15. Jahrgang, Nr. 175 August 2012 o t u c h s RT r i b ü n e f ü r Ko m m u n i s tFe n u n d So z i a l i s t e n i n De u t s c h l a n d Den Rechten Paroli bieten!

nmittelbar nach den Göttinger Beratungen Divergenzen handelt es sich weder um bloße Perso- U der Partei Die Linke (PDL), bei denen sich die nalquerelen, obwohl diese im Gerangel konkurrie- schlimmen Befürchtungen vieler Tag für Tag an render Postenjäger natürlich stets eine Rolle spielen, der Basis redlich rackernder Genossen glückli- noch um einen Ost-West-Konflikt innerhalb der aus cherweise nicht bestätigten, geschah folgendes: zwei Quellparteien gespeisten PDL, sondern um den Der „Seeheimer Kreis“, in dem sich die Rechtesten Zusammenprall völlig konträrer Konzeptionen. unter den Rechten der SPD ein Stelldichein geben, Auf der einen Seite befinden sich jene Sozialisten lud Dietmar Bartsch kurz entschlossen zum Mit- und ehrlichen linken Sozialdemokraten, die nicht machen bei sich ein. Schließlich gehöre er ja ohne- davor zurückschrecken, die Macht- und Eigentums- hin in die SPD. Der so Angesprochene, in dem nicht frage aufzuwerfen, ohne damit bereits eine revolu- I n h a l t nur Gabriels Umfeld heute bereits einen künftigen tionäre Überwindung des Systems mehrheitlich auf Seite Führer der SPD vermutet, wies die „verlockende ihre Fahnen geschrieben zu haben. Auf der ande- Haben Marx und Lenin ihren „Biß“ verloren? 2 Offerte“ zurück. Sie war ihm einfach zu früh ins ren Seite operieren und taktieren Pseudosoziali- Gauck gegen „Glückssüchtige“ 3 Haus geflattert und widersprach deshalb auch sten, welche im bundesdeutschen Kapitalismus Der 90-jährige Kurt Loge hatte niemals einen der taktischen Konzeption des stellvertretenden angekommen sind. Ihr „politischer Gestaltungs- „Logenplatz“ 4 Fraktionsvorsitzenden, seine sozialdemokratische wille“ beschränkt sich auf „Schönheitsoperatio- Walter Ruge über diese und jene „Zeitzeugen“ 5 Politik vorerst innerhalb der Linkspartei fortset- nen“ an dessen häßlicher Visage. Wer die Tiefe der Kein großer Wurf / Leichen im Keller 5 zen zu wollen. Kluft zwischen den zwar unter einem Dach koexi- Eine Depesche aus der Berliner US-Botschaft 6 Da die SPD-Nahen mit PDL-Parteibuch in Göttingen stierenden, aber diametral entgegengesetzte Ziele Revolutionär im Priesterrock: Pfarrer Rackwitz 7 unterlagen, weil sich die Mehrheit der Delegierten verfolgenden Tendenzen auf wechselseitigen „Haß“ Zum „Lifestyle“ der „Spaßgesellschaft“ 9 ihren wachen politischen Instinkt zu bewahren ver- zu reduzieren sucht, blendet den Inhalt der Kontro- Ungeschliffener Umgang mit einem „Topas“ 9 mocht hatte, sahen sie sich zu einer „Verschnauf- verse bewußt aus. Über Hartgesteine und Weichgespülte 10 pause“ gezwungen. Dabei verloren sie ihr Ziel – die Zur positiven Bilanz von Göttingen gehört neben Sollte der RF bei „Facebook“ Gesicht zeigen? 11 Umwandlung der demokratisch-sozialistischen der Abwehr des Frontalangriffs des rechten Flügels Die Geisterstadt in der Letzlinger Heide 12 in eine klassisch-reformistische Partei – keinen und der damit erkämpften Bewahrung der Akti- Ein Name gibt Kraft in Zeiten Moment aus den Augen. Sie können sich dabei auf onsfähigkeit der Partei auch die gut überlegte Per- der Niederlage: 13 den von ihnen weithin kontrollierten hauptamtli- sonalentscheidung der Mehrheit, eine der beiden Wie der Großvater wirklich war … 14 chen Apparat, das finanzielle Hinterland der Rosa- Spitzenpositionen mit einem erfahrenen Gewerk- In tausend Sätteln und an vielen Fronten: Luxemburg-Stiftung und die ihnen dienstbare schafter zu besetzen. Widerstandsheld Ditmar Danelius 15 innenpolitische ND-Redaktion verlassen. Obwohl bestimmte Favoriten des „Seeheimer Krei- Warum das DDR-Justizsystem vorbildlich war 16 In Göttingen setzte sich die strategische Klugheit ses“ der gewolltermaßen heterogenen PDL-Füh- n Verpaßte Chance? Als der Westen derer durch, die sich ihrer Verantwortung für das rung weiterhin angehören, ist die Rechnung derer die „Stalin-Note“ zurückwies RF-Extra I Weiterbestehen der PDL als einer parlamentarisch nicht aufgegangen, die sich ein völlig anderes Bild n Erfahrungen aus Blocksystemen RF-Extra III wie außerparlamentarisch über Masseneinfluß der Partei „nach Göttingen“ ausgemalt oder sogar Venezuela vor den Präsidentschaftswahlen 17 verfügenden Partei des Friedens, des Antifaschis- behauptet hatten, diese sei „nicht mehr zu retten“. Libyen: Der „Preis der Freiheit“ 18 mus, der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit Ihre auf einer Verkennung des innerparteilichen Was steckt hinter der Spaltung Sudans? 19 bewußt waren. Obwohl heftig angefeindet, vertei- Kräfteverhältnisses und des strategisch-taktischen Argentinien übernahm YPF 19 digten sie deren auf dem Wirken engagierter linker Formats maßgeblicher Politiker der Parteilinken Belgiens PTB: „Wir sind nicht Eure Milchkühe!“ 20 Kräfte aus Ost und West beruhende Einheit, wobei beruhende Fehleinschätzung ließ manche Blüten- Vertreibung aus dem Paradies sie den Vorstoß geheuchelte Sorge um den Zusam- träume platzen. Warum London die Bewohner menhalt vortäuschender Möchtegern-Liquidatoren Nicht nur für die PDL, sondern auch für alle in des Chagos-Archipels deportieren ließ 21 der Partei abwehrten. Gregor Gysi, der die „Vorzüge“ Deutschland, welche die bürgerliche Demokra- Benedikt in Kuba: einer Trennung beider Parteiflügel anklingen ließ, tie gegen den Ansturm rechtskonservativer und Ein Papstbesuch der etwas anderen Art 22 ging offenbar von der Überlegung aus, mit seiner faschistoider Kräfte verteidigen, dürfte 2013 ein Pilotprojekt Wilcannia: Rede eine Delegiertenmehrheit für den später unter- Schicksalsjahr werden. Der abermalige Einzug einer Havannas Hilfe bei der Alphabetisierung legenen Dietmar Bartsch aus dem Feuer zu reißen. PDL-Fraktion in den Bundestag – an die Traumzahl australischer Ureinwohner 22 Daher bezeichnete ihn die „Süddeutsche Zeitung“ von derzeit 76 Mandaten wagt wohl niemand zu den- DDR-Label Eterna erfährt Renaissance 23 als „Hauptverlierer des Parteitags“. ken – liegt im Interesse aller Antifaschisten. Man Falscher Ruhm für „Preußens Gloria“ Über Fridericus-Rex-Filme 24 Wenn es auch zutrifft, daß sich unter dem Dach der vermag sich auszumalen, was geschehen würde, Begegnung zweier in der Wolle Gefärbter: PDL „mindestens zwei Parteien“ versammelt haben, wenn die großdeutschen Peitschenschwinger in „Herr Fuchs“ und der „RotFuchs“ 25 zielten die in Göttingen erteilten „Scheidungs- der EU, von denen manche sogar nach Weltherr- Waltraud Lewin: Sprachliche Brillanz empfehlungen“ vor allem auf eine Abkopplung von schaftssternen greifen möchten, wieder ganz unter und Vielschichtigkeit 26 der westdeutschen Anhängerschaft Oskar Lafon- sich wären. Cornelias kleine große DDR (9 u. Schluß) 27 taines. Dafür machten sich besonders die Protago- Um dieser Gefahr zu begegnen, wird die Aktions- Als Archie arg genervt wurde 28 nisten des rechtslastigen „Forums Demokratischer einheit aller linken und demokratischen Kräfte – Leserbriefe 29 Sozialismus“ (fds) aus diversen ostdeutschen Lan- mit Sozialisten und Kommunisten im Zentrum – zu Grafik des Monats 32 desvorständen stark. Bei den innerparteilichen einem Gebot der Stunde. Klaus Steiniger Seite 2 RotFuchs / August 2012

Haben Marx und Lenin ihren „Biß“ für Heutige verloren? Unsere Weltanschauung ist keine Wegwerfware

er Dichter Peter Hacks prägte vor über dem Wind gedreht haben oder sich auf die menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 %, Deinem Jahrzehnt in einem Brief an billige Phrase vom Kapitalismus als dem und es existiert kein Verbrechen, das es nicht die „RotFuchs“-Redaktion den richtungwei- Ende der Geschichte einlassen. riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.“ senden Satz: „Wessen sollten wir uns rüh- Erstaunt habe er, sagte der illustre Redner, men, wenn nicht der DDR?“ Einst befragt, beim erneuten Lesen erkannt, daß er hier warum er aus Westdeutschland in die Deut- auf einen Klartext, auf eine Wahrheit gesto- sche Demokratische Republik gekommen ßen sei, die ihn selbst betroffen habe. Heute sei, hatte er erwidert, er wundere sich sehr mehr als zu jener Zeit, in der seine Exzerpte über Leute, die n i c h t von Westdeutsch- entstanden seien. Die aber hat er als Jugend- land in die Deutsche Demokratische Repu- licher in der DDR angefertigt! blik kämen. Und da bin ich wieder bei Dr. Manfred Grai- Mir geht es da ähnlich: Als „RotFuchs“-Leser chen: Ist die Jugend für kompliziertere staune ich stets darüber, daß es Linke gibt, wissenschaftliche Darlegungen wirklich die unsere Zeitschrift weder kennen noch nicht aufnahmefähig? Ist sie tatsächlich kennenlernen wollen. Andere überraschen nur durch Worte, die sofort zur Sache kom- mich mit Fragen, wie dieser: Hast du denn men, zu gewinnen? Ich weiß es nicht, ver- nicht den Leserbrief von Uwe Liebscher und traue aber dem wachen und kritischen Geist die Reaktionen darauf gelesen? junger Menschen, der durchaus nach tiefer Es gab Zeiten, da haben manche der Unse- lotender Erklärung der Zusammenhänge ren das kritische, eigenständige Wort wie in Natur und Gesellschaft verlangt. Jahr der Teufel das Weihwasser gefürchtet und für Jahr begegne ich bei den Rosa-Luxem- es sogar unterdrückt. Als Dialektiker soll- burg-Konferenzen der „jungen Welt“ neben ten wir dieses Aber des Widerspruchs, das Grafik: Hugo Gellert Grauköpfen auch sehr vielen Nachwachsen- unser Denken im Fluß hält, jedoch zu schät- den, die mit Begeisterung und Engagement zen wissen. Allerdings wurde aus dem kon- Während abgesprungene Weggefährten von „unseren“ Theorien lauschen und die lebhaft struktiven „Aber könnten wir es nicht noch gestern die blauen Marx-Engels-Bände oder darüber debattieren. Ihre Zahl nimmt – trotz besser machen“ nur allzuoft das von unse- die braunen Folianten mit Lenins Schriften allem – ständig zu. ren Gegnern aufgegriffene „Aber es geht ja eiligst aus ihren Bücherschränken genom- Ist Marx überholt, wie Uwe Liebscher und doch nicht“, wobei das Gegenteil des Gewoll- men haben, suchen andererseits immer mehr manche anderen meinen? Für jene, welche ten herauskam. Die sich keineswegs nur in nachdenkliche Menschen – selbst solche aus zum „Abhaken“ neigen, gewiß, aber auch Lob erschöpfenden Zuschriften des leider bürgerlichen Kreisen – bei ihnen Rat. für ernsthaft Nachdenkende? verstorbenen Waldemar Arndt sowie von Wer das Feuilleton seriöser Zeitungen der Doch ich will Dr. Graichen nicht mit Gewalt Sebastian Zachow-Vierrath und Dr. Manf- deutschen Bourgeoisie verfolgt, nimmt mißverstehen. Er hat natürlich recht, daß red Graichen hatten ein noch lebendigeres bisweilen eine gewisse Versachlichung im Theorie schlüssig, kraftvoll, überzeugend „Füchslein“ im Auge. Das imponierte mir. Umgang mit dieser Materie zur Kenntnis. und spannend sein muß – ganz ohne phra- Doch Uwe Liebschers als Rundumschlag Auch folgender Vorgang spricht für sich: Am senhaftes Wortgeprassel. Versuchen wir’s! daherkommende Pauschalkritik wurde mir Staatsschauspiel der Elbmetropole findet Bernd Gutte von einem Bekannten als die „einzig lesens- seit geraumer Zeit mit den „Dresdner Reden“ werte Botschaft der letzten RF-Ausgaben“ eine Veranstaltungsreihe statt, die eigent- empfohlen. Mit Marx und Lenin könne man lich nicht „wider den Stachel löcken“ möchte. Am 19. Juni ist unser Freund und die heutige Welt nicht mehr erklären. Sie Der Schriftsteller Ingo Schulze kam dort Genosse Generalleutnant a. D. seien von der Entwicklung überholt wor- gleichfalls auf die vermeintlich um vieles den, lautete seine Kernaussage. Ähnliches „komplizierter gewordene Welt“ zu sprechen: Rudi Mittag klang ja auch bei Liebscher an. Je mehr man ihm die Undurchschaubarkeit – langjährig stellv. Vorsitzender der Der hier erwähnte Bekannte war übrigens und das Unkalkulierbare der Abläufe in Öko- RF-Regionalgruppe Dresden – im einst SED-Mitglied und Parteifunktionär nomie und Finanzwesen einrede, um so mehr Alter von 83 Jahren einer schweren auf unterer Ebene. Er hatte – wie andere begreife er, was da tatsächlich vor sich gehe. Krankheit erlegen. In seinem Wir- auch – den Marxismus-Leninismus „stu- Er nahm – im übertragenen Sinne – gleich- ken eignete er sich ein Riesenmaß diert“, sogar das eine oder andere über- sam sein Staatsbürgerkundeheft aus der Erfahrung und Wissen an, das er nommen, aber nicht begriffen und schon 9. Klasse der Polytechnischen Oberschule mit Bescheidenheit, menschlicher gar nicht verinnerlicht. Auch von früher zur Hand und zitierte vor erlauchtem Wärme und Lebensweisheit ver- strammen und stromlinienförmigen „Mar- Publikum Grundthesen von Karl Marx. band. Ein proletarischer Revolutio- xisten“ hört man heutzutage Bekundungen Dort erfahre man nämlich, worum es in när, stand er unerschütterlich zur der Resignation und des Verzichts auf ein- der kapitalistischen Produktion gehe. Vom kommunistischen Sache. Als Leiter mal Erkanntes. Die moderne Welt in ihrer Wolfsgesetz des Kapitalismus sprach der der Bezirksverwaltung Rostock Komplexität sei mit Marx’schen „Schemata“ Mann am Pult, der wahrscheinlich noch nicht zu erfassen, behaupten sie. Da stellt nie einen „RotFuchs“ in der Hand gehalten des Ministeriums für Staatssicher- sich unwillkürlich die Frage, ob sich unsere hat. Ja, Ingo Schulze brachte sogar das Tho- heit der DDR erwarb er sich große Klassiker zu ihrer Zeit etwa weniger kom- mas-Dunning-Zitat aus Marxens „Kapital“, Verdienste, lenkte aber auch den plizierten Bedingungen gegenübergesehen das vielen von uns im Gedächtnis haftet: Geifer professioneller Haßprediger haben. Lassen sich die Antike, das Mittelal- „Das Kapital hat einen Horror vor Abwe- auf sich. ter, der Frühkapitalismus und die Ära des senheit von Profit oder sehr kleinem Profit, Indem wir Rudis Angehörigen Monopolkapitals oder gar der Sozialismus wie die Natur vor der Leere. Mit entspre- unser tiefempfundenes Mitgefühl überhaupt miteinander vergleichen? chendem Profit wird Kapital kühn. Zehn % ausdrücken, entbieten wir einem Bei jenen, welche Marx als „antiquiert“ sicher, und man kann es überall anwen- vorbildlichen Klassenkämpfer betrachten, handelt es sich wohl eher um den; 20 %, es wird lebhaft; 50 %, posi- unseren letzten Freundesgruß. Leute, die entweder ihre Antennen nach tiv waghalsig; für 100 % stampft es alle RotFuchs / August 2012 Seite 3

Gauck vor der Führungsakademie der Bundeswehr: „Glückssüchtige“ sind unser Unglück!

m 12. Juni hielt unser aller „Bundes- deutschen Geschichte entsinne, fand 2007 Der mutige, sich selbst opfernde Christ Apräsident der Herzen“ eine Rede vor in Heiligendamm statt. Akteur war die Dietrich Bonhoeffer forderte einst seine der Führungsakademie der Bundeswehr Bundeswehr. Falls Gauck aber das „DDR- Mitmenschen zum Widerstand gegen Hit- in . In ihr schwor er die Bun- Grenzregime“ gemeint haben sollte, so ist ler auf, den er mit einem wahnsinnigen desbürger darauf ein, für die Kriege der es nicht einmal seiner einstigen Inquisi- Geisterfahrer verglich. Notfalls gelte es, BRD, wenn es sein müsse, ihr Leben zu tionsbehörde gelungen, einen Schießbe- „nicht nur das Opfer unter dem Rad zu ver- opfern. Mit seinen Lieblingsfloskeln „Frei- fehl zu fälschen. binden, sondern dem Rad in die Speichen heit“ und „Verantwortung“ um sich wer- Die Schußwaffengebrauchsordnung der zu fallen“. Gaucks Weltbild kontrastiert fend, forderte Gauck die Bundesdeutschen DDR unterschied sich in keiner Weise von scharf zu dieser Sicht. Es wird vom Haß dazu auf, sich an Zinksärge, immer neue entsprechenden Richtlinien des Vertei- auf alle Andersdenkenden, Andersartigen Kriegsschauplätze und eine militarisierte digungsministeriums der BRD, an deren und Andershandelnden geprägt. Dieser Gesellschaft zu gewöhnen. In pastoraler Grenzen in den 50er Jahren nicht wenige Mann kennt kein 5. Gebot und keine „Ehr- Pose verkündete er, „daß eine funktionie- Menschen zu Tode kamen – von den heu- furcht vor dem Leben“, wie es der große rende Demokratie auch Einsatz erfordert, tigen Massentötungen der Frontex-Ver- christliche Humanist Albert Schweitzer so Aufmerksamkeit, Mut und manchmal auch bände an den EU-Außengrenzen ganz zu eindringlich formuliert hat. Gaucks Rede das Äußerste, was ein Mensch geben kann: schweigen! Gaucks Hirngespinst erinnert ist ein Alarmsignal. Es muß zum Weck- das Leben, das eigene Leben“. Das ist – an die Erfindung seines Vor-Vorgängers ruf für alle Linken und Antifaschisten sieht man von rhetorischem Beiwerk ab – Horst Köhler, der „Leichensäcke und Pan- in der BRD werden. Den Geisterfahrern die Glorifizierung des „Heldentods“. Eine zer in “ ausgemacht haben wollte. unserer Tage in die Speichen zu greifen, solche Tonart dürfte älteren Deutschen Es ist schon infam, daß Gauck ausgerech- ist ein Gebot der Stunde. Ulrich Guhl verdammt bekannt vorkommen. Hatte net jene Armee zu kriminalisieren trach- sich Gauck bisher nur in antikommuni- tet, welche als einzige in der deutschen stischem Schaum gebadet, so ging er jetzt Geschichte keine Kriege geführt hat. Sie darüber hinaus: „Daß es wieder deutsche brachte einen Oberst Georg Klein nicht Gefallene gibt, ist in unserer glückssüch- hervor. tigen Gesellschaft schwer zu ertragen“, Gauck, der die „Glückssüchtigen“ schmäht, trieb er das Übel auf die Spitze. weiß ganz genau, daß viele junge Men- Ich muß stets an meinen Geschichtslehrer schen, welche in der Bundeswehr und Krause denken, der noch – wie auch mein besonders in Afghanistan ihren Dienst Vater – als Soldat in Hitlers Krieg ziehen tun, nur dem Unglück zu entrinnen trach- mußte. Der meinte immer, daß jene, wel- ten. Sie stammen mehrheitlich aus sozial che von ihrem Volk den Opfertod fordern, schwachen Familien und kommen über- für sich selbst bombensichere Bunker wiegend aus dem Osten. Gerade sie sollen beanspruchen dürfen. Schlagartig wurde nun „das Leben, das eigene Leben“ für den mir damals die verlogene Heuchelei sol- deutschen Kapitalismus opfern. Mensch- cher „Heldentod“-Prediger bewußt. Hin- liches Leid, das auf allen Seiten mit jedem denburg hätte übrigens nicht anders als Krieg verbunden ist, erwähnt unser Pre- Gauck gesprochen. diger im Präsidentensessel nicht einmal Vieles an dessen Hamburger Auftritt beiläufig. Das ist zynisch und inhuman. springt ins Auge. Der Expfarrer erwähnt Gaucks Hamburger Rede ist der Diskurs das 5. Gebot „Du sollst nicht töten“ mit eines Heuchlers. Er verschweigt, daß es keiner Silbe. Er spricht nicht von den toten in den Kriegen von NATO und BRD nie- Zivilisten in Afghanistan oder Jugosla- mals und nirgends um Demokratie, Frei- wien, die den Kriegen mit BRD-Beteili- heit oder Menschenrechte gegangen ist. gung bereits zum Opfer gefallen sind. Er In ihnen tobt sich die grenzenlose Gier verschweigt den eklatanten Verfassungs- einer Klasse aus, zu der 99 Prozent der und Völkerrechtsbruch der BRD-Regie- Bevölkerung nicht gehören. Gauck lobt rungen Schröder und Merkel. Er blendet das „Demokratiewunder BRD“ und „ver- die von NATO-Militärs in Afghanistan gißt“, daß Nazis zu den Taufpaten und frü- geschändeten Leichen aus. Er unter- hen Wegbegleitern dieses Staates gehört schlägt die Tatsache, daß Soldaten im haben. Kriegseinsatz generell das Töten befoh- Seine Ansprache läßt – trotz offenkundi- len wird. Und: Das Massaker von Kundus ger Unterschiede – die Erinnerung an jene Der Präsident hat es nie gegeben. Es geht darum, das berüchtigte „Hunnenrede“ anklingen, die spricht zu seinen Soldaten Trugbild vom makellosen Bürger in Uni- einst ein deutscher Kaiser gehalten hat. form zu wahren. Sie steht am Beginn einer neuen Stufe im Brennende Tankwagen Gaucks Rede ist ein Hohn auf die Wahr- Prozeß der weiteren Untergrabung der erleuchten den Saal. heit. Die dicksten Lügen werden aufge- bürgerlichen Demokratie, den viele als Schreiende Sterbende tischt, wenn es um die DDR geht. Da ist Faschisierung bezeichnen. Zum ersten Mal ersetzen das Orchester. der einstige Rostocker Pfarrer Spezia- seit 1945 fordert ein deutsches Staatsober- Tausend tote Kinder list. Er scheut nicht davor zurück, sich haupt den „Heldentod fürs Vaterland“. Das tanzen im Reigen, zu der Behauptung zu versteigen, die ist eine Zäsur. Schlaglichtartig erhellt sie skelettierte Hochzeitsgesellschaften SED habe die Soldaten der NVA gegen das historische Hintergründe und ruft Ver- ums Festmahl. eigene Volk eingesetzt. Diese Behauptung gleiche ins Gedächtnis. Wer nicht bereit Der Präsident spricht kann jedes Kind aus DDR-Tagen widerle- ist, sein Leben für die Interessen des deut- zu seinen Soldaten. gen. Der einzige Einsatz einer Armee im schen Imperialismus zu opfern, wird als Innern, an den ich mich aus der jüngeren „glückssüchtig“ verhöhnt. Leander Sukov Seite 4 RotFuchs / August 2012

Akteur statt Zuschauer Ein 90jähriger, der niemals einen Logenplatz hatte

ls Gärtnergehilfe zog ich am 1. Juli Inzwischen hißte man an den verschie- Mitglied der KPD geworden war, enga- A1940 für Hitler in den Krieg. Im densten Ecken des Geländes die Flaggen gierte ich mich zu Jahresbeginn 1946 in Februar 1945 – kurz vor Toresschluß – Polens, Ungarns, der Tschechoslowakei meinem Heimatort für den Zusammen- sollte ich mit dem Marineschützenba- und weiterer Staaten. Dort versammelten schluß von SPD und KPD zur SED. Dem taillon 316 bei den Seelower Höhen, wo sich alle, die angaben, aus diesen Län- Aufruf des FDJ-Zentralrats folgend trat inzwischen die „deutsche Ostfront“ ver- dern zu stammen. Am Ende waren wir ich am 3. Januar 1951 – dem 75. Geburts- lief, den Vormarsch der Roten Armee ver- Sachsen fast die einzigen Deutschen, die tag Wilhelm Piecks – in die Seepolizei hindern helfen. Auf dem Transport von übrigblieben. der DDR ein, von welcher ich den Aufbau Ostfriesland dorthin wurden zur Volkspolizei-See über die mir bei einem amerikanischen Seestreitkräfte der DDR bis Tieffliegerangriff beide Beine zur Volksmarine mitgestalten zerschossen. konnte. Ich habe das Studium Im Kreiskrankenhaus Anger- an der Dresdner Militäraka- münde notdürftig versorgt, demie „Friedrich Engels“ mit ging es wegen des Vormar- dem Erwerb des Titels eines sches der „Russen“ mit einem Diplom-Gesellschaftswissen- Lazarettzug eiligst in Rich- schaftlers abschließen kön- tung Westen. Der Zufall wollte nen. Bis zu meiner Versetzung es, daß dieser ausgerechnet in die Reserve am 1. Dezember im sächsischen Rochlitz, mei- 1984 nahm ich in den verschie- ner heimatlichen Kreisstadt, densten Dienststellungen am anhielt. Unterstützt von sicheren Schutz der Seegrenze zwei Leidensgefährten und der DDR teil. Viele Jahre war mit Hilfe von Eisenbahnern ich Leiter der Politabteilung konnte ich mich zu unserem der 6. Grenzbrigade Küste, Wohnort Lunzenau durch- Angehörige der Volksmarinedivision marschieren in der deutschen die den Namen des von den Novemberrevolution am Brandenburger Tor auf. Die DDR-Volksma- schlagen. Da mich der dortige Faschisten ermordeten Ham- rine stand in dieser Tradition. Amtsarzt nicht längerfristig burger Widerstandshelden behandeln durfte, mußte ich das Reserve- Eines Tages hieß es, wer sein Soldbuch Fiete Schulze trug. lazarett Burgstädt aufsuchen. Dort sollte noch besitze, werde entlassen – allerdings Inzwischen habe ich das 90. Lebensjahr ich vom 10. März bis zum 20. April blei- nur in die amerikanische Zone. Glückli- vollendet. Übrigens wurde das Jubiläum ben. Als von Sirenengeheul „Feindalarm“ cherweise gehörte zu unserer Gruppe einer, zünftig begangen – mit einer dreiwöchi- ausgelöst wurde, setzte ich mich in Rich- der wegen seiner guten Englischkennt- gen Reise nach Ekuador. Auch heute bin tung Lunzenau ab. nisse zum Lagerdolmetscher aufgestie- ich politisch nicht untätig: Mitglied der Meine Frau erschrak, als ich plötzlich in gen war. Er ließ uns wissen, daß die Amis Partei Die Linke, engagiere ich mich über- Uniform vor der Wohnungstür stand. Auf in Borna bei Leipzig stünden. So kam es, dies im Arbeitskreis des „Darmstädter einen Stock gestützt, half ich ihr wäh- daß wir überwiegend dorthin in Marsch Signals“. Wer einmal mit der Friedensar- rend der folgenden Tage im Konsum beim gesetzt wurden. Am 23. Juni karrte man beit angefangen hat, kann es einfach nicht Lebensmittelverkauf. uns auf offenen Lastwagen von den Rhein- lassen. Glücklicherweise bin ich noch bei Damals waren bereits Soldaten der U.S. wiesen nach Altenburg. Dort sollte jeder bester Gesundheit, wozu sicher auch die Army in Lunzenau eingerückt. Am 20. April sehen, wie er zu Fuß nach Hause käme. regelmäßige Lektüre des „RotFuchs“ bei- hatten sich alle Männer des Ortes, ob ver- Die Freude der Eltern war riesig, als ich getragen hat. wundet oder nicht, auf dem Marktplatz schließlich vor ihnen stand. Doch mit den Kapitän zur See a. D. Kurt Loge, Rostock einzufinden. Wir wurden auf einen großen Worten: „Deine Frau ist bei den Russen“, LKW verfrachtet und bis auf die Rheinwie- jagte mir der Vater gleich einen gehöri- sen unweit von Bad Kreuznach gebracht. gen Schrecken ein. Tatsächlich bildete Unter freiem Himmel mußten wir die Zeit die Zwickauer Mulde zu dieser Zeit die bis zum 23. Juni verbringen. Jeder, der provisorische Grenze zwischen dem ame- Am 29. Mai verstarb im Alter von dazu in der Lage war, hob sich eine mög- rikanisch und dem sowjetisch besetzten 82 Jahren unser treuer Leser und lichst mit Pappe „gepolsterte“ Grube aus, Gebiet. Unsere Wohnung befand sich am Weggefährte, der RF-Autor um Wind und Wetter bei Tag und Nacht Ostufer des Flusses. Da die Telefonver- Herbert Kelle trotzen zu können. bindung zur dortigen Konsumverkaufs- Noch heute ist in den Medien der BRD aus- stelle noch intakt war, konnte ich meiner aus . Als Leiter des Sekre- schließlich von den harten Bedingungen Frau die Ankunft auf der anderen Fluß- tariats der Volkskammer leistete in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern seite melden. er einen wertvollen Beitrag zur die Rede. Doch es gab ja nicht nur diese: Nach der durch die Alliierten beschlosse- Entwicklung der Beziehungen Das, was wir auf den Rheinwiesen durch- nen Neueinteilung der Besatzungsgebiete zwischen der Obersten Volksver- machen mußten, war wahrlich kein Zuc- zogen sich die US-Truppen bald aus Lunze- tretung der DDR und Parlamenten kerlecken. nau in westlicher Richtung zurück, wäh- in aller Welt. Nach dem Untergang Nach einiger Zeit wurden Freiwillige für rend die Rote Armee an ihre Stelle trat. So des sozialistischen deutschen den Bergbau in Belgien oder Frankreich war auch die Familie Loge wieder vereint. Staates verteidigte er aufrecht und gesucht. Ein mitgefangener Schulkame- In der nun anbrechenden neuen Zeit haben konsequent dessen in die Zukunft rad meinte: „Wir haben uns schon ein- wir aktiv am Wiederaufbau unserer Hei- weisendes Vermächtnis. mal freiwillig gemeldet, das genügt!“ So mat mitgewirkt. Zunächst gehörte ich zu behielten wir unser Soldbuch, das jenen, den Gründen der FDJ in Lunzenau, später Wir drücken Herberts Familie welche dem Appell folgten, sofort abge- war ich Sekretär ihrer Rochlitzer Kreislei- unser aufrichtiges Beileid aus. nommen wurde. tung. Nachdem ich bereits im September RotFuchs / August 2012 Seite 5

