9 Rückspi gele Informationen und Berichte aus der Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit Nr. 2 / März 200

Das Thema: 1968 und die Katholische Jugendarbeit

Das historische Datum 100. Geburtstag von Augustinus Reineke 60 Jahre Pax Christi Franz Stock zum 60. Todestag Die Anfänge des BVB 09 40 Jahre KJG 25 Jahre Jugendhof Palotti-Haus in Olpe

Das historische Dokument Die Liedarbeit Jupp Stemmrichs Gesangbuch „Kirchenlied“

Neues aus der Dokumentationsstelle Bücher Veranstaltungen Editorial

Inhalt

Das Thema: 1968 und die Katholische Jugendarbeit Liebe Leserinnen und Leser, • Das Jahr 1968: Kontext, Ereignisse, ideengeschichtliche Anknüpfungen 3 In der zweiten Ausgabe liegt der „Rückspiegel“ mit Berichten und Informationen aus der Do- • Ein neuer Blick auf die „Gruppe“ – Teil 1: Reflexe der 68er auf die kumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit bzw. zur Geschichte katholischer Jugendarbeit pädagogische Debatte in der kirchlichen vor Ihnen. Jugendarbeit am Beispiel des Streits um Im Themenschwerpunkt scheint noch einmal das Jahr 1968 auf. Dieses Epochenjahr, dessen die Gruppendynamik 8 2008 in mannigfachen Bezügen gedacht wurde, stand in der Perspektive seiner Rückwirkungen • Ein neuer Blick auf die „Gruppe“ – Teil 2: Die „Hardehauser Kurse“ – auf die katholische Jugendarbeit im Zentrum der jährlichen Fachtagung der Dokumentations- ein Blick in die Unterlagen des ersten stelle in Verbindung mit dem Förderverein des BDKJ in der Erzdiözese e.V., die im Kurses von 1970 10 September 2008 in Paderborn stattfand. Wir dokumentieren hier nun in leicht überarbeiteter Das historische Datum Fassung die Referate dieser Tagung, die von verschiedenen Zugängen her insbesondere auf den • 9. Mai 1908: 100. Geburtstag von pädagogischen Paradigmenwechsel in der Gruppenarbeit verwiesen, der für die katholische Ju- Augustinus Reineke 14 gendarbeit aus dem 68er Umbruch erwuchs – ein Anhaltspunkt für eine intensive und anregen- • Pax Christi, Internationale Katholische de Diskussion im Anschluss. Der Fokus „1968“ taucht darüber hinaus auch in der Besprechung Friedensbewegung: Ein empfehlens- werter Weg für Mitglieder aus der neu eingegangener Bücher wieder auf und spiegelt sich ebenfalls in der Gründungsgeschichte aktiven katholischen Jugendarbeit. der KJG, an dessen Entstehung 1969 ein Beitrag von Michael Plöger erinnert. Gedanken eines jugend- und Ein zweiter Themenschwerpunkt ergibt sich im Teil „Das historische Dokument“: Rudolf Hoff- friedensbewegten Zeitgenossen mann schafft anhand von Liedbeispielen einen Zugang zu der insbesondere für die Kriegsjah- anlässlich des 60jährigen Bestehens von Pax Christi 2008 15 re, die Zeit des Verbots katholischer Jugendorganisationen, bedeutenden Liedarbeit von Jupp • Versöhner zwischen Erbfeinden – Stemmrich. Seine zahlreichen Liedvertonungen – die heute nur noch wenigen bekannt sind Zum 60. Todestag von Franz Stock 17 – sind kaum dokumentiert oder kommentiert, so dass dieser Artikel hierzu einen wichtigen • Ein „abtrünniges Kind“ katholischer Jugendseelsorge in . Zu den Vorstoß unternimmt. In direkter thematischer und zeitlicher Nachbarschaft ist ebenfalls an das Anfängen des BVB vor 100 Jahren 18 Erscheinen des Liederbuches „Kirchenlied“ vor 70 Jahren (1938) zu erinnern. • 40 Jahre KJG. Von der Fusion und der Im Berichtszeitraum 2008/ 2009 gab es diesmal eine Vielzahl an „runden“ Erinnerungsdaten, Suche nach einem eigenständigen in denen wesentliche Strömungen katholischer Jugendbewegung in verschiedenen Facetten Profil 19 • Jugendhof Pallotti-Haus in Olpe deutlich werden. Auch dies haben wir im Spektrum der in diesem Heft zusammengetragenen besteht seit 25 Jahren 20 Artikel einzufangen versucht. Herzlichen Dank sagen wir den recht zahlreichen Autorinnen und Autoren, die dazu mit beige- Das historische Dokument tragen haben! • In Memoriam Jupp Stemmrich. Eine Erinnerung von Rudolf Hoffmann 21 • „Kirchenlied“ – Das „Einheitsgesang- Wir wünschen Ihnen nun eine anregende Lektüre der neuen „Rückspiegel“-Ausgabe. Wie im- buch“ der katholischen Jugend- mer freuen wir uns über kritische Rückmeldungen zu diesem Heft, ebenso über Hinweise auf bewegung erschien vor 70 Jahren 25 Personen, die sich ebenfalls für den „Rückspiegel“ interessieren würden, uns aber möglicher- Neues aus der weise noch nicht im Blick waren. Dokumentationsstelle • Literatur zum Thema Gruppe in der Mit freundlichen Grüßen Bibliothek der Dokumentationsstelle – ein kleiner Überblick 26 • Christliche Arbeiterjugend 1960 bis 1995. Altablage des CAJ-Diözesan- verbandes Paderborn an die (Leiter der Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit/ BDKJ) Dokumentationsstelle übergeben 26

Vom Bücherstapel der Dokumentationsstelle 27

Veranstaltungsvorschau 30

2 Das Thema: 1968 und die Katholische Jugendarbeit

„Vierzig Jahre danach“ stand 2008 das Jahr 1968 als Mega- Formen. Georg Pahlke erläuterte am Beispiel des Streits um Ereignis im Blickpunkt der historischen Rückschau und wurde die Gruppendynamik den Wandel im Verständnis der Ju- in der öffentlichen Berichterstattung wie auch in der Aufar- gendgruppe, der für die katholische Jugendarbeit zu einem beitung durch Dokumentationen, Ausstellungen oder Buch- Paradigmenwechsel in der Gestaltung der weiteren jugend- publikationen umfangreich bedacht. Das Themeninteresse im pädagogischen Arbeit führte. Exemplarisch veranschaulichte Zusammenhang der „Zeitenwende“ 1968 richtete sich vor- schließlich Bernadette Grawe anhand der Unterlagen des ers- rangig auf die Umwälzungen in Gesellschaft, Lebensstil und ten „Hardehauser Kurses“ von 1970, wie man sich damals politischer Debatte wie auf die neuartige Protestkultur und in das Lernen am Gruppenprozess einfand, dies für die Aus- Kritik, maßgeblich getragen von der jungen Generation, die bildung eines neuen Typ von Gruppenleiter/inne/n zu nutzen den Um- bzw. Aufbruch erst ins Rollen brachte. versuchte und in welcher Weise dabei Reflexe des 68er-Ide- engutes in das Verständnis katholischer Jugendarbeit aufge- Eine Tagung zur Geschichte katholischer Jugendarbeit, ver- nommen wurden. anstaltet vom Förderverein des BDKJ und der Dokumentations- stelle für kirchliche Jugendarbeit am 06. September 2008 im Die intensive Diskussion im Anschluss an diese Beiträge ge- Liborianum in Paderborn, knüpfte daran an um zu ergründen, staltete sich „vierzig Jahre danach“ als Vergewisserung über inwiefern auch die damalige katholische Jugend von der 68er- einen gegangenen Weg in der kirchlichen Jugendarbeit, den Bewegung erfasst wurde und welche Konsequenzen daraus die Teilnehmer/innen aktuell an einer Wendemarke angelangt für die weiteren Entwicklung in der katholischen Jugendarbeit sahen. Es wurden sehr wohl die gewinnbringenden Aspek- resultierten. Die katholischen Jugendverbände gehörten nicht te des damaligen Aufbruchs für die kirchliche Jugendarbeit zu den Akteuren, die in vorderster Front die Rebellion von 1968 herausgestellt: Lernen im Gruppenprozess, Dialog, personales trugen. Dennoch setzte die mit dieser Jahreszahl bezeichnete Angebot, miteinander Leben, u.s.w.. In diesem Sinne habe gesellschaftliche Wendemarke auch für die katholische Ju- hinsichtlich des religiösen Lernens in der Öffnung überkom- gendarbeit einiges in Bewegung. Bei den Vorüberlegungen, mener Formen auch ein Wechsel religiöser Semantiken statt- wie sich die katholische Jugendarbeit im Zeitkontext von 1968 gefunden, der durchaus produktiv gewesen sei, aber stets verorten lasse, gingen die Organisatoren der Tagung von der auch kirchlichem Legitimierungsdruck habe standhalten müs- Vermutung aus, dass hier die Tendenzen der Zeit – stärker als sen. Demgegenüber wurde angemerkt, dass soziales Lernen im Politischen – vor allem auf der pädagogischen Ebene ihre am Gruppenprozess heute gegenüber eher outputorientier- Auswirkungen hatten. Dieser Spur folgten die drei Referate ten Lernbedürfnissen und der größeren Bedeutung ästheti- der Tagung, die wir im Folgenden dokumentieren. scher Aspekte eher auf dem Rückzug sei; angesichts neuer postmoderner Orientierungsproblematiken werde auch im Zunächst gab Franz Hucht eine Einführung in die Situati- Bezug auf das religiöse Lernen die Inhaltlichkeit wieder stärker on des bundesrepublikanischen Katholizismus um 1968 und betont. Die Frage nach einer angemessenen Pädagogik nach verknüpfte sie mit den Entwicklungen in der katholischen dem „Ende der Pädagogik“ in der Jugendarbeit blieb somit Jugendarbeit dieser Jahre auf der Suche nach zeitgemäßen zunächst unbeantwortet im Raum.

Das Jahr 1968: Kontext, Ereignisse, ideengeschichtliche Anknüpfungen Franz Hucht

Den Anschluss der katholischen Jugendarbeit an Kon- Im Hinblick auf das Jahr 1968 stellt sich daher die Frage: text, Ereignisse und ideengeschichtliche Grundlinien der Gilt der Mythos vom „Zäsurcharakter“ der 1968er Bewegung, „68-Bewegung“ herzustellen, ist aufgrund der Vielzahl oder bildet die Protestbewegung lediglich die „Hochwasser- der Ereignisse und Strömungen, denen kirchliche Ju- marke“ eines sich rasant beschleunigenden und tief greifen- gendarbeit ja nicht einfach nur gegenüber stand, nicht den Umbruchs, der für die Bundesrepublik endgültig die retro- leicht. Nicht nur die alltagskulturellen Lebensformen, spektive Perspektive der Wiederaufbaus durch eine prospekti- sondern auch die Kommunikationsformen der institutio- ve Perspektive des gesellschaftlichen Aufbruchs ablöste? 2 nellen Öffentlichkeit veränderten sich über den gesam- Im Bereich der katholischen Welt gilt wohl der Essener Ka- ten Zeitraum der „langen 1960er Jahre“ hinweg, was tholikentag, der als 82. Deutscher Katholikentag vom 04. bis sich an Katholikentagen und Verbänden, Diözesen oder 08. September stattfand, als das katholische Ereignis des Jah- Pfarrgemeinden ebenso zeigen ließe wie an Parteitagen res 1968 in Deutschland und bildet gewissermaßen die katho- 1 oder Gewerkschaften . lische Schnittstelle zur Protestbewegung der sog. „68er“. Hier sollen die folgenden Ausführungen beginnen, bevor es um den Standort der katholischen Jugendverbände und insbeson- dere der Jugendarbeit bzw. der Jugendverbände im Erzbistum Paderborn gehen wird.

3 Der Katholikentag Ab Anfang der 1960er Jahre machten eine Reihe junger Theologen – vorwiegend aus der sog. „Flakhelfergeneration“ – wissenschaftliche und öffentliche Karriere. Sie verstanden „Essen war anders“, so heißt es rückschauend in der offizi- sich als Vertreter einer „fragenden Theologie“, die sich an der ellen Dokumentation des Katholikentages.3 Der Katholikentag Neubestimmung des Verhältnisses von religiösem und säkula- hatte endgültig sein Gesicht verändert und erschien nicht mehr rem System abarbeiteten und theologisch die „Welt“ in ihrer als „Heerschau“ der katholischen Laienverbände, sondern als „religiösen Dignität“ ins Blickfeld stellten. Namen sind hier Jo- Forum der Diskussion. Nicht die vorbereiteten Reden, sondern seph Ratzinger, Hans Küng, Johann Baptist Metz, Franz Böck- die Diskussion der Teilnehmer sollte im Sinne demokratischer le oder Alfons Auer, diese aber auch im Verbund mit älteren Streitkultur die Ergebnisse schaffen. 6 Theologen wie z.B. Karl Rahner u. a.. Anfang der 1960er Jahre erscheinen einige Publikationen, In diesem Sinne resultierte der „Höhepunkt“ des Katho- die die katholische Welt von außen konfrontierten. Sie warfen likentages aus der Debatte über die kurz zuvor am 25. Juli der Kirche vor, sie habe vor katholischer Kleinbürgerlichkeit, 1968 erschienene Enzyklika Pauls VI.: „Humanae vitae“, die durch Unbeweglichkeit, äußerliche Sittlichkeit und geis- die im Zusammenhang der Frage nach der Weitergabe des tig–religiöse Agonie geprägt sei, kapituliert (Carl Amery: Die menschlichen Lebens die künstliche Empfänginsverhütung Kapitulation oder der Deutsche Katholizismus heute, Reinbek für unerlaubt erklärt hatte. Die deutschen Bischöfe hatten am 1963). Oder aber: Sie habe sich, insbesondere in der Person 30. August in der „Königsteiner Erklärung“ auf die Enzyklika Papst Pius XII. nicht entschieden genug gegen den Holocaust geantwortet und auf die Gewissensentscheidung der Gläubi- gestellt – ein Vorwurf, den Rolf Hochhuth in seinem 1963 ur- gen verwiesen. In einer Protestaktion beim Forumsgespräch aufgeführten Schauspiel „Der Stellvertreter“ problematisierte über die christliche Ehe verabschiedeten die über 3.000 Teil- und damit insgesamt die gesellschaftliche Debatte über das nehmer mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, in der Verhältnis der katholischen Kirche zur nationalsozialistischen sie erklärten, dem Papst „in Fragen der Methoden der Emp- Vergangenheit entzündete. fängnisverhütung nach Einsicht und Gewissen nicht folgen Nicht die Theologen, sondern Schriftsteller und Publizisten zu können“. Sie forderten „eine grundsätzliche Revision der vermochten es plötzlich, dass eine breite Öffentlichkeit über päpstliche Lehre in diesem Punkt“4. Zudem fanden auf dem „Kirchlichkeit“ oder „Christlichkeit“ diskutierte (vgl. auch Katholikentag die Gruppen des „Kritischen Katholizismus“ Heinrich Böll). Dem Verrat der katholischen Kirche und ihrer zu einem gemeinsamen „Aktionszentrum“ zusammen und Repräsentanten an der christlichen Botschaft, der Abschot- verschafften ihrem Protest erstmals in einer Art „katholischer tung der Katholiken in einem abgeschlossenen, von Klerikern außerparlamentarischer Opposition“ (KAPO) Gehör. und Verbänden getragenen Milieu sei nur entgegenzutreten durch echte Christlichkeit und ein entschiedenes Christentum, durch redliches und moralisches Handeln in der Welt, das sich letztlich auch nicht scheue, „heiße Eisen“ anzupacken.7

Katholikentag 1968 in Essen: Spruchband beim Forum „Ehe und Familie“.

Wie Christian Schmidtmann es formuliert, wirkte die Ver- Katholikentag 1968 in Essen: Vertreter des „Kritischen Katholizis- öffentlichung der Enzyklika Humanae vitae „als ähnlich „kri- mus“ bieten ihre Zeitung an. tisches Ereignis“ im Bereich des Katholizismus, wie rund ein Jahr zuvor der Tod von Benno Ohnesorg für den studentischen Auf der anderen Seite vernahm man den „Geist des Kon- 5 Bereich“. Es ging um mehr als Einzelthemen sittlicher Lebens- zils“ als „“ für die Kirche und als Geist des führung; sondern es wurde letztlich neu die generelle Identi- Dialogs und neuer Offenheit. Die Kirche selbst wandte sich tät von Kirche verhandelt. Dabei verdeutlicht insbesondere die als „pilgerndes Gottesvolk“ nun ganz der „Welt von heute“ Diskussion um die Fragen der Sexualmoral, wie sehr die Ka- zu und nahm sich der Sorgen und Nöte der Menschen in die- tholiken vom exklusiven Kirchenverständnis einer katholischen ser Welt als der Sorgen und Nöte der Jünger Christi an (vgl. Sonderwelt in einem geschlossenen Milieu Abstand nahmen insbesondere die Konzilskonstitution über die Kirche „lumen und sich – im inklusiven Sinne – immer stärker selbst als Teil gentium“ und die Pastoralkonstitution „gaudium et spes“). In der „Welt“ begriffen und auch so gesehen werden wollten. der Selbstwahrnehmung ließ das Konzil die katholische Kir- che in Deutschland jedoch diffus als eine Art „Großbaustelle“ „Mitten in der Welt“ zurück. „“Fortschritt“ und “Modernität“ wurden als Werte beschrieben, die auch in der Kirche Geltung haben sollten. Dennoch gilt festzuhalten, dass dies nicht der Ausgangs- Allerdings war keineswegs klar, welche unmittelbaren Folgen punkt einer veränderten öffentlichen Kommunikation im dies für die soziale Praxis der Katholiken in Deutschland haben Bereich des Katholizismus war. Vielmehr spiegelt schon das sollte.“8 Motto des Essener Katholikentags „Mitten in der Welt“ eine Bewegung, die die 1960er Jahre insgesamt betrifft:

4 1968 und die Katholische tung des Erzbischöflichen Jugendamtes (ebenfalls für MJ und FJ) wurden zum 01.01.1969 zusammengeführt; zugleich wurde die Jugend(verbands)arbeit Diözesanstelle von KFG/ KJG ausgegliedert.

Damit ist die Überleitung zum Praxisfeld der kirchlichen Ju- Die Frage nach zeitgemäßer Jugendarbeit ging in der zwei- gendarbeit gegeben: Die Frage nach für sie passenden Sozi- ten Hälfte der 1960er Jahre durchaus auch mit Erfahrungen alformen wurde spätestens ab der zweiten Hälfte der 1960er des Niedergangs einher: Auch im Erzbistum Paderborn wur- Jahre immer dringlicher. Aus der deutlicheren Wahrnehmung den zahlreiche verbandliche Gruppen geschlossen, so dass der Krise heraus begann man verstärkt nach zeitgemäßen For- das 1969 gewählte neue Diözesanleitungsteam zunächst men für die eigene Jugendarbeit zu suchen. mit gründlichen Erhebungen zum Gruppen- und Mitglieder- bestand der einzelnen Verbände begann. 1970 wurde eine (1) Was ist „zeitgemäße“ Jugendarbeit? empirisch-wissenschaftliche Befragung unter Jugendlichen im Erzbistum in Auftrag gegeben und durchgeführt, die ein Bild Vom 30.07. – 01.08.1965 fand in Düsseldorf das 3. BDKJ- darüber erstellte, was Jugendliche von der Kirche der Kirche Bundesfest statt und blieb deutlich hinter den Erwartungen erwarten und welche Interessen sie an kirchliche Jugendar- 9 zurück. Statt der erwarteten 100.000 Teilnehmer kamen nur beit richten.10 Dieses Material bildete eine wichtige Grundlage 30.000. Der Versuch, mit dem Veranstaltungsprogramm zu- für die angestoßene grundlegende Neukonzeptionierung der gleich Vielgestaltigkeit und Einheit der katholischen Jugend zu kirchlichen Jugendarbeit in der Erzdiözese in den Folgejah- zeigen, misslang insofern, da das Fest von den Gliedgemein- ren. schaften zu wenig mitgetragen wurde. Nach dem Bundesfest wurde eine Strukturkommission eingesetzt, deren Arbeit erst (2) Vorläufer eines pädagogischen Paradig- 1971 mit einer neuen Bundesordnung des BDKJ zum Ab- menwechsels in der Jugendarbeit schluss kam. Zwar hielt man am BDKJ fest, in der Zwischenzeit hatte man aber vor allem das Verhältnis zu den Gliedgemein- Herausgefordert durch Reformbestrebungen im Bildungsbe- schaften zu klären: Arbeitsgemeinschaft oder Dachverband reich insgesamt machte sich bemerkbar, dass der katholischen standen zur Disposition. Die Befürworter des Dachverbands- Jugendarbeit eine ausreichende Theorie zur außerschulischen modells setzten sich schließlich durch und stärkten damit die Jugendpädagogik fehlte, mit der sie sich als Bildungsinstanz Möglichkeiten einer wirksamen Interessenvertretung der ka- im außerschulischen Bereich (Stichwort Freizeitpädagogik) tholischen Jugendverbände im gesellschaftlichen und kirchli- etablieren konnte. chen Bereich. Zum anderen sah sich die kirchliche Jugendarbeit veränder- ten gesellschaftlichen „Umwelt“-Bedingungen gegenüber. Die Jugendverbände selbst sahen sich zeitgleich mit dem Die gesellschaftliche Stimmung aufgreifend unterzog etwa endgültigen Ende der bündischen Formen konfrontiert. Die das KJG/KFG-Deutschlandtreffen alles, was man einer zu- nun auch gesellschaftlich thematisierte Aufarbeitung der na- kunftorientierten Entwicklung in Kirche und Gemeinwesen im tionalsozialistischen Vergangenheit weckte ungute Erinne- Wege stehen sah, einer vorbehaltlosen Kritik: Als Christ und rungen, aber auch überkommene Gruppenkonzepte wirkten als mündiger Bürger sei man zu Einsatz und Handeln aufge- nicht mehr, äußeres Erscheinen und jugendkulturelle Formen fordert. Um dem entsprechen zu können, dürfe Jugendarbeit veränderten sich. Neue Wege suchten sie vor allem in koedu- nicht „von oben“ aufgesetzt sein.11 kativen Praxisformen, die nach und nach durchgesetzt wur- Dies war in den unattraktiv gewordenen traditionellen Grup- den; innerverbandliche Demokratisierung und Modernisie- penformen nicht zu erreichen, das überkommene „Jungfüh- rung wurden vorangebracht: rertum“ war nicht länger haltbar. – „Wir sahen den Auftrag der außerschulischen Bildung und Erziehung und damit auch • 1967 fusionierten die beiden Landjugendverbände KLJB-F und KLJB-M der kirchlichen Jugendarbeit darin, die jungen Menschen zu zu einem gemeinsamen Verband von Frauen und Männern. befähigen, mit den veränderten gesellschaftlichen Bedingun- • Bund Neudeutschland und Heliand gaben sich parallel im Dezember gen fertig zu werden.“12 1967 neue Namen und waren fortan die Katholische Studierende Jugend – Schülergemeinschaft im Bund Neudeutschland sowie der Heliand Mädchenkreis – Katholische Studierende Jugend, bevor sie 1971 in Form einer Arbeitsgemeinschaft mit gemeinsamer „Platt- form“ zur KSJ zusammenfanden. • Die DPSG hielt im Juni 1969 letztmals ihren Bundesthing ab, aus dem die Bundesversammlung wurde; in einem längeren Prozess unter dem Motto „Expansion“ suchte man nach neuen Formen ei- nes modernen Pfadfindertums, nach innerverbandlicher Demokra- tisierung und öffnete den Verband für die Aufnahme von Mädchen (neue Bundesordnung 1971). • Die KJG bildete sich im Juli 1969 durch den Grundsatzbeschluss über den Zusammenschluss der pfarrlichen Gemeinschaften Katho- lische Frauenjugendgemeinschaft (KFG) und Katholische Jungmän- nergemeinschaft (KJG) zu einem gemeinsamen Verband. Das ge- meinsame Deutschlandtreffen von KJG und KFG zu Pfingsten 1968 in Münster kündigte mit seinem „Aktionsprogramm“ – durchaus beflügelt von der Proteststimmung des Jahres 1968 – neue Formen verbandlicher Aktion in den Schwerpunkten Pfarr- und Bürgerge- meinde, Gesellschaft/ Frieden, Begegnung der Geschlechter sowie Freizeit an. • Die Diözesanversammlung des BDKJ im Erzbistum Paderborn fasste Katholikentag 1968 in Essen: Szenisches Oratorium „Macht Frieden“ 1968 den Beschluss, auf allen Ebenen gemeinsame Führungen zu im Jugendprogramm des Katholikentags. bilden. Die Diözesanstellen des BDKJ MJ und FJ sowie die Verwal- 5 Das inhaltliche und konzeptionelle Bemühen um „Grup- dehausen versetzt wurde; wenig später gab er sein Priester- penleiterbildung“ (anstelle der bisherigen „Führerschulun- amt auf.15 gen“) war eine Antwort, an der im Bereich der Mannesjugend des Paderborner BDKJ etwa ab 1966 gearbeitet wurde. Die (4) „Erziehung als Befreiung“ – Gruppenpädagogik wurde zum Orientierungspunkt. Man eine andere Art der Rezeption der christli- versuchte, die Bedürfnisse der jungen Menschen stärker zum chen Botschaft Ausgangspunkt des Handelns in der Jugendarbeit zu machen ( – die Jugendlichen dort abzuholen wo sie stehen – ) und erkannte die Notwendigkeit, erwachsene Mitarbeiter für die Jugendarbeit zu gewinnen. Ebenfalls spielten projektorientier- te Ansätze, insbesondere in (Lern)Feldern des sozialen Enga- gements eine größere Rolle: Die Aktion „Flinke Hände – flinke Füße“ der DPSG entstand 1963; die „Aktion Jugenddorf“ des BDKJ-Diözesanverbandes Paderborn wurde 1965 ins Leben gerufen und erreichte 1969 mit der Eröffnung des Jugenddor- fes Rietberg ihr Ziel. Die gruppenpädagogische Diskussion beflügelte insbeson- dere bei den Jugendverbänden – in Abgrenzung zur sog „Of- fenen Arbeit“ – auch die Entwicklung der Projektmethode.13

