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SWR2 Musikpassagen

Das kreative Charles Bradley, Grizzly Bear und Here we go Magic Von Marlene Küster

Sendung: Sonntag, 19. April 2015 Redaktion: Anette Sidhu-Ingenhoff Produktion: SWR 2013

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1) Musik Charles Bradley The World Is Going Up In Flames

Ansage „Das kreative Brooklyn“ – heute das Thema in den Musikpassagen. Mit dem Soul- Sänger Charles Bradley und den zwei angesagten jungen Bands Grizzly Bear sowie Here We Go Magic geht es in die lebendige Musikszene des New Yorker Stadtteils Brooklyn.

1) Musik CD , Charles Bradley, Track 1: The World Is Going Up In Flames 3:22

Autorin Im unverwechselbaren Timbre von Charles Bradley ist der ewige Überlebenskampf unüberhörbar: Tagelöhner-Jobs von Maine bis Alaska und die ungebrochene Liebe zur Musik. Mit 63 gibt der Afro-Amerikaner sein Debüt „No Time For Dreaming“ heraus. Er erzählt darin die Geschichte eines eigentlich Gescheiterten, der erst sehr spät seinen musikalischen Durchbruch hat. Seine atemberaubend schöne Soul-Stimme nimmt im Titelsong „No Time for Dreaming“ Bezug zu den aktuell unsicheren Zeiten. Charles Bradley rast durch den brennenden Titel-Track mit einem Text, der Selbstbestimmung, die Wiedererlangung von Stärke, Energie und die Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse unterstreicht.

2) Musik CD No Time For Dreaming, Charles Bradley, Track 7: No Time For Dreaming 2:52

Autorin 1948 in Gainesville, Florida, geboren und elternlos aufgewachsen, reißt Charles Bradley schon als Teenager von Zuhause aus und lebt auf den Straßen von . Bei einem James-Brown-Konzert im Apollo Theatre wird ihm bewusst, dass er Musiker werden will. Jahrzehntelang führt er das Dasein eines Nomaden. Er wandert durch die USA, auf der Suche nach Arbeit, Glück und innerem Frieden. Die Kraft und die Intensität, mit der Charles Bradley auf seinem Solo-Debüt von seinen Lebenserfahrungen singt, bescheren ihm überschwängliche Kritiken. „Golden Rule“, angetrieben von einem brilliant klingenden Orgelgroove, ist ein Klagelied über eine Gesellschaft, die in Sachen Liebe und Brüderlichkeit ihre Prioritäten neu überdenken sollte.

3) Musik CD No Time For Dreaming, Charles Bradley, Track 3: Golden Rule 3:27

Autorin Zunächst verdingt sich Charles Bradley als Koch, singt und spielt den echten, unverfälschten Soul mit seiner Band nur in der Freizeit. Erst nach vielen Jahrzehnten kehrt er in seine Heimatstadt Brooklyn zurück und tritt unter dem Namen Black Velvet in kleinen Clubs in Brooklyn als James-Brown-Imitator auf. Dort entdeckt ihn ein Mitarbeiter des jungen Soul-Labels Daptone. So kommt schließlich sein erstes Album „No Time for Dreaming“ zustande. Jede Note, jeder Tonfall – eine Reflektion eines langen und oft steinigen Lebensweges. Der Titel „Why Is It So Hard“ zeigt Charles Bradleys persönlichen Kampf, ausgedrückt mit bewegender Gospel-Leidenschaft.

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4) Musik CD No Time For Dreaming, Charles Bradley, Track 10: Why Is It So Hard 4:09

Autorin Nun ein Sprung in die heutige Zeit, und in ein anderes Genre: Ganz andere Töne von der ebenfalls in Brooklyn beheimateten Band Grizzly Bear.

5) Musik CD Shields, Grizzly Bear, Track 3: Adelma 1:01 6) Musik CD Shields, Grizzly Bear, Track 8: Gun Shy 4:30

Autorin Grizzly Bear – das sind der Sänger , Schlagzeuger , Gitarrist und Chris Taylor. Innovativ, experimentierfreudig und immer dabei, sich weiter zu entwickeln und neu zu definieren. Der Aufstieg zu einer sehr populären amerikanischen Band geht recht schnell. 2006 bringt das Quartett aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn das Album „Yellow House“ heraus. Für Die New York Times ist es eines der besten Alben des Jahres. Und auch in Deutschland spricht sich der Band-Name allmählich herum. Die vier Musiker, Anfang 30, arbeiten unentwegt an ihrem Sound und rücken zunehmend ins internationale Rampenlicht. Der große Durchbruch kommt dann 2009 mit dem Album „“, benannt nach einer kleinen, unbewohnten Insel im Südosten von .