Über diese und jene „Zeitzeugen“

or vielen Jahren, noch zu guten Zei- Man könnte sich einen Runden Tisch vor- Ermessen eine Auswahl unserer Gesprächs- Vten, verfaßte Hanna Wolf – ihres Zei- stellen, aber wen – außer den wenigen noch partner treffen möchten. Wer über Hoch- chens Rektor der Parteihochschule beim lebenden Beteiligten – sollte man dazu ein- seefischerei parliert, sollte schon mal den ZK der SED – einen längeren Artikel für das laden, zumal man ja keine „Talkshow“ im Gestank eines Fischereihafens inhaliert damalige Zentralorgan „Neues Deutsch- Auge hat? Eine überhastete Vorauswahl, haben. Für alle Berufe und Disziplinen, land“. Darin nahm sie eine grundlegende gar eine Selektion, schwebt mir nicht vor. besonders im Sport, gibt es Eignungsprü- Einschätzung von Archivmaterialien vor. Dennoch steht die Frage im Raum: Sollten fungen. Es wäre nicht diskriminierend, Es ging ihr darum, den Wert des Kalibers wir über den erlebten und einen möglichen das auch für potentielle Zeitzeugen gelten vergilbter Akten etwas zu relativieren, künftigen Sozialismus überhaupt mit Leu- zu lassen. Jedermann weiß, daß diese für indem sie diesen dem Gewicht der Aussa- ten reden, die ihn niemals angestrebt, ja im eine Talkshow stets sorgfältig ausgewählt, gen von Zeitzeugen gegenüberstellte. Ich Gegenteil sogar immer vehement bekämpft um nicht zu sagen, gesiebt werden. Es gab hatte damals gewisse Zweifel. Da Hanna haben? Etwas weitergefaßt, mit Menschen, in unserem untergegangenen Staat zwei- Wolf aber nicht nur Rektor der PHS, son- die nie in der DDR gewesen sind und auch fellos nicht wenige Bürger, die sich gerne dern eine „Institution“ mit einem direk- keiner „emanzipatorischen Bewegung“ von der „sozialistischen Strömung“ tragen ten „Draht“ zu Walter Ulbricht war, mußte angehört haben, uns heute aber erzählen ließen und die dennoch nach Kräften daran jegliche Art von Einwänden wohldurch- wollen, wie wir einst gelebt haben. Sollen mitgewirkt haben, das Medium, dessen sie dacht sein. sie sich in ihren „Schwarzbüchern“ und sich eben noch bedient hatten, sang- und Meine Überlegungen führten zu dem Ergeb- supergelehrten Schriften nur dazu äußern klanglos abzulassen. nis, daß unter den heutigen technischen – es bleibt nichts, worüber wir miteinan- Nach dem Abfluß des „Schweren Wassers Bedingungen die Übergänge von Zeit- der reden oder wozu wir eine „gemeinsame DDR“ haben sie sich rücklings auf dem Gulli zeugenbekundungen zu Archivmaterial Sprache“ finden könnten. der Geschichte liegend wiedergefunden gewissermaßen fließend sind. Anders aus- Mir scheint, daß es einfach Zeitvergeu- und sofort begonnen, sich „neu zu orien- gedrückt: Eine gesprochene „Erinnerung“ dung ist, wenngleich sich keine „freiheit- tieren“. Schlimmer noch: „neue Sichten“ wird – bei laufendem Diktiergerät oder liche“ Seele deshalb entmündigt fühlen auch für uns zu erarbeiten, die anderen eingeschalteter Kamera – unvermeidli- sollte. Auch in Zukunft möge jedermann bei deren „Neuorientierung“ zu „unter- cherweise bereits im selben Augenblick nach Herzenslust über unsere Kampfgrup- stützen“, wobei sie im Grunde genommen, zum „Archivmaterial“. Es gab noch weitere pen räsonieren, ohne sagen zu müssen, ob selbst hilflos nach der eigenen Anpassung Bedenken. So schrieb ich mit dem nötigen er schon mal in voller Montur über einen Tastende waren. Respekt einen Brief an das ND ... und erhielt Exerzierplatz gerobbt ist – wenn ja, würde schon bald darauf die Auskunft, mein Brief sich seine Sachkompetenz ohne Zweifel Diesen fragmentarischen Text hinterließ sei an Genossin Hanna Wolf „weitergelei- erhöhen. unser am 10. November 2011 im Alter von tet“ worden. Eine Antwort von der eigent- Mein Standpunkt beruht allein auf der Red- 96 Jahren verstorbener unvergessener lichen Adressatin blieb indes aus. lichkeit intellektueller Auseinandersetzung, Autor Walter Ruge der Redaktion des RF Heute neigt man zu der Erkenntnis, daß das bei der nicht nur wir richtig „einsortiert“ zu treuen Händen. Das Manuskript ist nur Spannungsfeld zwischen Archiv und Zeit- werden wollen, sondern auch nach eigenem geringfügig redigiert worden. zeugen den „Systemwechsel“ überdauert hat. Es bleibt schwierig, dem Dabeigewese- nen – gegenüber vergilbten Akten – tatsäch- lich die Priorität einzuräumen. Hanna Wolf Gürtellinie. Ihre Zeitung dient nicht der hatte seinerzeit angeregt, Geschichte durch Kein großer Wurf sachlichen Information, sondern der Mani- das Anhören von Augenzeugen „neu“ zu pulierung der Leser in einer den Interes- dokumentieren. Daraus ergibt sich sofort Axel Springer AG sen dieses Staates dienenden Richtung. Die eine ganze Kette weiterer Fragen. Was wird, BILD-Zeitung, Abt. Vertrieb Einfuhr solcher und anderer westlicher wenn zwei Akteure über ein und dieselbe Axel-Springer-Str. 65, 10888 Berlin Journale in die DDR nicht zu gestatten, Begebenheit völlig verschieden Zeugnis halte ich nach wie vor für richtig. ablegen? Mehr noch: Wenn ein und der- Das am 23. 6. 2012 in meinen Briefkasten Der Vertrieb Ihrer Zeitung in der DDR wäre selbe Zeuge nach fünf oder zehn Jahren eingeworfene Gratisexemplar Ihrer Zeitung eine Beleidigung des Intellekts der DDR- plötzlich zu ganz anderen „Erinnerungen“ sende ich Ihnen hiermit ungelesen zurück. Bürger gewesen. gelangt? Die vielgepriesene „Wahrheitsfin- – Nach der Vereinnahmung der DDR durch Gottfried Fleischhammer, Leipzig dung“ gestaltet sich, wie man sieht, recht die BRD habe ich mir erst- und einmalig kompliziert. Ihr Blatt gekauft. Ich wollte wissen, ob Für uns gibt es zu solchen Überlegungen die Einschätzung der DDR zum Charak- ein ganzes Füllhorn konkreter Anlässe, ter einer solchen Zeitung korrekt war. Ich denn auch heute wird laufend – über Erleb- fand das in vollem Umfang bestätigt! Ihre Leichen im Keller tes und Nichterlebtes, über Gelesenes und Zeitung ist ein Konglomerat von Wahrhei- Gesprochenes „Zeugnis abgelegt“: über ten, Halb- und Unwahrheiten sowie die Cäsar, Napoleon, Hindenburg oder Strese- Sensationsgier der Leser befriedigenden Eine tolle Karriere: Erst Chefreporter und mann, natürlich auch über Marx. Ja, Lenin Nachrichten. Manche Beiträge bewegen Ressortleiter bei „Bild“, dann Gerhard und dessen Jünger bleiben nicht verschont. sich in ihrer Primitivität unterhalb der Schröders Regierungssprecher, anschlie- „Zu früh“ hätten sie die Oktoberrevolution ßend Berater des Finanzjongleurs Masch- eingeleitet, wird da behauptet. Nun sind meier und jetzt erneuter Eintritt in die uns aus dieser Vergangenheit keine Zeitzeu- „Bild“-Redaktion. An Bela Andas Beispiel gen mehr beschieden – wie soll man unter wird deutlich, wie eng Wirtschaft, Poli- diesen Umständen der Wahrheit ein Stück tik und Medien hierzulande verknüpft näherkommen? Es gäbe viel – nicht nur sind. Wie heißt es doch in einem Lied von über den realen Sozialismus – zu bespre- Hannes Wader: „Die essen zusammen von chen … Zum Glück haben wir mit dem RF ja einem Teller, die haben zusammen Lei- eine „Tribüne für Kommunisten und Sozia- chen im Keller.“ listen in Deutschland“ … Aus „Die Rote Spindel“, Nordhorn Seite 6 RotFuchs / August 2012

Diplomatische Depesche Was US-Botschafter Philip Murphy über sein Treffen mit Gregor Gysi nach Washington berichtete

„Der Spiegel“ hat bisher nur Bruchstücke bestanden habe, und aus radikalen west- 4. Als er nach Differenzen mit den USA aus der ihm von WikiLeaks überlassenen deutschen Gruppen aufgebaut wurde. Das gefragt wurde, sagte Gysi, der einzige Depesche veröffentlicht, mit der Philip sei nicht leicht gewesen. Er erinnerte auch wirkliche Streitpunkt sei Afghanistan. Er Murphy, der US-Botschafter in Berlin, das an seine eigene Biographie und sagte, die vertrat die Auffassung, das Militär könne US-Außenministerium in Washington über PDS sei gegründet worden, um ostdeutsche in Afghanistan niemals gewinnen, und ein Treffen mit Gregor Gysi, dem Vorsit- Interessen zu vertreten. hielt dagegen, daß Offenheit und Enga- zenden der Bundestagsfraktion der Partei gement die einzigen Instrumente seien, Die Linke, informiert hat. Wir haben den die etwas bewirken könnten. Dabei hielt der Website www.steinbergrecherche.com er Rückschau auf die Taktiken, die West- zugespielten vollständigen Text dieser deutschland seit dem Ende des Zweiten Depesche übersetzt und kommentiert. Weltkriegs angewandt habe, um die DDR Wolfgang Jung, Spiegel-Online, 18. 1. 2011 aufzubrechen. Gysi verwies auf keine Dif- ferenzen in bezug auf die Politik der NATO. Zunächst erfolgen Angaben zum Über- (Die Linke fordert eine Auflösung der mittler, zum Adressaten und zum Über- NATO zugunsten eines breiteren Sicher- mittlungsweg der Depesche. heitsbündnisses – wie es auch Rußland vorschlug.) Er versuchte, die Forderung as „Subjekt“ – Gregor Gysi – wird als seiner Partei nach einer Auflösung der DRattenfänger der Linken (Pied Piper) NATO als Ausweg darzustellen, um sie bezeichnet. Das Material stufte der US- vom gefährlicheren Pfad eines Austritts Botschafter aus den Gründen 1.4 (b/d) als Deutschlands aus der NATO abzubringen. „vertraulich“ ein. Er erklärte, die USA, Frankreich und Groß- 1. Zusammenfassung: Gregor Gysi, der britannien müßten ja einer Auflösung der Fraktionschef der Partei Die Linke, NATO zustimmen, was unrealistisch sei. erzählte dem Botschafter während eines Gysi versuchte die US-Politik gegenüber Treffens am 23. November 2009, er allein Kuba zu kritisieren und betonte, die Iso- sei dafür verantwortlich gewesen, daß Die lierung von Feinden funktioniere nicht. Linke zu einer Partei für ganz Deutsch- Nach der Erwähnung der neuen Bemü- land aufgebaut wurde. Sein Ziel sei es, Die hungen des Präsidenten Obama um Kuba Linke bis 2013 in alle Landesparlamente Ein US-Präsident, der nicht nur in Afghani- trat er jedoch den Rückzug an. einziehen zu lassen, besonders in Nord- stan Krieg führt: Friedensnobelpreisträger 5. Im Hinblick auf den Gesundheits- rhein-Westfalen (NRW) im Jahr 2011 und Barack Obama zustand des Parteivorsitzenden Oskar in Bayern im Jahr 2013. Er hoffe, daß Die Lafontaine nach dessen Krebsoperation Linke dann auch den Ministerpräsidenten Er sagte, in Ostdeutschland sei Die Linke am 19. November sagte Gysi, er spreche in Sachsen-Anhalt stellen werde. Danach jetzt in allen Landesparlamenten vertreten täglich mit Lafontaine und erwarte, daß gab Gysi zu, daß sich der westliche und und wolle auch Regierungen stellen. In den dieser seine Arbeit wieder aufnehmen der östliche Teil der Partei Die Linke wie westdeutschen Ländern hätten es die lin- werde. Gysi sagte, er plane, im Februar Öl und Wasser zueinander verhalten hät- ken „Aufwiegler“ allein niemals geschafft, Mittel- und Südamerika und im Juli die ten und nur durch die Alchimie Gysis zu zu irgend etwas gewählt zu werden. USA zu besuchen. Er hoffe, New York, San verbinden gewesen seien. Er erinnerte an den Essener Parteitag Francisco und Los Angeles einen Besuch Gysi pries die Wahl Obamas als das Jahr- in diesem Jahr, auf dem sich alle Grup- abstatten zu können. Er bemerkte, ein hundertereignis. Er sagte, seine Partei pierungen Der Linken ständig gestritten Onkel seiner Frau lebe gegenwärtig in stimme nur bei einem Problem nicht mit und bekämpft hätten, was zu schlechte- Chicago. Gysi war früher schon einmal den USA überein – bei Afghanistan. Ein ren Umfragewerten vor der anstehenden dort. Er sagte, er habe keine Pläne, Ruß- militärischer Sieg sei dort nicht zu errin- Europawahl geführt habe. Beim nächsten land zu besuchen, weil die Dinge dort der- gen. Er wies daraufhin, daß die Forde- Parteitag in Berlin habe es Gysi übernom- zeit zu „unsicher“ seien. rung seiner Partei nach einer Auflösung men, die Partei zur Vermeidung schädli- 6. Kommentar: Gysi war gesellig und mit- der NATO gebraucht wurde, um die in der cher innerparteilicher Kämpfe zu bewegen. teilsam [„chatty“ bedeutet auch gesprächig, Partei erhobene radikalere Forderung nach Das Ergebnis sei Einmütigkeit gewesen. geschwätzig, aufgeknöpft oder schwatz- einem Austritt Deutschlands aus der NATO Gysi sagte, diese sei seine größte Leistung haft]. Er begrüßte die Möglichkeit, sich entgleisen zu lassen. und habe zu den Erfolgen bei den Wahlen mit Vertretern der Botschaft treffen und Gysi sagte, er werde im Februar [2010] nach im September geführt. über Probleme wie Afghanistan oder die Kuba (und zu dem „alten Freund“ Fidel 3. Gysi sagte, mit einer bundesweiten NATO sprechen zu können. Castro), nach Honduras, nach Nicaragua Partei sei jetzt die Aufmerksamkeit der Er betonte wiederholt, wie beeindruckt er (zu „Freund“ Ortega), nach Venezuela, nach anderen Parteien im Bundestag auf ihn von Präsident Obama sei, und wünschte Ekuador, nach Bolivien und nach Kolum- gerichtet. Früher hätten alle die PDS als sich, er könnte ihn eines Tages treffen. bien (ein „rechtsgerichtetes Land“) reisen. unbedeutend und regional abgeschrieben. Das war, soweit wir uns erinnern, das Gysi sagte, er und Lafontaine seien sich Jetzt könne er mit mehr Autorität sprechen. erste Mal, daß Gysi ein Treffen mit einem einig, daß Gysi für die „Außenpolitik“ der Bei den Wahlen in Westdeutschland habe Botschafter hatte. Er ist ganz sicher einer Partei zuständig sei. Die Linke bis zu 8,3 Prozent der Stimmen der bekanntesten Talkshow-Teilnehmer in 2. Gysi erinnerte daran, daß Die Linke bekommen, weil die SPD in ihrem Bemü- Deutschland und eine Parlaments-Ikone. vor einigen Jahren aus der ostdeutschen hen, die konservative CDU nachzuahmen, Seine rhetorische Gewandtheit und sein Partei des Demokratischen Sozialismus ihre „linken Alternativen“ preisgegeben gerissener Intellekt fallen sofort auf. Er (PDS), die größtenteils aus dem ehemaligen habe. Das sei ein Glücksfall gewesen, den redet kaum mehr als ein paar Brocken ostdeutschen kommunistischen Apparat Die Linke habe ausnützen können. Englisch. Murphy RotFuchs / August 2012 Seite 7

Ein Revolutionär im Priesterrock Was Pfarrer Rackwitz an die Seite der Arbeiterbewegung führte

or mehr als 60 Jahren wurde ich als und führt ... die ganze Menschheit aus hatte, gab es dafür weltliche Ursachen und Vjunger Mensch mit einer Broschüre Kampf und Streit zum Frieden, aus dem keine überirdischen. Bischof Huber, ehema- „Der Marxismus im Lichte des Evangeli- Reich der Notwendigkeit in das Reich der liger Ratsvorsitzender der Evangelischen ums“ konfrontiert. Der Titel fasziniert mich Freiheit, aus der Vorgeschichte in die eigent- Kirche in Deutschland, erklärte nach der bis heute. Verfasser war Arthur Rackwitz, liche Geschichte.“ Tsunami-Katastrophe vor Jahren, bei der ein evangelischer Pfarrer der Philipp-Me- Ich meine, von einem Diener der Kirche, der Tausende Menschen zu Tode kamen: „Das lanchton-Kirche in Berlin-Neukölln. Er seinem Glauben an Gott „als Allmächtiger hätte Gott nicht gewollt.“ Der Tsunami, der bezeichnete sich selbst als christlichen der ganzen Schöpfung, alles Sichtbaren vor allem Indonesien und Thailand verwü- Sozialisten und verteidigte die Bergpre- und Unsichtbaren“ keineswegs abschwor, stete, war kein Gotteswerk, sondern ein digt, die Jesus an seine Jünger richtete. In ist das eine kühne Aussage. Und doch ging Ereignis mit natürlichen Ursachen. Wenn ihr erblickte er die Ethik der Nächstenliebe Rackwitz noch einen Schritt weiter: „Gott- im Krieg Soldaten vor dem Kampf beten, und fand, daß die von Jesus für ein Reich vertrauen“ dürfe „nicht zum billigen Ersatz- um am Leben zu bleiben, dann aber doch Gottes auf Erden gegebenen Gebote in enger mittel für fehlende menschliche Aktivität“ fallen, hat das nichts mit einer Fügung Got- Verbindung zu dem stehen, was Marx und werden, postulierte er. Es sei zwecklos, „die tes zu tun, sondern weil Krieg ist, der von Engels wissenschaftlich begründeten. Die Arbeiter auf Gebet und Gottvertrauen hin- Menschen gemacht wurde und politische Kirche hätte nicht das Recht, den Marxis- zuweisen, solange wir zulassen, daß sie wie ökonomische Gründe hat. mus zu verteufeln, sondern vielmehr allen unaufhörlich von einer sich höher dünken- Das Resümee: Pfarrer Rackwitz hat recht, Grund, seinen Gehalt verstehen zu lernen den Klasse mit einem Schein des Rechts wenn er sagt: Glauben an einen Schöpfer, und gemeinsam mit Marxisten für das Wohl ausgebeutet werden. Gott legt die Ent- an Gott, dürfe aus der Sicht religiöser Men- der Menschheit zu wirken. Rackwitz durch- scheidung über die Gestaltung des Wirt- schen nicht bedeuten, so einfältig zu sein, forschte in seiner Broschüre das „Kommu- schaftslebens in die Hände des Menschen daß der Herr es schon richten werde. Eine nistische Manifest“ und zog den Schluß, und stellt uns frei, ob wir durch Gehor- solche Haltung führt in die Irre. Wer gläu- „daß in ihm keine Spur einer offenen oder sam gegenüber seinen Geboten eine Welt big ist, sollte in Gott den Förderer sehen, direkten Polemik gegen die Religion zu fin- schaffen, wie er sie haben will, oder durch zur Aktion schreiten und nach den Gebo- den“ sei. Er ging so weit festzustellen, daß Übertretung dieser Gesetze den Streit ver- ten der Bibel handeln. Christen und Mar- der christliche Glaube im Marxismus seine ewigen, der schon so viel Unheil angerich- xisten müssen an einem Strang ziehen, so theoretische Erklärung finde. „Was können tet hat“. unterschiedlich ihre Auffassungen über Christen aus dem Manifest lernen?“, fragte Rackwitz läßt Lenin, den konsequenten Himmel und Erde auch sein mögen. er und faßte seine Antwort in sechs Punk- Fortsetzer der Lehre von Marx und Engels, Rackwitz hat unterdessen nicht wenige ten zusammen. unerwähnt. Doch wer kannte 1948 in gefunden, die es ihm nachtun. Zu erwäh- Erstens: „Wirtschafts- und Gesellschafts- Deutschland schon den Russen Uljanow, nen sind hier nur die Befreiungstheologen systeme fallen nicht vom Himmel, werden geschweige denn dessen Arbeiten? Dabei Lateinamerikas. So glaubt Ernesto Car- nicht von Gott geschaffen, sondern haben war gerade er es, der eine klare Stellung denal aus Nicaragua, „daß der Sozialis- weltliche Ursachen.“ Zweitens: „Den letztlich zur Religion bezog. Nicht diskriminierend, mus uns erst zum Reich Gottes auf Erden bestimmenden Einfluß auf den Willen des sondern aus historischer Sicht schrieb er in bringen“ werde. Der Kommunismus habe Menschen, der der Wirtschaft ihre Gesetze seiner 1905 verfaßten Arbeit „Sozialismus christliche Ursprünge. „Die ersten Chri- vorschreibt, übt nicht ein Bewußtseinsin- und Religion“: „Die Ohnmacht der ausgebeu- sten waren Kommunisten“, erklärte er. Bei halt, sondern das materielle Sein ... aus.“ teten Klasse im Kampf gegen die Ausbeuter Lukas heiße es auch, „daß jedem nach sei- Drittens: „In allen bisherigen Entwicklungs- erzeugt unvermeidlich den Glauben an ein nen Bedürfnissen“ gegeben werde. „Ebenso stadien wurde die jeweilige Ordnung des besseres Leben im Jenseits, wie die Ohn- hat es später Marx formuliert.“ Das gemein- wirtschaftlichen Lebens der großen Mehr- macht des Wilden im Kampf mit der Natur, schaftliche Eigentum sei heiliger als das heit der arbeitenden Menschen von einer den Glauben an Götter, Teufel, Wunder usw. Privateigentum. Gott habe „den Reichtum zahlenmäßig kleineren Herrenschicht auf- erzeugt. Denjenigen, der sein Leben lang für alle geschaffen und nicht nur für einige gezwungen, die alle politischen und wirt- arbeitet und Not leidet, lehrt die Religion wenige“. Dr. Rudolf Dix schaftlichen Machtmittel besitzt.“ Viertens: Demut und Langmut hienieden und vertrö- „Das gemeinsame Merkmal der uns bekann- stet ihn“ auf die Hilfe durch den Herrgott ten Gesellschaftsformen liegt in der Aus- im Himmel. „Die Religion ist das Opium beutung der besitzlosen Massen durch die des Volkes, sie ist eine Art geistigen Fusels, Am 12. August begeht das Vorstands- Besitzer der Produktionsmittel.“ Fünftens: in dem die ausgebeuteten Menschen ihre mitglied des RF-Fördervereins, der „Die einzige Instanz, welche die Möglichkeit Ansprüche auf ein halbwegs menschen- erprobte Klassenkämpfer und Kommu- und Kraft in sich trägt, die Entwicklung würdiges Leben ersäufen.“ (LW, Bd. 10, nist Oberst a. D. über die bestehende Ungerechtigkeit hin- S. 70/71) aus im positiven Sinne vorwärtszutreiben, Doch Lenin war Realist genug, um sich Karl Rehbaum ist das sich bewußt werdende Proletariat.“ zugleich vehement gegen jede Beleidigung aus Bernau, seinen 75. Geburtstag. Sechstens: „Die proletarische Revolution religiös gebundener Menschen zu verweh- Einst Leiter der NATO-Abteilung bei wird die letzte sein. Im Unterschied zu ren. „Im Kampf gegen religiöse Vorurteile“, der HV A und Führungsoffizier des bis allen früheren Kämpfen und Umwälzun- schrieb er, „muß man außerordentlich vor- gen beschränkt sie sich nicht darauf, die sichtig vorgehen“. Großen Schaden richte in die Brüsseler NATO-Zentrale vor- Herrschaft von einer Klasse an eine andere dabei an, wer im Ringen um Einflußnahme gedrungenen DDR-Aufklärers Rainer zu übertragen, sondern macht ein für alle- unter den Massen „das religiöse Gefühl ver- Rupp (Topas), hat sich Karl aufgrund mal den Klassenunterschieden und dem letzt“. Dieses „muß auf dem Wege der Pro- seiner charakterlichen Lauterkeit, Klassenkampf ein Ende. In der von ihr her- paganda, der Aufklärung geführt werden. soliden Sachkenntnis und ausgewo- beigeführten klassenlosen Gesellschaft Wenn wir den Kampf mit scharfen Metho- genen Urteilsfähigkeit die Achtung ordnet sie das Wirtschaftsleben nicht zum den führen, können wir die Massen gegen und Freundschaft seiner RF-Mitstreiter Wohle einiger weniger, sondern nach den uns aufbringen“. (LW, Bd. 28, S. 178). erworben. Bedürfnissen der Gesamtheit. Sie kennt Wenn der Sozialismus in der DDR und ande- Herzlichen Glückwunsch, lieber Freund! weder Arbeitslosigkeit noch Absatzkrisen ren Ländern letztlich noch keinen Bestand Seite 8 RotFuchs / August 2012

Die Pyramide der Europäischen Union Titelseite der Wochenzeitung „Solidaire“, Brüssel, 21. Juni 2012

Nach einer in der US-Gewerkschafts- zeitung „Industrial Worker“ (1911) veröf- fentlichten Grafik RotFuchs / August 2012 Seite 9

Zum „Lifestyle“ der „Spaßgesellschaft“ Nebulöse Wortverbindungen und geklitterte Begriffe lähmen das Denken

edes Imperium hat seine „Leitkultur“, SPD-Politiker bedienen. – In der Frage der die Terrorherrschaft lateinamerikani- Jderen Begrifflichkeiten in die Mutter- Geschlechtergleichstellung setzt man auf scher Formen des Halbfaschismus, bei- sprachen seiner Vasallenländer eingehen. verbale Schein-Emanzipation. Während spielsweise in Kolumbien, ohne Erröten Ursprüngliche Neuerungen werden in der die in Wahrheit weiterhin massiv unter- als „Demokratien“ bezeichnet. Regel als Fremdworte, gesellschaftliche drückten weiblichen Arbeitskräfte für Ganz übel sieht es im Sozialbereich aus. Begriffe als Lehnworte und Ideologien als die Konzerne schuften dürfen oder – wie Sein Versprechen, „viele in Arbeit zu brin- „politisch korrekte“ Terminologie einge- fünfzehntausend Schlecker-Beschäftigte gen“, hat Ex-Regierungschef Gerhard fügt. Heute ist der aus den USA stammende – knallhart auf die Straße fliegen, gibt Schröder, heute ein mächtiger Konzernboß, Begriff „Political Correctness“ von sei- man die Parole aus „Mehr Frauen in die nur insofern eingehalten, als die Arbeits- nen Urhebern weltweit durchgesetzt wor- Aufsichtsräte!“ Das früher übliche „Gnä- losenstatistiken inzwischen durch aller- den. Ohne auf dessen Entstehen hier näher dige Frau“ und der Handkuß des wilhel- hand „Eingliederungsmaßnahmen“ und eingehen zu wollen, soll die Wirkungs- minischen Patriarchats sind unterdessen „Qualifizierungslehrgänge“ so frisiert wor- weise nebulöser Wortkombinationen im durch eine die Sprache verhunzende „femi- den sind, daß eine enorme Zahl tatsäch- folgenden kurz beleuchtet werden, zumal nisierende“ Wortwahl wie „Amtmännin“ licher Erwerbsloser unter den Teppich sie in fast allen gesellschaftlichen Berei- ersetzt worden. Diese Terminologie ändert gekehrt werden kann. Die Arbeitslosen- chen mehr oder weniger schleichend Ver- kein Jota am Wesen der Diskriminierung, verwaltung heißt mittlerweile „JobCenter“ breitung gefunden haben. Es handelt sich die nach wie vor auch Minderheiten und und die dort Schlangestehenden werden dabei in aller Regel um die beschönigende Behinderte betrifft. als „Kunden“ geführt. Darstellung unangenehmen Geschehens. Noch gefährlicher ist die Begriffsklit- Während Migranten auf grausamste Art Mißstände sollen verdeckt oder ideolo- terung in der Politik. Für Afghanistan von der „Europäischen Grenzschutzagen- gisch drapiert werden. Dies wird nicht wählen die Besatzer gezielt Begriffe wie tur“ an den „Außengrenzen“ des Kon- selten in politischen Kampagnen gezielt „Aufbau der Zivilgesellschaft“, „Terroris- tinents ums Leben gebracht oder zu angestrebt und durch die Medien flächen- musbekämpfung“ oder „Beseitigung des einem Dasein als Sklaven von Mafiosi deckend verbreitet. „Political Correctness“ Totalitarismus“. Sie dienen gleichermaßen gezwungen werden, täuscht man EU- ist ein Langzeitnarkotikum, das über den als Synonyme für neokoloniale Protekto- „Integrationsinitiativen“ vor, die angeblich ganz normalen Sprachgebrauch systema- ratskriege und die Zerschlagung nicht- ein harmonisches Miteinander fördern tisch in die Köpfe eindringt. kapitalistischer Gesellschaftsordnungen. sollen. Das gilt indes nicht für bösartige Die kapitalistische Wirtschaft bedient sich Bald könnten die Kriegsminister, die sich „Gegenwelten“, „Parallelgesellschaften“, dieses Instrumentariums ohne Unterlaß zu heute als harmlose Verteidigungsmini- „Integrationsunwillige“ oder gefährliche Werbe- und Verkaufszwecken. Warenfeti- ster ausgeben, in Freiheitsschutzminister „Islamisten“. schismus suggeriert z. B. „große Freiheit“ umbenannt werden, um der Heuchelei die Dennoch gibt es Erfreuliches zu ver- durch eine Automarke, Jugendlichkeit Krone aufzusetzen. „Rechtsstaatliche Ord- melden: Für jene, die noch mehr einge- durch Coca-Cola oder erhöhtes Selbstwert- nung“, „Unrechtsstaat“ oder „SED-Dikta- seift werden wollen, wird eine „schöne gefühl für sonst an den gesellschaftlichen tur“ sind politische Kampfbegriffe, die neue Welt“ geschaffen: In „Tapetenstu- Rand gedrängte Käufer durch angeblich in der Jurisprudenz überhaupt nicht vor- dios“, „Mediamärkten“ oder „nachhaltig Auftrieb verleihende Textil-Schlager. Aber kommen. Um Verwirrung zu stiften, wer- ökologischen Boutiquen“ können sie den auch die gesteigerte Ausbeutung durch den volksdemokratische Rätemodelle und „Lifestyle“ der kapitalistischen „Spaßge- höhere Tarife bei Gas und Strom wird nichtkapitalistische Wirtschaftsformen sellschaft“ so lange genießen, wie das ihr mit dem euphorischen Begriff „Preisan- mit faschistischen Regimes und Militär- Geldbeutel erlaubt. passung“ verschleiert, dessen sich sogar diktaturen gleichgesetzt, während man Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

