www.apb-tutzing.de | ISSN 1864-5488 | Ausgabe 04-2020

AKADEMIE-REPORT

AKADEMIE FÜR POLITISCHE BILDUNG TUTZING

Schwerpunktthema: Der Reiz des Autoritären

ab Seite 3

Pandemie Kabarett Nachruf H.-J. Vogel Die Welt kämpft mit COVID-19. Mit Wolfgang Krebs kamen Ursula Münch würdigt den im Drei Tagungen beschäftigten gleich vier bayerische Minister- Juli verstorbenen großen sozi- sich mit dem Krisenmanage- präsidenten nach Tutzing und aldemokratischen Politiker und ment und der Frage nach der Holger Paetz las als Pfarrer Gründervater unserer Akade- Beschleunigung von Innovatio- verkleidet seiner „lieben Ge- mie, der immer ein kluger und nen durch die Krise. meinde“ gehörig die Leviten. umsichtiger Ratgeber war. ab Seite 8 ab Seite 19 Seite 21 INHALT

Blick über den See

Inhalt Was während der sog. Flücht- lingskrise die Debatte über Auf- DEMOKRATIE nahmekapazitäten, rechtliche Verpflichtungen der Aufnahme- 3 Der Reiz des Autoritären – staaten sowie die Motive von liberale Demokratien unter Druck Asylbewerbern war, sind wäh- 6 Autoritäre Strukturen auf dem Vormarsch rend der Corona-Pandemie die Infektionszahlen. Es melden sich CORONA-PANDEMIE viele Bürgerinnen und Bürger zu 8 Das Virus ist nicht Kern der Krise Wort, die sich nicht nur über die ökonomischen Folgen der Pan- DIGITALISIERUNG demie Sorgen machen, sondern 10 Technik und Gesellschaft im Turbomodus eine zu weitreichende Einschränkung von Freiheitsrechten be- klagen. Ihre Intuition, dass in „den“ Medien womöglich falsch KOMMUNALPOLITIK berichtet werde und an den politischen Maßnahmen etwas 11 „Das Social Web nicht den „faul“ sei, begründen sie häufig mit „kritischem“ Wissen, das undemokratischen Kräften überlassen“ sie „im Netz“ recherchiert hätten. Den empirisch unterfütterten Argumenten aus der Wissenschaft, die für Laien zwangsläu- POLITISCHE BILDUNG fig nur bedingt nachvollziehbar und schon gar nicht überprüfbar 12 Planspiele im digitalen Raum sind, setzen die selbsternannten „Querdenker“ ihr Bauchgefühl, Schulmathematik, YouTube-Wissen und Empörung entgegen. 13 Herausragende Arbeiten beim neuen Abiturpreis Ein lesenswerter Bericht, der am Konstanzer Lehrstuhl des Historikers Sven Reichardt über die dortige „Querdenken“-De- ZEITGESCHICHTE monstration Anfang Oktober entstanden ist, nimmt die Mit- 14 Die Interpretation des Holocaust glieder der „querdenkenden“ Initiative aber vor dem Vorwurf in Schutz, hier würden sich lediglich Anhänger von Verschwö- RECHTSPOLITIK rungsmythen zusammenfinden. Häufig, so das Ergebnis von Gesprächen mit Demonstrationsteilnehmern, sei die „selbster- 16 Jugend und Recht mächtigende Freude am Gegenwissen, an der Rolle des eigent- KULTUR lichen Experten“ der Antrieb für die Kritiker der Corona-Politik. Wir erleben also aufs Neue, dass kollaborative Wissensspei- 17 Stillstand und Bewegung cher Zugang zu Informationen, aber natürlich auch zu Halb- und 19 „Das wahre Problem steckt Falsch­wissen vermitteln. zwischen den Ohren“ Anstatt diese Informations-Bastler aber voreilig in die Extre­ 20 Vier Ministerpräsidenten auf mistenecke zu stellen, erscheint es sinnvoll, dass Politiker, einen Streich Medienschaffende und Wissenschaftler ihnen mit Informa- tions- und Gesprächsangeboten entgegenkommen. Die Aka- AKADEMIE INTERN demiegründer wussten bereits in den 1950er Jahren, dass die 16 Personalverzeichnis Beschränkung auf eigene Wirklichkeiten einer freiheitlichen De- 16 Impressum mokratie nicht angemessen ist. Das Angebot unserer Akade- 18 Sanierung des Gästehauses schneller mie, Wissenschaftlern, Politikern und interessierten Bürgern ei- als geplant nen ambiguitätstoleranten Austausch zu ermöglichen, ist dem Zeitalter digitaler Netzwerke besonders angemessen. Dabei 21 Die Akademie trauert um den Vater des geht es keineswegs allein um Wissensvermittlung, sondern Akademiegesetzes auch darum, zu einem besseren Verständnis für die differieren- 22 Vor 25 Jahren: Erste Studie zur sozialen den Arbeitsweisen und „Logiken“ der Anderen zu kommen und Lage in Bayern vereinbart auch die unterschiedlichen Kriterien ihrer jeweiligen Arbeitswei- 23 „Eine verpasste Gelegenheit für die se besser zu verstehen. Dazu laden wir Sie ein. Bundesrepublik“ Mit herzlichen Grüßen 24 Neuerscheinungen Ihre 25 Medienspiegel 26 Termine Prof. Dr. Ursula Münch 28 Namen – Nachrichten Direktorin der Akademie für Politische Bildung

TITELFOTOS: TRUMP © GAGE SKIDMORE / CC BY-SA 2.0 · ORBAN © EPP / CC BY 2.0 · PUTIN © KREMLIN.RU / CC BY 4.0 · ERDOGAN © GERALT / PIXABAY

2 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 DEMOKRATIE | T H E M A

Der Reiz des Autoritären – liberale Demokratien unter Druck

Weltweit sind autoritäre Regime auf dem Vormarsch: Antidemokratische und illiberale Strukturen breiten sich aus. Auch in scheinbar gefestigten Demokratien des Westens bekommen Politiker und Parteien mit autoritären Programmen Zustimmung und gelangen sogar in Regierungsverantwortung. Grundrechte und Gewaltenteilung stehen auch in © MESTER einigen EU-Staaten zur Disposition und len Erhebung“ („Wir holen uns unser Land und unser Volk zurück!“). In der aktuellen COVID 19-Pandemie werden teilweise ausgehebelt. sieht Häusler das vereinigte Auftreten einer Mischung von Pandemieskeptikern, Demokratieverächtern und AUCH IN DEUTSCHLAND erkennt der Extremis- Rechtsextremen. Er ordnet die AfD politisch zum musforscher Alexander Häusler (Hochschule Düssel- Rechtspopulismus, zu Teilen aber auch dem Rechtsext- dorf) eine „Strahlkraft des Autoritären“ und im rechts- remismus zu. Er analysierte einen Wandel von der natio- populistischen Lager ein „völkisches Aufbegehren“. nalliberalen Wirtschaftspartei zur radikal rechten Bewe- Zwar gingen laut den „Mitte-Studien“ geschlossen gungspartei, die in den ostdeutschen Bundesländern rechtsextreme Weltbilder zurück, aber einzelne ex­ große Zustimmung finde („Wende 2.0“) und einem treme Einstellungen kontinuierlichen Radikalisierungsprozess unterliege. stiegen an. Insbeson- dere nehmen abwerten- Dieser rechte Kulturkampf stehe für eine Auswei- de Einstellungen gegen- tung des Rassismus, wende sich gegen Feminismus über Zugewanderten zu. und Minderheitenrechte ebenso wie gegen einen Diese Entwicklung sei „Schuldkult“ und trete ein für ein „positives National- nicht losgelöst von den bewusstsein“. Das alles füge sich ein in geschichtsre- Strömungen in Euro- visionistische Parolen wie der vom „Vogelschiss“; und pa zu sehen: Immerhin dem „Mahnmal der Schande“ und gipfele in der For- stelle die Internationale derung nach einer „erinnerungspolitischen Wende“. der Nationalisten mit ih- rer Rechtsaußenfraktion Polarisierung und Wandel „Identität und Demokra- Extremismusforscher Alexander tie“ (ID) mit 76 Mitglie- Häusler sieht auch in Deutschland In den USA sieht Lars Brozus (Stiftung Wissenschaft dern im EU-Parlament eine „Strahlkraft des Autoritären“. und Politik, Berlin) eine politische und ideologische Po- die viertgrößte Fraktion. larisierung – nicht erst seit der Amtsübernahme von Als Merkmale des Rechtspopulismus identifizierte Trump. Die persönliche Verortung in einem der bei- Häusler den Gegensatz zwischen Volk und Elite, eine den politischen Lager werde zum Bestandteil der in- Politik der Feindbilder sowie das Narrativ vom Reini- dividuellen und kollektiven Identität. Das ginge einher gen („Aufräumen“, Säubern“ und „Ausmisten“). mit hoher Loyalität gegenüber der jeweiligen Partei und deren Kandidatinnen und Kandidaten. Die Ausei- Es gebe so etwas wie ein rechtes Erhebungsverspre- nanderentwicklung der Einkommens- und Lebensver- chen: eine zunehmende Selbstermächtigung als rech- hältnisse sei in den USA erheblich ausgeprägter als in te „Ordnungskraft“ und den Aufruf zu einer „nationa- anderen Industriestaaten.

* In Kooperation mit dem Landesverband Bayern der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung (DVPB) und der Europäischen Akademie Bayern e.V. in der Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel am See

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 3 Das „vergessene“ Amerika

DEMOKRATIE

Die Republikaner (die „Grand Old Party“ GOP) muss- len im politischen Prozess zwischen den Wahlen bis ten sich auf die Suche nach neuen Mehrheiten bege- zum Amtsantritt am 20. Januar 2021. Die Nervosität ben. Der demographische und gesellschaftliche Wan- steige obendrein noch durch die Nachbesetzung im del habe die USA gebildeter, (sub-)urbaner, vielfältiger Supreme Court mit der konservativen und streng- und liberaler gemacht. Die Konservativen fürchteten gläubigen Juristin Amy Coney Barrett. die permanente Marginalisierung auf Bundesebene. Die entscheidende Frage der Obama-Wahlen von 2008 Stabilität nach dem Chaos und 2012 lautete: Wie mobilisiert man (Nicht-) Die andere Großmacht Wähler? Die möglichen Russland beleuchtete Antworten lauteten: Die Dominik Tomenendal GOP muss vielfältiger (Europäische Akademie werden oder sie muss Bayern). Er erklärt den das vergessene „fly­ Erfolg des Autokraten over“-Amerika, also die Putin mit der wirtschaft- US-Bundesstaaten zwi- lichen Stabilität und Ord- schen Ost- und West- nung und steigenden küste, aktivieren. Im Er- Gehältern nach zehn gebnis stand 2009 eine Jahren „Jelzin-Chaos“. Radikalisierung statt Li- Seit der Krim-Annexi- beralisierung in Gestalt Lars Brozus beobachtet in den Dominik Tomenendal: „Putin rei- on im Jahr 2014 steige USA eine Verfestigung der phy- tet auf einer Welle des Nationa- der „Tea Party“-Bewe- sischen und psychischen „Wa- lismus.“ seine Popularität auf 87 gung – lange vor Trump. genburgmentalität“. © Schröder (APB) Prozent. Er reite auf ei- ner Welle des Nationa- Der sei eigentlich ein „unwahrscheinlicher Kandi- lismus. Bei einer Umfrage unter Russen nach ihren dat“. Er verkörpere die sozialliberalen Werte New persönlichen Wünschen standen höhere Gehälter an Yorks. Seine persönliche Lebensführung sei kaum der Spitze (24 Prozent). Eine Ausweitung der Demo- kompatibel mit einem christlich-konservativen Welt- kratie ist dagegen nur für vier Prozent wichtig. bild: seine Scheidungen, sein vulgärer Umgangston und sein Geschäftsgebaren. Er beweise ebenso eine 2015 sei das Bruttoinlandsprodukt um 2,5 Prozent hohe politische Flexibilität und sei auch schon mal als zurückgegangen. Ein Drittel der Bevölkerung gelte als demokratischer Präsidentschaftskandidat gehandelt arm und die Bevölkerung schrumpfe. Rente gebe es worden. Seine Vergangenheit als Medienstar und mit 65, aber die durchschnittliche Lebenserwartung Showmaster helfe ihm bei der Darstellung seiner Po- liege bei nur 67 Jahren. Viele Männer erreichten das litik und seine Distanz zur Politik verleihe Glaubwür- Rentenalter gar nicht. Das Gesundheitssystem sei digkeit. Zuspitzen und Polarisieren seien seine wirk- desolat und Korruption gelte als großes Problem. Das samsten Methoden. Fehlen einer strukturierten Opposition mache Putin das Regieren in einem zunehmend autoritären Sys- Sollbruchstellen nach den Wahlen tem relativ leicht.

