Schatzkammer Oberschwaben

Unterwegs zur Kunst zwischen Ulm und dem Bodensee

Großformat 320 Seiten, über 400 Fotos im Buchhandel erhältlich 49,90 Euro

Rolf Waldvogel Volker Strohmaier Inhaltsverzeichnis

Einleitung – Barock und noch viel mehr 7 Ulmer Münster – Auf Augenhöhe mit der Antike 8 Kloster Wiblingen – Wachablösung in Weiß und Gold 20 Blaubeurer Hochaltar – Wunderwerk mit Wandelflügeln 30 Kloster Obermarchtal – Nobles Nachtquartier für Marie Antoinette 40 Kloster – Heiliges Theater auf höchstem Niveau 48 Kloster Heiligkreuztal – Neues Leben in einer alten Zisterze 60 Hohenzollernschloss – Ein Museum mit 300 Räumen 70 Kloster Schussenried – Ein Prachtstück aus Nussbaum und Linde 84 Wallfahrtskirche Steinhausen – Marienlob mit heiterer Note 100 Überlinger Münster – Meisterschnitzer zwischen den Zeiten 110 Schloss Salem – Gesamtkunstwerk von höchsten Graden 122 Wallfahrtskirche Birnau – Salve Regina über dem Bodensee 138 Die Mainau – Das Blumenschiff im Bodensee 148 Insel Reichenau – Keimzelle der Klosterkultur 160 Neues Schloss Meersburg – Rokoko-Residenz mit Seeblick 172 Schloss – Bankrott auf barocke Art 182 Villa Lindenhof, – Ein Hauch von Mittelmeer 192 Stadt Wangen im Allgäu – Mehr als nur bunte Postkartenkulisse 202 Kunstmuseum – Moderne Note im Altstadtquartett 218 Kloster Weingarten – Zum Ruhme der Reliquie 232 Schloss Wolfegg – Ruhmeshalle für Herren und Haudegen 246 Schloss Wurzach – Himmelwärts mit zwei Unbekannten 258 Kloster Ottobeuren – Großer Wurf eines großen Abtes 268 Kloster Ochsenhausen – Barocker Jubel mit gotischem Akzent 284 Braith-Mali-Museum, Biberach – Zwei Malerfürsten und ihr Reich 292 Kunsthalle Weishaupt, Ulm – Kostbares Schaugefäß der Moderne 304

5 Inhaltsverzeichnis

Einleitung – Barock und noch viel mehr 7 Ulm Blaubeuren 3 Ulmer Münster – Auf Augenhöhe mit der Antike 8 1 26 Kloster Wiblingen – Wachablösung in Weiß und Gold 20 2 Blaubeurer Hochaltar – Wunderwerk mit Wandelflügeln 30 Kloster Obermarchtal – Nobles Nachtquartier für Marie Antoinette 40 Kloster Zwiefalten – Heiliges Theater auf höchstem Niveau 48 Obermarchtal Zwiefalten Kloster Heiligkreuztal – Neues Leben in einer alten Zisterze 60 4 5 Hohenzollernschloss Sigmaringen – Ein Museum mit 300 Räumen 70 Kloster Schussenried – Ein Prachtstück aus Nussbaum und Linde 84 Wallfahrtskirche Steinhausen – Marienlob mit heiterer Note 100 Heiligkreuztal 6 Überlinger Münster – Meisterschnitzer zwischen den Zeiten 110 Sigmaringen 25 Schloss Salem – Gesamtkunstwerk von höchsten Graden 122 7 Wallfahrtskirche Birnau – Salve Regina über dem Bodensee 138 24 Bad Saulgau Die Mainau – Das Blumenschiff im Bodensee 148 9 Rot a. d. Rot Insel Reichenau – Keimzelle der Klosterkultur 160 8 Neues Schloss Meersburg – Rokoko-Residenz mit Seeblick 172 Schloss Tettnang – Bankrott auf barocke Art 182 23