Ungeschliffener Umgang mit einem „Topas“

ainer Rupp („Topas“) verbüßte einen Haftentlassung auf Bewährung kündigte wieder zum Bundesgeschäftsführer kandi- R großen Teil der Strafe, zu der er verur- die von Dietmar Bartsch im Geschäfts- dierenden Dietmar Bartsch mit ihm unter- teilt wurde, weil er die NATO-Pläne gegen verkehr vertretene PDS abrupt Büro und richten solle, baten Rainer und dessen Frau den Warschauer Pakt und die zu ihm gehö- Arbeitsvereinbarung. Ihm wurde kalt- dringend darum, den Vorgang nicht an die rende DDR kaltblütig und mit Erfolg aufge- schnäuzig erklärt, er könne ja nun für sich große Glocke zu hängen. klärt hatte. Nach jahrelanger Haft durfte und seine Familie – darunter zwei in Ausbil- Später bewarb sich Rainer Rupp – von vie- er – den Vollzugsvorschriften entsprechend dung befindliche Kinder – selbst sorgen. len Genossen als Kandidat vorgeschla- – Freigang erhalten. Diese Vergünstigung Doch die Geschichte geht weiter. Im Jahr gen – auf einem PDS-Landesparteitag in wurde aber nur dann gewährt, wenn sich 2000 wurde Rainer Rupp, damals Mitglied Mecklenburg-Vorpommern um den dortigen der Verurteilte erstens gut geführt hatte der PDS, von seinen saarländischen Genos- Spitzenplatz zu den anstehenden Bundes- und zweitens ein festes Arbeitsverhältnis sen als ordentlicher Delegierter zum 7. Par- tagswahlen. Das geschah ohne Vorankündi- nachweisen konnte. Der damalige PDS- teitag gewählt. Als Dietmar Bartsch davon gung und Konkurrenz zu Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch erfuhr, forderte er „Topas“ auf, er solle nicht der dieselbe Position anstrebte. „Topas“ schien den Begriff „Solidarität“ noch zu zur 1. Tagung des Parteitages am 14. und erhielt in der Kampfabstimmung mehr als kennen. Jedenfalls veranlaßte er, daß für 15. Oktober in Cottbus erscheinen, da er 25 % der Delegiertenstimmen. Was Dietmar Rainer Rupp unweit der Strafvollzugs- dort nur stören würde. Genosse Rupp nahm Bartsch seinem unterlegenen Mitbewerber anstalt Saarbrücken ein Büro angemietet sein Mandat dennoch wahr. Als die Frage danach unter vier Augen sagte, ist nur weni- wurde und der Freigänger einen Arbeitsver- aufgeworfen wurde, ob man die Delegier- gen guten Freunden Rainers bekannt. trag erhielt. Nach Rainer Rupps vorzeitiger ten des Parteitags über den Umgang des M. Hg. Seite 10 RotFuchs / August 2012

Über Hartgesteine und Weichgespülte Wie ein volkseigenes Kombinat Granit gewann und selbst auf ihn biß

ach dem 8. Mai 1945 war es auch dem Ausbringen aus dem Bruch konnten befanden sich die Abteilung Bau des ZK, Nim Osten Deutschlands, wie es im noch 7 bis maximal 30 % nach der Verar- das Ministerium und die Kombinatslei- ersten Buch Mose heißt: wüst und leer. beitung als Produkt genutzt werden. Der tung. Hinzu kamen die Parteistrukturen Der schrecklichste Krieg aller Zeiten hatte Sägefortschritt betrug 10–20 cm in der im Bezirk, der Stadt und dem Stadtbe- sein Ende gefunden. Harte Jahre des Stunde. Im Ergebnis waren das dann zum zirk sowie der Parteiorganisator des ZK. Wiederaufbaus folgten und danach eine Beispiel durch das „Pflasterschlagen“ aus Es gäbe noch viele andere Beteiligte zu Periode, in der versucht wurde, auf allen sogenannten Britschen: 5 m² Großpflaster nennen, wofür hier allerdings der Platz Gebieten eine sozialistische Gesellschaft je nach Sorte oder 9–10 m² Kleinpflaster fehlt. zu gestalten. Das geschah von Beginn an oder 16–20 m² Mosaik – alles nach einer Besonders haarig ging es zu, wenn es gegen den erbitterten Widerstand der relativ langen Herstellungszeit. ein Staatsplanthema Wissenschaft und kapitalistischen Bundesrepublik. Nach Übrigens wurde das begehrte Pfla- Technik gab, z. B. „Industrieroboter- 40 Jahren zerbrach unsere DDR. Der ster an die BRD zu Entwicklungslän- Spaltautomat“ für die Verarbeitung von „RotFuchs“ verteidigt sie zu Recht. Aller- der-„Preisen“ regelrecht verschleudert. Rohblockmaterial. Dann wurde das Mini- dings veröffentlicht er mitunter auch – Unsere IWP-Planabrechnung sah vor, den sterium für Wissenschaft und Technik aus meiner Sicht – „geschönte“ Beiträge eingenommenen DM-Betrag mit vier zu richtig mobil und operierte zusätzlich ohne vielschichtige Darstellung der kom- multiplizieren. Das entsprach in etwa dem mit Formblättern sowie der Abrechnung plexen Situation. Man kann durchaus den Kurs der Wechselstuben in Westberlin bis sogenannter Pflichtenheftstufen! Stolz der Autoren auf die sozialen Lei- zum August 1961. Damit wurde auch das Natürlich gingen auch der Generaldirek- stungen bei Robotron und die Bilanz der ursprüngliche Gesetz zur Kombinats- tor, der Parteiorganisator des ZK und die Chemieindustrie der Republik verste- bildung de facto außer Kraft gesetzt, da unteren Gliederungen der Partei an Gün- hen. Doch gerade der heranwachsenden selbst der Generaldirektor nicht mehr ter Mittag adressierte eigene „Verpflich- Generation muß auch begreiflich gemacht über die eingenommenen DM-Erlöse ver- tungen“ ein, um gegenüber „oben“ gut werden, woran die DDR zugrunde gegan- fügen konnte. Wenn er z. B. einen Polier- dazustehen. gen ist. Das stärkt ihre Widerstandskraft automaten von Meyer aus Bayern kaufen All das trug mit dazu bei, daß sich rund gegenüber gewissen „Aufarbeitern der wollte, mußte er erst einen Antrag in sie- um das Rohblockgeschehen, das eigent- Geschichte“. benfacher Ausfertigung an den Minister lich unauffällig und überschaubar war, Gründe für das Debakel von 1989/90 – stellen. Bei all dem spielte Günter Mittag, dicke Luft ansammelte. Die Atmosphäre innere und äußere, selbst- und fremd- der sich mit der Partei mindestens gleich- wurde durch laufendes Hineinregieren verschuldete, beeinflußbare und solche, setzte, die führende Rolle. von Leuten ohne spezifische Kenntnisse die außerhalb unserer Reichweite lagen Doch zurück zum Pflaster, das sehr sowie durch das oftmalige Fehlen von – gibt es viele. Ich werde versuchen, die gefragt war. Die Produktionsmenge, aus- Vernunft und Sachlichkeit auf höherer Dinge an einem einfachen Beispiel aus gehend von Rohblöcken, reichte wie so Ebene belastet. der Volkswirtschaft darzustellen. Dabei manches aber nie aus. Und daraus ergab Diese Mängel zu kritisieren bedeutet geht es um die Nutzung von Gesteinen und sich eines der Probleme unserer Volks- nicht, den weltweiten und anerkannten mineralischen Rohstoffen, hier auf Gra- wirtschaft. Ähnlich verhielt es sich auch Einsatz unserer Republik für Frieden, nit und Granodiorit, zwei Hartgesteine, mit fast allen anderen Erzeugnissen aus Abrüstung und internationale Solidari- eingegrenzt. Im ehemaligen Volkseigenen der Palette des Kombinats: Splitte, Sande, tät in Abrede zu stellen. Kombinat Natursteine und Zuschlagstoffe Schotter, Kiese, Bildhauerleistungen, Klaus Horn, Großdobritz waren das vor allem die Betriebe Roter Dach- und Wandschiefer, Putze, Mineral- Meißener Granit des VEB Elbe Naturstein stoffe, Werksteine, Drahtsiebe – um nur und der VEB Lausitzer Granit mit seinem wenige zu nennen. Man übersehe nicht Zentrum Demitz-Thumitz. Die Verwen- ihre Abhängigkeit von vielen Zulieferlei- dung beider Hartgesteine war vielfältig. stungen und vom Arbeitsvermögen. Sie dienten u. a. als Schleusen-, Trep- Innerhalb eines Berges von Kennziffern pen-, Monumental-, Bord-, Schmuck- und war unser Rohblock Bestandteil der Dekor-Stein bis hin zum Pflastermate- jährlichen „Überlegungen“ der Staatli- rial. chen Plankommission (SPK), zuerst in Die Steine mußten in den Brüchen als der staatlichen Aufgabe, dann nach der Rohblöcke mit verschiedenen Technolo- Plandiskussion in der Staatsauflage. Der gien (Bohren, Sprengen, Spalten, Schlit- Rohblock unseres Kombinats stellte im zen …) gewonnen werden. Das ist sehr Pflasterexport die Nummer eins dar, schwere körperliche Arbeit. Es folgten mußte aber auch für Objekte der Lan- verschiedene Arten des Transports bis desverteidigung, den Bevölkerungsbedarf, zur Verarbeitung. die Produktion von Konsumgütern, das Der entscheidende Anteil von Rohblöc- Wohnungsbauprogramm und das Berlin- ken zur Veredelung war gemessen an der Vorhaben „herhalten“. Produktionsmenge von geringveredelten Nach der Planverteidigung wurde es Natursteinbauelementen sehr klein. Mit „heiß“! Die Beteiligung allzu vieler am einer Produktionssteigerung war kaum zu Entstehen des Planes und seiner Umset- rechnen, und wenn, dann nur für kurze zung erfuhr noch eine weitere Steigerung. Zeit. Es fehlte vor allem an Arbeitskräf- Abgesehen vom Leiter der SPK Gerhard ten und entsprechender Technik. Damit Schürer, damals Mitglied des Politbüros wurde es natürlich spannend. der Partei und nach 1989 zu jenen gehö- So ein Rohblock hatte eine Größe ab 0,1 m³, rend, welche die DDR gleich mehrfach und gewünscht aber wurde er bis zu 1 m³. nicht nur im Fernsehen verrieten, hatte Der aber wog 2,7 Tonnen, um eine unge- eine ganze Pyramide Bestimmender mit fähre Vorstellung zu vermitteln. Nach unserem Kombinat zu tun. Ganz oben Collage: Heinrich Ruynat RotFuchs / August 2012 Seite 11

Sollte der „RotFuchs“ bei „Facebook“ sein Gesicht zeigen?

ehrfach schon wurde im RF die doch etwas mulmig, und sie flüchtete an Bourgeoisie ist längst klargeworden, daß MErwartung geäußert, daß sich der einen einsamen Ort. Tatsächlich sollen sich gerade auch Menschen ohne viel Geld nach „RotFuchs“ in „sozialen Netzwerken“ prä- dann immerhin noch 6000 „Freunde“ vor Spaß und Ablenkung suchen. „Have Fun!“, sentieren solle, um Jugendliche besser zu ihrem Haus versammelt haben. empfehlen sie: „Habt Spaß!“ Westernstädt- erreichen. Wie verhält es sich hiermit? Wir wissen jetzt, was am „sozialen Netz- chen, Ritterturniere und Preisausschreiben, Wir alle müßten hellhörig werden, wenn werk“ so sozial ist: Einsame und Ängstli- die Bundesliga mit ihren millionenschwe- uns die TV-Sender der Bourgeoisie und che finden Freundschaften, nach denen sie ren Fußballprofis – sie alle sorgen dafür. deren Moderatoren freundlich und schein- lange vergeblich gesucht hatten. Handelt es Idole sind nach kapitalistischen Denkmu- bar so nebenbei dazu auffordern, doch mal sich um echte Freunde? Wenigstens lassen stern Multimilliardäre wie Bill Gates oder hier und dort „reinzuklicken“. sich das die meisten von den Meinungsma- Mark Zuckerberg. „Schüler-VZ“ oder „Twitter“ sind damit chern einreden! Und dann gibt es noch die „Rundum-Sorg- gemeint, am bekanntesten aber ist „Face- Auch ich wurde per E-Mail schon zu los-Pakete“. Typisch ist deren Geschlechts- book“. Diese Interneteinrichtung wurde „Facebook“-Foren eingeladen. Ich habe nie spezifik: Männer bekommen es, wenn sie 2004 von dem jungen Mark Zuckerberg darauf geantwortet und die E-Mails sofort ein neues Auto kaufen, Frauen bei der gegründet, der heute zu den reichsten wieder gelöscht, weil ihnen ja ein von „Face- Anmeldung zum „Wellness“. Jede Frau Männern der Welt zählt. Seit dem 18. Mai book“ herausgegebener „Trojaner“ ange- sei eine „Diva“, sagt die Werbung. Jungen 2012 ist „Facebook“ – im Jargon des Kapi- hängt worden sein könnte, um meinem Leuten eröffnet sich in dieser „Spaßgesell- tals – ein börsennotiertes Unternehmen mit Rechner oder meinem Konto zu schaden. schaft“ ein weites Feld: Mädchen könnten einem Marktwert von über 100 Milliarden Man muß die „Philosophie“ solcher Netz- fürs TV zu singen versuchen, Jungs machen und Umsätzen von 150 Milliarden Dollar! werke wie „Facebook“ ernsthaft hinter- Musik, reiche Eltern vorausgesetzt. Arme Die Strategen der Technologie- und Werbe- fragen. Ausgangspunkt ist die Tatsache, Jungs können bei „Facebook“ immerhin branche frohlocken, bei „Facebook“ müsse daß immer mehr Menschen physisch und kundtun: „Ich habe arme Eltern. Deshalb man darüber „nachdenken“, was mit den psychisch fertiggemacht werden, weil sie konnte ich zwar keine Musik machen, mir persönlichen Daten der rund 900 Millio- durch eine Unmenge oft sogar unbezahl- im Radio aber einen Musikwunsch erfül- nen registrierten Benutzer noch so alles ter Überstunden dem alltäglichen Arbeits- len! Gut, daß ich das den Freunden mit- gemacht werden könne! druck nicht mehr standhalten können. Für teilen kann! Aber krieg’ ich dadurch auch „Facebook“ ist ein weltweiter Verbund sie hat man das neudeutsche Wort „Burn- neue Freunde? Arm ist so uncool!“ von „Brüdern und Schwestern“, die alle out“ – ausgebrannt – erfunden. Das klingt Noch einmal: Sollte sich auch der „RotFuchs“ „Freunde“ und „Freundinnen“ suchen und sympathischer als ausgelaugt oder ausge- bei „Facebook“ registrieren? das auch selbst sein wollen. Auf ihren „Oh- saugt. Überdies schafft man so „amerika- Ich rate dringend davon ab! Allein aus Potts“ und „Ei-Potts“ und „Smartdings- nische Verhältnisse“. Solidarität mit jenen ungezählten jun- das“ kommunizieren sie per Funk, tauschen Immerhin hat in den USA jeder Dritte „sei- gen Leuten, die bewußt oder unbewußt in Sprüche und Meinungen aus, z. B. über die nen“ Anwalt und „seinen“ Psychiater! Auch den Medien dieses Landes vorgeführt und neueste „Alkopop“-Sorte. dem eifrigsten Konzerndiener wird irgend- mißbraucht werden. Ihnen steht niemand Wer sich bei „Facebook“ registriert, gibt wann klar, daß er wie eine Zitrone ausge- – trotz Tausender und Abertausender ver- alles über sich preis und liefert ein „per- quetscht wird und bei Unterbezahlung nur meintlicher Freunde – wirklich bei, wenn es sönliches Profil“. Freunde suchen! Stati- deshalb noch arbeiten geht, weil er sich um Grundfragen ihrer Existenzsicherung stisch, so sagen die Medien hierzulande, und seine Familie ernähren muß. Und dann in der realen Welt des BRD-Kapitalismus hätte jeder dort etwa 150 Freunde! Bei der sind da jene Hartz-IV-Empfänger, welche geht. Sylvia Feldbinder, Berlin morgendlichen Straßenbahnfahrt vom nicht mehr aufbegehren und jede Hoff- Prenzlauer Berg zum Berliner Alex begegne nung verloren haben, sich noch einmal als ich Fahrgästen, welche von ihrer Umwelt mit anderen Gleichberechtigte etablieren Unsere Autorin ist für die Internet-Prä- überhaupt nichts mehr mitbekommen. Sie zu können. Den Meinungsdompteuren der sentation des RF verantwortlich. sitzen, über ihre Handys gebeugt, und ver- fassen auf der winzigen Tastatur rasche Antworttexte für das „Facebook“-Freund- schaftsangebot. Inzwischen kennt man Süchtige der ver- Geheimdienste schöpfen ab schiedensten Art: Zum Drogenreichtum in der BRD gehört neben Ecstasy und Heroin, ine Untersuchung des Mittelmeerra- angesehen werden“, heißt es in der Studie. Alkohol und Zigarettenqualm nun auch Etes für Nachrichtendienstliche Stu- Sie basiert teilweise auf Erfahrungen des „Facebook“! Tendenz: Manch jungem Nut- dien (MCIS) weist auf die Verwendung „Arabischen Frühlings“, welche die US- zer ist der Wunsch, möglichst viele Freunde von „sozialen Medien“ als „neue führende Regierung angeblich dazu veranlaßten, vorweisen zu können, längst zum Alptraum Technik der taktischen Sammlung von Richtlinien zur Entfernung von geheim- geworden. Fast alle Fernsehanstalten berichteten unlängst von dem Kleinstadt- Mädchen Thessa, das seine Freunde zum 16. Geburtstag eingeladen hatte – nicht etwa per Telefon oder gar in Briefform. Das wäre altmodisch gewesen. Nein, sie hatte frei verfügbaren nachrichtendienstli- dienstlichen Informationen aus sozialen es per „Facebook“-Formular getan und dort chen Informationen“ hin. „Wir legen dar, Netzwerken zu entwickeln. vergessen, zwei kleine Häkchen zu entfer- daß Facebook, Twitter, YouTube und eine Das Ziel des „Aktivistentrainings“ durch nen. So war ihre geplante Feier nun der Reihe anderer sozialer Netzwerkplattfor- Nichtregierungsorganisationen ist es, „ganzen Welt“ zugänglich. Als sich dann men zunehmend durch Nachrichtendien- „Amerikas politische Feinde im Namen schließlich 16 000 „Freunde“ bei ihr ange- ste als Kanäle von unschätzbarem Wert der Freiheit zu destabilisieren“. meldet hatten, wurde es der armen Thessa für die Beschaffung von Informationen Quelle: Global Research, 22. Februar 2012 Seite 12 RotFuchs / August 2012

Die Geisterstadt in der Letzlinger Heide Wie die Bundeswehr den Häuserkampf im City-Dschungel übt

chnöggersburg ist ein nichtssagender Informationen ist ersichtlich, daß die Auf- Weg von der Landesverteidigung, hin zu SAltmark-Ort in der Colbitz-Letzlinger standsbekämpfung im urbanen Milieu den einer weltweit einsetzbaren Interventions- Heide im Osten Deutschlands. Das alte Dorf Schwerpunkt der Ausbildung darstellt. truppe. Nicht von ungefähr heißt es in dem wurde 1934 im Rahmen der zielgerichteten Ein Rheinmetall-Sprecher erklärte in die- 2008 durch die CDU/CSU-Bundestagsfrak- Vorbereitung Nazideutschlands auf den sem Zusammenhang: „Hier üben die Solda- tion vorgelegten Papier „Sicherheitsstrate- Zweiten Weltkrieg abgerissen. Dort ent- ten in Verbänden bis zur Bataillonsstärke. gie für Deutschland“: „Die Herstellung von stand einer der größten Truppenübungs- Es handelt sich um eine Mischung aus Energiesicherheit und Rohstoffversorgung plätze der faschistischen Wehrmacht – der realem Manöver und IT-gestützter Live- kann auch den Einsatz militärischer Mit- vor allem zur Erprobung neuester, durch Simulation, die Panzerabwehr, den Häu- tel notwendig machen, z. B. zur Sicherung die deutsche Rüstungsindustrie im Auftrag von anfälligen Seehandelswegen oder von des Reichskriegsministeriums hergestell- Infrastruktur wie Häfen, Pipelines, För- ter Waffentypen diente. Damals übernahm deranlagen etc.“ der Rüstungskonzern Rheinmetall – wie In diesem Zusammenhang ist auch die for- bereits im Vorfeld des Ersten Weltkrieges cierte Osterweiterung von EU und NATO – die Vorreiterrolle bei der Entwicklung zu betrachten. Die Ukraine, Belarus und und Erprobung neuer Systeme. Mit Sitz andere frühere Sowjetrepubliken werden in Düsseldorf, hat das Unternehmen seine gedrängt, sich der westlichen „Wertege- Schlüsselrolle auf diesem Gebiet weiter meinschaft“ anzuschließen, wobei man gefestigt und sich zu einem weltweit ope- alle Register zieht. Nicht zufällig verwies rierenden, enorme Profite einfahrenden erst kürzlich der Vertreter eines führen- BRD-Waffenlieferanten entwickelt. Der den Rüstungsunternehmens der BRD auf Konzern beabsichtigt, seinen Automobil- ein hier „schlummerndes Potential“ für bereich abzustoßen, um sich voll und ganz Waffenexporte aller Art. auf die Herstellung und den Handel mit Wie pervers müssen Menschen denken, Kriegsgerät zu konzentrieren. Derzeit baut die zwar als unabhängige Politiker oder Rheinmetall in Algerien eine Panzerfabrik. serkampf und das Verhalten gegenüber Parlamentarier gelten wollen, aber ohne Seine Rüstungsexporte in Spannungsge- aufgebrachten Menschenmengen umfaßt.“ Zögern bereit sind, sich den Vorgaben der biete sind allgemein bekannt. Echte oder Besonders die zuletzt genannte Situation Rüstungslieferanten unterzuordnen. Sie auch nur geheuchelte Proteste machen auf spricht Bände, zieht man in Betracht, sind offensichtlich sehr stolz darauf, daß die Konzernbosse keinen Eindruck. Was daß etliche Großstädte in verschiedenen sich die Bundesrepublik nach zwei „ver- zählt, ist allein der Profit. Ländern zum Schauplatz von Aufständen paßten Gelegenheiten“ – des kaiserlichen Der eingangs genannte Truppenübungs- gegen soziale Mißstände und Verelendung und des faschistischen Deutschland – wie- platz soll nach Angaben der Bundeswehr geworden sind. Hierzu kann man durch- der zu einer veritablen imperialistischen jährlich bis zu 25 000 Soldaten auf Krieg- aus auch die „Occupy“-Bewegung zählen, Großmacht entwickelt hat, die mit wirt- seinsätze jenseits der BRD-Grenzen vor- auch wenn deren Zielstellungen begrenzt schaftlichen wie mit militärischen Mit- bereiten und „zum größten Zentrum in sind. Doch was wäre die Rüstungsindu- teln Kriege zu führen in der Lage ist, ohne Europa“ ausgeweitet werden. Erbauer und strie ohne Politiker, die entsprechende dabei auf völkerrechtliches „Dekor“ Rück- Betreiber des riesigen Areals ist – wen Zielvorgaben liefern und so die „Profiter- sicht nehmen zu müssen. wundert‘s – einmal mehr Rheinmetall. wirtschaftung“ der Konzerne absichern! Dietmar Hänel, Flöha Nach Medienberichten will das Bundes- Bereits 2004 begann die größte Umstruktu- verteidigungsministerium bis zu 100 rierung in der Geschichte der Bundeswehr: Millionen Euro investieren und in Schnög- gersburg eine komplette Übungsstadt mit mehr als 500 Gebäuden errichten. Hier soll der Krieg im „urbanen Gelände“ geplant, Immer schon … vorbereitet und geprobt werden, wobei Immer schon haben wir unsere Liebe bekannt Richtig sei auf jeden Fall – bereits ein ähnlicher Komplex für Übungen zu anderen Völkern hört man heute von ganz oben – dieser Art existiert. Er trägt die Bezeich- im fernen Land. Taktik sehr zu loben: nung Stullenstadt. Berichten zufolge Ich habe den Klang noch deutlich im Ohr: Bundeswehr wird umgruppiert befindet sich dort das Gefechtsübungs- Panzer rücken in Afrika vor. steht bereit im Zebrastreifen, zentrum Heer der Bundeswehr. Hier will ohne etwa abzuschweifen Siegreich woll’n wir Frankreich schlagen, man die Soldaten speziell auf „asymmetri- schnellstens einzugreifen, die Versailler Niederlagen und natürlich zuzugreifen sche Kriegsführung im städtischen Milieu“ ausradieren – sowie auf das Reagieren bei plötzlichen wenn das Öl zu Ilsebill Wie bekannt in die „Fischer-Häuschen“ will Angriffen oder Rebellionen vorbereiten. Bombenwurf auf Engeland. Die an den Manövern teilnehmenden Ein- und gen Ostland fahren! Kriege will man das nicht nennen, heiten werden mit speziellen Systemen für nur wird halt am Hindukusch ihre Waffen ausgestattet. Überdies sind Zweimal Weltkrieg! leider nicht von Wilhelm Busch in der gesamten Anlage Kameras statio- Wiegenlieder mir gesungen „Max und Moritz“ inszeniert! niert. Mobile Teams filmen die wichtig- haben so geklungen: Wer das Leben da verliert, sten „Kampfhandlungen“ und machen so Maikäfer flieg, Vater ist im Krieg – gestern wieder zwei Soldaten eine umfassende Auswertung sämtlicher Schüsse, Splitter sind geschwind ach, da reicht ein halber Satz: Aktivitäten möglich. Die Anlage gilt als auf dem einen Auge blind – Tut uns leid! weltweit modernste und größte Europas. grad dem entronnen! Wir machen weiter! Vergleichbare Konstellationen verwen- Hat an Einsicht man gewonnen? Kriege sind nun mal nicht heiter. det nur die U.S. Army zur Vorbereitung Käthe Seelig ihrer Kriegseinsätze. Aus vorliegenden RotFuchs / August 2012 Seite 13