Brozus beobachtet eine geographische Trennung nach politischen Präfenzen und eine Verfestigung der physischen und psychischen „Wagenburgmenta- lität“. Mit Blick auf den Wahltag am 3. November zeigte sich der Ameri- kaexperte skeptisch: Er glaube we- gen der wahrscheinlich hohen Zahl von Briefwählern nicht an ein schnel- les Wahlergebnis. Ein langer Aus- zählprozess nähre den Verdacht auf Wahlmanipulationen ebenso wie ein mögliches knappes Ergebnis. Schwie- rig seien auch bewusst ambivalen- te Äußerungen Trumps zur Frage, ob er eine Niederlage bei den Präsident- schaftswahlen akzeptieren würde. Es gebe ohnehin zahlreiche Sollbruchstel- © MESTER

4 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 DEMOKRATIE

Bedrohung der Demokratie in Polen einem nationalen „Wir-Gefühl“ und Nationalstolz. Das wurde von der PiS bedient durch eine neue Ge- Auch in Polen, das erst vor 30 Jahren die Militär- und schichtsschreibung, die Polen in der Opferrolle sieht Sowjetherrschaft überwand, breiten sich wieder au- und eine Neuinterpretation historischer Themen, das toritäre Strukturen aus. Polen liegt in einem globalen Umschreiben von Schulbüchern und die Umgestal- Demokratie-Index auf Platz 44. Zum Vergleich: Die tung von Ausstellungen. Liste wird angeführt von Dänemark, Schweden und Norwegen. Hinter Polen liegen von den EU-Ländern Aber es gibt auch eine Minderheit der Polen, die die nur noch Kroatien (46), Malta (49), Bulgarien (54), Ru- PiS-Politik ablehnen. Die Regierung hat seit 2015 den mänien (65) und Ungarn (71). öffentlichen Rundfunk unter ihre Kontrolle gebracht. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen TVP und Polskie- Nach Einschätzung Radio sind inzwischen zum Propaganda-Instrument von Ralf Knobloch (Eu- der PiS geworden. Mehr als 200 Journalisten wurden ropäische Akademie entlassen oder degradiert. Auch private, regierungs- Bayern) spaltet die Po- kritische Medien stehen unter Druck: durch Entzug litik der Regierungspar- von Werbung und Strafanzeigen. Auf einer interna- tei PiS Polen: Die ei- tionalen Rangliste der Pressefreiheit steht Polen auf nen „lieben“ sie, weil Platz 59 von 180 Staaten. zuerst die Wirtschaft kommt – dann der So- Erdogans Machtsystem zialstaat. Es gibt viele Freiheiten für die Un- Ein „Präsidialsystem ternehmer und wenig auf türkische Art“ er- Ralf Knobloch: „In Polen sind Demokratie und Rechtsstaat staatliche Regulierung. läuterte Jochen Zellner, bedroht.“ Die Pro-Kopf-Einkom- der stellvertretende Lei- men und die Wirtschaft ter der Europäischen wachsen. Das Kindergeld beträgt umgerechnet 115 Akademie Bayern. Die Euro, das bringt im ländlichen Raum für zwei oder Wahlerfolge Erdogans mehr Kinder oft mehr als ein schlecht bezahlter Job gründen sich vor allem und reduziert die hohe Armut in großen Familien. auf die Mitte des Lan- Auch die Einführung einer dreizehnten Rente pro Jahr des, während an der lindert die ausgeprägte Altersarmut. Westküste und in An- kara die kemalistische Keine Trennung von Staat und Kirche CHP dominiert und im Jochen Zellner: „Erdogan ist Osten die Kurdenpar- nach der Einführung des Präsidi- Die PiS steht für konservative Werte und ist dabei of- alsystems das alleinige Zentrum tei HDP. Er ist auf die fen homophob. Eine Familie im Sinne der PiS besteht des Staates.“ Unterstützung der Na- traditionell stets aus „Mann, Frau und Kind(ern)“. Bei tionalisten (MHP) an- diesem Thema hat die PiS zudem einen mächtigen gewiesen, deren Vertreter besonders nach dem ge- Verbündeten: die katholische Kirche. scheiterten Militärputsch 2016 viele frei gewordene

In einem Land, in dem 90 Prozent der Einwohner katholisch sind, gilt die Tren- nung von Staat und Kirche nicht. Die PiS inszeniert sich als Beschützerin der Kirche und Hüterin traditioneller Werte. Nach fünf Jahren PiS-Regierung ist die katholische Kirche in Polen mittlerweile mächtig wie lange nicht mehr. Kritiker sehen Polen deshalb bereits auf dem Weg in einen Kirchenstaat. Nationalismus statt Europa

Nach dem EU-Beitritt überlagerte ein eu- ropäisches „Wir-Gefühl“ die polnische, nationale Identität. Dabei hatten viele Po- len durchaus ein starkes Bedürfnis nach © SCHRÖDER (APB)

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 5 THEMA | DEMOKRATIE

Stellen im Staatsapparat besetzten. Bei die- sen „Säuberungen“ haben rund 150.000 bis 180.000 Personen ihre Posten verloren. „Politische Systeme sind nicht unsterblich. Es gibt keine Überlebensgarantien. Weder Erdogan ist politisch von der MHP abhängig und erpressbar. Sie spielt das Zünglein an der für autoritäre, noch leider für demokratische Waage. Dennoch ist er nach der Einführung des Präsidialsystems das alleinige Zentrum Systeme. Heute sterben Demokratien nicht des Staates, das um sich herum Kreise von an- durch Putsche, sondern durch Wahlen.“ hängigen Räten, Büros und Ministerien aufge- baut hat. Die Stärke Erdogans liege aber auch Prof. Dr. Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D., zum 70. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes in der Schwäche der zerstrittenen Opposition. am 23. Mai 2019 in Bamberg Die habe nur einen gemeinsamen Nenner: das Feindbild Erdogan, so Zellner abschließend. Michael Schröder

Autoritäre Strukturen auf dem Vormarsch

Der vorherige Bericht zeigte an nungsfreiheit“, wenn Gastwirte nicht mehr frei darü- ber entscheiden könnten, welcher politischen Partei zahlreichen Beispielen, dass sich in sie ihre Räume vermieten. „Das ist kein liberaler Verfassungsstaat mehr. Und wenn Leute ‚die Mer- vielen Ländern autoritäre Strukturen kel-Diktatur‘ auf den gleichen historischen Müllhau- ausbreiten. Die Schlussdiskussion fen werfen wollen wie einst die DDR, dann ist der Li- beralismus am Ende.“ dieser Tagung unter der Leitung von Auch auf der Ebene Birgit Schmitz-Lenders (Leiterin der der Staaten würde ein Europäischen Akademie Bayern) Land nach dem ande- ren „re-autorisiert“. beschäftigte sich mit den ergebenden Beispiele gebe es ge- nug: Türkei, Polen, Un- Herausforderungen für die Politische garn und die USA (siehe Bildung – nicht nur an Schulen. auch den vorstehenden Beitrag). Dazu komme das „westliche Hofie- WERNER PATZELT, emeritierter Professor für Po- ren“ autoritärer Staaten litikwissenschaft an der TU Dresden, umriss in sei- wie Russland und Chi- nem Impulsvortrag die Probleme, die er in dem Zu- Werner Patzelt erkennt eine in- na. In der Politik würden haltliche Verengung dessen, sammenhang auch in Deutschland sieht: Ausgrenzung was noch gesagt werden kann. die längst für überwun- von Themen und Personen und eine inhaltliche Veren- © Schröder (APB) den gehaltenen Begrif- gung dessen, was noch gesagt werden kann. Aus der fe „Gut gegen Böse“ Attitüde heraus „Wir wissen, was gut tut und ist“ wür- und das „Freund-Feind-Denken“ fröhliche Urständ den eigentlich illiberale Politikvorstellungen propagiert. feiern: „Die liberale Demokratie, der freiheitliche Ver- Aber: „Wer bestimmt, was auszugrenzen ist?“ fragte fassungsstaat und die demokratische Kultur sind so in Patzelt. Digitale Shitstorms im Internet seien die mo- Gefahr.“ Diese Errungenschaften seien in der Welt so derne Form dieser Form von sozialer Ächtung mit einer selten, dass sie unbedingt verteidigt werden müssten. ungeheuren Wirkung und massenhafter Verbreitung. Nötige Nonkonformität „Einengung der Meinungsfreiheit“ Die Aussage „Bei uns gibt es keinen Platz für falsche Für Patzelt ist das der „Kampf um die Durchsetzung Ideen und sie gehören nicht auf Podien“, halte er für der eigenen kulturellen Hegemonie“ gegenüber An- falsch. „Opposition ist wichtig und Nonkonformität ge- dersdenkenden. Er sieht eine „Einengung der Mei- hört zur Liberalität“, sagte der Dresdner Politikwissen-

6 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 DEMOKRATIE

schaftler. „Wir müssen zeigen, dass Kritik notwendig ist, sei Politische Bildung auch zu „verkopft und rational“. aber sie muss vernünftig begründet werden.“ Der Staat „Aufsuchende politische Bildung“ sei wichtiger denn müsse sich von Religion emanzipieren. Dazu gehöre na- je. „Mit welchen Methoden und Formaten kommen türlich auch der Islam. Es gehe nicht an, dass Gottesläs- wir an die ran, die nicht terung verzeihlich sei, aber Karikaturen mit dem Prophe- in unsere Veranstaltun- ten Mohammed nicht gedruckt werden dürften. gen kommen?“ Und Hufer ergänzte: „Wir Minimalkonsens nicht ausweiten wollen ja nicht die ‚Kon- firmation der schon Kon- Politische Bildung müsse die Spielregeln des demo- firmierten‘ vornehmen.“ kratischen Verfassungsstaats vermitteln. Die Akzente Politische Bildner müss- müssten neu und deutlich gesetzt werden: Demokra- ten klarmachen: „Ich tie ist keine Selbstverständlichkeit. Gegner seien zu nehme Dich als Person respektieren und Freiheit sei immer die Freiheit des an, aber ich lehne Dei- Andersdenkenden. Der gesellschaftliche Minimalkon- ne Position ab.“ Gele- sens müsse minimal bleiben und dürfe nicht ausge- gentlich helfe auch eine Markus Gloe: „Manchmal ist weitet werden. Und die Bekundung von Betroffenheit Politische Bildung zu verkopft durchaus resolute An- ersetze noch keine Argumente. Patzelt befürchtet: und rational.“ sprache und Grenzzie- „Der Bereich des Streitigen wird verengt. Wir müs- hung – „besonders bei sen im eigenen Land den Bestrebungen von Re-Au- autoritär gestrickten Persönlichkeiten“. Gloe und Hu- torisierung entgegentreten. Die Bundesrepublik ist ein fer betonten wiederholt die Notwendigkeit von „Bil- Leuchtturm unter den freiheitlichen Demokratien. Er dung, Bildung und nochmals Bildung“. muss dringend bewahrt und verteidigt werden.“ Offensive Auseinandersetzung Klaus-Peter Hufer ist nicht nur Professor an der Uni- versität Duisburg-Essen, sondern auch seit Jahrzehn- Patzelt will „die Leute von rechts stellen und aus ih- ten Praktiker der Politischen Bildung. Besonders be- ren Reden mit unseren Fakten die Luft raus lassen.“ kannt und populär ist sein „Argumentationstraining Das sei anstrengend, aber alles andere sei „Feigheit gegen Stammtischparolen“. Hufer kritisierte an Pat- vor dem Feind“. Er sprach sich dafür aus, Vertreter zelts Ausführungen, der AfD auf Podien einzuladen: „Die offensive Ausein- dass er kein Wort zum andersetzung gehört zur demokratischen Kultur.“ Da- Rassismus gesagt habe bei sei die Diskussionsleitung und Moderation wich- und die AfD nicht er- tig: „Die Argumentation muss man natürlich können. wähnt habe, denn: „Die Sonst gehen die anderen als Sieger vom Feld.“ Neue Rechte will die kulturelle Hegemonie. Bei der Diskussion mit Extremisten und Populis- Die Gefahr der Ausgren- ten komme es darauf an, dass sie Vertrauen zum Ge- zung von Minderheiten sprächspartner haben, auch wenn der eine andere kommt von rechts, nicht Meinung vertritt. „Ich nehme auch Einladungen von von links.“ Und er sieht rechten Parteien an und publiziere in deren Medien durchaus keinen Verlust wie der ‚Jungen Freiheit‘. Deswegen bin ich noch lan- von Wertmaßstäben ge nicht der Pressesprecher der AfD oder von Pegi- Klaus-Peter Hufer: „Die Neue und Moral in der Gesell- Rechte will die kulturelle da“, sagte Patzelt. schaft: „Die Bewegung Hegemonie.“ ‚Fridays for Future‘ ist Falsch verstandene Neutralität eine höchst moralische Angelegenheit.“ Hufer frag- te: „Was hält unsere Gesellschaft noch zusammen, Markus Gloe bedauerte, dass sich Lehrkräfte häufig wenn wir von autoritären Regimen umzingelt sind und nicht in den Disput und in eine kontroverse Diskus- sich auch bei uns Bürgerwehren bilden?“ Er forderte, sion hineintrauen und sich lieber „vermeintlich neut- die Grenzen zwischen illiberalen und freiheitlichen Ide- ral“ verhielten. „Da wird dann lieber über eine extre- en deutlich zu ziehen. mistische oder rassistische Äußerung eines Schülers hinweggehört, um einer Diskussion auszuweichen.“ Neue Formate nötig Diese Zurückhaltung sei aber eine falsch verstande- ne Neutralität, die auch gar nicht gefordert sei. Es Der Landesvorsitzende der DVPB Bayern, Markus gehe nur um parteipolitische Neutralität, nicht um Gloe, meinte, dass Patzelts Akzentuierung nicht rei- Neutralität den Werten der Verfassung gegenüber, che: „Wir müssen uns fragen, wie wir in der Politi- sagte Gloe. schen Bildung mit Emotionen umgehen.“ Manchmal Michael Schröder

