieser Das „Bayerisches Pilgerbüro“ veran- Botschaft, die mit Beispielen unter- staltete Reisen nach Lourdes. So bau- mauert war, begann ich die Boden- ten wir mit diesem Büro eine Charter- see-Firmen intensiv zu besuchen. Die kette Nürnberg - München - Lourdes Reisebüros hatte ich nach und nach und zurück mit der Air France-Tochter schon auf unsere Seite gebracht. „aircharter international“ auf. Unser Meine Bemühungen hatten Erfolg. Zu 48 49 Auch deutsche Reisende, die in Straß- französischen Markt musste sich Air Air Inter mit burg oder Mulhouse einstiegen, nutz- Inter verpflichten, auch Strecken zu ten das Angebot von Air Inter. Der befliegen, die kommerziell gesehen Trikolore-Tarif Zustrom war so groß, dass die Swissair unrentabel waren, etwa von Paris ihre Flüge von -Mulhouse nach nach Limoges, Metz und Rennes. So Paris einstellte. kam es, dass ein Flug nach Limoges Eine eiserne Regel des Dienstes am mehr kostete als ins entferntere Mar- Kunden bestand darin, alle Anrufer seille mit einem viel höheren Passa- besonders zuvorkommend zu behan- gieraufkommen. Im Ausland war die Mit „Frankreich ist unsere Welt“ deln. Jeder Angestellte hatte sich als Airline lediglich in Großbritannien, wirbt Air Inter in Deutschland. erstes für den Anruf zu bedanken, Spanien, Portugal und Italien direkt In Deutschland war die innerfranzösi- dann ging er auf die Anfrage ein. Flug- vertreten. Darüber hinaus besuchten sche Fluggesellschaft Air Inter für ihre bestätigungen erfolgten sofort, ob bei Air-Inter-Verkäufer die Reiseveranstal- günstigen Tarife bekannt. Dank ihrer einer Einzelbuchung oder der Reser- ter in aller Welt. So war unser Autor Monopolstellung in Frankreich konnte vierung für eine Gruppe. lange Jahre für den nordamerikani- sie sich gezielt auf die Reisegewohn- schen und europäischen Markt zu- heiten der Passagiere einstellen. Zur Entsprachen die Wünsche der Passa- ständig. Nach der Fusion schickte ihn besseren Unterscheidung hatte sie giere nicht der üblichen Verfahrens- Air France als neuen Niederlassungs- ihre Flüge in die Farben der Landes- weise, so wurde das intern geregelt. direktor nach Frankfurt. fahne eingeteilt. Der rote Flug war Air Inter flog 32 Städte an und beför- besonders für Geschäftsreisende ge- derte bis zu 17 Millionen Passagiere Jean-Pierre Pascal dacht: früh morgens hin und gegen im Jahr, das waren mehr, als Air Ende des Arbeitstages zurück. Der France auf ihrem Weltstreckennetz Tarif war entsprechend hoch. Flug- beförderte. Die Zuwachsraten lagen gäste, die später fliegen und früher zwanzig Jahre lang im zweistelligen zurück wollten, zahlten deutlich weni- Bereich. Vor neun Jahren, 1997, fusio- ger bei der Farbe Weiß. Noch günsti- nierte Air Inter mit Air France. ger waren blaue Flüge etwa für Gegründet wurde die Gesellschaft Gruppenreisende, Senioren, Kinder, 1954. Die französische Eisenbahn Jugendliche und Familien. Hinzu SNCF, Air France und Banken waren kamen regelmäßig Pilgerflüge nach Teilhaber der Aktiengesellschaft. We- Lourdes. gen der Monopolstellung auf dem

Durchschnittlich startet die innerfranzösische Fluggesellschaft Air Inter alle vier Minuten. Hier mit einem Airbus A 320.

50 51 Mit diesen Charterketten konnten die Hierzu veranstalteten wir Informations- Der Minister Reiseunternehmen, entsprechend ihrer reisen für Reisebüroangestellte. Die im Zielgebiet eingekauften Hotel- meist dreitägigen Reisen bei zwei spendet Kontingente, Blockbuchungen vor- Übernachtungen genossen in der nehmen. Einzelbuchungen von Privat- Reisebranche einen hervorragenden Lederkoffer personen waren nicht zulässig. Die Ruf. Sie brachten eine erheblich bes- günstigeren Preise für den Charterflug sere Auslastung der Maschinen. wurden durch dichtere Bestuhlung Zu dieser Zeit flog ich das erste Mal Wiedergeburt und höhere Auslastung möglich. auf die Inseln des Indischen Ozeans: der Reiseindustrie – Charterfluggesellschaften boten eine Mauritius, La Réunion, Madagaskar. Ferienziele schmackhaft Einheitsklasse, während im Linien- Es war der offizielle Eröffnungsflug dienst mit Erster und Touristenklasse einer Boeing 707, und ich begleitete machen geflogen wurde. eine internationale Reisegruppe: Leute Dies war die Situation, als ich die aus Fernost, dem Mittleren Osten und Über die Werbung werden deutsche Touristik-Abteilung bei Air France auf- Europa. Darunter auch der Reise- Urlauber auf den „Zauber der Karibik“ baute. Uns wurde schnell klar, dass veranstalter „Marco Polo“. Mit ihm hingewiesen. Mein erster Beruf bei Air France war wir mit „Special Events“ anfangen erarbeiteten wir das Programm „Die Handlungsreisender in Frankfurt. Eini- mussten. Für den Versuch, in den eher Inseln im Indischen Ozean“. Von da an ge Jahre später bat mich die Flug- mageren deutschen Flugtouristik- beförderte Air France mit schöner gesellschaft, eine Touristikabteilung Markt mit Liniendiensten einzusteigen, Regelmäßigkeit kleinere Reisegruppen aufzubauen. brauchte man mehr Zeit. Dank guter dorthin. Hauptergebnis der Reise war Beginnen wir mit einem kurzen Rück- Kontakte zu dem Spezialveranstalter allerdings der Einstieg in das gerade blick auf die Entwicklung des Touris- für medizinische Studienreisen, der beginnende Mauritius-Bade- und mus nach 1945 in Deutschland: Da- „DER“, gelang es noch im ersten Jahr, Sportreisengeschäft, das seinen Höhe- mals hatten die Deutschen verständ- eine Boeing 707 der Air France als punkt später in einer „Windglider“- licherweise andere Sorgen, als an Ur- sogenannten „own-use-Charter“ an Weltmeisterschaft fand. Air France laubsreisen zu denken. Es ging zu- die Firma „Milupa“ zu verchartern, die beförderte mehrere hundert Passa- nächst nur darum, zu überleben und unter anderem Babynahrung herstell- giere von allen Enden der Welt nach wenigstens die Ansätze einer Ordnung te. So wurden 170 Kinderärzte zu Mauritius. Ebenfalls 1967 flog ich mit in das Nachkriegschaos zu bringen. einem internationalen Kongress nach dem Reiseveranstalter DER nach Nach der Währungsreform 1948 be- Mexiko befördert. Das war wohl das Kambodscha. Wir suchten ein attrak- gann die „Fresswelle“, die bis etwa bislang größte ,,Einmal-Geschäft“ der tives touristisches Zwischenziel bei 1950 anhielt. Darauf folgten „Beklei- Air France in Deutschland. Kongressreisen nach Japan. Die his- dungs-“ und „Ausstattungswelle“. Zu diesem Zeitpunkt liefen schon die torischen Khmer-Tempel von Angkor Dann 1954 das „Wunder von “: Vorbereitungen für die Fußballwelt- sollten schließlich ein ähnlich attrakti- Die Mannschaft der Bundesrepublik meisterschaft 1970 in Mexiko an. Es ver Anziehungspunkt sein wie die Deutschland gewann in der Schweiz war dann auch das erste Mal, dass Pyramiden und die Maya- und Inka- völlig überraschend die Fußballwelt- Air France in Deutschland eine stätten in Mexiko und Peru. Schon meisterschaft. In Bonn überreichte der Werbekampagne startete, in der ein 1968 schickten wir die erste Ärzte- Bundesinnenminister jedem deut- spezielles Produkt – eben jene mit gruppe über Kambodscha nach Tokio schen „Weltmeister“ einen Reisekoffer Veranstaltern erstellten Pauschalrei- – und bald darauf die zweite. Eine drit- aus echtem Leder, und von der Firma sen – gleichzeitig zur Image-Werbung te hat es nicht gegeben: Das Terror- Glas bekam jeder Fußballer einen für die Gesellschaft genutzt wurden. regime der Roten Khmer und die völli- „Goggo“-Motorroller. Beide Geschenke Deutschland war zu jenem Zeitpunkt ge Isolierung Kambodschas machte waren seinerzeit – neun Jahre nach noch nicht endgültig für das Turnier Besuche unmöglich. Kriegsende – geradezu symbolisch, qualifiziert. Der Tenor der Anzeigen Wir konzentrierten uns auf die Karibik. denn mit Koffer und fahrbarem Unter- war deshalb in etwa der: „Air France Sie war seinerzeit in Deutschland eine satz zog Deutschland aus, das Reisen drückt der deutschen Mannschaft die touristisch kaum erschlossene Re- zu lernen. Daumen für die Qualifikation und fliegt gion. Man kannte zur Not Jamaika Schon vier Jahre später schlug die die deutschen Schlachtenbummler und die Bahamas. Von den französi- Mit der Concorde. Geburtsstunde des deutschen Flug- von allen deutschen Flughäfen über schen Antilleninseln Guadeloupe und tourismus. Nachdem 1955 die LTU Paris nach Mexiko!