Villa Lindenhof, Lindau – Ein Hauch von Mittelmeer 192 22 Bad Wurzach Stadt Wangen im Allgäu – Mehr als nur bunte Postkartenkulisse 202 Kunstmuseum Ravensburg – Moderne Note im Altstadtquartett 218 Kloster Weingarten – Zum Ruhme der Reliquie 232 21 20 Schloss Wolfegg – Ruhmeshalle für Herren und Haudegen 246 Überlingen 19 Ravensburg 10 Schloss Wurzach – Himmelwärts mit zwei Unbekannten 258 11 Salem 12 Kloster Ottobeuren – Großer Wurf eines großen Abtes 268 Mainau 13 14 Meersburg Kloster Ochsenhausen – Barocker Jubel mit gotischem Akzent 284 15 Wangen i. Allgäu Reichenau 18 Braith-Mali-Museum, Biberach – Zwei Malerfürsten und ihr Reich 292 16 Kunsthalle Weishaupt, Ulm – Kostbares Schaugefäß der Moderne 304

17 Lindau

Barockstrasse_neu_X3 5 Dienstag, 29. September 2009 07:44:34 6 3 | Blaubeuren Wunderwerk mit Wandelflügeln

Der Chor der Klosterkirche Blaubeuren gilt als eines der schönsten und besterhaltenen Ensembles der deutschen Spätgotik.

Kann eine Sünde auch ein Segen sein? Durchaus. Zu erleben ist das Die Verträge sind leider nicht erhalten. Vorbild für Blaubeuren im Chorraum der Klosterkirche von Blaubeuren am Fuß der Schwä- dürfte der 1475 aufgestellte Altar des Ulmer Münsters gewesen, der bischen Alb. Wiederholt mahnte Herzog Christoph von Württemberg allerdings dem Bildersturm von 1531 zum Opfer fiel. Das ungemein nach der Reformation die Zerstörung des katholischen „Gotzen- dichte, theologisch fein austarierte Programm geht wohl auf Abt wercks“ an, wobei vor allem der Altar mit seinem mariologischen Kern Heinrich selbst zurück. Die Schnitzarbeiten wurden, wie Stilvergleiche verschwinden sollte. Doch nichts geschah. Warum Matthäus Alber, nahelegen, von der für ihre geistvolle Noblesse bekannten Werkstatt der erste evangelische Abt des vormaligen Benediktinerklosters, auch von Michel Erhart übernommen. Bei den Malern wiederum lassen einen letzten scharfen Befehl seines Landesherrn von 1565 einfach sich vier Hände unterscheiden, wobei mit dem Ulmer Bartholomäus ignorierte, wissen wir nicht. Vielleicht brachte es der kunstsinnige Zeitblom und dem Memminger Bernhard Strigel ebenfalls zwei Meis- Sohn eines Goldschmieds einfach nicht übers Herz, Hand an dieses ter ihres Fachs zu Werke gingen. 