(3) Demokratie in der Kirche

Im Zusammenhang der Fragen nach der Umsetzung der Konzilsbeschlüsse fanden Anfang 1969 mehrere bemerkens- werte Studientagungen des BDKJ-Diözesanverbandes Pader- Vom 28.04. bis 01.05.1972 fand in der Pädagogischen born zu den Themen „Demokratie und Demokratisierung in Hochschule in Bielefeld mit rund 370 Teilnehmerinnen und der Kirche“ (an drei Terminen im Januar 1969) und „Legitime Teilnehmern erstmals ein diözesaner Mitarbeiterkongress 16 und unerlaubte Formen der Opposition in der Kirche“ (ein Ter- statt. Mit dieser Großveranstaltung wollte das BDKJ-Lei- min im Februar 1969) statt.14 Der damalige Diözesanjugend- tungsteam die bisher gegangenen Ansätze zu einer systema- seelsorger der Frauenjugend und Rektor des Jugendhauses tischen und auf längere Sicht geplanten Jugendarbeit nach Hardehausen, Klaus Dröge, lud dazu als Referenten den hol- modernen Konzeptionen bündeln, ihnen Breitenwirkung ländischen Dominikanerpater Karl Derksen ein. Er entfaltete verschaffen und den Informations- und Erfahrungsaustausch seine Thesen auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen in Hol- stärken. Von den Arbeitsformen her setzte man verstärkt auf land. Hier war bereits ab 1966 ein Pastoralkonzil einberufen Arbeitskreise (bzw. „Workshops“) zur Bearbeitung konkreter worden, das sich mit der Erneuerung der niederländischen Einzelthemen; in einem großen Forum machten die Verbän- Ortskirche im Sinne des Konzils befasste. de und Initiativen der Jugendarbeit mit Info-Shops auf ihre Derksen bezog sich auf das Modell des holländischen Pasto- Themen aufmerksam; zu Beginn wurden die Ergebnisse der ralkonzils als Vorbild der Umsetzung des Konzils unter Einbezie- wissenschaftlichen Leitstudie „Was die Jugend von der Kirche 17 hung demokratischer Arbeitsformen. Diese entsprächen einer erwartet“ in Form einer Show präsentiert; zwar wurde die Kirche im Sinne Jesu, weil sie Frieden, Gerechtigkeit, Dienst, Programmatik des Kongress-Mottos „Erziehung als Befreiung Brüderlichkeit und Dialog förderten. Mit Blick auf die Grün- dung der neuen Räte der Mitverantwortung wurde betont, dass dies auch in den Strukturen der Kirche sichtbar werden müsste. Ebenso müsse sich das kirchliche Wahrheitsverständ- nis unter Einbeziehung von Sachverstand, Mitverantwortung und Öffentlichkeit zu einem dynamischen Verständnis weiten. Da die Kirche auch eine gesellschaftliche Institution sei, sei auch Opposition in ihr legitim, und zwar immer dann, wenn ein Konflikt bestehe zwischen dem, was Kirche ist und dem was sie sein sollte. Daher müsse die Kirche der Dynamik und dem Konflikt in ihr mehr Raum lassen, den Glauben auch der Kritik aussetzen, und darin – im Unterschied zum Kirchenbild des mystischen Leibes Christi – den Weg des Volkes Gottes gehen. An der Diskussion über Demokratie in der Kirche nahm auch Weihbischof Nordhues teil (Tagung am 25./26.01.1969 in Hardehausen), was von den Teilnehmern begrüßt wurde. Er Infostände/ Markt der Möglichkeiten beim Kongress '72 in Bielefeld. schränkte jedoch die Möglichkeiten von Demokratie und Kri- tik in der Kirche mit Verweis auf das kirchliche Amtsverständ- – der junge Mensch als Partner“ in Form eines Referates ent- nis und die Grenzen einer prozesshaften Wahrheitsfindung faltet, aber es gab ebenso Gelegenheit für Ad-hoc-Diskussi- wieder ein. Auf Unverständnis stieß auch die Verweigerung onsgruppen oder Flugblattaktionen (mittels bereitgestellter der Handkommunion in der gemeinsamen Eucharistiefeier im Vervielfältigungsmaschine). Rahmen der Tagung. Trotz dieser hier erstmals gewählten bewusst offenen Ar- Im Raum stehende und in ihrer Bedeutung erkannte Kon- beitsform wurde von den Teilnehmenden umfangreiche Kritik fliktthemen konnten also nicht gelöst werden. Auch für den geäußert. Zwar lag es im Trend Kritik zu üben, aber offensicht- Diözesanjugendseelsorger Dröge spitzten sich in der Folge lich war einem Großteil die inhaltliche Richtung nicht klar ge- dieser Tagungen Differenzen mit der Bistumsleitung so zu, worden. Zwar sollte die katholische Jugendarbeit ausgehend dass er schließlich aus dem Amt entlassen wie auch aus Har- von der befreienden Botschaft Jesu Christi jungen Menschen

6 Anmerkungen: 1 Vgl. Thomas Großbölting: Als Laien und Genossen das Fragen lernten. Neue Formen institutioneller Öffentlichkeit im Katholizismus und in der Arbeiterbe- wegung der sechziger Jahre, in: Matthias Frese/ Julia Paulus/ Karl Teppe (Hrsg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wen- dezeit der Bundesrepublik, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 2005, S. 147 – 179, S. 149ff 2 Vgl. ebd., S. 149 3 Franz-Maria Elsner: Essen war anders. Rückblick auf den 82. Deutschen Katholikentag aus der Essener Perspektive, in: Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Hrsg.): Mitten in dieser Welt. 82. Deutscher Katholikentag vom 4. September bis 8. September 1968 in Essen, Paderborn 1968, S. 15 – 64 4 Zit. nach David Andreas Seeber: Katholikentag im Widerspruch. Ein Bericht über den 82. Katholikentag in Essen, Freiburg/ Basel/ Wien 1968, S. 79f. 5 Christian Schmidtmann: Vom „Milieu“ zur Kommunikation. Katholische Kir- Ad-hoc-Diskussionsrunde beim Bielefelder Kongress. che und Katholiken in den 1960er Jahren, in: Bernd Hey/ Volkmar Wittmütz (Hrsg.): 1968 und die Kirchen, Bielefeld 2008, S. 269 – 281, S. 279; vgl. diesen Hilfen geben, sich von umfassenden menschlichen Zwängen Artikel auch i. F. zu befreien und dabei auch autoritäre Strukturen überwin- 6 Vgl. dazu ebd., S. 272f den, allerdings wurde bemängelt, dass insbesondere dieses 7 Vgl. ebd., 274f Schwerpunktthema in Referatsform entfaltet wurde und zu 8 Ebd., S. 277 wenig in offener Diskussion besprochen werden konnte. Kritik 9 Vgl. BDKJ-Journal, Sonderausgabe zum 50jährigen Bestehen des BDKJ, hrsg. vom BDKJ-Bundesvorstand, 1997; Martin Schwab: Kirche leben und Gesell- gab es auch an der Leitung, die zu zurückhaltend agiert und in schaft gestalten. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in der personam zu wenig präsent gewesen sei. Die Zeit in den Ar- Bundesrepublik Deutschland und der Diözese Würzburg 1947 – 1989, Würz- beitskreisen sei zu kurz, für die Infostände dagegen zu viel Zeit burg 1997, S. 145ff gewesen, ohne dass dort Kommunikation wirklich entstanden 10 Josef Scharrer (Hrsg.): Was die Jugend von der Kirche erwartet. Konsequen- zen aus einer Umfrage, Limburg 1971 sei. Oft wurde auch das Konsumentenverhalten kritisiert. Ins- 11 Vgl. den Bericht in: Information des BDKJ im Erzbistum Paderborn, hrsg. von besondere Mitglieder der KSJ und der CAJ versuchten dem der Diözesanjugendführung des BDKJ im Erzbistum Paderborn, 2. Jahrg. 1968, entgegenzuwirken und die Teilnehmer durch Flugblattaktio- Heft 2, S. 33f nen und spontane Diskussionsrunden zu aktivieren. 12 Willy Hane: Jugendarbeit auf wissenschaftlicher Grundlage – Thesen zur Der Kongress von 1972 verdeutlichte somit in charakteristi- kirchlichen Jugendarbeit der 60er Jahre, in: BDKJ-Diözesanverband Paderborn (Hrsg.): Die wilden 60er und ihre Enkel – Was ist aus dem Aufbruch geworden? scher Weise, wie weit der im Gefolge der 1968er Umbrüche Dokumentation einer Tagung des Fördervereins des BDKJ in der Erzdiözese Pa- eingeschlagene Weg auf eine modernere, pädagogisch neu derborn e.V. und der Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit vom 10. konzipierte und systematisch geplante kirchliche Jugendarbeit Mai 1996, Eigenverlag, Paderborn 1997, S. 37 – 43, S. 38 bis hierhin gegangen war. Es blieben noch genügend Lernfel- 13 Hinweis bei Hermann Steinkamp: Die wilden 60er und ihre Enkel – Was ist aus dem Aufbruch geworden? in: BDKJ-Diözesanverband Paderborn (Hrsg.): Die der offen. wilden 60er, S. 5 – 18, S. 7ff; vgl. auch Ulrich Berntzen/ Klaus Göbel/ Hermann Steinkamp: Projekte (Team-Werkbuchreihe, Bd. 3, hrsg. im Auftrag der Bundes- führung der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg), Düsseldorf 1967 14 Vgl. – auch i. F. - die Unterlagen der Jahreskonferenz des BDKJ-Diözesanver- bandes Paderborn am 29/30.03.1969 in Hardehausen, Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit, A 1.31 III,1 15 Vgl. ebd.; ferner Georg Pahlke: Von „Heim und Burg“ zum „Ort der Nicht- alltäglichkeit“. Das Jugendhaus Hardehausen – gegründet 1945, in: Konrad Schmidt (Hrsg.): Hardehausen nach 1803. Dem Erbe verpflichtet – offen für die Zukunft, Paderborn 2006, S. 173 – 214, S. 192 f 16 Vgl. – auch i. F. – die Unterlagen zum Kongress '72 für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit des Erzbistums Paderborn ”Erzie- hung als Befreiung – Der junge Mensch als Partner”, vom 28.04. - 01.05.1972 in Bielefeld, Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit, A 1.2305 17 Josef Scharrer (Hrsg.): Was die Jugend von der Kirche erwartet. A.a.O

Flugblatt der KSJ beim Bielefelder Kongress: „Emanzipation ist „in“!! – Die kreativ-kritische, emanzipatorisch-antiideologische, ein- deutig handlungskritische, im Wesen der Endlichkeit des Menschen fundierte, ja geradezu systemfeindliche, klerikale Jugendpädagogik, muß das spezifische Engagement angesichts der unaufhebbaren Grundsituation von Resignation und Skepsis „progressiv“ aufarbei- ten, um in der homogenen Großgruppe, angesichts der heterogenen Gesellschaft sozial-integrativ motiviert wirken zu können. – Wer diese einfachen Weisheiten nicht beherrscht, ist ungeeignet zum Leiter in der kirchlichen Jugendarbeit.“ 7 Ein neuer Blick auf die „Gruppe“ – Teil 1: Reflexe der 68er auf die pädagogische Debatte in der kirchlichen Jugend- arbeit am Beispiel des Streits um die Gruppendynamik Georg Pahlke die „neuen“ Gruppenleiter (der Begriff Führer wurde mehr Bis in die zweite Hälfte der 1960er Jahre war für jeden, und mehr suspekt), dass Sympathie und Antipathie in einer der in der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg Ver- Gruppe normal und Konflikte nicht von vornherein negativ antwortung trug, sei es als Kornet (Führer der Sippe als zu bewerten sind, sondern die Gruppenentwicklung positiv kleinster Gruppeneinheit), als Truppführer, Stammesfüh- beeinflussen können. Das Instrument des Soziogramms, das rer oder auf regionaler Ebene, der Georgspfadfinder ein Erl Gruppenleitern als Technik empfiehlt, um das Beziehungs- unverzichtbares Handbuch. Unter den Stichwort „Sippe“ geschehen in ihrer Gruppe zu verstehen, verdeutlicht einer- heißt es in der vierten Auflage von 1960: „Die Unter- seits den realistischen Blick auf die Gruppe. Andrerseits muss schiede des Berufes und der Herkunft, der Bildung und aber auch gefragt werden, ob diese Methode der Soziometrie des Standes spielen in der Sippe keine Rolle mehr. Hier ehrenamtliche Jugendgruppenleiter nicht weit überforderte. 1 ist jeder jedes Bruder.“ Und an gleicher Stelle: „Jede Immerhin wird es für manchen Gruppenleiter erstaunlich ge- einzelne Sippe hat ihr eigentümliches Gemeinschaftside- wesen sein, dass Gruppenmitglieder innerhalb der Gruppe al, es ist das Zusammenfließen ihrer Kräfte aus der idea- 2 bestimmte Rollen einnehmen können und diese nicht in erster len Gesinnung und Arbeit der einzelnen Pfadfinder.“ Linie normativ bewertet, sondern kreativ eingesetzt werden sollen. Jeder altgediente Gruppenführer müsste eigentlich Die in diesen Zitaten zum Ausdruck kommende romantisch- über die Aussage gestolpert sein, ein guter Gruppenleiter idealistische Sicht der Gruppe als „Lebensgemeinschaft“ ist habe die Aufgabe, die Eigenwerte der Gruppe zu entfalten. keinesfalls verbandsspezifisch als Ausdruck pfadfinderischer Waren Werte nicht durch den Bund, den Verband, die Kirche Mentalität zu verstehen, sondern entspricht dem Verständnis ... vorgegeben? von Gruppe, wie es aus der Jugendbewegung über die katho- Die Kritik an dem Paradigmawechsel ließ nicht lange auf lische Jugendarbeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg bis sich warten. Sie kam nicht aus der Jugendarbeit selbst, son- in die 1960er Jahre allgemein akzeptiert war. Es lassen sich mit dern von außen, im kirchlichen Bereich in erster Linie von großer Wahrscheinlichkeit ähnliche Aussagen auch bei ande- rechtsaußen. Die Gebrüder Clemens und Rudolf Willeke und ren Verbänden und Bünden der damaligen Zeit finden. Henning Günther6, alle drei Schulpädagogen aus dem Erzbis- Junge Menschen, die ab Ende der 1960er Jahre im Rahmen tum Paderborn, nahmen sich die Gruppendynamik als Ganze der katholischen Jugendarbeit an Gruppenleiterausbildungen vor, differenzierten aber kaum zwischen gruppendynamischen teilnahmen, kamen mit einem nicht minder weit verbreiteten Elementen, die in die Jugendarbeit Eingang gefunden hatten „Handbuch“ in Berührung, Willi Erls Gruppenpädagogik in 3 und dem vielfältigen und differenzierten, teilweise schon An- der Praxis . In diesem Bändchen wird ein ganz anderes Bild fang der 1970er Jahre kaum noch überschaubaren „System von der Jugendgruppe gezeichnet: „Die Zeiten sind vorbei, da Gruppendynamik“. begnadete Leiter, charismatische Führernaturen, intuitiv, nur Verbunden mit einer in kirchlichen Kreisen verbreiteten Por- mit Talent, ohne besonderes Training Gruppen wirksam leiten 4 tion Antikommunismus und Antisozialismus sahen sie in allen konnten.“ Was bedeutete das anders als den Abschied vom Veranstaltungen, in denen gruppendynamische Elemente eine Idealismus und die Hinkehr zu einer „realistischen Wende“ in Rolle spielten, die Gefahr, dass das „alte“ Ich zugunsten ei- der Gruppenpädagogik? nes „Gruppen-Ichs“, sprich eines Kollektivismus, abgeschafft Wenn die gesellschaftlichen Umbrüche, die gemeinhin mit würde.7 Damit entsprach ihrer Meinung nach das Ideal der dem Jahr 1968 verknüpft werden, in der katholischen Ju- Gruppendynamik dem Grundmuster einer „faschistischen gendarbeit ihren Niederschlag gefunden haben, so manifes- Gesellschaft“, da die „Teilnehmer im Idealfall alles von der tiert sich dieser in erster Linie in dieser „realistischen Wende“ Gruppe annehmen und alles an die Gruppe zurückgeben“8. der Gruppenpädagogik. Das hatte allerdings nicht nur für das Pikanterweise wurde die gleiche Gruppendynamik von lin- Verständnis von Gruppe sondern weit darüber hinaus weit rei- ker Seite als „individualistisch bis hin zum Egoismus“ (Haja chende Folgen. Molter) kritisiert.9 Es entwickelte sich für alle, die Formen der Bleiben wir noch bei Erls Gruppenpädagogik. Was erfuhr Gruppendynamik in die pädagogische Arbeit übernahmen, der 16-jährige Gruppenleiter hier eigentlich Neues über sei- eine paradoxe Situation. Standen sie doch auf der einen Sei- ne Jugendgruppe und seine Rolle als Leiter? Zunächst einmal te im Verdacht, die bürgerliche Gesellschaft und ihre Normen sollte ihm bewusst werden, dass es nicht in erster Linie auf revolutionär verändern, tragende Institutionen wie die Familie seine „Kernigkeit“, sein Charisma, seine „Verwurzelung“, ja abschaffen oder doch zumindest in ihrer Funktion beschnei- nicht einmal sein Talent ankam, sondern auf die Bereitschaft den zu wollen und so „ich-schwache“10 Revolutionäre zu pro- zur und auf die Qualität der Ausbildung: „Die Talente müssen duzieren sowie Glaube und Religion durch Psychotechnik zu durch Training entfaltet und gepflegt werden. Gute Ausbil- 11 5 ersetzen , während ihnen andererseits vorgeworfen wurde, dung kann fehlendes Talent aufwiegen.“ Die Bildungseupho- letztlich das kapitalistische System zu stützen und zur Steige- rie der 1960er Jahre war damit in der Jugendarbeit angekom- rung des Profits beizutragen12, denn, so Brügge, als „subtilste men. Gemeinschaftsübung des Spätkapitalismus [erwecken grup- Dies war aber nicht das einzige, was zum „Paradigmawech- pendynamische Formen] nicht politische Lebensgeister“13, sel“ beitrug. Bisher war das Ideal der (männlichen) Gruppe die sondern fördern eher die hohe Schule der Anpassung. verschworene Gemeinschaft, in der „jeder jedes Bruder“ war Die von Willeke und anderen im innerkirchlichen Bereich und Konflikte normativ aufgrund einer von allen akzeptierten massiv vorgetragenen Bedenken fanden auch in der Bis- Moralplattform gelöst wurden. Der Autorität des Gruppen- tumsleitung Gehöhr. Als Beispiel dafür sei hier nur auf einen führers wurde dabei der Vorzug gegeben vor einer kommu- Aufsatz des damaligen Paderborner Weihbischofs Paul Josef nikativen Konfliktlösung innerhalb der Gruppe. Jetzt lernten Cordes, veröffentlicht 1978 in der internationalen theologi-

