Inszenierter Skandal Als Apologie?
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Inszenierter Skandal als Apologie? Die Memoiren der Hortense und Marie Mancini Dissertation im Fachbereich II – Romanistik Universität Trier vorgelegt von: Kirsten Beckmann Widmung Meinem geliebten Vater, Heiko Beckmann, der mich immer durch viele Anregungen, Gedanken und seinen Beistand in schwierigen Momenten unterstützt hat Geleitwort Die Beschäftigung mit den Memoiren der Hortense und Marie Mancini hat das Leben der Verfasserin eine Reihe von Jahren hindurch begleitet, in denen die anfängliche Skepsis einem „genus humile“ oder einem nicht präzis der Historiographie oder der schöngeistigen Literatur zuzuordnenden Zwitterwesen einer schließlichen Begeisterung für das Schicksal der beiden Protagonistinnen und ihrer Werke gewichen ist, die abgesehen von den Erinnerungen der Marguerite de Valois als erste Memoiren von Frauen in Anstoß und Aufsehen erregender Weise zu Lebzeiten der Autorinnen erschienen sind. Die Werke der Mademoiselle de Montpensier, der Madame de Motteville u.a. wurden bekanntlich posthum publiziert. Die Memorialistinnen gehörten einer berühmten Familie an und standen durch ihre Verwandtschaft mit dem Kardinal Mazarin eine Zeitlang im Zentrum des zeitgenössischen Interesses. So ist es nicht verwunderlich, daß es komplementär zu ihren Schriften einen reichhaltigen Briefwechsel gibt, der neben wichtigen anderen Personen der Epoche, sei es als Adressaten, sei es als Emittenten, vor allem den Kardinal, weitere Familienmitglieder, den Fürsten Colonna und sogar den Sonnenkönig selbst betrifft und der für die Veri- oder Falsifikation herangezogen werden kann. Auch in den Erinnerungen berühmter schriftstellerisch tätiger Frauen und Männer ihrer Zeit wurden die Schwestern Mancini nicht übergangen und häufig mit Tadel oder Spott versehen, dann aber auch mit Bewunderung, ja geradezu Enthusiasmus gefeiert, denkt man an die Lobeshymnen und Vergötterungen des St. Evremond, der seine angebetete Hortense überschwenglich feiert. Diese Erwähnungen werden ebenfalls bei der Bearbeitung der Memoiren Berücksichtigung finden. Die wesentlichen Plätze, die für Marie und Hortense Mancini von Bedeutung waren, wie z.B. Paris, Rom, London, wurden von der Verfasserin zwecks Forschungen aufgesucht und je intensiver die Beschäftigung mit den Memoiren an Ort und Stelle war, desto lebendiger wurde der Einblick in das Leben zweier Menschen, die zu ihrer Zeit einige Jahre hindurch von sich reden machten und nicht ohne politische Bedeutung waren, was für Marie in besonderer Weise gilt. So ist es ein bewegendes Erlebnis gewesen, im Benediktinerkloster „Santa Scolastica“ in dem ein wenig abgeschiedenen Subiaco die große Zahl der weitgehend unkatalogisierten Briefe der Prinzessin Colonna durchsehen zu können. Diese Briefe, in denen sich der große Teil eines Lebens spiegelt, sind als korrigierende oder erläuternde Erhellung der Memoiren von Bedeutung. Zu erwähnen wäre folgerichtig auch Pisa, hier die kleine Kirche San Sepolcro, in der eine relativ schlichte Grabplatte das Ende der Maria Mancini dokumentiert, die den Gipfel ihrer Berühmtheit durch die Nähe zu dem alles überstrahlenden jungen König Ludwig XIV. erreicht hat und die nach der endgültigen Trennung von diesem nur noch die Gemeinsamkeit mit