1493 wurde der knapp zwölf Meter Wunderwerk zu legen. hohe Wandelaltar mit seinen beiden Doppelflügeln eingeweiht. Wie auch immer: Durch diese Unterlassungssünde blieb uns eines Bis in die 1970er-Jahre hat man diese Flügel bei Führungen noch der schönsten Ensembles der deutschen Spätgotik fast unversehrt unbekümmert hin und her bewegt. Dann schob das Denkmalamt im erhalten. Der Herzog hakte anscheinend nicht mehr nach, weil er wahren Wortsinn einen Riegel vor. Heute erlebt der Besucher sofort angesichts der raschen Verbreitung des neuen Glaubens eines bil- den geöffneten Schrein mit seinem edlen Zusammenklang von Farbe derstürmerischen Fanals nicht mehr bedurfte. Und alle die späteren und Gold, dessen Anblick den Mönchen einst nur zu hohen Festtagen Vorsteher der evangelischen Schule, die im früheren Kloster einge- gestattet war. In der Mitte steht etwas erhaben eine hoheitsvolle richtet wurde, wussten wohl den einmaligen kunsthistorischen und Gottesmutter mit ihrem Kind, flankiert von Johannes dem Täufer und nicht zuletzt spirituellen Wert dieser Ausstattung zu schätzen. Johannes dem Evangelisten sowie dem Ordensgründer Benedikt und Allein das Sakramentshaus – als Aufbewahrungsort der Hostien ein seiner Schwester Scholastika. Auf dem linken Flügel ist eine innige Unding für protestantische Gemüter – wurde abgebrochen. Altar, Geburt im Stall zu bestaunen, auf dem rechten eine prunkvolle Anbe- Dreisitz, Chorgestühl und Apostelkonsolen aber spiegeln bis heute tung der Könige. in seltener Reinheit einen Kirchenraum aus vorreformatorischer Was nicht mehr zu sehen ist, kann man sich an einem Modell Zeit. Und das ist nicht irgendein Kirchenraum. Seinen singulären verdeutlichen. Während der Advent- und der Fastenzeit zeigte der Rang verdankt Blaubeuren vor allem der illustren Truppe, die für die Altar bei geschlossenen Flügeln die Passion in zwölf Szenen. Wurden Gestaltung geholt wurde. Abt Heinrich Fabri (1475–1495), Freund dann die Flügel einmal aufgeklappt, so erschienen 16 Bilder mit der des Landesherrn Eberhard im Barte, ließ seine hervorragenden Lebensgeschichte von Johannes dem Täufer, dem Patron der Blau- Beziehungen spielen. Für den Kirchenbau wurde der damals hoch- beurer Klosterkirche. Aber so viele Teile dieser Altar auch haben mag, geschätzte Peter von Koblenz gewonnen, für die Ausstattung des letztlich ist alles aus einem Guss – ein über 500 Jahre altes Gesamt- Mönchchors mit seinem alles bestimmenden Altar aber wandte sich kunstwerk, und immer noch überwältigend schön. Fabri an die besten Künstler im nahen Ulm, damals neben Nürnberg und die tonangebende Stadt im Süden.

