04.11.2019

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 04.11.2019

Geschäftszahl G308 2177095-1

Spruch G308 2177095-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2017, Zahl: XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.03.2019, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.11.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

2. Am 15.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er wäre wegen dem IS aus dem Irak geflohen. Im Falle einer Rückkehr würde er vom IS getötet werden.

3. Am 29.08.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei Angestellter der Stadtverwaltung in Mossul gewesen. Am 26.05.2014 habe einer seiner Arbeitskollegen dem Beschwerdeführer gesagt, er habe etwas mit ihm zu bereden und würde deswegen zum Beschwerdeführer nach Hause kommen, da er dies nicht auf der Arbeitsstelle besprechen wolle. Der Kollege habe von ihm verlangt, dass er sieben Ausweise (davon drei Dienstausweise und vier religiöse Ausweise für die Moscheen) für IS-Zugehörige erstellen solle, damit diese die Checkpoints passieren können. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert und es am nächsten Tag seinem Vorgesetzten erzählt. Der Kollege habe alles geleugnet. Der Vorgesetzte habe zum Beschwerdeführer gesagt, sie würden den Kollegen genau beobachten. Am selben Tag habe er zuhause einen Anruf erhalten. Der Anrufer habe gefragt, ob er derjenige sei, der für die Ausstellung von Personalausweisen zuständig sei, was er bejaht habe. Sodann habe der Anrufer dem Beschwerdeführer gedroht und gesagt, er würde seinen Kopf verlieren, wenn er die sieben Ausweise nicht ausstelle. Daraufhin habe er die SIM-Karte aus dem Telefon entfernt und sei nach Rücksprache mit seinem Bruder zur Polizeistation gegangen, um eine Anzeige zu www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 erstatten. Die Anzeige sei aufgenommen worden, aber trotz seines Ersuchens sei vor seinem Haus keine Polizeistreife postiert worden. Der Beschwerdeführer habe sich dann bei seiner Tante verstreckt und seinen Vorgesetzten kontaktiert. Dieser habe ihm geraten, nicht in die Arbeit zu kommen und Urlaub zu nehmen. Er würde den Kollegen sagen, der Beschwerdeführer absolviere Prüfungen an der Universität und habe deswegen frei. Am 02.06.2014 sei er trotzdem zur Dienststelle gegangen, um seinem Vertreter den Stempel für die Ausstellung von Ausweisen zu übergeben. Dann habe er sich bis zum Einmarsch des IS in Mossul bei Onkel und Tante versteckt und danach sei er nach Bagdad gereist. Am Tag darauf habe der Vater ihm erzählt, dass der IS bei ihnen zuhause gewesen sei und nach dem Beschwerdeführer gesucht habe. Er sei ungläubig und unkooperativ gewesen, weshalb sie ihn töten wollten. Aus Angst habe der Vater dann angegeben, mit dem Beschwerdeführer nichts mehr zu tun zu haben und habe dem IS die Auto- und Geschäftsschlüssel sowie den Laptop des Beschwerdeführers übergeben. In Bagdad habe sich der Beschwerdeführer in einem schiitisch- sunnitisch gemischten Viertel bei einem engen Kindheitsfreund aufgehalten. Am 27.10.2014 habe er in einem Supermarkt eingekauft, als ein Pick-Up vorgefahren sei und die Insassen den Beschwerdeführer nach seinem Ausweis gefragt hätten. Als diese gesehen hätten, dass der Beschwerdeführer aus Mossul stamme, hätten sie ihn mit Gewalt in das Auto gezerrt und in ein sehr altes Haus an einem unbekannten Ort gebracht. Dort sei er geschlagen und als Sunnit beschimpft worden. Am nächsten Tag sei ein Mann zu ihm gekommen, der sich als der sich als der Vorsitzende der schiitischen Miliz Asa-ib Ahl al-Haqq (im Folgenden: AHH) des Viertels vorgestellt habe. Sie hätten dem Beschwerdeführer unterstellt, dass er in Bagdad Anschläge verüben wolle. Die AHH hätte dann seinen Freund, bei dem er in Bagdad gewohnt habe, angerufen und ihn zu dem Haus zitiert, in welchem man den Beschwerdeführer festgehalten habe. Der Freund des Beschwerdeführers habe wiederum einen Freund bei der AHH gehabt, der für den Beschwerdeführer gebürgt habe, sodass man den Beschwerdeführer freigelassen habe. Daraufhin habe der Beschwerdeführer den Irak verlassen. In der Türkei habe er auch alles versucht, aber bezüglich eines Asylantrages erst einen Termin für 2023 erhalten. Er habe daher in der Türkei nicht bleiben können.

Anlässlich dieser niederschriftlichen Einvernahme brachte der Beschwerdeführer darüber hinaus eine Reihe von Beweismitteln, Dokumenten und Unterlagen zur Vorlage:

? irakischer Reisepass im Original (AS 83 ff)

? irakischer Personalausweis im Original (AS 97 f)

? irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis im Original (AS 79 f)

? irakischer Dienstausweis im Original (AS 77 f jeweils unten)

? irakischer Arbeitsausweis (AS 93 ff)

? irakische Wahlkarte im Original (AS 77 f jeweils oben)

? irakischer Studentenausweis im Original (AS 81 f jeweils unten)

? Flugticket im Original (AS 99)

? Abschlusszeugnis einmal in Arabisch (AS 105 f) und einmal auf Englisch (AS 103 f) jeweils im Original

? Universitätsurkunde in Arabisch im Original (AS 101 f)

? Kopie der Meldekarte des Vaters (AS 81 f jeweils oben links)

? Kopien der Reisepässe des Vaters, der Mutter, der zwei Brüder und der Schwester (AS 113 ff und 121 ff)

? ID-Karte des in den USA lebenden Bruders (AS 117 ff)

? UNHCR Flüchtlings-Registrierungskarte aus der Türkei (AS 151)

? 15 Arbeitsbestätigungen auf Arabisch (AS 165 ff)

? Fotos (AS 199 ff und 207 ff)

www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

? österreichischer Führerschein des Beschwerdeführers (AS 73 ff)

? Deutschkursbestätigung Niveau A1.1 vom 28.11.2016 (AS 109), Niveau A1.2 vom 07.03.2017 (AS 111) und Niveau A2.1 vom 06.06.2017 (AS 107)

? ÖSD Deutschzertifikat A2 vom 30.06.2017 (AS 127)

? 9 Unterstützungsschreiben (AS 129 ff)

? Bestätigungen der Caritas über Mithilfe des Beschwerdeführers beim Projekt "Nachbarschaftshilfe" (AS 139 ff)

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 23.10.2017, dem Beschwerdeführer am 24.10.2017 zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.11.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat "Irak" (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den "Irak" gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei. Er habe in der Erstbefragung lediglich angegeben, er sei wegen des Einmarsches des IS in Mossul aus dem Irak geflohen, jedoch zu keiner Zeit erwähnt, dass er persönlich durch IS Mitglieder bedroht worden wäre. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Dienstausweis sei nicht auf Echtheit überprüfbar, jedoch verfüge dieser über keine Sicherheitsmerkmale, sodass davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer den Dienstausweis auch gegen Barzahlung beschaffen hätte können. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich in der von ihm schließlich behaupteten Form bedroht gewesen, wäre er wohl kaum zur Dienststelle zurückgekehrt, um den Stempel an seinen Vertreter abzugeben. Es sei auch unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer der "Leiter" dieser Organisation gewesen sei, wenn er doch auch angab, noch studiert zu haben und sich deswegen jederzeit Urlaub nehmen habe können. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer wegen "Freunden von Freunden" ohne weiteres aus der von ihm vorgebrachten Entführung durch Mitglieder der AHH in Bagdad wieder freigelassen hätte werden sollen. Es liege lediglich eine konstruierte Fluchtgeschichte vor. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak sei ihm zumutbar, da er dort über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge und seine Angehörigen nach wie vor in Mossul leben würden. Alternativ stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Bagdad zur Verfügung. Eine maßgebliche Gefährdungslage im Heimatland sei nicht vorgebracht worden und auch nicht aus den Länderberichten ersichtlich. Da der Beschwerdeführer sein bisheriges Leben im Irak verbracht habe, liege ein Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet vor.

Das Bundesamt traf weiters Feststellungen zur Situation im Herkunftsland Irak.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 16.11.2017, beim Bundesamt per Fax am selben Tag einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; jedenfalls aber die in Spruchpunkt III. ausgesprochene Rückkehrentscheidung beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt zurückverweisen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Sunnit und aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung seitens schiitischer Milizen und des IS mangels Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des Herkunftsstaates diesen verlassen. Die Verfolgung seitens schiitischer Milizen sei wegen der Kooperation mit dem irakischen Staat diesem zuzurechnen. Der Beschwerdeführer habe glaubhaft dargelegt, dass er als Leiter der Stelle für die Ausstellung von Personalausweisen sich trotz mehrfacher Todesdrohungen geweigert habe, für den IS sieben illegale Ausweise auszustellen, weshalb er schließlich aus Angst um sein Leben bei einem Freund in Bagdad Zuflucht gesucht habe. Eines Tages sei der Beschwerdeführer von Mitgliedern der AHH nach Kontrolle seines Ausweises, welche zu der Feststellung geführt habe, dass der Beschwerdeführer den Sunniten angehört, sofort als Gegner und IS-Unterstützer angesehen worden. Man habe ihm unterstellt, sich in Bagdad aufzuhalten, www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 um Anschläge zu verüben. Er sei daraufhin gefangen gehalten und gefoltert worden, bis sein Freund ihm durch dessen Kontakte habe helfen können. Der Führer der schiitischen Miliz habe ihm gedroht, Bagdad sofort zu verlassen, andernfalls würde er getötet werden. Deshalb habe der Beschwerdeführer schließlich den Irak verlassen müssen. Der UNHCR vertrete klar die Position, dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes derzeit nicht möglich sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege schon deshalb nicht vor, da der Zugang zu anderen Regionen des Irak nicht gewährt ist und IDPs in zahlreichen Gebieten Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit ausgesetzt wären. Teilweise werde IDPS aufgrund ihrer Herkunft oder Identität der Zugang zu einigen Gebieten gänzlich versperrt. Aus dem UNHCR Positionspapier vom 14.11.2016 ergebe sich, dass das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden könnte, welche im Fall des Beschwerdeführers nicht vorliegen würden. Schon die prekäre allgemeine Sicherheitslage sowie die inter- religiösen Spannungen würden die Zuerkennung zumindest eines Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den Länderfeststellungen sowie Ermittlungstätigkeiten in Bezug auf die Heimatregion des Beschwerdeführers lasse der angefochtene Bescheid vermissen, obwohl unter anderem auch Bagdad von Instabilität aufgrund von Gewalt und Kämpfen durch schiitische Milizen in besonderem Ausmaß betroffen sei. Es sei weiter klarzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht bei der Stadtverwaltung, sondern bei dem "Diwan al Waqf al Sunni", einer Abteilung einer sunnitischen Behörde, gearbeitet habe. Das Bundesamt stützte seine Beweiswürdigung lediglich auf Vermutungen, zumal der Beschwerdeführer am Abend berufsbegleitend studiert habe, was aus den vorgelegten Beweismitteln auch hervorgehe.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 20.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