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 7 THEMA | CORONA-PANDEMIE

Das Virus ist nicht Kern der Krise

Die Welt kämpft mit der COVID-19- Pandemie. Doch die Herausforderung liegt nicht in der Eindämmung des neuartigen Corona-Virus. Zwei Online-Tagungen zum aktuellen Krisenmanagement zeigten das eigentliche Problem: Die fehlende Kenntnis über Indikatoren und

auslösende Faktoren einer Epidemie. © MESTER

DER AKTUELLE FOKUS der europäischen aber Ebenso fänden auch entsprechende Auslöser im Be- auch der internationalen Debatte liegt – nachvollzieh- reich Umwelt noch immer zu wenig Beachtung. Ge- bar – auf den jeweils nationalen Herausforderungen rade die Veränderungen des Klimas würden künftig im Umgang mit der Pandemie. Weniger Beachtung mehr und mehr dazu beitragen, dass sich der Lebens- finden jedoch auch weiterhin notwendige Warnme- raum von Wildtieren verändert und sich der Kontakt chanismen, übergreifende Konzepte zur Risikobewer- zwischen Mensch und Tier intensiviert. Mikroben tung sowie Kommunikationsstrategien, die Fehlin- würden komplexe Überlebensstrategien entwickeln formationen auffangen können. Damit bestätigt sich und zunehmend Resistenzen gegenüber Medikamen- nicht nur eine ernst zu nehmende Tendenz der ver- ten aufweisen. Die Erwärmung der Erde könnte letz- gangenen Jahre. Vielmehr zeigt sich erneut die Gefahr ten Endes auch zu einem gehäuften Auftreten unbe- für den künftigen Umgang mit Phänomenen wie dem kannter Erreger führen. Zentral sei daher immer die Ausbruch einer Pandemie: Wird deren Eintrittswahr- Frage: Könne man einen Erreger finden und wenn ja, scheinlichkeit unterschätzt, führt dies zwangsäufig zu könne man ihn auch als solchen erkennen? einer falschen Risikobewertung. Tierwelt und Gesundheit verknüpfen Tracey McNamara ist Veterinärpathologin und trug 1999 maßgeblich zur Entdeckung und Identifikation Dieses notwendige Umdenken bestätigte auch Jan des West-Nil-Virus bei. Seither setzt sie sich uner- Cedric Hansen, der seit Jahren im Bereich der Katas- müdlich dafür ein, dass im Rahmen der Erforschung trophenmedizin und Vorsorge für die öffentliche Ge- von Pandemien und Epidemien die Suche nach de- sundheit tätig ist. Seiner Einschätzung nach läge die ren Ursache in der Tierwelt kein Schattendasein eigentliche Krise nicht im Umgang mit dem neuartigen mehr führen muss. Zu Recht machte sie in ihrem Corona-Virus oder mit infektiösen Viruserkrankungen Vortrag darauf aufmerk- an sich. Die eigentliche Krise bestünde in der man- sam, dass nahezu jede gelnden Kenntnis über deren auslösende Parameter Pandemie, die auf eine und über fehlende Indikatoren, selbige zu identifizie- ansteckende Virusin- ren. Daher dürften die Bereiche Umwelt und Tierwelt fektion zurückzufüh- keinesfalls aus der Debatte um geeignete Präventi- ren ist, ihren Ursprung onsmaßnahmen ausgeschlossen werden. Vielmehr im Wildtierbereich hat. müsse der Gesundheitssektor eng mit diesen Sekto- Umso verwunderlicher ren verknüpft werden. sei es, dass der aktuel- le Bericht des Überwa- Gesamtkonzept nötig chungsausschusses der Weltgesundheitsorgani- Auch Björn Stahlhut, Referent im Generalsekretariat sation (WHO) den Vete- des Deutschen Roten Kreuzes und dort zuständig für rinärsektor mit Blick auf gesundheitlichen Bevölkerungsschutz, sieht hier die Tracey McNamara: „Nahezu künftige Maßnahmen Notwendigkeit eines umfassenden und ressortüber- jede Virus-Pandemie hat ihren Ursprung im Wildtierbereich.“ zur Vorbeugung von Epi- greifenden Gesamtkonzeptes sowie die Erstellung © GLOHSA demien nicht erwähnt. eines einheitlichen Indikatorenkatalogs für potentiel-

8 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 CORONA-PANDEMIE

le Gefahren begründet. Man dürfe nicht erst in einer entsprechenden Großlage beginnen, ein Konzept zu erstellen. Man brauche bereits bestehende Struktu- ren, die dann in einer Krise abrufbar seien. Föderalismus neu denken

Die Bundesrepublik habe genau auf diese zu Beginn der Pandemie nicht zurückgreifen können: Es fehlte an Schutzausrüstung, Personal und an Konzepten, An- steckungswege wirksam nachvollziehen zu können. Und auch mit Blick auf den Herbst sehe er entspre- chende Probleme auf die lokalen Behörden zukom- men. So verfüge das Robert Koch-Institut zwar über die notwendige fachliche Expertise, es fehle dort aber an Pragmatikern, die die Regelungen für lokale Ge- sundheitsämter praktikabel machten. Auch dies sei ein Beispiel für die dringende Notwendigkeit, ressort­ übergreifend zu denken und zu handeln. In diesem Zusammenhang müsse man in Deutschland eventuell Afrikanische Staaten konnten ihre Erfahrungen mit der Ebola-Epi- auch über eine Föderalismuskommission 3 nachden- demie von 2014 nutzen. ken. Die solle der Frage nachgehen, wann Kompeten- © EC / ECHO / CC BY-NC-ND 2.0 zen im Bund zu bündeln seien, wenn aktuell länder- übergreifende Großlagen auftreten. Durchschnittsalter der afrikanischen Bevölkerung, das knapp unter 20 Jahren liegt, sowie die Bevölkerungs- Lage in Afrika dichte in verschiedenen Regionen trage zu einer nied- rigen Sterberate bei. Gebiete, in denen vorwiegend äl- Wie effektiv gebündelte Kompetenzen und Struktu- tere Menschen lebten, seien weniger dicht besiedelt ren wirken können, auf die man in einer Krisenlage und die Reisetätigkeit sei hier automatisch niedriger. zurückgreifen kann, zeigte Stefan Göbbels, Oberst- arzt im Sanitätsdienst der Bundeswehr und derzeit Fazit als militärischer medizinischer Berater bei den Verein- ten Nationen in New York tätig, auf. Insbesondere die Insgesamt machten die Diskussionen im Rahmen der WHO warnte zu Beginn der Pandemie vor einer mög- beiden Online-Tagungen eines deutlich: Auf das Auf- lichen unbeherrschbaren Infektionswelle für die Län- treten unbekannter Phänomene wie der schnellen glo- der des afrikanischen Kontinents, die jedoch bislang balen Ausbreitung einer unbekannten und infektiösen so nicht aufgetreten sei. Und das, obwohl die Intensiv- Viruserkrankung können sich Staaten nie hundertpro- kapazitäten auf dem Kontinent im Vergleich zu Europa zentig vorbereiten. Dennoch benötigt es ein künftiges mehr als niedrig seien. Dennoch führten gleiche Maß- Umdenken innerhalb der Debatte um geeignete Prä- nahmen, wie sie die europäischen Länder getroffen ventionsmaßnahmen: Umfassende Vorbeugung muss haben, in den afrikanischen Ländern zu gleichen Er- Ursachenforschung bereits im Tierreich und im Bereich gebnissen bei der Eindämmung von COVID-19. Eine der Umweltveränderungen betreiben. Hierfür müs- Lehre, die man im Umgang mit der Pandemie ziehen sen entsprechende In- könne, sei, dass nicht die Frage nach den erforderli- dikatoren zur Erkennung chen Maßnahmen zentral sei, sondern die nach dem potentieller Gefahren Zeitpunkt ihrer Umsetzung. ressortübergreifend er- arbeitet werden. Insge- Erfahrungen mit Ebola samt müssen Strukturen und Mechanismen für Dies habe verschiedene Gründe: Aufgrund der Er- deren Bewältigung be- fahrungen der afrikanischen Länder im Umgang mit reits vor Ausbruch einer Ebola konnten sie auf bereits etablierte Mechanis- Krise geschaffen und men zurückgreifen und diese deutlich schneller ab- ebenfalls ressortüber- rufen. Entsprechende Kapazitäten wie Testzentren, greifend stetig überprüft die aus Zeiten der Ebola-Epidemie übrig waren, konn- werden, um in einer ten genutzt werden. Gleichzeitig brachten die Men- Großlage keine wertvol- Der 1999 entdeckte West-Nil-Vi- schen eine erstaunliche Disziplin im Umgang mit Hy- le Zeit zu verlieren. rus unter dem Mikroskop © Cynthia Goldsmith, P.E. Rollin, USCDCP gienemaßnahmen und Abstandhalten auf. Auch das Anja Opitz / pixnio.com

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 9 THEMA | DIGITALISIERUNG

Technik und Gesellschaft im Turbomodus Corona hat Entwicklungen verursacht, die die Technik noch weiter in die Mitte der Gesellschaft rücken. Unsere Ta- gung* erörterte Chancen und Probleme.

„CORONA hat viele verschlafene Probleme aufge- zeigt und zu lange überfälligen Innovationen geführt“, so der IT-Sicherheitsexperte Thomas Kittel. Einige © MESTER Entwicklungen seien mit Blick auf die Datensicher- heit aber zweischneidig: Home-Office setze sich im- „Nach Corona: Strategien für Staat und Gesellschaft“ mer stärker durch, doch das existierende Netz weise war das Thema der abschließenden Podiumsdiskussi- dafür nicht die benötigte Bandbreite auf, so der Infor- on. Dagmar Schuller ist CEO und Mitbegründerin des matiker. Viele Firmen sagen daher: „Wir gehen in die Unternehmens audEERING in Gilching. Dieses ent- Cloud“ – und übertragen damit die Daten ins Ausland. wickelt KI-basierte Methoden zur Sprachanalyse. Es wäre ein Gewinn, wenn die Gesellschaft neugieriger Weniger Abhängigkeit von ausländischen Konzernen auf neue Technologien werden und sich diesbezüglich bedeute mehr Aufwand, sagte Dominik Herrmann, In- mehr zutrauen würde, so Schuller. Für den Umgang haber des Lehrstuhls „Privatsphäre und Sicherheit in mit den beschleunigten Entwicklungen sollten wir die Informationssystem“ an der Universität Bamberg. Er Haltung entwickeln, dass nicht gleich alles perfekt sein plädierte für die Förderung und Subventionierung von müsse, und Fehler akzeptieren – um daraus zu lernen. selbstbetriebenen Plattformen und mehr Kompetenz vor Ort, zum Beispiel Systemadministratoren an Schulen. Die erfahrene Beamtin Dorit Bosch, zurzeit als Re- ferentin bei der Staatsministerin für Digitalisierung im Digitale Daseinsvorsorge Bundeskanzleramt tätig, engagiert sich auch privat für die Transformation von Staat und Verwaltung: Regel- Alexander von Gernler, Abteilungsleiter Research und mäßig wird auf die Politik verwiesen, wenn man an- Innovation bei der genua GmbH, regte an, Internet-, gesichts von Wandlungsprozessen nicht mehr weiter Cloud- und Open-Source-Strukturen als Bestandteil weiß, sagte sie. Das Instrument für die Politik, konkre- der Daseinsvorsorge zu betrachten. Die Basisstruktu- te staatliche Maßnahmen zu entwickeln und umzuset- ren könnten staatlich gefördert werden und auf dieser zen, sei die Verwaltung. Grundlage dann Wettbewerb entstehen. Doch wie gelangen gesellschaftliche Wandlungen in Stefan Taing ist Geschäftsführer der M3i Indus- die Verwaltung? Viele gute Ideen seien unterwegs. Um trie-in-Klinik Plattform GmbH in München. Sein Unter- diese zu bündeln und Lösungen umzusetzen, müssten nehmen entwickelt KI-Lösungen für Medizintechnik alle an einen Tisch kommen, ihre „Expertenblasen ver- und ist dafür auf (anonymisierte) sensible Gesundheits- lassen“ und agile Strukturen entwickelt werden daten angewiesen. Er schilderte die Zusammenarbeit mit Kliniken und Ethik-Kommissionen und hob die Be- Cornelia Gottbehüt ist Leiterin Öffentlicher Sektor, deutung von Datenspenden hervor. Consulting im deutschsprachigen Raum bei EY. Sie setzte sich dafür ein, die aktuellen Wandlungsprozes- Ulrike Lucke vom Institut für Informatik und Com- se mit einer Diskussion über digitale Nachhaltigkeit zu putational Science der Universität Potsdam blickte auf begleiten. Umweltbelastungen entstünden auch durch die schlagartige Ausweitung digitaler Bildungstechno- Stromverbrauch in Rechenzentren, Suchanfragen und logien. Sie trat für ein Miteinander von Analog- und den schnellen Wechsel auf das neueste Smart­phone- Digitalformaten in der Lehre ein. „Es muss vielfältig Modell. Bei dem derzeit laufenden digitalen Aufrüs- bleiben“, sagte Lucke. Es sollte sowohl synchrone als tungsprozess sollten wir auch im Kopf haben, was das auch asynchrone, sowohl zentrale als auch dezentrale alles für die Gesellschaft bedeute, so Gottbehüt. Lehrveranstaltungen geben. Gero Kellermann

* In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Informatik e.V. und der Initiative D21 e.V.

10 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 KOMMUNALPOLITIK | T H E M A

„Das Social Web nicht den undemokratischen Kräften überlassen“ Kommunalpolitik findet nicht ten“, sagt der Kommu- nikationswissenschaft- mehr nur im Gemeinderat und am ler. Was ankommt, sind Emotionen, Persona- Stammtisch statt, sondern auch lisierung und Humor. auf Social Media. Im Workshop Das können alte Fotos aus dem Ort, ein Video „Der digitale Bürgermeister“ vom Besuch beim Lieb- lingsmetzger oder eine haben Kommunalpolitikerinnen Online-Bürgersprech- und Kommunalpolitiker gelernt, stunde sein. wie sie Facebook und Co. für ihre André Haller empfiehlt, eine Ein Bürgermeister, der Strategie für die digitale Kom- Bürgerkommunikation nutzen können. munikation zu entwickeln. all das seit Jahren um- © Winterer (APB) setzt, ist Ralph Edelhäu- ßer aus dem mittelfrän- „WIR DÜRFEN DAS SOCIAL WEB nicht den un- kischen Roth. Alle sechs Wochen setzt er sich vor demokratischen Kräften überlassen“, sagt Markus Kai- die Kamera und beantwortet im Livestream auf Face­ ser, Professor für Praktischen Journalismus an der TH book und Instagram Fragen, die ihm Bürgerinnen Nürnberg. Deshalb empfiehlt er auch Kommunalpoli- und Bürger schicken. „Das ist wie eine Aufklärungs- tikerinnen und Kommunalpolitikern, auf Facebook, In- stunde. Viele kennen die Fakten nicht, wenn sie et- stagram und Co. aktiv zu werden. Hinzu kommt, dass was fordern“, sagt Edel- sie dort auch Bürger erreichen, die längst keine Ta- häußer. Die Betreuung geszeitung mehr abonniert haben und kaum am Ver- der Kanäle sei für ihn einsleben im Ort teilnehmen. Um Bürgermeisterinnen, „ein Riesenzeitfresser“, Kreisräten, Stadträtinnen und Landräten den Einstieg aber die Resonanz auf in die sozialen Netzwerke zu erleichtern, haben Ex- seine Online-Sprech- perten aus Kommunikationswissenschaft und Journa- stunden wesentlich hö- lismus Vorträge und Workshops an der Akademie für her als bei persönlichen Politische Bildung und der TH Nürnberg angeboten. und Telefonsprechstun- den. Von 15 bis 70 Jahre Richtige Plattform wählen reicht das Alter der Teil- nehmer. „Und es kom- Zunächst geht es um die Frage, welche Plattform für men viel weniger blöde Kommunalpolitiker die richtige ist. Facebook? Twitter? Fragen als bei norma- Bürgermeister Ralph Edelhäußer beantwortet regelmäßig im Instagram? Oder gar TikTok? „Bloß nicht verzetteln len Facebook-Posts“, Livestream auf Facebook und und nicht überall dabei sein“, rät Kaiser. Hochwerti- erzählt er. Instagram Fragen. ge Inhalte auf einem Kanal seien sinnvoller als aus- tauschbarer Content, der breit gestreut wird. Müsste Dennoch fürchten sich viele Kommunalpolitiker, in Kaiser sich für ein Netzwerk entscheiden, würde er den sozialen Netzwerken einen Shitstorm auszulö- Facebook wählen und auch in Gruppen aus der Stadt sen, den sie nicht mehr kontrollieren können. Kaiser oder Gemeinde mitdiskutieren. „Die ganz Jungen er- beruhigt sie: „Wenn Sie selbst nicht mitreden, heißt reichen Sie da aber nicht mehr“, gibt er zu. „Die sind das nicht, dass auf Social Media nicht über Sie gere- bei Instagram oder schon bei TikTok.“ det wird. Wer online ist, kann sich zumindest weh- ren.“ Wie gute Krisenkommunikation aussieht, weiß Emotionen kommen an Eva Werner von der Kommunikationsagentur Achter- knoten. Schnell, empathisch, verantwortungsvoll und Ist der eigene Account erstmal erstellt, geht es an ehrlich nennt sie als Stichworte für eine angemesse- die Umsetzung. „Aber nicht zu schnell schießen“, ne Reaktion. „Und bloß nicht den Kopf in den Sand warnt André Haller von der FH Kufstein. Er empfiehlt, stecken. Abwarten funktioniert im digitalen Zeitalter zunächst eine Strategie zu entwickeln: Welche The- nicht mehr.“ Wichtig sei, Verantwortung zu überneh- men sind tatsächlich relevant, welche ziehen nur am men. „Das kommt besser an, schließlich geht es um Stammtisch? Womit punktet der politische Gegner? Emotionen“, betont Werner. „Knallharte Kommunalpolitik interessiert die wenigs- Beate Winterer