“ Martinique hatte hier kaum jemand und die heutige „“ gegründet Die tägliche Kleinarbeit bestand gehört. worden waren, flogen 1956 die ersten hauptsächlich darin, Anteile am Markt Wir waren auf der Suche nach einem Urlauber mit „Vickers-Viking“-Pro- für die „Inclusive Tours“ mit Linien- tropischen Urlaubsziel, das finanziell pellermaschinen nach Mallorca. Das diensten zu akquirieren. Hierzu gehör- besser gestellten Bundesbürgern Zauberwort hieß „Charterflug“. Da- ten primär Städtereisen, so nach Lon- einen Badeurlaub auch während des mals bestand eine strenge Trennung don, Wien und Rom. Und natürlich europäischen Winters ermöglichte. zwischen Linienflug-Passagieren und nach Paris! Auch ich kannte die Antillen nur aus Flugtouristen. So flog die Lufthansa in 1967 setzte Air France für Deutsch- der Literatur, so dass es sich gut traf, Spanien zu den Geschäfts- und Han- landflüge bereits moderne Düsenflug- als eine deutsche Reisezeitschrift delsmetropolen und zeuge vom Typ Caravelle ein. Zu- Interesse an den touristischen Mög- im Liniendienst und mit der Charter- sammen mit einschlägigen Reisever- lichkeiten auf Martinique bekundete. Flugpauschalreisen für weniger tochter nach Palma de Mallorca, anstaltern legten wir Reiseprogramme Drei Tage genügten, um brauchbares als 2000 Mark und 16 Tage auf Teneriffa und Las Palmas. den Französischen Antillen. nach Paris auf und propagierten sie. Material für einen Artikel zu beschaffen 52 53 – und um mich zu überzeugen, dass Dank engagierter Promotionarbeit die Inseln an Kunden mit einem gelang es uns in relativ kurzer Zeit, aus Jahreseinkommen ab (umgerechnet) dem Nichts heraus einen ständigen etwa 50.000 Euro als Destination zu Fluss von Individualreisen zu kreieren. verkaufen waren. Ich liebte auf Anhieb Und dann waren ja auch noch zwei der so ziemlich alles auf den Antillen: Das spektakulärsten touristischen Einzel- Klima, tropisch zwar, aber von fast erfolge von Air France Deutschland mit ständig wehenden Passatwinden ge- den Inseln der Französischen Antillen mildert. Die Menschen, mit denen man eng verbunden: Die Vercharterung gut lachen konnte. Das Essen, das mit einer Concorde nach Fort-de-France mir noch unbekannten Zutaten pikant an den deutschen Großindustriellen gewürzt wurde. Und natürlich das Grundig, Inhaber der in den 70/80er Meer mit seinen weiten Sandstränden Jahren bedeutendsten deutschen Ra- und verborgenen Badebuchten. Plus dio- und Fernsehgerätefirma Grundig die wenigen Hotels, die den Ansprüch- AG in Fürth. en internationaler Kundschaft genüg- Dann organisierten wir, zusammen mit ten. Und ich lernte Georges Marie- der Verkaufsabteilung die „Windglider“ Gabrielle kennen, der ein Taxi-Unter- -Weltmeisterschaften 1977 auf Guade- nehmen auf Guadeloupe betrieb und loupe und 1978 auf Martinique. Über der zu dem Wagnis bereit war, für tausend Passagiere besuchten die deutsche Reiseveranstalter als „Hand- beiden Inseln. ling-Agent“ zu agieren. Im November 1986 verkaufte Air France einen Rund-um-die-Welt-Flug mit dem Überschalljet Concorde. Es handelte sich dabei um das bis zu die- sem Datum erfolgreichste Concorde- Wolf Angebauer hat junge Schönheiten aus Gruppengeschäft. Zunächst hatten wir Nicht nur zu den Antillen lädt die Fluggesellschaft ein, den Antillen nach Deutschland eingeladen. die Côte d’Azur lockt und der Indische Ozean. versucht, die Geschäftsleitung von „airtours international“ für die Idee einer Weltreise im Überschall zu ge- winnen. Dieser erschien jedoch das Investitionsrisiko zu hoch. Schließlich kam unsere Frankfurter Niederlassung mit dem Veranstalter AMEXCO ins Gespräch. Der verfügte über sein „Schwesterunternehmen“, die „Ameri- can Express Kreditkarten Gesellschaft“ über einen direkten Zugang zu gut ver- dienenden Kunden. Mit Amexco wur- de die erste Weltumrundung im Über- schalltempo ein voller Erfolg. Während der nächsten Jahre legten wir regel- mäßig solche Reisen auf. Ende der neunziger Jahre veränderte sich der Flugtourismus gravierend. Das begann mit der generellen Libe- ralisierung im Luftverkehr. Die Tren- nung zwischen Linien- und Charterflug wurde aufgegeben. Immer mehr Pas- sagiere stellen sich seitdem ihre Rei- sen im Computer aus Bausteinen wie Flug, Hotel, Mietwagen, Exkursionen selbst zusammen.

Wolf Angebauer

54 55 zwischen Berlin und Konstanz, Flens- Für den deutschen Markt musste die Im Dialog burg und München – die neuen Bun- Nachricht umgedreht werden, etwa desländer kamen 1989 dazu. Anfangs so: „Ab sofort richtet Air France eine mit den Medien glaubten die Medienleute, ich wolle sie Direkt-Verbindung zwischen Frankfurt zur kostenlosen Schleichwerbung für und Miami ein. Der Hin- und Rückflug Air France einspannen. Zum Glück in der Economyklasse kostet...“. Das Wichigste gehört konnte ich die Journalisten davon Die für den Verbraucher wichtigste überzeugen, dass ich für sie so etwas Nachricht gehört an den Anfang, das an den Anfang wie eine Presseagentur bin, die sie mit heißt, der Aufbau der Nachricht gleicht Den Jounalisten die möglichst interessanten Informationen einer Pyramide: Die Hauptsache an Air France erklären über eine der größten Fluggesellschaf- der Spitze, Einzelheiten und Erklärun- ten der Welt versorgen werde. Dass gen danach. Die französische Einlei- ich selber Journalist war, stellte sich für tung mit den Direktoren kam bei uns sie als Vorteil heraus, konnte ich doch an den Schluß. Eine andere Variante: Menschen, die bei Air France arbeiten, ihre Möglichkeiten und Zwänge richtig Die Zentrale verkündete, dass künftig sind weltoffen. Sie mögen Frankreich, einschätzen. Recht bald entstand ein in den Flugzeugen nicht mehr geraucht Franzosen, ihre Kultur und Sprache partnerschaftliches Verhältnis. Die Re- werden dürfe. Statt der knallharten oder alles zusammen. Dieser Ruf eilt dakteure nutzten meine Besuche für Überschrift „Rauchen an Bord verbo- ihnen jedenfalls voraus. Als ich Anfang intensive Hintergrundgespräche über ten“, machte ich die Leser mit dem 1975 nach mehreren journalistischen Luftfahrt, und im Gegenzug erfuhr ich Titel neugierig: „Air France schafft alle Stationen in die Pressestelle nach aus erster Hand Neues über die Ent- Aschenbecher ab“. Natürlich fielen lei- Frankfurt kam, faszinierte mich die wicklungen in den Medien. Gleichzeitig denschaftliche Raucher auf die ver- frankophile Atmosphäre, in der Deut- erzählten sie mir, welche Themen harmlosende Feststellung nicht herein, sche und Franzosen sich sympathisch