7. Am 22.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers, der Beschwerdeführer und eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung. Die damalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers wurde als Zeugin vernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass der Beschwerdeführer neben seinem eigenen Geschäft für kosmetische Artikel (Boutique; Verkauf von Schals und Accessoires) in Mossul auch noch beim Ministerium "Diwan als Waqf al Sunni" (wörtlich etwa "Ministerium für fromme Stiftung") tätig gewesen sei. Es handle sich dabei um die Verwaltung der sunnitischen Moscheen und gebe es in jeder Stadt im Irak eine Dienststelle. Es würden dort sowohl Verwaltungsbeamte (Direktoren, Buchhalter, Sekretäre) als auch "Klerikale" (Prediger und Imame) beschäftigt sein. Der Beschwerdeführer sei in der Verwaltung tätig und für die Ausstellung der Mitarbeiterausweise zuständig gewesen. Nur er habe über den nötigen Bewilligungsstempel verfügt. Die Ausweise seien nötig gewesen, um sich etwa im Zuge einer Militärkontrolle in Moscheen als offizieller Mitarbeiter ausweisen zu können. Die Ausweise seien auch bei Checkpoints benützt worden. Kurz vor Eroberung Mossuls durch den IS sei man seitens des IS über einen Arbeitskollegen des Beschwerdeführers im Ministerium im Mai 2014 an den Beschwerdeführer mit dem Wunsch, er möge sieben Mitarbeiterausweise für IS Mitglieder ausstellen, herangetreten. Trotz Todesdrohung habe er es abgelehnt, die Ausweise auszustellen. Damit sei es den IS Mitgliedern nicht möglich gewesen, sich legal in Moscheen zu treffen. Er habe seinem Vater und Bruder davon berichtet. Sie hätten sich mit der Bitte um Schutz, etwa durch die Einrichtung eines Checkpoints vor dem Haus, an die Polizei gewandt. Diesem ersuchen sei die Polizei aber nicht nachgekommen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zu seiner Tante, die am Stadtrand von Mossul gelebt habe, geflüchtet. Er habe zu diesem Zweck Urlaub beantragt und seinen Stempel zurückgestellt. Dann sei der Beschwerdeführer nach Bagdad geflohen, noch bevor der IS am 10.06.2014 Mossul erobert habe. Nach Eroberung der Stadt durch den IS seien in Mossul mehrere IS-Mitglieder zum Elternhaus gekommen und hätten nach dem Beschwerdeführer gesucht. Der Vater habe sich zum Schutz offiziell vom Beschwerdeführer distanziert.

In Bagdad habe er bei einem Kindheitsfreund, einem Schiiten, gewohnt. Er sei am 27.10.2014 aus dem Supermarkt gekommen, als ihm ein Auto mit glaublich vier Insassen den Weg abgeschnitten habe. Diese hätten vom Beschwerdeführer einen Ausweis verlangt. Daraus sei ersichtlich gewesen, dass er Sunnit sei und aus Mossul stamme. Sie hätten ihn auf den Hinterkopf geschlagen und mit dem Auto zu einem heruntergekommenen Haus mitgenommen, wo sich viele Leute aufgehalten hätten. Sie hätten ihn beschuldigt, als Sunnit Anschläge in Bagdad verüben zu wollen. Er sei misshandelt worden. Schließlich hätten sie den schiitischen Freund des Beschwerdeführers angerufen. Dieser sei zum Haus gekommen und habe dort unter den Milizangehörigen seinerseits einen Bekannten erkannt. Deswegen habe man den Beschwerdeführer schließlich freigelassen. Am 30.10.2014 habe er den Irak verlassen. Er sei ein Jahr in der Türkei gewesen, aber auch dort sei es ihm zu gefährlich geworden, sodass er sich nach Internetrecherche zu einer Reise nach Österreich entschlossen habe. Die Familie lebe aber ohne Probleme nach wie vor in Mossul.

In weiterer Folge wurde noch die damalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen. www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer darüber hinaus noch nachfolgende Unterlagen (sofern nicht bereits aktenkundig) vor:

? einige Zeitungsartikel zu Vorfällen in Mossul

? sieben Unterstützungsschreiben jeweils vom März 2019

? Konvolut an privaten Fotografien und Zeichnungen der Tochter der damaligen Lebensgefährtin

? Einstellungszusage eines Friseurs vom 12.02.2019

? Bestätigung der Caritas vom 07.03.2019 über die vom Beschwerdeführer geleisteten ehrenamtlichen Tätigkeiten

? Teilnahmebestätigung des ÖIF vom 12.02.2019 für einen Werte- und Orientierungskurs

Darüber hinaus brachte das erkennende Gericht aktuelle Länderberichte zum Irak, darunter das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018 sowie eine ACCORD- Anfragebeantwortung zum Irak: Lage in Mossul bzw. Provinz Ninewa [a-10850] vom 06.02.2019 in das Verfahren ein.

Die mündliche Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.

8. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erging in der Folge am 02.04.2019 eine Anfrage an die Staatendokumentation zum vom Beschwerdeführer angeführten "Diwan al Waqf al Sunni".

9. Die Anfragebeantwortung vom 07.06.2019 langte am 11.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 03.09.2019 wurden dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.06.2019 sowie das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 25.07.2019 zur Stellungnahme binnen einer Frist von vier Wochen übermittelt.

Eine Stellungnahme langte bis dato weder seitens des Beschwerdeführers noch seitens des Bundesamtes ein.

11. Per E-Mail vom 17.10.2019 teilte die ehemalige Lebensgefährtin/Verlobte des Beschwerdeführers, welche im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht als Zeugin vernommen wurde, unter anderem mit, dass die Beziehung zum Beschwerdeführer nicht mehr aufrecht ist und sie sich getrennt hätten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch- moslemischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch (vgl Erstbefragung vom 15.11.2015, AS 15 ff; Niederschrift Bundesamt vom 29.08.2017, AS 61 ff; vorgelegter Reisepass, AS 83 ff; Personalausweis, AS 97 f; Staatsbürgerschaftsnachweis, AS 79 f).

Der Beschwerdeführer reiste am 30.10.2014 legal und auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul/Türkei und hielt sich dort für etwa ein Jahr auf, bevor er Anfang November 2015 erst schlepperunterstützt und in weiterer Folge mit dem allgemeinen Flüchtlingsstrom über Griechenland, weitere Länder und Slowenien nach Österreich einreiste, wo er am 15.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält (vgl Erstbefragung vom 15.11.2015, AS 20 f; Niederschrift Bundesamt vom 29.08.2017, AS 61 ff; aktenkundige Kopie des Flugtickets, AS 99; Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 24.10.2019).

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Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die zum Zeitpunkt der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestehende Beziehung zur einvernommenen Zeugin, einer in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen, ist inzwischen beendet. Dass der Beschwerdeführer inzwischen eine andere Lebensgemeinschaft oder Beziehung führt, konnte nicht festgestellt werden. Er ist gesund, bedarf keiner medizinischen Behandlung und ist arbeitsfähig (vgl Erstbefragung vom 15.11.2015, AS 15 ff; Niederschrift Bundesamt vom 29.08.2017, AS 62 ff; Verhandlungsprotokoll vom 22.03.2019, S 3 ff; E-Mail der Zeugin vom 17.10.2019 an das Bundesverwaltungsgericht).

Der Beschwerdeführer ist in Mossul, Provinz Ninewa, geboren und hat dort bis zu seinem Umzug nach Bagdad Mitte Juni 2014 auch gelebt. Von Mitte Juni 2014 bis zu seiner Ausreise am 30.10.2014 in die Türkei lebte der Beschwerdeführer in Bagdad bei einem schiitischen Kindheitsfreund in einem gemischt schiitisch-sunnitisch bewohnten Viertel. Von 30.10.2014 bis Anfang November 2015 hielt sich der Beschwerdeführer in der Türkei auf, wo er Gelegenheitsarbeiten nachging. Der Beschwerdeführer hat in Mossul zwölf Jahre die Schule (sechs Jahre Grundschule, drei Jahre Mittelschule und drei Jahre Gymnasium) besucht und mit Matura 2009 abgeschlossen. In weiterer Folge hat er zwischen 2010 und 2014 berufsbegleitend ein vierjähriges Wirtschaftsstudium an der Universität in Mossul mit dem akademischen Grad B.Sc. abgeschlossen. Er hat weiters selbstständig eine Bekleidungsboutique in Mossul betrieben und war für die irakische Behörde "Diwan al Waqf al Sunni", auch: "Office of Sunni Endowment" (kurz: OSE) in Mossul tätig (vgl Erstbefragung vom 15.11.2015, AS 15 ff; Niederschrift Bundesamt vom 29.08.2017, AS 62 ff; Verhandlungsprotokoll vom 22.03.2019, S 4 ff; vorgelegter irakischer Studentenausweis, AS 81 f jeweils unten; irakisches universitäres Abschlusszeugnis, AS 103 ff; irakischer Dienstausweis des OSE, AS 77 f jeweils unten; Fotos von der Boutique, AS 207 f).

Bis auf einen in den USA lebenden Bruder lebt die gesamte Familie des Beschwerdeführers, nämlich der Vater, die Mutter, zwei weitere Brüder und die Schwester, nach wie vor ohne Probleme in Mossul. Er hat zu allen seinen Familienangehörigen, sowohl in Mossul als auch zum Bruder in den USA, über soziale Netzwerke regelmäßig Kontakt. Die wirtschaftliche Lage der Familie war immer sehr gut. In Österreich oder Europa hat der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen (vgl Niederschrift Bundesamt vom 29.08.2017, AS 64; Verhandlungsprotokoll vom 22.03.2019, S 5 f; aktenkundige Kopien der irakischen Reisepässe der Familienangehörigen sowie die US-amerikanische ID-Card des Bruders, AS 113 ff, 121 ff und 117 ff).

