Das "Dritte Rom"
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Das ‘Dritte Rom’. Zerstörung und Konstruktion von Geschichte im Dienste nationaler Erinnerung, 1870-1950 Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften (04) der Justus-Liebig-Universität Gießen vorgelegt von Mischa Steidl aus Gießen 2008 1. Einleitung ...................................................................................................................... 3 1.1. Einführung ............................................................................................................. 3 1.2. Nation, Ort, Erinnerung.......................................................................................... 8 1.2.1. Nation und Erinnerung .................................................................................... 8 1.2.2. Pierre Nora und das Konzept der Orte nationaler Erinnerung ...................... 11 1.2.3. Das Gedächtnis der Orte ............................................................................... 14 1.2.4. Vom Erinnerungsort zum Erinnerungsraum ................................................. 16 2. Rahmenbedingungen 1870-1943 ................................................................................ 19 2.1. Romidee und Erinnerungskulturen in nationalstaatlicher und faschistischer Zeit ..................................................................................................................................... 19 2.1.1. Romidee und Risorgimento .......................................................................... 22 2.1.2. Die Romidee in nationalstaatlicher Zeit ........................................................ 26 2.1.3. Die Romidee in faschistischer Zeit ............................................................... 31 2.2. Um- und Ausbau der Roma Capitale und die Erinnerungsorte nationalstaatlicher und faschistischer Zeit................................................................................................. 38 2.2.1. Die städtebauliche Ausgangssituation 1870 ................................................. 38 2.2.2. Der Umbau Roms in nationalstaatlicher Zeit ................................................ 40 2.2.2.1. Die Via Nazionale .................................................................................. 42 2.2.2.2. Die Via XX Settembre ........................................................................... 44 2.2.2.3. Weitere Maßnahmen des Umbaus von Rom in nationalstaatlicher Zeit 48 2.2.2.4. Die zona monumentale riservata .......................................................... 51 2.2.2.5. Die Denkmalstopographie in nationalstaatlicher Zeit ............................ 55 2.2.3. Der Umbau Roms in faschistischer Zeit ....................................................... 58 3. Das Nationaldenkmal Vittorio Emanuele II. – Bau und Umbau des Erinnerungsortes der Nation ........................................................................................................................ 67 3.1. Der Tod des Königs und das Pantheon als nationaler Erinnerungsort ................. 71 3.2. Der Weg zum italienischen Kapitol – Die Denkmals- und Standortdiskussion .. 78 3.3. Die Denkmalsgenese bis 1911 ............................................................................. 89 3.4. Modifikationenen und Bedeutungswandel des Monumento Nazionale Vittorio Emanuele 1921-1935 ................................................................................................ 104 3.4.1. Ein neues erinnerungskulturelles Paradigma – Der I. Weltkrieg und dessen Erinnerungsorte in Rom ........................................................................................ 104 3.4.2. Topoi und Praxen der Weltkriegserinnerung .............................................. 106 1 3.4.3. Das Monumento Nazionale Vittorio Emanuele II. als Zentrum der Weltkriegserinnerung – Das Grab des Unbekannten Soldaten ............................. 111 3.4.4. Erweiterung und Modifikation des Vittoriano – Die Krypta des Unbekannten Soldaten ................................................................................................................. 116 3.4.5. Nationaldenkmal und öffentlicher Raum zur Zeit des Faschismus 1922-1942 ............................................................................................................................... 120 3.5. Der Umbau des Zentrums .................................................................................. 123 3.5.1. Die Beschlagnahmung und Umnutzung des Palazzo Venezia und des ‚Deutschen Kapitols‘ 1916-1929 .......................................................................... 123 3.5.2. Die Freistellung des Kapitolshügels, der Bau der Via del Mare und der Ausbau der Piazza Venezia ................................................................................... 