ihm hatte, im gleichen Jahr zu sterben. Bei meinen Forschungen sind mir viele Personen hilfreich gewesen. An erster Stelle soll hier mein verehrter Professor Dr. Karl-Heinz Bender genannt werden, der mich stets ermuntert und meine Arbeit mit exzellenten Ratschlägen begleitet hat. Ferner verdanke ich wertvolle Anregungen Herrn Professor Dr. Köhler und Herrn Professor Dr. Kleber, die mich auf manche Bezüge und Bedeutungen hingewiesen haben. Nicht vergessen möchte ich die Damen und Herren in der Bibliothek des British Museum, in der Bibliothèque Nationale in Paris und vor allem die Bibliothekare und Archivare im Kloster Santa Scolastica Maria Antonietta Orlandi, Piero Scalizzi, den Mönch 364, der aus Bescheidenheit seinen Namen nicht nennen wollte, und im besonderen den Direktor Umberto Paluzzi. Gliederung I. Motivationspotential der Memoiren 1 - 4 II. Einleitung 5 -35 II,1 Stand der Forschung 5 -35 II,1,1 Das Leben und die Memoiren der Hortense und Marie 5 -11 Mancini in der Sekundärliteratur II,1,2 Das literarische Genus 12-21 II,1,3 Die Familie Mancini 22-35 II.1.4 Die Editionen 36-41 II.1.4.1 Hortense 36-38 1675: Memoiren der Hortense Mancini Verleger: Pierre Marteau, Köln II.1.4.2 Marie 38-41 II.1.4.2.1 1676: Die apokryphen Memoiren 38-39 Mémoires de M.L.P.M.M. Colonne, grand connétable du royaume de Naples Verleger: Pierre Marteau, Köln II.1.4.2.2 1676: La Vérité dans son jour ou les véritables mémoires 39-40 de Marie Mancini, connétable Colonne II.1.4.2.3 1678: Apologie ou les véritables mémoires de Madame 40-41 Marie Mancini, connétable de Colonna, écrits par Elle-même, Leiden 1679 Köln II,2 Anliegen und Ziele der Arbeit 42-44 III. Die Memoiren 45-262 III.1 Die Memoiren der Hortense Mancini 45-133 III.1.1 Das Prooemium- Ort der Fixierung der apologetischen Intention? 45-52 III.1.2 Die Jugend- Weichenstellung für den späteren Skandal 53-61 III.1.3 Der Kardinal Mazarin- Katalysator des Skandals? 62-69 III.1.4 Der Herzog von Mazarin- Schuldiger am Schicksal seiner Frau? 70-86 III.1.5 Die Geschwister in der Darstellung durch Hortense- 87-97 Zeugen, Komplizen oder Gegner des Skandals? III.1.5.1 Olympe- die Distanzierte 87-89 III.1.5.2 Marie- Komplizin oder Rivalin? 90-94 III.1.5.3 Philippe- Komplize und Kritiker seiner Schwester 94-97 III.1.6 Ludwig XIV.- Gönner und obere Instanz? 98-103 III.1.7 Die Schilderung der Flucht- Skandalgeschichte 104-111 oder Appell an das Mitleid des Lesers? III.1.8 Die Selbstdarstellung der Hortense als 112-118 Konkretisierung der Apologie III.1.9 Darstellungsweise, Stil und Sprache im Dienst der Apologie 119-133 III.2 Die Memoiren der Marie Mancini 134-262 III.2.1 Die definitiven Memoiren der Marie Mancini 134-135 III.2.2 Die Einleitung 136-146 III.2.2.1 Das Empfehlungsschreiben: der Brief Brémonds- 136-141 Fürsprecher für Marie Mancini III.2.2.2 Maries eigenes Vorwort: das Prooemium- eine 141-146 Verfasserin wider Willen III.2.3 Die Jugend Maries- ungeliebtes, aber zielstrebiges 147-159 und kluges Kind III.2.4 Ludwig XIV. und Marie- unerfüllbare Hoffnungen 160-188 III.2.5 Der Kardinal Mazarin in der Darstellung durch Marie- 189-193 Urheber ihrer Ehe mit Colonna und so indirekter Auslöser des Skandals? III.2.6 Marie und der Konnetabel Colonna- eine unerträgliche 194-207 Ehe als Grund für den Skandal? III.2.7 Hortense in der