Der Beschwerdeführer verfügt über ein ÖSD-Zertifikat auf Niveau A2, hat aber schon Deutschkurse auf Niveau B1/B2 besucht und konnte die in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch an ihn gerichteten Fragen verstehen und beantworten (vgl aktenkundiges Sprachzertifikat A2 und Teilnahmebestätigungen für den B1-Kurs vom 29.06.2018 und B2-Kurs vom 16.11.2018; Verhandlungsprotokoll vom 22.03.2019, S 6). Der Beschwerdeführer ging in Österreich bisher keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung (vgl Auszüge aus den Sozialversicherungs- und Grundversorgungsdaten vom 24.10.2019). Er hat einen Werte- und Orientierungskurs besucht (vgl Teilnahmebestätigung vom 12.02.2019) engagiert sich zumindest seit 2016 im Projekt "Nachbarschaftshilfe" der Caritas (vgl Bestätigung vom 07.03.2019), und verfügt über eine Einstellungszusage bei einem Friseur (vgl Einstellungszusage vom 12.02.2019). Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer über zahlreiche Freund- und Bekanntschaften in Österreich (vgl das Konvolut an aktenkundigen Unterstützungsschreiben).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 24.10.2019).

Gegenständlich liegen daher durchaus Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers vor. Insgesamt konnten jedoch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen im Irak hatten Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei, es ist gegen ihn kein Gerichtsverfahren anhängig, er ist kein Mitglied einer Partei bzw. einer parteiähnlichen Organisation und hatte auch nicht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Irak Probleme (vgl Niederschrift Bundesamt vom 29.08.2017, AS 66).

Ein konkreter Anlass für sein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak: www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Irak (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak mit Stand 25.07.2019), die ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Lage in Mossul bzw. Provinz Ninewa [a- 10850] vom 06.02.2019 sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak "Diwan al Waqf al Sunni" vom 07.06.2019 auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018 mit aktueller Ergänzung vom 25.07.2019 ergibt sich auszugsweise:

"KI vom 27.7.2019, Sicherheitsupdate 2. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m.

Quelle: Liveuamap Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of /raq, https:llirag.liveuamap.com/enltime/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Quelle: ISW - Institute for the Study of War (16.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https:l/iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-apri/-16-2019.html, Zugriff 17.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine "Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run- Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es "Lücken" zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019).

Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019).

Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US- Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019).

Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019).

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Die folgende Grafik von Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 6.2019).

Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iragbodvcount .org/databasel, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 6.2019).

Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, httg_s://www.iragbod't,_count.org/databasel, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.]

Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019).

Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der "Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. OS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019).

Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung AI-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019).

Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro- iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019).

Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane's 1.5.2019).

BAGDAD

Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad- Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019).

Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine

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Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019).

Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK

Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS-Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019).

Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die "Operation Klaue" mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der "Operation Klaue" als "neutralisiert" (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019).

Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreier Dörfer im Bezirk Amadiya im Gouvernement Dohuk traf, zwang deren Einwohner zur Flucht (Kurdistan 24 9.4.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In den 2017 von der Zentralregierung übernommenen, umstrittenen Gebieten nutzt der Islamische Staat (IS) die geringe Zahl an Sicherheitskräften und deren Konkurrenzverhältnis zueinander aus, woraus sich die hohe Zahl an Übergriffen ableiten lässt (Joel Wing 1.7.2019). Kleinere Gruppen von IS-Kämpfern infiltrieren von Syrien kommend immer wieder die zerklüfteten Gebiete und Wüstenlandschaft im Westirak (Xinhua 6.5.2019).

Das irakische Militär und die von den USA geführte internationale Koalition führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019). Am 5.5.2019 startete ein gemischter Verband der irakischen Armee und paramilitärischen Stammeseinheiten, mit Luftunterstützung der Koalition, und in Abstimmung zwischen den Militärkommandos der Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa, eine großangelegte Militäroperation im Westirak (Xinhua 6.5.2019).

Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).

Im April 2019 wurden in Ninewa 19 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit 46 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) verzeichnet, wobei hier auch der Fund eines Massengrabs älteren Datums, mit 36 Leichen, eingerechnet ist (Joel Wing 3.5.2019). Im Mai 2019 wurden 25 Vorfälle mit 64 Toten und 26 Verwundeten registriert, wobei der Fund eines jesidischen Massengrabes älteren Datums im Bezirk Sinjar, mit 35 Leichen, miteingerechnet ist (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni wurden zehn Vorfälle mit 24 Toten und 22 Verletzten registriert, wobei hier vier Brandstiftungen von landwirtschaftlichen Flächen und zwei Explosionen von Kriegsrelikten aus der Schlacht um Mossul (Anm.: 17.10.2016 bis 9.7.2017) inkludiert sind (Joel Wing 1.7.2019).

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Der Islamische Staat (IS) hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten des Gouvernements Diyala, konzentriert sich aber besonders auf den Bezirk Khanaqin im Nordosten, der eines der zwischen der Zentralregierung und der Autonomen Kurdischen Region umstrittenen Gebiete ist (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019).

In Diyala kam es im April 2019 zu 30 sicherheitsrelevanten Vorfällen (Joel Wing 3.5.2019) mit 22 Toten und 23 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019). Im Mai 2019 wurden 35 Vorfälle mit 22 Toten und 42 Verwundeten registriert (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 27 Vorfälle mit zwölf Toten und 20 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

Im Gouvernement Kirkuk ist der Islamische Staat (IS) in allen Bezirken aktiv und hat auch regelmäßigen Zugang zu Kirkuk City (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019). Insbesondere die Hamrin Berge, sowie die Haine im Westen des Gouvernements dienen dem IS als Rückzugsorte (Joel Wing 3.5.2019). Üblicherweise ereignen sich sicherheitsrelevante Vorfälle in Kirkuk im Süden des Gouvernements (Joel Wing 1.7.2019). Am 30. Mai fand jedoch in Kirkuk City mit der Detonation von sechs "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) der schwerwiegendste Angriff des Monats statt, der fünf Tote und 35 Verletzte forderte (Joel Wing 5.6.2019; vgl. Reuters 30.5.2019). Im Juni wurden acht Angriffe in Kirkuk City verzeichnet (Joel Wing 1.7.2019). Eine Veränderung in der Taktik des IS in Kirkuk stellt das Legen von Hinterhalten für die Sicherheitskräfte dar (Joel Wing 3.5.2019).

Die 1. und 2. Brigade der Irakischen Spezialeinheiten (ISOF) begannen am 11. April, unterstützt durch die US- geführte Koalition, mit der bisher größten Säuberungsaktion gegen die "Unterstützungszone" des IS in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019). Die US-amerikanische Luftwaffe (USAF) bombardierte ein Tunnelnetz des IS in den Hamrin Bergen (Jane's 1.5.2019). Ähnliche Operationen wurden bereits in den vergangenen Monaten durchgeführt (Kurdistan 24 11.4.2019). Laut lokalen Quellen wurden im Zuge der Operation sechs bedeutende Anführer des IS getötet und damit die Kommandokette in dem Gebiet stark beeinträchtigt (D&S 24.4.2019).

In Kirkuk wurden im April 2019 13 Vorfällen registriert (Joel Wing 3.5.2019) mit 18 Toten und 53 Verletzten (Anm.: Summe aus Joel Wing 1.5.2019 und Joel Wing 5.6.2019). Im Mai 2019 wurden in Kirkuk 35 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 29 Toten und 78 Verwundeten, die höchsten Opferzahlen dieses Monats im Irak, verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni sanken die registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf 18, mit 18 Toten und 40 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

Obwohl sich das Gouvernement Salahaddin die Hamrin-Gebirge, das dem Islamischen Staat (IS) als Basis dient, mit dem Gouvernement Diyala teilt, konzentrieren sich die Aufständischen in ihren Aktivitäten stärker auf Diyala (Joel Wing 3.5.2019).

In Salahaddin wurden im April 2019 acht Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit zehn Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Einer davon war ein Angriff auf einen ISF-Konvoi, gefolgt von einem Hinterhalt für die Einsatzkräfte, die am Tatort eintrafen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019). Im Mai 2019 wurden 20 Vorfälle mit 22 Toten und 28 Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni neun Vorfälle mit vier Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). Zwei Angriffe auf das Alas Ölfeld im Mai weiteten sich zu großen Feuergefechten aus (Joel Wing 5.6.2019).

Der Islamische Staat (IS) hat vermehrt Kämpfer und Material durch die Jazeera Wüste zwischen Ostsyrien und dem Westirak in den Westen des Gouvernements Anbar verlegt (ISW 19.4.2019; vgl. Joel Wing 3.5.2019). In dieser Region passierten auch die meisten der in Anbar verzeichneten Gewaltakte (Joel Wing 3.5.2019).

Seit Ende Jänner 2019 werden Trüffelsammler, meist in den Wüsten Anbars, vom IS entführt und manchmal, im Fall von Schiiten, getötet. Die irakischen Sicherheitskräfte bestätigten die Entführung von 44 Trüffelsammlern in diesem Jahr, wobei davon auszugehen ist, dass weitere Vorfälle nicht gemeldet wurden (NYT 19.5.2019). Im April wurde eine Autobombe gezündet, die gegen Trüffelsammler in der Rutba Wüste gerichtet war (Joel Wing 3.5.2019).

Die Rutba Wüste an der Grenze zu Saudi Arabien war das Ziel einer von einem gemischten irakischen Verband mit Luftunterstützung der Koalition durchgeführten Militäroperation (Rudaw 9.5.2019). Der Manöverbereich des IS in der Wüste konnte durch die irakischen Sicherheitskräfte um einige Kilometer verkleinert werden (D&S 10.6.2019).

Im April 2019 wurden in Anbar 16 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit sieben Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert , im Mai 2019 acht Vorfälle mit acht Toten und sieben Verwundeten (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 13 Vorfälle mit einem Toten und sieben Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

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SÜDIRAK

Der Islamische Staat (IS) arbeitet daran seine Netzwerke im Norden des Gouvernements Babil wieder aufzubauen, mutmaßlich um Angriffe auf leichte Ziele (Anm. orig. "soft targets") in Bagdad und im Süden, in den heiligen Städten Karbala und Najaf, auszuführen (ISW 19.4.2019).

Fast immer, wenn es im Gouvernement Babil zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, geschehen diese im Bezirk Jurf al-Sakhr. Der vom Gouvernement Anbar aus zugängliche Bezirk musste von seiner Bevölkerung verlassen werden und dient nun den al-Hashd al-Sha'bi (Volksmobilisierungseinheiten, PMF) als Basis, weswegen der IS für gewöhnlich hier zuschlägt (Joel Wing 5.6.2019). Am 9. April stieß die 47. Brigade der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) in Jurf al-Sakhr mit dem IS zusammen. Dieser zog sich zwar vorübergehend aus dem Gebiet zurück, es erfolgte jedoch keine vollständige Säuberung durch die PMF (ISW 19.4.2019). Im Mai fanden zwei Angriffe im nordwestlichen Jurf al-Sakhr und einer im zentralen Mahawil statt (Joel Wing 5.6.2019). Eine SVBIED-Attacke (Suicide Vehicle Borne Improvised Explosive Device) - die erste seit 2014 - in Jurf al-Sakhr konnte durch die 46. PMF-Brigade verhindert werden (ISW 19.4.2019).