Chancen haben, veröffentlicht zu wer- schickten Protestbriefe und wollten finden und sich meist harmonisch den. Den Journalisten in den Wirt- „nie mehr mit Ihnen fliegen“. ergänzen. Erstaunlich für mich der schafts- und Reiseredaktionen, in Ein sicheres Mittel, sich bei Journalis- Korpsgeist, der sich jedes Mal dann Luftfahrt- und Frachtpresse gemein- ten unbeliebt zu machen ist, sie zu Neuer Geschwindigkeitsrekord: In weniger als 59 Stunden flog Air France zeigte, wenn die Compagnie, die Fran- sam war das Interesse an Nachrichten, einem Informationsgespräch einzula- 1937 von Paris nach de Chile. Presse, Rundfunk und die Kameraleute zosen oder Frankreich kritisiert wur- die für ihre Leser, Hörer und Zuschauer den und ihnen dann mit Partyge- der Wochenschauen drängten sich um die Flugzeugbesatzung. den. Tatsächlich war das Frankreichbild wichtig, aufsehenerregend oder amü- schwätz die Zeit zu stehlen. So bat ein der Deutschen – mit Ausnahme der sant sind. Dafür sollten die Informatio- Deutschlanddirektor bekannte deut- Berliner – nicht schmeichelhaft. Es nen möglichst druckreif auf die sche Wirtschaftsjournalisten, Korres- wurde von mir also erwartet, nicht nur Redaktionstische kommen. Für ein pondenten ihrer Medien in Paris, in Neues über Air France zu verbreiten, aufwendiges Umschreiben hatten die eines der fünf besten Pariser Restau- ich sollte versuchen, Frankreichs Medienleute keine Zeit. Das wusste ich rants, das „Le Grand Véfour“, zum Mit- Image, das fast immer mit dem der schon vorher, hatte ich doch bisher tagessen ein. Der Gastgeber erzählte Fluggesellschaft gleichgesetzt wurde, selbst Tausende lieblos verfasste und ihnen, was Air France in Deutschland zu verbessern. Damals glaubte ich, vor Eigenlob triefende Pressemitteilun- tut, obwohl die Korrespondenten über dass man Vorurteile nur lange genug gen in den Papierkorb geworfen. Air Frankreich und nicht über die Air bekämpfen muss. France verschickte damals die Pres- France in Frankfurt schreiben sollten. Nicht alle meine neuen Air-France- semitteilungen in den Farben der Com- Am Schluß bat er die Journalisten, die Kollegen empfingen mich mit offenen pagnie per Post oder per Fax. In eiligen Einladung zu verschweigen, da seine Armen. Einige zeigten klar ihr Miß- Fällen rief ich die großen Presse- Vorgesetzten davon nichts erfahren trauen, das sie gegen Journalisten agenturen an. Die Electronic Mail kam durften. Aus dem erwarteten Trompe- hegten. Man verübelte meinem Be- viel später. tensolo wurde ein Piepser. Kopfschüt- Ein ARD-Film über den Transport leicht rufsstand, dass er am liebsten über telnd raunte mir einer der Gäste zu: verderblicher Waren wie Gemüse, unpünktliche Flugzeuge berichtet und „Die Franzosen denken nur an zwei Blumen und Früchte. Dreharbeiten auf Air France schafft alle dem Flughafen von Nairobi. pünktliche langweilig findet. Schlimmer Dinge, das zweite ist das Essen!“ Das Aschenbecher ab noch, die Leser scheinen alles zu lie- Positive an dem verpatzten Treffen: Ich ben, was aus der Normalität fällt. Bei blieb mit den Korrespondenten in Kon- meinen bisherigen Kollegen in Presse Das Rohmaterial für die Pressedienste takt. Umgekehrt und auf Wunsch von und Rundfunk wurde mein Wechsel lieferte die Pariser Zentrale im landes- Paris trafen wir regelmäßig die franzö- zur „Gegenseite“ mit Fahnenflucht üblichen Stil. So etwa: Der General- sischen Korrespondenten in Bonn und gleichgesetzt. Kurz gesagt, ich hatte direktor besuchte seinen Kollegen in später in Berlin. Der jeweilige Deutsch- mich doch prompt zwischen alle Stüh- einem anderen Land und einigte sich landdirektor gab bei einem Mittag- le gesetzt. Um zu überleben, blieb mir mit ihm auf etwas mehr Zusammenar- essen die neuesten Geschäftsergebnis- nur eines: Das Vertrauen beider Seiten beit. Darauf unterzeichneten sie einen se bekannt. Die französischen Medien zu erringen. entsprechenden Vertrag. Nach und berichteten darüber. Der erste Schritt bestand darin, den nach erfuhr man, wie die Kooperation Eine besondere Gelegenheit, Journa- direkten Kontakt zu meinen Ansprech- aussehen soll. Schließlich kam noch listen und über sie die Öffentlichkeit partnern in Presse, Rundfunk und der Hinweis, dass die französische mit Air France vertraut zu machen, Fernsehen aufzunehmen. Gestützt auf Fluggesellschaft 1933 gegründet wur- sind Pressereisen: Besuch der Flug- die über 600 Adressen, die meine Vor- de. Erst gegen Ende erfuhr man, wel- zeugwartung, der Pilotenschule, der gänger gesammelt hatten, besuchte chen Vorteil der Passagier von dieser modernen Flughafenterminals, die ich alle für uns wichtigen Journalisten Vereinbarung konkret hat. Frachtanlagen, Präsentation der Ver- 56 57 besserungen in der Kabine oder eines Überquerung des Ärmelkanals durch Aktionen, die wir öffentlichkeitswirk- neuen Flugzeugtyps, Interview mit Louis Blériot, die Bezwingung des sam begleiteten. einem Direktor oder einem Chefpilo- Südatlantiks durch Jean Mermoz, der Wir, das waren lange Jahre Antje ten. Dazu gehören auch Linieneröff- zusammen mit Antoine de Saint-Exu- Wigankow-Ellwart, Martina Holderer nungen oder neue touristische Ziele. péry das Streckennetz in Südamerika und ich. Hinzu kamen noch Praktikan- Bei diesen Reisen zeigte sich, wie aufbaute, und die ersten Flüge von ten aus der Münchener Journalisten- wenige Deutsche und Franzosen die Frankreich nach Deutschland. Das schule und des Mainzer Instituts für Lebensart des anderen kennen und Musée Air France versorgte mich mit Publizistik. Ihnen allen ist es zu verdan- dessen Sprache verstehen. Der Mittler Dokumenten und Fotos. Die französi- ken, dass jedes Jahr über 50 Presse- und Dolmetscher ist gefragt. Der häu- sche Luftfahrt hat nicht nur eine aufre- dienste versandt, für jede Pressereise figste Streitpunkt beim Reisepro- gende Vergangenheit, auch die Gegen- die Unterlagen zusammengestellt, gramm war das Mittagessen. Wo wart ist voller Überraschungen. umfangreiche Dokumentationsmap- immer man hinkam, war ein verlocken- pen übersetzt wurden, so für die des mehrgängiges Menü vorgesehen. Schneller, höher, weiter: Concorde, die verschiedenen Airbus- Die wenigsten Journalisten überstehen Französische Pioniere ließen typen oder Pressekits mit Stoffproben eine solche üppige Tafel samt Aperitif, die Erde kleiner werden verschickt wurden, wenn die Flugbe- Wein und Cognac. Statt Notizen zu gleiter neue Uniformen bekamen. machen und neue Eindrücke zu Es war die Spitzentechnik, die das Bild Daneben mussten die täglichen Anfra- sammeln, sehnen sie sich nach einer der Air France, Frankreichs und das gen aus den Medien bearbeitet, Aus- erholsamen Siesta. Ich musste den der Franzosen positiv veränderte. An künfte aus Paris eingeholt, Reden Berichte aus der Luftfahrt französischen Gastgebern ständig er- erster Stelle stand natürlich das Über- geschrieben und der tägliche Pres- sind beliebter Lesestoff. klären, dass Journalisten von ihrem Ar- schallflugzeug Concorde, später der sespiegel für den Deutschlanddirektor beitsablauf her allenfalls eine leichte europäische Airbus, die Weltraumrake- und Abteilungsleiter zusammengestellt Mahlzeit vertragen. Um diese Tageszeit ten und der Hochgeschwindigkeitszug werden. machen sie normalerweise Zeitung, TGV. Wie stark Hightech Millionen von Bei einem Flugzeugunglück oder einer Radio und Fernsehen. Es gelang mir Menschen