Seine Waffe war die Feder Ein Name gibt Kraft in Zeiten der Niederlage: John Sieg

ohn (eigentlich Johann) Siegs Groß- Sieg im März 1933 festgenommen. In meh- verfaßt – wandte sie sich nicht nur an deut- Jeltern und Eltern waren der Not in reren Gefängnissen, zuletzt in Plötzensee, sche Klassengenossen, sondern auch an der deutschen Hungerprovinz Westpreu- erfuhr er die ganze Brutalität der braunen ausländische Zwangsarbeiter und Kriegs- ßen entflohen und Ende des 19. Jahrhun- Banditen am eigenen Leib. Ein Angebot, gefangene. Mehrere Texte erschienen in derts nach Nordamerika ausgewandert. für deren Zeitungen zu schreiben, lehnte französischer, polnischer, italienischer In Detroit hatten sie Arbeit gefunden, der er strikt ab. und russischer Sprache. Die Empfänger Vater als Mechaniker, die Mutter als Pfle- Unmittelbar nach seiner Freilassung baute wurden aufgefordert, „… alles zu tun, um gerin. Hier kam John am 3. Februar 1903 er trotz scharfer Überwachung in Berlin- die Kriegsproduktion zu behindern und zur Welt. Neun Jahre später, nach dem Tod Neukölln eine illegale Parteizelle auf, die den Gang der Hitlerschen Kriegsmaschine des Vaters, beschloß sein Großvater, den in der Wohnung des Ehepaars Sieg regel- zu lähmen“. Enkel die einstige Heimat kennenlernen Mitte Mai 1941 begannen John Sieg und zu lassen. Im westpreußischen Schlochau im Zusammenwirken mit besuchte der Junge die Volksschule. Der Herbert Grasse, Otto Dietrich sowie Max Erste Weltkrieg verhinderte dann eine und Otto Grabowski eine Zeitschrift herzu- Rückkehr in die USA. stellen, die sie „Die innere Front“ nannten. Bei Kriegsende aus der Volksschule ent- Sie erarbeiteten und druckten das Heft, lassen, nahm John ein Studium an der von dem bis zu Siegs Verhaftung 16 Aus- Lehrerbildungsanstalt auf. Als sein Groß- gaben erschienen. Darüber hinaus schrieb vater 1923 starb, mußte er die Ausbildung der rote Eisenbahner weitere Texte, so abbrechen und nach Detroit zurückkeh- die „Offenen Briefe an die Ostfront“, in ren. Ihn begleitete nun eine junge Frau, denen er die Untaten der faschistischen Sophie Wloszczynski, die ihm nicht nur Wehrmacht, der SS und der Polizei in den den Zugang zur Literatur und klassischen überfallenen Ländern entlarvte. Dieses Musik öffnete, sondern ihn auch mit sozia- Material wurde als unfrankierte Feldpost listischem Gedankengut vertraut machte. an Soldaten und Offiziere versandt. Von Am 30. Mai 1928 heirateten sie. besonderer Bedeutung war eine 22 Sei- Seinen Lebensunterhalt verdiente John ten umfassende Schrift, in der John Sieg Sieg in Detroit als Bauarbeiter auf Wol- kurz nach Hitlers Überfall auf die Sowjet- kenkratzern sowie an den Fließbändern union das Kräfteverhältnis zwischen der der großen Autofabriken des Mittelwe- UdSSR und Nazideutschland sowie die stens. Meist arbeitete er in Nachtschich- politische und militärische Situation exakt ten, um tagsüber am College sein Wissen analysierte. Vorausschauend schrieb er: in Philosophie, Philologie und Pädagogik „Schließt die Reihen enger, Genossen! Der zu erweitern. Zugleich studierte er auf- Sieg wird unser sein!“ Einige Monate spä- merksam die sozialen Bedingungen seiner ter betonte er in der „Inneren Front“: „... der amerikanischen Kollegen und riet ihnen, mäßig tagte. Im Laufe der Zeit stellten er Heroismus der Roten Armee, der Wider- sich gegen Arbeitshetze und Ausbeutung und seine Genossen Verbindungen zu Anti- stand der Werktätigen der Sowjetunion zur Wehr zu setzen. Das brachte ihm bei faschisten in Betrieben wie der AEG, der haben der Armee Hitlers das Rückgrat Ford die fristlose Kündigung ein. 1928 Bewag-AG, der Asbestzement „Eternit“-AG, gebrochen, die unvermeidliche Nieder- kehrten die Siegs nach Deutschland zurück der Lederfabrik Blankenfelde, der Alkett- lage vorbereitet“. und ließen sich in Berlin nieder. GmbH sowie bei Hasse & Wrede her. Es 1941 erweiterte John Sieg seine Partner- Hatte John bereits in den USA damit begon- entwickelten sich mit der Zeit Kontakte schaft mit Adam Kuckhoff und Arvid nen, seine Erfahrungen und Erkenntnisse auch zu anderen kommunistischen Wider- Harnack. Beide gehörten mit Oberleut- aus der Arbeitswelt niederzuschreiben, so standsgruppen um Robert Uhrig, Anton nant Harro Schulze-Boysen vom Reichs- nahm er nun eine journalistisch-schrift- Saefkow, Wilhelm Guddorf und Herbert luftfahrtministerium zur Führung einer stellerische Tätigkeit auf. Erste Arbeiten Baum. Zugleich hielt John Sieg weiter Ver- Widerstands- und Kundschafterorgani- und die Erzählung „Südliche Wanderung“ bindung mit Adam Kuckhoff und Arvid sation, die nicht nur weit verzweigt war, erschienen in verschiedenen Blättern, Harnack. sondern auch eine Vielzahl von Frauen und hauptsächlich jedoch in der durch Adam Nach langer Arbeitslosigkeit verschafften Männern aus den verschiedensten Gesell- Kuckhoff geleiteten Zeitschrift „Die Tat“. ihm Freunde eine Stelle bei der Reichs- schaftskreisen vereinte. Kommunisten Dadurch fiel er Hermann Grosse, einem bahn. Im März 1937 begann er als Güter- wie Hans Coppi, Wilhelm Guddorf, Wal- verantwortlichen Redakteur der „Roten bodenarbeiter auf dem Stettiner Bahnhof, ter Husemann und von da an auch John Fahne“, auf. Dieser bot ihm an, fortan für qualifizierte sich zum Fahrkartenverkäu- Sieg waren Teil dieser Organisation, die das Zentralorgan der KPD zu schreiben, fer, dann zum Reichsbahnassistenten, von den Nazis als „Rote Kapelle“ bezeich- zunächst als freier Mitarbeiter, dann als schließlich zum Weichenmeister, Auf- net wurde. Auch für sie schrieb der pro- Feuilletonredakteur. Inzwischen Mit- sichtsbeamten und Fahrdienstleiter auf letarische Journalist mehrere Beiträge, glied der Partei und der Internationalen dem Bahnhof Tempelhof. Auch dort tat er während Schulze-Boysen, Kuckhoff und Arbeiterhilfe (IAH) geworden, veröffent- alles, um den Nazis Schaden zuzufügen. Harnack ihrerseits Texte für „Die innere lichte er seine zahlreichen Reportagen Er dirigierte Transporte, besonders der Front“ verfaßten. und Erzählungen unter dem Pseudonym Wehrmacht, auf falsche Gleise oder ließ Am 11. Oktober 1942 verhafteten Gesta- „Siegfried Nebel“. John Sieg trat dem Bund sie stundenlang auf verstopften Strec- poleute John Sieg auf dem Bahnhof Tem- proletarisch-revolutionärer Schriftstel- ken warten. Bei Dienstreisen traf er sich pelhof. Fünf Tage lang folterten sie ihn ler Deutschlands bei und engagierte sich mit Gleichgesinnten, so in Hamburg und in der Prinz-Albrecht-Straße, wo sich ihr besonders für die Literaturpropaganda. Frankfurt/Main. Mit Ausbruch des Krie- Hauptquartier befand. Am 15. Oktober Bei der sofort nach der Machtausliefe- ges intensivierte die Gruppe ihren Wider- ging er in den Freitod, nicht zuletzt, um rung an die Hitlerfaschisten einsetzen- stand gegen die Faschisten. In zahlreichen seinen ebenfalls verhafteten Genossen den Jagd auf Kommunisten wurde John Flugblättern – überwiegend von John Sieg das Leben zu retten. Günter Freyer Seite 14 RotFuchs / August 2012

Wie der Großvater wirklich war Ein Enkel deckt furchtlos die Wahrheit auf

nlängst brachte der Donat-Verlag ein streben, Ausländerfeindlichkeit und Chau- Verhalten der deutschen Wehrmacht! Und Uin seiner Art vielleicht einzigartiges vinismus. da gibt es noch einen Onkel, Opas Bruder. Buch heraus: „Mein Großvater im Krieg In der Hitlerjugend war der Großvater Der meldete sich freiwillig zur Waffen-SS 1939–1945“ von Moritz Pfeiffer. Fähnleinführer (und die Oma Ranghöchste und hatte in Polen „Aufgaben zu erfül- Ein Enkel liebt seinen Opa, blickt zu ihm unter den BDM-Mädchen am Ort); er hatte len, die über rein soldatische Pflichten auf, läßt sich aus seinem Leben berich- den Wunsch, sich zum Offizier hochzudie- hinausgingen“ – auch in Auschwitz. Im ten und möchte eigentlich nur Gutes über nen. Schon in der Schule verprügelten sie Unterschied zu Bundespräsident Gauck, ihn erzählen. Hierzu schreibt ein junger einen jüdischen Klassenkameraden, weil der wohl von seiner nazitreuen Verwand- Historiker sogar seine Magisterarbeit. Was der ein rotes Halstuch trug, also „Kom- schaft stark geprägt wurde, ist aus Moritz aber, wenn er dabei auf Vorgänge Pfeiffer kein wütender Kommuni- und Verhaltensweisen stößt, die so stenhasser geworden. Offensichtlich gar nicht in sein Bild vom Großva- bemüht, den Wurzeln der Manipula- ter passen? tion großer Teile des deutschen Vol- Der Älteste unserer Enkel wurde kes durch faschistische Ideologie 1982 geboren – im Geburtsjahr des nachzugehen, stößt er indes nicht bis Autors. Sein Opa – ich – war 1939, zur Beantwortung der Frage vor, in als „Großdeutschland“ den Krieg vom wessen Interesse diese erfolgt ist. Er Zaun brach, gerade fünf und als die provoziert zwar die Frage: Wie wür- Sowjetsoldaten die rote Fahne auf dest du dich an Stelle des Großva- der Kuppel des Reichstags hißten ters verhalten haben, verweist jedoch noch nicht einmal elf. Mein Vater nicht auf die Alternative – den doku- war im Kampf gegen Hitlers, Mus- mentierten Widerstand ungezählter solinis und Francos Faschisten in bekannter und unbekannter antifa- Spanien gefallen, mein Großvater schistischer Helden. wurde 1933 von SA-Banditen in Ber- Seine Aktualität erlangt das Buch lin zusammengeschlagen. So geriet angesichts der Bestrebungen rüh- ich nie in die Situation, recherchie- Ukraine 1942 – Dieses Foto wollte ein Wehrmachts- riger Geschichtsrevisionisten, die ren zu müssen, wie sie sich damals soldat nach Hause schicken … deutsche Schuld am II. Weltkrieg zu wohl verhalten haben. Da ich aber leugnen, die Enttarnung seiner Ver- Menschen kenne, die viel dafür geben wür- munist“ war. Schilder mit der Aufschrift ursacher und Nutznießer zu verhindern. den, ihre Vorfahren uneingeschränkt als „Für Hunde und Juden verboten“ gehörten Denen ist in der BRD niemals das Hand- Vorbilder betrachten zu können, verstehe zur Normalität. „Die Zeit war eben so ...“ werk gelegt worden, und ihre Nachfolger ich Moritz Pfeiffer, der bei Prüfung des Daß die SS gegen Andersdenkende „rück- bereiten sich kriegslüstern wie eh und je tatsächlich Geschehenen erkennen mußte, sichtslos vorging“, habe man zwar vermu- mit alten Inhalten auf neue Kriege vor. daß sein Großvater an Nazi-Verbrechen tet, aber nicht gewußt. Um die Gegenwart zu durchleuchten und aktiv beteiligt war. Was seine Analyse für Nach 1945 hatte der Großvater vieles „ver- die Menschheit vor künftigen Schrecken uns bedeutsam macht, ist die Frage, wie es drängt“, manches haftete in seiner Erin- zu bewahren, ist ein sachliches Ergrün- den braunen Banditen gelang, Millionen nerung, war aber „nicht erzählbar“, so den vergangenen Geschehens von höch- Deutsche, die von Natur aus keineswegs die Ermordung von fast 34 000 Juden im ster Aktualität. Moritz Pfeiffer hat dazu Sadisten waren, zu willigen Akteuren in ukrainischen Babi Jar oder der Kinder- beigetragen. Dr. Ernst Heinz ihren Mörderbanden zu machen. mord von Bjelaja Zerkow ... Vom deutschen Pfeiffer vergleicht die Aussagen seines Soldaten war „Verständnis“ für „die harte, Moritz Pfeiffer: Mein Großvater im Krieg Großvaters mit den geschichtlichen Tat- aber gerechte Sühne am jüdischen Unter- 1939–1945. Erinnerungen und Fakten im sachen, die er aus Archiven und zeitge- menschentum“ verlangt worden. Briefe Vergleich. Band 18 der Schriftenreihe schichtlichen Quellen erfahren hat und von der Front bezeugen das Festhalten des Geschichte und Frieden. Donat-Verlag, nennt ihn dann ein „mit ausführendes Großvaters an Hitlers Kriegszielen. Das Bremen 2012. 216 Seiten, 46 Abbildungen, Organ eines Vernichtungskrieges und war keine „erzwungene Zustimmung“, er 14,80 Euro. ISBN 978-3-943425-02-4 Genozids unvorstellbaren Ausmaßes“. Er war vielmehr zutiefst „in den analysiert die Mechanismen von „Erin- Repressionen der Diktatur nern, Vergessen und Verdrängen“. Schät- gefangen“, wie Pfeiffer es aus- zungen gehen davon aus, daß 20 bis 25 drückt. „Wer nicht dafür war, Geschichte oder Gegenwartsbericht? Millionen Deutsche vom „Holocaust“ wuß- das war ein Gegner, der kam Wo alles Grün der Hoffnung abgeblättert, ten und mindestens 200 000 zu den mit- dann irgendwohin ...“ Weil übertüncht bloß ward das blut’ge Braun, tel- oder unmittelbaren Tätern zählten. Zwar erfuhr er mit der Stalin- Wo sich in seiner Herkunft stets verheddert Aus einem Möbelhändler, dem Schwie- grader Schlacht einen trau- Das Eigentum, aus dessen Schoße klettert gersohn eines Chemie-Großisten, der matischen Schock, ohne auch Die Drachenfrucht mit ihren Schreckensklau’n, von Kind an nur Obrigkeitsdenken und nur zu einem Schimmer von Erwächst kriegsmordend stets das alte Grau’n. strengen Gehorsam kannte und gegen jede Schuldbewußtsein zu gelan- „Systemkritik“ immunisiert war, wurde gen. Schließlich wurde Hitler Wo jedes Gut der Mahnung, selbst aus Stein, ein Profiteur „arisierten“ jüdischen Eigen- vorgeworfen, den Krieg verlo- Dem Markte zynisch überstellt, zerbricht, tums, Nutznießer der Ressourcen von der ren, nicht aber, ihn begonnen Wo Marionetten finden nur ein Stelldichein Hitler-Wehrmacht besetzter Länder und zu haben! Nun betrachteten Mit Bajonetten für den Markt allein, der Ausbeutung von Zwangsarbeitern. sich die Großeltern nicht als Eine wichtige Erkenntnis seines Histori- Täter, sondern als Opfer. Sie Steh’n Kreuze hakenartig dicht bei dicht. ker-Enkels: Die Nazi-Herrschaft war kein empörten sich über die „alli- Ist das Geschichte oder Gegenwartsbericht? „Betriebsunfall“ der Geschichte, sondern ierte Kriegsführung“, ganz E. Rasmus vorgeprägt durch deutsches Weltmacht- im Gegensatz zum „korrekten“ RotFuchs / August 2012 Seite 15

In tausend Sätteln und an vielen Fronten: Widerstandsheld Ditmar Danelius

bwohl es Zehntausende kommuni- Einen Tag vor Frankreichs und Englands Verwandtschaft – außer Gerhard, der in Ostische und sozialdemokratische Kriegserklärung an Hitlerdeutschland Nazideutschland illegal tätig gewesen war Widerstandskämpfer gegen den Faschis- wurde er erneut festgenommen. Dies- – den Faschismus überlebt hatte. Sie waren mus gab, wurde diese Tatsache durch mal als Deutscher. Er verbrachte einige ausnahmslos vergast worden. die in der BRD tonangebenden Politiker Monate im Zivilgefängnis von Oran und Ditti entschloß sich dennoch, nach und Medien entweder bewußt verschwie- wurde dann zur Schwerstarbeit in das Deutschland zurückzukehren. Mit Unter- gen oder nur äußerst zögerlich stützung der FKP fuhr er im eingeräumt. Für sie existierten Februar 1948 als Matrose auf nur die Offiziere um den zwei- einem Passagierschiff nach Mar- fellos mutigen Grafen Stauffen- seille. Von dort aus begab er sich berg, die Hitler zwar beseitigen nach Paris, um drei Wochen spä- wollten, aber dem Naziregime ter unter falschem Namen und und seiner Kriegsführung zuvor mit gefälschten Papieren – als aktiv gedient hatten. Ihr Ziel war französischer Offizier getarnt – es, in Absprache mit den west- über die westlichen Besatzungs- lichen Alliierten und vor einem zonen nach Berlin zu reisen. Einmarsch der Roten Armee den Nur zwei Tage nach seiner Krieg zu beenden, nicht aber die Ankunft meldete sich Ditti Verhältnisse zu überwinden, beim Parteivorstand der SED. Er die den Faschismus hervorge- wurde sofort wieder politisch bracht hatten. Das schrieben sich aktiv. Zunächst war er in der andere auf ihre Fahnen. Zu ihnen Berliner Bezirksleitung für Par- gehörte Ditmar Danelius. teiinformation verantwortlich. Ditti, wie ihn seine Freunde Später wurde er Vorsitzender der nannten, war ein überzeugter Zum 75. Geburtstag von Ditmar Danelius, neben ihm seine Frau Vereinigung der Verfolgten des Kommunist und Internationa- Lucetta, gratulierten ihm u. a. Prof. Günter Feudel, Vorsitzender Naziregimes (VVN) in der Stadt. list, der mehr als zehn Jahre in des Bezirksvorstandes der DSF Berlin (r.), und der Autor (l.). 1953 wählte man Ditti zum Part- Frankreich und Algerien gegen eisekretär des Berliner Magi- den Faschismus und die französischen Internierungslager Boghar überführt. Im strats. Nach dem Besuch der Parteischule Kolonialisten gekämpft hat. Juni 1940 entkam er knapp der drohenden wurde er Sekretär des Bezirksvorstandes Als Sohn jüdischer Arbeiter lernte er schon Abschiebung nach Nazi-Deutschland. Vier der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische als Kind soziale Not kennen. Gemeinsam Monate später gelang ihm die Flucht nach Freundschaft. Das blieb er bis 1990. mit seinem Bruder Gerhard, der viele Algier, wo er Org.-Sekretär der illegalen Ich hatte das Glück, mit Ditti in einer Jahre später Vorsitzender der Sozialisti- KP Algeriens wurde. Im Juni 1941 erfolgte Parteiorganisation zu sein. Er war ein schen Einheitspartei Westberlins (SEW) Dittis dritte Verhaftung. Auf dem Polizei- bescheidener, zutiefst überzeugter und wurde, mußte er die Familie ernähren. präsidium wurde er tagelang schlimmster sehr menschlich handelnder Genosse, der 1928 wurde Ditmar Mitglied des Bundes Folterung unterworfen. Schließlich über- nie über seine bewegte Biographie große der Freunde der Sowjetunion. Im selben führte man ihn in das Militärgefängnis Worte machte. Ich betrachtete ihn als Vor- Jahr trat er dem Rotfrontkämpferbund von Algier. Dort hielt man ihn bis zu sei- bild. (RFB) bei, der ihn mit Schutzaufgaben nem Prozeß Ende März 1942 in Einzelhaft. Im letzten Lebensjahr entschloß sich Ditti, betraute – so auch bei jener legendären Unter den 61 vor Gericht Gestellten war er einiges über sich und Lucetta aufzuschrei- Veranstaltung im Saalbau Friedrichshain, der einzige Deutsche. Die Anklage lautete ben. Doch das Buch wurde leider nicht als Walter Ulbricht dem Faschisten Goeb- auf Hochverrat, Verletzung der Sicherheit mehr fertig. Kurz vor seinem Tode über- bels Paroli bot. des französischen Territoriums und Agen- gab er mir ein Manuskript, das diesem 1931 trat Ditti der KPD bei. Nach dem tentätigkeit für Moskau. Sechs Genossen, Beitrag zugrunde liegt. Er schrieb dazu Machtantritt der Faschisten mußte er darunter Ditti, verurteilte man zum Tode. nur neun Worte: „Lieber Günther! So war erleben, wie ein weitläufiger Verwand- Nach etwa vier Monaten wurde die Strafe mein Leben … Dein Genosse Ditti.“ ter, ein 17jähriger Jungkommunist, grau- im Berufungsverfahren in lebenslängliche Günther Bartsch, Berlin sam zu Tode gefoltert wurde und die Nazis Haft umgewandelt. den Zinksarg der Familie mit den Worten Nach der Landung der Alliierten im übergaben: „Hier habt ihr euer Kommu- November 1942 hofften die politischen nistenschwein.“ Damals wurden Ditmar Gefangenen auf ihre baldige Befreiung. und Gerhard zum ersten Mal verhaftet, Doch erst im Juli wurden Ditti und seine Ein Wort des Dankes konnten aber ihren Peinigern entkommen. Genossen aus der Haft entlassen. Die KP Klaus Wischniewski, der langjährige Abtei- Über Holland begaben sie sich nach Paris, Algeriens beauftragte ihn mit der Leitung lungsleiter für die Druckvorstufe der Druckerei wo sie sich mit Straßenmusik durchschlu- des Büros ihres Sekretariats. Während der „Bunter Hund“, die seit 2001 Monat für Monat gen. Während Gerhard auf Beschluß der Vorbereitung des Nationalkongresses der auch den „RotFuchs“ in bewährter Qualität her- Partei nach Berlin zurückkehrte und sich Partei lernte Ditti im August 1943 seine dort der Anton-Saefkow-Gruppe anschloß, spätere Frau Lucetta kennen. Im Juli 1945 stellt, ist jetzt in Rente gegangen. Wir verbinden blieb Ditti in Paris zurück. 1936 ging er heirateten beide. mit unseren guten Wünschen zu seinem neuen im Auftrag der FKP nach Algerien, um in Als am 8. Mai 1945 der Sieg über den Lebensabschnitt unseren herzlichen Dank für deren Sektion Oran politisch zu arbeiten. Faschismus gefeiert wurde, richtete die seine stets verläßliche Betreuung, viele wert- Als FKP-Generalsekretär Maurice Thorez französische Kolonialarmee in Algerien volle Ratschläge und menschlich erfreuliche drei Jahre später nach Oran kam, um dort ein furchtbares Blutbad an (siehe auch Zusammenarbeit. zur Algerienpolitik der Partei zu sprechen, RF 174, S. 20). – Erst 1947 erfuhr Ditti, Auf bald, lieber Klaus! organisierte Ditti diese Veranstaltung. daß niemand aus seiner 30köpfigen Seite 16 RotFuchs / August 2012

Ein Kenner gibt Auskunft Warum das DDR-Justizsystem vorbildlich war

er hierzulande 30 Jahre alt ist, ein Mahn- oder Vollstreckungsbescheid Diese Welt der Zukunft existierte bereits, What nur das Justizsystem der BRD oder ähnliches ins Haus geflattert war, doch ist sie inzwischen leider Vergangen- bewußt kennengelernt und geht in der entsprechende Rechtsauskunft einholen, heit. Sie wurde zerstört und ist seit der Regel davon aus, daß alles „rechtens“ sei. wurde ihnen die Tür gewiesen: Rechtsaus- Niederlage des Sozialismus in Europa kon- Daß es auf deutschem Boden bis zum Ende künfte gibt es hier nicht mehr! Suchen Sie sequent delegitimiert worden. der 80er Jahre auch eine völlig andere sich einen Anwalt!“ Jüngere Menschen werden diesen Teil der Justiz gegeben hat, besitzt für Menschen Die unentgeltliche Rechtsauskunft bei den Arbeit von Erich Buchholz mit Neugier zur dieser Generation keine Relevanz. Sie leben Kreisgerichten – in der DDR eine Selbst- Kenntnis nehmen und erstaunt feststellen, hier und heute, entweder im Anschlußge- verständlichkeit – war buchstäblich was es in Deutschland schon einmal auf biet – der früheren DDR – oder in den alten über Nacht weggefallen. Was nun über dem Gebiet der Justiz und angrenzender Bundesländern, deren Rechtsordnung im die daran Gewöhnten hereinbrach, war gesellschaftlicher Bereiche gegeben hat. Zuge der Annexion auf den Osten über- die unübersichtliche, für den einzelnen Der Autor beweist, daß das Justizgefüge tragen wurde. schwer zu überblickende Justizstruktur. eines Staates nicht ein neutrales, aus sich In seinem neuen Buch, das dieser Pro- Sie trat anstelle des Kreisgerichts mit selbst heraus zu erklärendes System ist, blematik gewidmet ist, entwickelt Erich seiner einfachen, leicht zu erfassenden sondern daß es seinem Wesen nach und Buchholz die These, das Justizsystem der Zuständigkeit. in all seinen Facetten vom Charakter des DDR sei nicht nur verglichen mit dem der Staates und der Gesellschaftsordnung BRD das bessere, sondern auch das beste bestimmt wird. gewesen, das es je in Deutschland gege- So ist es nicht verwunderlich, daß das ben habe. Justizsystem der alten und der durch Diese Behauptung eines ausgewiesenen Annexion erweiterten BRD dem des Kai- Kenners sowohl des Rechts der DDR als serreiches und zum Teil auch dem der auch der Normen der alten wie der erwei- Nazizeit weitaus ähnlicher ist als dem terten BRD weckt Neugier auf dessen der DDR. Das liegt auf der Hand, befindet Beweisführung. sich doch im imperialistischen deutschen Aber die Antwort auf die Frage nach dem Staat die eigentliche Entscheidungsge- „Gut“ oder „Besser“ dürfte nicht jeder- Doch auch in einem Strafverfahren erleben walt in den Händen der Banken und des manns Sache sein. die Betroffenen im Landesosten, daß das Großkapitals. Dem Auftrag, dessen Ver- Ist in den Augen der meisten Menschen „neue“ Justizsystem für sie viele Nachteile wertungsbedingungen maximal abzusi- nicht Justiz gleich Justiz? Hier wie dort birgt, also das schlechtere ist. Besonders chern, ist alle staatliche Tätigkeit – auch gab und gibt es Staatsanwälte, Richter und übel wirken sich für sie die endlos lan- die der Justiz – untergeordnet. Vollzugsbeamte. Was soll denn da besser gen Bearbeitungsfristen aus. In der DDR Dort aber, wo die Macht dieser Minorität oder schlechter sein? wurden diese gesetzlich festgelegt, was in gebrochen war, galten andere soziale Maß- Erich Buchholz untersucht alle Bereiche bundesdeutschen Prozeßordnungen nicht stäbe. Es ging vor allem um den Erhalt und der Justizsysteme beider deutscher Staa- vorgesehen ist. die Mehrung des gesellschaftlichen Reich- ten – von der ordentlichen Gerichtsbar- Erich Buchholz zeigt anhand vieler Bei- tums im Interesse der Allgemeinheit. Das keit über die Möglichkeit der Einlegung spiele, wie das Justizwesen der DDR aufs widerspiegelte sich auch im Justizwesen von Rechtsmitteln bis zur Vollstreckung engste mit der gesellschaftlichen Wirk- des Staates DDR. gerichtlicher Entscheidungen. Dabei wird lichkeit verknüpft war. So wurden z. B. So wie ihre Gesellschaftsordnung die seine Arbeit besonders in ihrem ersten Teil die Strafverfolgungsbehörden gesetzlich beste war, die es jemals in Deutschland zu einem wahrhaftigen Lehrbuch über die verpflichtet, die Wahrheit zu ergründen gegeben hat, so war auch die Rechtspflege Justiz der BRD. Es dient somit als Weg- und festzustellen. „Sich erklärtermaßen dieses Staates im historischen Sinne die weiser durch den Dschungel der Instanzen mit Wahrscheinlichkeit zu begnügen, war überlegene. mit den verschiedenen, manchmal schwer in der DDR völlig ausgeschlossen.“ Dr. jur. Günter Herzog, Potsdam abzugrenzenden Zuständigkeiten der Ver- Vorschriften über eine sogenannte Ver- Erich Buchholz: Das DDR-Justizsystem, waltungs-, der Sozial-, der Arbeits- und ständigung im Strafverfahren, wie sie die das beste je in Deutschland? Verlag Wiljo der Finanzgerichte. Strafprozeßordnung der BRD vorsieht, gab Heinen, Berlin 2012, 398 Seiten, 18,– €, Im ersten Teil seines Werkes gibt der nam- es in der DDR nicht. Die Feststellung der ISBN 978-3-93982-94-5 hafte Berliner Strafrechtler umfassend Wahrheit war nicht Verhandlungsgegen- Auskunft. Er behandelt auch die Rolle der stand zwischen den Prozeßparteien. Rechtsanwälte. Sie sind in der BRD die In der DDR bezog sich die Verpflichtung zu notwendigen „Transmitter“ für den Recht- deren Ermittlung indes auch auf die Auf- Kein Amtsgeheimnis suchenden. Nur mit ihrer Hilfe vermag er klärung der Ursachen und Bedingungen viele bekleiden ein Amt bei den verschiedenen Institutionen der einer Straftat. Eine solche Feststellung unkorrekt Justiz anzudocken. Und auch dann muß er wäre in einer bundesdeutschen Prozeß- weiter auf sie vertrauen, denn vor Gericht ordnung völlig illusorisch. anders als ihre Bekleidung Amtswegelagerer hat er als Rechtsunkundiger keine Chance. Die Darlegung solcher Beispiele durch mit Schlips und Kragen Amtsrichterrobe In vielen Fällen besteht sogar Anwalts- Erich Buchholz und seine Ausführungen oft Lügengewebe: in Wahrheit vermummte zwang. zu grundsätzlichen Charakteristika der Unrechtsgesinnung Es zeigt sich, daß das Verhältnis der Men- Rechtspflege in der DDR, zu spezifischen nicht einmal stecknadelkopfwinzig schen zum jeweiligen Justizsystem und Prozeßprinzipien und Beweisfragen bei Interesse der Bundesrepublik die Möglichkeiten der Handhabung des der Wahrheitsfeststellung, zur Jugendge- daß zahlreiche bürgerämtergeschädigt sind Rechts entscheidende Gradmesser für richtsbarkeit und vielen weiteren Aspek- für Bundesrepublik die Beurteilung seiner Qualität sind. Das ten der Struktur und Wirkungsweise des Anzug tragender Schein wichtig: erfuhren die früheren DDR-Bürger schon Justizsystems der DDR machen auf heu- Scheindemokratie unmittelbar nach dem 3. Oktober 1990. tige Leser den Eindruck, als entstammten Jürgen Riedel, Minden Wollten sie, „nachdem ihnen eine Klage, sie einem Kapitel aus dem Buch „Utopia“. RotFuchs / August 2012 Seite 17