8 schen Zeitschrift Communio unter dem Titel Gottesbegeg- dies bei Abwägung von Chancen und Gefahren vertretbar nung durch Psychotechnik, hingewiesen14. Cordes sieht in ist.“20 der gruppendynamischen Bewegung für Kirche und Glaube Kehren wir eine Bedrohung, auf die an dieser Stelle inhaltlich nicht näher zurück ins Erz- eingegangen werden kann. Von Interesse ist in diesem Zu- bistum Pader- sammenhang aber die Person des Autors und der Ort der Ver- born, in dem öffentlichung. , Weihbischof in Paderborn, die „realistische wurde zwei Jahre später zum Vizepräsidenten des Päpstlichen Wende“ der Rates für die Laien nach Rom berufen. Die Zeitschrift Commu- Gruppenarbeit nio, 1972 u. a. von Joseph Ratzinger als internationale theo- ihre eigenen logische Zeitschrift gegründet, verstand sich als konservativer h i s t o r i s c h e n Gegenpol zu der von Karl Rahner, Johann Baptist Metz, Hans Facetten hat. Küng und anderen nach dem Konzil 1965 gegründeten Zeit- Nach ersten schrift Concilium. Versuchen mit Trotz solcher Vorbehalte wurde der „Paradigmawechsel“ der „neuen“ zumindest für den Bereich der katholischen Jugendarbeit in G r u p p e n p ä - der Synode der Bistümer 1975 „geadelt“. Der Beschluss Ziele dagogik à la 15 Moderationsmethode mittels der Flanelltafel. Die Pappkärt- und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit , in dem die „reflek- Willi Erl, die chen wurden auf der Rückseite mit Schleifpapier beklebt, tierte Gruppe“ als die Form der kirchlichen Jugendarbeit ge- sich äußerlich das auf dem Flanelltuch haftete. (Leider war die Fotorepro- fordert wird, erkennt die „realistische Wende“, die sich seit vor allem in duktion nicht in besserer Qualität möglich.) knapp zehn Jahren in der Praxis entwickelt hatte, durch ein Flip-overs, dem offizielles Dokument an, wenn auch diese Anerkennung nicht Masseneinkauf von Tapeten-Restrollen und in der Einführung unumstritten bleibt. Überhaupt kommen in diesem Dokument von Flanelltafeln zeigte, wurde mit dem Hardehauser Kurs Grundgedanken der „Kulturrevolution von 1968“ in der kirch- eine Ausbildung für Mitarbeiter in der Jugendarbeit konzi- lichen Jugendarbeit an, wenn es u. a. heißt, dass Mitarbeiter piert, die die Entwicklungen der Gruppenpädagogik/ Grup- in der kirchlichen Jugendarbeit bereit sein müssen, „Fragen zu pendynamik aufnahm und durch den Synodenbeschluss mit hören und auszuhalten“ oder von ihnen gefordert wird, bereit seinem Konzept der „reflektierten Gruppe“ innerkirchlich zu sein, „überkommenes Normverständnis und überkomme- eine offizielle Bestätigung bekam. Durch die Arbeit von Horst- 16 ne Verhaltensmuster in Frage zu stellen“ . Günther Schöpping21, der seit 1976 die Hardehauser Kurse Hermann Steinkamp, Mitglied der Synode und damals Pro- weiterentwickelte und ihre theoretische Grundlage fixierte, fessor für Pastoraltheologie in Münster, verschärft die Aussa- entstand ein Gegenmodell zu Steinkamps Entwurf, weniger gen der Synode zwei Jahre später noch einmal, indem er die gesellschaftskritisch, dafür eher pragmatisch und möglicher- „reflektierte Gruppe“ zur methodischen Leitidee katholischer weise praxisnäher, zumindest wenn es um die Ausbildung eh- Jugendarbeit erklärt, in der es vor allem auf die Metakom- renamtlicher Mitarbeiter ging. munikation über Prozesse, Ereignisse, Interaktionen und die damit verbundenen Gefühle und Einstellungen ankommt. Da- Anmerkungen: mit geht Steinkamp über das von Erl vertretene Konzept einer 1 Der Georgspfadfinder. Handbuch für Pfadfinder, Düsseldorf 1960, S. 115 Gruppenpädagogik hinaus, die er lediglich als ein Instrument 2 ebd. 3 Willi Erl: Gruppenpädagogik in der Praxis. Einführende Berichte, Tübingen sieht, um vorgegebene pädagogische Ziele besser zur verwirk- 1967, 7. Aufl. lichen. Steinkamp wirft der Gruppenpädagogik vor, sie „ver- 4 ebd., S. 17 sorge“ Gruppen mit Zielen, Aufgaben und einer Leitung und 5 ebd. verhindere damit lediglich, dass diese nicht zerfallen.17 Statt 6 Clemens Willeke/ Rudolf Willeke/ Henning Günther: Kritische Beiträge zur Gruppendynamik, Stuttgart 1975 zur Autonomie beizutragen, führe die klassische Gruppenpä- 7 vgl. Clemens Willeke/ Rudolf Willeke: Gruppendynamik. Ein kritischer Beitrag dagogik dazu, im Sinne von Lehrplänen „oben“ ausgedachte zu einem neuen pädagogischen Konzept, in: Willeke u. a.: Kritische Beiträge, 18 und ausgearbeitete Programme umzusetzen. Damit passe S. 23 sich, so argumentiert Steinkamp im besten Sinn der kritischen 8 ebd., S. 26 Theorie, die Jugendarbeit an den Mechanismus des kapitalisti- 9 vgl. Haja Molter: Wie human ist die „Humanistische Psychologie“? Statt „Selbstverwirklichung“: Soziales Handeln!, in: Claus Henning Bachmann schen Marktes an. Er führt damit in die katholische Jugendar- (Hrsg.): Kritik der Gruppendynamik. Grenzen und Möglichkeiten sozialen Ler- beit ein explizit gesellschaftskritisches Moment ein, das seiner nens, Frankfurt 1981, S. 64 Option für ein Lernen am Gruppenprozess gegenüber einem 10 vgl. Willeke/ Willeke, Gruppendynamik, S. 28-31 Lernen an Inhalten genauso entspricht wie der Forderung, die 11 vgl. Henning Günther: Legitimationsversuche der Gruppendynamik, in: Wil- leke u. a.: Kritische Beiträge, S. 41-43 schon von der Synode erhoben wurde, überkommene Nor- 12 vgl. Walter Giere: Gruppendynamik und politische Bildung, in: Klaus Horn men in Frage zu stellen. Der Breitenwirkung seiner Forderun- (Hrsg.): Gruppendynamik und der „subjektive Faktor“. Repressive Entsublimie- gen bringt er allerdings selber eine gewisse Skepsis entgegen: rung oder politisierende Praxis, Frankfurt 1973, 2. Aufl., S. 380 „Ein Mitarbeiter der Kirchlichen Jugendarbeit soll die Lernbe- 13 Peter Brügge: „Ich lasse mich nicht auseinandernehmen“, in: Horn: Grup- reitschaft entwickeln, überkommene Normen in Frage zu stel- pendynamik, S. 236 14 Paul Josef Cordes: Gottesbegegnung durch Psychotechnik. Zum Emotions- len. Das verdient deshalb Erwähnung, weil dieser Gedanke im moment im Glaubensvollzug, in: Communio 7 (1978) Heft 2, S. 166-181 kirchlichen Erziehungsdenken noch so ähnlich beheimatet ist 15 vgl. Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. wie die heilige Familie in Bethlehem.“19 Beschlüsse der Vollversammlung. Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg/ Basel/ Steinkamp ist aufgrund seines gesellschaftskritischen und Wien 1976, 5. Aufl., S. 288-311 16 ebd., S. 299 gruppendynamischen Ansatzes in innerkirchlichen Kreisen hart 17 vgl. Hermann Steinkamp: Jugendarbeit als soziales Lernen. Ziele und Aufga- kritisiert worden; kaum ein Kritiker scheint aber seine Selbst- ben kirchlicher Jugendarbeit, München/ Mainz 1977, S. 24-27 zweifel wahrgenommen zu haben, die er so formuliert: „Bis 18 vgl. ebd, S. 30 heute gibt es keine empirisch gesicherte Aussagemöglichkeit 19 ebd., S. 56 darüber, ob nicht eine gute »handwerkliche« Gruppenpäd- 20 ebd, S. 29 21 Horst-Günther Schöpping: Gruppenleitung und Gruppeneigene Führung. agogik für das Praxisfeld Jugendarbeit adäquater ist als der Praxistheoretische Modelle für methodisches Arbeiten mit Gruppen, Wiesbaden Versuch, die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter in einem Maße 1982 zu gruppendynamischer Arbeit in Gruppen zu befähigen, dass 9 Ein neuer Blick auf die „Gruppe“ – Teil 2: Die „Hardehauser Kurse“ – ein Blick in die Unterlagen des ersten Kurses von 1970

Bernadette Grawe

Ende der 1960er Jahre bläst mit der neu entstehenden „Gruppendynamik“ bundesweit ein neuer Wind in der Jugendbildungsarbeit. Die Gruppendynamik als ein neu- es Konzept der Gruppenarbeit betrachtet nicht so sehr die pädagogische Förderung des Einzelnen, sondern geht viel stärker von den Konflikten in einer Gruppe aus und will diese für die Gruppenprozesse nutzbar ma- chen. Im Erzbistum Paderborn sollte diese neue Richtung in einem „Hardehauser Kurs“ aufgegriffen werden. Das Erzbischöfliche Jugendamt verband mit dem Experiment des ersten Kurses das Ziel, Erwachsene, Laien aus den Gemeinden für die damals „daniederliegende“ Jugend- verbandsarbeit zu gewinnen und zu schulen. Im „Club“ beim sechsten „Hardehauser Kurs“ vom 23. März bis 02. Seit Ende der 1950er Jahre hatte sich die Jugendbildungsar- April 1972. beit und auch die Soziale Gruppenarbeit eher auf gruppenpä- Erprobungen in einer so genannten „Lernkontrolle“ schon dagogischen Prinzipien gestützt, wie sie Magda Kelber dann 1 vor Ort gegeben waren. Die Arbeit, die mit den Jugendlichen in den 1960er Jahren genauer beschrieb : Individualisieren in diesen Wochen lief, wird in der Akte bezeichnenderweise – mit der Stärke arbeiten – anfangen wo die Gruppe steht ... nicht dokumentiert. Damit ist schon mal klar: Es geht um Er- – ... und sich mit ihr ihrem Tempo entsprechend in Bewegung wachsenenbildung – Erwachsene sollen für die Jugendarbeit setzen – Raum für Entscheidungen geben ... – ...und notwen- ausgebildet werden. dige Grenzen positiv nutzen – Zusammenarbeit mehr pflegen als Einzelwettbewerb – sich überflüssig machen. Ziel des Kurses war – so kann man dem Programm, den Auch wenn später, als Horst-Günther Schöpping als Re- beigefügten Protokollen, den Medienveröffentlichungen und ferent des Erzbischöflichen Jugendamtes und des BDKJ in dem abschließenden Bericht der Kursleitung entnehmen – die Paderborn ab 1976 die Kurskonzeption überarbeitete und Einübung partnerschaftlichen Verhaltens im Umgang systematisierte, diese alten gruppenpädagogischen Prinzi- mit jungen Menschen. Um dieses Ziel zu erreichen, „un- pien wieder rehabilitiert wurden, so muss man den Beginn, terzogen sich die Teilnehmer einer ständigen Reflexion über die Konzeption der ersten sechs Jahre der Hardehauser Kurse den sich in diesem Kurs vollziehenden Gruppenprozess. Die- doch als die eher gruppendynamische Variante betrachten. ser wurde so in seinen Gesetzmäßigkeiten und seiner Dyna- Der mit ihnen verbundene neue konzeptionelle Blick gewann mik allen bewusst gemacht, gleichzeitig wurde dadurch eine schon in den ersten Jahren Beachtung auch über das Erzbis- ständige Überprüfung des eigenen Verhaltens ermöglicht. tum Paderborn hinaus. Hier soll darum der erste Kurs, der vom Man sollte alle Situationen, denen man später einmal in seiner 18.07. bis 01.08.1970 im Jugendhaus Hardehausen stattfand, 2 Gruppenarbeit begegnet, ganzheitlich erfahren und analysie- vorgestellt werden. ren ...“ (so der Wortlaut eines Briefes an die Bistumsleitung in der Kursakte). 1. Beschreibung des ersten Kurses Die Kursstruktur bei den Erwachsenen war durch vier Dieser erste Kurs hatte einen etwas anderen Charakter als feste Untergruppen geprägt, die offenbar relativ frühzeitig die Folgekurse. Er war eindeutig länger (er dauerte 14 Tage, gebildet wurden und die jeweils unterschiedliche Aufgaben die Folgekurse immer nur eine Woche). Deutlich zu erkennen für den ganzen Kurs übernahmen: „Club“ für die Freizeitan- ist, dass hier eine Verbindung von Freizeit, Erholung, Urlaub gebote im Clubraum, „Liturgie“ für gottesdienstliche Ange- und gruppenpädagogischen Angeboten gesucht wurde. Ent- bote, „Redaktion“ für die Dokumentation und für die Veröf- sprechend heißt es in der Ankündigung, im Flyer: „... eine fentlichung von Texten aus dem Kurs an die Medien, „Fest“ Kombination von Kurs und Urlaub, sozusagen ein Urlaubs- für die Vorbereitung und Durchführung eines Abschlussfestes. kurs“. Diese Untergruppen wurden durch Beobachter/innen beob- achtet – offenbar sowohl durch die Kursleitungsmitglieder, die Teilnehmer/innen: So nahmen zum Teil ganze Familien sich aufteilten, wie aber auch durch Teilnehmer/innen in den teil. Bei den insgesamt 26 Erwachsenen im Alter von 19 bis 45 Gruppen selbst. Teilnehmer/innen wurden in diese Gruppen- Jahren waren teilweise beide Eltern, die ihre Kinder mitbrach- beobachtungen meistens kurz eingeführt. ten. Kleinere Kinder wurden während dieser 14 Tage von ei- ner Kindergärtnerin betreut (22 Kinder und Jugendliche im In der inhaltlichen Programmankündigung waren be- Alter von 1 bis 14 Jahren). Die teilnehmenden Jugendlichen reits ca. 25 Themen in Aussicht gestellt, wie: Methoden der waren in einem Zeltlager untergebracht. Der Kurs fand dem- Jugendarbeit, Gruppenprozess unter gruppendynamischen entsprechend in den Sommerferien statt; für die anwesenden Gesichtspunkten, Methoden der Gesprächsführung, aber Jugendlichen wurden gleich auch durch die teilnehmenden auch Inhalte der Kinderstufe oder Jugendstufe. Die zu behan- Erwachsenen Gruppenangebote entwickelt, so dass damit delnden Themen wurden von den Teilnehmer/innen diskutiert

10 und auf acht festgelegt. Zunächst ging es um das Thema namik im DAGG3 bestand und frühzeitig durch Alf Däumling, „Vorurteile“, dann „Entwicklungspsychologie“, „Erziehungs- Bonn, formuliert wurde: Es muss zunächst zu einer Ausein- ziele“, „Gruppe unter gruppendynamischen Gesichtspunk- andersetzung mit der Leitung kommen; in dieser Auseinan- ten“, „Methoden der Jugendarbeit“, „Zusammenarbeit mit dersetzung, in diesem Kernkonflikt wächst die Gruppe und anderen Erziehungsträgern“, „Vorstellung von Jugendverbän- nabelt sich letztlich von der Leitung ab. den“ (die angereist waren), „Planung in der Jugendarbeit“, In einem frühen Vortrag von Alf Däumling auf der 1. Ar- „Massenmedien“. Von einigen der bearbeiteten Themen lie- beitstagung des Deutschen Arbeitskreises für Gruppendyna- gen die Thesenpapiere und die Protokolle über den Ablauf mik und Gruppenpsychotherapie im November 1967 in Ulm4 und einige Diskussionsergebnisse vor. beschreibt er diese typischen (und umstrittenen) Merkmale des Sensitivity-Trainings als „initiale Unstrukturiertheit mit Charakteristisch für den Kursverlauf und die gruppendyna- frustrierender bzw. evozierender Wirkung“. Wenn zu Beginn mischen Prozesse sind zum einen die jeden Tag wechselnden die Rollenerwartungen enttäuscht werden, reagieren einige „Tagesleitungen“. Diese (meistens) drei Personen, die nach Teilnehmer/innen durch unnahbares Schweigen, andere treten der Tagesreflexion aus dem Teilnehmer/innen/kreis gewählt die Flucht nach vorne an. Die Gruppenteilnehmer/innen legen wurden, hatten am Abend den nächsten Tag zu planen, die ihr für Konfliktsituationen gelerntes Verhalten an den Tag – es vorgegebenen Strukturen zu sichern und mit der Kursleitung kommt schnell auf den Tisch. Die Kursleitung hat dann die entsprechende Absprachen zu treffen. Mit dieser Struktur Aufgabe, dieses Verhalten bewusst zu machen, d.h. auf Ste- wurde sichergestellt: Die Teilnehmer/innen leiten ihren Prozess reotype aufmerksam zu machen und damit aufzufordern, es selbst und lernen zu leiten. zu bearbeiten, es zu diskutieren. Hier kommt das zum Tragen, Am frühen Abend wurde in einer von der Kursleitung ge- was Lewin in seinem Veränderungsverständnis „Unfreezing“ leiteten „Tagesreflexion“ der Tag ausgewertet. Dabei wurden genannt hat: Man muss die vorhandenen Konfliktverhaltens- immer die beiden Fragen angesprochen: weisen erst einmal auftauen, bewusst machen, ehe man sie • Hat uns der Tag dem Kursziel näher gebracht? verändern kann. • Wie hat die Tagesleitung ihre Rolle erfüllt? Eine spätere Theorieentwicklung distanziert sich tenden- Hier erfolgte dann auch die Wahl der neuen Tagesleitung. ziell von dieser Position, die der Leitung gerade durch diese Darüber hinaus gab es die an jedem Tag zweimal durch- Zurückhaltung eine enorm mächtige Rolle gibt.5 Die Kritik geführten „Prozessanalysen“. Diese anhand von Leitfragen besagt, dass Gruppenprozesse nicht so stark von der Leitung erstellten Prozessanalysen dienten als eine soziometrische dominiert werden. – Die Leitdifferenzen, die alle Interaktionen Grundlage für die Tagesreflexion und wurden mittags und der Teilnehmer/innen steuern, sind mindestens ebenso bedeu- abends als „Fieberkurve“ für alle sichtbar ausgehängt. tend (Aushandlung von Zugehörigkeit, von Nähe und Distanz, von Rangordnung innerhalb der Gruppe).

2. Pädagogischer Die Teilnehmer/innen hatten die Aufgabe, die Tagesreflexi- Paradigmenwechsel onen zu dokumentieren. In diesen Protokollen werden Zwi- schentöne erkennbar, die auf die dominante Bedeutung der Hinter dieser Konzeption stand ganz offensichtlich ein zeit- Kursleitung hinweisen. Sehr schön ist ein Dokument, in dem geschichtlich verankerter „Paradigmenwechsel“ sowohl im diese Dominanz ironisiert wird in einem „Glaubensbekennt- Hinblick auf die Gruppenpädagogik, aber auch im Hinblick nis“ (ohne Autor abgedruckt). Die Ironie spiegelt die verdeck- auf die Pädagogik oder die Jugendarbeit ganz grundsätzlich. te Wut bzw. die Ohnmachtsgefühle wieder: Das kann man an konkreten Vorgängen und Elementen, aber auch an Äußerungen in diesem ersten Kurs ablesen. Ich glaube an 2.1 Veränderte Rolle der Kursleitung HANS-DIETER LUERWEG, unser aller Vater Beginnen wir mit der Rolle der Kursleitung. Sie wird akzen- Schöpfer der Fieberkurve tuiert durch die gruppendynamischen Theorietraditionen, wie und der Tagesreflexion wir sie aus der Arbeit von Kurt Lewin und in seiner Folge des hier in Deutschland dann auch entstehenden Sensitivity-Trai- und an WILLI VEITH nings her kennen. So wird z. B. aus den Kursunterlagen nicht ganz deutlich er- seinen eingebildeten Sohn sichtlich, wer in der Kursleitung mitgearbeitet hat. Die Kurslei- der befangen ist von seinen Gruppenkonflikten tungsmitglieder werden unter den Teilnehmer/innen geführt. dem Generationsproblem und der Raucheinschränkung Es handelt sich um fünf Personen, davon sind Hans-Dieter Abgestiegen zu den Versuchskaninchen Luerweg, Willi Veith, Hans Heinz Riepe, Christa Appel eindeu- aufgefahren zum Experiment-Überwacher tig identifizierbar; wahrscheinlich gehörte Rudolph Mail auch dazu; er wird bei den Referaten nicht genannt, taucht aber in Sitzet zur Rechten MAILS einem ironischen „Glaubenbekenntnis“ (s.u.) auf. von dannen der kommen wird Man kann darin schon das Konzept erkennen, die eigene zu schlichten die Situationskonflikte Rolle aus einem Hintergrund heraus zu spielen. Es scheint aber auch eine demokratische Überzeugung darin auf: Die Kurslei- Ich glaube an Ha-He RIEPE tung ist Teil der Gruppe. Diese verschiedenen Interpretatio- nen sind allerdings nicht durch konzeptionelle Hinweise in der den Vertreter des Heiligen Geistes Kursakte gedeckt und verbleiben somit Spekulation. seine christlichen Erziehungsziele Diese distanzierte Position, mit der die Kursleitung in den die Gemeinheit der Kursleitung Kursen auch später die Teilnehmer/innen schon frühzeitig zu und das ewige Gruppenleben. Beginn des Kurses in deren Erwartungen an Unterstützung frustriert hat, war gedeckt durch eine gruppendynamische AMEN Position, wie sie schon seit Gründung der Sektion Gruppendy- 11 2.2 Soziometrie und neue Methoden In den Methoden, die in dieser Kursakte erläutert und auch durchführt wurden, sind mindestens zwei auffällig: Diese Konfrontationen, die durch die Kursleitung und ihre frustrierenden Verhaltensweisen sowie ihre provozierenden (1) So wird immer wieder von „Activing“ gesprochen. – Interventionen entstanden, wurden durch die Prozessanaly- Damit ist eine schon zu Beginn angewandte Aktivierung zur se aber immer auch „geerdet“. Es war ja ganz offensichtlich, Beteiligung und zum selbständigen Denken der Teilnehmer/ dass nicht nur Ärger auf die Leitung bestand. Zwischen den innen gemeint. Seit den 1990er Jahren würde man vielleicht Teilnehmer/innen entstanden selbstverständlich auch Konflik- „Warming up“ dazu sagen – aber dieses Activing wurde ent- te, allein durch die Unterschiede, die wir Menschen ja nun nommen aus dem damals sehr verbreiteten Buch von Willi mal in Gruppen an den Tag legen und die spätere Theoretiker Erl „Methoden moderner Jugendarbeit“, das schon 1971 in 7 dann als in allen Gruppen vorhandenen „Leitdifferenzen“ be- vierter Auflage vorlag. Man wollte damit zur Auseinander- zeichnen, die die Dynamik von Gruppen vorantreiben. setzung mit dem eigenen Ich herausfordern, Grundlagen für Mithilfe der Prozessanalyse konnten diese verdeckten Kon- kommende Diskussionen legen, die Aktivitäten des Einzelnen flikte sichtbar gemacht werden. – Die Leitung konnte auf im Blick auf die Diskussionen fördern. Hier wird eine Nähe zur diese Weise von sich weg auf die Gruppe weisen. Das Instru- Provokation, zum „Happening“, jedenfalls auch zu künstleri- ment der Prozessanalyse sollte den Teilnehmer/innen helfen, schen Methoden angedeutet. verdeckte Vorgänge anzusprechen, und gab ihnen damit ein Werkzeug in die Hand, das „objektiv“ war. Was da alles an (2) Eine zweite damit verbundene Arbeitstechnik ist das unguten Gefühlen in einem steckte, zeigte sich in der „Fieber- Brainstorming, der Gedankensturm, der nach einem struk- kurve“, wurde verobjektiviert als Gruppenprozess. turierten verfahren Ideen heben und diskutieren soll. Bei bei- den wird deutlich, dass eine Hebung von Interessen und Ideen Die folgenden Fragen wurden also zweimal am Tag nach- bei den Teilnehmer/innen, deren Beteiligung und Aktivierung gefragt: im Blick war. • Wie habe ich mich heute in der Gruppe gefühlt? (völlig wohl – vollkommen unbehaglich und gespannt) (3) Bei näherer Betrachtung erkennt man in dieser Kursarbeit • Wie klar waren heute die Gruppenziele? (völlig unklar auch deutlich eine dritte Methode, die aus der reformpädago- – völlig klar) gischen Arbeit stammende „Projektmethode“ mit Ideenfin- • Wie arbeitete die Gruppe? (faul, zufrieden und oberfläch- dung, Entscheidung, Durchführung, Abschluss, die als Phasen lich – intensiv tiefgehend, begierig und hungrig)? im Verlauf von Gruppen bezeichnet werden. In späteren Zei- • War die Diskussion sachfremd oder sachbezogen? (völlig ten werden diese an einem planbaren Programm orientierten sachfremd, theoretisch, unrealistisch – völlig sachbezo- Gruppenphasenbegriffe anderen weichen, die mehr die emo- gen) tionalen Aspekte und die Konfliktebenen sichtbar machen: • Wurden abweichende Ansichten genügend angehört? Machtkampfphase heißt diese Phase dann oder Positions- und (genügend gehört, beachtet, nicht beachtet)? Rollenklärung. In jedem Fall wird die Gruppenarbeit mit sol- • Fühlte ich mich der Mehrzahl der Teilnehmer gegenüber chen Projektschritten planbarer, der Entscheidung unterwor- frei oder unfrei? fen. In der Ankündigung heißt es auch dementsprechend, • Bekam ich Hilfe, wie ich sie gebraucht hätte? der Kurs vermittele „Einblicke in die Probleme unserer Arbeit, • Welche Mitwirkungen waren mir möglich? er zwingt uns, systematisch und kritisch die Jugendarbeit zu • Was halte ich im Augenblick von dieser Gruppe?6 analysieren und so zu rational durchdachten Methoden und Inhalten heutiger Jugendarbeit zu kommen.“

