Die Wurzeln der Riss--Lech-Platten

Karl Albert Habbe

Seit vor nun 100 Jahren A. PENCK Alpenvorland (1901) hier – anhand der „Schotterfel- Räumlicher Kontext der Hauptkarte der der Gegend von Memmingen“ – Niederterrassen, Hochterrassen, Jüngere

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a ü s Deckenschotter und Ältere Decken- n u

Ulm z Z schotter unterschied und sie (und die M

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R a a n r d zugehörigen Moränen) vier Eiszeiten zu- Do o m e t l h m

l a wies, die er Würm-, Riss-, Mindel- und c h R o Günzeiszeit nannte, ist das Gebiet t immer wieder neu untersucht worden, Biberach weil einerseits die Quartärstratigraphie sich demgegenüber nur im Rheinglet- Ausbruch nach Osten – sind zurückzu-

s des Alpenvorlands generell erweitert schergebiet. Sie stammen von der rech- führen auf die zunehmende Ausformung Ris

h Memmingen c a und ergänzt wurde, andererseits auch ten Flanke des Gletschers, der nun den des Bodensee-(Schussen-)Beckens , t r e W das Gebiet selbst neue Befunde lieferte. Weg über das Alpenrheintal ins (heuti- die den Hauptabfluss über das Risstal so h

c ra n it e A Kaufbeuren Beides zusammen machte eine Neube- ge) Bodenseebecken gefunden hatte. stark eintiefte, dass auch der Vorfluter – s s u h Il wertung der PENCKschen Beobachtungen Der zeitgleiche Illergletscher entwässer- die Donau – ständig tiefer gelegt wurde, c le S r notwendig, vermochte aber vor allem te damals nach Nordosten ins heutige damit aber auch deren Nebenbäche im Ravensburg die individuelle Formungsgeschichte Mindeltal . In der Haslacheiszeit flos- Molasseland, die so den Weg bereiteten en Arg Kempten h c des Gebiets weiter aufzuhellen. sen die Schmelzwässer des nordöstli- für neue Abflussbahnen der Gletscher- Friedrichshafen a rt e B W o d Wichtig wurde in diesem Zusammen- chen Rheingletschers – schräg durch schmelzwässer. e n hang, dass PENCKs ältere Deckenschotter die älteren Ablagerungen hindurch – Die Endmoränenzüge der drei jünge- s e Lindau e morphostratigraphisch zu unterglie- längs dem württembergischen Rottal ren Eiszeiten im Westen und Süden des 010 20 30 km dern und entsprechend mehreren Eiszei- zum Risstal, die des Illergletschers Kartengebiets folgen im Wesentli- 300 450 600 900 1200 1500 2100 m Maßstab 1: 1500000 ten zuzuweisen sind (Biber, Donau, (überwiegend) weiter zum Mindeltal. In chen den von den Schmelzwasserabflüs-

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 Günz) und dass auch die jüngeren De- der Mindeleiszeit wurde der Hauptab- sen vorgezeichneten Lücken im Vor- ckenschotter PENCKs zwei Eiszeiten re- fluss des Illergletschers auf die Linie landrelief. Sie sitzen im Idealfall den präsentieren (Haslach, Mindel), dass Memminger Tal – Günztal verlegt, der Schottern der gleichen Eiszeit auf, häu- Die Karte zeigt auf den ersten Blick dagegen die Doppelung der Hoch- und (nordöstliche) Rheingletscherabfluss figer jedoch älteren Schottern und Mo- nur einen typischen Ausschnitt aus dem der Niederterrassen im Kartengebiet auf verblieb dagegen auf der alten Route im ränen und vielfach direkt dem liegen- Formenensemble des Alpenvorland- das Wechselspiel von Rhein- und Iller- Rottal. In der Risseiszeit brach dann der den Tertiär. Auch bei ihnen zeigt sich Quartärs: glazifluviale Schotter im gletscherabflüssen zurückzuführen ist. Abfluss von der rechten Flanke des eine Tendenz zur Westwanderung, die Norden und Osten, glaziale ( Morä- Die Topographie des Kartenaus- Rheingletschers in eines der noch ver- jedoch nicht durch das Relief bedingt nen-) Ablagerungen im Süden und schnitts hat sich demnach während des bliebenen Molassetäler durch und zog ist, sondern durch die Eigendynamik der Westen. Schotter und Moränen sind Pleistozäns allmählich aus einem die Entwässerung des Illergletschers, die Gletscherbewegung. Deswegen treten aber hier – im Grenzgebiet des kaltzeit- flach reliefierten Molassehügelland in zunächst noch ins (heutige) Günztal ge- u.a. die Haslachmoränen nur an der lichen Rhein- und des Iller-Gletschers – ein vollständig von glazifluvialen und gangen war, auf einen neuen Weg ins Ostflanke des Rheingletschers an der stratigraphisch besonders gut differen- glazialen Ablagerungen beherrschtes bayerische Rothtal. Das Gleiche ge- Oberfläche auf, sind auch die Mindel- zierbar, und zwar deswegen, weil die Gelände gewandelt, und die beiden schah in der Würmeiszeit: der Rhein- moränen nur hier breitflächig entwi- Schotterablagerungen („Schotterplat- Gletscher waren daran sowohl zeitlich gletscherabfluss durch das Aitrachtal ckelt. Beim würmzeitlichen Rheinglet- ten“) im Zwickel zwischen den beiden wie räumlich in ganz unterschiedlichem besetzte das letzte noch verbliebene scher zeigt sich die Eigendynamik der Gletschern besonders weit im Süden Maße beteiligt. Molassetälchen längs dem heutigen Il- Gletscherbewegung zudem darin, dass er „wurzeln“ und daher – als Folge der im Die ältesten – donauzeitlichen – lertal, zog den frühglazialen Abfluss des den vom Rissgletscher vererbten Vor- Gleichtakt mit der Entwicklung der Schotter des Gebiets (biberzeitliche Illergletschers (zum Rothtal) an sich stoßrichtungen nur andeutungsweise Gletscherzungenbecken erfolgten Tief- Ablagerungen fehlen hier) sind – aus- und schließlich auch dessen spätglazia- folgte, mit dem Ergebnis, dass das tiefe erlegung der „oberen Erosionsbasis“ – weislich des Schotterspektrums – allein len Abfluss durch den heutigen Iller- Wurzacher Becken eisfrei blieb, der hier der Höhenlage nach zunehmend von einem Ur-Illergletscher geschüttet Canyon. entstandene Zungenbeckensee nur all- auseinander treten : Die ältesten worden: Zeitlich entsprechende Rhein- Die Charakteristika der Reliefge- mählich verlandete und in seinen Be- Schotter besetzen die höchsten Ni- gletscherablagerungen gibt es nur weit schichte des Kartengebiets – die West- ckensedimenten sich eines der vollstän- veaus, die jüngsten die tiefstgelegenen, im Westen im Hochrheingebiet. Das wanderung der Gletscherabflüsse und digsten Pollenprofile des Eem-Intergla- und entsprechend sind auch die Morä- Bodenseebecken hat damals noch nicht (seit der Risseiszeit) die gegenläufige zials und der Frühwürm-Interstadiale er- nen gestaffelt. existiert. Günzzeitliche Schotter finden Tendenz der Rheingletscherabflüsse zum hielt.