Venezuela vor den Präsidentschaftswahlen Chávez-Herausforderer Capriles ist der Kandidat der Yankees

m 7. Oktober finden in Venezuela, das Hood verkauft. Die Familie Capriles sei „Tradition, Familie und Eigentum“ sowie Aunter Hugo Chávez seit 1999 in der Eigentümer eines landesweit operieren- seine einstige Zugehörigkeit zur Leitung Innen- und Außenpolitik einen antiimpe- den Medien-, Industrie- und Immobilien- der faschistischen Partei Primero Justi- rialistischen Weg beschritten hat, Präsi- Konzerns. Von ihr würden einflußreiche cia Gras wachsen zu lassen. dentschaftswahlen statt. Dabei sieht sich Zeitungen, Rundfunkstationen und Fern- Was Hugo Chávez betrifft, dürften des- der Amtsinhaber dem von Washington, den sehsender kontrolliert. Mit Hilfe des sen Trümpfe durch Capriles wohl kaum transnationalen Konzernen und der alten eigenen Clans sei ECR in ein Bürgermei- zu stechen sein. Seine Bilanz ist impo- Oligarchie Venezuelas massiv unterstütz- ster- und ein Gouverneursamt im Anti- nierend: Das von der UNO proklamierte ten Kandidaten Enrique Capriles gegen- Chávez-Osten von Caracas katapultiert Jahrtausendziel, die Armut auf der Welt über. Obwohl der Wahlkampf offiziell erst worden. Im Wahlkampf habe er sich „volks- drastisch zu reduzieren, wurde in Vene- im August beginnen sollte, betreibt die nah“ gegeben und sogar Schwarze umarmt, zuela „vorfristig“ erreicht: Sie ist in zwei Opposition bereits seit Monaten eine alle die sonst von seiner Klasse nur verachtet Jahrzehnten nahezu halbiert worden. Dimensionen sprengende Destabilisie- 20 Millionen Landesbürger werden vom rungskampagne, in der die vom Capriles- Nationalen Gesundheitsdienst regelmäßig Clan beherrschte Medienkette den Ton betreut, was nach Schätzungen ausländi- angibt. Angesichts der Tatsache, daß die scher Experten etwa 292 000 kranke Men- Wiederwahl von Präsident Chávez aus der schen vor einem zu frühen Tode bewahrt Sicht politischer Beobachter in Caracas als hat. Die durchschnittliche Lebenserwar- nahezu gesichert gilt, spielt die vereinigte tung stieg zwischen 2000 und 2011 von Reaktion immer offener mit dem Gedan- 72,4 auf 73,9 Jahre. Im etwa gleichen Zeit- ken an einen Staatsstreich. raum sank die Säuglingssterblichkeit von Der venezolanische Journalist Toby Val- 21,4 auf 13,7 pro 1000 Lebendgeburten. derrama stellte unlängst vier inein- Die Bolivarische Republik ist jetzt dazu andergreifende Komponenten der in der Lage, allen Heranwachsenden eine Oppositionsstrategie zur Ausschaltung gebührenfreie Hoch- und Fachschulbil- des Chávez-Lagers vor, die in vielem auch dung anzubieten. Während 93 % aller Kin- in Syrien erprobten Praktiken ähneln. Es der die Grundschule besuchen, machen 83 beginne mit Aktionen zur Diffamierung von 100 Oberschulabgängern heute vom des linksgerichteten Staatschefs, der als Recht auf eine weiterführende Bildung Tyrann und Werkzeug internationaler Gebrauch. Drogenkartelle dargestellt werde. Zwei- Auch Venezuelas Bauwesen verdient hier tens suche die gegnerische Propaganda Erwähnung. 2011 wurden rund 140 000 das von kubanischen Ärzten erfolgreich neue Häuser errichtet – ein Zuwachs von behandelte Krebsleiden des Präsidenten 10 % . gezielt aufzubauschen, um für den Fall Obwohl das südamerikanische Land seiner Wiederwahl ein „Machtvakuum“ noch immer mit einem Arbeitslosenan- suggerieren zu können, da der „todkranke teil von 6,2 % rechnen muß, wurde das als Mann“ sein Amt gar nicht mehr auszu- die niedrigste Ziffer in seiner Geschichte üben vermöge. Dazu würden permanent bezeichnet. Am 1. Mai zogen Hunderttau- gewisse Ärzte und Reporter bemüht, die Präsident Hugo Chávez sende Demonstranten durch die Straßen trotz des jüngsten Fernsehauftritts eines von Caracas, um die Ankündigung eines wieder dynamisch wirkenden Präsidenten würden. Dieses Täuschungsmanöver setze „ersten Gesetzes auf dem Wege zum Sozia- diverse, zumeist düstere Prognosen stell- er auch als Präsidentschaftskandidat fort. lismus“ durch Präsident Chávez zu fei- ten. Drittens streue man neuerdings das Unter Nutzung der Popularität des frühe- ern. Es soll innerhalb von zwölf Monaten Gerücht aus, angesichts des vermeintli- ren brasilianischen Präsidenten bezeichne wirksam werden. Dabei handelt es sich chen „Vakuums“ könne sich eine Gruppe er sich beispielsweise als „Lula der Vene- um weitreichende Regelungen auf arbeits- Chávez nahestehender Generäle im Inter- zolaner“, verspreche, das nationale Erd- rechtlichem Gebiet. Sie beschränken die esse eigenen Machterhalts in einen Putsch- ölunternehmen PDVSA nicht anzutasten, wöchentliche Arbeitszeit auf 40 Stunden. versuch flüchten. Und viertens nehme die die von Chávez ins Leben gerufenen sozi- Der Schwangerschaftsurlaub für berufs- Opposition das Oberkommando der Streit- alen Missionen fortzuführen und dessen tätige Mütter wird von bisher 12 auf 25 kräfte massiv und bestimmte Militärs Anhänger nicht zu verfolgen. Wochen ausgedehnt. Schon früher hatte gezielt unter Medienbeschuß, um im Offi- Zur pseudopatriotischen Maskerade von Chávez mitgeteilt, daß die Regierung zierskorps Zweifel zu säen, eine Spaltung Capriles gehöre auch dessen angebliche eine in zwei Etappen erfolgende Anhe- zu provozieren und Abtrünnige auf ihre Verehrung für Simon Bolívar. Hin und wie- bung der Mindestlöhne um 32,5 % vorge- Seite zu ziehen. der trage er sogar ein rotes Hemd oder sehen habe. Kenner der venezolanischen Szene äußern mache augenzwinkernd anerkennende „Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit, jedoch die Vermutung, daß sich der Haupt- Bemerkungen zum Wirken kubanischer die kapitalistischen Produktionsverhält- schlag der Opposition gegen die verstaat- Ärzte und Lehrer in entlegenen Regionen nisse, welche die Arbeiter zur Ausbeutung lichte Erdölindustrie – die Einnahmequelle Venezuelas. verurteilen, durch sozialistische Bezie- Nr. 1 des Landes – richten werde. Lange bevor er sich als Oppositionskan- hungen in der Produktion zu ersetzen“, Die kubanische Monatszeitung „Granma didat outete, wurde der Wolf im Schafs- brachte der Generalsekretär der Venezo- Internacional“ schrieb über Enrique Capri- pelz durch Wikileaks als Mitarbeiter der lanischen KP, Pedro Eusse, seine Zuver- les Radonski, kurz ECR genannt, dieser US-Botschaft in Caracas enttarnt. Von sicht in den revolutionären Prozeß zum besitze „den einwandfreien Stammbaum dort erhielt er offensichtlich die Weisung, Ausdruck. eines in die goldene Wiege hineingebore- seine Nähe zu transnationalen Konzernen RF, gestützt auf Prensa Latina, Havanna, nen Oligarchen“, werde aber von der Reak- zu verschleiern und über die Mitglied- „People’s World“, New York, und „The tion als eine Art draufgängerischer Robin schaft in der elitär-rechtsgerichteten Sekte Socialist Correspondent“, Glasgow Seite 18 RotFuchs / August 2012

Der „Preis der Freiheit“ Ein Jahr nach der NATO-Aggression wüten in Libyen über 300 Milizen

m 8. Mai versuchten etwa 200 vor zu keiner nationalen Armee vereinigen wurde das aktive und passive Wahlrecht AJahresfrist von ihren imperialisti- lassen, um die Kontrolle über einzelne entzogen. Unter den Gefangenen befindet schen NATO-Schirmherren zunächst Viertel. Mittlerweile wurden Untreue- sich Gaddafis Sohn Saif al-Islam. Er wird als Angehörige einer „Befreiungsarmee“ vorwürfe auch gegen die libysche Inve- unbekannten Ortes in Sintan festgehalten. aufgewertete und am Ende mehr oder stitionsbehörde laut. Es geht dabei um Ein Vertreter des Internationalen Straf- weniger leer ausgegangene „Rebellen“ „zufällig“ nicht verbuchte Öleinnahmen. gerichtshofes (ICC), der Zugang zu ihm Libyens interimistischen Ministerprä- Was aus den während des NATO-Krie- hatte, stellte unlängst fest, daß dem pro- sidenten Abdel Rahim al- minenten Häftling zwei Fin- Kib zu ermorden. Ihr Ärger ger und ein Schneidezahn richtete sich gegen eine in fehlten. Obwohl der ICC Tripolis getroffene Ent- gegen Saif al-Islam selbst scheidung, den aus diver- einen Haftbefehl erlassen sen Bürgerkriegsmilizen hat, erklärte dessen Staats- bestehenden „Bodentrup- anwalt, daß Den Haag mit pen“ des Übergangsregimes der weiteren Inhaftie- ihre monatlichen Bezüge zu rung des Beschuldigten in sperren. Ein großzügiges Libyen einverstanden sei. 1,4-Milliarden-Dollar-Pro- Unter den geschilderten gramm zur „Entschädigung“ Umständen erweisen sich der an Gaddafis Sturz und die vom NTC angesetzten Ermordung beteiligten „freien und fairen Wahlen“ „Freiheitshelden“ führte in zu einer Verfassunggeben- einem solchen Ausmaß zu den Versammlung als glatte Veruntreuungen und Betrü- Farce. gereien, daß es im April Unterdessen zerfällt Libyen kurzerhand eingestellt wer- als einheitlicher Staat den mußte. Auf den Auszah- Die „Rebellen“ erwiesen sich als Banditen. immer mehr. Vom soge- lungslisten waren nämlich nannten Barqa-Rat im einst auch unzählige Tote des Bürgerkrieges ges eingefrorenen Bankkonten Libyens besonders königstreuen Osten des Lan- und der Bombardierungen als quickle- geworden ist, steht in den Sternen. des, wo die Rebellion gegen Gaddafi im bendige „Milizionäre“ sowie Personen, Als Vorwand für den imperialistischen März 2011 ihren Anfang genommen hatte, die sich überhaupt nicht an Anti-Gadda- Überfall auf Tripolis diente – wie jetzt war schon lange vor dem Wahlspektakel fi-Aktivitäten beteiligt hatten, vermerkt im Rahmen der skrupellos vorbereiteten zu dessen Boykott aufgerufen worden. worden. Das Geld hatten deren Erfinder NATO-Aggression gegen Syriens national- Eine andere separatistische Führerschaft, eingesteckt. bewußte Assad-Regierung – die Behaup- die sich selbst als „Rat der Cyrenaica“ Der NATO-Krieg gegen Libyen war mit tung, das „Gaddafi-Regime“ mißachte bezeichnet, strebt inzwischen den Auto- einem Waffenembargo und Sanktionen die Menschenrechte. Die bedauerlicher- nomie-Status innerhalb Libyens an. Im gegen Tripolis eingeleitet worden, denen weise nicht durch ein Veto verhinderten Süden des Landes finden weiterhin hef- eine Blockade von Häfen und Küsten sowie Resolutionen Nr. 1970 und Nr. 1973 des tige Kämpfe zwischen der Toubou-Bevöl- die Beschlagnahme sämtlicher libyscher Sicherheitsrates, die als Initialzündung kerung und arabischen Stammeskriegern Auslandskonten folgten. Die Aggression zur angeblichen Luftüberwachung Liby- statt. Am 14. Mai wurde dort einer der gipfelte schließlich in über 10 000 NATO- ens dienten, bezogen sich ohne konkrete Kandidaten für die „konstituierende Ver- Luftschlägen, bei denen 30 000 Bomben Beweise gerade auf solche angeblichen sammlung“ kurz nach seiner Registrie- über dem Territorium des nordafrikani- Verstöße. Binnen weniger Tage wurde rung kaltblütig umgelegt. schen Landes abgeworfen wurden. Ein daraus ein großer Krieg gegen ein klei- Hatte der CNT schon im September 2011 Teil der Infrastruktur Libyens wurde nes Volk. d i e Z a h l d e r O p f e r d e s G e m e t z e l s m i t zerstört. Auf den NATO-Sieg über Libyens recht- 30 000 Toten und 50 000 Verwundeten Ende August 2011 – als endlich das Wider- mäßige Regierung folgten Massaker, Mas- angegeben, so ist inzwischen von noch standspotential des 6,5-Millionen-Volkes senverhaftungen und andere Repressalien größeren Verlusten die Rede. Sieht man niedergerungen worden war – installier- ohne Ende. Etwa 35 000 Anhänger Gadda- von materiellen Schäden ab, die auf rund ten die imperialistischen Drahtzieher in fis wurden festgenommen. Derzeit sollen 35 Milliarden Dollar geschätzt werden, Tripolis einen Nationalen Übergangsrat sich nach UNO-Angaben noch mindestens dann gab es die meisten Opfer an Men- (NTC), der sich vor allem in Veruntreuung 8500 „Staatsfeinde“ in den Verschlep- schenleben infolge der NATO-Bombar- staatlicher Gelder übte. Nach der Ermor- pungslagern der Anhänger des NTC befin- dements. dung Gaddafis am 20. Oktober verschwan- den. Ian Martin, Leiter der UN-Mission Seit dem Amtsantritt des CNT ist die den Valutamittel in Milliardenhöhe in Tripolis, berichtete von der Mißhand- Sicherheitslage in Libyen völlig außer spurlos in dunklen Kanälen NTC-naher lung und Folterung Inhaftierter. Auch die Kontrolle geraten. Nach seriösen Schät- Kreise. Am 11. Mai kündigte Finanzmi- Zahl der Flüchtlinge im eigenen Land ist zungen stehen landesweit etwa 120 000 nister Hassan Ziglam, an dem man die Legion. Sie wird derzeit auf 172 000 Per- Mann, die 300 verschiedenen Milizen allenthalben grassierende Korruption sonen beziffert – von ins Ausland Geflo- angehören, unter Waffen. Sie ziehen nach festmachen wollte, seinen baldigen Rück- henen ganz abgesehen. wie vor mordend und brandschatzend tritt an. Unterdessen ist die Sicherheits- Der NTC verabschiedete ein „Gesetz“, durch ein Land, dessen Martyrium von lage in Tripolis und anderen libyschen mit dem die Milizen zur Festnahme aller der imperialistischen Propaganda als Städten völlig außer Kontrolle geraten. Unterstützer des 42 Jahre lang das Land „Preis der Freiheit“ ausgegeben wird. Allein in der Hauptstadt kämpfen mehr regierenden „Gaddafi-Clans“, gegen die RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel, als 50 rivalisierende und marodierende Anklage erhoben werden soll, aufgefor- „The New Worker“, London, und „Prawda“, Banden sogenannter Milizionäre, die sich dert wurden. Den in Libyen Arretierten Moskau RotFuchs / August 2012 Seite 19

Was steckt hinter der Spaltung Sudans?

m Juli 2011 proklamierte Südsudan – von Menschenrechten, Freiheit und Demo- verhängten ökonomischen Boykott des Imit offizieller Einwilligung des Nordens kratie unternehmen die USA alles, um die Nordens fortsetzen, sondern sogar noch und unter dem Beifall der imperialisti- beiden sudanesischen Staaten aufeinan- verschärfen, üben sie im Bunde mit der schen Mächte, darunter der BRD – seine derzuhetzen. EU massiven wirt- Unabhängigkeit. Der neue Staat kontrol- Washington gibt schaftlichen und liert die entscheidenden Ressourcen des sich ganz offen als politischen Druck nun gespaltenen Landes. 72 % des suda- glühender Verteidi- auf den älteren nesischen Erdöls werden im Süden geför- ger der Unabhän- der beiden suda- dert. Ein Jahr nach der separatistischen gigkeit Südsudans nesischen Staaten Jubelfeier in der südsudanesischen Haupt- aus. Schon unmit- aus. Ohne Zweifel stadt Juba ist ein erbitterter Krieg um das telbar nach der trägt das Regime schwarze Gold entbrannt. Staatsgründung in Khartum reak- Da der neue Staat keinen Meereszugang übernahm der US- tionäre und dikta- besitzt, muß er Pipelines nutzen, die durch Waffenlieferant torische Züge. Doch Sudan verlaufen, wie der Norden wei- Lockheed die Aus- während die USA terhin heißt. Die Regierung in Khartum rüstung der Armee. den Norden unab- zog daraus bisher erheblichen Gewinn. Im Januar 2012 lässig verurteilen, Unterdessen verweigert der Süden jedoch schickte Präsident werden offenkun- die Bezahlung der geforderten Transit- Obama eine Gruppe von Offizieren in das dige Verbrechen der südsudanesischen summe. Ende vergangenen Jahres konfis- Spannungsgebiet, „um den Südsudanesen Armee – so massive Plünderungen und der zierte Khartum daraufhin Erdölmengen zu helfen, sich auf eigene Füße zu stel- Angriff auf ein Lager chinesischer Erd- im Gesamtwert von 800 Millionen Dollar, len“. ölspezialisten – durch Washington über- was den Süden zu einem Vergeltungsakt Hatte Washington zunächst versichert, haupt nicht zur Kenntnis genommen. Die bewog: Er sperrte kurzerhand strategisch Khartum mit Wohlwollen behandeln Strategie der imperialistischen Mächte bedeutsame Rohrleitungen. zu wollen, wenn es die Unabhängigkeit verfolgt ein einziges Ziel: ihre feste mili- Unterdessen hat Südsudan Verträge mit Südsudans anerkenne, so wurde dieses tärische und wirtschaftliche Verankerung Äthiopien und Kenia abgeschlossen. Das Versprechen schon bald gebrochen. Wäh- in einer der ölreichsten Regionen der Welt. erste Abkommen betrifft den Bau einer rend die USA nicht nur den bereits 1977 RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel Pipeline nach Djibouti am Roten Meer, das zweite die Verlegung eines weiteren Stranges zum keniatischen Hafen Lamu. Dadurch entgehen Khartum auf Dauer enorme Summen. Argentinien übernahm YPF Während sich die politischen Differenzen zwischen beiden sudanesischen Staaten weiter zuspitzen, droht auch ein offener Mit der am 16. April durch das argentini- Optionen in Betracht ziehen“. Repsol-YPF militärischer Zusammenprall, wobei Süd sche Parlament beschlossenen Nationali- hatte die Produktion von Gas und Erdöl wie Nord schon jetzt gut organisierte und sierung von 51 % der Vermögenswerte des im Laufe der Jahre systematisch zurück- schwer bewaffnete „Rebellen“ auf dem Unternehmens Yacimientos Petrolíferes gefahren, wodurch sich Buenos Aires Territorium der jeweils anderen Seite offen Fiscales (YPF) hat die 2011 gezwungen sah, unterstützen. Vor einigen Monaten besetz- Regierung der linkspe- 2011 erstmals seit 17 ten südsudanesische Armee-Einheiten die ronistischen Präsiden- Jahren Treibstoff ein- Erdöllagerstätten von Heglig, aus denen tin Cristina Fernandez zuführen. 1922 gegrün- der Norden bisher etwa die Hälfte seines de Kirchner einen wich- det, gehörte YPF lange Petrolbedarfs gedeckt hat. Diese Vorkom- tigen Schritt getan, um Zeit zur „Vorhut“ argen- men werden übrigens von einem Konsor- die Energieversorgung tinischer Unternehmen tium verwaltet, in dem vor allem China, des Landes zu sichern. mit Staatsbeteiligung, aber auch Malaysia und Indien vertreten Im Gesetz, das YPF zu bis es unter dem rechts- sind. Vor dem Angriff und der teilweisen einem „Gegenstand peronistischen Präsi- Zerstörung der Anlagen von Heglig erhob öffentlichen Interes- denten Carlos Saúl Me- der südsudanesische Präsident Salva Kiir ses“ erklärte, wurde Argentiniens Nationalflagge weht nem hundertprozentig Anspruch auf die dortigen Bodenschätze. die partielle Enteignung jetzt neben dem Firmenbanner vor privatisiert wurde. Als Antwort darauf ließ Khartum mehrere der Tochtergesellschaft der Konzernzentrale Mit seiner Entscheidung südsudanesische Dörfer bombardieren. des spanischen Super- gesellt sich Argentinien Sudans Präsident Omar El Bahir bezeich- konzerns Repsol verfügt. Ein Gutach- wie Brasilien (Petrobras) und Venezuela nete Südsudan als „ein Insekt, das ausge- ter-Tribunal soll festlegen, wieviel der (PDVSA) zu jenen Ländern Lateinameri- tilgt werden“ müsse. argentinische Staat für die YPF-Aktien an kas, in denen die Nutzung von Erdöl und Inzwischen hat der Zusammenprall bei- Repsol, das bisher 57,4 % der Anteile besaß, Erdgas durch staatliche Beteiligung oder der sudanesischer Staaten die Grenzen von denen ihm nur noch 6 % verbleiben, umfassende Verstaatlichung den natio- eines regionalen Konflikts überschrit- als Kompensation zu zahlen hat. Manuel nalen Interessen dienstbar gemacht wer- ten. Hinter ihren Auseinandersetzungen Soria, Industrieminister der rechtsge- den kann. stehen kaum verhohlene Großmachtin- richteten Madrider Regierung, erklärte Im Urteil von Patricio Echegaray hat die teressen. Während China, das 7 % seines empört, die von Argentinien ergriffenen Kirchner-Regierung einen bedeutsamen Erdölbedarfs aus Südsudan deckt, seine Maßnahmen beträfen nicht nur Repsol, Schritt vorwärts getan, der die Souverä- Politik strikter Neutralität fortsetzt und sondern „Spanien und alle Spanier“. Auch nität des Landes stärkt. „Wir begrüßen gegen jede Eskalation von Gewalt auftritt, EU-Kommissionspräsident Manuel Bar- diese Entscheidung“, betonte der Gene- verfolgen die imperialistischen Mächte roso – ebenfalls eine Marionette der Mono- ralsekretär der KP Argentiniens. des Westens ganz anders geartete Ziele. pole – kündigte an, Brüssel werde „Spanien RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel, und Unter dem Deckmantel der Verteidigung politische Unterstützung erweisen und alle „Granma Internacional“, Havanna Seite 20 RotFuchs / August 2012

„Wir sind nicht Eure Milchkühe!“ Landesweite Kampagne der belgischen PTB gegen die Abzocker

eit Monaten stößt in Belgien eine lan- Spaß machen. – Das erklärt auch die Tat- – rasch zunimmt. Zu den Höhepunkten Sdesweite Kampagne der Partei der sache, daß der Einfluß des vor zehn Jah- seiner immer mehr junge Belgier anspre- Arbeit (PTB) gegen die Taschen- chenden Aktivitäten gehört die räuber aus Monopolen und jährliche Karl-Marx-Schule. An Banken sowie deren Kompli- drei aufeinanderfolgenden Tagen zen in Parteien und Behörden debattieren Hunderte Mitglie- bei Hunderttausenden auf der und Sympathisanten über außergewöhnliche Resonanz. aktuelle Themen und machen Unzählige Plakate im ganzen sich mit Grundfragen der mar- Land zeigen das Symbol einer xistischen Theorie vertraut. Im wütenden Kuh. Der Text dar- Februar dieses Jahres bot die unter lautet: „Ungehorsam! Ich „Ecole Karl Marx“ nicht weniger bin keine Milchkuh! Wendet als 18 verschiedene Seminare, Euch lieber an die Spekulan- eine abschließende Konferenz ten, Großbankiers und Mil- mit sämtlichen Teilnehmern und lionäre!“ Neben dem Symbol ein sprühendes Fest an. der belgischen Kommunisten – „Den Marxismus zu studieren, dem roten Stern – sieht man am ist für die Mädchen und Jungen unteren Rand der großformati- des COMAC sehr spannend und gen Poster und besonders zum keineswegs Schnee von gestern“, Anbringen an Wohnungsfen- berichtete das PTB-Wochenblatt stern gedachter Aufkleber die „Solidaire“, das dem Jugendver- alte Losung der PTB: „Zuerst band einmal mehr zwei Sonder- die Menschen, nicht der Pro- seiten einräumte. fit!“ Zum diesjährigen Lehrplan der Eingeleitet wurde die sofort Karl-Marx-Schule gehörten The- auf Massensympathie stoßende men wie „Der Krieg in Spanien Kampagne mit einer spektaku- 1936 bis 1939“, „Die Freiheitsbe- lären Aktion, die am 19. April wegungen der indigenen Völker“, vor dem Brüsseler Hauptbahn- „Die Lage in Griechenland“ und hof stattfand. Dort hatten sich „Kommunismus für Anfänger“. Genossen mit einer aufblas- Doch auch die jüngsten Revolu- baren Riesenkuh postiert, die tionäre verliert die PTB nicht allgemeines Aufsehen erregte, aus ihrem Blickfeld. Vom 4. bis so daß sich an den Ständen 11. August findet abermals das der Partei sofort eine lebhafte schon traditionelle Sommer- Diskussion über das Anliegen Camp der Pioniere – diesmal auf der Organisatoren des „Events“ einem Landgut bei Charneux – entspann. Sämtliche auf dem statt. Die PTB-Kinderorganisa- Gare Central ankommenden Reisenden ren gegründeten PTB-Jugendverbandes tion lädt zu Erholung, Spaß, Spiel und mußten beim Verlassen der Station das COMAC – er zählt derzeit über 2500 Mit- spielerischem Lernen ein. trotzige Tier passieren. glieder, die an Universitäten, Oberschu- Raoul Hedebouw, der offizielle Sprecher len und in vielen Wohnvierteln aktiv sind RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel der PTB, gab Interessierten bereitwillig Auskunft, was es damit auf sich habe. „Es ist Zeit, dafür zu sorgen, daß die bei uns in Belgien, aber auch in Griechenland, Por- tugal, Spanien, Irland und Italien für die Die freie Wahl der Griechen Krise Verantwortlichen die Zeche zahlen. Das ist unsere Botschaft, die wir mit einer „Ich respektiere Euer Wahlrecht, solange Ihr Million ‚Milchkuh‘-Flugblättern landes- richtig wählt.“ weit unter die Leute bringen“, sagte Hede- bouw. „Immer mehr Menschen suchen (Im Englischen sind richtig und rechts durch ein inzwischen Kontakt zur PTB. Wir sind und dasselbe Wort auszudrücken.) auf dem besten Wege, uns als echte Kraft der linken Opposition, als eine kreative Partei in Belgiens politischer Landschaft zu positionieren.“ Es ist übrigens nicht das erste Mal, daß „Der Name Angela Mer- sich die PTB als Motor und Seele einer kel ist das Synonym für überaus originellen, vor allem auch junge deutsche Arroganz und Leute ansprechenden nationalen Kam- pagne erweist. Die Belgier sind bereits Negierung völkerrechtli- daran gewöhnt, von ihren Kommunisten cher Grundprinzipien.“ nichts Ausgelutschtes oder Abgestande- nes serviert zu bekommen. Agitation darf Klaus Steiniger nicht auf die Nerven gehen, sondern muß (RF 174, S. 1) RotFuchs / August 2012 Seite 21

Vertreibung aus dem Paradies Warum London die Bewohner des Chagos-Archipels deportieren ließ

nlängst starb Lisette Talate. Ich Überführung einer Bevölkerung“ als Ver- „Camp Justice“ – Lager Gerechtigkeit. Der Uerinnere mich an die drahtige, hoch- brechen gegen die Menschenrechte. Groß- Krieg gegen die Demokratie sei in Kreisen intelligente Frau, die ihr Leid mit Ent- britannien hat dieses Delikt begangen – für der westlichen Elite kein Gesprächsthema. schlossenheit überwand. Sie verkörperte 14 Millionen US-Dollar zum Kauf eines „Es ist nie passiert ...“, schrieb Harold Pin- den Widerstandswillen eines Volkes im „Polaris“-U-Bootes aus den USA. ter sarkastisch. Ringen um Demokratie. Ich sah ihr Gesicht Die Menschen aus Diego Garcia geben zum ersten Mal in den 50er Jahren. Das nicht auf. Im Jahr 2000 erklärte Großbri- britische Kolonialministerium hatte einen tanniens Oberster Gerichtshof ihre Aus- Film über die Einwohner der Chagos-In- weisung für „illegal“, doch Anthony Blairs seln, einer kleinen Kreolen-Nation, die Labour-Regierung verhinderte ihre Rück- auf halbem Wege zwischen Afrika und kehr unter Hinweis auf einen „Vertrag“ Asien im Indischen Ozean lebt, gedreht. mit Washington. 2003 wurde ihnen eine Die Kamera schweifte zwischen blühenden Entschädigung verweigert, im Juni 2004 Dörfern, einer Kirche, einer Schule, einem annullierte man überdies die Entschei- Hospiz – inmitten einer friedlichen Natur dung des Obersten Gerichtshofes. von unbeschreiblicher Schönheit – hin und Mehr als 2000 US-Soldaten sind auf Diego her. Lisette erinnert sich, wie der Filme- Garcia stationiert. 30 Kriegsschiffe liegen macher sie und ihre Schulfreundinnen dort vor Anker, eine Satelliten-Spionage- ermunterte: „Lächelt mal, Mädchen.“ station wurde errichtet, und die Inseln Viele Jahre später saß Lisette in ihrer wurden obendrein auch noch zur Lage- Küche auf der Insel Mauritius und rung von Atommüll mißbraucht. erzählte: „Man mußte mich nicht zum Im Juli 2011 veröffentlichte der US-Hi- Lachen ermuntern. Ich war ein tief in mei- storiker William Blum eine bedrückende ner Inselwelt, meinem Paradies, verwur- Lisette Talate Bilanz der Außenpolitik Washingtons zeltes Kind. Schon meine Urgroßmutter seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Da gab hatte dort gelebt. Ich gebar in meiner Hei- Nachdem der Stützpunkt fertiggestellt war, es Bestrebungen, mehr als 50 Regierun- mat sechs Kinder. Daher konnten sie uns flog das britische Verteidigungsministe- gen zu stürzen, von denen die meisten nicht einfach aus unseren Häusern ver- rium eine Gruppe von Journalisten auf demokratisch gewählt worden waren; jagen – sie mußten uns erschrecken, um die Chagos-Inseln. „In unseren Berichten die Unterdrückung von Volksaufständen uns zu zwingen, sie zu verlassen. Zuerst steht nichts über Einwohner oder Evaku- oder nationalen Bewegungen in 20 Län- versuchten sie uns auszuhungern. Die Ver- ierung“, hieß es. dern; unverschämte Eingriffe in demokra- sorgungsschiffe kamen nicht mehr; dann Der sowjetische Journalist V. Shitomir- tische Wahlen in mindestens 30 Staaten; verbreiteten sie das Gerücht, man würde ski stellte schon 1975 die Frage nach dem die Bombardierung von Zivilisten in mehr uns ausbomben; schließlich vergasten die als 30 Ländern; Mordversuche an minde- ersten US-Soldaten unsere Hunde.“ stens 50 Politikern in aller Welt. Die Chagos-Inseln wurden im 16. Jahr- Der Feind wechselt nur den Namen: Statt hundert von portugiesischen Seefahrern „Kommunismus“ heißt er jetzt „Islamismus“, entdeckt, gelangten dann in Frankreichs doch es handelt sich stets darum, Wege Besitz und gingen nach dem Napoleoni- zur Demokratie zu blockieren, wenn sie schen Krieg an die Briten. 1965 erhielt der unabhängig von der Macht des Westens Archipel die Bezeichnung „British-Indian beschritten werden, oder wenn es sich um Ocean Territory“. Völkerschaften handelt, die einen strate- Harold Wilsons britische Labour-Regie- gisch und wirtschaftlich wichtigen Land- rung willigte 1970 ein, als Washington strich bewohnen und überdies auch noch verlangte, den Chagos-Archipel von sei- auf ihre Rechte pochen. nen 2500 Bewohnern zu säubern, damit Das Ausmaß des Leidens, dem die Opfer auf Diego Garcia eine riesige Militärba- Werbung für Diego Garcia, eine Basis für der Terrorpolitik des Westens ausgeliefert sis errichtet werden konnte. Lisette, ihre NATO-Bomber im Indischen Ozean sind, ist in der sogenannten zivilisierten Familie und Hunderte andere wurden auf Welt trotz modernster Kommunikati- ein rostiges Dampfschiff verfrachtet und Schicksal der Einheimischen im Zuge der onstechnologie, des (nominell) freiesten zu der 1600 Kilometer entfernten Insel „Umwandlung“ des Chagos-Archipels in Journalismus und der hochehrbaren Aka- Mauritius gebracht. Sie schliefen auf einer eine westliche Militärbasis. demiker-Kaste kaum bekannt. Ladung aus Düngemitteln. Zwei Frauen Diego Garcia spielte eine Schlüsselrolle Heute ist es ein Tabu zu sagen, daß die mei- hatten während der Überfahrt Fehlge- in der NATO-Aggression gegen Irak. Auch sten Opfer des westlichen Terrors Muslime burten. heute starten Kampfmaschinen von sei- sind. Auch die Tatsache, daß eine halbe In Port Louis an Land gebracht, starben nen meilenlangen Pisten – nicht zuletzt Million irakischer Kinder in den 90er Jah- Lisettes jüngste Kinder Jollice und Regis nach Afghanistan. Lisettes einstige Gar- ren infolge des britisch-amerikanischen innerhalb von zwei Wochen. Sie hatten um tenterrassen beherbergen inzwischen Embargos sterben mußte, interessiert ihre Hunde getrauert und wußten, daß sie die bunkerbrechenden Bomben, die von niemanden. Washingtons Ex-Außenmi- nun kein Zuhause mehr besaßen. Lisettes B-23 der U.S. Air Force nach Afrika und nisterin Madeleine Albright bezeichnete Mann erlag einem Schlaganfall. Asien befördert werden. Um den Status diesen Massenmord zynisch als „notwen- Der Akt der Massenverschleppung wurde krimineller Macht zu vervollständigen, digen Preis“ für den Sieg über Saddam streng geheimgehalten, denn nach Art. 7 hat die CIA hier auch noch ein Gefäng- Hussein. des Rom-Statuts, an das sich der Inter- nis im Guantánamo-Stil eingerichtet. Zur Dr. Vera Butler, Melbourne, gestützt auf nationale Strafgerichtshof zu halten hat, Verhöhnung der Insassen, die keinerlei einen Artikel von John Pilger in gilt die „Deportierung oder zwangsweise Gerichtsbarkeit kennenlernen, heißt es „The New Statesman“, London Seite 22 RotFuchs / August 2012