Prozessanalyse im „Hardehauser Kurs“ mittels der sog. „Fieberkurve“ zu einzelnen Leitfragen. Die obere Kurve kennzeichnet die jeweils in den einzelnen Tagesabfrage in der Gruppe vergebenen Maximalwerte, die untere Kurve die Minimalwerte und die mittlere Kurve den jeweils errechneten Mittelwert. 12 gendlichen in der Gruppe und Familie gemacht werden, die Entscheidungsprozesse demokratisch vor sich gehen und die Minderheiten, die sich diesmal anpassen müssen, sich dann bei einem späteren anderen Vorgang vielleicht durchsetzen werden. „Von den Kindern sollte die Demokratie schon an- fangen, um das auf das Große zu übertragen.“ Ein zweiter Indikator für diese Einschätzung ist die Bedeu- tung der Entscheidungsprozesse im Kurs. So wird deut- lich, dass vor allen die Gruppe und das Programm betref- fenden Entscheidungen diskutiert werden muss, es müssen Kriterien für solche Entscheidungen gefunden und angewen- det werden. Der Gruppenprozess wird hier zu einem rational formbaren und durchdachten, planbaren Vorgang. Ziel ist un- verkennbar, alle zu beteiligen, alle zu hören. So heißt es in ei- ner Niederschrift zu einem Referat mit diesem Thema: „Meist wird in der Praxis diese gesamte Entscheidungsphase über- sprungen. Darin liegt ein entscheidender Fehler, der weithin in der Jugendarbeit gemacht wird. Meist wird den Jugendlichen etwas aufoktroyiert – die Jugendlichen können sich dann nur Tagesplan eines Kurstages beim „Hardehauser Kurs“: Kursziel: „Ein- unterwerfen oder wegbleiben.“ übung partnerschaftlichen Verhaltens für den Umgang mit Kindern Interessant ist auch, dass Teilnehmer/innen am Ende des und Jugendlichen auf der Grundlage der Botschaft Jesu Christi“. Kurses einen Brief an die Leitung des Erzbistum senden. - In gewisser Weise schmunzelt man hier angesichts der da- mit sichtbaren „Autoritätsorientierung“. Darin bedanken sich 3. Partnerschaftlichkeit und diese, dass sie an diesem Kurs haben teilnehmen können. Sie Demokratisierung bezeichnen den Kurs darin als „Auftakt zu einer gesellschafts- orientierten Jugendarbeit“. Partnerschaftlichkeit wird in dieser Kursakte als ein „päda- gogisches“ und gleichzeitig „gesellschaftliches“ Ziel erkenn- Anmerkungen: bar. 1 Magda Kelber: Was verstehen wir unter Gruppenpädagogik? (1965), in: C. Wolfgang Müller (Hrsg.): Gruppenpädagogik: Auswahl aus Schriften und Doku- In den Kurs begleitenden Medienveröffentlichungen menten, Weinheim/ Basel, 3. Aufl. 1973, S.127-140 wird die pädagogische Konzeption erläutert. So übertrug der 2 Vgl. Akten der Hardehauser Kurse, hier: Mappe des ersten Kurses vom 18.07. WDR mitten im Kurs am 25.07.1970 ein Interview mit Willi bis 01.08.1970, Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit, A 4.303. Veith in der Sendung „Westfalen-Echo“. Das erklärte Ziel des – Nach 42 durchgeführten „Hardehauser Kursen“ werden diese ab 1978 unter dem Namen Gruppenleiterkurs II weitergeführt. Kurses, „eine Einübung partnerschaftlichen Verhaltens“ zu 3 Deutscher Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik bewirken, wurde zwischen die autoritäre und die antiauto- 4 Veröffentlicht unter: Adolf Martin Däumling: Sensitivity Training, in: Gruppen- ritäre Pädagogik eingeordnet. Die Kursakte dokumentiert die psychotherapie und Gruppendynamik 2 (1968), S. 113-123 Äußerung von Willi Veith aus dem Interview: „ Ja, vielleicht 5 Vgl. Klaus Antons, Andreas Amann, Gisela Clausen, Oliver König, Karl Schat- könnte man es so abgrenzen, dass man sagt, in einer autori- tenhofer: Gruppenprozesse verstehen. Gruppendynamische Forschung und Praxis, Opladen 2001 tär geleiteten Jugendgruppe oder in einer autoritären Familie 6 Hier in Auswahl zitiert nach Klaus Antons; Praxis der Gruppendynamik. Übun- haben die Kinder alle Pflichten, aber keine Rechte. In einer gen und Techniken, Göttingen 1973, S. 202f; ein ähnliches Frageraster befin- antiautoritären Gruppe bzw. Familie da haben die Kinder alle det sich bereits bei Tobias Brocher: Gruppendynamik und Erwachsenenbildung, Rechte, aber keine Pflichten. In einer partnerschaftlich geleite- Braunschweig 1967, S. 12-132; die Leitfragen der Prozessanalyse sind für den ersten Hardehauser Kurs nicht dokumentiert, in Dokumenten zu späteren Kur- ten Gruppe bzw. Familie haben die Kinder gleiche Rechte und sen wird aber die Anlehnung an dieses Frageraster und die Darstellung der Ana- gleiche Pflichten.“ lyseergebnisse in der sog „Fieberkurve“ (s. Abb.) ersichtlich. In diesem Interview beschreibt Willi Veith zudem, dass mit 7 Willi Erl: Methoden moderner Jugendarbeit, 1. Folge: Vom Activing zum Zwi- partnerschaftlicher auch eine demokratische Erziehung schenspiel, Tübingen, 4. Aufl. 1971 (erste Aufl. 1969) gemeint ist, in der bei Vorschlägen, die von Kindern und Ju-

13 Das historische Datum 9. Mai 1908: 100. Geburtstag von Augustinus Reineke

Von hier aus versuchte er trotz aller staatlicher und kriegsbe- Im Jahr 2008 wäre Augustinus Rei- dingter Behinderung Kontakt zu den Jugendseelsorgern und neke, Diözesanjugendseelsorger Jugendführern in den Dekanaten zu halten. Einen Höhepunkt und erster Rektor des Jugendhau- seiner Arbeit, die nicht nur von staatlicher Seite behindert, ses Hardehausen, 100 Jahre alt sondern auch von manchen Prälaten und Kirchenvertretern geworden. Er wurde am 9. Mai 1908 in Nieheim (Kreis Höxter) als kritisch beobachtet wurde, bildete sicherlich die Weihe und ältestes von sieben Kindern gebo- Amtseinführung des neuen Erzbischofs Lorenz Jaeger, nicht ren. Nach dem Besuch des Gymna- nur, weil Reineke in ihm einen Förderer seiner Arbeit fand. Die siums in Paderborn und Brilon, wo Bischofsweihe im Oktober 1941 wurde zu einem Fest katholi- er dem katholischen Schülerver- scher Jugend im Erzbistum Paderborn; einigen Jugendlichen, band Neudeutschland (ND) beitrat, so auch dem Nachfolger Jaegers, Hans-Joachim Degenhardt, begann er 1928 das Studium der brachte die Teilnahme an diesem Ereignis sogar einige Wo- Theologie in Paderborn. Durch die Mitgliedschaft im ND chen Gestapohaft ein. In Paderborn erlebte Reineke auch das und Kontakte zum Quickborn, einem noch stärker vom Ende des Zweiten Weltkrieges, das der Stadt noch in den letz- Ideengut der Jugendbewegung geprägten katholischen ten Wochen Zerstörung und Tod brachte. Schülerbund, kam er schon früh mit der katholischen Ju- Im April schickte Erzbischof Jaeger den Jugendseelsorger in gendbewegung der 1920er Jahre in Kontakt. Besonders das gut 30 Kilometer entfernte ehemalige Zisterzienserklos- die vom Quickborn getragene Liturgische Bewegung ter Hardehausen. Reineke hatte den Auftrag, in dem von den prägte Reineke während seines Studiums stark und soll- Amerikanern besetzten Haus nach einer vorläufigen Unter- te sein Leben lang sein pastoraltheologisches Denken kunft für die ausgebombten Schwestern des Michaelsklosters und Handeln bestimmen. Die teilweise unklare Haltung zu suchen und Plünderungen und Zerstörungen zu verhin- des ND gegenüber dem Nationalsozialismus veranlasste dern. Erstaunlicherweise gelang es ihm schon nach wenigen ihn 1934, aus dem Bund auszutreten, ohne das jugend- Tagen, die Verfügung über das Haus zu bekommen, womit bewegte Denken aufzugeben. ihm ein Traum verwirklicht wurde: Endlich gab es ein Zentrum für die Jugendarbeit des Erzbistums. Reineke verlegte das Ju- gendamt nach Hardehausen und begann schon im Sommer Nach der Priesterweihe am 17. März 1934 im Hohen Dom mit der praktischen Jugendarbeit. Innerhalb kürzester Zeit zu Paderborn durch Erzbischof Caspar Klein trat Reinke seine wurde das alte Kloster Hardehausen das Zentrum der katholi- erste Vikarsstelle in Werdohl an. Hier wurde er als Verantwort- schen Jugend in der Erzdiözese Paderborn. Tagungen, Grup- licher für die Jugend schon nach wenigen Wochen mit den penführerausbildung, Freizeiten und Einkehrtage wechselten staatlichen Beschränkungen und teilweisen Verboten der ka- einander ab. Trotz vieler wirtschaftlicher und organisatorischer tholischen Jugendarbeit konfrontiert. Einen ersten Höhepunkt Schwierigkeiten und mit der Unterstützung von Jugendfüh- fanden die Sanktionen 1937 beim diözesanweiten Verbot al- rern und Jugendseelsorgern gelang es, Hardehausen zu einem ler katholischer Jugendverbände; in diesem Zusammenhang religiösen und pädagogischen Zentrum werden zu lassen. Der kam es auch bei Reineke zur ersten „Begegnung mit der Ge- Wiederaufbau der in der NS-Zeit verbotenen katholischen Ju- stapo“, wie er selbst schreibt; seine Privat- und Arbeitsräume gendarbeit blieb für Reineke allerdings nicht ohne Probleme. wurden durchsucht. Der Erzbischof in Paderborn reagierte auf Als starker Verfechter des Gemeindeprinzips widersetzte er das Verbot der Jugendorganisationen durch die Einrichtung sich lange Zeit allen Wiederbelebungsversuchen der Verbände eines Jugendamtes im Generalvikariat. Den Priester Wilhelm und Bünde. Mit der Schar, einer bündisch orientierten Kernge- Siepmann ernannte er zum Diözesanjugendseelsorger. Schon meinschaft, die sich erst nach dem Krieg gebildet hatte, und gut ein Jahr später verzichtete Siepmann, der familiär durch die er grundsätzlich befürwortete, kam es ebenfalls bald zu das NS-Regime belastet war, auf dieses Amt und schlug Reine- Konflikten. Die Gründung des BDKJ in Hardehausen im März ke als seinen Nachfolger vor. Mit den Worten „Haben Sie Mut 1947 war äußerer Anlass, nach zehn Jahren Jugendseelsorge und Phantasie!“ betraute Erzbischof Klein ihn Anfang 1939 nach neuen Aufgaben Ausschau zu halten und den Erzbischof mit der neuen Aufgabe. Nach dem reichsweiten Verbot katho- um seine Versetzung zu bitten. lischer Jugendorganisationen ging der neue Diözesanjugend- Im Januar 1948 wurde Augustinus Reineke im Alter von seelsorger daran, die Jugendarbeit in der Diözese neu zu ord- knapp 40 Jahren Pfarrer der lippischen Diasporagemeinde nen und sie inhaltlich neu zu füllen. Ersteres geschah, indem die innerkirchliche Struktur auf die Jugendarbeit übertragen wurde, letzteres, indem stärker der katechetische, liturgische und gemeindliche Aspekt in den Mittelpunkt rückte. Gegen den Vorwurf, die katholische Jugendarbeit sei in die „Sakri- stei verdrängt“ worden, indem viele jugendkulturelle Formen und das Auftreten in der Öffentlichkeit nicht mehr möglich waren, antwortete Augustinus Reineke später immer mit dem Bild, die Jugend sei vielmehr durch die äußere Bedrängnis „um den Altar geschart“ worden. Reinekes Jugendpastoral ging von den Grundvollzügen der Kirche aus: Verkündigung, Liturgie und Diakonie bildeten für ihn den Mittelpunkt seiner Arbeit. Seinen Rückhalt, heute würde man sagen Praxisbezug, fand er in einem Kreis Jugendlicher, der sich regelmäßig in der Bartholomäuskapelle auf der Nordseite des Doms traf. Augustinus Reineke mit Jugendlichen bei einem Treffen Anfang der 1940er Jahre auf dem Brechmann’schen Hof in Stukenbrock. 14 Detmold. In einer urprotestanti- Die zwei Jahrzehnte seines Ruhestandes verbrachte Augus- schen Region, in der durch die tinus Reineke solange es seine Kräfte zuließen aktiv in Det- Flüchtlingsströme der Nachkriegs- mold. Seelsorge im Altenheim, in dessen Nachbarschaft er zeit die Katholikenzahl ungeheuer fortan lebte, Aushilfe, wo er gebraucht wurde, Interesse an gewachsen war, warteten neue den Menschen und ihren Fragen bestimmten jetzt seinen All- Herausforderungen auf ihn. In den tag. Aber er entdeckte auch neue Interessen und Aufgaben für nächsten 32 Jahren sollte er diese sich, Augustinus Reineke beschäftigte sich mit der Geschichte Gemeinde prägen. Dabei blieb und wurde zum Autor. Drei Bücher entstammen seiner Feder. er seinen pastoraltheologischen Nachdem er die Geschichte der katholischen Kirche in Lippe1 Vorstellungen treu. Den Bau der aufgearbeitet hatte, machte er sich nach langem Zögern und neuen Pfarrkirche bestimmte gut vielen Bedenken daran, seine Erinnerungen an die Zeit als ein Jahrzehnt vor dem Zweiten Diözesanjungendseelsorger aufzuzeichnen. Die Teilautobio- Vatikanum das Gedankengut der graphie „Jugend zwischen Kreuz und Hakenkreuz“2 wurde Liturgischen Bewegung. Die in über das Bistum hinaus stark beachtet. Im Alter von fast 80 den Stadtbezirken und in den um- Jahren verfasste er dann noch einmal eine Monographie über liegenden Dörfern wachsenden die Katholische Kirche Detmold3, in der er seine theologischen katholischen Gemeinden bildeten Grundlagen und pastoralen Konzepte noch einmal anhand nach Reinekes Vorstellung eine der Entwicklung der Detmolder Pfarrei in der Nachkriegszeit „gegliederte Gesamtpfarrei“. Ve- erläutern konnte. hement widersetzte er sich allen Noch im hohen Alter verließ ihn nicht das Interesse an theo- Versuchen, aus den Pfarrbezir- logischen, pastoralen und kirchenpolitischen Fragestellungen. ken selbstständige Pfarreien zu Trotz nachlassender Sehkraft versuchte er auch mit Hilfe neuer machen, was ihm in den 1960er Techniken auf dem Laufenden zu bleiben. Besonderes Interes- Jahren bei manchen Kollegen se zeigte er dem Autor gegenüber auch im 100. Lebensjahr- Augustinus Reineke beim Empfang an- den Titel „Bischof von Lippe“ ein- zehnt noch an jugendpastoralen Entwicklungen und Frage- lässlich seines 60jährigen Priesterjubiläums brachte. Aber auch über die Ge- stellungen. Bewusst und zufrieden erwartete er sein Sterben. am 20. März 1994 mit seinen damaligen meinde hinaus engagierte er sich Dafür sprechen seine Worte kurz nach dem 93. Geburtstag „Nachfolgern“, Diözesanjugendseelsorger Georg Birwer (Mitte) und Meinolf Wacker für die Kirchenreform nach dem und wenige Tage vor seinem Tod: „Ich bin gut vorbereitet und als Rektor des Jugendhauses Hardehausen Zweiten Vatikanischen Konzil. In habe keine Angst.“ Augustinus Reineke starb am 19. Juni (rechts). den 1970er Jahren gehörte er zu 2001. den Mitgliedern der Würzburger Synode. Als das Erzbistum Georg Pahlke Paderborn Ende der 1960er Jahre in Seelsorgeregionen auf- geteilt wurde, fiel auf ihn die Wahl zum Dekan der Region Anmerkungen: 1 Augustinus Reineke: Katholische Kirche in Lippe, Bonifatius-Verlag Pader- Minden-Ravensberg-Lippe. Es gelang ihm, sein Modell der born 1993 gegliederten Gesamtpfarrei zu realisieren, bei seiner Verab- 2 Ders.: Jugend zwischen Kreuz und Hakenkreuz – Ereignisse, Erlebnisse, schiedung als Pfarrer bestand diese aus nicht weniger als fünf Erinnerungen, Dokumente, Bonifatius-Verlag Paderborn, 1987 Pfarrbezirken, ein funktionierender Pastoralverbund. 3 Ders.: Katholische Kirchengemeinde Detmold im Gestern und Heute in Wort und Bild, hrsg. von der Kath. Kirchengemeinde Hl. Kreuz Detmold 1988

Pax Christi, Internationale Katholische Friedensbewegung: Ein empfehlenswerter Weg für Mitglieder aus der aktiven katholischen Jugendarbeit. Gedanken eines jugend- und friedensbewegten Zeitgenossen anlässlich des 60jährigen Bestehens von Pax Christi 2008

Später gingen wir dann mit der Arnsberger Quickborngrup- Ich bin fast 94 Jahre. Da werden sicher einige Leser sa- pe in die “Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband“, gen: „Was hat denn ein so alter Mann uns, der Genera- waren damit Teil der großen „Bündischen Jugend“, mit der tion um 2008, noch zu berichten? Deren Generation hat wir im Juli 1937 verboten wurden. Nach dem Verbot nannten doch weitgehend versagt.“ wir uns „Gruppe St. Michael“, in der wir noch eine Zeitlang freundschaftlich und vertrauensvoll untereinander Kontakt Darf ich etwas zu meiner Person sagen? behielten. – Gerade diese Generation hat durch den Krieg und Schon in früher Jugend bekam ich Kontakt zur Jugend- und den NS-Terror einen erheblichen Teil ihrer Mitglieder verloren. zur Friedensbewegung und wurde durch sie geprägt. Bereits mit sechzehn Jahren nahm ich an einem Wanderführerlehr- 1948, am Weißen Sonntag, dem 3. April wurde in dem klei- gang beim Deutschen Jugendherbergswerk teil, und im glei- nen Marienwallfahrtsort Kevelaer am Niederrhein, dank fran- chen Alter fand ich den Weg zur Arnsberger Quickborngrup- zösischer Bemühungen, die Deutsche Pax Christi-Bewegung pe. Mit dieser Gruppe gehörten wir dem stark pazifistisch gegründet, anfangs vornehmlich als Gebetsgemeinschaft für geprägten Katholischen Deutschen Friedensbund – FDK – an. Frieden und Versöhnung. Bischof Theas aus Lourdes spendete Dieser katholische Bund, der übrigens nicht das Lieblingskind deutschen Kindern, deren Väter er aus französischer Kriegs- der deutschen Bischöfe war, wurde bereits am 1. Juli 1933 gefangenschaft unter schwierigen Verhältnissen frei bekom- als erste katholische Organisation vom NS-Staat verboten; men hatte, die erste Heilige Kommunion. – Ein überzeugen- die führenden Mitglieder des Bundes wurden in Haft genom- des Zeichen für Frieden und Versöhnung. Den Teilnehmern an men. 15 • 1979 erhält Pax Christi bei der UNO, dem Europarat und der UNESCO be- sonderen Beraterstatus. • 1987 wird Pax Christi von der UNO als „Botschafter des Friedens“ ausge- zeichnet. Zu wichtigen Schwerpunkten von Pax Christi gehören: • Flüchtlingen, verfolgten Gruppierun- gen und anderen Benachteiligten ihr besonderes Augenmerk zu schenken. • Gegen die zunehmende weltweite Militarisierung, gegen die Atombe- drohung, aber auch gegen die Rüs- tungsexporte und damit geförderte Wirtschaftszweige sich zu wehren – in Wort und Tat. • Zu den besorgniserregenden Ent- wicklungen im Irak und in Afghanis- tan konsequent Stellung zu beziehen. • Den zivilen Friedensdienst (ZFD) zu Karl Föster (links neben dem Kreuz) auf dem Weg zum Borberg bei fördern, der über den Balkan bis zu Brilon mit dem Aachener Friedenskreuz beim Begegnungsfest am den Philippinen im Einsatz ist, und der auch in staatlicher 23. August 1998 anlässlich des 50. Todesjahres von Franz Stock und Zusammenarbeit mit dem Außenministerium geleistet der 50-Jahrfeier der deutschen Sektion von Pax Christi. Im Hinter- wird. grund das Pax-Christi-Banner. diesem großen Kongress in Kevelaer rief er zu: „Ich bringe Somit ist die Forderung „Dialog statt Krieg gegen den Ter- euch den Bruderkuss des christlichen Frankreich, einen Kuss, ror“ in Pax Christi ein fester Begriff geworden. All unser Tun der Verzeihung gewährt und Verzeihung sucht, den Kuss und unsere Motivationen sind geprägt durch Jesus Christus, der Versöhnung.“ Seitdem bin ich Mitglied in der deutschen der für Pax Christi wie für die gesamte Menschheit der Inbe- katholischen Friedensbewegung Pax Christi. Dass Pax Chris- griff des Friedens ist. Somit ist Pax Christis Tun nicht irgendei- ti International zum Ende, aber noch während des Zweiten ne politische Aktivität, sondern wesentlich spirituell geprägt. Weltkrieges durch die Bemühungen von vierzig französischen Bischöfen initiiert wurde, vor allem wegen der Aussöhnung Folgendes darf ich heute abschließend mit Freude schrei- zwischen Deutschland und Frankreich, darf nicht übersehen ben: Am 1. Oktober 2008 hat Pax Christi Deutschland eine werden und ist für mich das unverrückbare Datum in der Pax neue Generalsekretärin erhalten. Frau Christine Hoffmann, Christi-Geschichte. 1961 in Köln geboren, kommt aus der aktiven Arbeit des BDKJ*, übrigens erstmalig eine Frau an dieser Stelle. Christine Warum ich dieses schreibe? Hoffmanns bisherige Tätigkeit im BDKJ ist wesensverwandt mit der Friedensarbeit in Pax Christi. Für diejenigen, die dem Richard von Weizsäcker bezeichnete den 8. Mai 1945 als BDKJ altersmäßig entwachsen oder entwachsen sind, dürfte „Tag der Befreiung“. Als Zeitzeuge einer verhängnisvollen Pax Christi kein Neuland sein. Vielleicht hilft meine Anregung, deutschen Epoche entlässt mich meine Erfahrung nicht aus mit Pax Christi Kontakt aufzunehmen. Ich sage allen, die den der Verantwortung, Geschichte vor allem des vergangenen Schritt in weitere Friedensarbeit für zweckmäßig halten und Jahrhunderts zu vermitteln. Und ich kann mit großem Recht ihn wagen, Glück auf! behaupten, dass katholische Jugend dieser Generation, sich weitgehend ehrenvoll verhalten und sich ihrer Geschichte kei- Karl Föster neswegs zu schämen hat. Deren Beispiele sind dokumentiert. Vielleicht ist die Internationale Katholische Friedensbewe- * zuvor jugendpolitische Referentin in der BDKJ-Bundesstelle gung in unserm Land die Bewegung, welche aus ihrer Erfah- rung und ihrer Verantwortung „den Geist des Friedens und • Pax Christi Deutschland: pax-christi Sekretariat, Hedwigs- der Versöhnung“ praxisnah vermitteln kann – vor allem in kirchgasse 3, 10117 Berlin, Tel. 030/ 2007678-0, E-Mail: ihrer unabdingbaren Bindung an die Kirche und in geistiger [email protected], Internet: www.paxchristi.de; Strenge. Für Gerechtigkeit, Gewaltverzicht und Menschen- • Pax Christi Bistumsstelle Paderborn, Kontakt: Anton Schnei- rechte engagiert sich Pax Christi weltweit und erhält interna- der, Wiemannstraße 9, 32760 Detmold, Tel.: 05231/ tionale Anerkennung: 570242, E-Mail: [email protected], Internet: www. • 1950 wird „Pax Christi“ als die „Internationale Katholische paxchristi.de Friedensbewegung“ weltweit tätig.

