Konturen Konturenkonturen

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Konturen Konturenkonturen konturen konturenkonturen rothenfelser burgbrief 02/05 1 Editorial „‚Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Huub Oosterhuis 3 Die Vision vom Frieden Gerechtigkeit und alles übrige wird euch Huub Oosterhuis hinzugegeben werden‘, alles, auch das 7 Romano Guardini, ein Geistesverwandter Erlebnis des Schönen“. Romano Guardini 9 Huub Oosterhuis schreibt dies 1918 in der 2. Auflage seines Dass wir leben Buches „Vom Geist der Liturgie“. Dieser Satz Ansgar Franz 10 „Der nach menschlicher Gewohnheit“ kommt für heutige Ohren von weit her und Alexander Diensberg klingt eigentümlich unzeitgemäß. Die zeitge- 16 Betäubt und bitter nössische Alltagskultur ist eher bestimmt 18 Alex Stock durch ästhetische Erregungsreize und bunte Wie soll ich wissen Oberflächenspiele. Für die Ästhetik ist das Birgitta Kaspar-Heuermann 22 Zwei Bäume im Winterlicht Schöne derzeit kaum mehr ein Thema. Gotthard Fuchs – „Nicht mit gewöhnlichen 24 und abgegriffenen Worten“ Der Satz von Guardini überzeugt mich. 28 Doris S. Jonas – Seine Texte und Lieder Für Christen hat das Schöne Voraussetzun- haben meine Seele erfreut gen, die nicht in der Schönheit selbst liegen. Kees Kok 29 Wo das Lehrhaus fehlt Wenn wir das Schöne suchen, das dem Le- Felix Bernhard ben Glanz und eine Ahnung von Erfüllung 35 Huub Oosterhuis und die Kleine Kirche gibt, bewahrt diese Einsicht vor eitler reli- 37 Ulrich Sander giöser Artistik und christlichem Huub Oosterhuis im Verlag Herder Ästhetizismus. Meinulf Barbers 39 Dr. Klaus Boissereé zum Gedenken 50 Jahre Wie hätte ein Briefwechsel von Romano 40 St. Laurentius Guardini und Huub Oosterhuis über das 41 Von der Burg Schöne und das Reich Gottes ausgesehen? Oosterhuis war im April Gast der Burg Bericht der Mitgliederversammlung Rothenfels, und die konturen erinnern an diese Tage. Der ungeschriebene Briefwechsel gehört zu meiner imaginären Bibliothek der vermissten Bücher und leider gibt es keinen Impressum Buchhändler und Antiquar, der mir hier wei- konturen. rothenfelser burgbrief terhelfen kann. Herausgeber: Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V., 97851 Rothenfels Redaktion: Joachim Hake Joachim Hake Mitarbeit: Dr. Meinulf Barbers, Dr. Gudrun Kuhn Dr. Gotthard Fuchs Layout: Gernot Schüll Erscheinungsweise: 2 x jährlich Auflage: 2000 Schüll-Druck Marktheidenfeld 2 Die Vision vom Frieden 1. gestorben. Wo ist ihre große Dem Lieblingsheiligen Liebe geblieben? Nichts wis- von Europa, Franziskus sen wir von diesen Unzähli- von Assisi, wird folgen- gen, – wieviele davon verbit- des Gebet zugeschrie- tert gestorben sind und wie- ben: „Herr, mach mich viele nicht verbittert, sondern zu einem Werkzeug dei- einer Vision verbunden, die nes Friedens: dass ich sich erst in der Zukunft ein- Freundschaft bringe, wo mal erfüllen würde, an ihren Feindschaft herrscht.“ Kindern oder fernen Nach- In diesen zwei Zeilen kommen vielleicht erst. wird eine Sehnsucht zum Ausdruck gebracht, Unter ihnen waren Leute, die die vielen von uns be- sich gerufen wussten, Men- kannt ist, die manchmal schen anzuführen und für aufflammt, besonders in Projekte für Gerechtigkeit zu Tagen von Krieg: man © geen gewinnen, für Versuche der würde gern ein Werk- Huub Oosterhuis Versöhnung, im Streit gegen zeug des Friedens sein, das herrschende Chaos, An- man möchte etwas tun, wir schämen uns führer waren sie, Initiatoren, Erste, Frauen unserer