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 11 THEMA | POLITISCHE BILDUNG

Planspiele im digitalen Raum

Bei einem Expertenworkshop* trafen sich Planspieler und Planspielent­wickler aus Deutschland und Österreich zum Erfahrungsaustausch über die Über- tragbarkeit von analogen Planspielen und Politiksimulationen ins Digitale. Das analoge Spielbrett wird in den digitalen Raum übertragen. © Schröder (APB)

DER WORKSHOP von Claudia Schmitz (Cenan- nungsprozess simulieren. Auch hier wurde mit con- du, Köln) und Detlef Dechant (für die Bundeszentra- ceptboard gearbeitet. Die 30-Tage-Testversion ist le für politische Bildung) befasste sich mit Themen kostenlos im Netz verfügbar. Die aufwändigere Premi- an der Nahtstelle zwischen Politik, Wirtschaft und be- um-Version ist bereits für 6,25 € pro Monat zu haben. triebswirtschaftlichen Fragen. Den aktuellen Aufhän- ger bot die Corona-Pandemie. Das Szenario: Ein Dorf- Ideale Straßenplanung wirtshaus muss wegen Corona für mehrere Wochen schließen. Die Rollen: der Wirt, seine Tochter, Perso- Die analogen Rollenkarten und die Aufgabe (Szena- nal, der Bürgermeister, der Bankdirektor und die ört- rio) werden auf das Board übertragen. Die Rollen- lichen Vereine. Im Spiel werden die Interessen und spieler (z. B. verschiedene Anwohner, Stadträte, Pla- die Konflikte deutlich, die sich nur durch Kommuni- ner, Hausbesitzer, Geschäftsleute) müssen die für sie kation lösen lassen. Mit im Spiel: Politik (Bürgermeis- kostengünstigste Trasse einer neuen Straße durchs ter), Wirtschaft (Bank), Betriebswirtschaft (Wirt) und Stadtviertel planen. Nachdem jeder seine Route digi- Sozialpolitik­ (Personal). tal verlegt hat, beginnen die virtuellen Verhandlungen, z. B. über die Videokonferenzplattform Zoom, da die Analoge Methoden werden digital Teilnehmenden ja nicht in einem Raum sitzen. Welche Routen lassen sich am besten zu welchem Preis mitei- Die Gruppe um Birgit Zürn (Zentrum für Manage- nander vereinbaren, um am Ende realisiert zu werden? mentsimulation (ZMS) an der Dualen Hochschule Ba- den-Württemberg, Stuttgart) und Daniel Bartschat Simulation Verkehrsberuhigung (Playful Insights, Fellbach) probierte zunächst Übun- gen zum „Warmwerden miteinander“ und Kennenler- Nach dieser Übung bekam die Gruppe die konkrete nen im digitalen Raum aus, die anders konstruiert sein Aufgabe, für einen real existierenden Münchner Stadt- müssen und funktionieren als bei einer Präsenzveran- teil (Gärtnerplatzviertel) ein Konzept zur Verkehrsberu- staltung. Zwei Online-Spiele zu betriebswirtschaftli- higung zu entwickeln. Am Anfang stand eine von ihr chen Themen wurden ausprobiert und durchgeführt. selbst entworfene analoge Version des Szenarios und Methoden wie das Worldcafé konnten mit Hilfe des der beteiligten Rollen und Interessen. Danach sollte digitalen Werkzeugs conceptboard ins Digitale über- das Material in den digitalen Raum übertragen wer- tragen werden. Und schließlich wurde die Formel für den. Da die Zeit für diese Phase zu knapp bemessen erfolgreiche Online-Simulationen entwickelt: doppelte war, gibt es die Möglichkeit für die Teilnehmenden, Moderation (Inhalt und Technik), eine sehr stabile In- über den Workshop hinaus online an dem Material ternetverbindung, motivierte Teilnehmende, ein offe- weiter zu arbeiten. Die Verlinkung und Vernetzung nes und interessantes Szenario mit einem klaren Ziel. macht es möglich. Auch dies ist ein Vorteil digitaler Simulationen – nicht nur beim Spiel selbst, sondern In der Gruppe des Münchner Planspielentwicklers bereits in der Phase der Konzeption und Planung. Eric Treske (intrestik) ging es um die Übertragung be- Michael Schröder reits existierender analoger Planspiele zur Verkehrspo- Linktipp litik und Stadtplanung (Great City Helsinki) in eine digi- Conceptboard.com tale Online-Form. Der Vorteil: Teilnehmende können räumlich getrennt voneinander zusammen einen Pla-

* In Zusammenarbeit mit der SAGSAGA (Swiss Austrian German Simulation and Gaming Association) und mit finanzieller Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung

12 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 POLITISCHE BILDUNG | T H E M A

Herausragende Arbeiten beim neuen Abiturpreis

Beeindruckende Leistungen zeigen die Stellenwert: Die Lehrkräfte vermitteln den Schülerin- nen und Schülern Wissen und erziehen sie im Geiste preisgekrönten Einreichungen, die sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ih- rer Werte. Es freut mich sehr, dass sich so viele Schü- mit aktuellen Themen aus Politik und lerinnen und Schüler in ihren Seminararbeiten vertieft Gesellschaft auseinandergesetzt haben. mit Fragen von Politik und Gesellschaft auseinander- gesetzt haben. Bewahrt dieses Interesse und bringt VIER SEMINARARBEITEN von Abiturientinnen Euch mit Euren Überzeugungen und Ideen in den de- und Abiturienten wurden im Maximilianeum von Land- mokratischen Prozess ein.“ tagspräsidentin und Kultusminister Micha- el Piazolo ausgezeichnet. Ausgelobt wurde der neue Der bayerische DVPB-Vorsitzende Markus Gloe Preis vom Landesverband Bayern der Deutschen Ver- würdigte die Arbeiten der einzelnen Preisträgerinnen einigung für Politische Bildung unter Vorsitz von Mar- und Preisträger. Bei der Verleihung waren auch Eltern kus Gloe. Akademiedirektorin Ursula Münch ist Mit- und Lehrkräfte der jungen Laureaten anwesend sowie glied der Jury. Jury-Mitglied Ursula Münch. Landtagswahl als Thema 134 Einreichungen

Der erste Preis über 300 Euro ging an Chiara Möbus Die Jury wählte aus 134 eingereichten Arbeiten vier (König-Karlmann-Gymnasium Altötting). In ihrer Arbeit herausragende aus. Bewertet wurden insbesondere beschäftigte sie sich mit der Landtagswahl 2018. Die die Originalität der Fragestellung, die Problemorien- weiteren Preisträger sind: Michael Klotz (Louise-Schroe- tierung, der aktuelle Bezug, eine multiperspektivische der-Gymnasium München), Julian Regnery und Amrei Vorgehensweise, ein erkennbarer Anteil an Eigenaktivi- Schindele (beide Allgäu Gymnasium Kempten). Sie er- tät im Verhältnis zur Quellenarbeit, die Anwendung von hielten Preisgelder in Höhe von 200 und 100 Euro. Zu- Recherchemethoden sowie die überzeugende Formu- sätzlich bekamen sie Gutscheine für die Teilnahme an lierung eines plausiblen Ergebnisses. Unterstützer des Angeboten der Akademie für Politische Bildung. Projektes sind neben der Akademie das Geschwis- ter-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Lud- Ilse Aigner zeigte sich beeindruckt von der Leistung wig-Maximilians-Universität München sowie das Bay- der Abiturientinnen und Abiturienten und betonte in erische Kultusministerium. Mit dem Preis sollen auch ihrer Rede mit Blick auf die gegenwärtigen Heraus- künftig die politische Bildung und das Demokratiever- forderungen in der Corona-Pandemie: „Die Demo- ständnis bei jungen Menschen gefördert werden. kratie ist eine Aufgabe, bei der es nicht so sehr um geschriebene Gesetze und Verordnungen geht. De- Wegen der Corona-Pandemie konnte die Verleihung mokratie lässt sich nicht verordnen. Vielmehr geht es leider nur in kleinem Rahmen abgehalten werden. um die ungeschriebenen Gesetze des Zusammenle- Michael Schröder bens, also um das, was man in einem de- mokratisch verfassten Gemeinwesen tut – und was nicht.“ Die Landtagspräsiden- tin appellierte an die Jugendlichen: „Blei- ben Sie dran an der Politik! Bleiben Sie po- litisch so interessiert, wie Sie es mit Ihren Seminararbeiten bewiesen haben und nut- zen Sie alle Möglichkeiten der Teilhabe, die es in Politik und Gesellschaft gibt!“ „Demokratie mitgestalten“

Kultusminister Michael Piazolo gratulier- te den Preisträgerinnen und Preisträgern und betonte: „Wir wollen, dass die jungen Die Preisträger des Abiturpreises: Michael Klotz, Chiara Möbus (1. Preis), Am- Menschen sich zu mündigen Bürgerinnen rei Schindele und Julian Regnery (1. Reihe von links). Dahinter Landtagspräsi- und Bürgern entwickeln, die unsere Demo- dentin Ilse Aigner (2. Reihe, Mitte), Kultusminister Michael Piazolo (2. Reihe rechts), Ursula Münch (3. Reihe links), Bernhard Hof (3. Reihe rechts) und Prof. kratie mitgestalten. Politische Bildung hat Markus Gloe (2. Reihe links) an den bayerischen Schulen einen hohen © Bildarchiv Bayerischer Landtag, Foto: Rolf Poss

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 13 THEMA | ZEITGESCHICHTE

Die Interpretation des Holocaust Deutsch-israelische Tagung in Corona-Zeiten im digitalen Format

„About my sister who went up in smoke to heaven I know but two things: Her name and my life in her place“.

MIT DIESEN WORTEN beschrieb die 1947 in Ru- mänien geborene Agi Mishol, deren Eltern als Ho- Transport verhafteter Juden auf einem LKW in Polen locaust-Überlebende 1950 nach Israel emigriert wa- im September 1939 ren, die Bedeutung der Toten für die Lebenden. Das © Bundesarchiv Bild 101I-380-0069-33 Wissen, dass sie heute für andere am Leben waren, stellte für viele eine große Verantwortung dar. Denn Dan Pagis, der 1930 ebenfalls in Rumänien geboren sie fühlten sich gezwungen, eine Lücke auszufüllen wurde und 1941 im rumänisch besetzten Teil der Uk- und das Leben eines/einer Verstorbenen mit dem ei- raine in ein Ghetto gesperrt wurde, hatte das Grauen genen Leben mitzugestalten. selbst miterlebt. 1946 emigrierte er nach Palästina. In einem Gedicht beschrieb er, wie die biblische Eva mit Unbeschreibliches beschreiben ihrem Sohn Abel in einem Deportationszug eine Nach- richt für ihren Sohn Kain an der Holzwand hinterließ: Das Gedicht von Agi Mishol ist nur eines von vielen „Tell him that I…“, heißt es dort, dann bricht das Ge- Beispielen, das die an der Hebrew Universität in Je- dicht ab. Pagis deutete so an, dass es keine Worte gab, rusalem lehrende Literaturwissenschaftlerin Rachel um das zu beschreiben, was die Menschen erlebten. Korazim dazu nutzte, um im Rahmen einer digitalen deutsch-israelischen Tagung die Rolle des Holocaust Neue Ansätze für die israelische Literatur nach 1948 zu erläutern. Dabei standen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Neben Korazim sprach auch Moshe Zimmermann, insbesondere vor der Frage, wie sie das Unbegreif- Professor an der Hebrew Universität in Jerusalem, liche, das Unbeschreibliche des Holocaust in Worte auf der deutsch-israelischen Tagung. Er betonte da- fassen konnten. bei, dass es vielfältige Konflikte zwischen der wissen- schaftlichen Forschung zum Holocaust und der Interpretation die- ses Verbrechens in Po- litik und Gesellschaft gebe. So würde insbe- sondere die Regierung des Ministerpräsiden- ten Benjamin Netan- jahu betonen, dass der Holocaust einzigartig sei und nicht verglichen werden dürfe. Doch gehe die Forschung u. a. dank der Initiative des Holocaust-Histori- kers Jehuda Bauer von der Gedenkstätte Yad Das Gedicht von Dan Pagis am Eingang des früheren Vernichtungslager Belzec in Polen Vashem in Israel bereits © Camilluccia / CC BY-SA 4.0 / wikimedia commons seit vielen Jahren einen