Im April 2019 wurden in Babil drei sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 5.6.2019) mit fünf Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Im Mai gab es drei Vorfälle mit zwei Toten und fünf Verletzten ( Joel Wing 5.6.2019) und im Juni waren es drei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 1.7.2019).

In Basra wurden im Juni zwei Vorfälle mit drei Verletzten registriert. Ein von internationalen Ölgesellschaften genutzter Gebäudekomplex wurde von Raketen getroffen. Mutmaßlich steckt eine pro-iranischen Gruppe hinter diesem Angriff (Joel Wing 1.7.2019).

Quellen:

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- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview - Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june- 2019/, Zugriff 18.6.2019

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (11.6.2019): Regional Overview - Middle East 11 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/12/regional-overview-middle-east-11-june- 2019/, Zugriff 18.6.2019

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (5.6.2019): Regional Overview - Middle East 5 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/05/regional-overview-middle-east-5-june-2019/, Zugriff 18.6.2019

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- UNSC - United Nations Security Council (1.2.2019): Eighth report of the Secretary-General on the threat posed by ISIL (Da'esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat, https://www.un.org/sc/ctc/wp- content/uploads/2019/02/N1901937_EN.pdf, Zugriff 18.6.2019

- USDOD - US Department of Defense (7.5.2019): Operation Inherent Resolve - Lead Inspector General report to the United States Congress, January 1,2019-March31 2019,

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https://media.defense.gov/2019/May/07/2002128675/-1/- 1/1/LIG%20OCO%20OIR%20Q2%20MARCH2019.PDF, Zugriff 18.6.2019

- Xinhua (6.5.2019): 8 IS militants killed in operation in western Iraq desert, http://www.xinhuanet.com/english/2019-05/06/c_138036239.htm, Zugriff 18.6.2019

KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, uvm. https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.04.2019/ [Karte gelöscht, Anm.]

Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019). https://www. iraqbodycount.org/database/ [Karte gelöscht, Anm.]

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019). https://www.iraqbodvcount.org/database/ [Tabelle gelöscht, Anm.]

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

BAGDAD

Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).

Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019). www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG)

In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).

Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).

Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flussdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).

Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen, und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für denselben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019).

In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu unterstützen (Diyaruna 21.1.2019).

In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat al- Fallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019).

SÜDIRAK

Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019).

In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registriert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019).

Quellen:

- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019), Behind Frenemy Lines: Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind- frenemy-lines-uneasy-alliances-against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail

- BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019

- Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants, http://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019

- EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq security situation.pdf, 13.3.2019

- IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019

- ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq, https://iswresearch.blogspot.com/2019/03/isis-re-establishes-historic-sanctuary.html, Zugriff 12.3.2019

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- Jane's 360 (5.2.2019): Protests in Iraq's Basra likely throughout 2019, but security force presence mitigates disruption risk to oil sites, https://www.janes.com/article/86167/protests-in-iraq-s-basra-likely-throughout-2019-but-security-force- presence-mitigates-disruption-risk-to-oil-sites, Zugriff 13.3.2019

- Joel Wing, Musings on Iraq (10.12.2018): Security In Iraq Dec 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/12/security-in-iraq-dec-1-7-2018.html, Zugriff 4.4.2019

- Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019

- Joel Wing, Musings on Iraq (4.2.2019): Slight Uptick In Islamic State Ops In Iraq As New Year Begins, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/02/slight-uptick-in-islamic-state-ops-in.html, Zugriff 12.3.2019

- Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state-might-be-coming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019

- Joel Wing, Musings on Iraq (26.3.2019): Security In Iraq Mar 15-21, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/securitv-in-iraq-mar-15-21-2019.html, Zugriff 27.3.2019

- Joel Wing, Musings on Iraq (1.4.2019): Security In Iraq Mar 22-28, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/security-in-iraq-mar-22-28-2019.html, Zugriff 2.4.2019

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- Kurdistan 24 (12.3.2019): WATCH: Clashes between Basra tribes kill, injure ten people, http://www.kurdistan24.net/en/news/5dc59e22-744f-483e-a102-dfe1388e5afd, Zugriff 1.4.2019

- Landinfo - Norwegian Country of Origin Information Centre (8.1.2019): Temanotat Irak: Diyala provins - sikkerhetssituasjonen per november 2018,

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- Liveuamap - Live Universal Awareness Map (13.3.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/13.03.2019, Zugriff 13.3.2019

- OIR - Operation Inherent Resolve (29.3.2019): Fight is not over: Iraqi clearances spearhead fight against Daesh in Iraq, https://www.inherentresolve.mil/Media- Library/News-Releases/Article/1799730/fight-is-not-over-iraqi-clearances-spearhead-fight-against- daesh-in-iraq/, Zugriff 1.4.2019

- Reuters (21.12.2018): Police use live rounds to disperse protest in Iraq's Basra for second week, https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests/police-use-live-rounds-to-disperse-protest-in-iraqs- basra-for-second-week-idUSKCN1OK29Q, Zugriff 13.3.2019

- The Guardian (18.7.2018): Protests spread through cities in Iraq's oil-rich Shia south, https://www.theguardian.com/world/2018/jul/18/protests-spread-through-cities-in-iraqs-oil-rich-shia-south, Zugriff 1.4.2019

- UNAMI - United Nations Assistance Mission for Iraq (3.1.2019): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=10269:un-casualty-figures-for-iraq- for-the-month-of-december-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 12.3.2019

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- UNSC - United Nations Security Council (1.2.2019): Implementation of resolution 2421 (2018) Report of the Secretary-General, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002890/S_2019_101_E.pdf, Zugriff 14.3.2019

2. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch- republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik- Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogenannte "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch- religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-

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Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017- 12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker- 180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

- BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985, Zugriff 18.10.2018

- BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528, Zugriff 18.10.2018

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2.1. Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017), obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018).

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf [Karte gelöscht, Anm.]

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

Quellen:

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www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 https://www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million-votes-12-election- 180606163950024.html, Zugriff 23.10.2018

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- BP - Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba, https://www.thebaghdadpost.com/en/Story/21086/All-Shia-political-parties-have-armed-militias-Nujaba, Zugriff 22.10.2018

- CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq's Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018

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- Der Standard (29.10.2017): Kurdenpräsident Barzani hinterlässt einen Trümmerhaufen, https://derstandard.at/2000066849335/Kurdenpraesident-Barzani-hinterlaesst-einen-Truemmerhaufen, Zugriff 22.10.2018

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- WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916 Schluesselland-Irak.html, Zugriff 15.10.2018

2.2. Protestbewegung

Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormem Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vgl. Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vgl. Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten www.ris.bka.gv.at Seite 21 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 setzten die Bürogebäude der Da'wa-Partei. der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vgl. CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018).

Quellen:

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- Carnegie - Carnegie Middle East Center (19.9.2018): The Basra Exception, http://carnegie- mec.org/diwan/77284?lang=en, Zugriff 23.10.2018

- CNN - Central News Network (17.7.2018): Protests spread, turn deadly in Iraq: At least 8 are dead, dozens hurt, https://edition.cnn.com/2018/07/16/world/iraq-protests-violent/index.html, Zugriff 23.10.2018

- The Daily Star (19.7.2018): In Iraq, old grievances fuel deadly protests, https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2018/Jul-19/457085-in-iraq-old-grievances-fuel-deadly- protests.ashx, Zugriff 23.10.2018

- DW - Deutsche Welle (15.7.2018): Protests spread from oil-rich Basra across southern Iraq, https://www.dw.com/en/protests-spread-from-oil-rich-basra-across-southern-iraq/a-44678926, Zugriff 23.10.2018

- HRW - Human Rights Watch (24.7.2018): Iraq: Security Forces Fire on Protesters, https://www.hrw.org/news/2018/07/24/iraq-security-forces-fire-protesters, Zugriff 24.10.2018

- ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq's summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/b61-how-cope-irags- summer-brushfire, Zugriff 23.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (14.7.2018): Protests In Iraq Greatly Escalate And Spread Throughout South, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/protests-in-iraq-greatly-escalate-and.html, Zugriff 24.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (17.7.2018): Iraq Government Starts Crackdown On Protests, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/iraq-government-starts-crackdown-on.html, Zugriff 24.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (21.7.2018): 2 Killed As Protests Hit 10 Provinces In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/2-killed-as-protests-hit-10-provinces.html, Zugriff 24.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (25.7.2018): Silencing Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/silencing-protests-in-iraq.html, Zugriff 24.10.2018

- Kurier (15.7.2018): Proteste im Irak eskalieren weiter: Mehrere Tote, https://kurier.at/politik/ausland/proteste-im-irak-eskalieren-weiter-mehrere-tote/400066748, Zugriff 24.10.2018

- NPR - National Public Radio (27.9.2018): Months Of Protests Roil Iraq's Oil Capital Basra, https://www.npr.org/2018/09/27/651508389/months-of-protests-roil-iraqs-oil-capital- basra?t=1539869569857&t=1540298050551, Zugriff 23.10.2018

- Die Presse (15.7.2018): Massive Proteste breiten sich im Süden des Irak aus,

www.ris.bka.gv.at Seite 22 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5464674/Massive-Proteste-breiten-sich-im-Sueden-des-Irak- aus, Zugriff 24.10.2018

- Vox (8.9.2018): The violent protests in Iraq, explained, https://www.vox.com/world/2018/9/7/17831526/iraq-protests-basra-burning-government-buildings-iran- consulate-water, Zugriff 24.10.2018

- WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=994916&em_l oc=69&em_ref=/nachrichten/welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politik/Ausland&em_absatz_bold=Q , Zugriff 2.11.2018

2.3 Autonome Region Kurdistan

Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert (AA 12.2.2Q18). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.9.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).

Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren. angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.2.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).

Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.2.2018).

Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht. Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).

Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß der offiziellen Endergebnisse gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit 186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- Al Jazeera (21.10.2018): Opposition parties reject vote results in Iraq's Kurdish region, https://www.aljazeera.com/news/2018/10/opposition-parties-reject-vote-results-iraq-kurdish-region- 181021194012607.html, Zugriff 23.10.2018 www.ris.bka.gv.at Seite 23 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- ANF - ANF News (21.10.2018): Wahlergebnisse in Südkurdistan veröffentlicht, https://anfdeutsch.com/kurdistan/wahlergebnisse-in-suedkurdistan-veroeffentlicht-7293. Zugriff 23.10.2018

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- LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf. Zugriff 23.10.2018

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (21.10.2018): Ruling KDP Wins Most Seats In Kurdish Regional Parliament Vote, https://www.rferl.org/a/ruling-kdp-wins-most-seats-inkurdish-regional- parliament-vote/29555348.html. Zugriff 23.10.2018

- Tagesschau (30.9.2018): Wahl in Irakisch-Kurdistan Ein Parlament, das besser arbeitet?, https://www.tagesschau.de/ausland/irak-kurden-wahlen-101.html. Zugriff 23.10.2018

3. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017- 12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

- MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_im proving/10061710, Zugriff 30.10.2018

3.1. Islamischer Staat (IS)

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu www.ris.bka.gv.at Seite 24 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).

Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Quellen:

- Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/, Zugriff 30.10.2018

- CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018

- ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS's Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html, Zugriff 30.10.2018

- Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq?, https://jamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback-in-iraq/, Zugriff 30.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018-islamic-state-rebuilding-in.html, Zugriff 30.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad- while.html, Zugriff 30.10.2018

- Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018

- WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is-making-a-comeback-in-iraq-less-than- a-year-after-baghdad-declared-victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59- dccc2c0cabcf_story.html?noredirect=on&utm_term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018 www.ris.bka.gv.at Seite 25 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

3.2. Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen

Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 6.2.2018).

So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018).

Die folgende Grafik von ACCORD zeigt, im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 5.9.2018). https:// www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930 1536217374 2018q2iraq-de.pdf [Grafik entfernt, Anm.]

Laut Angaben von UNAMI, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak, wurden im September 2018 im Irak insgesamt 75 irakische Zivilisten durch Terroranschläge, Gewalt und bewaffnete Konflikte getötet und weitere 179 verletzt (UNAMI 1.10.2018). Insgesamt verzeichnete UNAMI im Jahr 2017 3.298 getötete und 4.781 verwundete Zivilisten. Nicht mit einbezogen in diesen Zahlen waren zivile Opfer aus der Provinz Anbar im November und Dezember 2017, für die keine Angaben verfügbar sind. Laut UNAMI handelt es sich bei den Zahlen um absolute Mindestangaben, da die Unterstützungsmission bei der Überprüfung von Opferzahlen in bestimmten Gebieten eingeschränkt ist (UNAMI 2.1.2018). Im Jahr 2016 betrug die Zahl getöteter Zivilisten laut UNAMI noch 6.878 bzw. die verwundeter Zivilisten 12.388. Auch diese Zahlen beinhalten keine zivilen Opfer aus Anbar für die Monate Mai, Juli, August und Dezember (UNAMI 3.1.2017).

Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle, dokumentierte IBC im September 2018 241 zivile Todesopfer im Irak. Im September 2017 betrug die Zahl von IBC dokumentierter ziviler Todesopfer im Irak 490; im September 2016 935. Insgesamt dokumentierte IBC von Januar bis September 2018 2.699 getötete Zivilisten im Irak. Im Jahr 2017 dokumentierte IBC 13.178 zivile Todesopfer im Irak; im Jahr 2016 betrug diese Zahl 16.393 (IBC 9.2018). https://www.iraqbodycount.org/database/ [Grafik entfernt, Anm.] https://www.iraqbodycount.org/database/ [Grafik entfernt, Anm.]

Quellen:

- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (5.9.2018): Irak. 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930_1536217374_2018q2iraq-de.pdf, Zugriff 29.10.2018

- IBC - Iraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence. https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 31.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (5.4.2018): Iraq Witnessing Fewest Security Incidents Since 2003. http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/04/iraq-witnessing-fewest-security.html, Zugriff 2.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady. https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad- while.html. Zugriff 30.10.2018

www.ris.bka.gv.at Seite 26 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving. https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_im proving/10061710. Zugriff 30.10.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.1.2017): UN Casualties Figures for Iraq for the Month of December 2016. http://www.uniraq.org/index.php?option=com k2&view=item&id=6611:un- casualties-figures-for-iraq-for-the-month-of-december-2016&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.1.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2017. http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8427:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-december-2017&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9687:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

3.3. Sicherheitslage Bagdad

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS- Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI www.ris.bka.gv.at Seite 27 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

Quellen:

- Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded In Iraq June 2017, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (4.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded In September 2017 In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.html, Zugriff 1.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad- while.html, Zugriff 30.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html, Zugriff 1.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-22-28-2018.html, Zugriff 1.11.2018

- OFPRA - Office Francais de Protection des Refugies et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 31.10.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=comk2&view=item&id=8500:un- casualtv-figures-for-iraq-for-the-month-of-januarv-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9402:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018. http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018

- UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018. http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9687:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

www.ris.bka.gv.at Seite 28 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

3.4. Sicherheitslage Autonome Region Kurdistan (KRG)

In Erbil bzw. Sulaymaniya und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings ist die derzeitige Sicherheitssituation aufgrund der andauernden Kämpfe. in die teilweise auch die kurdischen Streitkräfte (Peshmerga) und diverse Milizen eingebunden sind. besorgniserregend. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 1.11.2018).

Die türkische Armee führt regelmäßig (teilweise im Abstand von wenigen Tagen) Luftangriffe auf PKK-Ziele in der kurdischen Autonomieregion im Irak durch. Beide Seiten (sowohl die Türkei als auch die PKK) geben wenig Informationen über die Opfer. In Einzelfällen handelt es sich um Zivilisten (CEDOCA 14.3.2018).

Nachdem die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) ihre bewaffneten Aktivitäten im Jahr 2015 wieder aufnahm. fanden 2016 zum ersten Mal seit zehn Jahren auch wieder iranische Angriffe auf KDPI-Ziele in der Autonomen Region Kurdistan-Irak statt (CEDOCA 14.3.2018). Iranische Revolutionsgarden führten gezielte Tötungen von KDPI-Mitgliedern in der Autonomen Region Kurdistan durch (Al Monitor 7.3.2018). Der Iran hat in der Vergangenheit auch bewaffnete kurdische Oppositionsgruppen im Irak beschossen. Auch im September 2018 kam es zu einem tödlichen Raketenangriff der iranischen Revolutionsgarden auf die KDPI im Irak (Reuters 8.9.2018; vgl. RFE/RL 9.9.2018).

Quellen:

- Al Monitor (7.3.2018): Assassinations mount as Iranian Kurdish militants clash with Tehran. https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/iran-kdpi-kurdish-opposition-iraq-assassinations- rahmani.html, Zugriff 1.11.2018

- BMEIA - Bundesministerium für Europa. Integration und Äußeres (1.11.2018): Reiseinformation: Irak. https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/irak/, Zugriff 1.11.2018

- CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (14.3.2018): IRAK: Situation securitaire dans la Region autonome du Kurdistan, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak._situation_securitaire_dans_la_region_ autonome_du_kurdistan_0.pdf, Zugriff 1.11.2018

- Reuters (8.9.2018): Iran attacks Iranian Kurdish opposition group base in Iraq. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-iran/iran-attacks-iranian-kurdish-opposition-group-base- in-iraq-idUSKCN1LO0KZ, Zugriff 1.11.2018

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (9.9.2018): Iran's Revolutionary Guards Confirm Deadly Missile Strikes On Kurdish Rebels In Iraq. https://www.rferl.org/a/at-least-11-iranian-kurdish-fighters-killed-in-attack-rebels-blame-on- tehran/29479697.html, Zugriff 1.11.2018

3.5. Sicherheitslage Nord- und Zentralirak

In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018).

Mit dem Zuwachs und Gewinn an Stärke von lokalen und sub-staatlichen Kräften, haben diese auch zunehmend Verantwortung für die Sicherheit, politische Steuerung und kritische Dienstleistungen übernommen. Infolgedessen ist der Nord- und Zentralirak, obgleich nicht mehr unter der Kontrolle des IS, auch nicht unter fester staatlicher Kontrolle. Die Fragmentierung der Macht und die große Anzahl an mobilisierten Kräften mit widersprüchlichen Loyalitäten und Programmen stellt eine erhebliche Herausforderung für die allgemeine Stabilität dar (GPPI 3.2018).

Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In der Provinz Diyala beispielsweise fiel die Zahl sicherheitsrelevanter www.ris.bka.gv.at Seite 29 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Vorfälle von durchschnittlich 1,7 Vorfällen pro Tag im Juni 2018 auf 1,1 Vorfälle im Oktober 2018. Auch in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch nicht so maßgeblich wie die Art der Vorfälle und die Schauplätze an denen sie ausgeübt werden. Der IS ist in allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala, in Süd-Kirkuk, Nord- und Zentral-Salah-al-Din tätig. Es gibt regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt; Steuern werden erhoben und Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen; es kommt auch regelmäßige zu Schießereien. Es gibt immer mehr Berichte über IS-Mitglieder, die sich tagsüber im Freien bewegen und das Ausmaß ihrer Kontrolle zeigen. Die Regierung hat in vielen dieser Gegenden wenig Präsenz und die anhaltenden Sicherheitseinsätze sind ineffektiv, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze im Gang sind, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten (Joel Wing 2.11.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak: Reisewarnung, https://www.auswaertiges- amt.de/de/iraksicherheit/202738, Zugriff 1.11.2018

- GPPI - Global Public Policy Institute (3.2018): Iraq after iSlL: Sub-State Actors, Local Forces, and the Micro-Politics of Control, http://www.gppi.net/fileadmin/user_upload/media/pub/2018/Gaston_Derzsi-Horvath Iraq After ISIL.pdf, Zugriff 5.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (2.11.2018): October 2018: Islamic State Expanding Operations In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/11/october-2018-islamic-state-expanding.html, Zugriff 5.11.2018

3.6. Sicherheitslage Süden

Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).

In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018).

Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak: Reisewarnung, https://www.auswaertiges- amt.de/de/iraksicherheit/202738, Zugriff 1.11.2018

- AI - Amnesty International (7.9.2018): Iraq: Effective Investigations needed into deaths of protesters in Basra, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF, Zugriff 2.11.2018

www.ris.bka.gv.at Seite 30 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- Al Jazeera (16.7.2018): Death toll rises in southern Iraq protests, https://www.aljazeera.com/news/2018/07/death-toll-rises-southern-iraq-protests-180716181812482.html, Zugriff 2.11.2018

- CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation securitaire dans le sud de l'Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak_situation_securitaire_dans_le_sud de lirak 20180228.pdf. Zugriff 1.11.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (5.9.2018): Basra Explodes In Rage and Riots Over Water Crisis, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/basra-explodes-in-rage-and-riots-over.html, Zugriff 2.11.2018

- Landinfo - The Norwegian COI Centre (31.5.2018): Irak: Sikkerhetssituasjonen i S0r-Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434620/1226_1528700530_irak-temanotat- sikkerhetssituasjonen-i-svarirak-hrn-31052018.pdf, Zugriff 1.11.2018

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Bundesjustiz besteht aus dem Obersten Justizrat (Higher Judicial Council. HJC). dem Bundesgerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission und anderen Bundesgerichten, die durch das Gesetz geregelt werden. Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft (LIFOS 8.5.2014). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 12.2.2018).

Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vgl. AA 12.2.2018). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Darüber hinaus schwächen die Sicherheitslage und die politische Geschichte des Landes die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 20.4.2018). Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt (AA 12.2.2018).

Zudem ist die Justiz von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt (FH 16.1.2018).

Eine Verfolgung von Straftaten findet nur unzureichend statt (AA 12.2.2018). Strafverfahren sind zutiefst mangelhaft (FH 16.1.2018). Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Es gibt häufig Fälle überlanger Untersuchungshaft, ohne dass die Betroffenen, wie vom irakischen Gesetz vorgesehen, einem Richter oder Staatsanwalt vorgeführt würden. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten. Das seit 2004 geltende Notstandsgesetz ermöglicht der Regierung Festnahmen und Durchsuchungen unter erleichterten Bedingungen (AA 12.2.2018).

Korruption oder Einschüchterung beeinflussen Berichten zufolge einige Richter in Strafsachen auf der Prozessebene und bei der Berufung vor dem Kassationsgericht. Die Integritätskommission untersucht routinemäßig Richter wegen Korruptionsvorwürfen, aber einige Untersuchungen sind Berichten zufolge politisch motiviert. Zahlreiche Drohungen und Morde durch konfessionelle, extremistische und kriminelle Elemente sowie der Stämme beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, Anwälte und ihre Familienangehörigen sind häufig mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert (USDOS 20.4.2018). Nicht nur Polizei Richter, sondern auch Anwälte, können dem Druck einflussreicher Personen, z.B. der Stämme, ausgesetzt sein. Dazu kommt noch Überlastung. Ein Untersuchungsrichter kann beispielsweise die Verantwortung über ein Gebiet von einer Million Menschen haben, was sich negativ auf die Rechtsstaatlichkeit auswirkt (LIFOS 8.5.2014).

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte routinemäßig, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. In zahlreichen Fällen dienen erzwungene Geständnisse als primäre Beweisquelle. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und www.ris.bka.gv.at Seite 31 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, ist der unzureichende Zugang der Angeklagten zu Verteidigern ein schwerwiegender Mangel im Verfahren. Viele Angeklagte treffen ihre Anwälte zum ersten Mal während der ersten Anhörung und haben nur begrenzten Zugang zu Rechtsbeistand während der Untersuchungshaft. Dies gilt insbesondere für die Anti-Terror-Gerichte, wo Justizbeamte Berichten zufolge versuchen, Schuldsprüche und Urteilsverkündungen für Tausende von verdächtigen IS-Mitgliedern in kurzer Zeit abzuschließen (USDOS 20.4.2018).

2017 endeten viele Schnellverfahren gegen Terrorverdächtige mit Todesurteilen. Zwischen Juli und August 2017 erließen die irakischen Behörden auch Haftbefehle gegen mindestens 15 Rechtsanwälte, die mutmaßliche IS- Mitglieder verteidigt hatten. Den Anwälten wurde vorgeworfen, sie stünden mit dem IS in Verbindung (AI 22.2.2018).

Nach Ansicht der Regierung gibt es im Irak keine politischen Gefangenen. Alle inhaftierten Personen sind demnach entweder strafrechtlich verurteilt oder angeklagt oder befinden sich in Untersuchungshaft. Politische Gegner der Regierung behaupteten jedoch, diese habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen unter dem Vorwand von Korruption, Terrorismus und Mord inhaftiert oder zu inhaftieren versucht (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425073.html, Zugriff 13.7.2018

- FH - Freedom House (16.1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 25.7.2018

- LIFOS (8.5.2014): Iraq: Rule of Law in the Security and Legal System, https://landinfo.no/asset/2872/1/2872 1.pdf, Zugriff 13.7.2018

- Stanford - Stanford Law School (2013): Constitutional Law of Iraq, https://law.stanford.edu/wp- content/uploads/2018/04/ILEI-Constitutional-Law-2013.pdf, Zugriff 12.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 13.7.2018

4.1. Ergänzende Informationen zur Autonomen Region Kurdistan (KRG)

Auch die Lage in der Autonomen Region Kurdistan ist von Defiziten der rechtsstaatlichen Praxis gekennzeichnet (AA 12.2.2018). Der Kurdische Justizrat ist rechtlich, finanziell und administrativ unabhängig vom Justizministerium der Regierung der Autonomen Region Kurdistan, die Exekutive beeinflusst jedoch politisch sensible Fälle. Beamte der Region Kurdistan-Irak berichten, dass Staatsanwälte und Verteidiger bei der Durchführung ihrer Arbeit häufig auf Hindernisse stoßen und dass Prozesse aus administrativen Gründen unnötig verzögert werden. Nach Angaben der Unabhängigen Menschenrechtskommission der Region Kurdistan- Irak bleiben Häftlinge auch nach gerichtlicher Anordnungen ihrer Freilassung für längere Zeit in den Einrichtungen des internen Sicherheitsdienstes der kurdischen Regierung (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 13.7.2018

5. Sicherheitskräfte und Milizen www.ris.bka.gv.at Seite 32 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle ausgeübt (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Right Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

5.1. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.4.2018).

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.2.2018).

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzt Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 31.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

5.2. Volksmobilisierungseinheiten (PMF)

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig www.ris.bka.gv.at Seite 33 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

(USDOS 20.4.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr- Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.2.2018).

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.2.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.4.2018).

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haqq und den Kata'ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.2.2018).

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der "Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak" wurde später zum "Obersten Islamischen Rat im Irak" (OIRI), siehe Abschnitt "Politische Lage"]. Die Badr- Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem (Süß 21.8.2017).

Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) wurden 2007 von Abu Mahdi al- Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der PMF. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die USamerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017).

Die Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa von Großayatollah Ali al-Sistani, in der alle junge Männer dazu aufgerufen wurden, sich im Kampf gegen den IS den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten im Irak anzuschließen, von Muqtada as-Sadr www.ris.bka.gv.at Seite 34 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 gegründet. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).

Auch die Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl al-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr- Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, den Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feldkommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).

Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).

Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017). In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mosul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018).

Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen - oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind waren (Posch 8.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf. www.ris.bka.gv.at Seite 35 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Zugriff 31.10.2018

- ICG - International Crisis Group (30.7.2018): Iraq's Paramilitary Groups: The Challenge of Rebuilding a Functioning State, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian- peninsula/iraq/188-iraqs-paramilitary-groups-challenge-rebuilding-functioning-state, Zugriff 31.10.2018

- Posch, Walter (8.2017): Schiitische Milizen im Irak und in Syrien -Volksmobilisierungseinheiten und andere, per E-mail

- Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha'bi: Die irakischen "Volksmobilisierungseinheiten" (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu- jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf.,Zugriff 31.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

5.3. Kurdische Sicherheitskräfte (Peshmerga)

Die kurdischen Sicherheitskräfte (Peshmerga) unterstehen formal der kurdischen Regionalregierung und sind bislang nicht in den Sicherheitsapparat der Zentralregierung eingegliedert. Sie bilden allerdings keine homogene Einheit, sondern unterstehen faktisch voneinander getrennt den beiden großen Parteien, der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), in ihren jeweiligen Einflussgebieten (AA 12.2.2018). Die Peshmerga sind eine komplexe und vielschichtige Kraft, ihre Loyalität geteilt zwischen dem irakischen Staat, der autonomen Region Kurdistan, verschiedenen politischen Parteien und mächtigen Persönlichkeiten. Zu verschiedenen Zeitpunkten, manchmal auch gleichzeitig, können die Peshmerga als nationale Sicherheitskräfte, regionale Sicherheitskräfte, Partei-Kräfte und persönliche Sicherheitskräfte bezeichnet werden (Clingendael 3.2018).

Im Kampf gegen den IS hatten die Peshmerga Gebiete über die ursprünglichen Grenzen von 2003 der Region Kurdistan-Irak hinaus befreit. Aus diesen zwischen Bagdad und Erbil seit jeher umstrittenen Gebieten hat die irakische Armee die Peshmerga nach Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums im September 2017 größtenteils zurückgedrängt. In weiten Teilen haben die Peshmerga sich kampflos zurückgezogen, es gab jedoch auch teils schwere bewaffnete Auseinandersetzungen mit Opfern auf beiden Seiten (AA 12.2.2018).

Nach der irakischen Verfassung hat die kurdische Autonomieregion das Recht, ihre eigenen Sicherheitskräfte zu unterhalten, finanziell unterstützt von der irakischen Bundesregierung, aber unter der operativen Kontrolle der kurdischen Autonomieregierung. Dementsprechend beaufsichtigt das Ministerium für Peshmerga- Angelegenheiten der kurdischen Autonomieregion 14 Infanteriebrigaden und zwei Unterstützungsbrigaden. Die PUK und die KDP kontrollieren zehntausende Mann zusätzliches Militärpersonal, einschließlich Milizen, die allgemein als die 70er und 80er Peshmerga-Brigaden bezeichnet werden (USDOS 20.4.2018).

KDP und PUK unterhalten getrennte Sicherheits- und Nachrichtendienste, einerseits Asayish und Parastin (KDP), und andererseits Asayish und Zanyari (PUK) (USDOS 20.4.2018; vgl. Chapman 2009). Die Unabhängige Menschenrechtskommission der kurdischen Autonomieregion informiert das kurdische Innenministerium regelmäßig, wenn ihr glaubwürdige Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte zukommen (USDOS 20.4.2018).

Die Sicherheitsdienste der kurdischen Autonomieregion halten in den von ihnen kontrollierten Gebieten bisweilen Verdächtige fest. Die schlecht definierten administrativen Grenzen zwischen Gebieten und dem Rest des Landes führen zu anhaltender Verwirrung über die Zuständigkeit der Sicherheitskräfte und der Gerichte. Erschwerend kommt hinzu, dass Teile dieser Gebiete sich noch unter IS-Kontrolle befinden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 31.10.2018

www.ris.bka.gv.at Seite 36 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (3.2018): Fighting for Kurdistan? Assessing the nature and functions of the Peshmerga in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-03/fighting-for-kurdistan.pdf, Zugriff 31.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Folter und unmenschliche Behandlung sind laut der irakischen Verfassung ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u. a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz übergeben, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 12.2.2018).