Hilflosigkeit, und womöglich, wenn und Männer, die diese Vision formulieren es denn etwas nützen würde, wären wir so- konnten, in die Praxis umsetzen und weiter- gar zu größeren Opfern bereit. Ließen sich tragen, Leute, die sich zur Verfügung gestellt vielleicht sogar Menschen finden, die bereit haben, das Gewissen der Zeit zu schärfen wären, ein Drittel ihres Jahreseinkommens und dabei die Hoffnung nicht aufzugeben – zu spenden, wenn sie damit einen Quadrat- das alles hat ihnen viel Leid eingebracht. So kilometer Unversehrtheit erwerben könnten, ergeht es einem jeden, der mit einer ande- im Irak oder in Israel? Wir leben in einem ren Welt beginnt, der eine große Liebe be- System, in dem so etwas nicht möglich ist. sitzt. Ein Leiden, das man sich nicht wünscht, Wenn man es sich aber doch einmal vorstell- sich nicht ausgesucht hat, das man letztlich te! – „Mach mich zu einem Werkzeug deines aber annimmt wegen der einen Sache, der Friedens“. gegenüber man treu bleiben möchte. 2. 3. Im vergangenen Jahrhundert von Kriegen Ich halte Jesus von Nazareth für einen sol- und unversöhnlichen Feindschaften haben chen Menschen, für einen dieser Initiatoren, unzählige Unbekannte, irgendwelche zufäl- einen dieser Ersten. Am Ostermorgen singt ligen Leute, ein Werkzeug des Friedens sein und erzählt die Liturgie seine Geschichte, wollen und dafür große Opfer auf sich ge- diese fast zwanzig Jahrhunderte alte, in Streit- nommen. Sie haben konkrete Projekte gehabt gesprächen zerpflückte, und dennoch nicht und ihr Leben Gerechtigkeit und Versöhnung kleinzukriegende Geschichte von einem, der verschrieben, sie haben trennende Mauern sich berufen wusste zur Versöhnung der vie- mit abgerissen, Schulden von anderen abge- len, der sogar dazu bereit war, seine Feinde zahlt, Lasten auf sich genommen, vor allem zu lieben. Aus den Schriften seiner Tradition auch die Last der Gewissensbildung, sie ha- war ihm die Geschichte vom Sündenbock ben nachgedacht, den Versuch unternom- bekannt, den man – beladen mit allen Übeln men, sich selbst und diese Welt zu verstehen, des Volkes – in die Wüste schickte, damit er sie haben vor Wut geweint wegen des Un- sie dorthin trage, wo sie keinen Schaden mehr rechts, verzweifelt darüber, dass alles so lan- anrichten könnten. In prophetischen Liedern, ge dauert, sie haben gehofft, und das, was die man Jesaja zuschreibt, wird statt des Sün- sie gerade noch vor Augen hatten, haben sie denbocks eine menschliche Gestalt gezeich- später nicht mehr gesehen. Und so sind sie net, ein „Diener“. Von ihm wird gesagt, dass 3 Die Vision vom Frieden er leiden werde und sein Leben hingeben, Aussehen veränderte und seine Kleider „um viele zur Gerechtigkeit zu bringen“, um strahlend weiß wurden, die Farbe der neu- viele in das Land Gerechtigkeit zu führen und en Erde annahmen. Und siehe, zwei Män- miteinander zu versöhnen. ner sprachen mit ihm, es waren Mose und Elija, die zwei, die einst das große Befrei- An einem Abend, nach einem Tag voller ungsprojekt, das „Auszug“ genannt wurde, Krankenheilungen und heilsamen Worten, begonnen hatten und erneut begannen. Sie besteigt Jesus einen hohen Berg, um dort zu waren gekommen, um ihn zu trösten und zu beten. Betend fällt er in Schlaf, und dann er- ermutigen, zu stärken, Halt zu geben, jetzt, scheint ihm der Engel Gabriel mit einer da er beschlossen hatte, den Weg zu Ende Buchrolle in der Hand und liest ihm das Lied zu gehen, komme, was kommt. von dem Diener vor, mit eben diesen Wor- ten