30 3 | Blaubeuren Wunderwerk mit Wandelflügeln

Der Chor der Klosterkirche Blaubeuren gilt als eines der schönsten und besterhaltenen Ensembles der deutschen Spätgotik.

Kann eine Sünde auch ein Segen sein? Durchaus. Zu erleben ist das Die Verträge sind leider nicht erhalten. Vorbild für Blaubeuren im Chorraum der Klosterkirche von Blaubeuren am Fuß der Schwä- dürfte der 1475 aufgestellte Altar des Ulmer Münsters gewesen, der bischen Alb. Wiederholt mahnte Herzog Christoph von Württemberg allerdings dem Bildersturm von 1531 zum Opfer fiel. Das ungemein nach der Reformation die Zerstörung des katholischen „Gotzen- dichte, theologisch fein austarierte Programm geht wohl auf Abt wercks“ an, wobei vor allem der Altar mit seinem mariologischen Kern Heinrich selbst zurück. Die Schnitzarbeiten wurden, wie Stilvergleiche verschwinden sollte. Doch nichts geschah. Warum Matthäus Alber, nahelegen, von der für ihre geistvolle Noblesse bekannten Werkstatt der erste evangelische Abt des vormaligen Benediktinerklosters, auch von Michel Erhart übernommen. Bei den Malern wiederum lassen einen letzten scharfen Befehl seines Landesherrn von 1565 einfach sich vier Hände unterscheiden, wobei mit dem Ulmer Bartholomäus ignorierte, wissen wir nicht. Vielleicht brachte es der kunstsinnige Zeitblom und dem Memminger Bernhard Strigel ebenfalls zwei Meis- Sohn eines Goldschmieds einfach nicht übers Herz, Hand an dieses ter ihres Fachs zu Werke gingen. 1493 wurde der knapp zwölf Meter Wunderwerk zu legen. hohe Wandelaltar mit seinen beiden Doppelflügeln eingeweiht. Wie auch immer: Durch diese Unterlassungssünde blieb uns eines Bis in die 1970er-Jahre hat man diese Flügel bei Führungen noch der schönsten Ensembles der deutschen Spätgotik fast unversehrt unbekümmert hin und her bewegt. Dann schob das Denkmalamt im erhalten. Der Herzog hakte anscheinend nicht mehr nach, weil er wahren Wortsinn einen Riegel vor. Heute erlebt der Besucher sofort angesichts der raschen Verbreitung des neuen Glaubens eines bil- den geöffneten Schrein mit seinem edlen Zusammenklang von Farbe derstürmerischen Fanals nicht mehr bedurfte. Und alle die späteren und Gold, dessen Anblick den Mönchen einst nur zu hohen Festtagen Vorsteher der evangelischen Schule, die im früheren Kloster einge- gestattet war. In der Mitte steht etwas erhaben eine hoheitsvolle richtet wurde, wussten wohl den einmaligen kunsthistorischen und Gottesmutter mit ihrem Kind, flankiert von Johannes dem Täufer und nicht zuletzt spirituellen Wert dieser Ausstattung zu schätzen. Johannes dem Evangelisten sowie dem Ordensgründer Benedikt und Allein das Sakramentshaus – als Aufbewahrungsort der Hostien ein seiner Schwester Scholastika. Auf dem linken Flügel ist eine innige Unding für protestantische Gemüter – wurde abgebrochen. Altar, Geburt im Stall zu bestaunen, auf dem rechten eine prunkvolle Anbe- Dreisitz, Chorgestühl und Apostelkonsolen aber spiegeln bis heute tung der Könige. in seltener Reinheit einen Kirchenraum aus vorreformatorischer Was nicht mehr zu sehen ist, kann man sich an einem Modell Zeit. Und das ist nicht irgendein Kirchenraum. Seinen singulären verdeutlichen. Während der Advent- und der Fastenzeit zeigte der Rang verdankt Blaubeuren vor allem der illustren Truppe, die für die Altar bei geschlossenen Flügeln die Passion in zwölf Szenen. Wurden Gestaltung geholt wurde. Abt Heinrich Fabri (1475–1495), Freund dann die Flügel einmal aufgeklappt, so erschienen 16 Bilder mit der des Landesherrn Graf Eberhard im Barte, ließ seine hervorragenden Lebensgeschichte von Johannes dem Täufer, dem Patron der Blau- Beziehungen spielen. Für den Kirchenbau wurde der damals hoch- beurer Klosterkirche. Aber so viele Teile dieser Altar auch haben mag, geschätzte Peter von Koblenz gewonnen, für die Ausstattung des letztlich ist alles aus einem Guss – ein über 500 Jahre altes Gesamt- Mönchchors mit seinem alles bestimmenden Altar aber wandte sich kunstwerk, und immer noch überwältigend schön. Fabri an die besten Künstler im nahen Ulm, damals neben Nürnberg und Augsburg die tonangebende Stadt im Süden.

31 30 Früher ausschließlich für Festlichkeiten des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen genutzt, dient die Portugiesische Galerie, die nach Antonia, der portugiesischen Gattin des Er- bauers Fürst Leopold benannt ist, heute als Mehrzweckraum der feinsten Art. Der nach 1902 nobel ausgestattete Saal mit seinen rund 250 Quadratmetern Fläche kann für Tagungen, Konferenzen, Konzerte, Empfänge oder Bankette angemietet werden.

10 | Überlingen Meisterschnitzer zwischen den Zeiten

Unter den vielen Kunstschätzen des Überlinger Münsters setzt der grandiose Hochaltar von Jörg Zürn den markantesten Akzent.