Es gibt Berichte. dass die Polizei mit Gewalt Geständnisse erzwingt und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren. Weiterhin misshandeln und foltern die Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den PMF verbundenen Milizen. Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter KRG-Kontrolle. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 20.4.2018).

Gegen Ende der Kämpfe um Mossul zwischen Mai und Juli 2017 häuften sich Berichte, wonach irakische Einheiten, darunter Spezialkräfte des Innenministeriums, Bundespolizei und irakische Sicherheitskräfte, Männer und Jungen, die vor den Kämpfen flohen, festnahmen, folterten und außergerichtlich hinrichteten (AI 22.2.2018).

In ihrem Kampf gegen den IS haben irakische Streitkräfte Hunderte von IS-Verdächtigen gefoltert, hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. Zahlreiche gefangene IS-Verdächtige haben behauptet, die Behörden hätten sie durch Folter zu Geständnissen gezwungen. Während der Militäreinsätze zur Befreiung von Mosul, haben irakische Streitkräfte mutmaßliche IS-Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld oder in dessen Umfeld gefangen genommen worden waren, ungestraft gefoltert und hingerichtet, manchmal sogar nachdem sie Fotos und Videos der Misshandlungen auf Social Media Seiten veröffentlicht hatten (HRW 18.1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Jahresbericht 2017/18 Irak, https://wwwamnestv.de/jahresbericht/2018/irak#section-1722159, Zugriff 16.7.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Iraq, https://www.hrw.org/world- report/2018/country-chapters/iraq, Zugriff 16.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018

6.1. Autonome Region Kurdistan (KRG)

Missbräuchliche Verhöre sollen unter bestimmten Bedingungen in einigen Haftanstalten der internen Sicherheitseinheit der KRG, der Asayish, und der Geheimdienste der großen politischen Parteien, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) Parastin und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) Zanyari stattfinden (USDOS 20.4.2018). Berichten zufolge kommt es in Gefängnissen der Asayish in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige (AA 12.2.2018).

www.ris.bka.gv.at Seite 37 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

KRG-Behörden haben Buben zwischen 11 und 17 Jahren gefoltert, die wegen angeblicher Verbindungen zum IS verhaftet worden waren, und haben sie daran gehindert, sich an einen Anwalt zu wenden. Nach Angaben der Unabhängigen Menschenrechtskommission der KRG befanden sich in einer Jugendstrafanstalt in Erbil 215 Buben wegen Vorwürfen in Zusammenhang mit dem IS. Die Kommission hat 165 Buben befragt. Die meisten Jugendlichen behaupteten, dass die Sicherheitskräfte von PMF und KRG sie verschiedenen Formen des Missbrauchs, einschließlich Schlägen, ausgesetzt hätten (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017- 12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018

7. Korruption

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Staatsdiener vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht immer wirksam um. Im Laufe des Jahres 2017 gab es zahlreiche Berichte über staatliche Korruption. Auf allen Ebenen des Staates sind einzelne Amtsträger in korrupte Praktiken verstrickt. Die Untersuchung von Korruption ist nicht frei von politischer Einflussnahme. Erwägungen hinsichtlich Familienzugehörigkeit, Stammeszugehörigkeit und Religionszugehörigkeit beeinflussen Regierungsentscheidungen auf allen Ebenen maßgeblich. Bestechung, Geldwäsche, Vetternwirtschaft und Veruntreuung öffentlicher Gelder sind üblich. Medien und NGOs versuchen Korruption unabhängig aufzudecken, obwohl ihre Möglichkeiten begrenzt sind. Antikorruptions-, Strafverfolgungs- und Justizbeamte sowie Mitglieder der Zivilgesellschaft und der Medien werden wegen ihrer Bemühungen zur Bekämpfung korrupter Praktiken bedroht und eingeschüchtert (USDOS 20.4.2018).

Die im ganzen Land grassierende Korruption ist bei fast allen Reformvorhaben ein wesentliches Hindernis, ihre Bekämpfung wurde nach dem militärischen Sieg gegen den IS von Ministerpräsident Abadi als dringlichste politische Aufgabe ausgerufen. Positiv zu vermerken ist die (demokratische) Absetzung einiger besonders korrupter Gouverneure, insbesondere in Ninewa. Abzuwarten bleibt, ob eine konsequentere Strafverfolgung auch unabhängig von der jeweiligen Zugehörigkeit zu bestimmten politischen Lagern erfolgen wird (AA 12.2.2018).

Es kommt wiederholt zu Demonstrationen gegen Korruption, sowohl im Süden des Landes, als auch in Bagdad, sowie in den kurdischen Autonomiegebieten (Rudaw 19.12.2017; vgl. Rudaw 9.2.2018, Qantara 16.7.2018).

Auf dem Corruption Perceptions Index 2017 von Transparency International wird der Irak mit 18 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean) (TI 21.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018

- Rudaw (19.12.2017): Anger over corruption fuels Kurdish protests, http://www.rudaw.net/english/kurdistan/181220178, Zugriff 17.7.2018

- Rudaw (9.2.2018): Thousands join anti-corruption protests across Iraq, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/09022018, Zugriff 2.11.2018

- TI - Transparency International (21.2.2018): Iraq, https://www.transparencv.org/countrv/IRQ, Zugriff 16.7.2018

- Qantara (16.7.2018): Proteste im Irak gegen Arbeitslosigkeit und Korruption eskalieren, https://de.qantara.de/content/proteste-im-irak-gegen-arbeitslosigkeit-und-korruption-eskalieren,

www.ris.bka.gv.at Seite 38 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Zugriff 17.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Mit Stand August 2018 waren laut irakischer Bundesdirektion für Nichtregierungsorganisationen 3.550 NGOs registriert. In der Autonomen Region Kurdistan betrug die Zahl registrierter NGOs 4.300 Seit 2010 gibt es ein Gesetz zu NGOs, das die Beschränkungen der Auslandsfinanzierung von NGOs erleichtert, die Ablehnung von Registrierungsanträgen einschränkt, strafrechtliche Sanktionen beseitigte, unbegründete Überprüfungen und Inspektionen untersagt, sowie gerichtliche Kontrollen über die Suspendierung von NGOs schuf (ICNL 14.9.2018).

Trotz positiver rechtlicher Rahmenbedingungen hat sich im Zuge der seit 2014 anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen das Arbeitsumfeld für Menschenrechtsorganisationen deutlich verschlechtert. Im gesamten Irak existierten allein im Bereich Menschenrechte zuletzt etwa 350 registrierte NGOs. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, unterliegen in ihrer Registrierung keinen besonderen Einschränkungen. Die schwierige Sicherheitslage und weiter bestehende regulatorische Hindernisse erschweren dennoch die Arbeit vieler NGOs. Sie unterliegen der Kontrolle durch die Behörde für Angelegenheiten der Zivilgesellschaft. Zahlreiche NGOs berichten von bürokratischen und intransparenten Registrierungsverfahren, willkürlichem Einfrieren von Bankkonten sowie unangekündigten und einschüchternden "Besuchen" durch Vertreter des Ministeriums. Die Präsenz von ausländischen NGOs im Zentral- und Südirak ist nach wie vor gering. Dies gilt nicht für die Region Kurdistan-Irak, wo viele ausländische NGOs tätig sind, die derzeit aber unter verschärften Kontrollen durch die Zentralregierung in ihrer Arbeit beeinträchtigt sind (AA 12.2.2018).

Nationale und internationale NGOs operieren in den meisten Fällen unter geringer staatlicher Einflussnahme, jedoch gibt es Berichte über staatliche Einmischung, wenn NGOs der Regierung oder bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppen Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Im Südirak berichten einige NGOs von Regierungsbeamten, die ihre Arbeit behindert bzw. sie belästigt haben, insbesondere was die Finanzen betrifft. Die kurdische Autonomieregion verfügt über eine aktive Gemeinschaft von meist kurdischen NGOs, viele mit engen Beziehungen zu den politischen Parteien PUK und KDP (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 17.7.2018

- ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (14.9.2018): Civic Freedom Monitor: Iraq, http://www.icnl.org/research/monitor/iraq.html, Zugriff 30.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018

[...]

10. Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit. Pressefreiheit. Religionsfreiheit. Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche. soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren. dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen. sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018). www.ris.bka.gv.at Seite 39 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte. insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit. einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten. einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018).

Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018).

Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF-Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1425073.html, Zugriff 28.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018

10.1. Ergänzungen zur Autonomen Region Kurdistan

Es gibt zwar eine unabhängige kurdische Menschenrechtskommission, sie beschränkt sich aber eher auf die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und kann selten eine volle Aufklärung oder gar Ahndung gewährleisten (AA 12.2.2018). Der Hohe Ausschuss für die Bewertung und Reaktion auf internationale Berichte überprüfte in der Autonomen Region Kurdistan Anschuldigungen von Misshandlungen durch die Peshmerga, insbesondere gegen IDPs, und entschuldigte sie in öffentlichen Berichten und Kommentaren. Es besteht quasi Straffreiheit für Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte, einschließlich der Peshmerga und PMF (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018

www.ris.bka.gv.at Seite 40 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018

11. Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung garantiert die Freiheit der Meinungsäußerung (AA 12.2.2018), solange diese nicht die öffentliche Ordnung und Moral verletzt, Unterstützung für die verbotene Ba'ath-Partei ausdrückt oder die gewaltsame Änderung der Grenzen des Landes befürwortet. Einzelpersonen und Medien betreiben jedoch Selbstzensur, aufgrund der glaubwürdigen Angst vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionellen Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden. Kontrolle und Zensur der Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung behindern manchmal den Medienbetrieb, was mitunter die Schließung von Medien, Einschränkungen der Berichterstattung und Behinderung von Internetdiensten zur Folge hat. Einzelpersonen können die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, jedoch nicht ohne Angst vor Vergeltung (USDOS 20.4.2018).

Im Irak existiert eine lebendige, aber wenig professionelle, zumeist die ethnisch-religiösen Lagerbildungen nachzeichnende Medienlandschaft, die sich zudem weitgehend in ökonomischer Abhängigkeit von Personen oder Parteien befindet, die regelmäßig direkten Einfluss auf die Berichterstattung nehmen (AA 12.2.2018). Die meisten der mehrere hundert Printmedien, die im Irak täglich oder wöchentlich erscheinen, sowie dutzende Radio- und Fernsehsender, werden von politischen Parteien stark beeinflusst oder vollständig kontrolliert (USDOS 20.4.2018). Es gibt nur wenige politisch unabhängige Nachrichtenquellen. Journalisten, die sich nicht selbst zensieren, können mit rechtlichen Konsequenzen oder gewaltsamen Vergeltungsmaßnahmen rechnen (FH 1.2018).