16 Versöhner zwischen Erbfeinden – Zum 60. Todestag von Franz Stock

Am 24. Februar 2008 jährte sich der Todestag von Abbé Gerufen, Versöhner zwischen Franz Stock zum 60. Mal. Ein Bezugspunkt “Erbfeinden“ zu sein zur Jugendarbeit ergibt sich aus der Zu- gehörigkeit Franz Stocks zur Katholi- schen Jugendbewegung in einer Gruppe Nach dem Ersten Weltkrieg wurde für den jungen Franz des Quickborn in seiner Heimatstadt Ne- Stock die Frage nach dem Frieden zwischen den Völkern und heim. Der franziskanische Geist wie auch vor allem zwischen den “Erbfeinden“ Deutschland und Frank- das Ideal der Völkerverständigung dürf- reich zu einem Anliegen, das ihn sein Leben lang beschäftigen ten dort für ihn prägend auch für seinen sollte. Im Quickborn, einer Gruppe der katholischen Jugend- weiteren Weg im Dienst der Versöhnung bewegung, fand er Gleichgesinnte, mit denen er Kontakte und des Friedens geworden sein. Sein Le- nach Frankreich knüpfte. Das von dem Grafen Marc Sangnier benszeugnis ist bis heute ohne Beispiel auf seinem Besitz in Bierville organisierte Friedenstreffen der und des Be-/Gedenkens wert. Jugend im Jahr 1926, an dem Franz Stock mit seiner Gruppe Seit 2005 ist Franz Stock unter den Friedenspersönlich- teilnahm, gab der katholischen Friedensbewegung wichtige keiten im neu entstandenen Glasturm im Treppenauf- Impulse. gang des Jugendhauses Hardehausen zu finden. Der Trotz zunehmender Widerstände, auch von kirchlicher Seite, nachfolgende Text ist dem dazu erschienenen Begleit- baute Stock seine Kontakte und Beziehungen nach Frankreich heft „...gerufen, dem Frieden ein Gesicht zu geben. Die immer mehr aus. 1928 erhielt er als erster deutscher Theolo- Friedenspersönlichkeiten am Glasturm des Jugendhau- giestudent nach dem Ersten Weltkrieg die Erlaubnis, sein Stu- ses Hardehausen“, hrsg. vom Jugendhaus Hardehausen, dium für drei Semester in Paris fortzusetzen. Als er zwei Jahre Warburg 2005, entnommen. nach seiner Priesterweihe Seelsorger der deutschen Gemeinde in Paris wurde, konnte er weiter für die Verständigung der beiden Völker arbeiten und das in einer Zeit, in der von politi- Franz Stock 1904 - 1948 scher Seite die Feindschaft immer stärker wurde. Sein wirkliches Friedensengagement begann aber erst nach 21. September 1904 der Besetzung von Paris durch deutsche Truppen, als er die Geboren in Neheim/ als ältestes von neun Kin- seelsorgliche Betreuung der französischen Gefangenen, über- dem. wiegend Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besat- 1926 zung, übernahm. Obwohl Angehöriger des Besatzungsvolkes, Als Mitglied der bündischen katholischen Jugend (Quick- gelang es Franz Stock, ein glaubwürdiger Zeuge des Chris- born) nimmt er an dem Friedenskongress deutscher und tentums zu sein. Im Laufe der nächsten Jahre musste er über französischer Jugendlicher in Bierville teil. 1.500 teilweise sehr junge französische Widerstandskämpfer 1926-1932 vor und bei ihrer Hinrichtung betreuen. Bis an die Grenzen Studium der Theologie in Paderborn und Paris. seiner physischen und psychischen Kräfte begleitete er als 1932 Deutscher und Christ die zum Tode verurteilten Franzosen und Priesterweihe in Paderborn, anschl. Vikar in Effeln und lebte dadurch die Versöhnung zwischen den Völkern, die es in Dortmund-Eving. den Schrecken des Krieges kaum noch zu geben schien. 1934 Am Ende des Krieges nahm er noch einmal all seine Kraft Seelsorger der deutschen katholischen Gemeinde in Paris. zusammen, um deutschen kriegsgefangenen Theologiestu- 1939 denten eine Fortsetzung ihres Studiums zu ermöglichen. Als Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Rückkehr nach das „Seminar hinter Stacheldraht“ in Chartres aufgelöst wur- Deutschland, Pfarrvikar in Klein-Wansleben. de, war sein Lebenswerk vollendet. Stock starb, erst 43 Jahre 1940 alt, 1948 in Paris. Rückkehr nach Paris, Seelsorger für die deutsche Gemein- de und französische Gefangene; er begleitet mehr als Georg Pahlke 1.500 französische Widerstandskämpfer zur Hinrichtung. 1944 • Seit 1997 ist im Elternhaus Franz Stocks in -Ne- Stock bleibt nach der Befreiung von Paris in Frankreich. heim eine Gedenk- und Begegnungsstätte eingerichtet. 1945 • Das internationale Franz-Stock-Komitee versucht in Le Cou- In Chartres baut er als Kriegsgefangener ein Priestersemi- dray bei Chartres eine europäische Begegnungsstätte zu nar für deutsche kriegsgefangene Theologiestudenten auf. schaffen, um damit auch den ehemaligen Lagerkomplex 1947 des „Stacheldrahtseminars“ zu erhalten. Nach Auflösung des Gefangenenlagers kehrt er nach Paris • Viele weitere Informationen zu Franz Stock und zu den zu seiner Gemeinde zurück. Aktivitäten des Gedenkens seiner Person finden sich unter 24. Februar 1948 www.franz-stock.org. Franz Stock stirbt völlig entkräftet allein in Paris und wird • Literaturhinweis: Hans Jürgen Brandt: Franz Stock (1904 auf dem Gefangenenfriedhof beigesetzt. – 1948), in: Zeitgeschichte in Lebensbildern, Bd. 9: Aus dem 1963 deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts, Seine Gebeine werden nach Chartres überführt. Dort fin- hrsg. von Jürgen Aretz, Rudolf Morsey und Anton Rauscher, det er sein Grab in der neuen Kirche Jean Baptiste. Münster 1999, S. 81 – 93; dort weitere Literaturangaben.

Bild oben: Franz Stock bei einer Friedenswallfahrt mit deutschen und französi- chen Gefährten 1931 auf dem Borberg. 17 Ein „abtrünniges Kind“ katholischer Jugendseelsorge in Dortmund. Zu den Anfängen des BVB vor 100 Jahren

Dass der Fußballverein Borussia Dortmund, der BVB 09, im springen einige Personen ab. ... Fünf Tage später, am Heiliga- Jahr 2009 sein 100jähriges Bestehen feiert, ist allgemein bend, beschuldigte Kaplan Dewald die Gründer des BVB einer bekannt. Die Entstehung des Vereins wirft aber auch ein Spaltung der Gemeinde. Deswegen wurden alle „Rebellen“ interessantes Schlaglicht auf die Situation katholischer aus der Jünglingssodalität hinausgeworfen. Unter diesem Jugendseelsorge und Jugendarbeit in einer Dortmunder Druck verließen weitere Gründer den BVB und traten wieder Stadtpfarrei am Anfang des 20. Jahrhunderts. der Sodalität bei. Auf die Entwicklung des BVB hatte das aber keine Wirkung mehr.“2 Trotz dieses Konflikts am Anfang seiner Geschichte und der damit verbundenen Trennung von der Jugendarbeit der Pfar- rei habe der Verein aber im weiteren Verlauf immer den Kon- takt zur Dreifaltigkeitsgemeinde in der Nähe des Borsigplatzes und damit zu seinen Ursprüngen gehalten, berichtet der heu- tige Pfarrer Jörg Haselhorst. Dies wurde nun auch zum Beginn des Jubiläumsjahres deutlich. Am 19.12.2008 fand genau 99 Jahre nach der Gründung ein ökumenischer Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche statt, bei der der Paderborner Weih- bischof Matthias König eine neue BVB-Traditionsstandarte segnete – eine „späte Wiedergutmachung“, wie König es nannte. Zugleich wurde unter dem Titel „Kirche – Fußball – Gottvertrauen“ eine Dauerausstellung in der Kirche eröff- net, die gemeinsam vom Paderborner Diözesanmuseum, der Kirchengemeinde, der Initiative Borsigplatz VerFührungen und Die Mannschaft des ersten offiziellen Spiels des BVB am 05. Novem- dem BVB erstellt wurde.3 Die Borsigplatz VerFührungen laden ber 1911. von März bis November 2009 in der Dortmunder Nordstadt zu Im November 1901 wurde die Jünglingssodalität der Pfar- einer Themenführung unter dem Motto „Weiße Wiese – Spu- 4 rei „Heilige Dreifaltigkeit“ gegründet. Mit diesem heute nicht rensuche zu den Wurzeln des BVB 09“ ein. mehr gebräuchlichen Begriff waren zur damaligen Zeit katho- lische Jugendvereine durchaus neuen Typs gemeint. Sie hat- Franz Hucht ten ein Vorbild in den Gesellenvereinen Adolph Kolpings und bezogen soziale Aspekte der Situation Jugendlicher in den rasant anwachsenden Industriestädten (Berufs- und Arbeitssi- tuation, Freizeitgestaltung) mit ein. Die wachsende Masse der Fabriklehrlinge und jungen Fabrikarbeiter war mit dem traditi- onellen vorrangig auf religiös-sittliche Erziehung ausgerichte- ten Vereinsprogramm nicht mehr zu gewinnen. In der Gründungsgeschichte der Dreifaltigkeitsgemeinde werden diese soziokulturellen Entwicklungen um die Jahrhun- dertwende deutlich sichtbar. Die Industrialisierung des Dort- munder Nordostens (Hoesch) zog Ende des 19 Jahrhunderts insbesondere Immigranten aus Posen und Schlesien an, die überwiegend katholisch waren. Aufgrund des starken Bevöl- kerungswachstums wurde mit der Fertigstellung des Kirch- baus 1900 zunächst die Filialgemeinde „Heilige Dreifaltigkeit“ gegründet, die 1904 eigene Pfarrei wurde. In der Gemeinde entfaltete sich ein intensives Vereinsleben.1 Entsprechend der allgemeinen Sportbegeisterung gehörten Turnen und Leicht- athletik zum Programm der Jünglingssodalität; auch die Be- Jubiläumsausstellung in der Dreifaltigkeitskirche. geisterung für den Fußball wuchs um die Jahrhundertwende stark an, so dass diese Sportart ebenfalls in der Jugendvereini- gung der Pfarrei aufgegriffen wurde. Als Kaplan Dewald 1906 die Jünglingssodalität übernahm, Anmerkungen: war ihm das „rohe“ und „wilde“ Treiben des Fußballspielens 1 Martin Annen: Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit, in: Paul Montag/ Elisa- ein Dorn im Auge. Die jungen Fußballer wollten sich aber beth Tillmann/ Brigitte Spieker/ Dieter Höltershinken: Die katholische nicht bevormunden lassen und ließen sich auch nicht durch Kirche in Dortmund. Ihre Geschichte und ihre Pfarrgemeinden, Pader- eine am Sonntagnachmittag zeitgleich angesetzte Andacht born 2006, S. 306f 2 zit. nach www.schwatzgelb.de (Rubrik Historisches: Die Geschichte vom Spiel abbringen. „Nach Auseinandersetzungen mit dem des BVB), zuletzt eingesehen am 06.03.2009 Kaplan Dewald wird am 19.12.1909, dem vierten Advent, 3 Vgl. Andreas Wiedenhaus: Eine Kirche trägt Schwarz-Gelb. Borus- in der Gaststätte „Zum Wildschütz“ der BVB 09 gegründet. sia Dortmund eröffnet Jubiläumsjahr in der Dreifaltigkeitskirche, in: Anfangs sind es rund 40 Mitglieder der Jugendgruppe, aber Der Dom. Kirchenzeitung des Erzbistums Paderborn Nr. 1/ 04. Januar nachdem Kaplan Dewald versucht, diese Gründung zu verhin- 2009, S. 26f dern und ihm der Zugang zur Versammlung verwehrt wird, 4 www.borsigplatz-verfuehrung.de 18 1969 – 2009: 40 Jahre KJG (Katholische Junge Gemeinde) Von der Fusion und der Suche nach einem eigenständigen Profil

geordnete der im Düsseldorfer Landtag vertretenen Parteien Deutschlandtreffen 1968 in Münster. Vertreter der „Ka- Rede und Antworten zu den Perspektiven und Herausforde- tholischen Jungmännergemeinschaft (KJG)“ und Vertre- rungen der Jugendpolitik. terinnen der „Katholischen Frauenjugendgemeinschaft Die KJG ist ein „nachkonziliarer Verband“. Die kirchliche (KFG)“ fassen einen weitreichenden Beschluss: Die bei- und gesellschaftliche Aufbruchstimmung nach dem Zweiten den Organisationen wollen fusionieren. Zwölf Monate Vatikanum und am Vorabend der Würzburger Synode gibt später entsteht ein neuer kirchlicher Kinder- und Jugend- Schubkraft für die programmatische Entwicklung. Papst Jo- verband, der sich ab 1970 „Katholische Junge Gemein- hannes XXIII. hatte gut zehn Jahre zuvor dazu aufgerufen, de“, kurz KJG nennt. Die nächsten Jahre sind gekenn- das „Fenster zur Welt“ zu öffnen, und die Konzilsväter waren zeichnet vom schnellen Anstieg der Mitgliederzahlen ihm mutig gefolgt. In den Gemeinden herrscht neben dem und schon bald auch von Konflikten mit der Deutschen neuen Geist aber auch ein wenig Besorgnis über allzu frische Bischofskonferenz. – Michael Plöger wirft einen Blick zu- Zugluft: Jugendgottesdienste mit „Beatmusik“, koedukative rück auf die ersten zehn Jahre des Verbandes. Ferienfreizeiten, gemischt geschlechtliche Gruppen, Feten im Pfarrheim.

Herbst 1969 in Paderborn-Wewer. Ein kleiner Kreis von Ju- Viel Rückenwind für die kirchliche Jugendarbeit gibt es in gendlichen will kirchliche Jugendarbeit organisieren. Ihnen jenen Jahren im Erzbistum Paderborn. 1974 setzt der dama- sind gelegentliche Wochenendaufenthalte in Jugendherber- lige Kapitularvikar und spätere Erzbischof Johannes Joachim gen oder mehrtägige Fahrradtouren zu wenig. Eine Verste- Degenhardt die Leitlinien für kirchliche Jugendarbeit in Kraft. tigung der Angebote schwebt ihnen vor. Über persönliche Ein Jahr später verabschiedet die Würzburger Synode den Kontakte entstehen Verbindungen zur KJG in der Nachbar- Beschluss „Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit“. Ju- gemeinde Borchen sowie zu Gruppen im rund 80 Kilometer gendarbeit wird zu einer zentralen Aufgabe auf allen kirchli- entfernten Hemer. Gespräche, Tipps, Ermutigung und Einla- chen Ebenen. In den Dekanaten werden die Dekanatsstellen dungen zur Teilnahme an Ferienfreizeiten im nächsten Jahr. mit hauptamtlichen JugendpflegerInnen eingerichtet. Die Ver- Starthilfen zu einem Start-up-Unternehmen. Und die Erfah- bände erhalten hauptamtliche Referenten. rung, dass der Blick über den eigenen Kirchturm hinaus den Diese „Professionalisierung“ der Jugendarbeit soll aber nicht Horizont erweitert. das Ehrenamt ersetzen, sondern vielmehr ergänzen und flan- So auch beim ersten Diözesantag der KJG im Erzbistum kieren. Sie dient der strukturellen Absicherung, der fachlichen Paderborn 1970 in Lünen. Mehrere hundert Jugendliche und Aus- und Fortbildung sowie der Begleitung der ehrenamtlich junge Erwachsene diskutieren, wie die im Fusionsprozess von Tätigen. Ein von allen Trägern kirchlicher Jugendarbeit verab- KJG und KFG verfassten „Grundlagen und Ziele“ der KJG um- schiedetes Schulungskonzept gewährleistet eine sehr gute pä- gesetzt werden können. Aus dem christlichen Glauben die dagogische Ausbildung der Gruppen- und Teamleitungen. „Pfarr- und Bürgergemeinde“ bewusst mitzugestalten, das ist Im KJG Diözesanverband wird die mittlere Ebene aufgebaut. ohne Zweifel ein modernes Programm. Und es gibt ein großes Die zunächst sieben Bezirksleitungen organisieren auf der Ebe- Vorbild. ne der Seelsorgebezirke Veranstaltungen für die Kinder- und Mit dem britischen Lordkanzler Thomas Morus haben die Jugendgruppen aus den Pfarrgemeinschaften, strukturieren Gründungsväter und -mütter der KJG einen Verbandspatron den Meinungsbildungsprozess in den verbandlichen Fragen gewählt, der die Entscheidungen, die er in seinem Privatle- zwischen der Pfarr- und der Diözesanebene. Erfahrungs- und ben wie auch in seinen politischen Ämtern zu fällen hatte, Erlebnisräume für verbandliches Handeln und Wirken, für in einzigartiger Weise an den Kriterien des christlichen Men- kirchliche Gemeinschaft jenseits der manchmal auch tristen schenbildes ausrichtete und sich allein seinem Gewissen ver- Routine in der Gemeinde. Das schnelle Wachstum der KJG im antwortlich fühlte, konsequent bis in den gewaltsamen Tod. Erzbistum Paderborn ist wesentlich auch ein Erfolg der starken Gut 30 KJG’ler begeben sich 1971 in London eine Woche lang mittleren Ebene: Erfahrene junge Erwachsene geben immer auf die Spuren dieses modernen Heiligen. Die Auseinander- wieder wichtige Impulse. Sie unterstützen Pfarrgemeinschaf- setzung mit dessen Lebensgestaltung und die Begegnung mit ten im Aufbau, nehmen bereits gefestigte in die Pflicht, den dem damaligen Erzbischof von Canterbury sind für alle Teil- Verband zu gestalten. nehmer eine prägende Erfahrung, für den Verband ein weite- rer wichtiger Impuls für das eigene Selbstverständnis. An Mut und Weitsicht hat es in jenen Tagen nicht gefehlt. Zu den mutigen Entscheidungen gehört mit Sicherheit der Ent- Die junge KJG hat in der Vielfalt kirchlicher Gruppierun- schluss der KJG Diözesanleitung, 1975 ein ehemaliges Kapuzi- gen ihr Profil gefunden. Die Kolpingjugend sieht sich der nerkloster in der Nähe von Sundern langfristig anzumieten und Arbeitswelt verpflichtet, die Landjugend definiert sich über als Freizeit- und Schulungshaus einzurichten. Kloster Brunnen die regionale Verwurzelung, die Pfadfinder blicken auf eine wird Diözesan- lange Tradition in der Folge von Robert Baden Powell zurück. zentrum, Wall- „Christsein“ nicht nur hinter dicken Kirchenmauern, sondern fahrtsort und in der „Welt von heute“ zu leben und im überschaubaren, „Wohnzimmer aber gleichwohl spannenden Raum der kirchlichen und kom- der KJG“. Die munalen Gemeinschaft zu organisieren, das verspricht breite „Gemeindeta- Erlebnis- und Erfahrungsräume für die Sozialisation sowie ein ge“, zu denen weites Feld zur Einübung und zur Übernahme von Verantwor- sich KJG’ler tung. Bürgerschaftliches Engagement im besten Sinne des tief im Sauer- Wortes, auch wenn es diesen Begriff damals noch nicht gab. land treffen, Im Studienteil der KJG-Diözesankonferenz 1971 stehen Ab- ermöglichen Kloster Brunnen, Diözesanzentrum der KJG im Erzbistum Paderborn. 19 Vergewisserung über den Grund des Glaubens. Die Tage der tik an kirchlichen Entscheidungen, Forderungen nach mehr offenen Tür auf den Höhen des Homert bieten Begegnungen innerkirchlicher Demokratie oder pointiert politische Forde- und Gespräche, laden ein zu Festen und Feiern. Das Kloster rungen nach mehr Selbstbestimmung von Kindern und Ju- – eine Tankstelle, um Kraft und Zuversicht zu laden für die gendlichen führen zu der Grundsatzfrage, ob die KJG sich im Arbeit in den Gemeinden und Pfarrgemeinschaften. Kern noch als kirchlicher Jugendverband verstehen darf. Der Ein Verband braucht solche Orte und Veranstaltungen, an lange schwelende Konflikt eskaliert schließlich Anfang 1984 denen sich Gemeinschaft konstituiert, die Gemeinschaft ihre am „Songbuch II“. Es enthält einige Lieder, die sich kritisch Themen diskutiert, sich neue Ziele setzt. Diesem Zweck dient mit Kirche und Religion auseinander setzen. Der Konflikt kann auch der zweite KJG Diözesantag 1980 in Paderborn. Unter schließlich beigelegt werden, nicht ohne Verwundungen bei dem Motto „Versuche mit der Hoffnung“ treffen sich an die allen Beteiligten. tausend KJG’ler, um in zahlreichen Arbeitskreisen eine Bilanz des Schwerpunkthemas „Wir machen unsere Kirche wieder Anfang März diesen Jahres feierte der KJG Diözesanverband jung“ zu ziehen. Stehen in der ersten Hälfte der siebziger Jah- seinen 40.Geburtstag. In zahlreichen Pfarrgemeinschaften re noch Fragen der verbandlichen Struktur, der Ausbildung wird das Jubiläum in diesen Tagen begangen. Die Angebote und der zielgruppengerechten Angebote im Mittelpunkt, so für Kinder und Jugendliche haben sich verändert. Stand in den nehmen inhaltliche Jahresthemen in der zweiten Hälfte der siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Gruppen- siebziger immer größeren Raum ein. Mit Projekten wie „Kin- arbeit im Vordergrund, so sind es heute offene Angebote und der, wo drückt Euch der Schuh?“ sieht sich die KJG zuneh- temporäre Projekte, die das Logo des Seelenbohrers tragen. mend in der Rolle des Interessensvertreters, der sich für die Geblieben ist aber der Anspruch, die „Pfarr- und Bürgerge- Wünsche, Hoffnungen und Forderungen von Kindern und meinde bewusst mitzugestalten“, Bürgerschaftliches Engage- Jugendlichen in Kirche und Gesellschaft stark macht. Die KJG ment aus christlicher Motivation eben. Niemand aus dem klei- hat sich als Verband gefunden. nen Kreis von Jugendlichen in Paderborn-Wewer hätte sich Streit ist damit vorprogrammiert. Am deutlichsten zeigt 1969 träumen lassen, welche Projekte und Aktionen in vier sich diese Entwicklung auf Bundesebene. Schon seit Mitte Jahrzehnten kontinuierlicher Jugendarbeit entstehen würden. der siebziger Jahre geben die stark politisch ausgerichteten Und die KJG Wewer ist durchaus kein Einzelfall. Der Verband Aktionen der Bundesebene Anlass für heftige innerverband- ermöglicht eben den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus liche Debatten, aber auch für offene Konflikte mit einigen und erweitert damit den Horizont. Bistumsleitungen und der Deutschen Bischofskonferenz. Kri- Michael Plöger Jugendhof Pallotti-Haus in Olpe besteht seit 25 Jahren