Nobelmarken sind keine Errungenschaft unserer Zeit. Es gab sie Auftrag bekam, einen neuen Hochaltar für das Münster zu schaffen. früher schon. So muss etwa die Firma Zürn und Söhne zwischen Angesichts dieser gewaltigen Aufgabe holte er allerdings seine Fami- 1580 und 1665 einen so guten Klang gehabt haben, dass er weit über lie zu Hilfe. Zürn-Forscher haben sich sehr um die Händescheidung ihre oberschwäbische Heimat hinaus reichte. Spuren dieser aus dem bemüht und die Mitarbeit des Vaters Hans sowie der Söhne Michael heutigen Bad Waldsee stammenden Künstlerfamilie – der um 1555 und Martin nachgewiesen, wobei dieser Martin zusammen mit Bruder geborene Vater Hans sowie seine sechs Söhne Jörg, Hans der Jüngere, David 1631 auch noch für einen zwar stupend geschnitzten, aber Martin, Michael, Hans Jacob und David – lassen sich fast überall im doch recht überladen wirkenden Rosenkranzaltar sorgte. Süden des damaligen deutschen Reiches finden. Allesamt waren sie Der Kopf des Gesamtwerks, vor allem auch der Schnitzer der Mehr- exzellente Holzschnitzer, und mögen ihre Arbeitsweisen naturgemäß zahl der knapp 25 großen und über 50 kleinen Figuren des 15 Meter auch stilistische Unterschiede zeigen, so einte sie doch eines: In jener hohen fünfstöckigen Altars, war jedoch Jörg Zürn. Und was er da bis Zeit des fließenden, da früher, dort später einsetzenden Wandels von zur Weihe 1616 schuf, gehört zum Besten in der Altarkunst des deut- der Spätgotik über die Renaissance bis zum Barock waren sie zwar schen Südens. Höchst anregend ist dabei dieses Oszillieren zwischen einerseits noch stark dem Zunftwesen des ausgehenden Mittelalters den Stilen. Atmen die Maria der Verkündigung oder der auf dem Teu- in den Städten ihrer Region verpflichtet, aber sie holten sich auch fel stehende Erzengel Michael noch eine spätgotisch noble Verhalten- Anregungen aus einer Kunstmetropole wie Augsburg oder den heit, so haben wir es bei der schier überbordenden Ornamentik des höfischen Zentren wie München oder Prag. Zudem wurden sie sicher Altars, bei den Säulen und Simsen, den Bögen und Baldachinen eher bis zu einem gewissen Grad vom stilbildenden Kunstgeschehen in mit Versatzstücken der Renaissance zu tun. Bei den durcheinander Italien umgetrieben. purzelnden Engeln über der Krippe der Weihnachtsszene aber kündigt Gut studieren lässt sich das alles im Überlinger Münster. Dort gäbe sich schon der Umschwung in den Frühbarock an. es auch vieles andere zu rühmen – angefangen von dem imposanten Überhaupt ist diese Christnacht – bei aller Raffinesse der Marien- Bauwerk an sich über die großartigen hochgotischen Figuren des krönung darüber, des noch eine Etage höher thronenden Münsterhei- Engels Gabriel und der Maria, einer Verkündigung links und rechts im ligen Nikolaus und des Kruzifixes ganz oben – das Glanzstück des Al- Chor bis hin zu einer anmutigen Madonna mit Kind im Strahlenkranz tars. Dabei liegt der Hauptakzent auf den Hirten. Die Figuren strahlen aus der berühmten Ulmer Erhart-Werkstatt. Aber es sind doch die in ihrem warmen Lindenholzton eine ungemein menschliche Anteil- Zürns, die der Ausstattung ihren Stempel aufgedrückt haben. nahme aus. Der eine hat den Dudelsack unter den Arm geklemmt, der Jörg Zürn hatte in der reichen Reichsstadt Überlingen Arbeit ge- andere sein Schaf geschultert. Neben der Krippe kniet einer in freu- funden, 1607 die Witwe seines Meisters Virgil Moll geheiratet und diger Ekstase, und ganz außen dreht sich ein Alter mit Hund in fast dessen Werkstatt übernommen. Fortan war er gut im Geschäft, manieristischer Pose noch einmal um – als wenn er dieses Geschehen vollendete 1610 einen Marienaltar für das Münster und 1611 das noch gar nicht glauben könne. Es war ja auch unglaublich. originelle Sakramentshaus. Anscheinend stießen diese Arbeiten auf Unglaublich ist auf seine Art auch dieser Altar. so große Zustimmung, dass der junge Meister 1613 den ehrenvollen