14 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 ZEITGESCHICHTE

anderen Weg. Der Holocaust werde von israelischen Diese würden aufgrund ihres Anti-Islamismus die is- Wissenschaftlern, aber auch von Forscherinnen und raelische Politik gegen die Palästinenser unterstützen. Forschern in den meisten anderen Staaten weltweit, Im Gegenzug würden diese – etwa durch einen Be- inzwischen in den größeren Kontext von Genozid, Ras- such in der Gedenkstätte Yad Vashem – von der isra- sismus und Stereotypen eingeordnet. Damit habe die elischen Regierung von dem Vorwurf reingewaschen, Wissenschaft viele neue Fragen aufwerfen und bis- antisemitischen Stereotypen anzuhängen. herige Antworten hinterfragen können, ohne dass da- mit die Bedeutung des Holocaust geschmälert würde. Polnische Beteiligung umstritten Höhepunkt von Unterdrückung Die Interpretation des Holocaust als Folge einer über- steigerten Judenfeindschaft, die von der israelischen und Verfolgung Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu forciert werde, führe vielfach zu Problemen, erläuterte Zim- In Israel würde, so Zimmermann weiter, der Holocaust mermann: So hätten viel zu oft aus seinem Kontext herausgelöst. So wüss- Studien ergeben, dass ten die Israelis in der Regel zwar gut über die Ermor- eine Mehrzahl der Israe- dung der europäischen Juden Bescheid, doch hätten lis davon ausgehe, dass sie vielfach nur wenig Wissen über den Verlauf des Polen genauso Schuld Zweiten Weltkriegs. Dadurch fehle es an Hintergrund- am Holocaust trügen informationen, um den Holocaust zu kontextualisieren. wie die Deutschen. For- Offiziell würde zudem der Holocaust vor allem als Hö- schungen, etwa von hepunkt einer jahrtausendealten Geschichte von Unter- Jan Grabowski, beleg- drückung und Verfolgung interpretiert. Die Gründung ten hingegen, dass sich des Staates Israel 1948 erscheine deshalb wie dessen Polen an der Denunzia- folgerichtiger Schluss. Doch könne der Holocaust, so tion von versteckten Ju- betonte Zimmermann, nicht allein aus einer ideologi- den oder der Ausplün- schen Motivation heraus erklärt werden – etwa einem Moshe Zimmermann: „Die Ge- derung von Verfolgten radikalen Antisemitismus der Nationalsozialisten. schichtspolitik der Regierung beteiligten, auch wenn Netanjahu schadet der Erfor- schung des Holocaust.“ Polen letztlich in einer Weit verbreitete Kollaboration © Marvins21/CCO 1.0 Universal untergeordneten Rolle an der systematischen Aktuell werde der Holocaust, ergänzte Tagungsleiter Umsetzung des Holocaust im Generalgouvernement Michael Mayer, von der Wissenschaft vielfach als ein partizipierten. Im Gegensatz dazu habe die polnische sozialer Prozess der Ausgrenzung, Entrechtung, Aus- Regierung versucht, die Mittäterschaft von Polen am raubung und Ermordung der Juden angesehen. Dabei Holocaust weitgehend zu negieren. Am 6. Februar spiele eine judenfeindliche Ideologie der Beteiligten 2018 habe der polnische Präsident Andrzej Duda so- und der Bystanders zwar durchaus eine Rolle, doch gar ein Gesetz unterzeichnet, das die Aussage, Polen könne diese allein nicht erklären, weshalb Verwaltun- hätten sich am Holocaust beteiligt, bestraft. gen und Gesellschaften in allen europäischen Staaten mehr oder minder stark am Holocaust beteiligt gewe- Weites Entgegenkommen sen seien oder von den Verbrechen hätten profitieren wollen. Die jüngsten mikrohistorischen Untersuchun- Die Regierung Netanjahu sei zwar mit diesem Gesetz gen belegten, so Mayer weiter, wie weit verbreitet nicht einverstanden gewesen, so Zimmermann wei- die Kollaboration am Holocaust war. Diese Forschun- ter, habe sich jedoch aus außenpolitischen Gründen gen würden aber nicht die deutsche Schuld an die- zu einer engeren Zusammenarbeit mit Polen entschie- sem Verbrechen relativieren, betonte er. den. Deshalb sei Jerusalem dem polnischen Partner im Konflikt um das umstrittene Holocaust-Gesetz sehr Rechtspopulismus und Anti-Islamismus weit entgegengekommen. In einer gemeinsamen is- raelisch-polnischen Erklärung sei von Jerusalemer Die Geschichtspolitik der Regierung Netanjahu habe, Seite im Juni 2018 schließlich die polnische Version führte Zimmermann weiter aus, einen besorgniserre- der Geschichte akzeptiert worden, wonach es zwar genden Effekt: So versuche Netanjahu, selbst berech- einzelne Fälle von „Brutalität gegen Juden“ durch Po- tigte Formen der Kritik etwa an der israelischen Sied- len gegeben habe, die Mehrzahl der Polen aber Juden lungspolitik als Antisemitismus zu diffamieren. Da sich geschützt hätte. Die Geschichtspolitik der Regierung aber viele Staaten in der Europäischen Union regelmä- Netanjahu, resümierte Zimmermann, schade damit ßig siedlungskritisch äußerten, gebe es eine Tendenz letztlich der Erforschung des Holocaust, die eigent- Netanjahus, mit rechtspopulistischen Regierungen, lich im ureigenen Interesse Israels sein müsste. so etwa in Polen oder Ungarn, zusammenzuarbeiten. Michael Mayer

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 15 THEMA | RECHTSPOLITIK

Jugend und Recht Bei der Lehrkräftefortbildung „Jugend und Recht“ behandeln juristische Praktiker Rechtsgebiete, die für Jugendliche besonders bedeutsam sind. Das Seminar gibt zudem Einblicke in die Arbeit einschlägiger © CC0 PUBLIC DOMAIN / PXHERE.COM Beratungsorganisationen. der Verbraucherzentrale Bayern tätig ist. Sie behan- GRUNDLAGEN des Arbeitsrechts vermittelte der delte die unterschiedlichen Methoden von Influen- Münchener Fachanwalt Torsten Klose anhand von Fäl- cern, vertrags- und urheberrechtliche Belange beim len aus seiner Praxis – von der Anbahnung des Ar- Streaming sowie Rechtsfragen im wachsenden Markt beitsverhältnisses bis zu seiner Beendigung und den von digitalen Spielen, bei denen etwa Kostenfallen bei nachvertraglichen Pflichten. sogenannten In-App-Käufen lauern können.

Die Münchener Strafverteidigerin Birgit Schwerdt Cornelia Ulrich, Leiterin des Familien-Notrufs Mün- erläuterte typische Ursachen für jugendliche Krimina- chen, schilderte typische Probleme von Jugendlichen lität. Dazu gehören zum Beispiel „broken-home“-Si- in der Corona-Pandemie. Ein Stillstand in der „Sturm- tuationen oder fortdauernde Frustrationsphasen in und-Drang-Zeit“, fehlendes Ausprobieren verschie- Schule und Ausbildung. dener Rollen in der eigenen Persönlichkeit und das erschwerte Ausleben des Bedürfnisses nach Selbst- Aktuelle Probleme des Verbraucherschutzrechtes bestimmung bedeuteten in diesen Zeiten eine beson- für Jugendliche waren das Thema der Anwältin Tat- dere Belastung für die Jugendlichen, so Ulrich. jana Halm, die als Referatsleiterin Markt und Recht in Gero Kellermann

Akademiedirektorin: Dr. Michael Mayer Prof. Dr. Ursula Münch Zeitgeschichte Vorsitzender des Kuratoriums: Dr. Anja Opitz Dr. Friedrich Wilhelm Rothenpieler Internationale Politik Vorsitzender des Beirats: Dr. Wolfgang Quaisser Wirtschafts- und Sozialpolitik Prof. Dr. Klaus Meisel Dr. Michael Schröder Kollegium: Medien, Kommunikationspolitik, Öffentlichkeitsarbeit Roberta Astolfi M.A. Dr. Manfred Schwarzmeier Ethische und theoretische Grundlagen der Politik Organisationsreferent Dr. Saskia Hieber Parlamentarismus- und Parteienforschung Internationale Politik, Schwerpunkt Asien-Pazifik Jörg Siegmund M.A. Dr. Andreas Kalina Persönlicher Referent der Direktorin Gesellschaftlicher und politischer Wandel Demokratie- und Wahlforschung, Politikevaluation Dr. Gero Kellermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Staats- und Verfassungsrecht, Rechtspolitik Beate Winterer M.A.

Akademie-Report Herausgeber: Akademie für Politische Bildung Buchensee 1 82327 Tutzing Tel. 08158 / 256-0 Fax 08158 / 256-14 Internet: https://www.apb-tutzing.de E-Mail: [email protected] Redaktion: Prof. Dr. Ursula Münch (verantw.), Dr. Michael Schröder (Redaktion und Gestaltung), Antonia Kreitner (Redaktionsassistenz) Layout-Konzept: Michael Berwanger Agentur Tausendblauwerk www.tausendblauwerk.de Druck: Satz & Druck Molnar Blumenstraße 26 82407 Wielenbach Der Akademie-Report wird kostenlos abgegeben.

16 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 KULTUR | T H E M A

Stillstand und Bewegung

Aus unterschiedlichen Perspektiven Nina Hoss ergänzte, dass derzeit internationale Co-Produktionen praktisch unmöglich seien und be- beleuchtete das 7. Filmgespräch am klagte, dass Schauspieler komplett aus allen Ret- See* die Probleme der Filmbranche tungsprogrammen herausfielen: „Da wir nicht als ‚Kreative‘ eingestuft werden, sind wir auch nicht in in Corona-Zeiten: Drehbuch, Regie, der Künstlersozialkasse“, sagte Hoss. Alle Aufträge Schauspiel und Produktion. Gäste seien weggefallen: Film, Theater und Fernsehen. waren Nina Hoss, Katrin Gebbe und Einen gewissen Vorteil in der Krise sieht Autorin Ka- trin Gebbe: „Ich konnte mit mehr Ruhe und konzent- Nico Hofmann. Bewährte Moderatorin rierter schreiben als sonst. In normalen Zeiten saß ich auch viel am Schreibtisch allein zu Haus. Zum Glück war wieder Sylvia Griss, Leiterin hatte ich noch eine Drehbuchförderung. Ich lebe ja der Redaktion Kultur aktuell beim vom Stoffentwickeln, nicht vom Produzieren.“ Anders bei ihrem Lebenspartner, der Kameramann ist: „Der Bayerischen Rundfunk. kriegte irgendwann die Panik. Er lebt davon, dass er gebucht und gemocht wird.“ NINA HOSS, mehrfach preisgekrönte Theater- und Filmschauspielerin und Trägerin des Hannelore-Els- Kinokrise verschärft ner-Preises 2020, fühlt sich „ausgebremst“: „Alles wurde abgesagt oder verschoben. Ich kann mich nicht Nina Hoss erlebt derzeit eine „Wartesituation“, die sie mehr ausdrücken. Ich bin nur noch ein halber Mensch, nicht sehr hoffnungsvoll stimmt. Sie glaubt, dass sich wenn der Austausch mit dem Publikum fehlt.“ Katrin die Krise des Kinos verschärfen wird: „Den Rückgang Gebbe, Autorin und Regisseurin des Films „Pelikan- der Kinobesuche gab es vor Corona auch schon.“ Das blut“ (mit Nina Hoss) kann das nur bestätigen: „Der werde sich verstetigen. Filmangebote durch Strea- Kinostart sollte eigentlich im März sein. Wir nahmen so richtig Fahrt auf, alles konzentrierte sich auf diesen Termin. Und dann passiert plötzlich nichts mehr. Ich war einfach nur traurig.“

Nico Hofmann ist Regisseur und Chef der UFA-Film- produktion in Babelsberg. „Seit dem schnellen Lock- down im März arbeitet die UFA weitgehend im Home­office. Es gab eine große Solidarität und ext- rem enge Kooperation innerhalb der Produzentenal- lianz. Im Moment können 80 Prozent der Produkti- onen gedreht werden. Zum Jahresende wollen wir wieder bei 100 Prozent sein.“ Die Rahmenbedingun- Diskutierten die Probleme der Filmbranche in der Corona-Krise: gen unter Corona seien zwar schwierig. Alles wer- Katrin Gebbe, Nina Hoss und Nico Hofmann (von links). de teurer und gehe langsamer. Aber das TV-Geschäft © Winterer (APB) habe man „im Griff“. mingdienste hätten während der letzten Monate einen Rettungsschirme reichen nicht ungeheuren Aufschwung genommen. Katrin Gebbe bedauert, dass sie bei Kinobesuchen kaum noch jun- Hofmann gab zu, dass die Existenzsicherung für Selb- ge Leute sieht: „Da gehöre ich mit 37 oft schon zu ständige trotz der Rettungsschirme der Politik im Mo- den Jüngsten.“ Hofmann, der auch als Professor an ment schwierig sei: „Das Geld reicht nicht. Die Kultur Filmhochschulen lehrt, ergänzte, dass „sogar die Hälf- hat innerhalb der Corona-Hilfsfonds genau den Stel- te meiner Studierenden nicht mehr ins Kino geht.“ lenwert, den Kultur in der Politik generell hat. Erst mal kommt Mercedes-Benz, dann das Gorki-Theater.“ Hoss will aber Kino und Filme gucken auf dem Sofa Was fehle, sei ein Ausfallfonds für Produktionen für daheim auch nicht gegeneinander ausspielen. „Aber den Fall von Corona-Infektionen im Team. es ist eben was Besonderes, wenn ich im dunklen

* In Zusammenarbeit mit dem Fünf Seen Filmfestival

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 17 KULTUR

men. „Arthouse muss auch ohne Massenpublikum möglich sein“, sagte sie. Hofmann bestätigte, dass Arthouse-Filme für die Förderung junger Talente exis- tentiell seien. Christian Schwochow sei so ein Bei- spiel. Ohne die Anfänge als Arthouse-Filmemacher hätte er seine inzwischen internationale Karriere nie beginnen können. Boom der Streaming-Dienste