Benedikt in Kuba: Ein Papstbesuch der etwas anderen Art

ranma Internacional“ – die Auslands- die Beweise der Zuneigung, die er in Kuba einem halben Jahrhundert der Yankee- Gausgabe des Organs der KP Kubas – erfahren habe. Blockade erfolgreich trotzende und selbst brachte im Mai eine Doppelseite die Folgen der verheerenden Isolie- vom mehrtägigen Aufenthalt Papst rung nach dem Wegfall der Staaten Benedikt XVI. auf der Insel der Frei- der sozialistischen Gemeinschaft heit. Neben einem Bildbericht von bewältigende Kuba könne durch die den beiden Messen, die der Ponti- Visite eines hohen geistlichen Wür- fex im Beisein führender Reprä- denträgers einer „inneren Zerreiß- sentanten des Staates in Santiago probe ausgesetzt“ werden, waren de Cuba und Havanna las, brachte auf Sand gebaut. Dank der Klug- das Blatt auch mehrere Aufnahmen heit und Toleranz der kubanischen vom Gespräch des hohen Gastes mit Führung sowie der politisch-morali- Fidel Castro. Nach Auskunft eines schen Reife des Volkes – einschließ- Vatikansprechers verlief die Begeg- lich des überwiegenden Teils der nung „sehr herzlich“ sowie „in guter kubanischen Katholiken – und der Stimmung und bei Heiterkeit beider“. Lebensweisheit des die Lage sach- Der historische Führer der kubani- lich bewertenden hohen Gastes aus schen Revolution war einer Einladung in Der päpstliche Besuch verlief für jene Rom war der Papstbesuch nicht nur ein die Apostolische Nuntiatur gefolgt. Fidel im „Westen“ frustrierend, welche zuvor bedeutsames konfessionelles Ereignis, Castro ließ das Oberhaupt der katholi- verkündet hatten, die Kuba-Visite Bene- sondern trug auch zu Frieden und Ver- schen Christenheit bei dieser Gelegen- dikt XVI. werde den sozialistischen Kari- ständigung im regionalen wie im inter- heit wissen, daß er alle Etappen seiner bikstaat „teuer zu stehen kommen und nationalen Maßstab bei. Reise aufmerksam am Bildschirm ver- zu ernsten politischen Verwerfungen RF, gestützt auf „Granma Internacional“, folgt habe. Der Papst bedankte sich für führen“. Hoffnungen, das seit mehr als Havanna

Pilotprojekt Wilcannia Alphabetisierung australischer Aborigines mit Hilfe Havannas

ls Aborigines bezeichnete australi- Kampagne teilgenommen hatte. Bot- in Wilcannia mit Erfolg angewandt wor- Asche Ureinwohner aus Wilcannia im schafter Monzón war einst als blutjunger den, fügte der kubanische Projektberater Staat New South Wales (NSW) José Chala hinzu. empfingen am 8. Mai hohen Die meisten der etwa 500 Ein- Besuch. Sie konnten Kubas Bot- wohner des im äußersten Nord- schafter Pedro Monzón in ihrer westen von NSW gelegenen Ortes Mitte willkommen heißen. Der sind Aborigines. Australiens Diplomat war zur feierlichen Urbevölkerung besteht zu 40 bis Aushändigung der Diplome für 50 % aus funktionellen Analpha- elementare Schreib- und Lese- beten, die zwar äußerst man- kundigkeit an die ersten zehn gelhaft schreiben können, aber Teilnehmer eines auf kubani- außerstande sind, eine Zeitung schen Erfahrungen fußenden oder ein Buch zu lesen. Projekts zur Überwindung des Das von Kubanern unterstützte Analphabetentums in die entle- und auf deren Erfahrungen gene Ortschaft eingeladen wor- fußende Wilcannia-Projekt wird den. Ihnen hatte man während nach vorausgegangenen Debat- eines Zeitraums von 13 Wochen ten über das Für und Wider an jeweils drei Tagen zwei Stun- Kubas Botschafter Monzón mit indigenen Kursteilnehmern jetzt auch vom australischen den Unterricht erteilt, Die Dosie- Erziehungsministerium offizi- rung erwies sich als zweckmäßig, um die Schüler selbst an der großen Alphabetisie- ell gefördert. Kursanten nicht zu überfordern. rungskampagne in seiner Heimat beteiligt Übrigens reagierte die örtliche Bevölke- Das Pilotprojekt folgt dem 1959/60 in Kuba gewesen, bei der etwa 40 % der Kubaner rung auf die Alphabetisierungskampagne erprobten Prinzip „Yo Si Puedo!“ – „Ja, Grundkenntnisse erwarben. „Wir haben sehr positiv. Zum Auftakt hatten sich 300 ich kann!“ damals mit den Bauern zusammengelebt Aborigines im Park versammelt, um das „Ich glaube, daß man einem Menschen und tagsüber auf den Feldern gearbeitet, Ereignis gebührend zu feiern. Botschafter kein größeres Geschenk machen kann, als um ihnen am Abend Lesen und Schreiben Monzón, den die Anwesenden stürmisch ihn vom Analphabetentum zu befreien“, beizubringen“, berichtete der Diplomat. begrüßt hatten, wies darauf hin, daß sich sagte der für das Projekt verantwortli- Die dabei erprobte Methode des engen das Projekt „Ja, ich kann!“ bisher in 30 che Instrukteur Jack Beetson, der bereits Zusammenrückens mit der Bevölkerung Ländern bewährt habe. in Osttimor an einer entsprechenden sei auch bei der Operation „Ja, ich kann!“ RF, gestützt auf „The Guardian“, Sydney RotFuchs / August 2012 Seite 23

DDR-Label Eterna erfährt Renaissance Delikatessen klassischer Musik sind Genießern wieder zugänglich

ittlerweile wird die DDR ja an vie- von Václav Neumann mit Leichtigkeit und Sanderling mit mystischen Mitteln zum Mlen Fronten verteufelt und alles in Freude. Man will den Fluß hören und spü- Ende gebracht. diesem kleinen Staat jemals Geschaffene ren, die Tränen laufen heiß, es wird wie- Auch die weltbekannten Interpreten wur- ignoriert oder verlacht. Jeder, der keine der ein wunderbarer Tag. Dies ist eine LP, den in dieser Reihe nicht vergessen. So Repressalien nachweisen kann, war bei die bis heute in vielen ostdeutschen Haus- gibt es die Zusammenstellung von Peter der Staatssicherheit, die Kinder zwang halten auf den Plattenteller kommt und Schreier: „Die schöne Müllerin“. Der Tenor, man im Kindergarten aufs Töpf- der besonders durch die Evangeli- chen und neben den Puhdys und stenpartien von Johann Sebastian Karat lief nichts im gleichgeschal- Bach die Welt berauschte, prä- teten Radio … sentiert dabei ein weitgefächer- Unvergessen sind die klassischen tes Repertoire. Von Oper, Operette Aufnahmen vom rührigen Label (Offenbachs „Orpheus in der Unter- Eterna, die leider gleich nach der welt“!) bis hin zum klassischen „Wende“ an die Schallplattenfirma Lied sang der Dresdner Künstler, Edel verramscht wurden. der 2005 seine Karriere beendete, Was kaufte die Westverwandtschaft alles perfekt und aufregend. während ihres Besuchs im Osten? Unbedingt wieder zur Hand neh- Preiswerte Fachbücher und Schall- men sollte jeder das Album mit der platten mit klassischer Musik. Sopranistin Hanne-Lore Kuhse, die Zwar versucht man nun mit dem nahezu alle Partien im dramati- Waschzettel zu suggerieren, daß schen Fach singen konnte und viele Künstler aufgrund von Rei- besonders als Marie in der Oper sebeschränkungen in den alten „Wozzeck“ von Alan Berg brillierte. Bundesländern noch nicht bekannt Opernfreunde in Budapest, Buka- seien, aber Kurt Masur, Ludwig rest, London, Nizza, Prag und Sofia Güttler, die Staatskapelle Berlin, schwärmen noch heute von ihren Peter Schreier, Gisela May und viele Konzerten. mehr, die es jetzt wieder zu entdec- Sogar die Einspielung „Bilder einer ken gilt, könnten anderes berichten. Ausstellung“ vom Pianisten Peter Sie zeigten der Welt, daß die Musik- Rösel ist wieder zu haben, der übri- ausbildung in der DDR großartig gens am Tschaikowski-Konserva- war und man immer mit phänomenalen immer noch eine erotische Ausstrahlung torium Moskau studiert hat. Der heutige Künstlern rechnen konnte. Wo DDR drauf hat. Auch Carl Orffs „Carmina Burana“, Professor für Klavier an der Hochschule stand, da waren Leidenschaft, Perfektio- interpretiert vom Rundfunkchor, dem für Musik „Carl Maria von Weber“ Dres- nismus, Liebe zur Musik und unerreichte Rundfunkkinderchor Leipzig und dem den strich mit leichten Gesten über die Klassik-Interpretationen drin. Sinfonieorchester Leipzig, ist unerreicht Tasten, spielte höchst erfrischend und Da lagen herrliche Aufnahmen mit und voller Schönheit und Intelligenz. End- stilistisch perfekt. Die Klarheit seines unschlagbaren Dresdner und Leipziger lich gibt es wieder rein und unverfälscht perlenden Spiels überrascht noch heute. Klangkörpern, einmaligen Chören, wun- die Orchesterwerke von Paul Dessau und Neben vielen weiteren aufregenden Ein- derbar spielenden Solisten und ebenso die „Deutsche Sinfonie“ von Hanns Eisler. spielungen, hier sollte man unbedingt die agierenden Dirigenten in den Archiven der Das Herz schlägt links, im kräftigen Takt. „Psalmen Davids“ (Heinrich Schütz) vom Hamburger Firma und fanden nur als Bil- Man vernimmt immer noch den Kampf von Dresdner Kreuzchor und die „Opernsze- ligprodukte den Weg in die Supermärkte. Eisler um Anerkennung, gerade bei dieser nen“ mit Theo Adam hören, begeistert vor Mitte der 90er Jahre gab es den ersten Sinfonie. Der Satz „Kämpfer in den Kon- allem Gisela May. Bis heute ist sie als d i e Versuch, die originalen Aufnahmen mit zentrationslagern“ wurde vom Rundfunk- Brecht-Interpretin bekannt. Mit dem Ber- den dazugehörigen Covern unters Volk Orchester Berlin sehr hart und intensiv liner Ensemble gab sie lange die „Mutter zu bringen. Werbung wurde leider kaum eingespielt. Während die „Arbeiterkan- Courage“ und sang 1972 das vorliegende betrieben, und auch die Presseberichte tate“, das Kernstück der Sinfonie, aus den Album „Brecht-Songs“ ein. Ihre Stimme fielen kläglich oder nichtssagend aus, da Lautsprechern dringt, denkt der Hörer ist erregend und erzeugt reichlich Gän- mittlerweile abgehalfterte westdeutsche sofort an die jahrhundertelange Unter- sehaut. Journalisten die Chefsessel der regiona- drückung und Ausbeutung, spürt im letz- Diese Edition, die 30 CDs umfaßt, zeigt len Zeitungen im Osten besetzten und als ten Teil den Kampf um Selbstbestimmung ein hohes Maß an Musikalität und klang- Klassik nur den gerade mit Strauß-Me- und möchte schließlich im stürmischen licher Qualität. Es ist ein faszinierender lodien für Furore sorgenden André Rieu Schlußsatz (Allegro für Orchester) mitju- Überblick zu drei Jahrzehnten (musika- erkannten. beln und zur erneuten Befreiung aufrufen. lischer) Kunst in der DDR. Solche tollen Nun also versucht man es noch einmal. So atemberaubend und realitätsnah kam Einspielungen kann und soll man nicht Wir freuen uns, daß es die schönen und Eisler nie wieder auf ein Album. Weiterhin verschweigen. Thomas Behlert interessanten Aufnahmen von Eterna wie- gibt es die Sinfonie „Das Lied von der Erde“ der gibt. (Gustav Mahler), eingespielt vom Berliner Beziehen kann man die „KulturSpiegel“- Neben den bekannten Tonschöpfungen Sinfonieorchester und gesungen von Peter Edition u.a. über von Adolf Bruckner (Sinfonie Nr. 4), Franz Schreier und Birgit Finnilä. Das Trinker- www. zweitausendeins.de Schubert („Unvollendete“), Joseph Haydn lied „Jammer der Erde“ sticht heraus und (dort für 8,99 € je CD) (Sinfonie Nr. 93, Nr. 94) und Beethoven ist dabei ganz hervorragend gelungen. Die (Sinfonie Nr. 9) ist da die unerhörte und großen Flöten weinen, die Klarinette, die Andere Einspielungen der Eterna-Collection einzigartige Aufnahme von Smetanas Hörner, Trompeten und Posaunen las- (derzeit insgesamt 58) gibt es etwa bei „Mein Vaterland“. Hier spielte das Gewand- sen uns das ganze Elend spüren. Alles ist www.buecher.de hausorchester Leipzig unter der Leitung durchdringend und vom Dirigenten Kurt (dort für 7,99 €) Seite 24 RotFuchs / August 2012

Falscher Ruhm für „Preußens Gloria“ Zur Inflation von Fridericus-Rex-Filmen vorgestern, gestern und heute

inen solchen Rummel um Fried- vier aus der Zeit vor 1918 und sechs in der ungerecht und unmenschlich, als es der Erich II. wie anläßlich seines 300. Ge- Periode nach 1933 gegenüber. 1922, knapp Baron von Trenck wagte, Amalie, die burtstages hat es bisher noch nicht gege- vier Jahre nach dem Ende des Weltkrie- Schwester des Königs, zu lieben. Von der ben. Die Medien überschlugen sich förm- ges und dem Sturz der Monarchie, kam vielbehaupteten Toleranz war absolut lich, neue Bücher erschienen, Ausstel- ein großangelegter vierteiliger Film in nichts zu spüren. Der verfolgte und gede- lungen, Theateraufführungen, sogar ein die deutschen Kinos: „Fridericus Rex – mütigte Trenck überreichte dennoch nach Musical und natürlich Filme wie „Fried- ein Königsschicksal“, den die Berliner 30jähriger Trennung von der Angebete- rich – ein deutscher König“ mit Katharina Cserépy Film Co GmbH im Auftrag der ten das Buch seines Lebens mit der völ- und Anna Thalbach in den Hauptrollen Ufa gedreht hatte. Die Uraufführung der lig unverständlichen Widmung „An den gehörten zum großen Zeremoniell. Doch ersten beiden Teile „Sturm und Drang“ Geist Friedrichs des Einzigen“. ein so bissiges Stück wie das Hacks-Werk sowie „Vater und Sohn“ erfolgte am Im gleichen Jahr entstand „Der Choral von „Der Müller von Sanssouci“ aus dem Jahre 31. Januar 1922 „Sanssouci“ und „Schick- Leuthen“. Nach der für Preußen siegrei- 1958, das sich satirisch mit der Frideri- salswende“, der 3. und 4. Teil, hatten chen Schlacht von Leuthen (heute Luty- cus-Rex-Legende auseinandersetzte, war dann am 22. März 1923 Premiere. Der nia in Polen) am 5. Dezember 1759 soll nicht dabei. Film pries die „preußischen Tugenden“ ein Chor von überlebenden Soldaten „Nun Vor mehr als 70 Jahren, am 3. März 1942, und suggerierte, daß die Monarchie die danket alle Gott“ gesungen haben. Dieser fand im Ufa-Palast am Zoo die Premiere beste Staatsform sei. von Carl Frölich 1932 inszenierte Film des Films „Der große König“ statt. Regie Der Filmpublizist Siegfried Kracauer kom- konnte seine Uraufführung nach Hitlers führte Veit Harlan. Das war der Mann, der mentierte, daß Anlage und Durchführung Antritt als Reichskanzler in unverän- den üblen antisemitischen Hetzfilm „Jud des Films unmittelbar darauf abzielten, derter Form erleben. „Es ist, obwohl die Süß“ gedreht hatte, in der Bundesrepu- dem Publikum die Überzeugung beizu- Ereignisse mehr als 175 Jahre zurücklie- blik Deutschland aber weiter in der Bran- bringen, „daß ein zweiter zeitgenössischer gen, im Geiste doch ein aktueller Stoff: che tätig sein durfte. „Der große König“ Fridericus nicht nur die Krankheitserre- ein einziger Kopf, der für alle sorgt, der war ein pompöser Schmachtfetzen, noch ger des Sozialismus vernichten, sondern sich keine Ruhe gönnt, die Wankelmüti- schlechter gemacht als frühere Frideri- auch Deutschlands nationalen Machtan- gen anspornt, die Mutigen vorwärtstreibt cus-Rex-Filme. Die Nazipresse berich- sprüchen wieder zu ihrem Recht verhel- – das aktuellste Thema in unserer heuti- tete dennoch voller Begeisterung, von der fen“ könne. gen führergläubigen Zeit“, schrieb 1935 Zensur erhielt das Machwerk die besten „Fridericus Rex“ stand am Anfang einer der Nazifilmhistoriker Kalbus. Noten als „Film der Nation“ bis zur beson- Reihe. Mit einer Ausnahme spielte in allen Es folgten die Streifen „Der alte und deren Empfehlung für die Jugend. Thema weiteren Filmen Otto Gebühr die Haupt- der neue König“ (1935), und „Fridericus“ war ein Kapitel aus dem Siebenjährigen rolle. 1927 kam „Der Alte Fritz“ auf die (1936). Krieg, das den preußischen Truppen kei- Leinwand. Er stellte den angeblich demo- Die Filme über Friedrich II. arbeiteten nen Ruhm einbrachte. In der Schlacht bei kratischen Volkskönig in den Vordergrund, mit vorgefertigten Geschichtsklitterun- Kunersdorf (heute Kunowice in Polen) der das Friedensgeschäft genausogut ver- gen und Legenden. Doch sie erzielten in erlitt die 49 000 Mann starke preußische stand wie das Kriegshandwerk. den 20er, 30er und 40er Jahren einen Armee 1759 eine vernichtende Niederlage. Der frühe Tonfilm gab dem Preußenfilm großen Publikumserfolg. Angesichts der Sie verlor 1900 Mann an Toten und Ver- eine neue nationalistische und chauvini- ruhm- und sieglosen Aggressionskriege, wundeten und fast ihre gesamte Artil- stische Dimension. Mit dem „Flötenkon- an denen Deutschland seit einiger Zeit lerie. Das Nazi-Propagandaministerium zert von Sanssouci“ in der Regie Gustav wieder beteiligt ist, sowie vor dem Hin- forderte daher die Presse auf, keinesfalls von Ucickys setzte die Ufa hierfür ein tergrund unlösbarer wirtschaftlicher Vergleiche zwischen Friedrich II. und dem Zeichen. und sozialer Probleme hält man es in „Führer“ anzustellen, da die „schwierige Der Krieg wurde Preußen von Maria The- BRD-Führungskreisen für angebracht, militärische Situation“ am Beginn des resia, der Pompadour und der Kaiserin an „Preußens Größe“ zu erinnern, für die Films zu falschen Schlußfolgerungen ver- Elisabeth von Rußland selbstverständlich in besonderem Maße Friedrich II. steht. leiten könnte. aufgezwungen. Während Friedrich ruhig Dr. Kurt Laser, Berlin Im Dezember 1941 waren die deutschen und gelassen im Musiksaal von Sans- Faschisten von der Roten Armee vor souci Flöte spielte, schob man ihm ein Moskau gestoppt worden – das Finale dechiffriertes Geheimdokument auf sein des „Blitzkrieges“. Friedrich II. erschien Notenpult. In den kurzen Pausen gab der natürlich im Film als ein von der „Vor- König Generälen und Ministern Anwei- Die „RotFuchs“-Regionalgruppe Ebers- sehung“ gesandter Genius, der sein Volk sungen. Ein „Präventivschlag“ wurde in walde lädt „zum großen Sieg führen wird“, wie Veit Szene gesetzt. Nur mit knapper Mehrheit für den 6. August zu einer Harlan erklärte von der Filmoberprüfstelle freigegeben, Die filmische Darstellung Friedrichs II. hatte der Film trotz heftiger Proteste Diskussionsrunde über ist so alt wie die Filmgeschichte selbst. und Demonstrationen am 19. Dezember aktuelle politische Fragen Der häufig erwähnte Streifen „Friedrich 1930 Premiere. der Große“ von Max Skladanowsky, einem Diesem Streifen ließ die Ufa 1932 „Bar- und für den 30. August zu einer Veranstal- der Pioniere des deutschen Films, wurde berina, die Tänzerin von Sanssouci“, tung über das Thema nie gedreht. Doch Oskar Messter nahm „Trenck“ und den „Choral von Leuthen“ bereits 1897 in seinem Kunstlichtatelier folgen. Lernen und Studieren in der BRD in der Friedrichstraße die ersten Kostüm- „Trenck“ war ein Film, der vom Schema ein. Es spricht der Student Mirko Wolf- filme auf, darunter „Friedrich der Große abwich, und nicht nur, weil diesmal gramm. beim Flötenspiel“. nicht Otto Gebühr, sondern Theodor Loos Die meisten Fridericus-Verfilmungen gab einen despotischen König spielte, der der Beide Zusammenkünfte finden um jeweils in der Gaststätte „Waldhaus“, es erstaunlicherweise nicht in der Nazi- historischen Wirklichkeit mit Sicherheit 14.30 Uhr Schönholzer Straße 12, statt. zeit, sondern in der Weimarer Republik. näher kam als die üblichen Darstellungen. 13 Produktionen aus dieser Zeit standen Friedrich II. war tyrannisch, rachsüchtig, RotFuchs / August 2012 Seite 25

Begegnung zweier in der Wolle Gefärbter Wie der Erfinder des „Herrn Fuchs“ den „RotFuchs“ entdeckte

s ist erfreulich, daß Gerhard Vontra ich in der „sogenannten DDR“ die verschie- 80. Geburtstag einige sinnvolle Arbeiten Edurch den „RotFuchs“ noch einmal in densten künstlerischen Berufe ausüben. ausführen. Was Herrn Fuchs und Frau Erinnerung gebracht worden ist. Der Bei- Bei der DEFA, beim Deutschen Fernseh- Elster betrifft, so wurden auch sie 1990 trag enthält aber einen kleinen Fehler: Das funk und beim Theater arbeitete ich als „abgewickelt“. Jetzt werden nur noch Bei- Foto mit den Bäuerinnen zeigt träge der 70er und 80er Jahre nicht – wie im Text angegeben – bei Wahrung meiner Urhe- – mich, sondern den Repor- berrechte – aus dem Archiv ter Manfred Schröder, der in gesendet. unserer Redaktion den Bereich Übrigens habe ich als partei- Agrarpolitik leitete. loser DDR-Bürger den Unter- Neben der Puppenreihe „Im gang des besseren deutschen Märchenwald“ habe ich 1957 Staates mit weniger Schuld- – wie im „RotFuchs“ bereits gefühlen erlebt als etliche berichtet wurde – auch die Mitglieder der so uneinheit- Kurzfilmserie „Bauer Knolle“ lichen Einheitspartei. Auch gestaltet. Durch die etwa 40 heute noch fehlt es – aus mei- gesendeten Folgen kam ich ner Sicht – oftmals an dem von der Kinderredaktion zur notwendigen kritisch-analy- Redaktion Landwirtschaft des tischen Denkvermögen. 2005 DFF. Von 1963 bis 1975 war ich hat Fidel Castro diesen Man- dann Regisseur des Adlersho- gel der Gesellschaftswissen- fer Bildungsprogramms. Außer schaften in Moskau und auch meiner Regiearbeit hatte ich in der DDR als eine der Ursa- die dankbare Aufgabe der Aus- chen des Versagens bezeich- bildung von Regie-Volontären Hans Schroeder macht während des vorjährigen Seniorentreffs net. bis zum Diplom an den Film- ehemaliger Mitarbeiter des DDR-Fernsehens seinen „Herrn Fuchs“ Den „RotFuchs“ habe ich hochschulen. mit dem „RotFuchs“ bekannt. übrigens erst 2011 bei einem Ich habe von 1946 bis 1950 an Seniorentreffen ehemaliger der Hochschule für Bildende Künste in Filmarchitekt, Szenenbildner, Grafiker, Mitarbeiter des Fernsehens durch Ina Berlin-Charlottenburg Grafik und Büh- Puppengestalter und -spieler, Autor und Alverman kennengelernt. Auch wenn nenbild studiert. Von 1950 bis 1952 setzte Regisseur. manche Bewertungen der Zeitschrift zu ich mein Studium an der Hochschule für Als ich 63 war, wurde ich Bundesdeut- Irrtümern und Fehlern vergangener Tage Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee scher. Ohne umziehen zu müssen, lebte ich aus meiner Sicht nicht genügend in die fort, wo ich mich auf Design speziali- in einem neuen Land und verlor dadurch Tiefe gehen, bleibt die Hoffnung auf eine sierte. Meine Lehrer – Oskar Nerlinger meinen Beruf. Dank verschiedener Zufälle junge Generation, zu deren Information und Theo Balden – waren hier wie dort des Lebens konnte ich als angeschlos- der „RotFuchs“ wichtig ist. Kommunisten. Von 1953 bis 1990 konnte sener Ostrentner noch bis zu meinem Hans Schroeder, Berlin

Herr Stoiber (Fuchs) zu Frau Merkel (Elster): „Für mich sind Sie immer noch Herr Fuchs: „Na, nun sind Sie ja richtig im Westen angekommen!“ eine Ostelster!“ (2002) Frau Elster: „Sie waren schon immer ein Roter und bleiben es auch!“ (2012) Seite 26 RotFuchs / August 2012

Sprachliche Brillanz und Vielschichtigkeit Die Facetten des Schaffens der Waldtraut Lewin

ie am 8. Januar 1937 in hier eine alte sizilianische Marionette zum Zum 65. Geburtstag schenkte sich die Auto- D(Harz) geborene Waldtraut Lewin Leben in unserer Zeit. Mit scharfer Beob- rin vier neue Kinderbücher: „Wolfsbande“, begann als Musikdramaturgin und Regis- achtungsgabe, geschultem historischem „Der Mönch“, „Das Mädchen“ und „Der Bote“, seurin an den Opernhäusern in /Saale und ausgeprägtem sozialem Nerv wußte die die sie gemeinsam mit ihrer Tochter Miriam und Rostock. Seit 1971 erschienen ihre Autorin in ihren Reisebüchern Wesenszüge Margraf verfaßte. Ferner legte sie 2002 das Publikationen vor allem im Verlag Neues und Mentalität anderer Völker aufzuspüren. Bändchen „Zaubermenagerie“ mit Lyrik und Leben. In über vier Jahrzehnten machte sie Erkennbar wird dieses in „Katakomben und Prosa vor. Von dem Autorenduo Lewin/Mar- sich mit Bühnenfassungen und Übersetzun- Erdbeeren – Notizen einer italienischen graf erschien ferner der amüsante Krimi gen vieler Werke des Musiktheaters einen Reise“ (1977), „Garten fremder Herren – Zehn „Weiberwirtschaft“ (2004) mit Mysteriösem Namen. Sie schrieb die Texte zu etwa 25 Tage Sizilien“ (1982), „Waterloo liegt in Bel- aus Magdeburg. Hörspielen, von denen einige preisgekrönt gien“ (1985) und „Villa im Regen“ (1986). Waldtraut Lewin führt in „Marek und wurden. Aufsehen erregten ihre mehr als 1989 legte Waldtraut Lewin ihren Roman Maria“ (2004) ein detailreiches Zeitbild von 40 Bücher, darunter ihre Romantrilogie aus „Ein Kerl, LOMPIN genannt“ über die den schweren Luftangriffen auf Dresden der römischen Geschichte „Herr Lucius und Lebensstationen und das Werk des Daniel vor. In zwei weiteren Büchern widmete sie sein Schwarzer Schwan“ (1973), „Die Ärztin Speer vor. Der weitgereiste Mann trieb sich sich Frauen, die an der Seite von Welterobe- von Lakros“ (1977) und „Die stillen Römer“ während des Dreißigjährigen Krieges als rern lebten und selbst Geschichte schrie- (1979). Der Prosaband „Kuckucksrufe und Heerespauker, Trompeter und Gaukler auf ben. Es sind „Wenn die Nacht am tiefsten. Ohrfeigen“ (1983) enthielt auch die Debüter- Europas Kriegsschauplätzen herum. Caesar und Kleopatra“ und „Die letzte Rose zählung „Wie Karel mit dem blauen Motor- Waldtraut Lewins Schaffen wurde in der des Sommers. Napoleon und Josephine“, rad zu Rosa Laub flog“, nach der die erste DDR mit dem Händel-Preis (1970), dem Lion- die beide 2005 herauskamen. In Lewins DDR-Rockoper „Rosa Laub“ entstand. Feuchtwanger-Preis (1978) und dem Natio- Jugendromanen „Mond über Marakesch“ In dem Erfolgsroman „Federico“ (1984) nalpreis (1988) gewürdigt. (2003) und „Wiedersehen in Berlin“ (2006) rückte die Schriftstellerin den Stauferkö- In den Jahren 2000 und 2008 erhielt sie die wuchs im Authentischen auch eine span- nig Friedrich II., den Enkel des sagenum- Jugendbuchpreise von Bad Harzburg und nende Fiktion. wobenen Barbarossa, in den Mittelpunkt Rheinland-Pfalz. Die Autorin hatte es nach Die Schriftstellerin rückte überdies jüdische der Handlung. Der glanzvoll aufgebaute 1990 nicht leicht, sich „in der großen und oft Themen in den Vordergrund ihres Schaffens. Roman zeichnete sich durch sprachliche flachen Literaturlandschaft“ zu behaupten. Im Mittelpunkt ihres 2007 erschienenen Brillanz, Vielschichtigkeit und Vieldeutig- Sie gab dennoch nicht auf, blieb produktiv ersten Bandes einer geplanten Trilogie „Drei keit der Handlungsebenen aus. In ihrem und legte mehrere Krimis vor, darunter Zeichen sind ein Wort“ steht die sechzehn- Roman „Gaius “ (1980) gestal- „Dicke Frau auf Balkon“ (1994) und „Alter jährige Jüdin Leonie Lasker. Die Autorin tete sie den Aufstieg und Fall des römischen Hund auf drei Beinen“ (1995). breitet die schicksalsreiche Familienge- Feldherrn, Politikers, Literaten und Tyran- Zu Beginn des neuen Jahrtausends gestand schichte aus und weiß sie mit hoher Erzähl- nen. die Schriftstellerin, daß sie wenig Schlaf kunst zu vermitteln. Nachdem sie mehrere Händel-Opern über- brauche und darum des nachts lese. Sie Sicher gibt es nur wenige Literaten, welche setzt hatte, schrieb Waldtraut Lewin mit zwinge sich, im Tagesverlauf vier Stunden die Leser über Jahrzehnte hinweg immer ihrer Tochter Miriam Margraf „Georg Fried- am PC zu schreiben und starte am frühen wieder mit etwas Neuem überrascht haben. rich Händel“ (1985). Sie legte 1981 Bände mit Abend noch einmal durch. Einen Roman für Waldtraut Lewin zählt zu diesen. Ihre Kunstmärchen vor. Verwiesen sei auf ihre junge Erwachsene legte die Lewin mit „Die Geschichten erhellen unterhaltsam histo- Kinderbücher „Vom Eulchen in der Dun- aus der Steppe kommen“ (2002) vor. Es war rische Hintergründe. Ihr Schaffen ist kennt- kelheit“ (1982) und „Addio, Bradamante“ eine Geschichte aus jener Zeit, in welcher nisreich, kompetent, spannend und voller (1986). In der Titelgeschichte erweckte sie die Mongolen Europa zu erobern trachteten. Farben. Dieter Fechner

Der „RotFuchs“ gratuliert den Jubilaren des Monats August

Von ganzem Herzen beglückwünschen wir den standhaften Kämpfer der deutschen Arbeiterbewegung Karl-Heinz Hoffmann aus Weißenfels, der am 2. August seinen 98. Geburtstag begeht. Liebe Grüße und Wünsche gehen an die hochverdiente Genossin Lisbeth Wabra aus Berlin, die am 16. August vor 93 Jahren geboren wurde. Zu ihren 90. Geburtstagen übermitteln wir Gefühle fester Verbundenheit an Martin Fränkel (8. 8.) aus Leipzig sowie an Gertrud Richter (9. 8.) und Albert Oehme (23. 8.), beide aus Gera. Sehr herzlich grüßen wir zu ihren 85. Geburtstagen unsere Vereinsmitglieder Helmut Fleischhauer (18. 8.) aus Buchholz in der Nordheide und Ilse Weber (30. 8.) aus Lichtenhagen-Dorf. Ihren 80. Geburtstag begehen Reiner Wackernagel (8. 8.) aus Berlin, Georg Haus (20. 8.) aus Neubrandenburg, Karl-Heinz Hauptmann (27. 8.) aus Cottbus und Ernst Thiel (30. 8.) aus Berlin. – Alles, alles Gute! Zu seinem 75. Geburtstag am 27. August übermitteln wir dem verdienten RF-Aktivisten Klaus-Peter Breinig aus Halle/Saale unsere Gratulation. In die Reihen der 70jährigen stoßen vor: Hans-Jürgen Geyler (14. 8.) aus Bautzen, Rainer Seyfarth (15. 8.) aus Boizenburg, Lutz Pistor (16. 8.) aus Berlin und Jürgen Redzimski (20. 8.) aus Teterow. Glückwunsch, Genossen! Zum 65. geht unser solidarischer Gruß an den „Doyen“ der Leserbriefschreibergilde Roland Winkler (10. 8.) aus Aue (zuvor Remseck), an Rolf Kormann (19. 8.) aus Berlin, Reiner Schiller (22. 8.) aus Jena und Heinrich Jung (31. 8.) aus Zella-Mehlis.