In diesem Jahr feiert die Jugendbildungsstätte „Jugend- nach Rheinland-Pfalz. Vor allem aber für Pfarrgruppen aus hof Pallotti-Haus Olpe gGmbH“ ihr 25jähriges Bestehen. dem südlichen Sauerland ist der Jugendhof „die“ Jugendbil- Jugendbildungsarbeit wird im Pallotti-Haus allerdings dungsstätte im Erzbistum. schon seit Bestehen des Hauses (1925) und in verstärk- Unser Jubiläum wollen wir mit einem Festwochenende am tem Maße seit der Verlegung des Noviziates (1967), 4./5. September begehen. Am Freitag soll ein kleiner Festakt durchgeführt. Die Patres hatten damals Pionierarbeit zu stattfinden und am Samstag ein großes Dekanatsministran- leisten, denn durch den Weggang der Novizen mussten tenfußballturnier auf dem neu gebauten Sportplatz. Zudem neue Formen der Jugendbildungsarbeit erprobt und soll an diesem Tag ein großes Workshopangebot und „Tag der weiterentwickelt werden. Statt einer kleinen Zahl ruhi- offenen Tür“ sein. ger Novizen bevölkerten manchmal bis zu 100 lautstarke Jugendliche das Pallotti-Haus. Frater Christoph Lentz SAC, Leiter der Jugendbildungsstätte Im Jahre 1984 wurde, nach einigen Umbau-, Anbau- und Renovierungsarbeiten, in der ehemaligen Ökonomie des Pal- lotti-Hauses der heutige „Jugendhof“ eröffnet. Aus der Arbeit der ersten „Jugend-Patres“ (waren es anfangs fünf Pallottiner in der Jugendarbeit, sind es jetzt nur noch zwei Pallottiner, die zur Zeit von zwei pädagogischen MitarbeiterInnen und vie- len freien MitarbeiterInnen unterstützt werden) entwickelte Jugendhof sich die Jugendbildungsarbeit kontinuierlich bis zum heutigen Pallotti-Haus heute Stand. Im Laufe der Jahre wurde der Jugendhof immer wie- und beim Richtfest im Herbst1983. der renoviert und auf den neuesten Standard gebracht (eine weitere Renovierungsmaßnahme steht in diesem Jubiläums- sommer an). Schwerpunkt unserer Arbeit sind die Tage religiöser Ori- entierung für Schulklassen, wobei sich auch da natürlich der Charakter und vor allem auch die Dauer der Tage verändert hat. Das Haus steht aber auch für Gastgruppen zur Verfügung, die ihre eigenen Kurse durchführen. Dies sind z. B. Gruppen- leiterkurse verschiedener Jugendverbände und kirchlicher Or- ganisationen, Schulklassen, Behindertengruppen, Pfarr- und Familiengruppen, Besinnungstage und Ferienfreizeiten. Der Einzugsbereich der Jugendbildungsstätte reicht über den südwestfälischen Raum hinaus ins Hochsauerland, nach Ost- westfalen, ins Ruhrgebiet, ins Münsterland, ins Rheinland und 20 Das historische Dokument In Memoriam Jupp Stemmrich Eine Erinnerung von Rudolf Hoffmann Josef Stemmrich * 29.03.1917 + Jupp Stemmrich war im heutigen Wortgebrauch 12.04.2004 kein „Liedermacher“, son- dern immer noch im alten Vorbemerkungen: Sinne „ein Sänger“, man Die Dokumentationen von Augustinus Reineke “Jugend zwischen könnte sogar das Wort Kreuz und Hakenkreuz“ (1987) im Verlag Bonifatius Paderborn und „Barde“ gebrauchen. In das Buch „Sie hielten Stand – Sturmschar im Katholischen Jungmän- diesem Verständnis ist die nerverband Deutschlands im Verlag Haus Altenberg (1989) enthal- vorrangige Bedeutung des ten einige biographische Hinweise auf Jupp Stemmrich und auf die fremden Textes der geistige Zusammenhänge, in denen sich sein Wirken und seine Wirkungen Gegenpol, zu dem die Melo- widerspiegeln. (Ein Beitrag zu den Erinnerungen von ihm selber steht die in Spannung steht. Text im Buch der Sturmschar S. 254 ff „Katholische Jugend 1933“.) und Melodie, in deutsch Es sei noch eine Schilderung angefügt von Gisbert Kranz aus dem Wort und Weise – wobei Buche „Jugend unter dem Hakenkreuz“ (St. Ulrich-Verlag Augsburg „Weise“ etymologisch „Er- 2007): „ ... Bald nach meinem 20. Geburtstag im März 1942 wurde scheinungsform“ bedeutet ich zum Heer eingezogen. Meine Rekruten-Ausbildung erhielt ich in – heben das lyrisch gespro- der Infanteriekaserne in Hamm in Westfalen. Die Freizeit verbrachte chene verborgene Wort in ich meist in einem Kreis katholischer Jugendlicher, die sich um zwei die Erscheinungs-Form der Priester in Hamm scharten. In einer Hammer Kirche hörte ich Jupp linearen Tonfolge in eine Stemmrich predigen. Dieser temperamentvolle Laie hatte „missio ca- offene Gestalt, offen für nonica“ erhalten und war hauptamtlich im Jugendseelsorgeamt des die Gemeinsamkeit der Sin- Erzbistums Paderborn angestellt. Seine Rede riss alle Hörer mit.“ (S. genden. Der Komponist des Jupp Stemmrich im Gespräch mit Augustinus 107) Das Zitat schildert in einer Art Rückblende die Zeit katholischer Liedes hat als Sänger zuvor Reineke bei einem Treffen katholischer Jugend Jugend in einer typischen Situation im Kriege und zum Schluss die für sich im Lied den verbor- Anfang der 1940er Jahre in Stukenbrock. Wirkung des Laien Jupp Stemmrich in der Kirche. genen Ton im Gedicht ge- funden, zugleich auch das Jupp Stemmrich und seine Lieder Gemeinsame in den Strophen entdeckt und als neues Ganzes in der Gestalt des Liedes in Musik übersetzt. Für Jupp Stemmrich war die Begegnung mit der Dichtung In diesem Gedenken soll der besondere Aspekt der Lieder als Lyrik immer zugleich eine Begegnung mit der ihr innewoh- zu Erscheinung kommen, und hier vor allem jene Zeit und nenden Musik. Die Suche nach dem Dichter und nach dem jene Lieder, die mit meiner persönlichen Erinnerung verbun- Gedicht gehörte zu seinem Leben, das geistige Erfassen des den sind. So muss die Auswahl eine umfassendere Darstellung Sinnes im Wort war ihm ein innerster Bewegungsimpuls. Es ist ersetzen und vielleicht einer späteren Dokumentation vorbe- erhellend für seine Biographie, welchen Texten und welchen halten bleiben. Dichtern er sich in seinem Leben zuwandte. Freilich sind und bleiben auch dann unausweichlich viele Jupp Stemmrich war natürlich in dieser Zuwendung zu sei- Lieder unberücksichtigt, weil der Versuch von Jupp Stemm- nem innersten Lebensimpuls in seiner Umgebung, d. h. in sei- rich, zusammen mit Hermann Engeländer aus Bergisch Glad- ner Zugehörigkeit zur katholischen bündischen Jugend in der bach bei Köln, um 1980 die große Zahl seiner Lieder doch Sturmschar eine faszinierende Persönlichkeit. Seine Gestalt, noch zu sammeln und zu dokumentieren, abgebrochen wer- das vom flachen Gesicht geprägte Erscheinungsbild, seine ei- den musste mit der Erkrankung und der Erschöpfung von J. genartige, vibrierende Stimme, der Gestus der rechten Hand Stemmrich, mit seinem Tode im Jahre 2004. Nur ein Fragment beim Dirigieren, alles gepaart mit hoher Energie: ein künstleri- des Gesamtwerkes ist übrig geblieben. scher Mensch mit großer Wirkung auf andere Menschen. Ich Dennoch: Jupp Stemmrich ist mir in seinen Liedern auf un- weiß nicht, ob das Gedicht „Wir wandern in der Frühe“ von vergessliche Weise gegenwärtig: die Art, wie sich seine Exis- Johannes Büchner im Buche von Klaus Franken „Speerflug“ tenz mit seinen Liedern, genauer müsste man sagen mit dem eine unbewusste Hommage auf Jupp Stemmrich war, aber „L i e d“ verband. wenn Jupp Stemmrich die Strophen in seinen Liederabenden sang, bekam das Lied autobiographische Züge. Was man heu- te die „Präsenz“ oder die „Identifikation“ nennt, war bei ihm in den Worten und in den Liedern so stark und überzeugend, dass z. B. der alte Prälat, der ihm die „missio“ verlieh, in Be- geisterung geriet, als wäre er in seine eigene Jugend zurück- gekehrt. Jupp Stemmrich war ein Naturtalent als Pädagoge, ein Redner mit geistiger Disziplin, in der Sache des Glaubens ein wahrhafter Zeuge. Aber er nahm die Fähigkeit des Zeug- nisses nicht aus den Begabungen seiner Person, sondern aus dem Glauben der Kirche. Aus dieser Quelle speisten sich seine religiösen Lieder als Zeugnis in der Zeit. Er wusste sich auf dem Wege der Geschichte, wachsam in der Stunde der Gefahr. Die Freude, ja der Humor, gehörten zu ihm wie die Liebe. Jupp Stemmrich (rechts im Profil) mit Georg Hoffmann (halbrechts) und anderen am Tag der Bischofsweihe Lorenz Jaegers am 19. Okto- ber 1941 in Paderborn. 21 listen mit den Versandadressen!) Mit der Schreibmaschine im Jugendamt – ihrer kleinen Schrifttype wegen – und dem Hektographiergerät, war diese Veröffentlichung der Lieder möglich. Jupp Stemmrich kam also zum Hoffmannschen Haus in der Eckardtstraße, das in seiner Bedeutung als Treffpunkt schon eine lange Tradition hatte. Er spielte auf unserem Kla- vier, improvisierend, manchmal die Texte spontan als fertiges Lied komponierend. Musik war bei uns in der großen Zahl der Geschwister zu Hause, ich selbst spielte Geige und Bratsche. Das Lied „Es wandelt was wir schauen“ mit dem Text von Jo- sef von Eichendorff, seinen vier Strophen und vier Variationen für die begleitende Geige, haben wir aus der Taufe gehoben, so wie wir singend, vor allem wir Gebrüder Georg und Rudi, so manches der Lieder mit Jupp Stemmrich zum ersten Male gesungen haben. Zu der Zeit lagen die beide Gedichtbände von Werner Bergengruen „Die verborgene Frucht“ und „Die Rose von Jericho“ auf dem Klavier, und es entstanden dar- aus eine ganze Reihe schöner Lieder. Die Herbst-, Winter- und Weihnachtszeit 1942 war für Jupp Stemmrich eine glückliche Zeit, zumal seine Braut Ursula aus Soest zu uns ins offene el- terliche Haus kommen konnte. Die musikalische künstlerische Entfaltung wurde für Jupp Stemmrich ein so wichtiges Erleb- nis, dass er ein erneutes Musik-Studium erwog bei dem Kom- ponisten Hans Humpert in Paderborn, der aber im September 1943 in Italien fiel.

Ich möchte noch eine kleine persönliche Erzählung einfü- Die entschieden künstlerische Lebensform war Jupp gen dürfen. Meine eigene Begegnung mit Jupp Stemmrich Stemmrich zeitlebens als sein Eigenes bewusst, aber sie hat war 1939 bei Augustinus Reineke im Jugendseelsorgeamt, ihn als Einzelnen in dem betonten Gemeinschaftsgefühl sei- Domplatz 26 in Paderborn und dauerte über die Jahre des ner Freunde sowohl profiliert als auch isoliert. Die signifikante Krieges bis in die Zeit seiner Heimkehr aus der Gefangen- Freundschaft mit Hans Niermann innerhalb der Sturmschar schaft und die Aufbaujahre in Hardehausen bis etwa 1952. war für Jupp Stemmrich eine Art Ausnahmezustand. Er hat Die größte Nähe entstand, als Jupp Stemmrich 1942 Soldat dieser Freundschaft in seinen Veröffentlichungen und vor al- wurde und seine Ausbildungszeit in meinem Heimatort Neu- lem in dem Lied „Ich bin auf einer Fahrt, vor der mich nichts haus in der Schlosskaserne ableistete. Fast jeden freien Abend mehr wenden mag“ (aus dem Parsifal des Wolfram von nach dem Dienst war er dann bei uns zu Haus. Aus dieser Zeit Eschenbach) ein Denkmal gesetzt. Sicherlich haben nur weni- stammt auch eine Reihe von Liedern, deren Entstehung ich ge dieses Lied nach dem Tode von Hans Niermann, gefallen als mit erlebte. Auch die „Sechs neuen Lieder“ und dazu sein Soldat im Zweiten Weltkrieg am 18. Juni 1940 in Frankreich, gewichtiges Vorwort stammen aus dieser Zeit und konnten verstanden und als „Grablied“ empfunden und gesungen, noch veröffentlicht werden, als Jupp Stemmrich sich schon im aber es zeigt, wie weit sich Jupp Stemmrich in seinen Liedern Fronteinsatz in der Ukraine befand. (Es war eine höchst ris- vorgewagt hatte, in einen Raum jenseits der Brauchbarkeiten kante Sache, besonders auch die von ihm erstellten Namens- innerhalb der Jugendbewegung. Freilich haben seine frühen Lieder das jugendliche Pathos, wie z.B. „O Christ mach du uns son- nenhaft“ oder das eindrucksstarke „Jahr um Jahr die Fischer knüpfen ihre Netze“, denn sie waren auf das bündische Leben in der Sturm- schar bezogen.

Jupp Stemmrich hat seinen Stil gefunden nicht im Musikantischen der Jugendbewegung, sondern in einer Übernahme und Fortset- zung des musikalischen Weges von Ludwig Weber, der beim frü- hen deutschen Liedgut seine Her- künfte suchte und fand. Ludwig Weber (1891-1947) war Kompo- sitionslehrer in der Folkwangschule in Essen. Das zweistimmige Lied „Lass die Wurzeln unsres Handelns Liebe sein“ und das Chorlied „Herr Christe komm in unsere Not“ sind allgemein bekannt geworden in der Zeit der Wiederentdeckung der frühen Liedformen z. B. das „Sei uns willkommen Herre Christ“

22 oder „Christ ist erstanden“ oder „Nun bitten wir den heili- Mit diesem neuen-alten Liedgut, das durch einige Lieder aus gen Geist“, alle in hörbarer Herkunft aus dem gregorianischen der katholischen Jugendbewegung erweitert war, hat Jupp Choral. Im Sinne von Ludwig Weber und der kulturellen Ziel- Stemmrich eine genau auf ihn zukommende Aufgabe gefun- setzung der Folkwangschule suchte er in der Moderne zu- den und ergriffen. Man kann nicht sagen, dass Jupp Stemm- gleich die bewusste Rückkehr zu den Wurzeln und Quellen. rich die Form einer „Liedkatechese“ entdeckte, vielmehr konn- Der Begriff „konservativ“ war noch nicht diskriminiert. Die te er, anknüpfend an einen selbstverständlichen Gebrauch in einfache Bewegung der Tonschritte, die dem Wort zugeord- den Gruppen der Jugendbewegung, singend einen Text zu er- nete Melodie als Trägerin eines im Wort enthaltenen Sinnes lernen und als geistigen Besitz zu erwerben, durch sein künst- prägten den Stil der Lieder von Ludwig Weber und von ihm lerisches Ingenium in ganz originärer Weise die alten Lieder in her den Stil von Jupp Stemmrich. der bedrängten Gegenwart zu einem neuen Leben erwecken. Dabei war die Bereitung der Sinne als geistige Aufmerksam- Als im Jahre 1938 das „Kirchenlied“ als Liederbuch der kath. keit seine ganz persönliche Art, im theologischen Wort die Jugend erschien und in hoher Auflage verbreitet wurde, wa- Tiefe der Bedeutung aufzudecken und die Begeisterung als ren diese Lieder und dieses Singen wie vom Zeitgeist erfasst. „existenzielle Erfahrung“ in der singenden Gemeinde zu ent- Sie entsprachen einem neuen Bewusstsein im Gegensatz zu zünden. Alte Lieder wie z. B. „In Gottes Namen fahren wir“ den in Gebrauch befindlichen Gesangbüchern der Diözesen oder „Wann wir in höchsten Nöten sein“ oder „Vater unser in Deutschland. der du im Himmel bist da ewige Freude ist“ hatten plötzlich wieder ihren lebendigen Ort in den Menschen. (Man konn- te sich unmittelbar vergegenwärtigen, warum in der Refor- mationszeit solches Singen von Liedern wie „Wachet auf ruft uns die Stimme“ zu ei- ner Geistesbewegung wurde.)

In diesen kreativen Lieder-Singe-Runden von Jupp Stemmrich war, natürlich, sein eigenes Lied selbst- verständlich dabei. Er aber vermittelte sich dabei nicht selbst als Komponist, sondern ließ geradezu teilha- ben an dem Geschenk der Liedwerdung eines Textes. So entstanden jene eindrücklichen, eindrucksstarken Mo- mente, in denen z. B. der Text von Guido Gezelle „Wer kann da Korn anschaun“ zum 23 neuen Lied der singenden Gemeinde wurde. Der Versuch der Beschreibung dieses Vorgangs hatte Jahre zuvor in dem schon zitierten Lied „Wir wandern in der Frühe“ seinen Ausdruck gefunden. Aber Jupp Stemmrich hatte sich in seiner persönli- chen Entwicklung immer mehr weg vom jugendbewegten Pa- thos hin zu einer Tiefe der geschichtlichen Existenz „auf Fahrt begeben“, auf den Weg der Nachfolge. Dazu brauchte er das dichterische Wort wie ein Lot, suchend nach dem bedeuten- den Zeichen in der Zeit und wartend auf das Echo in der See- le. Aus der Fülle der Lieder sind (gemäß der abgebrochenen Sammlung von Hermann Engeländer) offensichtlich im Verlau- fe seines Lebens viele Lieder verloren gegangen oder müssen als verloren angesehen werden – in meiner Erinnerung z. B. die Vertonung des Sonnengesangs des Franz von Assisi in der Übersetzung von Romano Guardini ... . Aber manches Lied ist erhalten, wenn auch wohl nur noch selten gesungen. In diesem Sinne mag als ein Lied unverbrüchlicher Hoffnung das Gedicht von Werner Bergengruen stehen, das Sämanns- lied nach dem Text des Evangeliums bei Lukas 8, 4-15 „Herr Christ will Ostern auferstehn“. Das Wort von Werner Ber- gengruen, das sich am biblischen Wort im Gedicht entfaltet und das österliche Liedmotiv des „Christ ist erstanden“ in der Melodie von Jupp Stemmrich sind in kunstvoller Gestalt eine wunderbare Einheit geworden.

Das Lied ist vielleicht nicht in erster Linie ein Gemeindege- sang, es ist vielmehr ein Lied der Innewerdung des einzelnen Christen in der Gemeinschaft der Kirche: als das österliche Samenkorn, als das im Wort des Evangeliums uns anvertrau- te Korn der Hoffnung in der Zeit, als die göttliche Saat, die Frucht bringen soll und um Erbarmen bittet im Kyrieleis.

Josef Stemmrich starb am Abend des zweiten Ostertages im Jahre 2004, gleichsam im Unterwegs der Jünger nach Em- maus.

R.I.P.

24 „Kirchenlied“ – Das „Einheitsgesangbuch“ der katholi- schen Jugendbewegung erschien vor 70 Jahren

2 Im vorangehenden Artikel von I (gelb), 17 im Singeschiff II (grau).“ Rudolf Hoffman fand bereits das In Verbindung mit dem „Kirchen- Liederbuch „Krchenlied“ Erwäh- lied“ ist aber in jedem Fall auch das nung, das unter der Herausge- „Kirchengebet“ zu nennen, das be- berschaft von Josef Diewald, reits ein Jahr früher (1937, ebenfalls Adolf Lohmann und Georg Thur- im Verlag Jugendhaus Düsseldorf) mair1 1938 im Verlag Jugend- erschien und einen deutschen Text haus Düsseldorf erschien. Wäh- „für den Gemeinschaftsgottesdienst rend die Vorgänger „Das Singe- katholischer Jugend“ – so der Unter- schiff“ (1931) und „Das graue titel – bereit stellte. In der Mitfeier der Singeschiff“ (1934) noch stärker Gemeinschaftsmesse in der Mutter- vom bündischen Liedgut geprägt sprache, die oft auch schon „versus waren, beinhaltet das „Kirchen- populum“ gefeiert wurde, wie auch lied“ eine Sammlung von 140 in der Wiederentdeckung des eben- geistlichen Liedern, die sich in falls in deutsch gesungenen Stunden- den einzelnen Liedrubriken am gebetes (insbesondere der Komplet) Kirchenjahr, dem gottesdienstli- spiegelten sich die Niederschläge der chen Gebrauch und an der reli- Liturgiebewegung in der damaligen giösen Tagesgestaltung orientie- jugendreligiösen Praxis. Somit vermit- ren. Interessanter Weise greift die Liedauswahl neben einigen telten „Kirchenlied“ und „Kirchen- aktuellen, zumeist von den Herausgebern selbst geschaffenen gebet“ prägende Erfahrungen, die letztlich in die liturgische Liedern vor allem auf ältere Lieder zurück. In welcher Weise Erneuerung des Konzils mündeten. diese Wiederentdeckung der alten originären Liedformen im Kirchenlied – u. a. auch aus der reformatorischen Liedtradition Franz Hucht – beim Singen einen neuen „Sitz im Leben“ entfalten konnte, wurde bereits beschrieben. Die katholischen Jugendgruppen Anmerkungen: hatten hier ferner einen Liedschatz, der in einer Zeit, in der sie 1 Alle drei waren Mitarbeiter des Jugendhauses Düsseldorf; Georg sich fast gänzlich auf den religiösen Bereich zurückgedrängt Thurmair ab 1926 als Sekretär Ludwig Wolkers, Redakteur, Schrift- sahen, eine wichtige Gemeinschaft stiftende Funktion entfal- steller und Dichter zahlreicher Lieder und Gedichte; Adolf Lohmann tete. Die Auswahl und Bearbeitung dieser Liedersammlung vertonte die meisten seiner Liedtexte und arbeitete als Singemeister war von der Programmatik her aber insbesondere von dem insbesondere mit der „Singgemeinde Düsseldorf“ zusammen; Josef Wunsch nach einem Diözesen übergreifenden Einheitsliedgut Diewald war für die Laienspielarbeit zuständig und produzierte zu- geleitet. Im Vorwort schrieb Bischof Stohr von Mainz als erst- sammen mit Lohmann und der „Singgemeinde“ die Schallplattenrei- mals von der Bischofskonferenz ernannter Jugendbischof: he „Stimmen der Jugend“ (1934 – 1939). „Dank sei euch, dass ihr mit Liebe gesammelt habt, was uns 2 Josef Seuffert: Lobet den Herrn, in: Der Vergangenheit eine Zukunft. an gemeinsamem Liedgut verbinden kann zu einem gewal- 75 Jahre Jugendhaus Düsseldorf, im Auftrag der Arbeitsstelle für Ju- tigen Gottbekenntnis aller Christen in deutschen Landen ... gendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz und des Bundesvor- Daran will ich die frohe Hoffnung knüpfen, dass damit nun standes des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hrsg. auch einem einheitlichen Liedgut der deutschen Katholiken von Karl Wuchterl, Düsseldorf 1984, S. 40 – 45, hier S. 44 der Boden bereitet wird.“ Darin stand das Kirchenlied durchaus im Dienst der liturgi- schen Erneuerung; seine Rezeption wirkte hier weit in die Ent- wicklungen der Nach- kriegs- und (Vor-) Kon- zilszeit hinein. „Ohne das „Kirchenlied“ sähe auch das Einheitsge- sangbuch „Gotteslob“ anders aus, falls es überhaupt zustande gekommen wäre. Von den 140 Liedern des „Kirchenlied“ kamen 77 in das „Gotteslob“, dazu zwei Melodien und ein Text. Neun dieser Lieder standen schon im Singeschiff