mobilisieren kann, erlebte Entführung sprangen uns Kollegen aus nicht immer, unsere Journalisten vor ich im Januar 1976. Die Concorde anderen Abteilungen zur Seite. Die Te- der Mästung zu retten. Ich hatte es kam noch vor Aufnahme des regulären lefone klingelten ohne Pause: Presse- gezwungenermaßen besser. Da in Liniendienstes nach Berlin. Stunden agenturen, Zeitungen, Radios und Frankreich während des Essens Infor- vor ihrer Landung in Tegel strömte halb TV-Anstalten schrieen nach der Passa- mationen ausgetauscht werden, muss- Westberlin zum Flughafen, dann brach gierliste. Erklärungen vor Mikrophon te ich ununterbrochen übersetzen. der Verkehr zusammen. Ein Journalist und Kamera wurden verlangt. In die- Vorteil: Ich war der einzige, der Diät aus der Bundesrepublik ließ sein Taxi sen Fällen übernahm schließlich der lebte. stehen und legte die letzten Kilometer Krisenstab in Paris die Kommunika- Allerdings gab es auch Ausnahmen. zu Fuß zurück. In Ost und West wurde tion. Bei anderen aktuellen Themen Als der deutsche Luftfahrt-Presse- das Ereignis auf den Bildschirmen ver- wie Flughafenstreik baten meist Rund- Club von Air-France-Präsident Bernard folgt. funksender um Interviews, nicht selten Attali in die Zentrale eingeladen wurde, Die Berliner hatten eine eigene Bezie- vor dem Morgengrauen für die Früh- sollte das neue Essen der Business- hung zu Air France entwickelt. Panam, sendung oder spät abends fürs Klasse serviert werden. Für die 80 BEA und wir waren die einzigen Flug- Nachtstudio. Journalisten wurden eigens zwei Dol- gesellschaften, welche die Stadt mit Es lag in unserem Interesse zu zeigen, metscherinnen engagiert. Kaum hatte der Bundesrepublik und dem Rest der dass wir unser jährlich neu festgeleg- ich dem Präsidenten einige Teilnehmer Welt verbanden, ohne die Kontrolle tes Budget vernünftig ausgaben. Greif- vorgestellt, bat der mich spontan, sei- sowjetischer oder DDR-Grenzwachen. barer Beweis waren Presseartikel, in ne Ansprache zu übersetzen. Damals Jede Flugplanänderung, jede Erhö- denen von Air France die Rede war. wollten Air France und die Deutsche hung oder Verringerung der Flugdiens- Dafür lasen wir täglich sieben Tages- Lufthansa eng kooperieren. Attali hatte te wurde aufmerksam verfolgt. „Der zeitungen, mehrere Wochenblätter und sich sogar vorgenommen, Deutsch zu Tagesspiegel“ veröffentlichte akribisch Fachzeitschriften und schnitten Berge lernen. Der Präsident gab mir keine genau jeden Monat die Anzahl der von Artikeln aus. Ein externes Unter- Zeit für ein Vorgespräch, sondern legte Fluggäste und kritisierte die beiden nehmen durchforstete noch rund 40 gleich zügig los, dann folgte das übli- großen Airlines, wenn sie Air France weitere Zeitungen. Etwas Vergleichba- che Frage-Antwort-Spiel. Schließlich unnötig Konkurrenz machten. 1988 res für die vielen Rundfunkhäuser war bedankte er sich für meine Arbeit, die landete Air France mit der Gründung in unserem Budget nicht vorgesehen. Luftfahrtjournalisten applaudierten. Air- der Fluggesellschaft EuroBerlin einen Wir mussten uns auf die Kollegen in France-Chef Attali wünschte guten besonderen Coup. Im Schlepptau den Niederlassungen verlassen. Sie Appetit und verschwand. Diesmal brachte Air France die Deutsche Luft- riefen uns an, sobald Falschmeldun- durfte ich mein Mittagessen in Ruhe hansa nach Berlin, ohne das Vier- gen über die Sender gingen. Wir stell- einnehmen. Ich schwor mir aber, nie mächteabkommen zu verletzen. Das ten die Meldungen umgehend richtig professioneller Übersetzer zu werden. war eine deutsch-französische Freund- oder dementierten kategorisch. Bei Luftfahrtjournalisten sorgten dafür, schaft auf Reiseflughöhe. Andere Arten Falschmeldungen in der Presse riefen dass in Deutschland wichtige Etappen der Zusammenarbeit waren die Ausbil- wir den verantwortlichen Redakteur an und Pioniere der französischen Luft- dung französischer Boeing 737-Pilo- und baten um Richtigstellung. Zu fahrtgeschichte bekannt wurden: Run- ten bei der Lufthansa in Frankfurt. einem Wettlauf mit der Sendezeit kam de Jubiläen der Air France, die ersten Darüber hinaus tauschten beide Ge- es, wenn beispielsweise ein Rundfunk- Lufthüpfer von Clément Ader, die sellschaften auch junge Manager aus. journalist mit dem Thema „Alkohol im 58 59 Kaffeepause am Rande der Jahrestagung der Cockpit“ seinen Hörern Angst einjagen Die Zielgruppe unserer Pressestelle Nürnberg. Bei meinem nächsten Be- Luftfahrtpresse in Berlin: von rechts Air-France- Deutschlanddirektor Bernard Teyssier und Jean wollte. „Angeblich sollen sich AF-Pilo- blieben selbstverständlich Journalisten. such der Stadt schaue ich bei ihr vor- Signoret, Generaldirektor von EuroBerlin. ten schon mal während des Fluges ein Dabei kam Deutschlanddirektor Jean bei. Als Rentner kann man sich seine Glas Rotwein genehmigen“. Es mag Signoret auf eine originelle Idee. Ihm Zeit selber einteilen. ärgerlich sein, aber Rotwein passt ver- gelang es, die Unternehmenszentrale Bekanntlich gibt es ein Leben nach Air führerisch gut ins Frankreichbild, Vor- in Paris davon zu überzeugen, dass die France. Ich kehrte – nach einer bei- urteile haben eben ein zähes Leben. In effektivste Aktion noch immer die ist, nahe fünfundzwanzigjährigen Pause – den nächsten Minuten beschafften wir Journalisten mit Unternehmen der in meinen alten Beruf zurück. Die Zeit uns in der Pariser Zentrale die exakten Spitzentechnik direkt zusammen zu mit meinen Air-France-Kollegen und in Bestimmungen für Flugzeugführer. Ne- bringen. Eine französische PR-Agentur der air de France hat mich geprägt, sie beneffekt dieses Ereignisses: Keinerlei arbeitete daraufhin ein dichtes Pro- hat mich gelehrt, dem Anderen sein Alkohol als Weihnachtsgeschenke an gramm aus. Die Kosten teilten sich Air Anderssein nicht zu verübeln. uns nahestehende Journalisten. Dafür France und die Firmen. Für den Trans- verschickten wir die begehrte AF-Welt- port nach Frankreich waren wir zustän- Wolfgang Häg karte und praktische Gegenstände für dig, innerfranzösisch ging es mit dem den Schreibtisch mit AF-Logo. TGV oder Regionalfluggesellschaften TEXTE A VENIR JULIA LANGE Regelmäßig baten uns Rundfunk- und weiter. Eingeladen wurden bekannte Fernsehjournalisten um Unterstützung, Wirtschaftsjournalisten, ihre Berichte wenn sie über Hilfsorganisationen be- über das hochmoderne Frankreich Air-France-Förderpreis für zwei richten wollten. Meist ging es um Dreh- sorgten in Deutschland für einiges Auf- junge Journalistinnen im Münchner genehmigungen an Bord oder am sehen. Presse-Club. Von links der französische Generalkonsul Flughafen. Einmal lud ein Berliner Sen- Contenay, Regina Kammerer, der ein krebskrankes Mädchen samt Mentalitäten, Sitten, Tabus: Barbara Mussack und Air-France- Eltern nach Disneyland Paris ein. Ich wie kommt man mit Fremden Direktor Michel Juhel. nahm das Kind mit ins Cockpit und zurecht ? stellte es den Piloten vor. Die Technik beeindruckte sie nicht sonderlich. Wir interessierten uns nicht bloß für Plötzlich stellte sie sich auf die Fuß- gestandene Journalisten. Wir spra- spitzen, öffnete erstaunt ihre Augen chen auch die jüngeren an, die gerade und suchte den Horizont ab. Ent- ihre Abschlussprüfung an der Journa- täuscht drehte sie sich zu uns: „Ich listenschule und an der Universität als kann den Onkel Karl nicht sehen, der Jahrgangsbeste geschafft hatten. Air muß doch hier oben sein.