7) Musik Grizzly Bear, CD Veckatimest, Track 9: Hold Still 2:24

Autorin Chris Taylor beschäftigt sich als Produzent eingehend mit dem Klang von Grizzly Bear. Es ist seine Aufgabe, die unterschiedlichen Vorstellungen und Geschmäcker der Bandmitglieder zu koordinieren und zu verbinden. Ein Album wird so zu einem Gemälde, beschreibt Chris Taylor, bei dem jeder seinen Pinselstrich hinzufügt. Vor kurzem haben die umtriebigen Musiker nach einer längeren Schaffenspause ein neues Werk gemalt, und zwar das Album „Shields“. Chris Taylor erklärt dazu:

1) O-Ton Chris Taylor Auf diesem Album haben wir uns ganz bewusst bemüht, Passagen einzubringen, die nicht den gängigen Rock-Mustern folgen. Es sollten musikalische Momente entstehen, in denen wir der Kreativität freien Lauf lassen. Die Idee der Improvisation liegt hier zugrunde. Das kommt im letzten Song „Sun in Your Eyes“ gut zum Ausdruck: Wir hatten keinen festen Plan, von uns hat einer nach dem anderen etwas hinzugefügt, die vorherige Passage aufgegriffen und weiterentwickelt. Ein Zeitbegriff mit einer neuen Dimension in der Dauer der Stücke tat sich auf. Herausgekommen ist eben der lange Song „Sun In Your Eyes“. Wir hatten gemeinsam etwas für das neue Album kreiert, auf die Gefühle und die Intuition vertraut und das Unvorhersehbare heraufbeschworen.

Autorin „Shields“ ein äußerst abwechslungsreiches, sehr virtuoses Album. Hier ist mehr Platz für Experimente, es ist eindringlicher, lauter, kompakter als der Vorgänger. Expressive Klangfarben im Song „Sun in Your Eyes“.

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8) Musik CD Shields, Grizzly Bear, Track 10: Sun in your eyes 6:59

Autorin Auf dem Album „Shields“ gibt es widerspenstige Rhythmen, eine reiche Instrumentierung und ständige Wechsel von Melodien und Tempi. Mit akustischen Gitarren, Glockenspiel, Synthesizern, Hörnern und Klavier entstehen eingängige Harmonien, dichte Melodien mit orchestraler Instrumentierung. Liebe fürs Detail, ausgefeilte Dramaturgie – das hält die Band Grizzly Bear zusammen. Und Dan Rossen verbindet mit Chris Taylor seit jeher die gemeinsame Liebe zum .

2) O-Ton Dan Rossen Von Anfang an spielte ich Jazz. Als Teenager interessierte ich mich nicht für Rock. Jazz und Klassik gehörten zu meinem Repertoire. Im Laufe der Jahre wurde mir bewusst, dass es für mich keinen Platz in der Jazz-Szene gab. dann hab ich auf einmal angefangen, eigene Songs zu komponieren und Texte zu schreiben. Der englische Singer Songwriter Nick Drake inspirierte mich damals. Als ich dann Chris Taylor begegnete, kam ich auf einmal mit Folk und Indie-Rock in Berührung.

Autorin Dem Hörer eröffnet sich ein Klanguniversum, das er selbst erkunden kann. Die Instrumente nehmen sich allen Raum, den sie zur Entfaltung brauchen. Gelegentliche freudige Ausbrüche, dann wieder melancholisch anmutende Passagen, eine große Vielfalt akustischer Kleinigkeiten: Brüche, abrupte Stilwechsel, ins Ungewisse abschweifende Melodien. Psychedelisch, rockig, avantgardistisch, orchestral und energiegeladen. Kein Song gleicht dem anderen, bei jedem Hören sind neue akustische Einzelheiten zu entdecken.

In den SWR 2 Musikpassagen geht es heute ums kreative Brooklyn. Nun beschäftigen wir uns mit der Band Here We Go Magic, die ihre künstlerischen Inspirationen ebenfalls hauptsächlich in Brooklyn findet.

9) Musik CD , Here We Go Magic, Track 10: A Different Ship 5:11

3) O-Ton Luke Temple Wir haben ein Faible für die deutschen Krautrock-Klänge, für Musiker wie Can, Kraftwerk und Neu!. Damit sind Musiker gemeint, die bereit sind das gängige Schema zu durchbrechen und die es wagen, repetitive Rhythmen endlos lang zu spielen. Dieser Stil ist eine unserer wichtigsten Inspirationen, unser Haupteinfluss sozusagen. Wir dehnen die sich immer wiederholenden Melodien und Rhythmen aus und nehmen meine Songs auf, die sich auf natürliche Art und Weise in die repetitiven Schemen einfügen und zu einem organischen Ganzen verschmelzen sollen. So, glaube ich, könnte man unseren Sound beschreiben.

Autorin Der Sänger und Gitarrist Luke Temple, Gründer der amerikanischen Band „Here We Go Magic“, denkt viel über Klänge, Rhythmen und Soundeffekte nach. Zur Band gehören Michael Bloch an der Gitarre, Jennifer Turner am Bass, Kristina Lieberson am Keyboard sowie Peter Hale am Schlagzeug. Der deutsche Krautrock – dieser Begriff soll eine Erfindung der englischen Musikpresse sein. Entstanden ist Krautrock in den siebziger Jahre und hat sich längst zu einer eigenständigen deutschen 5

Rockmusik, zu einem Schmelztiegel von verschiedenen Musikstilen entwickelt: Es gibt die elektronische Richtung à la Kraftwerk und Bands, die von der Minimal Musik oder der Neuen Musik beeinflusst sind. Dieser Stil ist unter anderem die Basis des Sounds von Here We Go Magic.