25 Neues aus der Dokumentationsstelle Literatur zum Thema Gruppe in der Bibliothek der Dokumentationsstelle – ein kleiner Überblick Dass Jugendarbeit et- Amerika in den 1940er Jahren gehalten wurden und das dort was mit Gruppenarbeit diskutierte Wissen z. B. über Vorurteilsbildung oder Gruppen- zu tun hat, scheint in beziehungen in Deutschland verbreiten wollten. den letzten Jahren of- Ein zweites Themenfeld bildet die in den 1950er und 1960er fenbar etwas in Verges- Jahren erfolgte Rezeption der amerikanischen Kleingruppen- senheit zu geraten. So forschung: Da stehen Peter Hofstätters berühmte „Einführung würde man heute – auf in die Gruppendynamik“ (1957), aber auch die Sammlung von der Suche nach Grund- Schriften zur Feldtheorie von Kurt Lewin (zuerst 1951). Ende lagen der aktuellen Ju- der 1960er Jahren kommen dann die gruppendynamischen gendarbeit – vielleicht Trainings und ihre bundesdeutsche Rezeption hinzu. Wir fin- eher die Schlagwörter den aber auch drittens die Tradition der Sozialen Gruppenar- „Erlebnispädagogik“, beit, die mit Gisela Konopka vertreten ist und später dann in „Soziales Lernen“ oder ihrer politischen Ausprägung (Bürger- und Gemeinwesenar- „Bildung“ aufrufen. beit) durch Fritz Karas und Wolfgang Hinte (1980) oder durch Über 8.000 Titel umfasst inzwischen die Bibliothek der Doku- Horst Eberhard Richter (1970). mentationsstelle, und davon stehen allein über 100 Buchtitel Die Geschichte der Jugendarbeit ist ohne die Reformpäd- unter der Signatur 2.122 „Gruppenarbeit“, die Zeitschriften- agogik und die deutsche Jugendbewegung nicht zu denken sammlung zum Thema Gruppenarbeit, Gruppenpädagogik – dies hatte schon C. Wolfgang Müller in der Auswahl von und Gruppentherapie noch gar nicht mitgerechnet. Schriften und Dokumenten verdeutlicht (1970). Das Themen- feld der Gruppenpädagogik nimmt daher ebenfalls einen brei- Ein kurzer Überblick über die hier in der Bibliothek gesam- ten Raum ein. melten Veröffentlichungen zum Thema Gruppe macht schnell Die hier vertretende Theorie zur Gruppenarbeit erfährt klar, dass ganz unterschiedliche Themenfelder vertreten sind, durch neue Veröffentlichungen aktuell an Aufmerksamkeit. die eng mit der Geschichte der Jugendarbeit verbunden sind. Sie und die vielen immer noch hilfreichen und hier vorhande- So stoßen wir zunächst auf die kleine Sammlung von vier nen Arbeitshilfen sind es, die einen Besuch in der Dokumenta- Bändchen, die ganz offensichtlich aus der direkten Nach- tionsstelle lohnenswert machen. kriegszeit stammen und in den Zusammenhang der damaligen „Reeducation“-Bewegung der Besatzungsmächte gehören. Bernadette Grawe Es handelt sich um sozialpsychologische Vorlesungen, die in Christliche Arbeiterjugend 1960 bis 1995 Altablage des CAJ-Diözesanverbandes Paderborn an die Dokumentations- stelle übergeben Unter den auch Es wurde in einem ersten Arbeitsgang gesichtet und chrono- 2008/09 wieder zahl- logisch sowie sachlich-inhaltlich vorsortiert und dementspre- reichen Überlassungen chend eingestellt, während die eigentliche Archivierung zu an die Dokumentati- einem späteren Zeitpunkt erfolgen muss. onsstelle für kirchliche Die vorhandenen Unterlagen an Protokollmaterial, Schrift- Jugendarbeit hebt sich verkehr, Dokumenten zu Veranstaltungen etc. ermöglichen als besonders umfang- über die Vorgänge des Diözesanverbandes hinaus auch die reicher und geschlos- Einblicknahme in dessen Kontakte und Einbindungen auf den sener Bestand die vom Gesamtverband der CAJ hin: zur Bundesebene, zu anderen Diözesanverband Pa- Diözesanverbänden sowie auch zur Ebene der internationalen derborn der CAJ aus CAJ. Ferner finden sich für den gesamten belegten Zeitraum deren Diözesanstelle in umfangreiches Pressematerial, sowie Dokumente von Fahr- Olpe übernommene Al- ten, Wochenendendveranstaltungen, Ferienmaßnahmen oder tablage heraus. Neben über die Schulungsarbeit des Verbandes. größeren geschlossenen Anders als etwa im Bistum Münster gehörte die CAJ im Altaktenbeständen katholischer Jugendverbände des Erzbis- Erzbistum Paderborn nie zu den großen, mitgliederstarken tums Paderborn, die schon in der Dokumentationsstelle vor- Jugendverbänden des BDKJ. Dennoch belegen die CAJ-Un- handen sind (KJG, Bund Neudeutschland/ KSJ, Die Schar, die terlagen auch für das Erzbistum Paderborn die besonderen Weiterführung des DPSG-Archivs unter dem Dach der Doku- Initiativen des Verbandes im Hinblick auf junge Menschen in mentationsstelle, etc.) ergänzen die Unterlagen der CAJ nun der Arbeitswelt. Diese geschehen in den 1970er Jahren noch diese eigenverbandlichen Überlieferungen zur Geschichte ka- in einer Reihe von Bezirken (Dortmund, Menden, Hamm, Bie- tholischer Jugendarbeit. lefeld, Paderborn, Olpe/Siegen), aus denen ebenfalls Unterla- Das Material umfasst den Zeitraum ab Beginn der 1960er gen zu finden sind. In den 1980er Jahren spiegelt sich in den bis Mitte der 1990er Jahre in einem Umfang von rund 7 lfm. Dokumenten die Auseinandersetzung mit der KAB als dem

26 „großen“ katholischen Arbeitnehmer- und Bruder-Verband Jugendwerkes) „Förderband“ zur Förderung benachteiligter hinsichtlich dessen Initiativen zur Gründung einer Jung-KAB, Jugendlicher im Übergang von der Schule in den Beruf (ab während gleichzeitig durchgängig die Kooperation in gemein- 1984). samen Anliegen deutlich wird. Während der Verband Anfang der 1990er Jahre z. B. in In der kursorischen inhaltlichen Durchsicht scheint anfangs Dortmund mit einer Projektstelle „neue Wege in der Arbei- noch das spezifische CAJ-Apostolat des „Vorkämpfers“ in terjugendpastoral“ noch einmal Fuß zu fassen versuchte, z. B. der Welt der Arbeit durch. Dem folgt entsprechend dem me- über Maßnahmen in Schulen (Orientierungstage; Unterstüt- thodischen Dreischritt „Sehen – Urteilen – Handeln“ der Bil- zungsangebote im Übergang Schule – Beruf) oder in sozialen dungsansatz des „Lebendigen Evangeliums“. Um die Zeit der Seminaren mit Auszubildenden (auch in Kooperation mit dem „wilden“ 1968/ 1970er Jahre wird eine stärkere Politisierung in Dortmund ansässigen katholischen Sozialinstitut „Kom- erkennbar. Ab den 1980er Jahren gerät die Problematik der mende“), ist er gegenwärtig noch im Bereich Olpe/ Siegen Jugendarbeitslosigkeit neu in den Mittelpunkt des verband- ansässig, unter anderem seit einigen Jahren auch als Träger lichen Engagements. Hier besteht für das räumliche Schwer- von zwei Jugendfreizeitstätten. punktgebiet der CAJ im Bereich Olpe/ Siegen auch eine regio- nale Parallelität zu den Initiativen der Kreisverbände Olpe und Franz Hucht Siegen des BDKJ zur Gründung des Projektes (bzw. späteren Vom Bücherstapel der Dokumentationsstelle 1968 – Nachlese in neu bleibt die Frage: Hat sich für die Kirche(n) in der Bundesrepu- blik und hat sich für das Lebensgefühl Jugendlicher und die erschienenen Büchern Jugendkultur 1968 etwas geändert? Der Band „1968 und die Kirchen“ ist mit einer vorbehalt- • Bernd Hey/ Volkmar Wittmütz (Hrsg.): 1968 und die Kir- losen Zustimmung auf die Frage eher zurückhaltend. Der als chen, Bielefeld (Verlag für Regionalgeschichte) 2008, 299 Tagungsbericht entstandene Sammelband, der sich fast aus- S. schließlich mit der Situation der evangelischen Kirche, vor- • Detlef Siegfried: Sound der Revolte. Studien zur Kulturrevo- wiegend in Westfalen und im Rheinland beschäftigt, sieht in lution um 1968, Weinheim/ München (Juventa) 2008, 269 vielen Bereichen kirchlichen Lebens die Wendepunkte und S. neuen Aufbrüche schon Ende der 1950er und Anfang der • Norbert Frei: 1968: Jugendrevolte und globaler Protest, 1960er Jahre. 1968 war, so Wolf-Dieter Hauschild in seinem München (dtv) 2008, 288 S. einleitenden Beitrag, eher eine „Inkubationszeit“ als eine Zeit • Götz Aly: Unser Kampf: 1968 – ein irritierter Blick zurück, des revolutionären Wandels. Diesen Eindruck unterstreichen Frankfurt (S. Fischer) 2008, 256 S. die meisten Beiträge, sei es zur Frauenarbeit, zum Kirchen- • Peter Schneider: Rebellion und Wahn – Mein �68. Eine au- bau, zur (misslungenen) Gebietsreform oder zur Diakonie. tobiografische Erzählung, Köln (Kiepenheuer und Witsch) Der Katholik fragt sich nach der Lektüre: War wirklich in der 2008, 256 S. evangelischen Kirche so wenig los? Erst der abschließende Beitrag von Christian Schmidtmann, der sich mit der katholi- schen Kirche beschäftigt, macht den Unterschied richtig deut- 40 Jahre nach „68“, das bedeutete eine Flut von Büchern, lich. Die Protestanten hatten eben weder einen Papst Paul Fernsehsendungen und Tagungen. Erinnerungen von Zeit- VI., der mit seiner Enzyklika Humanae Vitae brave Katholiken zeugen, Analysen von Wissenschaftlern, Dokumente aus den zum Widerspruch und Protest herausforderte, noch hatten sie Schrift-, Bild- und Tonarchiven hatten 2008 Konjunktur. Vieles 1968 einen Essener Katholikentag, bei dem, getragen von ei- war bemerkenswert, wie beispielsweise Norbert Freis zeitge- ner Welle gesellschaftlicher Unruhe, sich katholische Christen schichtliche Analyse, Götz Alys umstrittene Deutung, Paralle- offen und unmissverständlich zu Wort meldeten und es wag- len zwischen der 68er und der 33er Generationen zu sehen, ten, bischöflicher und päpstlicher Autorität zu widersprechen. oder Peter Schneiders schonungslose Aufarbeitung der eige- Aber, so kann man abschließend fragen, war wirklich in der nen Vergangenheit in der 68er-Bewegung, manches war auch evangelischen Kirche nicht mehr los? Waren es nicht gerade sicherlich überflüssig. Mit der kirchlichen Jugend- und Zeit- auch engagierte evangelische Studentinnen und Studenten, geschichte im Erzbistum Paderborn beschäftigten sich zwei man denke nur an Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg, die Fachtagungen. In der Katholischen Akademie Schwerte stellte den Protest gegen Staat und Gesellschaft mit trugen? Welche die Kommission für kirchliche Zeitgeschichte die Frage nach Rolle spielten die evangelischen Studentengemeinden in der Rebellion und Aufbruch in der Kirche während der Förderver- Protestbewegung der Universitätsstädte? War es mit Helmut ein des BDKJ in der Erzdiözese Paderborn zusammen mit der Gollwitzer nicht ein anerkannter evangelischer Theologe, der Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit die Konse- zum Mentor einiger Berliner Studenten wurde? Auch wenn quenzen der 68er-Bewegung für die kirchliche Jugendarbeit diese Entwicklungen sich nicht in den offiziellen kirchlichen im Liborianum in Paderborn reflektierte. Welche Bedeutung Strukturen abspielten, so waren sie doch – zumindest nach hatte 1968 für die Kirche und für die Jugend? evangelischem Kirchenverständnis – Entwicklungen, bei de- Zwei Veröffentlichungen versuchen auf diese Frage eine nen der Protestantismus in der damaligen unruhigen Bundes- Antwort zu geben und sind sich zunächst (mit vielen anderen republik eine wichtige Rolle spielte. Darüber hätte man gern Wissenschaftlern und Publizisten) darin einig, dass das Jahr in dem Sammelband etwas mehr gelesen. 1968 trotz seiner Unruhe, Dynamik und Explosivität nicht iso- Detlef Siegfried hat unter dem Titel „Sound der Revolte“ liert betrachtet werden darf. Es kann als der Fixpunkt der „lan- Studien zur Kulturrevolution um 1968 veröffentlicht. Es han- gen 60er Jahre“ begriffen werden, die vom Ende der 1950er delt sich dabei um eine Sammlung von Aufsätzen, die über- bis fast in die Mitte der 1970er Jahre reichten. Und trotzdem wiegend schon früher (zwischen 2003 und 2007) an anderer 27 Stelle publiziert wurden. Der Autor versucht nachzuweisen, Medien) aufzuzeigen, wie die Kulturrevolution um 1968 die dass es sich bei der 1968er-Bewegung in erster Linie wirklich Gesellschaft der Bundesrepublik verändert hat und welche um eine Kulturrevolution gehandelt hat. Diese Kulturrevoluti- Rolle dabei die damals jüngere Generation gespielt hat. Dieser on, die ihren Kulminationspunkt 1968 hatte, führte eben in Grundthese des Autors kann man widersprechen. Man kann der jüngeren Generation nicht zu einer Entpolitisierung der sie – nicht zuletzt aus retrospektiver Sicht – in Frage stellen Gesellschaft, wie es die Theoretiker der Frankfurter Schule oder auch ablehnen. Sie bleibt aber eine interessante These, aufgrund des zunehmenden Massenkonsums befürchtet und mit der es sich auseinanderzusetzen lohnt. prognostiziert hatten, sondern sie verstärkte in vielen Lebens- bereichen ein politisches Alltagsbewusstsein. Siegfried ver- Georg Pahlke sucht in unterschiedlichen Kulturbereichen (Musik, Kleidung,

Jugendbewegung trifft menausschnitten erste Forschungsergebnisse zu Fragen, wie Kulturrevolution um 1968 sich Mitglieder der Jugendbewegung zu den neuen Protestbe- wegungen verhielten; welche Rollen sie einnahmen; ob spe- • Historische Jugendforschung. Jahrbuch des Archivs der zifische Profile jugendbewegten Engagements im Umfeld der deutschen Jugendbewegung, Neue Folge/ Bd. 4: Jugend- Studentenbewegung zum Ausdruck kamen bzw. in welcher bewegung und Kulturrevolution um 1968, hrsg. von der Weise sich Gruppen und Bünde der Jugendbewegung dadurch Stiftung Jugendburg Ludwigstein und dem Archiv der deut- veränderten; inwiefern lebensreformerische oder reformpäd- schen Jugendbewegung, Schwalbach (Wochenschau Ver- agogische Strömungen im Zuge des studentischen Protests lag) 2008, 269 S. selbst eine Transformation erfuhren und so weiterführende Impulse etwa in die außerschulische politische Bildung oder Redigiert von Alfons Kenkmann und Detlef Siegfried und gesellschaftliche Emanzipationsbewegungen (Kinderladendis- in Zusammenarbeit mit der Archivleiterin Susanne Rappe- kussion, Frauenbewegung ...) einbringen konnten. - Eine sehr Weber hat das Archiv der Deutschen Jugendbewegung auf anregende Lektüre zum Wandel jugendkultureller Formen in Burg Ludwigstein einen neuen Band seines Jahrbuchs „Histo- der Bundesrepublik der 1960er Jahre und damit auch eine rische Jugendforschung“ herausgegeben. Schwerpunktmäßig interessante Ergänzung zu den Versuchen der Verortung der dokumentiert das Buch die Beiträge der Tagung des Archivs katholischen Jugendarbeit im Umbruch der �68er in diesem vom Oktober 2007 unter dem Titel „’Stellt die Gitarren in die Heft! – Des Weiteren bietet das Jahrbuch in gewohnter Weise Ecke und diskutiert!’ Jugendbewegung und Kulturrevolution Rezensionen zu aktuellen Neuerscheinungen zur historischen um 1968“. Die zitierte Forderung beim Musikfestival auf Burg Jugendforschung sowie aktuelle Einblicke in die Entwicklung Waldeck 1968 markiert dabei prägnant das Aufeinandertref- der Arbeit des Archivs der deutschen Jugendbewegung. fen der Reste traditioneller Formen jugendbündischen Eigen- lebens mit der neuen „Jugendbewegung“ der Generation um Franz Hucht 1968. Die Beiträge des Bandes bündeln an beispielhaften The-

Erinnerungskultur in Liedern etwa der Wandervogel-, der Hitlerjugend-, der Flakhelfer-, der „skeptischen“ Generation der 1950er oder der 1968er-Ge- des 20. Jahrhunderts neration. In insgesamt 26 Einzelbeiträgen werden die unter- schiedlichsten Lieder vorgestellt, eingeordnet und analysiert, • Barbara Stambolis/ Jürgen Reulecke (Hrsg.) Good-bye me- wie auch ihre Entstehungs- und Wirkungsgeschichte präsen- mories? Lieder im Generationengedächtnis des 20. Jahr- tiert. Dies geschieht in Form und Anspruch wissenschaftlich, hunderts, Essen (Klartext) 2007, 458 S. was aber nicht abschrecken sollte. Denn die Beiträge enthalten neben den wissenschaftlichen Einordnungen, den unvermeid- Die Bedeutung von Musik und Liedern für die Entwicklung lichen Text-Analysen und Interpretationen auch umfassende von Jugendlichen, wie auch in der Jugendarbeit selbst, ist hoch. Hinweise, Geschichten und Hintergründe, die es ermöglichen, Dies zeigt sich im Durchgang durch die Jugendgenerationen mit großem Genuss und Vergnügen diese Texte zu lesen. und spiegelt sich in dieser Weise z. B. auch in den Archivbe- Um die Spannweite und Vielfalt der Artikel dieses Sammel- ständen der Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit, werkes zu verdeutlichen, seien hier einige der besprochenen nicht zuletzt in Liederbüchern, Schallplatten, Fotografien oder Lieder genannt: „Brüder zur Sonne zur Freiheit“, „Wildgän- Veranstaltungsunterlagen. Mit den Teilnehmer/innen einer Ta- se rauschen durch die Nacht“, „Wir lagen vor Madagaskar“, gung gelang eben dort im Jahr 2002 unter dem Motto „Lie- „Das Moorsoldatenlied“, „Lili Marleen“, „Wer nur den lieben derbelebungsversuche“ sogar auch eine musikalisch-praktisch langen Tag“, „Rock around the clock“, „Danke“, „On desola- „Re-Animation“ von Generationenliedern. Dabei wurde an- tion row“, „Neue Männer braucht das Land“, „Für mich soll’s satzweise auch eine geschichtlich-biografische oder auch eine rote Rosen regnen“, „Wind of change“ usw. geschichtlich-politische Bedeutung von Liedern deutlich. Die Leserinnen und Leser des Buches werden je ihre eigene, Ein im Jahr 2007 erschienener, von den beiden Historikern, individuelle Sicht auf die unterschiedlichen Titel und Beiträge der in Paderborn tätigen Barbara Stambolis und dem emeri- haben, aber auch aus Sicht der katholischen Jugendarbeit sind tierten Gießener Lehrstuhlinhaber Jürgen Reulecke herausge- einige Beiträge von besonderem Interesse: Barbara Stambolis gebener Sammelband macht diese Bedeutung von populärer verdeutlicht in einem Beitrag mit dem Titel „’Die Reihen ... Musik für das 20. Jahrhundert deutlich. Das Buch durchmisst fest geschlossen in hohem Glaubensmut’. Zur Rolle von Kir- dabei das Generationengedächtnis über die gesamte Spanne chenliedern unter den Bedingungen des Dritten Reiches und des Jahrhunderts: von der wilhelminischen Zeit über die Wei- im Zweiten Weltkrieg“ speziell die katholische Abwehrhal- marer Republik, den Nationalsozialismus, die Zeit der deut- tung anhand von Liedern wie „Fest soll mein Taufbund immer schen Teilung bis in die Gegenwart. Dabei werden die Lieder stehn“ und „Ein Haus voll Glorie schauet“. Darüber hinaus ist der unterschiedlichsten (Jugend-)Generationen vorgestellt – der Aufsatz des Co-Herausgebers Jürgen Reulecke zu erwäh-

28 nen, der sich ausführlich mit bündischem Liedgut beschäftigt. Den Autoren der Beiträge in diesem Sammelband gelingt Der Artikel von Peter Bubmann zum überaus beliebten Lied es, den in der Einleitung von Stambolis und Reulecke beton- „Danke“ (der Ur-Song des sog. „Neuen Geistlichen Liedes“) ten Anspruch einzulösen, Lieder als Ausdruck von Generati- befasst sich dann mit dem „Umbruch im kirchlichen Singen ons-Befindlichkeiten auf einer gesamtgesellschaftlichen his- seit den 1960er Jahren“. torischen Ebene darzustellen. Wem das zu wissenschaftlich Neben diesen drei Beiträgen mit klarem kirchlich-katholisch oder theoretisch klingt, dem/ der sei dieser Band dennoch oder jugendbewegtem Bezug sind aber auch andere Beiträ- wärmstens empfohlen, denn er oder sie wird darin Lieder ge zum generationellen Zusammenhang von Liedern und – und darüber hinaus Informationen über deren Geschichte, kulturellen Ausdrucksformen hochinteressant und teilweise Hintergründe und Zusammenhänge – entdecken, die sie/ ihn spannend zu lesen. Dies gilt insbesondere für die Beiträgen zu in seinem Leben in unterschiedlichen Phasen begleitet haben. von den Nationalsozialisten propagandistisch vereinnahmten Wer im 20. Jahrhundert aufwuchs – in welcher Phase auch Liedern („Es zittern die morschen Knochen“; „Unsere Fahne immer – oder einen Teil seines Lebens als Erwachsener ver- flattert uns voran“), über Lieder und Musik in den 1950er und brachte (also im Grunde jeder/ jede von uns), der/ die wird hier 1960er Jahren – hier beispielsweise von Bob Dylan oder den (mehr als) ein Lied entdecken, welches mit zu seinem oder Beatles – bis zu jüngsten kulturell-musikalischen Phänomen in ihrem Leben gehört(e). den 1980/90er Jahren (Beispiele: „Ein Jahr (es geht voran)“ von Fehlfarben; Ina Deters „Nationalhymne“ der Frauenbe- Matthias Schulze wegung „Neue Männer braucht das Land“; das Phänomen Techno und die Loveparade).