von Gerechtigkeit für viele. Jesus nickt Hört, wie die Worte für sich selber sprechen: und spricht sie murmelnd mit, denn er kennt Und siehe, zwei Männer sprachen mit ihm, sie auswendig. Dann fragt der Engel: Bist du es waren Mose und Elija. bereit, so ein Diener zu sein? Hier bin ich, In Lichtglanz erschienen, antwortet Jesus. Kennst du den Weg zur Ge- sprachen sie über seinen Auszug, rechtigkeit?, fragt der Engel Gabriel. Erst den er in Jerusalem vollenden sollte. durch das Meer hindurch und dann durch Petrus und die mit ihm waren, die Wüste, erwidert Jesus. Und all der Hun- schliefen, bleischwer von Müdigkeit. Sie fuhren auf und sahen seinen Lichtglanz ger und Durst und die Blasen an den Füßen? und die zwei Männer, die bei ihm standen. – Schmerz, sagt Jesus, ach ja... Und wenn du Und es geschah, unterwegs umkommst, von einer giftigen als die zwei von ihm gingen, Schlange gebissen wirst, oder einfach an Er- dass Petrus sprach zu Jesus : schöpfung stirbst?, fragt der Engel. Hauptsa- Meister, es ist schön für uns, che, dieses Land existiert wirklich, sagt Je- hier zu sein. sus. Daraufhin verlässt ihn der Engel. Sollen wir drei Laubhütten machen, eine für dich, eine für Mose, eine für Elija? – Dies ist ein Midrasch, eine kleine Interpre- Er wusste nicht, was er sagte. tationsgeschichte, am Rande der großen Er- Während er so sprach, geschah es, zählung notiert, um zu verdeutlichen, was die dass eine Wolke ihn überschattete. Und sie fürchteten sich, Ausrichtung der großen im Kern ist. Mach als sie in die Wolke hineingingen. mich zu einem Werkzeug deines Friedens, Und es geschah, dass eine Stimme sprach aus betete Jesus auf diesem Berg. Beten – das ist der Wolke: ein Radikalisieren, ein Bis-zum-Äußersten- Dies ist mein Sohn, der Auserkorene, Gehen: Mach mich zur Not zu dem Preis, der hört auf ihn. für Frieden gezahlt werden muss. Lass den Und während die Stimme geschah, Tag deiner Gerechtigkeit anbrechen, schon stand Jesus dort allein. bald, den Tag, da alles Leid gelitten ist, alle Sie schwiegen, Menschen miteinander versöhnt sind. Lass erzählten es niemandem, in jenen Tagen, das Wirklichkeit werden, zur Not auf meinen was sie gesehen hatten. Schultern, hier bin ich – dein Diener. So, den- Lukas, 9,28-36 ke ich, wird er gebetet haben. 5. 4. Als Jesus den Berg hinabkam, hatte er sich – Und es geschah, dass er Petrus, Johannes und im Gespräch mit seiner tiefsten und höch- Jakobus mitnahm und den Berg bestieg, hin- sten Tradition, im Gebet – in der Gestalt des aufging, um zu beten. Und es geschah, wäh- „Dieners“ wiedererkannt und wusste, dass rend er betete, dass, von tiefer noch als aus die Worte des Propheten Jesaja an ihm er- seinem tiefsten Selbst, die Vision von einem füllt werden sollten: „Wie ein Schaf zur Land Gerechtigkeit in ihm aufstieg, über ihn Schlachtbank geführt, wie ein Schaf stumm kam, und dass sein Gesicht sich dabei im vor seinen Scherern.“ (Jesaja, 53,7). 4 Und er versammelte seine Jünger um sich 7. und sagte: Ich werde in die Hände „der Völ- Niemals in der Tradition ist das bittere Le- ker“ fallen (er meinte die Römer, die Besatzer bensende dieses Menschen vernichtend kri- auf Israels Grund und Boden, die Hüter des tisiert worden, es klingt bis auf den heutigen etablierten Chaos) und sie werden mich mit Tag und ist aufgeladen mit den Schreien der Peitschen schlagen und töten, ich aber wer- Verzweiflung aus dem zwanzigsten Jahrhun- de auferstehen.
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