Unsere Gratulation gilt auch allen anderen Geburtstagskindern des Monats. RotFuchs / August 2012 Seite 27

Cornelias kleine große DDR (9 und Schluß) Vom ganz gewöhnlichen Aufwachsen und Leben im Sozialismus

it der „Wende“, die Leute mit Durch- nicht bereit sei, mit ihm über politische Doch nicht nur wir hatten an den Folgen Mblick schon bald als Konterrevolution Themen zu reden. Meine Genossen gingen der als „Wiedervereinigung“ bezeichneten ausmachten, weil sie bereits überwundene noch einen Schritt weiter und empfah- Annexion der DDR zu knabbern. Allenthal- bürgerlich-kapitalistische Macht- und len mir, unverzüglich die Staatsanwalt- ben wurden Kollegen entlassen. Die Lebens- Eigentumsverhältnisse wiederherstellte, schaft einzuschalten. Dort kam man aus haltungskosten stiegen rasant, und unsere traten verschiedene „Neuerungen“ bei dem Staunen nicht heraus. Ein Anruf beim Miete machte, was sie wollte, obwohl sich uns in Kraft. Wir bekamen meist abge- Staatsschutz, den ich mithörte, ergab, daß am Wohnkomfort überhaupt nichts geän- halfterte Berater aus dem Westen, die uns weder gegen mich noch gegen die Partei dert hatte. Mich – eine gestandene Woh- beibringen sollten, wie richtig gearbeitet irgendwelche Ermittlungen eingeleitet nungswirtschaftlerin – drängte man dazu, wird. Unser Volkseigener Betrieb wurde worden waren. nach Feierabend noch den Abschluß als eine GmbH, die Kaufhallen taufte man in Kauffrau in der Grundstücks- und Woh- Supermärkte um, wir erwarben eiligst bei nungswirtschaft zu machen, wollte ich uns abgeladenen Schrott und ließen uns meinen Arbeitsplatz behalten. Anderen von Wendigen, die gerade noch 250pro- ging es genauso. So legte ich eine zweite zentige „Genossen“ gewesen waren, dazu Facharbeiterprüfung ab, obwohl ich für beglückwünschen, nun auch zum „Westen“ das Wohnungswesen bereits die bestmög- zu gehören. liche Ausbildung besaß. Meine Kandidatenkarte der SED/PDS gab Ich will es dabei bewenden lassen. Jede ich nicht ohne Emotionen zurück, als ich „ehrliche Haut“ wird mir aufgrund eigenen erfuhr, daß sich die KPD im Januar 1990 Erlebens bestätigen, daß sich die „Wende“ in Berlin-Weißensee neu konstituiert hatte. so oder ähnlich abgespielt hat. Bei dem Entschluß, ihr beizutreten, dachte Als mein Schwiegervater 1996 plötzlich ich an meine Großeltern und meinen Vater, verstarb, bot ich einen Umzug zur Schwie- die alle Kommunisten gewesen waren. Bis germutter nach Beeskow an, obwohl ich heute glaube ich, daß die Partei, deren ZK nun täglich nach Frankfurt zur Arbeit ich inzwischen angehöre, mich genauso fahren mußte. Mein Mann war gezwun- braucht wie ich sie. gen, seine Kneipe zu schließen. Er erlebte Ein „Erlebnis“ besonderer Art will ich zwei Insolvenzen von Firmen, in denen er hier nicht unterschlagen. Vor der Bundes- Bauleiter gewesen war und meldete am tagswahl beehrte uns in Frankfurt/Oder Ende selbst Insolvenz an. Nur die recht- Helmut Kohl. Da wir wußten, daß einige zeitige Gütertrennung bewahrte uns vor unserer Heißsporne sich aus diesem Anlaß einer Pfändung. Seit dieser Zeit hat mein mit Eiern und Tomaten bewaffnen wollten, Mann keine richtige Arbeit mehr gefun- galt es, sie im Zaume zu halten. „Kämpft den. Ich selbst erlitt 1997 einen schwe- mit Worten!“, sagten wir diesen Genossen. ren Unfall, dessen nicht behebbare Folgen Solche Wurfgeschosse mit Gebrauchswert Nun lastete nicht nur der Arbeitsdruck mich zwei Jahre später zur Beantragung waren uns einfach zu schade. Abgeschirmt auf mir, sondern auch die Tatsache, daß der Erwerbsunfähigkeitsrente zwangen. von der Menge, umgeben von Hörigen, ver- der Wendehals auf dem Chefsessel offen- Schließlich fand ich trotz anhaltender kör- suchte der Mann aus Bonn zu Wort zu kom- sichtlich darauf aus war, mir um jeden perlicher Beschwerden neue Wege zu sinn- men. Er wurde mit einem Pfeifkonzert Preis Beine zu stellen. Von morgens 6 bis voller, mich befriedigender Betätigung. empfangen. Auch ließ es sich nicht ver- abends 21 Uhr – sogar an den Wochen- Neben ehrenamtlichen Aufgaben verschie- meiden, daß trotz unserer Vorkehrungen enden – mußte ich rackern, um alles zu dener Art und meinem Hobby – der Male- doch ein paar aus der Reihe tanzten. schaffen. rei – ist es in erster Linie das politische Die Sache hatte ein Nachspiel. Zwei Tage Mein Mann glaubte – anders als ich – an Engagement, das mich ausfüllt. Allerdings später wurde ich zu unserem neuen Chef die versprochenen „blühenden Landschaf- weiß ich schon längst kaum noch, wogegen gerufen. Ihm sei zu Ohren gekommen, daß ten“ im Osten und machte eine Gaststätte ich mich eigentlich nicht auflehnen sollte. ich inmitten jener Randalierer gesehen auf. Die Kinder sahen mich in dieser unru- So ist es sicher verständlich, daß ich nicht worden sei, die den Herrn Bundeskanzler higen Zeit nur hin und wieder. Bei Nicolas, nur selbst an meiner schönen Kindheit und so unflätig empfangen hätten, ließ er mich unserem Jüngsten, hatte man Legasthe- Jugend in der DDR hänge, sondern das wissen. Ja, es heiße sogar, daß der Staats- nie festgestellt. Glücklicherweise gab es Erfahrene auch in den Nachwachsenden schutz inzwischen gegen mich ermittle. Er damals noch die Sprachheilschule mit vor- wachzuhalten bemüht bin. müsse mich deshalb als Abteilungsleite- trefflichen Sonderpädagogen, die wahre Ich danke allen, die meinen sehr persön- rin der Wohnraumvermarktung, zu der ich Wunder bewirkten. Markus, der Älteste, lich gehaltenen Bericht mit Interesse auf- erst im September 1990 ernannt worden lernte nach Westmaßstäben, wie Maurer genommen haben. Leser aus dem Osten war, „aus der Schußlinie nehmen“. Inner- am Feierabend ihre Wände wieder ein- konnten sicher manche Parallelen zu von halb von 14 Tagen solle ich ihm kundtun, zureißen haben, nachdem er zuvor schon ihnen selbst Erlebtem entdecken, den in welchem Bereich ich fortan arbeiten das Wertgefühl konstruktiver Arbeit an Freunden im Westen der BRD und im wolle. Dieser Vorgesetzte gehörte nicht den Lehrlingsbauten der DDR kennenge- Ausland wollte ich ein kleines Zipfelchen zu den Mutigsten. Unser Gespräch habe lernt hatte. Stefan, der Mittlere, trat als sozialistischer Wirklichkeit vermitteln. natürlich niemals stattgefunden, beugte er Schulsprecher dagegen auf, daß auf ein- Die Erinnerung an eine Zeit, die unwie- vor. Ich fühlte mich beschmutzt, wußte ich mal alles falsch gewesen sein sollte, was derbringlich zur Vergangenheit gehört, doch wie alle im Haus, daß dieser Mann er zuvor gelernt hatte. aber in unseren Herzen fortlebt und – weit einmal in einer Berliner SED-Kreisleitung Eines Tages meldete sich der ehemalige über die Niederlage des Augenblicks hin- „ziemlich weit oben“ tätig gewesen war. Eigentümer des durch uns sanierten Rei- aus – in eine Zukunft weist, die wir in der Jetzt erfand er sich im Westen gewisser- henhauses, in dem wir nach ordnungsge- DDR anderen schon ein bißchen vorweg- maßen neu. Ich machte ihn unmißver- mäßer Zuweisung als Mieter eingezogen genommen hatten. ständlich darauf aufmerksam, daß ich waren. Cornelia Noack, Beeskow Seite 28 RotFuchs / August 2012

Als Archie arg genervt wurde

rchie, der Dramaturg und Verlags- und Städte. Außerdem, Gnade uns Gott, im Niedriglohnsektor sind in den letz- Alektor war, wurde bis Mitte der 80er wenn der Sozialismus zusammenbräche, ten zehn Jahren um ein Fünftel oder gar Jahre und auch noch später des öfteren würden sie mit uns im Westen machen, mehr gesunken. Mit anderen Worten: Von von linken Sozialdemokraten aus dem was sie wollen.“ Die Tante hat das Wesen der sahneschweren Wirtschaftstorte fal- Westen besucht, die für Theaterauffüh- len für die am schlechtesten Bezahlten rungen und Filme echtes oder auch nur nicht einmal Krümel ab. Friseure und vorgetäuschtes Interesse bekundeten. Taxifahrer, Gebäudereiniger und Post- Auch angeheiratete weibliche Westver- zusteller konnten früher von ihrer Arbeit wandte waren unter seinen Gästen, meist ordentlich leben, jetzt sind sie trotz Über- reaktionär, aber lieb. Vor dem Zubettge- stunden nicht selten auf staatliche Hilfe hen beteten sie nach der Rückkehr in den angewiesen, wollen sie Monat für Monat Westen für die Brüder und Schwestern über die Runden kommen. von „drüben“ zu Gott, der damals wohl So ist es ohne das Korrektiv Sozialismus eher die Züge Konrad Adenauers trug. So auf der Welt, denkt Archie. In der EU jedenfalls schien es Archie. zählt man bereits 25 Millionen Arbeits- Die Verwandten brachten allerhand Spe- lose, liest er in bürgerlichen Gazetten. zereien und hochprozentigen französi- Das Abendfernsehen konfrontiert ihn mit schen Cointreau mit, nach dessen Genuß einem anderen erschreckenden Thema. Archie Ohrensausen hatte. Das bekam er Es heißt: „Neue Heimat Campingplatz“. übrigens auch von den obligatorischen Zunehmend gestatten Gemeinden, an sie Schimpfkanonaden, mit denen sie über herantretenden Antragstellern dort ihren die DDR herzogen. Einerseits wollte er ersten Wohnsitz anzumelden. Nur so ent- die lieben Westverwandten nicht ver- rinnen sie drohender Obdachlosigkeit. prellen, andererseits aber führte der Auf dem Erlengrund bei Gifhorn macht Cointreau bei ihm zu einer gewissen die monatliche Platzmiete ohne Neben- Enthemmung, so daß Archie ganz gegen kosten nur 65 Euro aus, erfährt Archie. seine Gewohnheit recht „prinzipiell“ und Etwas weniger hat er für seine Zweiein- auch schon mal „dogmatisch“ werden halbzimmer-Neubauwohnung in Berlin- konnte. Baumschulenweg zu DDR-Zeiten bezahlt. Die Hauptvorwürfe ähnelten sich stets: Eulenspiegel Nr. 46, 1988 Jetzt explodieren die Mieten in den Städ- „Ihr laßt euch noch immer von den Rus- ten und sind für viele Arme in der reichen sen ausbeuten, habt sämtliche Repara- BRD nicht mehr erschwinglich. tionen an sie bezahlt. Sogar die Wismut, Das reinste Vergnügen ist Dauer-Cam- die euch reich gemacht hätte, haben sie pen als Wohnungsersatz bestimmt nicht, euch abgeknöpft.“ Und weiter: „Bei euch weder für Rentner noch für Arbeitslose ist alles zu teuer, Kühlschränke, Fern- oder Niedriglohnempfänger. Der TV-Bei- seher, Autos, Benzin. Eure Löhne sind trag schönt das Bild zwar einigermaßen, geradezu lächerlich …“ Dabei hauten sie kann aber über die Einschränkungen im Archie dessen Gehalt um die Ohren, das Alltag nicht hinwegtäuschen. wirklich nicht hoch war. Unverdrossen Archies anfangs erwähnte und inzwi- wurde er weiter beharkt: „Ihr könnt West- schen gealterte Westbesucher aus der Reisen erst im Rentenalter unternehmen.“ linken SPD-Szene der 70er Jahre wollen So ging es tagelang, fast ohne Unterlaß. über solche Themen heute nicht einmal Nein, eine reine Freude waren diese West- mehr telefonisch mit ihm reden. Sie wer- besuche nicht. Zweifel wurden gesät. Was den sofort schroff und zynisch, wenn ist die „unverbrüchliche Freundschaft“ er sie an ihre vollmundigen BRD-Wohl- mit den „Russen“ wert? Hängt die DDR standsparolen von früher erinnert. Ihre nicht tatsächlich am Tropf der UdSSR? Lieblingsdevise lautete einst: „Die bür- Und ist sie nicht für Moskau reine „Ver- gerliche Demokratie ist zwar die schlech- handlungsmasse“? Warum wird die teste, die es gibt, aber wir haben keine Westmark allmählich im Osten zur zwei- bessere.“ ten Währung? Archie glaubt, daß man damit alles Nur Tante Barbara, die Lehrerin, eine Unrecht des Kapitalismus deckeln kleine zierliche Person, die allein drei oder rechtfertigen kann, und er hat Kinder großgezogen hatte, eigentlich aus „Das Schild kann weg! Nach der Sanie- das Gefühl, daß der Kalte Krieg wie ein Bayern stammte, dann aber in Dresden rung können sich Familien mit Kindern hier Torf-Brand ist. Er frißt sich unterirdisch wohnte, um später wieder nach Bayern sowieso keine Wohnung mehr leisten.“ immer weiter. zurückzukehren, beteiligte sich nicht an Eulenspiegel Nr. 18, 1989 Übrigens sind den reich gewordenen Kin- solchen Tiraden. Ihr Mann, als Offizier dern von Tante Barbara, die inzwischen und promovierter Studienrat natürlich des Kapitalismus erkannt, dachte Archie kurz vor dem Pensionsalter stehen, die Nazi, war während des Krieges in Frank- damals. Doch leben wollte sie lieber im blutsverwandten Brüder und Schwestern reich gefallen. Sie sagte in den 70er Jah- Westen. im Osten heutzutage nur noch lästig. Jetzt, ren zu Archie: „Laß dich nicht beirren! Ich An Tante Barbara, die längst das Zeitliche da man nicht mehr in den Wunden des kenne beide Seiten. Ihr habt bei euch im gesegnet hat, muß Archie manchmal den- wirtschaftlich schwächeren, von seinen Osten alle wichtigen Dinge, die man zum ken, wenn er heutzutage im TV Beiträge Gegnern unablässig bedrängten Staates Leben braucht, dazu soziale Sicherheit und sieht, die mit „Arm trotz Arbeit“ getitelt DDR herumstochern kann, ist ihr Inter- eine gute medizinische Versorgung. Rei- werden könnten. Geringverdiener müs- esse am einst angeblich so geschätzten sen könnt ihr auch in östlicher Richtung, sen trotz oftmals härtester Arbeit zusätz- „politischen Dialog“ erloschen. da gibt es ebenso schöne Landschaften lich Hartz IV beantragen. Die Gehälter Manfred Hocke RotFuchs / August 2012 Seite 29

hatte schon seinen Grund, wenn Gysi ausgerech- Nutzung des Internets, der regionalen Presse, sogar Leserbriefe an net die Leistungen von Brie, Bartsch, Holter, Pau, des Fernsehens kämpften Einwohner, einstige und Liebich, Lederer u. a. besonders würdigte. heutige Schüler, Vereine und Parteien Seite an Seite. Ro t Fu c h s Gysis Rede brachte mir manche Erkenntnisse, Auch eine CDU-Abgeordnete entschied sich für war aber niemals zukunftsweisend für die Partei. Karl Liebknecht, während sich ein FDP-Vertreter Anders die Rede Lafontaines, der ausdrücklich der Stimme enthielt. betonte, daß niemand ein Recht habe, „Die Linke“ Diese Schlacht wurde gewonnen, aber viele andere zu verspielen. stehen uns noch bevor, wenn man den Umbenen- Seit vielen Jahren ist mein Vater Walter Kleen Ich bin der Meinung, daß der Göttinger Parteitag nungswahn in manchen Städten betrachtet. Den eifriger „RotFuchs“-Leser. Er konnte am 24. Juni ein neuer Anfang sein kann, wenn die Rechthaberei, Schülern des Karl-Liebknecht-Gymnasiums möchte sein 96. Lebensjahr vollenden. Für die im RF 173 die Selbstherrlichkeit und die Machtgeilheit einiger ich versichern, daß wir weiter an ihrer Seite stehen erschienenen Glückwünsche zu seinem Geburtstag Spitzenfunktionäre beendet werden. Seit Göttingen werden und jederzeit dazu bereit sind, ihnen die möchte er sich von ganzem Herzen bedanken. Er ist die Katze zwar aus dem Sack, aber die Kuh noch wahre Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung hat sich sehr darüber gefreut. lange nicht vom Eis. Günter Bartsch, Berlin zu vermitteln. Cornelia Noack, Beeskow Werner Kleen, Jena Wir haben uns in Erfurt ein Programm gegeben, In diesem Jahr beging das Gymnasium Hildburg- Debatten in den Basisorganisationen veranlaßten hinter dem wir stehen. Doch große Teile unserer hausen sein 200. Gründungsjubiläum. 1877 hatte mich dazu, am 22. Juni 2006 in einem offenen Brief Vorstandsmitglieder auf Landes- und Bundesebene man es nach dem Gründer und Förderer Herzog an den Parteivorstand zu schreiben: „Viele Mitglieder befaßten sich statt dessen mit Scharmützeln, welche Georg II. von Sachsen-Meiningen benannt. Der sind empört, daß der Vorstand eine Neuorientierung die Partei für viele Menschen als überflüssig und Name wechselte später. Doch seit 1992 trägt diese der Betrachtung unserer Geschichte ablehnt. … Noch unattraktiv erscheinen lassen. Besonders ärgerlich Bildungsanstalt wieder Georgs Namen. immer wird zugelassen, daß man den Menschen für die Genossen unserer BO ist, daß sich einige Zu DDR-Zeiten erinnerte der Schulname an die suggeriert, in einem Teil Deutschlands lebten die unserer führenden Funktionäre – z. B. Genosse christlichen Antifaschisten Sophie und Hans unbescholtenen Demokraten und im anderen Teil die Bockhahn – zur Begründung ihrer persönlichen Scholl. Leider sonderte der gegenwärtige Rek- Missetäter und Schuldbeladenen. Warum wird von Meinungen und Ziele in bürgerlichen Medien auf tor zur Begründung der Umbenennung die ihm der Linkspartei nicht stärker popularisiert, welche den angeblichen Willen der Basis berufen. offenbar „von oben“ suggerierte Meinung ab, die existenzbedrohenden Verbrechen die herrschenden Die Genossen unserer BO stehen für eine prinzipien- DDR hätte die Geschwister Scholl „mißbraucht“. Kräfte der BRD gegen die DDR verübt haben? feste Politik auf der Grundlage unseres Programms. Dabei muß ich an die Worte einer Dramengestalt Die deutsche Geschichte darf nicht von einer Min- Alle Kraft sollte darauf gerichtet werden, die Partei Shakespeares denken: „Ist es auch Wahnsinn, so derheit haßerfüllter Gegner der DDR geschrieben für die Bevölkerung, die Jugend und die eigenen hat es doch Methode.“ werden. Die einstigen Bürger der DDR haben ein Genossen wieder attraktiv zu machen. Obwohl uns Dr. med. Gerd Machalett, Siedenbollentin unbestreitbares Mitspracherecht. Dies darf ihnen praktische Wahlkampfarbeit altersbedingt schon eine Linkspartei nicht verweigern.“ schwerfällt, wollen wir sie gerne weiterhin leisten, Ich bin 17 Jahre alt und Schüler. Seit längerem In seiner Antwort bedankte sich der Leiter der Bun- allerdings nicht für die Machtambitionen einiger verfolge ich Ihre Zeitschrift „RotFuchs“ und bin desgeschäftsstelle, Georg Fehst, für meinen Brief. führender Genossen. Es geht darum, die Partei als sehr von den Artikeln angetan. Im Impressum habe Meine Fragen beantwortete er nicht, sondern verwies konsequente linke Kraft zu erhalten und zu stärken, ich gelesen, daß der RF immer an neuen Autoren auf den Beschluß vom 12. Juni 2006, in dem der sie aber nicht weiter zu zerstören. interessiert ist. Ich habe vor einiger Zeit in meinem Parteivorstand offensichtlich eine Neuorientierung im Für die Basisorganisation der Partei Die Linke, Blog einen Artikel über das deutsche Staatssystem grundsätzlichen Herangehen an ein differenziertes Joachim Möller, Sanitz geschrieben. Er handelt davon, was in der aktuellen Geschichtsbild nicht für erforderlich hielt. Politik falsch läuft. Meine Basisgruppe war über diese formale Antwort Daß die Partei Die Linke eine fast panische Angst Der Glaube, auch ohne Gewalt, ohne Kontrolle und empört, was ich Genossen Fehst wissen ließ. Am davor hat, das Wort Kommunismus auszusprechen, ohne Vorschriften für jeden Menschen und für jede 18. Oktober 2006 schrieb mir Bundesgeschäfts- halte ich für ihr Dilemma. Gesine Lötzsch hatte den Bevölkerungsgruppe das Beste finden zu können, führer Dietmar Bartsch: „Natürlich müssen und Mut dazu und wurde deshalb nicht nur von Gegnern, ist nicht nur durch wachsende Konsumgier und werden auch wir in der Auseinandersetzung mit sondern auch in der eigenen Partei angegriffen. Wenn egozentrisches Handeln verlorengegangen – auch der Geschichte weiter hinzulernen. Ich sehe aber die Partei nicht zu den marxistischen Wurzeln des immer mehr Staaten verschließen sich gegenüber gegenwärtig keine Veranlassung zu einer grund- Sozialismus zurückkehrt, hat sie auf Dauer keinen ursprünglichen Werten. In Verlust geraten ist, das sätzlichen Neubewertung …“ Bestand. Dr. Eva Ruppert, Bad Homburg zu tun, zu denken und planen zu können, was für Als am 2. März 2007 der Landesvorstand Sachsen den einzelnen und die Gesellschaft am besten einem Beschluß entsprechend die Basis aufforderte, Der Riß durch „Die Linke“ trennt nicht, wie in erscheint. … Erlebnisberichte, biographische Erzählungen und den bürgerlichen Medien und leider auch durch Die derzeitige Staatsform hat sich im Laufe der persönliche Erfahrungen der Landesgeschäftsstelle einflußreiche Politiker der Partei wie Gregor Gysi Jahre immer mehr von ihren Werten der Demokratie zuzuleiten, hofften wir auf eine Überwindung der verkündet, ihre Ost- und Westverbände, sondern entfernt. Kaum jemand weiß, was in der Welt tagtäg- Stagnation in der Geschichtsdiskussion der Partei. den rechten „Reformer“-Flügel der „Bartschisten“ lich passiert. Der Durchblick ist verlorengegangen, Viele Genossen beteiligten sich, schrieben ihre vom linken Flügel, dessen Vertreter in West wie dem Bürger bleibt nichts anderes übrig, als einfach Erfahrungen aus dem Kalten Krieg gegen die DDR Ost zu finden sind. Zu den „Reformern“ zähle ich zu folgen. Das kapitalistische System nimmt zwar nieder und schickten sie nach Dresden. die Mehrzahl der Landesvorstände Ost, während einen Ausbau an Prinzipien und Regeln vor, verharrt Als ich nach längerer Zeit den damaligen Geschäfts- der überwiegende Teil der Mitgliedschaft in den aber auf dem alten. führer Rico Gebhardt zum Stand der Auswertung Basisorganisationen wohl eher zum linken Flügel Der Freigeist ist im Grundgesetz verankert, wird des Materials befragte, sagte er, dieses liege im tendiert. Eine Spaltung der Partei in West und Ost jedoch nicht umgesetzt. Auf einfache Sozialleistun- Panzerschrank und werde aufgearbeitet, „wenn gibt es nicht. Wir brauchen eine gesamtdeutsche gen muß Jahre gewartet werden, während Banken es die Zeit zuläßt“. Linke, aber ohne die „Reformer“, die sich vor Zuschüsse in Milliardenhöhe innerhalb weniger Der jahrelange Boykott geschichtlicher Ausein- allem im Forum Demokratischer Sozialismus (fds) Monate bekommen. Es ist Zeit für Veränderungen. andersetzung durch eine kleine Gruppe von Ver- organisiert haben. Es muß gehandelt werden … antwortungsträgern der Partei hat bewußt oder Nach Göttingen wird der innerparteiliche Streit Oliver Geffers, Witterschlick (bei Bonn) unbewußt, gewollt oder ungewollt dazu geführt, weitergehen. Bartsch und Genossen werden daß es weiterhin unterschiedliche Teile der Partei vermutlich auch den neuen Parteivorstand zu Mit Bedauern habe ich vom Tod des Genossen gibt, die sich bis heute nicht vereinigt, nicht zusam- demontieren versuchen. Die Linke wird dadurch Frank Bochow im RF gelesen. Ich lernte ihn vor mengefunden haben. Die einen aus Ost und West weiter an Zustimmung verlieren und letztlich aus fünf Jahren kennen. 2007 war ich zusammen mit betrachten die DDR nach wie vor trotz ihrer Mängel dem Parteienspektrum verschwinden, wenn sie anderen Schülern unseres Bernauer Gymnasiums und Fehler als bisher größte Errungenschaft der nicht einen Neuanfang ohne Bartsch und dessen für unseren Projekttag „Schule mit Courage – Schule deutschen Arbeiterklasse, während die anderen Anhang wagt. Michael Brix, Potsdam ohne Rassismus“ verantwortlich. Ich hatte Lust, das gegensätzliche politische Ansätze und eine andere Thema einmal weiterzufassen. Also dachten wir über politische Kultur vertreten. Am 14. Juni tagte im Rathaus von Frankfurt (Oder) etwas im Zusammenhang mit Kommunismus nach. Werner Feigel, Chemnitz die Stadtverordnetenversammlung. Ihr lag ein Da meine Mutti schon damals regelmäßig den RF Antrag auf Umbenennung des Gymnasiums „Karl bezog und auch ich ab und zu interessante Artikel In Göttingen hat sich Gregor Gysi wieder einmal Liebknecht“ vor. Begründung: Der Name passe darin las, kam mir die Idee, die „RotFuchs“-Genossen auf die Seite der sogenannten Reformer gestellt. Er nicht mehr in die Zeit. Ergebnis: 22 Stadtverordnete um Unterstützung zu bitten. Das klappte auch prompt, beschwor die Delegierten, daß es in der Partei zwei stimmten gegen den Antrag, nur 20 dafür. und Genosse Frank Bochow hielt an jenem Tag in unterschiedliche Entwicklungen gibt. Einerseits eine Eine solche Debatte hatte Frankfurt – im Urteil einiger unserer Schule einen Vortrag. Alle Schüler waren sogenannte Volkspartei im Osten, andererseits eine Abgeordneter – noch nicht erlebt. Die Linkskräfte sehr interessiert und von seinem professionellen, sogenannte Interessenpartei im Westen. Bei genauer in ihrer ganzen Breite boten in Verteidigung des engagierten und warmherzigen Auftreten begeistert. Betrachtung trägt eine solche Teilung zur Spaltung Andenkens an Karl Liebknecht alles nur Denkbare Als ich meiner Oma später von unserer Veranstal- der Partei bei. Vielleicht ist das sogar gewollt. Es auf. Dieses Bündnis war sehr beeindruckend. Unter tung berichtete, erzählte sie mir, sie habe nach dem Seite 30 RotFuchs / August 2012