Erfindung der Jugend und Pfadfinder; Tagebuchschreiberinnen, Musiker, Kriminelle oder Filmstars; Hitlerjungen oder Sophie Scholl ... Der Autor • Jon Savage: Teenage. Die Erfindung der Jugend (1875 bringt sowohl die Jugendlichen in ihren Eigenwahrnehmun- – 1945), Frankfurt/ New York (Campus) 2008, 522 S. gen zu Wort wie auch Aussagen über sie, von Wissenschaft- lern, Politikern, Konsumgüterproduzenten oder Kriminologen. Ein Hinweis auf das bereits viel besprochene Buch „Teena- In der Art des Arrangements all dieser Ausschnitte und Bezü- ge. Die Erfindung der Jugend (1875 – 1945)“ des britischen ge zeichnet er ein originelles Bild der Entstehung der Jugend. Schriftstellers, Rundfunkautors und Musikjournalisten Jon Dabei kommt es ihm immer darauf an, Jugend als ein soziales Savage, der mit einer Geschichte des Punk Rocks bekannt Phänomen darzustellen: „Adoleszenz ist mehr als Pubertät“ wurde, darf an dieser Stelle nicht fehlen. Es endet mit dem ... (G. Stanley Hall). Das Buch ist trotz des beachtlichen Um- Aufkommen des Begriffs „Teenager“ Mitte der 1940er Jahre fangs auch kapitelweise angenehm und interessant zu lesen. in Amerika und damit der Erfindung der Jugend als Teil der Wenn auch vielleicht manche historische These gründlicher Massenkonsumkultur. Dies ist gewissermaßen der Zielpunkt hätte reflektiert werden können, liegt hier ein bedeutendes der Darstellung; im Zentrum der „Erfindung der Jugend“ ste- Sachbuch zur Geschichte der Jugend vor, dessen Lektüre emp- hen für den Autor aber die sieben Jahrzehnte davor. In der fehlenswert ist. Darstellung hält sich Savage zwar an eine Chronologie, fängt dabei aber unterschiedlichste Stimmen ein: Englische, ameri- Franz Hucht kanische, deutsche und italienische Jugendliche; Wandervögel

falen. Darüber hinaus werden hier in Form von Lexikon-Ein- Religiöse Landkarte Nordrhein- trägen wesentliche Informationen zu den in NRW ansässigen Westfalens Religionsgemeinschaften präsentiert. Die größeren Religionen und Religionsgemeinschaften (u. a. die Katholische Kirche, die • Markus Hero/ Volkhard Krech/ Helmut Zander (Hrsg.): Reli- evangelische Landeskirchen, das jüdische Gemeindeleben, die giöse Vielfalt in Nordrhein-Westfalen. Empirische Befunde orthodoxe Kirche, Muslime usw.) werden zudem in kurzen, und Perspektiven der Globalisierung vor Ort. Paderborn aber sehr informativen Aufsätzen vorgestellt. (Ferdinand Schöningh) 2008, 322 S. In dieser Reihe wird die katholische Kirche in zwei Beiträgen gewürdigt: Wilhlem Damberg spannt in dem Artikel „Die Rö- 228 religiöse Gemeinschaften und Strömungen gab es misch-Katholische Kirche in Nordrhein-Westfalen – Geschich- 2006 in Nordrhein-Westfalen. Diese Zahl wurde im Rahmen te und Gegenwart“ den Bogen von der Zeit des Bischofs eines an der Ruhr-Universität Bochum unter dem Titel „Re- Maternus im römischen Köln zur Zeit der Konstantinischen ligiöse Vielfalt in Nordrhein-Westfalen“ durchgeführten For- Wende (313) bis zum gegenwärtigen „Krisenszenario“ einer schungsprojektes ermittelt. in NRW nach außen nach wie vor öffentlich stark präsenten Diese enorme religiöse Vielfalt und Pluralisierung, zum größ- Religionsgemeinschaft. Helmut Zander ergänzt dies durch ei- ten Teil Ergebnis von Zuwanderung, bedeutet Herausforde- nen Lokalausschnitt: „Innere Pluralisierung statt äußere Diffe- rung und Chance zugleich für die gesellschaftlichen wie auch renzierung: Das Beispiel Bonns“. die traditionellen, gewachsenen kirchlich-religiösen Strukturen Das Buch eignet sich sehr gut als Nachschlagewerk und In- in NRW. Neben einer Homepage (http://www.religion-plural. formationsfundgrube zu den religiös-kirchlichen Verhältnissen org), auf der interaktiv die Ergebnisse der Studie (Zahlenma- in Nordrhein-Westfalen wie auch als Arbeits- und Material- terial, Karten usw.) abgerufen werden können, wurden die band zu weitergehenden Studien und zur Vergegenwärtigung wesentlichen Fakten und Zahlen des Projekts in Buchform ver- dessen, wie es um unsere religiös-gesellschaftliche Realität am öffentlicht. Dieses Werk enthält ebenfalls anschauliches Kar- Beginn des 21. Jahrhunderts bestellt ist. tenmaterial und präsentiert interessante Zahlen, Daten und Fakten über die religiöse „Landkarte“ von Nordrhein-West- Matthias Schulze

29 Geschichte der Laien in der 19. Jahrhunderts wesentlich, dessen Entwicklung und Verän- derung bis in die Nachkonzilszeit nachvollzogen werden. Eige- katholischen Kirche ne Kapitel widmen sich den Laien in der katholischen Kirche in der SBZ/ DDR, in Österreich und der Schweiz. Weitere Kapitel • Erwin Gatz (Hrsg.): Geschichte des kirchlichen Lebens in beziehen sich auf die Jugendpastoral, die Frauen in der Kirche, den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Ehe und Familie, sowie den Bereich Presse und Medien. Jahrhunderts, Bd. VIII: Laien in der Kirche, Freiburg (Herder) Gatz stellt schon im Vorwort zusammenfassend fest, dass 2008, 655 S. die Laien durchgehend eine tragende Rolle für die Gestaltung der katholischen Kirche eingenommen hätten: „Sie waren kei- Mit diesem Band über die Rolle der Laien in der katholischen neswegs nur Vollstrecker kirchenamtlicher Weisungen. Viele Kirche kommt ein umfangreiches und (vom ersten Band „Die Innovationen gingen von Laien aus, die dabei oft außerhalb Bistümer und ihre Pfarreien“, 1991) über fast zwei Jahrzehn- des institutionalisierten kirchlichen Rahmens, aber als dezi- te laufendes Projekt der Darstellung des kirchlichen Lebens dierte Katholiken handelten. Das galt z. B. für das Gebiet der in den deutschsprachigen Ländern zum Abschluss, das einen Armenpflege bzw. später der Caritas und Sozialarbeit, für eine Zeitraum praktisch von der Aufklärung bis zum Beginn des aus christlicher Überzeugung getragene Politik, die sich kei- 21. Jahrhunderts abdeckt. Die einzelnen Kapitel verfolgen neswegs nur auf kirchenpolitische Anliegen beschränkte und die Aktivitäten der katholischen Laien zunächst entlang dem nicht zuletzt auf das Gemeindeleben, das längst, bevor das Verlauf der größeren geschichtlichen Phasen des behandelten Zweite Vatikanische Konzil den Begriff der Gemeinde rezipier- Zeitrahmens. Für die katholische Kirche in Deutschland ist hier te, maßgeblich von Laien mitgestaltet wurde.“ die Entstehung des Spezifikums eines sich in Verbänden und Vereinen organisierenden Laienkatholizismus ab der Mitte des Franz Hucht

Veranstaltungsvorschau

100. Geburtstag von Bischof Hugo Aufderbeck

Der frühere Bischof und Apos- Menschlich wie als Bischof ist Aufderbeck als prägende Ge- tolische Administrator in stalt in Erinnerung. Für die Zeit als Jugendseelsorger in und Meinigen (dem früher thü- während des Krieges bestätigt dies etwa der frühere Magde- ringischen Teil des Bistums Fulda burger Jugendseelsorger Claus Herold in einem Beitrag zum und heutigen Bistum Erfurt), Hugo Buch von Augustinus Reineke „Jugend zwischen Kreuz und Aufderbeck, wäre am 23. März Hakenkreuz“ (Paderborn 1987). 2009 100 Jahre alt geworden. Er Eine Ausstellung „Hugo Aufderbeck – Priester und Bi- stammt aus Hellefeld im Sauerland schof unter zwei Diktaturen“ widmet sich anlässlich des und wurde 1936 in Paderborn zum 100. Geburtstages seinem Leben und Wirken. Sie wurde am Priester geweiht. Anschließend war 22. März 2009 in der Pfarrkirche St. Martinus in Hellefeld er Religionslehrer in , eröffnet und ist nachfolgend an verschiedenen Orten seines von 1938 bis 1948 Vikar und Ju- Wirkens zu sehen: Zunächst vom 26. April bis 17. Mai im gendpfarrer in der Propstei-Gemeinde in Halle an der Saale. ehemaligen Kapitelsaal im Erzbischöflichen Generalvikariat in 1948 wurde er Seelsorgeamtsleiter im Erzbischöflichen Kom- Paderborn, anschließend in Gelsenkirchen, Halle an der Saale, missariat Magdeburg, bevor er 1962 Weihbischof des Bistums Magdeburg, Erfurt und Heiligenstadt. Das Katholische Forum Fulda mit Sitz in Erfurt wurde. 1973 wurde er zum Apostoli- im Land Thüringen veranstaltete vom 27. bis 29. März 2009 schen Administrator in Erfurt und Meinigen ernannt. Er starb in Erfurt ein Symposium zu Hugo Aufderbeck. am 17. Januar 1981 in Erfurt.

90 Jahre Bund Neudeutschland

Im Jahr 1919 wurde auf Initiative des In der Einladung zum Jubiläum schreiben die Veranstalter: Jesuitenpaters Ludwig Esch der Bund „Von Anfang an ging es um „eine intensive Seelsorge für Neudeutschland gegründet. Diese Ver- Schüler höherer Lehranstalten“, wie 1919 im Kölner Anzeiger einigung insbesondere von Schülern an für das Erzbistum nachzulesen ist, „wenn es gelingen soll, die Gymnasien fand bald Anschluss an die Gebildeten der Kirche zu erhalten“. Aus den Pennälern von da- Katholische Jugendbewegung. Anläss- mals sind längst Männer geworden; viele Familien(groß)väter lich des neunzigjährigen ND-Jubiläums und etliche Geistliche. Neue Schülergenerationen sind hinzu- veranstalten KMF – die Gemeinschaft gekommen, Mädchen und Frauen haben sich parallel im Heli- katholischer Männer und Frauen im and organisiert. Aber die Gründungsidee bleibt – auch neun- Bund Neudeutschland – , Heliand-Frauen sowie die ND-Schü- zig Jahre später – aktuell und fordert heraus: „Neue Lebens- lergemeinschaft und der Heliand-Mädchenkreis in der KSJ gestaltung in Christus“ oder wie die KSJ‘lerInnen formulieren: (Katholische Studierende Jugend) einen gemeinsamen Bun- „Verwirklichung des Reiches Gottes“. Alle Bundesgeschwister, destag unter dem Motto ‚Zeit.Brechung‘ in der Oster- Familien und Freunde sind herzlich eingeladen.“ woche vom 15. bis 19. April 2009 in Aachen. Weiteres unter www.kmf-net.de und www.zeitbrechung. de. 30 Diplomat oder Seelsorger? Neue Quellen zu Eugenio Pacelli

Tagung der Kommission für Einen wichtigen Beitrag zu einer gerechteren, historisch an- kirchliche Zeitgeschichte im gemesseneren Bewertung Pius’ XII. lieferte die vorzeitige Öff- Erzbistum Paderborn aus An- nung der vatikanischen Archive für die Zeit bis 1939. Damit lass des 70. Jahrestages der liegt zumindest für den Zeitraum bis zum Beginn seines Ponti- Wahl Pius’ XII. (2. März 1939), fikates, für die Zeit, in der er als Kardinalstaatssekretär die Po- Samstag, 25. April 2009, 9.30 litik des Heiligen Stuhls maßgeblich mitgestaltete, eine klare bis 13.00 Uhr in der Katholi- Quellenbasis vor. Kaum jemand kennt diese Aktenbestände schen Akademie Schwerte. besser als der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf, der Als Pius XII. am 9. Oktober 1958 als Referent für die Tagung gewonnen werden konnte. starb, war sein Ansehen überra- Am Abend zuvor (Fr. 24. April, 19.00 Uhr) zeigt die Kath. gend, sein Einsatz für Frieden und Akademie Schwerte den Film „Der Stellvertreter“, eine filmi- Gerechtigkeit in der Zeit totalitä- sche Bearbeitung des Hochhuth-Dramas von Constantin Cos- rer Machtsysteme wurde uneingeschränkt bewundert. Kaum ta-Gavras (F/D 2001, u. a. mit Ulrich Tukur, Mathieu Kassovitz zehn Jahre später hatte sich diese Hochschätzung in verbrei- und Ulrich Mühe). tete Kritik an seinem vermeintlichen „Schweigen“ gegenüber Weitere Informationen über die Katholische Akademie den Verbrechen des Nationalsozialismus gewandelt. Seit Rolf Schwerte (www.akademie-Schwerte.de, Tel.: 02304/ 477- Hochhuths Drama „Der Stellvertreter“ stehen sich Verteidiger 599) oder unter www.kfkzg-ebpb.de. und Kritiker gegenüber, befindet sich Pius XII. im Widerstreit der Meinungen.

100 Jahre Quickborn – 90 Jahre Burg Rothenfels

Im Jahr 1909 ent- bewegung, neue Zugänge zur Natur, Musik und Kreativität, stand der Quickborn geistige und kulturelle Auseinandersetzung aus der Perspek- als abstinenter Schü- tive des christlichen Glaubens – sind dort nach wie vor leben- lerbund. Zehn Jahre dig. Aus Anlass des doppelten Jubiläums findet vom 29. Mai später, 1919, erwarb bis zum 01. Juni (Pfingsten) 2009 auf Burg Rothenfels ein der Bund die Burg Symposium „Suchbewegungen. Herausforderungen der Rothenfels am Main Rothenfelser Bildungsarbeit nach 90 Jahren“ statt. Das als sein Bundeszent- gesamte Jahr hindurch gibt es ein umfangreiches Tagungsan- rum. In einzigartiger gebot. Weise verbanden sich an diesem Ort, auch durch prägende Weitere Informationen finden sich unter www.burg-rothen- Gestalten wie Romano Guardini oder Klemens Neumann, fels.de; Kontakt: Burg Rothenfels, 97851 Rothenfels am Main, Jugendbewegung und Liturgische Bewegung. Heute beher- Tel.: 09393/ 99999. Der Quickborn selbst besteht heute wei- bergt die Burg ein Tagungshaus in freier Trägerschaft und eine ter im Quickborn-Älterenbund und im Quickborn-Arbeitskreis, Jugendherberge. Die Wurzeln – Jugendbewegung, Liturgie- der Mitgliedsverband des BDKJ ist.

Diözesantag zum 150-jährigen Bestehen des Kolpingwerks in der Erzdiözese Paderborn

Unter dem Motto „Kolping ... das passt!“ Zum Jubiläum des Kolping-Diözesanverbandes ist auch ein feiert das Kolpingwerk im Erzbistum Paderborn Buch erschienen: „In seinen Spuren durch die Zeit. 150 sein 150jähriges Bestehen am Sonntag, dem Jahre Kolpingwerk Diözesanverband Paderborn 1858 28. Juni 2009, rund um den Paderborner - 2008“. Der Band, der vom früheren Kolping-Diözesanvor- Domplatz. Der Tag beginnt mit einem Pontifikal- sitzenden Gerd Tietz zusammengestellt wurde, bietet eine amt auf dem Domplatz. Anschließend gibt es bis umfassende Darstellung der Geschichte des Diözesanverban- 17.00 Uhr ein buntes Programm: Präsentations- des und Informationen über sein weit gefasstes Engagement stände rund um die Themen Familie, Jugend, Senioren, Eine in der Gegenwart. Ebenso finden sich zahlreiche Namen aus Welt, politisches Engagement und Arbeitswelt sowie ein reich- dem Leben des Verbandes sowie Fotos und weitere Abbil- haltiges Bühnenprogramm und viele Überraschungen warten dungen. Es kann über die Kolping-Diözesanstelle bezogen hier auf 4.000 erwartete Mitglieder und Gäste des Kolping- werden, Tel.: 05251/ 2888-500, [email protected]. werkes. Bereits am Tag zuvor, am Samstag, dem 27. Juni, fin- Weitere Informationen: www.kolping-paderborn.de det auf dem kleinen Domplatz eine Kindergroßveranstaltung der Kolpingjugend statt, bei der ein Kindermitmachzirkus aus Costa Rica den Schwerpunkt des Programms gestalten wird. Diese Veranstaltung beginnt um 12.00 Uhr und schließt mit einem Konzert am Abend ab 20.00 Uhr.

31 Von der Missionsarbeit zum ent- tisches Engagement in der katholischen Jugendarbeit. Nicht erst in den Zusammenhängen von sozialer Gerechtigkeit wicklungspolitischen Engagement und nachhaltiger Entwicklung im Zeitalter der Globalisierung im Zeitalter der Globalisierung ist dieses Thema zu einem Schwerpunkt der katholischen – Fachtagung zur Geschichte katholischer Jugendverbände geworden. Historisch betrachtet lässt sich Jugendarbeit des Fördervereins des BDKJ schon die Missionsarbeit in den 1950er und 1960er Jahren als wichtiges Praxisfeld der kirchlichen Jugendarbeit ausmachen. und der Dokumentationsstelle für kirchliche Vermutlich haben sich die Blickrichtungen auf die gesellschaft- Jugendarbeit lichen, politischen oder wirtschaftlichen Umstände durch die Jahrzehnte gewandelt, was wiederum auf die großen globa- Der Förderverein des len Veränderungen in diesen Bereichen zurückzuführen ist. BDKJ in der Erzdiözese Die Motivationen entwicklungsbezogenen Handelns in der Paderborn e.V. und die katholischen Jugendarbeit liegen aber sicherlich auch in ih- Dokumentationsstelle rem religiösen Selbstverständnis. Daher gehört auch die Frage für kirchliche Jugend- nach dem Wechselverhältnis von religiösem Verständnis und arbeit laden in diesem zivilgesellschaftlichem Engagement in der entwicklungsbezo- Jahr am Freitag, dem genen Jugendbildungsarbeit mit in die zeitgeschichtliche Fra- 06.11.2009 ins Jugend- gerichtung der Nachmittagsveranstaltung. Dazu werden inte- haus Hardehausen zu ressante Gesprächspartner aus den unterschiedlichen Phasen ihrer Jahrestagung ein. dieses Engagements erwartet. Nähere Informationen über die Es geht um das Thema Missions- und entwicklungspoli- Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit.

Ausstellung „Grenzerfahrungen“

Grenzerfahrungen wältigend, die Spur der ehemaligen Grenze im Blick behaltend im wahrsten Sinne wurde daraus auch eine bemerkenswerte Auseinanderset- des Wortes mach- zung mit der deutschen Geschichte. Der Fotograf Franz Georg ten Rover aus dem Wand aus Castrop Rauxel – selbst Georgspfadfinder – beglei- Diözesanverband tete die Gruppe während des gesamten Weges mit der Ka- Paderborn der DPSG mera. Die entstandenen Bilder wurden in einer 40 Exponate (Deutsche Pfadfin- umfassenden Ausstellung umgesetzt. Nach der Präsentation derschaft Sankt Ge- in Paderborn, in Dortmund sowie im Grenzlandmuseum Point org) im Herbst 2007 Alpha wird die Ausstellung „Grenzerfahrungen“ vom 06. bei einer mehrtägi- November bis zum 06. Dezember 2009 auch im Kreuz- gen Wandertour ent- gang des Jugendhauses Hardehausen zu sehen sein und lang der ehemaligen innerdeutschen Grenze vom Point Alpha dort auch terminlich einen Brückenschlag zum 20jährigen bei Geisa bis zum Franziskaner-Kloster auf dem Hülfensberg Gedenken der Öffnung der ehemaligen deutsch-deutschen im Eichsfeld. Beim Zelten zwischen Panzern und Wachtürmen, Grenze schlagen. Weitere Informationen demnächst unter 120 km mit dem Rucksack in vier Tagen auch bei Regen be- www.jugendhaus-hardehausen.de.

• Rudolf Hoffmann: Volksschullehrer i. R., Köln; Mitglied S. 14 oben: Dokumentationsstelle für kirchliche Jugend- Impressum des „Bartholomäus-Kapelle-Kreises“ der Paderborner arbeit/ Klaus Hermanns Im Rückspiegel. Informationen und Berichte aus der katholischen Jugend der Kriegsjahre um Augustinus S. 14 unten; 21 rechts: Georg Hoffmann Dokumentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit Reineke. S. 16: Ackermann Nr. 02/ März 2009 • Franz Hucht: Dipl. Theol., Leiter der Dokumentations- S. 17 (unbekannt Franz-Stock-Komitee ...) stelle für kirchliche Jugendarbeit des BDKJ-Diözesanver- S. 18 oben: Gerd Kolbe Hrsg. von der Dokumentationsstelle für kirchliche bandes Paderborn im Jugendhaus Hardehausen. S. 18 unten: Borsigplatz VerFührungen/ Andreas Müller Jugendarbeit/ BDKJ-Diözesanverband Paderborn, c/o • Fr. Christoph Lentz, SAC: Leiter der Jugendbildungs- S. 19 unten: KJG-Diözesanverband Paderborn Jugendhaus Hardehausen, 34414 Warburg stätte Pallotti Haus – Jugendhof Olpe. S. 20 unten: Jugendhof Pallotti-Haus • Georg Pahlke: Dr. phil., Dipl. Päd., stellvertretender S. 21 links: Dokumentationsstelle für kirchliche Jugend- Tel.: 0 56 42 / 600934 Leiter des Jugendhauses Hardehausen „Kardinal-Jaeger- arbeit/Wilhelm Bentfeld Web: www.bdkj-paderborn.de Haus“, Jugendbildungsstätte des Erzbistums Paderborn; S. 22 oben: Klaus Franken, Speerflug, o. J. (1939), Vesti- E-Mail: [email protected] Vorsitzender der Kommission für kirchliche Zeitgeschich- sche Druckerei und Verlags AG Recklinghausen te im Erzbistum Paderborn. S. 22 unten; 23 oben: Sammlung Hermann Engeländer Redaktion: Franz Hucht, Georg Pahlke • Michael Plöger: hat die KJG Wewer mit aufgebaut; S. 23 unten: unbekannt (Rudolf Hoffmann) 1976 KJG-Bezirksleiter im Hochstift Paderborn; 1978 S. 24: Fritz Jöde, Der Musikant. Lieder für die Schule, Layout: Sabine Pelizäus, BDKJ-Verlag, bis 1983 Diözesanleiter der KJG im Erzbistum Pader- mit freundlicher Genehmigung des Möseler-Verlags, BDKJ-GmbH Paderborn, 2009 born; Journalist und Hauptabteilungsleiter Zentrale Pro- Wolfenbüttel grammaufgaben Hörfunk beim Norddeutschen Rund- S. 25: mit freundlicher Genehmigung des Verlags Haus Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe: funk in Hamburg. Altenberg, Düsseldorf  Bernadette Grawe: Dr. phil., Professorin am Fach- • Matthias Schulze: Dr. phil., Historiker und wissen- S. 30 unten: Bund Neudeutschland bereich Sozialwesen der Katholischen Hochschule schaftlicher Bibliothekar, Göttingen/Stuttgart. S. 31 Mitte: Die Tage auf Burg Rothenfels. Der erste Nordrhein-Westfalen, Abtlg. Paderborn; Supervisorin, deutsche Quickborntag, Deutsches Quickbornhaus Burg Organisationsberaterin und Trainerin für Gruppendy- Rothenfels (1919) namik; 1985 – 1990 Diözesanvorsitzende des BDKJ im Abbildungsnachweise: S. 31 unten: Kolpingwerk Erzbistum Paderborn; 1988/89 kommissarische BDKJ- S. 4 links: KNA-Bild, Bonn S. 32 unten: Franz Georg Wand Bundesvorsitzende; Vorsitzende des Beirates der Doku- S. 6 oben u. unten; 7 oben u. unten; 9; 10; 12; 13; 15; S. 4 rechts; 5; 30 oben; 31 oben: unbekannt mentationsstelle für kirchliche Jugendarbeit. 19; 24 unten; 26; 32 oben: Dokumentationsstelle für • Karl Föster: langjähriger Stadtgartenmeister in Arns- kirchliche Jugendarbeit berg; ab etwa 1930 Mitglied der Arnsberger Quickborn- S. 9: Information des BDKJ im Erzbistum Paderborn, 2. Alle Rechte vorbehalten. und späteren Sturmschar-Gruppe; Pax-Christi-Mitglied Jahrg. 1968 Heft 2 seit 1948. 32