Trotz aller aktuellen Probleme gibt es für Hofmann kei- nen Grund zur Depression: „Es geht schnell wieder aufwärts. Der Bewegtbildsektor wird boomen und es Prominente Gäste beim 7. Filmgespräch am See: Katrin Gebbe, Nina Hoss, Nico Hofmann und Moderatorin Sylvia Griss (von links) wird eine Beschleunigung ohne Ende geben.“ Gebbe © Winterer (APB) ist ebenfalls optimistisch, auch wenn sie meint, dass Streaming-Dienste die öffentlich-rechtlichen Rund- Kino ohne Ablenkung und Störung zwei bis drei Stun- funkanstalten als Auftraggeber ablösen werden. „Vor den in eine andere Welt abtauche und nach dem Film allem das Kino wird kämpfen müssen“, sagte sie. als anderer Mensch wieder herauskomme.“ Main- Michael Schröder streamfilme und Arthouse-Kino gehörten zusam- Siehe auch Presseschau Seite 25

AKADEMIE INTERN

Sanierung des Gästehauses schneller als geplant Die Sanierung unserer Gästezimmer konnte rund vier Wochen früher als geplant abgeschlossen werden. Seit Anfang November sind wieder alle 60 Räume bezugsfertig, in denen Fenster und Heizkörper ausgetauscht wurden. „UNS hat Corona nicht aufgehalten, ganz im Gegen- teil“, sagt der Verwaltungsleiter der Akademie, Josef Hammerschmid. Er leitete seit März die Bauarbeiten am Gästehaus. „Die Baufirmen waren sehr bemüht Die Gästezimmer sind fertig, nun beginnt die energetische Sa- und haben sich beeilt, die Sanierung der Gästezim- nierung der Fassade. mer abzuschließen.“ Pünktlich zu den herbstlichen © Engelen (APB) und winterlichen Temperaturen der nächsten Mona- te sind alle neuen Heizkörper einsatzbereit. ein zusätzliches Nahrungsangebot bieten. Anfang 2021 werden eine Fluchtturmtreppe an der Außen- Während die Sanierung der Gästezimmer abge- wand zur Seeseite und Balkone zur Straßenseite schlossen ist, gehen die Bauarbeiten an der Fassa- montiert. „Wenn alles gut läuft, können die Bauar- de weiter. Von innen elektrisch steuerbare Rollläden beiten im Frühjahr 2021 vollständig beendet wer- wurden an die Fenster montiert. Das provisorische den“, prognostiziert Hammerschmid. Dann kann Wetterschutzdach ist bereits verschwunden. Das der Tagungsbetrieb unter Berücksichtigung der Co- neue Flachdach wird demnächst begrünt. Dazu rona-Beschränkungen mit voller Kapazität wieder wird ein Granulat gestreut, das das Wachstum von aufgenommen werden. Pflanzen anregt, die Bienen und anderen Insekten Anna-Lena Engelen

18 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 KULTUR | T H E M A

„Das wahre Problem steckt zwischen den Ohren“

Als Pfarrer verkleidet – aber leider in Hart ins Gericht ging er mit Corona-Leugnern und übereifrigen Corona-Bekämpfern gleichermaßen. Bei- der „falschen Akademie“ – las der de bekamen gehörig ihr Fett weg. „Ich will mit Gleich- Münchner Kabarettist Holger Paetz in gesinnten demonstrieren, obwohl ich nicht weiß, was die wollen. Und ich will bleiben, was ich bin: unbelehr- Corona-Zeiten seiner „lieben Gemein- bar!“ Auf den Verschwörungstheoretiker und veganen Koch Attila Hildmann anspielend sagte Paetz: „Was de“ gehörig die Leviten. Er bewies, tut der Mann dem Veganismus an? Viele sagen: Wenn dass einem auch in der Pandemie das man dann so wird wie der, dann esse ich das nicht.“ Lachen nicht vergehen muss. Sparen ohne Maske

„STECKT EUCH NICHT AN. Das ist ein Befehl“, Er sieht auch Vorteile in der Pandemie: „Die Bahn rief Paetz seinem Publikum zu. Das sei doch besser wurde pünktlicher, weil weniger Leute damit fah- als das säuselnde „Bleiben Sie gesund!“. Und es ver- ren.“ Die Zahl der Wohnungseinbrüche ging zurück, sprühe deutlich weniger Aerosole als das englische obwohl man den einbrechenden Maskenträger ja gar „Stay healthy“. Das „tee-aitch“ ohne Maske gespro- nicht erkannt hätte. Der Ballermann auf Mallorca ge- chen sei doch „saugefährlich“. Den korrekten Vorbeu- schlossen – Corona sei Dank! „Wir wollen diese aso- ger erkenne man übrigens am „Rotz in der Armbeu- zialen Touristen nicht, die wie die biblische Heuschre- ge“, denn er benutzt kein Taschentuch mehr. ckenplage alles kahl saufen“, sagten die Spanier. „Wir aber auch nicht“, sagt Paetz. Au- Paetz warnte vor Kulturgenuss ßerdem vermindere Corona das in Konzerten. Eine Untersuchung Bauchfett, weil man oft vor ei- der Universität der Bundeswehr nem Laden wegen der vergesse- in Neubiberg habe ergeben, dass nen Maske umkehre. Er rechnete man auf keinen Fall zu nah an der vor, dass man bei einer Bahnfahrt Querflöte sitzen solle. Sie sei Ae- im ICE von München nach Ber- rosole betreffend viel schlimmer lin ohne Maske 710 Euro an Buß- als Trompete und Posaune. Eine geldern sparen könne, wenn man Virenschleuder sondergleichen. sich nicht erwischen lasse. Und Flötisten gelten schon als Aus- die Mexikaner seien inzwischen sätzige und würden sich umschu- sogar bereit, die Mauer an der len lassen. Die vielen Absagen Grenze zu den USA mitzufinan- und Ausfälle von Veranstaltungen zieren, weil dann keine Infizier- hätten ja auch was Erfrischen- ten mehr rüberkämen. des: „Ich verpass‘ nichts, weil: es gibt nichts.“ Trumps Problem

Warum so viele Menschen in Sogar Trump lüge inzwischen „Pfarrer“ Holger Paetz las seiner „lieben Ge- der frühen Phase des Lockdowns meinde“ die Leviten. langsamer, trage mittlerweile Berge von Klopapier gehamstert © Schröder (APB) Maske – meist in der Hosenta- hätten, fragte sich Paetz. Um sche – und gebe zu, das Problem gleich darauf festzustellen: „Die Hefe ist das nächste anfangs verharmlost zu haben. „Aber das wahre Pro- Klopapier. Wir sind ein Volk von Angstbäckern.“ In den blem steckt bei ihm zwischen den Ohren.“ Und „Mar- USA wurden Munition und Trockenfleisch gehortet. kus Kanzler“ habe inzwischen eingestanden: „Nichts Da seien ihm doch die Franzosen viel sympathischer: ist perfekt, auch ich nicht.“ Soviel Selbstkritik gehe Da waren es Kondome und Rotwein. nun aber wirklich zu weit, meinte Paetz, der Wirt- schaftsminister Hubert Aiwanger dafür lobte, Stark- „Pfarrer“ Paetz erinnerte daran, dass die Heilige bier als Medizin gegen Corona empfohlen zu haben. Corona in Arget in der Gemeinde Sauerlach bei Mün- Und an Gesundheitsministerin gewandt chen eine Wallfahrtskapelle hat. Der dortige Pfarrer sagte er: „Eine Rücktrittsdrohung pro Woche reicht.“ verspreche nun einen jährlichen Bittgang für die Ge- Paetz weiß auch, warum Bayern inzwischen Coro- sundheit: „Wenn Du einen Husten hast, mach‘ bei na-Hotspot ist und „immer hotter“ wird: „Spätheim- St. Corona Rast.“ Nicht umsonst sei sie die Patronin kehrer aus Ischgl, die den Sommer in einfachen Ig- der Metzger. lus verbrachten und nun wieder da sind.“ Er verstehe,

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 19 KULTUR

warum Baumärkte früher als Kirchen wieder öffnen denn sie könnte Euch zu sehr ängstigen. Fürchtet durften: „Weil Baumärkte die Kathedralen von heute Euch nicht vor der Wahrheit des Predigers, denn sie- sind.“ In der Kirche suche man Erlösung, im Baumarkt he: Er ist erleuchtet. Fürchtet Euch jedoch vor Klein- den Fachverkäufer – aber beides vergebens. mut beim Applaus, vor zu zaghaftem Geklatsche in beider Eurer Hände. Wahrlich, ich ermahne Euch: Tut Die Wahrheit des Predigers es nicht! Dem Prediger wäre es kein Wohlgefallen. Spendet reichlich und schenkt ihm Euren Jubel aus Paetz schloss seine Predigt mit: „Seid stetig im Glau- übervollem Herzen. Und zwar jetzt!“ Das begeisterte ben an Corona. Fürchtet Euch vor Corona! Fürchtet Publikum tat, wie ihm geheißen. Euch vor Corona-Hochmut, vor der Trägheit des Her- Michael Schröder zens. Und nicht zuletzt: Fürchtet Euch vor der Furcht,

Vier Ministerpräsidenten auf einen Streich Wo Wolfgang Krebs ist, sind , Günther Beckstein, und Markus Söder meist nicht weit. Der Chef-Imitator bayerischer Ministerpräsidenten brachte außerdem noch Schorsch Scheberl aus Untergamskobenzeiß- grubengernhaferlverdimmering und Wolfgang Krebs als Markus Söder philosophierte bei seinem den Vize-Ministerpräsidenten Hubert Auftritt vor allem über sich selbst. © Winterer (APB) Aiwanger mit nach Tutzing. jeden Abend von den Balkonen“, ist er sich sicher. „AUS RATSWOLFHAUSEN, Hausratswolfen, Schließlich werde er „überall gelobt“. Er atmet die Hauswolf... Ach Sie wissen schon. Von drüben, übers „Aerosole der Macht“, plant ein Einreiseverbot für Wasser...“ Wenn Ex-Ministerpräsident Edmund Stoi- Laschet-Wähler nach Bayern und verabschiedet sich ber unserer Akademie in Person von Wolfgang Krebs schließlich zum „Benefiz-Saurüssel-Essen“ auf den einen Besuch abstattet, fliegen die Silben durcheinan- Hof von Hubert Aiwanger. der und Direktorin „Frau Dings“ biegt sich in der ers- ten Reihe vor Lachen über die „gloderne Flut“. Der „Gschaftlhubert“ (unter niederbayerischen Bau- ern liegt der Titel irgendwo zwischen Ehrbekundung und Das ursprüngliche Thema Landflucht ist zwar immer Beleidigung) unterhält das Publikum mit modernen Bau- noch präsent, wenn Schorsch Scheberl, Vorsitzender ernregeln („Ist dein Leben dir zu blass, iss ein Kilo An- aller 30 Ortsvereine von Untergamskobenzeißgruben- anas.“). Außerdem träumt der Möchtegern-Ministerprä- gernhaferlverdimmering, ins Wirtshaus „Zur Toten sident von einem bayerischen Mittel gegen COVID-19. Hose“ lädt und die Jugend unter anderem mit einem Ganzjahresbierzelt im Dorf zu halten versucht. Die Co- Ex-Ministerpräsident und Bundesinnenminister rona-Krise hat aber nicht nur die Rahmenbedingungen Horst Seehofer blieb mit seiner Skepsis gegenüber seines Programms verändert, sondern auch den Inhalt. Virologen inhaltlich etwas blass. Seine blecherne La- So stolpert Stoiber über „Grüngutwerthöfe“ und „Na- che dürfte dem Publikum aber noch auf dem Weg senschmutz“, fuchtelt mit dem Zeigefinger durch die zum Auto in den Ohren geklungen haben. Krebs Luft und bedauert seinen Nachfolger Markus Söder, selbst verließ nach der Stoiber‘schen „Bergpredigt der „die Kosten der Schließmuskeln schultern“ muss. am Starnberger See“ den „Hotspot der guten Gefüh- le“ und versprach, bald wiederzukommen – natürlich Der Krebs-Söder philosophiert bei seinem Auftritt in Begleitung der Ministerpräsidenten. vor allem über sich selbst. „In den Straßen von Nürn- Beate Winterer berg gratulieren mir die Menschen und klatschen Siehe auch Presseschau Seite 25

20 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 AKADEMIE INTERN

Die Akademie trauert um den Vater des Akademiegesetzes

Die Akademie für Politische Bildung hat mit dem am 26. Juli 2020 verstorbenen Dr. Hans-Jochen Vogel einen Gründungsvater verloren.