Darstellung durch Marie- Auf und Ab 208-215 einer geschwisterlichen Beziehung III.2.8 Die Trennung vom Konnetabel und das Leben danach- 216-235 ein Appell an die Empathie des Lesers III.2.8.1 Die Flucht von Rom- offener Skandal 216-221 III.2.8.2 Die Klosteraufenthalte in Frankreich- Versuche der 222-224 Abschwächung des Skandals und der Besänftigung der Öffentlichkeit III.2.8.3 Der Aufenthalt in Savoyen- Möglichkeit 225-226 der Rehabilitation? III.2.8.4 Die Reise nach Flandern- romanesk, 227-230 skandalös und ruhelos III.2.8.5 Marie in Spanien- neue Skandale, Hoffnungen 231-235 und Intrigen III.2.9 Die Selbstdarstellung der Marie- realistisches Bild oder 236-246 egozentrische Apologie? III.2.10 Darstellungsweise, Stil und Sprache der Memoiren der 247-262 Marie Mancini als Skandal oder Apologie? IV. Ergebnisse und Nachwort 263-273 IV.1 Inszenierter Skandal als Apologie 263-267 IV.2 Die Bedeutung der Memoiren der Hortense und Marie Mancini 267-273 IV.2.1 Die Bedeutung im Bild der Gesellschaft und Sittengeschichte 267-269 IV.2.2. Die Bedeutung in der Entwicklungsgeschichte der Situation der Frau 269 IV.2.3 Die Bedeutung im geographisch-politischen Kontext 270-271 IV.2.4 Die Bedeutung in der Entwicklung der Memoiren 271-273 V. Anhang 274-285 V. 1 Die Übersetzungen 274-284 V.1.1 Hortense 274-278 V.1.1.1 The Memoires of the Duchess Mazarine, London 1676 274-277 V.1.1.2 Le memorie delle Signora Duchessa Mazarini, Köln 1677 277-278 V.1.2 Marie 278-284 V.1.2.1 La Verdad en su luz o las verdaderas Memorias de Madama 278-280 Maria Manchini, Condestablesa Colona, Zaragoca 1677 V.1.2.2 Le memorie della S.P.M.M. Colonna G. Contestabilessa del 280-281 regno di Napoli, Köln 1678 V.1.2.3 The Apology or the genuine Memoires of Madam Maria 281-284 Manchini, Constabless of Colonna, eldest sister of the Duchess of Mazarine, London 1679 V.2 Genealogie 285 VI. Bibliographie 286-297 1 I. Motivationspotential der Memoiren Als im Jahr 1675 die Memoiren der Hortense Mancini publiziert wurden, stießen sie auf ein sehr großes Interesse, so daß es niemanden verwundert, daß nur geraume Zeit später Erinnerungen ihrer Schwester Marie auf den Markt kamen, die noch von größerer Brisanz waren, da diese in enger Verbindung zu Ludwig XIV. gestanden hatte. Beide Damen konnten damit rechnen, eine breite Leserschaft zu finden, da sie all die Attribute mitbrachten, die in der damaligen Gesellschaft - ein Transfer auf heutige Verhältnisse ist nicht von der Hand zu weisen- allgemeines Interesse wachriefen: 1. Sie waren sehr berühmte Frauen, Hortense besonders schön, Marie von geringerem äußeren Reiz, dafür aber von dem jungen König geliebt. 2. Sie waren durch ihre Ehen Hochadelige und verkehrten in einer Gesellschaft, deren Alltag, deren Abenteuer und Feste, deren Intrigen und Regeln von jeher die Öffentlichkeit faszinierten. 3. Sie waren die Nichten eines berühmten Kardinals und eines mächtigen Politikers, der die Verwandten nutzte, um eine Familie zu gründen, die seinen Interessen diente; deren Nachkommen wurden Fürsten und sie selbst standen im öffentlichen Interesse sowohl durch ihr Verhalten als auch durch ihre Schönheit und ihre zweifellos vorhandene Begabung. 4. Sie kannten von Kindesbeinen an den alles überstrahlenden Monarchen und hatten vor allem in ihrer Kindheit und Jugend vertrauten Umgang mit ihm.