133 3.5.3 Die Via dell’Impero ..................................................................................... 142 3.5.4. Wettbewerb und Bau des Palazzo Littorio und Ausbau der Via dell’Impero ............................................................................................................................... 151 4. Schlußbemerkung ...................................................................................................... 159 5. Bibliographie ............................................................................................................. 164 6. Abbildunglegende und Abbildungssverzeichnis ....................................................... 177 Abbildungen Erklärung 2 1. Einleitung 1.1. Einführung Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist das Erscheinungsbild der Stadt Rom. Im Zentrum stehen die umfangreichen städtebaulichen Maßnahmen, die zwischen den 1870er und den 1940er Jahren innerhalb des durch die aurelianische Mauer definierten Stadtareals durchgeführt wurden. In dieser Zeit von 1871 bis 1942 wurde die historische Stadt sowohl zu einer Roma moderna als auch zu einer Roma monumentale umgebaut. Dabei handelt es sich um einen die politischen Herrschaftssysteme des liberalen Nationalstaates (1870-1922) und der faschistischen Diktatur (1922-1942) verbindenden Prozeß.1 Mit der das dominium temporale des Papstes beendenden militärischen Einnahme Roms im Jahre 1870 und dem im darauffolgenden Jahr erfolgten parlamentarischen Beschluß zum Umzug der italienischen Kapitale von Florenz nach Rom begann die Phase radikaler Umgestaltung. Die mit dem Hauptstadtumzug verbundene Herausforderung städtebaulicher Modernisierung war ein Aspekt des Umbauprozesses, weit wesentlicher allerdings war die Neudefinition der Stadt als ‚Drittes Rom’, also als würdige Nachfolgerin des ersten, antiken und des zweiten, päpstlichen Rom. Die städtebauliche Modernisierung schloß eine Vielzahl von Maßnahmen ein. Dazu gehörten die Erschließung einer funktionsfähigen Infrastruktur für den gesamten Regierungsapparat, die Anpassung der Stadtstruktur an anwachsende Mobilitätserfordernisse und die Bereitstellung von Wohnraum für den absehbaren Bevölkerungszuwachs durch den nach Rom beorderten Regierungs- und Beamtenapparat und die nicht absehbare Bevölkerungszunahme aufgrund der nach Rom stattfindenden Binnenmigration aus ganz Italien. Die Expansion der Stadt im Übergang zu einer Millionenmetropole wurde durch die Entstehung neuer, um den historischen Stadtkern wachsender, Stadtviertel begleitet. Damit entstand die Notwendigkeit, neue verkehrstechnische Verbindungen zu schaffen. Dieser Modernisierungsprozeß hatte weitreichende Folgen für das architektonische Erbe und die städtebauliche Substanz. Er 1 Siehe hierzu BAUER, Roma Capitale, 1997 und KOSTOF, The third Rome, 1973. Kostof hat als Ende des Umbauprozesses der Stadt bewußt das Jahr 1950 gesetzt. 1950 fand die Eröffnung der Via della Conciliazione und des Neubaus der Stazione Termini statt. Damit kamen Eingriffe, die bereits in der Zeit faschistischer Herrschaft innerhalb der aurelianischen Mauer begonnen wurden, zu einem Ende. Vgl. KOSTOF, The third Rome, 1973, S. 9. 3 führte zur Zerstörung gewachsener Stadtstrukturen durch sventramenti, dem Anlegen langer Straßenzüge. Dabei wurden im besten Fall für die vorhandene Bausubstanz bereits bestehende Verkehrswege durch Straßenverbreiterungen aufgenommen. Im schlechtesten Fall allerdings wurden um eine neue Verkehrsachse anzulegen bevölkerungsreiche Wohnquartiere niedergelegt und die dort lebende Bevölkerung umgesiedelt. Am Ende solcher Maßnahmen war dann ein Stück der Stadtstruktur, der Architektur und der Sozialgeschichte der Stadt Rom verschwunden. Parallel zu dieser Form städtebaulicher Modernisierung wurden zur ästhetischen Aufwertung der Stadt Freistellungen von Architekturdenkmälern des antiken und christlichen Rom vorgenommen, die sogenannten isolamenti. Da sie meist das Ergebnis von Zerstörungen als minderwertig eingestufter historischer Bausubstanz im Denkmalsumfeld waren, hatten sie ähnlich weitreichende Folgen für die historische Bausubstanz wie die sventramenti. Insbesondere in faschistischer Zeit ergänzten sich diese beiden Formen des Stadtumbaus, wie z.B. bei der Anlage der Via dell’Impero, die nicht nur eine Verkehrsverbindung zwischen dem Zentrum und den neu entstehenden Stadtvierteln vor der Porta San Giovanni schaffen sollte, sondern gleichzeitig auch die aufwendige Freilegung der Kaiserforen erschloß. Entgegen der Option, das Dritte Rom außerhalb des von der Aurelianischen Mauer umschlossenen Stadtkerns entstehen zu lassen, etablierte sich die städtebauliche Tendenz, das neue Rom nicht räumlich getrennt vom antiken und päpstlichen Rom entstehen