DENN DER SPÄTERE SPD-POLITIKER schrieb als junger Regierungsrat in der Staatskanzlei von Wil- helm Hoegner den Entwurf für das Akademiegesetz, mit dem die Bildungsstätte in Tutzing gegründet wur- de. Seinen klugen Überlegungen verdankt es die Aka- demie, dass sie bis heute unabhängig und überpartei- lich arbeiten kann. Die Gebrüder Vogel waren 2017 zum letzten Mal beim 75. Ge- burtstag von Heinrich Oberreuter (2. v. l.) gemeinsam in der Aka- demie – links: Akademiedirektorin Ursula Münch. Die Verdienste Vogels in seinen verschiedenen Äm- © Haas (APB) tern – unter anderem als Münchner Oberbürgermeis- ter (1960 bis 1972), Bundesminister der Justiz (1974 die Tätigkeit der Akademie überwacht. Auch in die- bis 1981), Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deut- ser Hinsicht hat der junge Regierungsrat Dr. Vogel, schen Bundestag (1983 bis 1991), SPD-Parteivor- der dem Kuratorium von 1957 bis 1960 selbst ange- sitzender (1987 bis 1991), Kanzlerkandidat der SPD hörte, Weitblick bewiesen. (1983) oder auch als „normaler“ Bundestagsabgeord- neter (bis 1994) – sind so groß, dass in den meisten Hans-Jochen Vogel hat die Arbeit der Akademie bis Nachrufen eine Facette des Wirkens von Dr. Vogel zuletzt aufmerksam verfolgt und immer wieder auch in untergeht: Seine Tätigkeit als junger Mitarbeiter für Briefwechseln und Telefonaten kommentiert. Das letz- den damaligen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner te Mal persönlich in der Akademie anwesend war er (SPD) in der Bayerischen Staatskanzlei. im Oktober 2017, als sein Bruder Bernhard Vogel einen Festvortrag anlässlich des 75. Geburtstages des frühe- Wilhelm Hoegner, der bislang einzige Sozialdemo- ren Akademiedirektors Heinrich Oberreuter gehalten krat im Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten, hatte. Das Bild von den Gebrüdern Vogel, die danach stand von Dezember 1954 bis Oktober 1957 der so ge- noch gemeinsam in unserem „Seestüberl“ saßen, nannten "Viererkoalition" aus SPD, Bayernpartei, FDP bleibt denen, die dabei sein durften, unvergessen. und der Flüchtlingspartei GB/BHE vor. In die Amtszeit der Viererkoalition, deren „größter beziehungsweise Liebenswürdiger und kluger Ratgeber einziger gemeinsamer Nenner“ (Karl-Ulrich Gelberg) die Bildungspolitik war, fiel die Entscheidung, im Frei- Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Akademie, staat Bayern eine Akademie für Politische Bildung zu die Mitglieder unseres Kuratoriums und des Beirats errichten – und zwar auf gesetzlicher Grundlage. trauern um diesen großen Mann. Wir hätten seinen Sachverstand, seinen Rat und seine Hartnäckigkeit Kluge Festlegungen so gern noch viel länger an unserer Seite gewusst. Aber wir trauern nicht nur um ihn, sondern wir dan- Der Referentenentwurf und auch dessen Begrün- ken ihm: Für seine Klugheit und Umsicht. Vor allem dung für das spätere Akademiegesetz stammten aber danken wir ihm für den Entwurf des Akademie- vom 29 Jahre alten Rechtsassessor Dr. Hans-Jo- gesetzes, das die zentrale Grundlage dafür gelegt hat, chen Vogel. Er legte bereits am 31. Juli 1955 – noch dass die Akademie werden konnte, was sie heute ist: vor dem Grünwalder Arbeitskreis aus Wissenschaft- Ein überparteiliches Forum für Wissenschaft, Politik lern und Politikern – den Entwurf vor. Für die Arbeit und Gesellschaft, ein bundesweit hoch geschätztes der Akademie ist dieses Gesetz bis heute wohl das Kompetenzzentrum für politische Bildung und eine Wertvollste, was sie hat. Das in der Bundesrepub- unabhängige Forschungsstätte, die sich um ihre Fi- lik einzigartige Akademiegesetz bestimmt nicht nur, nanzierung auch in Zeiten von Corona keine Sorgen dass die Akademie als „Anstalt des Öffentlichen machen muss. Wir verneigen uns vor einer großen Rechts“ überparteilich arbeitet. Darüber hinaus trifft Persönlichkeit und trauern um einen liebenswürdigen es 1957 kluge Festlegungen etwa über die Beru- und klugen Ratgeber. fung und Zusammensetzung des Kuratoriums, das Ursula Münch

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 21 AKADEMIE INTERN

Vor 25 Jahren: Erste Studie zur sozialen Lage in Bayern vereinbart Im Herbst 1995 haben sich in unserer Akademie der bayerische DGB-Chef Fritz Schösser und die damalige Sozialministerin Barbara Stamm darauf verständigt, dass es in Bayern künftig in regelmäßigen Abständen von staatlicher Seite aus einen offiziellen

Bericht zur sozialen Lage im Freistaat Fritz Schösser und Barbara Stamm 1995 bei der sozialpolitischen Tagung in der Akademie geben soll. © Archiv (APB)

MIT DIESER VEREINBARUNG im Rahmen der ziale Lage benachteiligter Personengruppen in Bayern Tagung „Armut – Soziale Wirklichkeit in einem reichen beschreiben, sie auf ihre Ursachen hin untersuchen und Land“ war der Gewerkschaft ein wirklicher Durchbruch Vorschläge unterbreiten, wie insbesondere durch Maß- gelungen. Hatten doch der DGB sowie die SPD im Baye- nahmen und Hilfen der Landespolitik sowie Änderungen rischen Landtag über lange Jahre hinweg einen Armuts- der bundespolitischen Rahmenbedingungen die festge- bericht gefordert, ohne seitens der Staatsregierung für stellten Probleme gelöst und Defizite beseitigt werden diese Forderung Gehör zu finden. Angesichts dieser stu- können. Wie der Landtag im ersten Beschluss weiter ren Verweigerungshaltung brachte der DGB eine eige- ausgeführt hat, ist zudem auch zu prüfen, inwiefern die ne Armutsstudie auf den Weg, die 1994 unter dem Titel bestehenden sozialen Transferleistungen ihrer Zielset- „Leben ohne Würde. Armut in Bayern“ erschienen ist. zung noch gerecht werden. Mit einem weiteren Be- schluss hat der Landtag den Auftrag zur regelmäßigen Streit um den Titel Sozialberichterstattung u. a. dahingehend weiter konkre- tisiert, dass dabei insbesondere die Lebenslagen von Umso begeisterter zeigte sich Fritz Schösser auf der Arbeitslosen, von kinderreichen Familien und Alleiner- Tutzinger Tagung über die Bereitschaft von Sozialmi- ziehenden, von älteren Menschen, insbesondere älte- nisterin Barbara Stamm „nun ein so heißes sozialpoliti- ren Frauen, und von Ausländern zu berücksichtigen sind. sches Eisen aufzugreifen“. Auch auf der Konferenz war mehrfach Kritik daran geübt worden, dass in Bayern Erster Bericht erst 1999 noch kaum genaue Angaben über die soziale Situation der Bevölkerung vorlagen. Wann konkret der erste Be- Dieser Beschlusslage ist die Bayerische Staatsregie- richt erscheinen, und ob er dann auch wirklich ,,Armuts- rung – wenn auch spät – nachgekommen, indem sie bericht‘‘ heißen werde, war zum damaligen Zeitpunkt 1999 den ersten offiziellen „Bericht der Staatsregie- noch völlig offen. „Wir stehen da erst am Anfang“, hat- rung zur sozialen Lage in Bayern“ vorgelegt hat. Des- te Schösser noch auf der Tagung im September 1995 sen Erstellung hatte sich u. a. aufgrund der so ge- erklärt. Entscheidend sei, dass man so eine Studie nannten „Bündnis(se) für Arbeit“ auf Bundes- und überhaupt auf den Weg gebracht habe. Und Stamm Landesebene und den damit verbundenen sozial- und hob ergänzend hervor, dass man „ohne gesicherte Da- arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sowie der unzu- ten, Fakten und wissenschaftliche Untersuchungen … reichenden Datenlage verzögert. gute Politik nicht auf den Weg bringen“ könne. Als 2009 der zweite Bericht von Sozialministerin Wegweisende Beschlüsse Christine Haderthauer der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war Barbara Stamm bereits Landtagspräsi- Diese mutige Einsicht verhalf letztlich wohl auch dem dentin. Der dritte Sozialbericht folgte im Jahre 2012, Antrag der SPD-Fraktion vom 28. September 1995 zur den vierten und vorerst letzten Bericht verantwortete Landessozialberichterstattung im Landtag zum Erfolg. 2017 Sozialministerin Emilia Müller. Die Grundsteinle- Am 19. März 1996 beauftragte der Landtag mit zwei gung für die bayerische Sozialberichterstattung erfolg- Beschlüssen die Staatsregierung, einen Bericht zur so- te indes 1995 in der Akademie. zialen Lage in Bayern zu erstellen. Dieser muss die so- Steffen H. Elsner

22 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 AKADEMIE INTERN

„Eine verpasste Gelegenheit für die Bundesrepublik“

Im letzten Akademie-Report* wurde bäude in der Königin- straße ein eintägiges Pi- von einer „verpassten Gelegenheit“ lotseminar für die 30 berichtet. Die Akademie hatte wegen Chefhostessen statt. Schon diese alte Villa „beschränkter Kapazitäten“ die Durch- mit ihren holzgetäfelten Wänden war für diese führung von Seminaren der politischen Seminare denkbar unge- Bildung für die Hostessen der Olym- eignet. Wir als Trainer be- gannen in kleinen Grup- piade 1972 abgelehnt. Ursula Männle pen mit Rollenspielen mit den jungen Mädels – war damals an der Akademie und kann nein, das waren eher Da- sich an die Vorgänge rund um diese men. Alles höhere Töch- Ursula Männle war als Trainerin ter, die von Politik nichts bei den Schulungen für Olym- pia-Chefhostessen 1972 in Mün- Programme noch gut erinnern. wissen wollten. Ich frag- chen dabei. te z. B. eine, was sie ma- © privat Frau Männle, wie kam es zu der Entscheidung, die che, wenn ein Gast aus Schulungsprogramme für Olympia-Hostessen nicht in Israel die KZ-Gedenkstätte in Dachau besuchen möch- der Tutzinger Akademie durchzuführen? te. Ihre Antwort: „Dann empfehle ich ihm lieber einen Besuch in der Alten Pinakothek.“ Es war eine unglaub- Der Hauptgrund lag wirklich im Logistischen. Es ging lich geballte Arroganz, Ignoranz und Ablehnung bei den nicht um die Inhalte und diese Schulungen als sol- Chefhostessen zu spüren. Sie wollten diese Schulung – che, die das Kollegium voll befürwortete. Das neue wie schon die Funktionäre – einfach nicht. Wir wussten Gästehaus war damals noch nicht fertig, Tagungsräu- sofort, dass das Experiment schiefgegangen war und me nicht vorhanden und wir konnten so viele Teilneh- mussten danach erst einmal etwas trinken. Dieser Tag merinnen gar nicht unterbringen. Außerdem hätten gehört für mich zu den frustrierendsten Erlebnissen als alle anderen, bereits geplanten Veranstaltungen ab- politische Bildnerin. gesagt werden müssen. Gab es über diesen einen Pilot-Tag hinaus noch wei- Wie kam es dennoch zur Zusammenarbeit mit dem tere Programme? Olympischen Komitee? Nein, die Ablehnung durch die Chefhostessen und vor Die Federführung über das von Bundesinnenminister allem die Sportfunktionäre war eindeutig. Seminare Genscher unterstützte Projekt „Politische Bildung der mit historisch-politischer Bildung für die rund 1.200 Hostessen“ übernahm die Bundeszentrale für politi- Olympia-Hostessen hat es nie gegeben. Es war eine sche Bildung. Sie koordinierte politische Erwachsenen- vertane Gelegenheit für die Bundesrepublik, sich mo- bildner aus der ganzen Bundesrepublik, die – übrigens dern und aufgeklärt zu zeigen. Zu zeigen, dass sich dann bei uns in Tutzing – ein Konzept entwarfen. Die das neue Deutschland seiner NS-Vergangenheit stellt Hostessen sollten den Gästen Fragen zur jüngsten Ge- und bereit ist, aus der Geschichte zu lernen. Gerade schichte, aber auch dem politischen System Deutsch- in München, der „Hauptstadt der Bewegung“, hätte lands beantworten können. Sehr sinnvoll bei der Ge- man so viel erzählen und zeigen können. schichte des 3. Reichs, der Teilung Deutschlands und den Erfahrungen von 68. Neben mir waren von unse- Wurden Sie als Trainerin wenigstens gut bezahlt für rer Akademie Dr. Eckard Colberg und Hans Friedrich dieses gescheiterte Projekt? am Projekt beteiligt. Der Entwurf stieß bei den maß- geblichen Sportfunktionären, die schon von Beginn an Ich kann mich an die genaue Summe nicht mehr er- skeptisch gegenüber politischer Bildung waren, nicht innern, aber es war nicht schlecht. Wir bekamen ein auf Zustimmung, was wohl aufgrund der Vergangen- Honorar für das gesamte Projekt, nicht nur für den ei- heit dieser älteren Herren nicht verwunderlich war. nen Tag mit den Chefhostessen in München. Und es gab noch eine Eintrittskarte für einen Wettkampftag Wie ging es dann mit diesen Programmen weiter? im Olympiastadion. Aber eine Entschädigung für diese Frustration mit den Töchtern aus höheren Kreisen war Man hatte sich darauf geeinigt, zunächst das Programm das trotzdem nicht. Es blieb eine verpasste Chance. mit den Chefhostessen zu erproben und sie entscheiden Das Gespräch führte Michael Schröder zu lassen. In München fand im ehemaligen ADAC-Ge- *Nummer 03-2020, Seite 29

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 23 NEUERSCHEINUNGEN

Wissenschaft Die Sprache von Forschung und Lehre Lenkung durch Konzepte der Ökonomie?

INTERNATIONALES WISSENSCHAFTLICHES ARBEITEN er- zieht in besonderer Weise zu kultureller Toleranz, gedanklicher Offen- heit und Neugier. Unbestritten ist, dass die Wissenschaft vom mehr- sprachigen interkulturellen Austausch profitiert. Gleichwohl dominiert die „Weltsprache Englisch“ seit einiger Zeit nahezu alle strategisch wich- tigen Bereiche gesellschaftlichen Denkens und Handelns. Auch in der Wissenschaft sind andere Sprachen aus zahlreichen Disziplinen fast ver- schwunden. Die Asymmetrie zugunsten der Hegemonialsprache Eng- Ursula Münch, Ralph Mocikat, lisch könnte nicht nur mit wichtigen Chancen, sondern auch mit erhebli- Siegfried Gehrmann, chen Risiken verbunden sein, zu denen beispielsweise ein beschränkter Jörg Siegmund (Hrsg.) Erkenntnisgewinn, eine Verflachung des wissenschaftlichen Austau- Die Sprache von sches, die Ausgrenzung bei gesellschaftlicher Wissensteilhabe und die Forschung und Lehre Begünstigung rein marktorientierter Erkenntnisinteressen zählen. Vor Lenkung durch Konzepte diesem Hintergrund widmet sich der Sammelband der Frage, ob und der Ökonomie? wie sehr eine zunehmende Dominanz unternehmerischer Kategorien in Tutzinger Studien zur Politik, der Wissenschaftskultur mit der Uniformierung allen wissenschaftlichen Band 16 Sprechens zusammenhängt. Nomos, Baden-Baden 2020 ISBN-13: 978-3-8487- 6111-1, 231 Seiten

Migration Integration Teilhabe und Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft

„INTEGRATION“ wird auf vielfache Weise ausgesagt, doch nie als et- was, das gleichgültig wäre. Stets geht es um die Integration von etwas oder jemandem in ein größeres Gebilde. Dabei bezeichnet sie sowohl den Vorgang wie den Zustand: Sie stellt eine Ganzheit her und sie stellt sie dar. Integration sichert die Kohäsion von Gesellschaften, sie sichert deren Problemlösungsfähigkeit und steht für umfassende Teilhabe. Michael Spieker, Christian Hofmann (Hrsg.) Doch ist damit erst eine Aufgabe und keineswegs schon eine Erklä- Integration rung gegeben. Vielfältig sind die damit verbundenen Fragen und impli- Teilhabe und ziten Voraussetzungen: Was ist das für ein Gebilde, in das Integration Zusammenleben­­­ in der Migrationsgesellschaft stattfindet? Wird etwas integriert oder integriert es sich? Gibt es not- wendige Grundlagen, die einer gesellschaftlichen Integration von Indi- Tutzinger Studien zur Politik, Band 17 viduen vorangehen müssen? Was ist das Integrierte, wenn Integration stattgefunden hat? Welcher Zustand ist gegeben, wenn Integration nicht Nomos, Baden-Baden 2020 stattfindet? Wie lässt sich der Prozess der Integration als Bewegung ISBN-13: 978-3-8487- beschreiben, wer bewegt sich dabei? Und nicht zuletzt: Verbindet sich 7680-1, 268 Seiten mit der Sache der Integration ein Sollen und ist sie plan- beziehungswei- se verhinderbar? Beiträge aus Philosophie, Soziologie und Politologie, Rechts- und Erziehungs- sowie Migrations- und Religionswissenschaft beleuchten die normativen Grundlagen und die empirische Situation der Integration in Deutschland.