Krieg im Dresdner KPD-Büro mit einer Genossin sie aber mit den Namen der Austragungsorte fast teilzunehmen. Am Ende war von den Ländern der Hanna Bochow zusammengearbeitet. Deren Mann alle ein Problem. So spielte die BRD-Mannschaft sozialistischen Staatengemeinschaft nur Rumänien hätten die Faschisten ermordet. Hanna Bochow nicht im ukrainischen Lwiw, sondern in Lemberg. in Los Angeles dabei.“ hatte einen kleinen Sohn – vermutlich Frank. Dieser Man könnte meinen, die Habsburger hätten hier – Tatsache war, daß Moskau den Verbündeten bestätigte mir dann, daß seine Mutter mit meiner wie von 1772 bis 1918 – noch das Sagen. Oder, was „empfahl“, Los Angeles zu boykottieren, nachdem Oma tatsächlich in gemeinsamer Arbeit verbunden noch unerträglicher wäre – der Nazi-Kreishauptmann das dortige Organisationskomitee behauptet hatte, gewesen sei. Was für ein Zufall! für den Distrikt Galizien. der durch die UdSSR nominierte Attaché – der Ich werde Genossen Bochow immer in besonderer Mit den Austragungsorten in Polen wird ebenso Chef des Vorauskommandos – sei ein KGB-Agent. Erinnerung behalten. Mein Beileid gilt seiner Familie. verfahren. So finden die Spiele nicht in Gdánsk, Die DDR übte – zugegebenermaßen nicht leichten Grit Fischer, Trier Poznán, Chorzow und Wrocław statt. Nein, es wird in Herzens – Solidarität mit Moskau. Rumänien aber Danzig, Polen, Königshütte und Breslau gespielt. Es scherte aus und ließ sich die Teilnahme von den Kürzlich habe ich an Herrn Gauck geschrieben. dürfte allgemein bekannt sein, warum diese Städte USA entsprechend honorieren. Freunde rieten mir, die Leser des RF, den ich von nicht mehr zu Deutschland gehören. Hier wäre wohl Übrigens teilte Erich Honecker nach den Spielen dem ihnen bisweilen erhalten habe, mit dem Inhalt meines ein gelegentlicher Hinweis auf die Geschichte und IOC-Präsidenten Samaranch mit, die DDR werde nie Briefes vertraut zu machen. auf die Verbrechen Nazideutschlands hilfreicher wieder Olympische Spiele boykottieren, was diesen Hier ein Auszug: „Werter Herr Bundespräsident! als diese Deutschtümelei. dazu bewog, ihm den höchsten olympischen Orden Unlängst berichtete das Fernsehen über Ihre Rede Wilfried Steinfath, Berlin zu verleihen und sich demonstrativ zu politischen anläßlich des 10. Jahrestages der Senioren. Darin Projekten der DDR zu bekennen. brachten Sie sinngemäß zum Ausdruck, daß die Ein großer Wunsch des Doppelweltmeisters und Klaus Huhn, Berlin Senioren zum ersten Mal in Deutschland als wohl- zweimaligen Friedensfahrtsiegers Täve Schur ging habende und gesunde Menschen leben, man sollte am 24. November 2007 in Erfüllung. An diesem Seit einem Vierteljahr gehöre ich zum Kreis der einmal über Dank nachdenken. Tag fand die offizielle Eröffnung des neuerbau- „RotFuchs“-Leser. Wie viele andere freue ich mich Ich kam zu folgendem Ergebnis: Ich bin 87, Witwe, ten Friedensfahrtmuseums in Kleinmühlingen auf jedes Heft. Die Autoren Klaus Steiniger und habe drei Kinder zur Welt gebracht und gehöre (Sachsen-Anhalt) statt. Seit dieser Zeit fahren wir Klaus Huhn sind mir als früherem Leser der UZ aus z. Z. keiner Partei an. Meine Kinder- und Jugendjahre Lichtensteiner Jahr für Jahr zum großen Treff mit vielen kenntnisreichen Beiträgen, die in den 90er wurden durch den Krieg beeinflußt. Dann erfolgte Täve ins Friedensfahrtmuseum. Unsere diesjäh- Jahren in der Wochenzeitung der DKP erschienen, die Gründung der Deutschen Demokratischen rige fünfte Exkursion war dem 60. Jahrestag der bereits bekannt gewesen. Republik. Ich habe 40 Jahre ohne Unterbrechung Friedensfahrt auf dem Boden der DDR gewidmet. Das Interview des RF-Chefredakteurs mit der „jun- gearbeitet und mir ein gutes Einkommen und Damals stieg Täve mit 21 Jahren in die Mannschaft gen Welt“, das ja auch als Beilage erschienen ist, meinen Unterhalt nach dem Eintritt ins Rentenalter ein. Auf Anhieb wurde er Zehnter. habe ich mit besonderem Interesse gelesen. Mit gesichert. Alle anderen DDR-Bürger arbeiteten Unser Reisebus von Aue im Erzgebirge hatte 50 drei oder vier Menschen Ihres „Kalibers“ an meiner ebenfalls – auch die Frauen, sofern sie wollten. Sitzplätze, die diesmal nicht ausreichten. Aus Seite hätte ich vor 20 Jahren nicht den Rückzug in Der Staat sorgte für Krippen, Kindergärten und Lichtenstein waren 19 aktive Mitstreiter, aus dem die politische Resignation angetreten. außerschulische Betreuung. Jede Familie hatte eine Freiberger Raum 17 „RotFüchse“ und von Chemnitz Unterdessen habe ich etliche Reisen in die „weite Wohnung. Jeder Jugendliche konnte eine Lehre 17 Mitglieder der AG Cuba Sí unsere Fahrgäste. Welt“ unternommen, so nach China, Vietnam, absolvieren oder ohne Existenzsorgen studieren. Im Bus gab es eine lebhafte Diskussion über die Kuba und Südafrika. Ende August beabsichtige … Zum Thema Gesundheit. Es ist sehr erfreulich, „Stiftung Deutsche Sporthilfe“. Seit Gründung der ich, nach Pjöngjang zu fliegen. Deshalb war der daß immer mehr Menschen bei verhältnismäßiger „Hall of Fame“ im Jahre 2008 hat sie bis jetzt 71 RF-Beitrag „Damals in Panmunjom“ für mich Gesundheit ein höheres Lebensalter erreichen. Sportlerinnen und Sportler in diese Ruhmeshalle besonders hilfreich. Das aber ist keinesfalls von selbst geschehen. Die aufgenommen – 61 aus den alten Bundesländern und Gerhard A. Moses, St. Ingbert gesundheitliche Betreuung durch Ärzte, Vor- und nur ganze 10 aus der DDR. Täve wurde bekanntlich Reihenuntersuchungen, Kuren, Krankenhauaufent- im vergangenen Jahr nicht ausgewählt. 2012 stand Dr. Hermann Wollner berichtet im RF 173 über halte, Heil- und Hilfsmittel – alles ohne Zuzahlungen er nicht einmal mehr auf der Kandidatenliste, dafür die Forderung Gerlinde Schermers, die in einem – wirkten sich sehr positiv aus. Wenn jetzt ein Arzt befinden sich unter den Laureaten nicht wenige deutschen Parlament verlangte, den Berliner aufzusuchen ist, muß jedes Vierteljahr ein Betrag frühere Mitglieder der Nazipartei. Bürgern die Verfügungsgewalt über das Wasser von 10 Euro eingezahlt werden. Hörgeräte und Gerhard Pfefferkorn, Lichtenstein zurückzugeben. Als Förster wünsche ich mir, daß Zahnersatz erhält man nur bei Zuzahlungen bis zu auch der nach 1990 im Osten verhökerte Wald an vier Stellen vor dem Komma. Der Bundesgerichtshof verwarf im Mai die Revision die Bürger zurückgegeben wird. Wasser, Wald und Zum Wohlbefinden trugen wesentlich die sozialen der BRD im Rechtsstreit gegen Ingo Steuer. Bekannt- Luft gehören zur menschlichen Daseinsvorsorge. Bedingungen in der DDR bei. Keine Existenzsorgen, lich war ihm untersagt worden, bundesdeutsche Es gibt keinen Grund, 70 % historisch gewachsenen keine Sorgen um die Kinder, keine Mutter mußte Sportsoldaten zu trainieren. So auch Robin Szol- Bürgerwaldes zu privatisieren. Der Besitzer stellt ihren Sohn irgendwohin in den Krieg schicken. Sicher kowy, der ja mit seiner Partnerin Aljona Savchenko meist noch Schilder „Privat“ auf, ganz Arrogante hätte manches anders sein können. viermal den Titel eines Weltmeisters im Eiskunst- zäunen den Wald sogar ein. Doch er ist Allmende, Ich bin dankbar, daß ich 40 Jahre in einem paarlaufen errungen hat. Sein einstiges Mittun als von allen genutzter Gemeindebesitz. Staat leben durfte, wo man beim Regieren den IM des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR Den Bürgern ist ihr Eigentum zu übergeben, aus Frieden und das Wohlbefinden der Menschen wurde Ingo zur Last gelegt. In der bestätigenden Steuergeldern sind Förster zu bezahlen, die den Wald im Auge hatte. Entscheidung des Bundesgerichtshofes heißt es beaufsichtigen, pflegen und bewirtschaften. Sie haben recht, Herr Präsident, man sollte über u. a.: „Der Kläger (gemeint ist Ingo Steuer – E. R.) wurde Heinz Lenkat, Rothemühl ,Dank‘ nachdenken. Da ist es hilfreich zu klären, in das System der in jungen Jahren verstrickt. wer den Dank verdient.“ Daß er nennenswerten Schaden angerichtet hätte, Unter den Leserzuschriften im Juni-RF gefielen mir Charlotte Olias, Strausberg ist nicht vorgetragen. Nach der Wiedervereinigung besonders die „Grüße von Fritzi“ Zweiniger nebst ist er für treue Dienste und überdurchschnittliche Frauchen. Sehr gern würde ich zu beiden einen Als Erzieher befasse ich mich seit kurzem mit der Leistungen mehrfach ausgezeichnet worden. Unter persönlichen Kontakt herstellen. Die originelle kulturhistorischen Schule, also der sowjetischen diesen Umständen ist die Beklagte (die BRD – E. Art, ihr Lob für den RF zu „verpacken“, hat mich Psychologie und marxistischer Pädagogik. Zur R.) nicht befugt, ihren Sportsoldaten ein Training neugierig gemacht. Es ist schön, wenn jemand Zeit lese ich das Buch „Sozialpsychologie des bei dem Kläger zu verbieten.“ bei allem, was uns Traurigkeit und Sorge bereitet, Kapitalismus“ von Peter Brückner. Das Thema ist Ein Erfolg für Ingo Steuer im jahrelangen Rechtsstaat. seinen Humor bewahrt. angesichts der fundamentalen Schwächen des Fraglich ist, ob das Urteil des Chemnitzer Verwal- Ob Fritzi Frauchen überzeugen kann, sich bei mir BRD-Bildungssystems (Kindergarten und Schule) tungsgerichts vom April 2012 da noch Bestand zu melden? Ich fang ihm auch eine Maus. von besonderer Bedeutung. Es geht mir auch um haben kann. Erhard Richter, Berlin Meine Marzahner Anschrift kann bei der Redaktion die Zukunft meiner jetzt fünfjährigen Tochter. erfragt werden. Eveline Sperling, Berlin Die Beschäftigung mit Robert Owen und den uto- Mein Freund und Gefährte mancher Auseinanderset- pischen Kommunisten ist ebenfalls sehr spannend. zungen mit der „anderen Seite“, Helmut Horatschke, Seit einigen Jahren übernehmen immer mehr Ich muß leider zugeben, daß ich bei Marx, Engels ist offensichtlich einer Fehlinformation unterlegen. junge Menschen, die keine Bildungsstätten der und Lenin erst am Anfang stehe, mich aber auch Er schrieb im Juni-RF zu Olympia: „Für 1984 waren DDR absolviert haben, wichtige Funktionen in damit nach und nach befasse. die Spiele an Los Angeles vergeben. Sollte man den Organisationen und Parteien. Deren Möglichkeiten, Euch wünsche ich viel Erfolg mit dem „RotFuchs“, Boykott von 1980 mit gleicher Münze heimzahlen? in linken Zusammenschlüssen eine Qualifizierung dessen Titel mir ebenso gefällt wie die Zeitschrift Sowohl die Bewahrung des olympischen Gedankens auf marxistischem Gebiet zu erhalten, sind sehr insgesamt. Arnim Johanning, Plön als auch das zu erwartende hohe Leistungsniveau begrenzt und werden von den Betreffenden auch einer DDR-Olympiamannschaft sprachen eindeutig nur verhalten in Anspruch genommen, zumal es der Mit Fußball erreicht man weltweit höchste Auflagen- für eine Teilnahme. Doch Erich Honecker entschied, Arbeitsdruck nicht zuläßt. Deshalb kommt der vom RF zahlen und Einschaltquoten, zumal bei einer EM. Das ohne dazu eine Stellungnahme des Sports einzuholen, mit einiger Regelmäßigkeit praktizierten Darlegung wissen natürlich auch die Redakteure und Reporter ,in unverbrüchlicher Freundschaft mit der großen wichtiger Grundbegriffe unserer Weltanschauung der bundesdeutschen Medien. Offensichtlich haben sozialistischen Sowjetunion‘ nicht an den Spielen besondere Bedeutung zu. In den Heften 172 und 173 RotFuchs / August 2012 Seite 31

hat es nach unserer Auffassung in dieser Hinsicht noch irgendeine andere Freiheit so formuliert hat. Übrigens habe ich mich sehr gefreut, daß ein Buch eine Weiterentwicklung gegeben. Das betrifft die … Logischerweise drängt sich die Frage auf, von zum Genossen Pfarrer Eckert erschienen ist. Ich bin Darlegung von Grundbegriffen des Marxismus- wem nun die „wunderbare Formulierung“ stammt, noch nicht dazu gekommen, es zu lesen, es steht Leninismus im Originaltext, zugleich aber auch in bei der es sich eindeutig um eine idealistische aber fest auf meiner Literaturliste. einer Sprache, die jungen Menschen entgegenkommt Position handelt. Die Antwort lautet: von Hegel, Michael Käser, Nürnberg und für ihre Aufnahmebereitschaft entscheidend der die Philosophie insbesondere durch seine ist. Das spürt man besonders im Juni-Heft. Man Erkenntnisse zur Dialektik sehr bereichert hat. Im Wenn dich deine Feinde loben, hast du bestimmt sollte diese Säule im „RotFuchs“ weiter ausbauen „Anti-Dühring“ von Friedrich Engels kann man lesen: etwas falsch gemacht. Dieses bekannte Wort – wen- und die Darstellung inhaltlich vertiefen. „Hegel war der erste, der das Verhältnis von Freiheit det man es auf die DDR an – führt zu der logischen Dr. Dieter Krause, Greifswald und Notwendigkeit richtig darstellte. Für ihn ist die Konsequenz, daß unser sozialistischer deutscher Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit. ‚Blind Staat doch nicht so schief gelegen haben dürfte. Diese Zeilen schreibe ich als Rentner des Jahres ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht Es vergeht ja buchstäblich kein Tag, an dem er 1990. Damals bat die Abgeordnetenmehrheit der begriffen wird.‘ “ oder zumindest seine Sicherheitsorgane nicht in letzten „DDR“-Volkskammer flehentlich um den In diesem Zitat wird nicht nur die Urheberschaft den Schmutz gezogen werden. Meine Meinung Anschluß an die BRD. Der ostdeutsche CDU-Mann des Gedankens von der Freiheit als Einsicht in die ist: Wenn mir etwas nichts bedeutet, ignoriere ich Krause unterzeichnete den vom westdeutschen Notwendigkeit benannt, sondern durch Engels es einfach. CDU-Mann Schäuble diktierten „Einigungsver- mit dem planmäßigen (also menschlichen) und Ich bin auf alle Fälle froh, daß meine drei Töchter trag“. Nach dessen Artikel 30 waren alle für das zweckbestimmten Handeln verbunden. ihre Ausbildung, einschließlich des Studiums, sogenannte Beitrittsgebiet geltenden Ausnahmen Dieter Hornung, Berlin und meine acht Enkel den überwiegenden Teil gegenüber dem Recht der alten BRD bis zum ihrer Schulzeit in der DDR absolviert haben. Trotz 31. 12. 1995 befristet. Die vollständige Angleichung Eigentlich sind die Monate viel zu lang, um immer kollektiven Töpfchen-Sitzens beim Krippen- und des niedrigeren Rentenwertes Ost hätte also späte- wieder auf die neue Ausgabe warten zu müssen. Kindergartenbesuch haben sie keine Schäden stens 1996 erfolgt sein müssen. Dieser sogenannte Allerdings steigert das auch die Neugier auf den davongetragen und sind anständige Menschen Einigungsvertrag wurde vom Rechtsstaat BRD noch unbekannten Inhalt. Die Zeitung gefällt mir, seither permanent gebrochen. sie ist sehr interessant gestaltet. geworden, die heute voll im Leben stehen. Wie aber sieht die Zukunft meiner neun bisher zur Welt Im Grundgesetz heißt es über das Gleichheits- Klaus Glaser, Schwarzenberg gebot nach Artikel 3 (3): „Niemand darf wegen gekommenen Urenkel aus? seiner religiösen oder politischen Anschauungen Ich möchte den RF-Lesern das Buch Werner Sepp- Marianne Wuschko, Hoyerswerda benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Seit fast 22 manns „Die verleugnete Klasse. Zur Arbeiterklasse Jahren warten drei Millionen Ostrentner vergeblich heute“ sehr empfehlen. Der Autor, der sich mit der Allenthalben beleidigen die schwarz-rot-gelben auf die Verwirklichung dieses Grundgesetztextes. Verneinung des Begriffs Arbeiterklasse durch die Stoffetzen meine Augen. Von Fahrzeugen und aus Entweder gab es Nullrunden – in Wahrheit waren Reformisten in der BRD auseinandersetzt, macht Fenstern gehängt, drücken sie einen verordneten es Minusrunden, weil die Renten bereits um den darauf aufmerksam, daß dieser nur im Gegensatz Nationalismus aus. Die politische Dienerschaft des Faktor der Inflationsrate gekürzt waren – oder zur Bourgeoisie definiert werden kann. Auf die Rolle deutschen Finanzkapitals fand im Zusammenhang Rentenerhöhungen, die sich als verlorenes Wett- ihres Totengräbers im „Kommunistischen Manifest“ mit der Fußball-Europameisterschaft wieder willige rennen mit den höheren Inflationsraten de facto als verweisend, wirft Seppmann die Frage auf, ob die „Hiwis“ zuhauf. „Brot und Spiele“ – dieser Spruch aus Kaufkraftverluste erwiesen. Arbeiterklasse heute noch als Negationsprinzip der Sklavenhaltertagen ist leider noch immer aktuell. ver.di hatte vor fünf Jahren die Forderung erhoben, bürgerlichen Gesellschaft begriffen werden kann. Walter Drechsler, Berlin eine Angleichung des Rentenwertes Ost an den Mit der Widerlegung der Klassentheorie glauben Rentenwert West in zehn Jahresschritten ab 1. Juli die Ideologen der Bourgeoisie, die Marxschen Daß die Schreiberlinge der Bourgeoisie nach 2007 vorzunehmen. Daraus ist leider nichts geworden. Vorstellungen über die Gesellschaftsentwicklung Erfolgen ihres konterrevolutionären Wirkens die Nun lese ich abermals von einem „Bündnis für die ad absurdum führen zu können. Verketzerung und Verleumdung unserer marxistisch- Angleichung der Renten in den neuen Bundeslän- Werner Seppmann erbringt hingegen den Nachweis, leninistischen Weltanschauung, und besonders ihrer dern“. Es hat erneut einen Zehn-Jahres-Stufenplan daß die Arbeiterklasse – auch bei veränderter Struk- Begründer, noch verstärkt haben, ist deren Sache. zur Angleichung der Rente Ost an die Rente West tur – die entscheidende Kraft im Kampf gegen das Wenn in diesen Chor aber erneut ein Hans-Dieter vorgestellt. Für viele Ostrentner bedeutet das – wie Kapital und für den Sozialismus bleibt. Schütt einstimmt, der einmal Chefredakteur der schon für Hunderttausende zuvor –, daß man sie Dr. Ehrenfried Pößneck, Dresden „Jungen Welt“ war, ruft das zumindest einen üblen zynisch bis ans Grab vertröstet. Geschmack hervor. So bezeichnete Schütt den Erhard Lonscher, Berlin Die von Hans Schneider aufgeworfene Frage nach Führer der Oktoberrevolution W. I. Lenin als „Mann, Titeln und Rängen ist einfach zu beantworten: der 1917 mit putschistischem Genie zur Macht griff“. Für die RF-Gratulation zu meinem 80. Geburtstag Nein – Leserbriefe müssen nicht mit dem einstigen In der Wochenendausgabe vom 2./3. 6. des sich dankend möchte ich Klaus Steiniger sowie allen militärischen Dienstgrad unterzeichnet werden. merkwürdigerweise immer noch als „Sozialistische Genossinnen und Genossen, die auf Inhalt, Gestal- Das gilt genauso für Diplome oder akademische Tageszeitung“ bezeichnenden ND schlug sich der tung und Vertrieb unserer Zeitschrift Einfluß haben, Grade. Die Signierung liegt allein im Ermessen tägliche Allesschreiber auf die Seite jener, die meine Anerkennung zum Ausdruck bringen. Mit der Verfasser. sich seit langem gegen den weiteren Verbleib der Freude und Spannung sehe ich jedem Monatsbe- Für mich ist die Verwendung meines ehemaligen sterblichen Hülle Lenins im Moskauer Mausoleum ginn, dem Erscheinungsdatum des RF, entgegen. Dienstgrades ein Bekenntnis zur DDR und zur wenden. Die geistige Nähe Schütts zu Leuten vom Ich lese sämtliche Artikel und Leserzuschriften, treuen Pflichterfüllung als Offizier. Darüber hinaus Schlage Schabowskis ist unverkennbar. sowohl um Informationen zu erhalten, die in der möchte ich Verzagten Mut machen und deren Heinz Behrendt, Plauen/Vogtland bürgerlichen Presse und im ND oft nicht mehr zu Selbstbewußtsein stärken. Es gibt keinen Grund, finden sind, als auch, um immer wieder Kraft für die die eigene Lebensleistung zu verleugnen. „Wir sind wieder bei Marx“, jubelte Rosa Luxemburg Beibehaltung meiner aufrechten Haltung in dieser Wendehälse und Opportunisten hat es stets und bei der Gründung der Kommunistischen Partei uns übergestülpten Gesellschaft zu gewinnen. überall gegeben. Sie sind für mich kein Maßstab. Deutschlands. SED/PDS und PDL haben sich leider Ich komme aus einer sächsischen Arbeiterfamilie, Oberstleutnant a. D. Roland Potstawa, dieses „Ballasts“ entledigt, so daß das Schiff „Die erlernte den Beruf eines Zimmermannes, meldete Königs Wusterhausen Linke“ ohne Kompaß im Morast des ideologischen mich 1949 freiwillig zur Volkspolizei und wurde 1956 in die NVA übernommen. Eine akademische In der kommunistischen Presse wird die Behand- Pluralismus zu versinken droht – schon leckge- Ausbildung erhielt ich u. a. an der Leipziger Karl- lung des Themas Religion gerne ausgeblendet. schlagen durch Piraten aller Couleur, unterstützt Marx-Universität. Am 30. September 1990 wurde Der „RotFuchs“ ist für mich in diesem Spektrum von Trojanern in den eigenen Kajüten. ich – wie unzählige andere – aus dem aktiven Wehr- eine Zeitschrift, die in Religionsfragen durch relativ Ganz anders unser Erfolgsprojekt RF mit klarem dienst wegen angeblicher Personalverringerung differenzierte, alte Klischees nicht wiederkäuende Kurs und Ziel sowie steigenden Mitglieder- und aus Abrüstungsgründen entlassen. Meine letzte Meinungen herausragt. Leider wurde der Artikel Leserzahlen, aber noch zu wenig Welpen in Bau und Dienststellung war Stellvertreter des Chefs Kader des Genossen Dölzer „Für fairen Disput“ diesem Auslauf. Mein Vorschlag ist deshalb: Der Vorstand des der NVA-Landstreitkräfte. Mein letzter Dienstgrad: Maßstab nicht gerecht. RF-Vereins möge eine Beratung mit Interessenten Oberst. Für einige Jahre wurde auch mir eine Straf- Martin Luther hat nicht Inhalte der Bibel nach Gut- aus allen 32 Regionalgruppen organisieren, um zu rente „zugesprochen“. dünken, sondern lediglich die Reihenfolge verändert. erörtern, wie der Marx’schen Wahrheit neue Einfluß- Joachim Spinler, Potsdam Die Frage, warum Gott nicht handelt – Kann er oder und Einflugschneisen, besonders in die Reihen der will er nicht? – ist so veraltet wie verengend und Jugend, geöffnet werden können. Im Text „Für einen fairen Disput“ wird eine grund- verzerrt. Diese Frage als den Todesstoß gegen Gott Indem wir geistige, aber leicht verdauliche und noch legende Position marxistischer Philosophie falsch zu präsentieren, erscheint mir argumentativ schwach. abwechslungsreichere Kost anbieten, können sicher dargestellt. Es geht um den Satz: „Der geniale Die Idee, daß sich Menschen ihre Götter selbst viele Welpen den Weg zu uns finden und das Fort- Dialektiker Friedrich Engels hat diese Freiheit schaffen, ist in der Tat ein interessanter Ansatz, aber leben roter Füchse auch in Zukunft sichern, wenn als ‚Einsicht in die Notwendigkeit‘ wunderbar genauso rational beweiskräftig wie das Postulieren wir alten Füchse nicht mehr sein werden. formuliert.“ Tatsache ist, daß Engels weder „diese“ eines Gottes – nämlich gar nicht. Horst Gröger, Bautzen Seite 32 RotFuchs / August 2012

Ein Zug, der nichts für Trittbrettfahrer ist Grafik: Klaus Parche

Am 10. August um 16.30 Uhr spricht Rainer Am 11. August um 10 Uhr spricht Prof. Dr. Am 16. August um 15 Uhr spricht der Autor Konstantin Perschewski, Vorsitzender der Berliner DKP, Erich Dreyer auf einer Veranstaltung der Brandt, Vorstandsmitglied des RF-Fördervereins, auf auf einer Veranstaltung der RF-Regionalgruppe RF-Regionalgruppe Dresden in der Drogen- einer Veranstaltung der RF-Regionalgruppe Bautzen/ Berlin im ND-Gebäude, Franz-Mehring-Platz 1, mühle Heidenau, Dresdner Straße 26, über Oberlausitz im Haus des Unabhängigen Seniorenverban- Seminarraum, zum Thema das Thema des, Löhrstraße 33, über das Thema

Der Kampf der Kommunisten gegen Die Mitbestimmung der Werktätigen und Ist die Sozialdemokratie fähig, Neofaschismus, Krieg und Sozialraub Fragen der Tarifpolitik in der DDR die Gesellschaft zu verändern?

IMPRESSUM Der im Februar 1998 gegründete „RotFuchs“ ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift. Herausgeber: Künstlerische Mitarbeit: Autorenkreis: Helmuth Hellge „RotFuchs“-Förderverein e.V. Dieter Eckhardt, Heinz Herresbach, Dr. Matin Baraki Dr. Dieter Hillebrenner Klaus Parche, Heinrich Ruynat, Chefredakteur: Thomas Behlert Manfred Hocke Renatus Schulz Dr. Klaus Steiniger (V.i.S.d.P.) Rolf Berthold Erik Höhne Versand und Vertrieb: Dr. Manfred Böttcher Dr. Klaus Huhn Karin Dockhorn Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin Postfach 02 12 19, 10123 Berlin Tel. 030/561 34 04 Konstantin Brandt Rudi Kurz Tel. 030/2 41 26 73 Dr. Vera Butler (Melbourne) Wolfgang Mäder Mail: [email protected] [email protected] Wolfgang Clausner Bruno Mahlow oder Sonja Brendel (Redaktionsadresse) Prof. Dr. Götz Dieckmann Dr. Bernhard Majorow Tel. 030/5 12 93 18 Dr. Rudolf Dix Prof. Dr. Herbert Meißner Heiner Brendel, Gerald Umlauf, Sekretärin: Karin Großmann Hans Ludwig, Peter Barth u. v. a. m. Ralph Dobrawa Wolfgang Metzger Layout: Rüdiger Metzler Finanzen: Jürgen Thiele

Dieter Fechner Jobst-Heinrich Müller Wartenberger Str. 44, 13053 Berlin Herstellung: Druckerei Bunter Hund Bernd Fischer Horst Neumann Tel. 030/981 56 74 Peter Franz Erhard Richter Internet: www.rotfuchs.net Unser Konto: Günter Freyer Prof. Dr. Horst Schneider „RotFuchs“-Förderverein Internet-Präsentation und akusti- Prof. Dr. Georg Grasnick Prof. Dr. Rolf Sieber Kto.-Nr.: 2 143 031 400 sche Ausgabe (für Sehbehinderte): Ulrich Guhl Joachim Spitzner Berliner Sparkasse Sylvia Feldbinder Bernd Gutte Dr.-Ing. Peter Tichauer BLZ: 100 500 00 Dr. Ernst Heinz Marianne Walz Für Einzahler im Ausland Redaktionsschluß für die übernächste IBAN: DE 27 1005 0000 0220 1607 59 Jürgen Heiser Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wrocław) Ausgabe ist der 20. eines Monats. BIC: BELADEBEXXX Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht mit denen der Redaktion übereinstimmen.