4) O-Ton Luke Temple Von der Instrumentierung her sind wir mit elektrischen Gitarren, Bass, Synthesizer, Schlagzeug und Keyboard aber eher traditionell. Jeder singt, wobei das oft eigentlich kein richtiger Gesang ist – es sind mehr kurze Phrasen, manchmal nur ein paar Worte, die dann etwas zeitversetzt und von einer anderen Person aufgegriffen werden, so dass eine Art Echoeffekt entsteht. Die Stimmen überlappen sich häufig. Das geht ein bisschen in Richtung Steve Reich. Wir bleiben aber sehr offen und haben uns in den vergangenen Jahren, seitdem die Band existiert, weiter entwickelt und werden auf keinen Fall stehen bleiben ...

Autorin Die Band hat sich 2008 zusammengetan. Im kreativen Team wird jeder gefordert, so der Gitarrist Michael Bloch.

5) O-Ton Michael Bloch Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, denn wir kennen unsere Stärken und Schwächen, wir verbringen die ganze Zeit miteinander, keiner kann sich aus dem Staub machen – mitgefangen, mitgehangen. Da hat sich im Laufe der Jahre eine interessante Gruppendynamik entwickelt. Wir sind ständig auf Achse, von einer Tournee gleich wieder ins Aufnahmestudio und sofort zur nächsten Tournee. Natürlich sind Lukes Songs eine wichtige Quelle, beim Spielen aber entwickeln sich immer wieder neue Klanglandschaften und überraschende rhythmische Strukturen.

Autorin Wirkungsvoll, kompakt, knackig und voller Spannung ist der Sound von Here We Go Magic. Das aktuelle Album heißt „A Different Ship“. Es entstand mit Hilfe von , dem Produzenten von Radiohea. Nigel Godrich erlebt die jungen Musiker auf dem englischen von 2010 und ist so von ihrem Auftritt begeistert, dass er die Band bei den Aufnahmen des nächsten unterstützen will. So ist das Album „A Different Ship“ entstanden. Beeindruckend ist bereits das einleitende Stück, das verstört und den Hörer aufhorchen lässt. Woher kommen diese rumpelnden Geräusche?

10) Musik CD A Different Ship, Here We Go Magic, Track 1: Intro 0:43

Autorin Dann breitet sich ein Klangteppich aus, der betört und den Hörer weit auf den Ozean der Klänge hinausgleiten lässt. Die Rhythmen verdichten sich, die Wellen türmen sich auf und ziehen ihn immer mehr in einen Sog, dem er sich nicht zu entziehen vermag.

11) Musik CD A Different Ship, Here We Go Magic, Track 6: Over The Ocean 4:26 Autorin Der Song „Make Up Your Mind“ packt einen sofort mit seiner verqueren Dynamik, seinem harten Beat und den nervösen Gitarren. Da pulsiert es, da rast das Tempo ... 6

12) Musik CD A Different Ship, Here We Go Magic, Track 3: Make Up Your Mind 4:05 Autorin Durchs gesamte Album zieht sich ein dichter emotionaler und musikalischer Faden, der alle Songs zusammenhält. Eine sehr ausgeklügelte Dramaturgie mit einem raffinierten Spannungsbogen, der mal beruhigend, mal aufregend ist. Die Stücke sind eigentlich nie zu Ende. Dazwischen gibt es immer wieder mal Passagen mit leiseren Tönen. Momente des Nachdenkens, Zeit zum Durchatmen und Schweben durch diese Klangschichtungen, die sich zwischen Moll und Dur bewegen. Miracle of Mary ist ein besinnlicher Song.

13) Musik CD A Different Ship, Here We Go Magic, Track 9: Miracle Of Mary 3:51

Absage (auf ungefähr 53’30), auf die Musik Mit dem Song „Miracle Of Mary“ von Here We Go Magic gehen die Musikpassagen zu Ende. In SWR2 hörten Sie heute „Das kreative Brooklyn mit dem Soul-Sänger Charles Bradley und den Bands Grizzly Bear sowie Here we go Magic“. Synchronsprecher war: Ulrich Lipka. Am Mikrofon wünscht Ihnen Marlene Küster noch eine gute Nacht.

Angaben zu den Alben CD No Time For Dreaming, alle Songs von Charles Bradley geschrieben und gesungen, gespielt von der Label: Dunham Records/, Brooklyn, 23134 10222

CD Shields, Grizzly Bear, gesungen, gespielt und geschrieben von Grizzly Bear, Label 2012 RECORDS, 01061 02292

CD Veckatimest, Grizzly Bear, gesungen, gespielt und geschrieben von Grizzly Bear, Label: 2009 WARP RECORDS, 0 801061 01822 1

CD A Different Ship, Here We Go Magic, Texte geschrieben von Luke Temple, gespielt von Here We Go Magic Label: Secretly Canadian US Bloomington, 56605 02302