Im Italienischen Rosengarten beleben klassisch anmutende Skulpturen die strenge Geometrie der Mauern, Pergolen, Brunnen und Wege. Zunächst von Großherzog Friedrich I. Mitte des 19. Jahrhunderts für Blumen aller Art angelegt, wurde dieser Teil der Mainau später zum Do- rado vor allem für Beet- und Edelrosen älterer und neuerer Züchtungen. Einer besonderen Aufmerksamkeit erfreut er sich alljährlich im Juni, wenn die Wahl der Rosenkönigin ansteht.

Die überaus kostbar verzierten Decken mit ihrer Goldauflage sowie die wertvollen Kronleuch- ter legen es nahe: Bauherr Friedrich Gruber orientierte sich bei der Verwirklichung seiner Träume von einer repräsentativen Villa stark am aristokratischen Geschmack der Zeit. Unter anderem nahm sein Architekt Franz Jakob Kreuter Anleihen bei Bauwerken, die der große Leo von Klenze in München und Umgebung für eine königliche oder zumindest hochadlige Gesellschaft gebaut und ausgestattet hatte. Berühmt ist Wangen unter anderem für seine alten Stadttore. Im Norden steht das Frauentor, heute auch Ravensburger Tor genannt (links). Seine Grundmauern dürften schon aus staufi- scher Zeit stammen. In Urkunden erwähnt wird es erstmals 1472, aber seine heutige Gestalt mit dem markanten Kupferdach und den Wasserspeiern – mittlerweile ein Wahrzeichen der Stadt – bekam es erst um 1608. An allen vier Ecken oben sind eigens Klangarkaden angebracht für den Glockenschall. Bei den Wandmalereien, die 1950 von Toni Schönecker nach alten Vorlagen erneuert wurden, thront in der Mitte die Gottesmutter Maria als Patronin des Tores. Links davon steht der Stauferkaiser Friedrich II., der Gründer der Stadt, rechts der Habsburger Kaiser Ferdinand I., der Wangen 1563 einen Besuch abstattet. Wie das Frauentor wurde auch das Martinstor rechts davon stehen große Söhne der Stadt: Der im Westen schon im Mittelalter errichtet und Bäckersohn Ulrich Rösch (1426–1491) gilt als dann um 1608 umgestaltet. Auch hier gibt es einer der bedeutendsten Äbte des Klosters St. die Klangarkaden sowie die Wasserspeier. Und Gallen. Sohn eines Wangener Schmiedemeisters auch dieses Tor war bemalt. Auf der Stadtseite dagegen war Rupert Neß (1670–1740), unter brachten der Maler August Braun sowie sein dessen Leitung die Reichsabtei Ottobeuren zu Neffe Josef Braun im Jahr 1928 neue Fresken einem der prunkvollsten Barockensembles auf an. Sie zeigen in der Mitte den Patron der deutschem Boden ausgebaut wurde. nahen Stadtkirche, den heiligen Martin, wie er den Mantel mit dem Bettler teilt. Links und 20 | Weingarten Zum Ruhme der Reliquie

Der Heilig-Blut-Verehrung verdankt Weingarten eine der größten und prachtvollsten Barockkirchen Deutschlands.