“ Ich erklärte France stiftete ihnen zwölf Jahre lang ihr, dass wir den verstorbenen Onkel einen Förderpreis und lud sie nach nicht sehen könnten, weil wir zu tief Paris ein. Dort konnten sie eine Woche fliegen und nicht höher dürfen. Das lang ihren französischen Kollegen bei leuchtete dem Mädchen ein. Ein an- der Arbeit über die Schulter schauen: deres Mal hatte ein Kameramann In Zeitungen, Magazinen, Rundfunk Mühe zu filmen. Ein besonders er- und Fernsehen. Unsere Preisträger schütterndes Bild bot sich uns am sprachen übrigens alle ausgezeichnet Frankfurter Flughafen. Vier kleine Kin- Französisch. Air France sponserte der aus Niger stiegen aus der Maschi- auch jedes Jahr künftige Modeschöpf- ne. Eine Krankheit hatte ihnen Löcher erinnen und Modeschöpfer. Die deut- bis zu den Zähnen ins Gesicht gefres- schen Modeschüler konnten sich mit sen. Sie waren auf dem Weg zu einem Kandidaten aus anderen Ländern in deutschen Gesichtschirurgen in Re- Paris im Wettbewerb messen. Air gensburg. Monate später filmte der France sorgte für den Frachttransport Fernsehsender die Kinder erneut vor der modischen Kreationen. ihrem Rückflug, die Löcher in ihren Ein besonderes Frachtstück aus der Gesichtern waren zu. Karibik bereitete uns ziemliche Sorgen. Ganz anders kümmerten wir uns um Eine Seekuh sollte im Nürnberger Zoo die beliebtesten Passagiere, die Ge- ein neues Zuhause finden. Der Tiergar- schäftsreisenden. Damit diese in frem- ten bat uns um Fotos vom Transport den Ländern und Kulturen besser des Meeressäugers, als er aus dem zurecht kamen, haben wir uns zusam- Jumbo geladen wurde. Am Ende einer men mit der Verkaufsförderung und Reihe von Anrufen in Paris hieß es: der Fracht einen Leitfaden für Busi- „Wir können keine Fotos liefern, das nessleute ausgedacht. Ich ging auf Tier ist tot.“ Zum Glück rief man einen Autorensuche, meist Korrespondenten Tierarzt, der sich mit tropischen Tieren im Ausland. Sie beschrieben uns die auskannte. Eine Seekuh, erklärte er, unterschiedlichen Mentalitäten und legt große Pausen zwischen den Sitten, wiesen auf Tabus hin. So ent- Atemzügen ein. Dann bekamen wir Leitfaden für den Geschäftsreisenden standen kleine Bücher mit dem Titel endlich die Fotos. Da diese Kuh über durch fremde Länder und Kontinente. Zwei Journalisten versortgen die Wirtschaftspartner: Afrika, Südameri- 50 Jahre alt werden kann, planscht sie Medien mit Nachrichten über die Air France, ka, Araber und Perser, Franzosen. sicherlich noch heute im Zoo von von links Wolfgang Häg und Martina Holderer. 60 61 das Streckennetz der Air France in „Von 38 Berufsjahren bei Air France Frauen und Deutschland aufgebaut haben. Jede habe ich mehr als 13 in Deutschland und jeder hätte es verdient, erwähnt verbracht. Es ist mir ein Anliegen, den Männer prägten zu werden, was den Rahmen der Air- deutschen Kollegen zu sagen, wie France-Geschichte allerdings ge- sehr ich sie schätzten gelernt habe. Air France sprengt hätte. Sie haben sich im Wettstreit mit den Airline-Konkurrenten erfolgreich ge- Stellvertretend für alle, die das Bild schlagen, haben ihr Können, ihre unserer Gesellschaft geprägt haben, Erfahrung, ihre Kraft und ihr Herz ein- sollen vier von ihnen skizziert werden: gebracht.“ Berlin: Air-France-Direktor Robert Wattiez im Gespräch Evelyne Planet, die erste und für lange mit Bürgermeister Willy Brandt Wie Präsident Spinetta in seiner Ein- Zeit einzige weibliche Distriktchefin, und dessen Frau Ruth. leitung darlegte, sind es drei Genera- Geert Schäfer-Surén, Wilfried Mayer R.W tionen von Frauen und Männern, die und Hans-Joachim Maack.

freude bestachen. Ich traf meine Wahl Anfang 1952 wurde Schäfer-Surén rasch und habe sie nie bereut. Repräsentant in Nürnberg Er war dort Geert Innerhalb von einem Monat stieg die sehr erfolgreich. Sein Charisma und Anzahl der Mitarbeiter von acht auf 60 sein gewandtes Auftreten halfen ihm, Schäfer-Surén, Leute. Als der Flugbetrieb aufgenom- überall schnell Fuß zu fassen. Die wie- men wurde, funktionierten alle Service- dergegründete Lufthansa bot ihm ein Freund bereiche einwandfrei. So konnten wir 1956 einen attraktiven Posten an. Nach jeden Tag zehn Flüge reibungslos ab- einer Bedenkzeit lehnte er das An- fertigen. Geert Schäfer-Surén zeigte gebot ab. Er zog es vor, bei Air France Verantwortungsbewusstsein und En- zu bleiben, mit einer sicherlich finan- thusiasmus. Er führte seine Mitarbeiter ziell ungünstigeren Karriereaussicht. umsichtig und effektiv, milderte aber 1957 holte ihn Air France in die Di- auf meinen Wunsch hin seine etwas rektion für Zentraleuropa nach Frank- Gruppenbild in Nürnberg von links: zu formelle Art ab. Manchmal, wenn er furt, dort sollte er die Abteilung Ver- Pierre Fromheim, Europa Direktor, Robert Wattiez, Camille Mayerus, sich beobachtet wusste und fürchtete, kaufsförderung erweitern. 1961 über- Direktor für Süddeutschland bei einem Fehler ertappt worden zu nahm er die Leitung der Nieder- und Niederlassungsdirektor Geert Schäfer-Surén. sein, tauschten wir ein Lächeln gegen- lassung für Norddeutschland in Ham- seitigem Einverständnisses aus, und burg. Dort hat er sich erfolgreich für alles war wieder in Ordnung. Aber die Entwicklung der anfänglich wenig später, unter vier Augen, neigte er da- ausgeprägten deutsch-französischen zu, sein Verhalten zu verteidigen, und Handelsbeziehungen eingesetzt. Im ich musste zugeben, dass er manches Juni 1975 ernannte ihn der französi- Mal recht hatte. sche Ministerpräsident in Anerken- Im Dezember 1950 wurde Air France Mit unseren Flugzeugbesatzungen nung seiner Verdienste zum „Chevalier in Berlin-Tempelhof eigenständig. Da- verstand er sich schnell. Sie betrach- dans l’ordre national du Mérite“. Im vor hatte die amerikanische Flugge- teten ihn bald als einen der ihren. Mai 1979 verabschiedete er sich aus sellschaft „Pan American Airways“ die dem Berufsleben. technischen und kommerziellen Be- Er war frankophil, im Innersten aber Schäfer-Surén ist 1987 im Alter von 73 lange für die französische Airline wahr- deutsch, und seine Offenheit erlaubte Jahren gestorben. Er litt lange Jahre an genommen. Meine erste Aufgabe be- häufig Diskussionen, die unsere bei- seinen Kriegsverletzungen. In seiner stand darin, rund 50 neue Mitarbeiter den Länder und ihre Geschichte be- Todesanzeige stand der Satz: „Wenn einzustellen und für mich einen Stell- rührten. Ein äußerst heikler Meinungs- der Schmerz zu groß wird, kommt der vertreter zu finden, der sich in der austausch in dieser Zeit, in der die Tod als Erlösung.“ Flugzeugabfertigung auskannte und Wunden noch nicht verheilt waren. Er, eine Niederlassung leiten konnte. Jahrgang 1934, mit zwanzig Jahren Robert Wattiez Unter 70 Kandidaten fiel die Wahl auf Fliegeroffizier, war von seiner Aufgabe Geert Schäfer-Surén. Der junge Mann überzeugt. Ich, mit 18 Jahren Wider- (36 Jahre) sprach französisch und ver- standskämpfer im Vercors, hatte eben- fügte über mehr Erfahrung, als ver- falls meine Meinung. Wir überwanden langt wurde. Als ehemaliger Pilot und Vorurteile. Und schließlich hatte er eine

Modeball im Hotel Atlantik 1969. Hauptmann der Luftwaffe hatte er es gewisse Art Humor, den er bewusst Links G. Schäfer-Surén, auf 6000 Flugstunden gebracht. Seine einzusetzen wusste, um jede ernsthaf- Guy Laroche mit Mannequins. Dynamik und seine Entscheidungs- te Konfrontation zu vermeiden.