Alpenvorland: Die Wurzeln der Riss-Iller-Lech-Platten Längsprofil entlang dem Eschach--Iller-Talzug*

m ü.NN Hoher Rain m ü.NN S (D) Kronburg N Zeiler Schotter (G) Tannheim Erolzheim Kirchberg 700 Höhberg 700 Buchkapf Haslacher Schotter (H) Eichen-Erlenmooser und Kirchberger Schotter (D) Eschach Hitzenhofer Schotter (R) Tannheimer Schotter (M) Aitrach 600 Erolzhe 600 imer Schotter (W) Iller Hitzenhofer Schotter (R) Leutkirch Erolzheimer Schotter (W) Steinheim-Fellheimer Schotter (W) Aichstetten Marstetten Steinheim Fellheim Iller 500 500 01 2 34 5 km

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 * in Anlehnung an SCHÄDEL 1952, SCHREINER/EBEL 1981, KUPSCH/WILLIBALD 1982, FESSELER/GOOS 1988, WENNINGER 1994 Maßstab 1 : 200000 Überhöhung 25-fach

70 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Relief, Boden und Wasser Alpenvorland Die Wurzeln der Riss-Iller-Lech-Platten

Riss Altenstadt

Heggbach

Osterberg Babenhausen

Maselheim Roth Kirchberg Warthausen Rot

Kellmünz Winterrieden

Gutenzell Dettingen

Biberach Iller R

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t Pless t u m Erolzheim Egg z n a.d. ü Günz G Kirchdorf

Dürnach Ochsenhausen Fellheim Boos

Ummendorf Erlenmoos Lauben

Riss Berkheim Heimertingen

Rottum M

e m m Hochgeländ Wasenmoos Holzgünz Hochdorf in g Steinhausen e r A c h Rot a.d. Rot Eisenburg Steinheim Schwaighausen

Eberhardzell Ungerhausen

h Tannheim Trunkelsberg

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Eggmannsried Hitzenhofen Lachen Aitrach

Iller Haisterkirch Wurzacher Ried Untermuken Woringen

Bad Wurzach Querprofil

Lautrach Kronburg Querprofil Zell

Ziegelbach Aichstetten Wolfertschwenden Steinbach Hoher Rain

Bad Grönenbach W ch u Aitra rz a c h e r Schloß Zeil Ziegelberg

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Stratigraphische Einheiten spät- und postglaziale Ablagerungen Leutkirch Würm Riss Mindel Haslach Günz Donau Es ch Schotter ac h Moränen Geländeformen Ältere Schotter unter Moräne sind mit gerissener Endmoränenzug Terrassenkante Umriss von Albrecht Pencks Textkärtchen Kontur und Farbband gleicher Farbe dargestellt. "Die Schotterfelder der Gegend von Memmingen" 013 24 5 km Wallendmoräne Maßstab 1: 165 000 Molasse Topographische Grundlage: Topographische Übersichtskarte des Deutschen Reiches 1 : 200000, Bll. 179 Ulm, 187 Lindau

* m ü.NN Querprofil Wurzacher Ried – Böhener Feld m ü.NN 800 Wurzacher Becken Böhener Feld Stadtwald Grönen- Brandholz Bad Wurzach Zell Fischweiher Marienau Langer Berg Aichstetten Kronburg bacher Blutsberg Feld Z Z H Memminger Tal 700 Ach Leprosen- Ach H H Buchkapf Lautracher 700

berg Niederdorf Mühlbach T Wald Buxach Wurzacher Wurzacher Illerbeuren Mühlbach Aitrach 600 ? Iller 600 ? Beckenschluffe (Riss bis Würm) Z Zeiler Schotter 500 H Haslacher Schotter 500 Profilsprung T Tannheimer Schotter Der Maßstab des Profils entspricht dem Kartenmaßstab; Überhöhung 12,5-fach

* in Anlehnung an PENCK 1901, SCHÄFER 1973 (Ostteil) © Institut für Länderkunde, Leipzig 2002 Autor: K.A.Habbe und SCHREINER/EBEL 1981 (Westteil) 71 Grenzüberschreitende Kooperationsräume