24 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 MEDIENSPIEGEL

Süddeutsche Zeitung (Starnberg), 27. Juli 2020 Mit „Nasenschmutz“ unter „Hyäne“

In der Donau schwimmen wieder Delfine, ein Kaff mit © ANDREAS HERMSDORF / PIXELIO.DE unverschämt langem Namen hat erfreulicherweise das Ganzjahresbierzelt eingeführt. Aber ansonsten ist Süddeutsche Zeitung (Starnberg), die Lage ernst, Freunde, im Land und auf dem Land. 8. September 2020 Also in Hausratswolfen, Untergamskobenzeißgruben- gernhaferlverdimmering und in Tutzing... Ausgebremst Ja, so redet nur einer: Wolfgang Krebs als drolliger In jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Unter rhetorischer Anarchist Edmund Stoiber. Der Ex-Mi- der Corona-Pandemie leiden Schauspieler, Film, Kino nisterpräsident vermasselt wieder hemmungslos al- und Theater, doch das Fernsehen und die Streaming- les, was Buchstaben hat. Verknotet Sätze ineinander. dienste boomen. Dies ist das Fazit des Filmgesprächs Verschluckt das Wörtchen SPD fast unhörbar. Sticht zum Thema ,,Stillstand und Bewegung – die Filmbran- mit dem linken Zeigefinger Löcher in die Luft. Stellt che in Zeiten der Pandemie"... „Alles ist in Bewegung, fiebernde Leute unter „Hyäne“, faselt vom „Nasen- man kann nichts festhalten", stellte die Schauspielerin schmutz“, will aus der „Hysterie“ lernen, also mehr Nina Hoss fest. Nun müsse man in Bewegung blei- noch aus der Historie. Und ist auch in Krebs‘ neuem ben, damit Neues entsteht... Programm mit dem absurden, aber bayerisch korrek- ten Titel „Geh zu, bleib da“ die Paradenummer. Das Die Regisseurin und Drehbuchautorin Katrin Gebbe restliche Personal hinkt da hinterher, so gut es rein op- hält es für schwierig, die Kultur nach dem Lockdown tisch und stimmlich getroffen ist. Am ehesten kommt wieder hochzufahren. Sie sieht in den Einbrüchen noch der von sich selbst besoffene Markus Söder an durch Corona aber auch ein grundsätzliches Problem. Stoiber heran, weil ihm Krebs ein paar fiese Züge mit- ,,Kultur brauche ich zum Leben, sie ist ein wesentli- gibt. Hubert Aiwanger, der Freund der heiteren Bau- cher Teil der Existenz. Das allerdings betreffe nur die ernregeln („Is dein Leben dir zu blass, dann iss eine ältere Generation. Die Jugend interessiere sich nicht Ananas“), ist fast schon zu original. Horst Seehofer für Film und Theater, sie nutze Streamingdienste. Der besticht vor allem durch sein rostiges Gießkannen-La- Film sollte daher in die kulturelle Erziehung der jünge- chen. Und Joachim Herrmann ist reduziert auf Schne- ren Generation mit einbezogen werden... ckentempo und Ähs...

Der Geschäftsführer der UFA GmbH, Regisseur und Das ist alles sehr lustig, sogar die Werbeeinblen- Filmproduzent Nico Hofmann sagte: ,,Wir erleben ei- dungen der Scheberl-Holding, mit denen Krebs die nen Paradigmenwechsel zu Streaming.“ Er stellte al- Umkleidepausen überbrückt, sind irgendwie heiter. lerdings klar, dass das Kinoerlebnis durch Fernsehen Mit bissigem Kabarett hat das natürlich wenig zu tun. und Streaming nicht ersetzt werden könne. Das sei Krebs reißt keinem die Maske vom Gesicht, noch dazu auf einem kleinen Bildschirm zuhause nicht möglich. in Corona-Zeiten, allenfalls Söder hängt sie schief zwi- ,,Kultur fehlt den Menschen definitiv, in der Begeg- schen den Ohren. Dazu ist die multiple Persönlichkeit nung im Kino, im Theater." Ebenso wie die anderen Krebs ja viel zu sehr Menschenfreund... Diskussionsteilnehmer ist er überzeugt davon, dass die einzelnen Kulturbereiche nicht gegeneinander aus- Warum übrigens Präsident Donald Trump noch ge- gespielt werden dürfen. Man könne die Jugend nicht sund ist? „Ich denk mir“, sagt Stoiber-Krebs , „das Vi- zwingen, ins Kino zu gehen, sagte er... rus hat seinen Stolz“. Sylvia Böhm-Haimerl Gerhard Summer Siehe auch Bericht auf Seite 17 (siehe auch Bericht auf Seite 20)

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 25 TERMINE

Eine Auswahl von Tagungen

© ARCHIV (APB) in den nächsten Monaten

JANUAR 2021

Januar Internationale 2-1 Februar Europa in den Kommunen – 6-3 Herausforderungen Kommunen in Europa 11. – 13. In Kooperation mit dem 12. – 13. Städte und Gemeinden in der EU Bayerischen Bauernverband Leitung: Andreas Kalina Leitung: Saskia Hieber / Waltraud Wiedemann Sekretariat: Viktoria Aratsch Tel. +49 8158 256-53 Sekretariat: Viktoria Aratsch Tel. +49 8158 256-53

Februar Streitkulturen 7-1 Januar 50+ – Wie geht es weiter? 3-5 Medienethische Perspektiven auf Die Zukunft der Hochschulen 18. – 19. gesellschaftliche Diskurse 22. – 23. und die Profession des Hoch­ schullehrers In Zusammenarbeit mit der Friedrich- Alexander-Universität­ Erlangen-Nürnberg In Zusammenarbeit mit dem Verband der und der Fachgruppe Kommunikations- und Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer Medien­ethik in der DGPuK an Fachhochschulen in Bayern e.V. (vhb) Leitung: N.N. / Christian Gürtler / Johanna Haberer / Leitung: Michael Spieker / Jörn Schlingensiepen Marlis Prinzing / Christian Schicha / Julia Serong / Sekretariat: Antonia Kreitner Tel. +49 8158 256-58 Thomas Zeilinger Sekretariat: Simone Zschiegner Tel. +49 8158 256-47 Veranstaltung in Erlangen FEBRUAR 2021 Anmeldung über die Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg Februar Kultur am See 5-3 Februar Sprachkrise und Bildung 7-2 7. Vergelt’s Gott! Das neue Kabarett-Programm 18. – 20. Bildung und symbolische Produktion mit Wolfgang Krebs der Kindheit aus dem Geiste der Leitung: Ursula Münch / Michael Schröder Sprachlosigkeit Sekretariat: Viktoria Aratsch Tel. +49 8158 256-53 In Kooperation mit der Université Sorbonne, Karten für 20 Euro nur über die Rezeption der Paris Akademie ab 11. Januar Leitung: Michael Spieker / Bruno Haas Beginn: 18.30 Uhr Sekretariat: Antonia Kreitner Tel. +49 8158 256-58

Februar *8-3 Tutzinger Schülerforum 22. – 24. In den Akten, in der Welt Deutsche Geschichte in Quellen Leitung: Michael Mayer Sekretariat: Antonia Kreitner Tel. +49 8158 256-58 © SEVERIN SCHWEIGER

26 AKADEMIE-REPORT | 04-2020 TERMINE

MÄRZ 2021

März Kultur am See 9-2 März Digitales Lernen und Lehren in 11- 4 der Corona-Krise Fürchtet Euch! 7. 20. In Zusammenarbeit mit der Evangelischen Die Fastenpredigt von und mit Arbeitsgemeinschaft Medien (EAM) im Pater Paetz Deutschen Evangelischen Frauenbund (DEF), Leitung: Ursula Münch / Michael Schröder Landesverband Bayern e.V. Sekretariat: Alexandra Tatum-Nickolay Tel. +49 8158 256-17 Leitung: Michael Schröder / Sabine Jörk Sekretariat: Viktoria Aratsch Tel. +49 8158 256-53 Karten für 20 Euro nur über die Rezeption der Akademie ab 1. Februar Veranstaltung in Bayreuth Beginn: 18.30 Uhr März Kultur am See 11- 6 21. Dazwischen Klavier – Chanson – Kabarett mit Lucy van Kuhl (Trägerin des Passauer Scharfrichterbeils 2019) Leitung: Ursula Münch / Michael Schröder Sekretariat: Alexandra Tatum-Nickolay Tel. +49 8158 256-17 Karten für 20 Euro nur über die Rezeption der Akademie ab 8. Februar Beginn: 18.30 Uhr © ERIC DREYER

März Bauen in der Warteschleife 10-2

12. – 13. Vom Stillstand zum Richtfest © PAUL ZIMMER In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau März Green Deal 12-2 Leitung: Ursula Münch / Gero Kellermann / Norbert Gebbeken Auf dem Weg in ein „grünes Europa“? Sekretariat: Simone Zschiegner Tel. +49 8158 256-47 26. – 27. In Zusammenarbeit mit Junge Europäische Föderalisten Bayern e.V. März Akademiegespräch am See 10-4 Leitung: Andreas Kalina / Mara Grimminger Sekretariat: Antonia Kreitner Tel. +49 8158 256-58 Zwischen Normenflut und 12. maroden Infrastrukturen: Bauen als Politikum In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau Leitung: Ursula Münch / Gero Kellermann / Norbert Gebbeken Sekretariat: Simone Zschiegner Tel. +49 8158 256-47

BITTE BEACHTEN Wegen der bei Redaktionsschluss noch gültigen Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie stehen der- zeit noch einige Programmankündigungen unter Vorbehalt. Wir bitten um Verständnis. Bitte beachten Sie die aktuellen Programmhinweise sowie unsere digitalen Angebote auf unserer Webseite: www.apb-tutzing.de Wir freuen uns, wenn wir Sie möglichst bald wieder als Gäste eines halbwegs normalen Tagungsbetriebs in unserer Akademie begrüßen können.

04-2020 | AKADEMIE-REPORT 27 AKADEMIE INTERN

Akademie für Politische Bildung, Buchensee 1, 82327 Tutzing 40 1 42656 PSdg Deutsche Post P LESEZONE Frau Verena Emmer Leiterin der Abgeordnetenbüros von Ruhezone StM Dr. Wolfgang Heubisch, MdL und StM Martin Zeil, MdL Rindermarkt 6 80331 München

Namen und Nachrichten aus der Akademie

Direktorin Prof. Dr. Ursula Münch konnte bei konsequenter Parteiendemokratie“. Auf Einladung des Memmin- Einhaltung der „AHA-Regeln“ zumindest im Som- ger Bündnisses für Menschenrechte und Demokra- mer und im Frühherbst erfreulicherweise auch Prä- tie hielt sie in Memmingen einen Vortrag über „Die senzveranstaltungen besuchen: Obwohl die Zahl der rechtsstaatliche Demokratie in der Bewährungspro- Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei zwangsläu- be. Gesellschaft, Medien und Politik in Zeiten der fig überschaubar ist, merkt man in jeder Präsenz- großen Transformationen“, mit einer anschließen- veranstaltung, dass alle Beteiligten den persönlichen den Debatte, die sich anregender darstellte als der Austausch als Bereicherung des häufig von Video- eigentliche Vortrag. Beim 54. Andechser Europatag konferenzen geprägten Arbeitsalltags empfinden. der Paneuropa-Union Deutschland referierte und dis- Anlässlich des 75. Jubiläums des Bayerischen Bau- kutierte die Direktorin zur Frage, ob wir bereits auf ernverbands hielt die Direktorin vor dessen Festprä- dem Weg zu einer „gemeinsamen europäischen sidium einen durchaus kritischen Vortrag zur Stellung Öffentlichkeit“ sind oder ob es sich dabei doch um des Bauernverbands. Bei der Mitgliederversamm- eine Illusion handele. Und einen Online-Vortrag gab lung der „Bayerischen Einigung“ e. V. sprach sie über es dann doch auch noch: Vor Betreuungslehrkräften die „Corona-Politik und ihre Kritiker“. Vor den Mitglie- für Studienreferendare im Fach Sonderpädagogik re- dern des Lions Club Starnberger See-Buzentaurus ferierte Ursula Münch über das Thema „Wachsen- ging es um das Thema „Volksparteien ohne Volk. Ur- de Anforderungen – schwindende Ressourcen: Poli- sachen und mögliche Folgen einer Umwälzung der tische Bildung in Zeiten der Pandemie“.

Kollegium Dr. Michael Mayer wurde vom amerikanischen ropean Leaders“ ausgewählt, das im Oktober/No- Außenministerium für das Programm „Current U.S. vember 2020 aufgrund der COVID-19-Pandemie in Social, Political, and Economic Issues for Young Eu- digitaler Form stattfinden wird.

Tiefgang am See

28 AKADEMIE-REPORT | 04-2020