62 63 seldorfer Flughafen und der Air France jeder Kaufmann, noch die Tagesab- Militärflieger ergab sich dann fast von selbst. 1954 rechnungen. Zeit für seine Hobbys rief ihn der Stationsleiter der französi- Motorradfahren, Modelleisenbahn und gut gelandet. schen Fluggesellschaft nach Düssel- Fluss-Schiffahrt blieb nur im Urlaub. dorf, prüfte den baumlangen Kandida- 1989 verabschiedete sich Wilfried Wilfried Mayer: ten und stellte fest, dass der alle für die Mayer mit 65 in den Ruhestand. Heute Bodenabfertigung notwendigen Vor- lebt er zusammen mit seiner Frau in Stationsleiter aussetzungen mitbrachte. Von da an seiner Wahlheimat Düsseldorf. war er für die Air-France-Piloten der in Düsseldorf Dolmetscher, brachte ihnen die Rou- tenpläne für den Weiterflug, die Passa- gierlisten, sorgte für Treibstoff, Bord- verpflegung, das Gepäck. Ein nie ver- Die längste Zeit seines Berufslebens siegender Gesprächsstoff war natür- arbeitete der ehemalige Pilot auf Flug- lich die Fliegerei. häfen. Rund 35 Jahre lang fertigte er Einmal hatte es nach der Zwischen- für Air France Passagiermaschinen ab. landung in Düsseldorf besonders hef- Ein Los, um das ihn nach dem Zweiten tig geschneit, der Weiterflug nach Weltkrieg unzählige arbeitslose Luft- Berlin war frühestens in ein paar waffenflieger beneideten. 4000 Flug- Stunden möglich. Wilfried Mayer ließ stunden, Erfahrungen im Cockpit der Essen und Getränke an Bord bringen Junkers Ju 88, einem Kampf-, Auf- und sorgte für musikalische Unter- klärungs- und Nachtjagdflugzeug wa- haltung. Die Passagiere überbrückten ren nicht gefragt. die Wartezeit schließlich mit einem Schon mit 18 Jahren erwarb Wilfried Tanz an Bord. Kurz vor Mitternacht Mayer, geboren in Wiesbaden, seinen startete die vollbesetzte Maschine mit Pilotenschein, flog zahllose Einsätze, fröhlichen Fluggästen nach Berlin. versuchte in Wolken versteckt angrei- 1975 wurde er selbst Stationsleiter, der fenden Flugzeugen zu entkommen. Arbeitstag begann morgens um 9 Uhr Schließlich geriet er schwer verwundet und zog sich bis abends 21 Uhr hin. in britische Gefangenschaft. „Ich hatte Besonders hektisch ging es zwischen unwahrscheinliches Glück“, erzählt 19 Uhr und 20 Uhr zu, wenn vier Ma- Mayer noch heute, „die Engländer schinen gleichzeitig abgefertigt werden haben mir das Leben gerettet.“ Er soll- mussten, damals war Lufthansa für te nie mehr wieder selbst ein Flugzeug das Handling zuständig. Mayers Talent steuern. als Diplomat war in solchen Situatio- An den Erwerb einer Fluglizenz für die nen gefragt: Begrüßung von VIPs, zivile Luftfahrt war im Nachkriegs- Betreuung von aufgebrachten Passa- deutschland nicht zu denken, ihm fehl- gieren bei Verspätung oder überbuch- te dazu ganz einfach das Geld. Zum ten Maschinen. Schon seine Statur Glück brauchte die Mercedes-Nieder- gepaart mit seiner ruhigen Art halfen lassung in Bonn-Bad Godesberg tech- ihm aufgeregte und gestresste Passa- nisch begabte Leute in der Reparatur- giere zu beruhigen. So, wenn wieder annahme. Als Mayer hörte, dass die einmal ein völlig harmloser aber kläf- französische Armee jemanden für den fender Pinscher an Bord war. Am Ende Wagenpark suchte, lernte er richtig des Tages, bevor der Flughafen die Wilfried Mayer (rechts) im Kreis seiner Stationsleiter-Kollegen. Von links Yves Rostan, Eva Horn, Manfred Räder und Lucien Rousseaux. Französisch. Die Verbindung zum Düs- Lichter ausmachte, erledigte er, wie

64 65 kam sie sich vor, als müsse der kleine London und Südengland, drei Jahre Madame David gleich gegen zwei Goliaths danach schickte sie Air France als antreten. Lange Zeit war Air France am Statthalterin nach Rumänien. 1997 Air France Flughafen Tegel allein, die anderen verließ sie die französische Flugge- Airlines flogen vom alten Stadtflug- sellschaft und lebt im Ruhestand in in Berlin hafen Tempelhof ab. Als die Konkur- Spanien. Ihr Sohn Frédérik wollte noch renten schließlich zu Air France nach höher hinaus als seine Mutter, er ist Tegel umzogen, empfing sie Evelyne Linienpilot. Planet mit einem großen Spruchband: „Air France heißt Sie willkommen“. Die beiden Großen unter einem Dach zu haben, brachte der französischen 1973 ist der Start des elektronischen Buchungssystems „Alpha 3“ Im eingeschlossenen Westberlin der Airline auf einen Schlag massenhaft in der Berliner Agentur. sechziger Jahre war von der weiten neue Passagiere. Welt wenig zu spüren. Vielleicht war es Mit einem großen Berliner Möbelhaus gerade dieser Umstand, der eine schloss Planet einen Chartervertrag, neunzehn Jahre alte Französin bewog, der vorsah, dass der Überschalljet sich bei Air France zu bewerben. Concorde noch vor dem ersten Linien- Evelyne Pineau hatte ein deutsch-fran- flug nach Berlin kommen sollte. Die zösisches Dolmetscherdiplom vorzu- Nachricht verbreitete sich wie ein Lauf- weisen. Die französische Fluggesell- feuer: An diesem Tag sahen rund Willkommensgruß für British Airways und Pan American, schaft gab ihr ein Telefon und zeigte 60 000 Besucher die Concorde in als diese zu Air France an den Flughafen Tegel ziehen. ihr, wie man Flüge für Passagiere Tegel und Millionen im Fernsehen. Das bucht. Sie lernte, dass man ein freund- schnellste Passagierflugzeug der Welt liches Lächeln auch durchs Telefon sollte noch öfter in die geteilte Stadt hören kann und dass ihr französischer kommen. Die umtriebige Evelyne Akzent sogar den unzufriedensten Planet war für die Geschäftspartner Kunden zu besänftigten vermochte. und die Medien längst „Madame Air Als sie das beherrschte, sammelte sie France“ geworden. Innerhalb von sie- weitere Erfahrungen am Flughafen ben Jahren stiegen die Passagier- Tegel und schließlich im Verkauf. Im zahlen um 131 Prozent. Die Berliner Außendienst besuchte sie Reisebüros konnten über Düsseldorf ans Mittel- und Berliner Unternehmen. Sie be- meer nach Nizza, aber auch nach Lyon währte sich als Verkäuferin von Flug- und in die Bretagne nach Nantes flie- reisen. Dann heiratete sie, wurde Frau gen. Mit der Gründung der fran- Planet und Mutter eines Jungen. zösisch-deutschen Fluggesellschaft Nach zwölf Jahren übertrug ihr Air „Euroberlin“ übernahm Planet die France die Verantwortung für den Buchungen und den Flugscheinver- Distrikt Berlin, ein Posten, den sie als kauf für die hundert wöchentlichen erste Frau einnahm. Hier war ihr gan- Flüge der neuen Airline. zes Können im Konkurrenzkampf mit Kurz bevor sie 1990 Berlin verließ, den beiden großen Fluggesellschaften, nach fünfzehn Jahren, zeichnete sie der britischen und der amerikanischen, der französische Botschafter mit dem gefordert. Wenn die beiden die kleine Ritterorden du Mérite aus. Anschlies- Air France unter Druck setzten wollten, send übernahm sie als Direktorin Die automatische Flugscheinausstellung hält in Berlin Einzug und wird der Presse vorgestellt. Das Air-France-Team von links nach rechts: Helga Lange, Ilse Küther, Dagmar Schmidt-Huse, Evelyne Planet, Gino Tauschel, Edith Drössler, sitzend Gisela Buchholz.