Rund 3000 Pferde zählt man alljährlich beim Blutritt in Weingarten, Weingarten die vornehmste, erhabenste, feierlichste aller dieser der größten Reiterprozession Europas – eine schier unglaubliche Kirchen ist, dürfte allerdings unbestritten sein. Vielleicht liegt es an Zahl, die für das ungebrochene Traditionsbewusstsein im frommen den ehrfurchtgebietenden Dimensionen, an den mächtigen, ganz in Oberschwaben spricht. Dennoch ist das nur der Abglanz vom Glanz Weiß strahlenden Pfeilern, am eleganten Schwung der Jochbögen mit früherer Jahrhunderte. Um 1750 sollen es über 7000 Gläubige gewe- ihrem dezenten Stuck, kurz: an der ungemein lichten, hellen Weite sen sein, die am Freitag nach Christi Himmelfahrt morgens über die des Raums. Umso wirkungsvoller können dann alle Elemente der Fluren ritten und den Segen des Herrn erbaten. exzellenten künstlerischen Ausstattung ihr Eigenleben führen. Aber das Objekt der Verehrung war ja auch schon immer etwas Nichts fällt gegenüber dem anderen ab: Nur ein begnadeter Künst- Besonderes. Bereits kurz vor 1100 kam diese Heilig-Blut-Reliquie, eine ler wie der noch junge Cosmas Damian Asam konnte die Flächen in kleine Phiole mit blutgetränkter Erde vom Fuß des Kreuzes auf Gol- den weitgespannten Gewölben so effektvoll füllen. Die Umsetzung gotha, über eine Schenkung in das Hauskloster der Welfen in Altdorf. der ihm vorgegebenen Themen – Geschichte des Heiligblutwunders, Damit war in dem Ort nördlich von Ravensburg der Grundstein gelegt Verklärung des Ordensgründers Benedikt und Maria Himmelfahrt zu einer der bedeutendsten Wallfahrten im deutschen Süden, deren im Langhaus, Heiligenhimmel in der Kuppel etc. – zählt in punkto Strahlkraft über Jahrhunderte hinweg für Ansehen und Reichtum des Einfallsreichtum, Erzählfreude und Farbgebung zum Besten, was an Benediktinerklosters sorgte. oberschwäbischen Kirchendecken zu finden ist. Auch Joseph Anton Gespiegelt wird dieser Rang bis heute in seinem Gotteshaus. Eine Feuchtmayer stand noch am Anfang seiner Laufbahn, und doch schuf riesige goldene Nachbildung der Heilig-Blut-Reliquie grüßt oben zwi- er einen Gutteil des wundervoll geschnitzten Chorgestühls. schen den Türmen von der wunderbar ausgewogenen, gelblich-grau Nicht minder markante Spuren hinterließen Meister wie der Stucka- schimmernden Schauseite dieser größten Barockbasilika nördlich der teur Franz Xaver Schmuzer und der Stuckplastiker Donato Giuseppe Alpen. Schon ihre Maße sind Programm: Die 106 Meter Länge und Frisoni oder die Maler Carlo Carlone und Franz Josef Spiegler. Das die 66 Meter Höhe der Kuppel machen bewusst jeweils die Hälfte des kunstvolle Chorgitter mit seinem Trompe-l’oeil-Effekt soll der ortsan- Petersdoms in Rom aus. Von der geplanten gewaltigen Klosteranlage sässige Paul Norz geschmiedet haben. Vor allem ein Meister aber hat wurde allerdings nur rund die Hälfte ausgeführt, denn auch diese mit seinem Namen Weingarten noch berühmter gemacht. Obwohl Reichsabtei kam kurz vor ihrer Auflösung 1803 im Zuge der Säkula- sich auch andere versierte Orgelbauer darum rissen, das Instrument risation in Geldnöte. Insofern darf man es als Glücksfall werten, dass für Weingarten zu bauen, fiel die Wahl auf den aus Ochsenhausen anfangs das ganze Augenmerk dem Bau der Kirche gegolten hatte. In stammenden Joseph Gabler. Er soll dann zwar die Kosten für die nur neun Jahren wurde sie zwischen 1715 und 1724 hochgezogen. 14 Meter hohe und 8,50 Meter breite Orgel mit ihrem ausladenden Und obwohl eine stattliche Anzahl wechselnder Baumeister zugange Spieltisch und den fast 7000 Pfeifen um mehr als das Vierfache über- war, wirkt sie doch wie aus einem Guss. zogen haben. Aber was er hinterließ, in schönster Harmonie in die Im Oberland mit seinen vielen herausragenden Bauwerken des Rückfront der Basilika eingepasst, war ein Wunderwerk. Und dessen Barocks tut man sich naturgemäß mit jeder Wertung schwer. Dass Klang betört noch heute.