66 67 Bäckerei in Berlin Tempelhof, Attila- hof für die Caravelle nicht geeignet Flugscheine platz, die die Bordverpflegung herstell- war, mussten wir unseren Berlin- te. Dann kam ich in die Abteilung von Verkehr nach Tegel-Nord verlegen. wurden nachts Rolf-Dietram Hoppe (Chef commissa- Dort nahmen wir am 6. Januar 1960 riat). Damals war alles eine Frage des den Linienverkehr zunächst mit der ausgestellt Budgets. Beispielsweise wurde meine Super Constellation auf. Ab dem 24. Frau statt mit Geld mit Waschmittel Februar wurde diese Maschine dann Berufsausbildung selbst bezahlt. Sie bekam den Spitznamen endgültig durch die Caravelle ersetzt. „Priel“. Sie wusch von Hand das Bord- Die ersten beiden Jahre waren wir in die Hand genommen geschirr, Gläser, Besteck, Tassen und mutterseelenallein in Tegel, die Aus- – Mutterseelenallein Teller; Plastik gab es noch nicht. lastung unserer Maschinen war ent- in Tegel Nord Am 1. November 1954 wurde ich dann sprechend dünn. Damals musste Per- ganz von Air France übernommen, sonal abgebaut werden. Air France meine Lehrjahre gingen weiter, und es hat sich dafür eingesetzt, dass viele ging bergauf. Ab 1955 nahm der Zu- anderweitig untergebracht werden strom von Flüchtlingen aus dem Osten konnten. So bei Air France in anderen Im Juni 1951 begann ich bei der massiv zu. Jeder freie Platz in den Ma- Städten, bei anderen Fluggesellschaf- Berliner Flughafen Gesellschaft (BFG) schinen wurde für das Ausfliegen der ten oder bei der französischen Militär- zu arbeiten. Ein Monat später wurde Flüchtlinge genutzt. Der Ansturm war verwaltung. Das war eine tolle soziale die Fluggastabfertigung, am Tempel- so groß, dass die Flugscheine teilweise Leistung. Die soziale Einstellung der hofer Damm, eingeweiht. Mit der auch während der Nacht ausgestellt Air France hatte ich selbst 1959 erfah- Übernahme des zivilen Teils durch die werden mussten. Ich schaute den ren, als Air France mich zum Ange- BFG flogen Air France, BEA und Pan Kollegen über die Schultern, lernen stellten machte, um die Krankenkasse American (Pan Am) gemeinsam Tem- bei „Kieken“. wechseln zu können. Ich selbst wurde pelhof an. Die Maschinen standen in Ab Januar 1957 brauchte man mich im November 1960, am Schalter als der überdachten Flugsteighalle. Die bei der Gepäckannahme, ich wurde „Agent d'enregistrement“ eingestellt. Passagiere gingen vom Warteraum „Bagagist de comptoir“. Die Aufgaben Zuvor musste ich mich einem Test über eine große Treppe direkt ins eines „Bagagiste de comptoir“ be- unter der Aufsicht des Stationsleiters Flugzeug. Von hier aus startete die standen darin, Kofferanhänger mit unterziehen. Dabei hat mir die Er- „kommerzielle Luftbrücke“ nach West- Schnur am Gepäck zu befestigen, fahrung in Tempelhof und die Unter- Breguet Deux Ponts ist ein zweistöckiges, viermotoriges Flugzeug, hier im Landeanflug in Berlin. Die auffallend bauchige Maschine verfügt auf der erste Etage über 59 Plätze und deutschland. Die politisch bedingten selbstklebend gab es noch nicht. stützung der Kollegen geholfen. Ge- darunter 48. Statt Fluggäste kann sie auch mit Fracht beladen werden. (Foto: Fluggesellschaft Berlin) Behinderungen durch die Sowjets Darauf hatte ich Ziel und Flugnummer prüft wurde meine Geschicklichkeit, schränkten die Westberliner Waren- einzustempeln. Dann wog ich das mit der ich mich im Tarifhandbuch ausfuhr stark ein. Deswegen wurde Gepäck, brachte Tags an und beför- „How Much“ zurecht fand. Das elek- die „kleine“ oder „kommerzielle“ Luft- derte die Koffer über eine Rutsche zu tronische Tarifsystem war noch nicht brücke ins Leben gerufen, an der sich den Ladern nach unten – natürlich in Sicht. Die Caravelle gleitet am Berliner Flughafen Tegel vorbei. auch Air France beteiligte. alles per Hand. Während der übrigen Ein großes Ereignis war im Juni 1963 (Foto: Fluggesellschaft Berlin) Zu Air France kam ich, weil die Gesell- Zeit arbeitete ich in der Reservierung der Besuch von US-Präsident J. F. schaft eigenes Ladepersonal für die am Buchungskarussell. Kennedy in Tegel Nord. Davor beka- Fracht suchte. Ohne jede Berufser- Bei der Passagierabfertigung notierte men alle Gebäude einen neuen An- fahrung haben wir an die 8 - 9 Tonnen ich auf einem Zettel die Anzahl der strich und Tegel rückte in die Schlag- Fracht in etwa 45 Minuten verladen Passagiere und das Gewicht des zeilen. Im Sommer 1964 eröffnete die und verzurrt. Auf diese Leistung waren Reisegepäcks. Die Angaben brachte Pan Am die Linie Berlin - New York ab wir besonders stolz. Wir wurden ich dann in die Flugvorbereitung auf Tegel, endlich kam etwas mehr Leben immer besser und bekamen sogar das Vorfeld. Schon damals war Zeit in diesen Flughafen. eine Breguet nach Berlin. Stations- Geld, also Treppe rauf, Treppe runter, Die Weiterbildung veranstaltete Herr leiter war damals Robert Wattiez und immer Tempo. Einmal habe ich mir Damm in den Räumen des militäri- in der Flugzeugabfertigung arbeitete dabei den Fuß angebrochen. Ausge- schen Teil des Flughafens. Uns wurde unter anderem Robert Bente, der spä- rechnet an diesem Tag wollte ich mei- sogar der Zutritt zur Unteroffiziers- ter selber Stationsleiter wurde. nen Sohn taufen lassen. Für mich fiel Messe erlaubt. Dort kostete ein Mi- Ende 1952 hatte ich Pech, ich musste die Taufe buchstäblich ins Wasser. ttagessen einschließlich einem Viertel Air France verlassen. Nicht, dass man Der äußere Unterschied zwischen Wein umgerechnet rund 2,50 Û. mit mir nicht zufrieden war, sondern einem, der die Koffer am Schalter wei- wegen arbeitsrechtlichen Vorgaben. terleitete und den Kollegen auf dem Hans-Joachim Maack Air France hatte sich wie viele andere Vorfeld bestand darin, dass wir weiße Unternehmen in Berlin entschlossen, Arbeitskleidung trugen. Eine etwas einen bestimmten Anteil von Kriegs- empfindliche Farbe, auf die wir trotz- versehrten zu beschäftigen. Ich war dem stolz waren. Sie wies uns als ledig und kein sozialer Härtefall. Aller- Angestellte aus, die oben arbeiten. dings bekam ich die Zusage, umge- Auch die ersten Betriebsfeste wurden hend gerufen zu werden, sobald man in dieser Zeit gefeiert. Ende der 50er mich brauchte. Ein halbes Jahr später Jahre kam die erste Düsenverkehrs- war es so weit. Ab Juni 1953 wurde maschine in den Farben der Air ich „manoeuvre commissariat“. Dort France, die Caravelle, nach Berlin. Da arbeitete ich bei der Firma Schulz, die Start- und Landebahn in Tempel- 68 69 ab Deutschland (20 Prozent in man- tet mit einer positiven Bilanz ab. Die Die Allianz chen Regionen, unter anderem im kleinen kulturellen Unterschiede zwi- Norden der Bundesrepublik). schen beiden Gesellschaften haben mit KLM Zusammen bieten beide Gesell- letztendlich den Enthusiasmus der schaften ihren 600 000 Kunden mehr Mannschaften im Aufbau der Gruppe als 700 Flüge pro Woche von zwölf eher angespornt als gebremst. deutschen Fughäfen zu den drei Dreh- scheiben: Paris-Charles-de-Gaulle, Amsterdam und Lyon. Ergänzt werden Frank Thiébaut Schon 1931 gab es Kooperationen zwischen Fluggesellschaften. sie durch zwei weltumspannende Hier der gemeinsame Winterflugplan von Deutsche Luft Hansa, Air France erlebte 2004 ein Jahr der Langstreckennetze. Das sichert der Farman und KLM. Umwälzung: Sie tat sich mit der nie- Air-France-Gruppe eine einzigartige derländischen Fluggesellschaft KLM Position, besondere in den Regionen, zu einer Holding zusammen. Daraus in denen die Konkurrenten keine entstand die Gruppe Air France-KLM. Langstreckenflüge anbietet. Das war der erste Zusammenschluss In diesem ersten Jahr der Zusammen- dieser Art zwischen zwei großen euro- arbeit haben beide Gesellschaften päischen Airlines. Er trägt zur Kon- ihren wichtigsten Kunden gemeinsa- solidierung der Verkehrsfliegerei bei. me Verträge angeboten. Dann fertigt Seit Mai 2005 macht Air France in Air France für die KLM fast alle Flüge Deutschland eine einmalige Erfahrung in Deutschland ab, so in Frankfurt, in einer umfassenden Kooperation mit München und Berlin. Unsere Kunden dem neuen Partner. Nach über 50 genießen also das gemeinsame Ange- Jahren gegenseitigem hartem Konkur- bot beider Gesellschaften, kombinieren renzkampf auf dem deutschen Markt die Flugnetzen und Tarife. So kann ein stellten sich beiden „Mannschaften“ Passagier beispielsweise über Paris einer veritablen Herausforderung, die sein Ziel erreichen und über Amster- auch eine große Chance in sich birgt: dam zurückfliegen. Ihm stehen an den Das Können und die Stärke beider Flughäfen gemeinsame Schalter und Airlines waren auf dem deutschen VIP-Lounges zur Verfügung. Seit Juni Markt fest etabliert. Seit dem wir unse- 2005 gibt es die Vielfliegerkarte Flying re Kräfte bündelten, sind wir zum ers- Blue der AF-KLM-Gruppe. ten Konkurrent der Deutschen Luft- Die 600 Mitarbeiter von AF und KLM hansa geworden; zehn Prozent Markt- in Deutschland schlossen das erste Gipfeltreffen: Air-France-Präsident Jean-Cyril Spinetta und sein niederländischer Kollege Leo van Wijk. anteil im internationalen Flugverkehr Jahr der Zusammenarbeit wie erwar-

70 71 Fluggäste mit Wohnsitz in Deutsch- mehr als 53 Prozent der Fluggäste, die SkyTeam und land einen SkyTeam Airpass buchen: in Paris-CDG landen). America Pass, Asia Pass oder Die Stellung des Flughafens als größ- das Drehkreuz „Rund-um-die-Welt“ Pass tes Drehkreuz Frankreichs erklärt sich Paris-Charles • Ausgabe der Bordkarten und Ge- zum einen aus dem umfassenden päckabfertigung bis zum Zielflug- Flugangebot von Air France und den hafen anderen SkyTeam Partnern, aber auch de Gaulle aus dem hohen Entwicklungs- • Kurzer Transit durch die Abstim- potenzial: 1999 wurde eine dritte, mung der Abflugzeiten 2001 eine vierte Start- und Lande- Neben ihrem Zusammenschluss mit • Erstklassige Servicequalität bei allen bahn ihrer Bestimmung übergeben, KLM bietet Air France mit der Airlines der Allianz, ohne Abstriche für den Sommer 2007 ist die Eröff- SkyTeam Allianz und dem Drehkreuz an die Identität und kulturellen Be- nung des Satelliten 3 geplant, die voll- Paris-Charles de Gaulle zwei weitere sonderheiten der einzelnen Partner- ständige Wiedereröffnung des Termi- bedeutende Vorteile für den deut- gesellschaften: nal 2E ist für den Frühling 2008 anbe- schen Markt. • Die Fluggäste können sich auf allen raumt und bald werden auch zusätz- Langstreckenflügen in englischer liche Infrastrukturen für die Gepäckab- Die SkyTeam Allianz wurde im Juni Sprache und in der Sprache des fertigung ihren Betrieb aufnehmen. 2000 gegründet und zählt mittlerweile Abflug- und Ziellandes verständigen. Die Terminals 2E und 2F sowie der zehn Mitglieder: , Aeromexico, • Reiche Auswahl an Gerichten, damit Satellit 3 sollen dadurch zu einer funk- Air France, KLM, Alitalia, Continental auch Sonderwünsche berücksich- tionellen Einheit zusammenwachsen. Airlines, CSA , Delta, tigt werden können (aus religiösen Das erklärte Ziel: die reibungslose, Korean Air und Northwest Airlines. oder medizinischen Gründen, Diät- schnelle Abfertigung der Transitpassa- Das Bündnis steht für ein weltum- kost) giere und ihres Gepäcks. Dieses spannendes Streckennetz, attraktive System präsentiert sich als künftiger • Weltweit stehen über 2000 SkyTeam Drehkreuze und eine gemeinsame Dreh- und Angelpunkt der Umsteige- Agenturen für Information und Rei- erstklassige Servicequalität: Mit über plattform von Air France. seplanung zur Verfügung. 2000 Maschinen (einschließlich der Flug und Zug: Der TGV-Bahnhof am Flugzeuge der Tochtergesellschaften) Deshalb wählte das amerikanische Flughafen Charles de Gaulle wurde und 18 internationalen Drehkreuzen Reisemagazin Global Traveller die 1994 eröffnet. Er bietet den Flug- bietet die SkyTeam-Allianz ihren jähr- SkyTeam Allianz zum weltweit besten gästen eine praktische Anbindung an lich 343 Millionen Fluggästen über Luftfahrtbündnis 2005. die Schnellbahn (RER), den französi- 14 000 tägliche Flüge zu über 700 schen Hochgeschwindigkeitszug TGV Zielorten in 149 Ländern. Das Drehkreuz Paris-Charles de und den Hochgeschwindigkeitszug SkyTeam Kunden genießen viele Gaulle 2 ist ein großes Plus für Air Thalys, der auf der Strecke Brüssel - Vorteile: France: Im Sommer 2005 konnte Air Paris-Charles de Gaulle verkehrt. France wöchentlich nahezu 18 000 Thalys International bringt die Flug- • Mitglieder des Vielfliegerprogramms Anschlussmöglichkeiten für Mittel- gäste schnell und bequem nach Paris- eines SkyTeam Partners sammeln und Langstreckenflüge mit einer Tran- Charles de Gaulle. Jährlich befördern auf allen SkyTeam Flügen Meilen, sitzeit von maximal zwei Stunden bie- die französischen Staatsbahnen SNCF können ihre Prämien bei allen Part- ten – und liegt damit noch vor Frank- und Thalys über 200 000 Passagiere nern der Allianz einlösen (Prämien- furt, Amsterdam oder Heathrow! für Air France. tickets usw.) und fliegen schneller Für möglichst kurze Transitzeiten glie- dem „Elite“ Status und seinen Privi- dern sich die Flugbewegungen in legien entgegen. sechs Ankunfts- und Abflugwellen. Im • Weltweit 400 Lounges Sommer 2005 wurden in Paris- • Größere Tarifauswahl zu noch mehr Charles de Gaulle täglich durch- Zielen. In Verbindung mit einem schnittlich 830 Flüge mit über 76 000 Transatlantik-, Transpazifik- oder Fluggästen (Ankunft und Abflug) abge- Interkontinentalflug mit dem Sky- fertigt. Davon waren nahezu 24 000 Team Partner ihrer Wahl, können Passagiere im Transit (das entspricht

72 73 Wie die Seiten dieses Buches zeigen, Innovationen oft zuerst in Deutschland Nachwort schaut Air France auf eine bewegte eingeführt werden. Luftfahrtgeschichte in Deutschland zurück – so wie auch die europäische Wie dieses Buch deutlich macht, zäh- Geschichte des zwanzigsten Jahrhun- len das Engagement der Mitarbeiter derts überaus ereignisreich war. Doch und die Treue unserer Kunden zu den Auch achtzig Jahre nach dem ersten eine Konstante zeichnet sich ab: Der großen Konstanten. Linienflug von Paris nach Berlin ist Wille, einen Beitrag zur Völkerverstän- Deutschland für Air France einer der digung zu leisten und den freien Deshalb feiern wir unser 80. Jubiläum wichtigsten Märkte: Die französische Personen- und Warenverkehr zu ga- des französisch-deutschen Luftver- Airline fliegt heute täglich von zehn rantieren. Dazu gehört das Bestreben, kehrs mit Blick auf Vergangenheit und deutschen Städten 56-mal nach Schwierigkeiten zu überwinden und Zukunft. Frankreich (54-mal nach Paris, zwei- im Linienverkehr stets an der Spitze mal nach Lyon). Die jüngste Strecken- der Innovation zu stehen. Patrick Alexandre eröffnung in diesem Jahr war Leipzig - und Bernard Bazot Paris. Das Einschlagen neuer Wege sieht man beispielsweise in der Einführung Die Spitzenstellung Deutschlands als moderner Serviceangebote für Unter- eine der ersten Exportnationen, die nehmen (Reisemanagement-Software, Reisefreudigkeit ihrer Bewohner und B to B Extranet) oder für das Check-in deren Schwäche für die französische (Check-in-Automaten, Online Check- Patrick Alexandre Bernard Bazot Etienne Rachou Lebensart machen Deutschland zu in). Wie bedeutend Deutschland für Generaldirektor. Deutschland-Direktor. Generaldirektor für Europa und Nordafrika. einem besonders wichtigen Auslands- den Luftfahrtkonzern Air France-KLM markt für Air France. ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass

74 75 Dank gebührt allen, die an diesem Buch mitgearbeitet haben: Michael Adami, Wolf Angebauer, Ber- nard Bazot, Alfred Grosser, Wolfgang Häg, Michel Juhel, Julia Lange, Inés Limper-Damon, Hans-Joachim Maack, Otto Meyer, Jean-Pierre Pascal, Evelyne Planet, Manfred Räder, Ute Raffauf, Jean-Pierre Ravet, François Rude, Lucien Rousseaux, Helmut Scherret, Jean F. Signoret, Frank Thiébaut, Robert Wattiez, Udo Zinsser. Fotos und andere Unterlagen stellte das Musée Air France, Paris.