Als einer der bedeutendsten Vertreter der Dynastie gilt Max Willibald, geboren 1604, gestorben 1667. Er war nicht nur kaiserlicher Generalfeldmarschall und als solcher unter anderem der Verteidiger von Konstanz und Lindau gegen die protestantischen Schweden, sondern auch ein Freund der schönen Künste von hohen Graden. Auf ihn geht die herausra- gende Grafiksammlung zurück, die bis heute auf Schloss Wolfegg liegt (links). Die Figur des Truchsessen Georg V. wurde gründlich restau- riert (rechts), die Bemalung des Gesichts hatte schwer gelitten (unten).

Bei den vier Räumen im Biberacher Muse- um handelt es sich zwar wirklich um die Ateliers der beiden Künstler Anton Braith und Christian Mali, die nach 1906 aus München nach Biberach verbracht wurden, aber vorherrschend ist eher ein musealer Eindruck: Bilder über Bilder und dazwischen eine Salon-Ausstattung der feinsten Art. Steter Wandel wird in diesen lichten und weiten Sälen die Regel sein. Denn die Bilder, die Siegfried Weishaupt und seine Gattin Jutta im Lauf der Jahrzehnte gesammelt haben, sollen der Öffentlichkeit in wechselnden Konstella- tionen gezeigt werden, ab und zu bei speziellen – die Birnau, Zwiefalten, Ottobeu- Schwerpunkt-Präsentationen auch ergänzt durch Leihgaben. Beim Fototermin waren unter ren, Wiblingen oder Salem. Bei die- anderem zu sehen: Rechts „Homage to the ser Schatzsuche rücken jedoch Square – Summer Noon” aus dem Jahr 1964 auch andere Stätten ins Blickfeld: e von Josef Albers, den Weishaupt von Anfang an verehrte; links Ellsworth Kellys „Black and White“ von 1970, ein für ihn typisches Hard- Edge-Werk; und in der Mitte die Arbeit „Sidi Ifni I” aus der „Marokkanischen Serie“ des US-Amerikaners Frank Stella von 1965.

Dieser Prospekt zeigt einige Seiten aus dem großformatigen Buch „Schatzkammer Oberschwaben. Unterwegs zur Kunst zwischen Ulm und dem Bodensee.“

Oberschwaben. Natürlich das Himmelreich des Barock – aber nicht nur, wie dieser üppige Bildband beweist. Auf einer Kunstreise zu 26 Stationen zwischen Ulm und dem Bodensee werden die barocken Prachtbauten gebührend gewürdigt – die Birnau, Zwiefalten, Ottobeuren, Wiblingen oder Salem. Bei dieser Schatzsuche rücken jedoch auch andere Stätten ins Blickfeld: etwa die Insel Reichenau mit ihrer Romanik, die gotischen Ensembles des Ulmer Münsters und des Klosters Blaubeuren, Schloss Sigmaringen und die Lindauer Villa Lindenhof mit ihrem Historismus, Wangen und sein apartes Stadtbild oder die Biberacher Braith-Mali-Künstlerateliers aus der Gründerzeit. Mit der Kunsthalle Weishaupt in Ulm und dem Ravensburger Kunstmuseum spiegeln zwei spektakuläre neue Häuser die Moderne. Schließlich führt ein Abstecher auf die Insel Mainau, denn was ist ihr Blumenzauber anderes als ein grandioser Schatz der Natur. Also Kontraste zuhauf – und ein Fest für die Augen.

Bad Schussenried - Bad Wurzach - Biberach - Birnau - Blaubeuren - Heiligkreuztal - Lindau - Mainau - Meersburg - Obermarchtal - Ochsenhausen - Ottobeuren - Ravensburg - Reichenau - Salem - Sigmaringen - Steinhausen- Tettnang - Überlingen - Ulm - Wangen - Weingarten- Wiblingen - Wolfegg - Zwiefalten.

ISBN 978-3-943391-37-4

9 783943 391374