Einige Medienorganisationen berichteten über Verhaftungen und Schikane von Journalisten sowie darüber, dass die Regierung sie davon abhielt, politisch heikle Themen, wie Sicherheitsfragen, Korruption und schwache Regierungskapazitäten, zu behandeln (USDOS 20.4.2018). Das "Gesetz zum Schutz von Journalisten" von 2011 hält unter anderem mehrere Kategorien des Straftatbestands der Verleumdung aufrecht, die in ihrem Strafmaß zum Teil unverhältnismäßig hoch sind. Klagen gegen das Gesetz sind anhängig (AA 12.2.2018).

Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ist der Irak für Journalisten eines der gefährlichsten Länder der Welt. Auf ihrem Index für Pressefreiheit kommt der Irak im Jahr 2017 auf Platz 158 von 180. Das Land nimmt im Straflosigkeitsindex (Zeitraum 2007-2016) des Committee to Protect Journalists zudem den weltweit vorletzten Platz in Bezug auf die Aufklärung von Morden an Journalisten ein. Demnach wurden in den letzten zehn Jahren 32 Morde an Journalisten nicht aufgeklärt (AA 12.2.2018).

Auch Lehrer sind im Irak seit langem mit der Gefahr von Gewalt oder anderen Auswirkungen konfrontiert, wenn sie Themen unterrichten oder besprechen, die mächtige staatliche oder nicht staatliche Akteure für verwerflich halten. Politischer Aktivismus von Universitätsstudenten kann zu Schikane oder Einschüchterung führen (FH 1.2018). Sozialer, religiöser und politischer Druck schränken die Entscheidungsfreiheit in akademischen und kulturellen Angelegenheiten ein. In allen Regionen des Landes versuchen verschiedene Gruppen die Ausübung der formalen Bildung und die Vergabe von akademischen Positionen zu kontrollieren (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018

11.1. Internet und soziale Medien

Es gibt offene staatliche Einschränkungen beim Zugang zum Internet und Berichte (jedoch kein offizielles Eingeständnis), dass die Regierung E-Mail- und Internetkommunikationen ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht (USDOS 20.4.2018).

www.ris.bka.gv.at Seite 41 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Es gibt Fälle von Vergeltungsmaßnahmen aufgrund von Aussagen bzw. Beiträgen in sozialen Medien (FH 1.2018). Trotz Einschränkungen nutzten politische Persönlichkeiten und Aktivisten das Internet, um korrupte und ineffektive Politiker zu kritisieren, Demonstranten zu mobilisieren und sich über soziale Medien für Kandidaten zu engagieren bzw. Wahlkampf zu betreiben (USDOS 20.4.2018).

Es gibt keine Berichte, dass das Ministerium für Kommunikation sozialen Medien Sperren auferlegt hätte (USDOS 20.4.2018). Während Großereignissen wird regelmäßig das Internet für einige Stunden gesperrt (AA 12.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq. https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018

11.2. Autonome Region Kurdistan

Politische Meinungsäußerung kann in der kurdischen Autonomieregion auch willkürliche Verhaftung oder andere Repressalien von staatlicher Seite auslösen. Journalisten und Medien, die kritisch über die KRG-Führung oder die Krise des Unabhängigkeitsreferendums berichteten, sahen sich mit Verhaftungen. Drohungen und Schließungsanordnungen durch Sicherheitskräfte und Aufsichtsbehörden sowie mit Angriffen von parteizugehörigen Schlägern konfrontiert. Es gab Berichte über Einschüchterungen im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum, insbesondere in den umstrittenen Gebieten, wie Kirkuk (FH 1.2018). Es gibt zahlreiche Fälle von Gewalt, Inhaftierung und Todesdrohungen gegen Medienschaffende. In manchen Fällen trugen die Angreifer Militär- oder Polizeiuniformen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak. https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die- asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq. https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018

[...]

15. Religionsfreiheit

Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.2.2018). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den "erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (USDOS 29.5.2018; vgl. RoI 15.10.2005). In Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vgl. USDOS 29.5.2018).

Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch-islamischen Charakter des Landes (AA 12.2.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018). Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus www.ris.bka.gv.at Seite 42 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.2.2018).

Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht-Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018).

Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch-katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch-orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018).

Das Gesetz verbietet die Ausübung des Bahai-Glaubens und der wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams (USDOS 29.5.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018).

Die alten irakischen Personalausweise enthielten Informationen zur Religionszugehörigkeit einer Person, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religiös-konfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Art. 26 besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 12.2.2018). Es wird berichtet, dass das Gesetz faktisch zu Zwangskonvertierungen führt, indem Kinder mit nur einem muslimischen Elternteil (selbst Kinder, die infolge von Vergewaltigung geboren wurden) als Muslime angeführt werden müssen. Christliche Konvertiten berichten auch, dass sie gezwungen sind, ihr Kind als Muslim zu registrieren oder das Kind undokumentiert zu lassen, was die Berechtigung auf staatliche Leistungen beeinträchtigt (USDOS 29.5.2018).

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie jeweils einen Sitz für Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabak). Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 12.2.2018).

Es gibt weiterhin Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), einschließlich der Peshmerga und schiitischer Milizen, sunnitische Gefangene töten. Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten. Internationale Menschenrechtsorganisationen erklären, dass die Regierung es immer noch verabsäumt ethnisch-konfessionelle Verbrechen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, einschließlich Verbrechen, die von bewaffneten Gruppen in den vom IS befreiten Gebieten ausgeübt wurden. Sunnitische Araber berichten weiterhin, dass manche Regierungsbeamte bei Festnahmen und Inhaftierungen konfessionelles Profiling vornehmen, sowie Religion als bestimmenden Faktor bei der Vergabe von Arbeitsplätzen benützen (USDOS 29.5.2018).

Minderheiten sind auch weiterhin mit Belästigungen, einschließlich sexueller Übergriffe, und Einschränkungen durch lokale Behörden in einigen Regionen konfrontiert. Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, viele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren. Einige Jesiden und christliche Führer berichten von Belästigungen und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte, einschließlich Anforderungen für Sicherheitsgenehmigungen, die von den Asayish auferlegt werden und die die Bewegungsfreiheit von Jesiden zwischen der Provinz Dohuk und dem Sinjar- Gebiet einschränken. Christen berichten von Belästigungen und Misshandlungen an zahlreichen Checkpoints, die von Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) betriebenen werden. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit im Gebiet der Ninewa-Ebene behindert (USDOS 29.5.2018).

Christen und Jesiden geben an, dass die Zentralregierung in Bagdad eine gezielte demografische Veränderung fördert, indem sie Schiiten mit Land und Häusern ausstattet, damit diese in traditionell christliche Gebiete ziehen (USDOS 29.5.2018).

www.ris.bka.gv.at Seite 43 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018).

Atheismus, Agnostizismus, Kritik an konfessioneller Politik

Das irakische Strafgesetzbuch enthält keine Artikel, die eine direkte Bestrafung für Atheismus vorsehen. Es gibt auch keine speziellen Gesetze, die Strafen für Atheisten vorsehen. (Al-Monitor 1.4.2018; vgl. EASO 7.2017, EASO 11.4.2018, Landinfo 29.8.2018). Die irakische Verfassung garantiert Atheisten nicht die freie Glaubensausübung (USDOS 29.5.2018). Im März 2018 wurden in Dhi Qar Haftbefehle gegen vier Iraker aufgrund von Atheismus-Vorwürfen erlassen (Al-Monitor 1.4.2018).

Der Irak ist ein zutiefst religiöses Land, in dem Atheismus selten ist (PRI 17.1.2018; vgl. RDC 31.1.2018). Trotzdem berichten Universitätsstudenten landesweit, dass es noch nie so viele Atheisten im Irak gegeben habe wie heute (WZ 9.10.2018).

Obwohl in der Bevölkerung verschiedene Grade der Religiosität vertreten sind und ein Segment der Iraker eine säkulare Weltanschauung vertritt, ist es dennoch selten, dass sich jemand öffentlich zum Atheismus bekennt. Die meisten Atheisten verstecken ihre Identität. Manchmal sagen sie, dass sie Muslime seien, insgeheim sind sie jedoch Atheisten (EASO 7.2017).

Viele Geistliche, die islamischen politischen Parteien nahe stehen, haben missverständliche Vorstellungen zu dem Thema und bezeichnen z. B. oft den Säkularismus als Atheismus (Al-Monitor 1.4.2018).

Einige Politiker führender konfessioneller Parteien verurteilten Säkularismus und Atheismus und reagierten damit offenbar auf einen Wandel in der öffentlichen Meinung nach dem IS-Konflikt, gegen religiösen Extremismus und den politischen Islam (FH 1.2018).

Berichten zufolge gibt es auch eine wachsende Bewegung von Agnostikern. Dazu kommen viele Menschen, die zwar bestimmte religiöse Erscheinungen oder Überzeugungen kritisieren, den generellen Rahmen der Religiosität jedoch nicht aufgeben (Al-Monitor 6.3.2014). Eine wachsende Gruppe junger Iraker spricht frei über Säkularismus, Atheismus und den Bedarf ihres Landes an nicht-konfessionellen Institutionen. Während ihr Einfluss begrenzt ist, spiegelt ihre Frustration über die konfessionelle Politik einen breiteren Trend im Land wider. Die Welle des "Facebook-Säkularismus" muss die irakische Politik jedoch erst erreichen (Defense One 5.7.2018).

Anm.: Weiterführende Informationen zur Situation einzelner religiöser Minderheiten können dem Kapitel Minderheiten entnommen werden.

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- Al-Monitor (1.4.2018): Iraqi courts seeking out atheists for prosecution, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/atheists-iraq-human-rights.html, Zugriff 24.10.2018

- Al-Monitor (6.3.2014): Iraqi atheists demand recognition, guarantee of their rights, https://www.al-monitor.com/pulse/en/contents/articles/originals/2014/03/iraq-atheism-spread-rights- recognition.html, Zugriff 24.10.2018

- Defense One (5.7.2018): The Rise of Iraq's Young Secularists, https://www.defenseone.com/ideas/2018/07/rise-iraqs-young-secularists/149507/?oref=d-channeltop, Zugriff 24.10.2018

- EASO - European Asylum Support Office (11.4.2018): Iraq: COI Query Response on atheism, especially in Baghdad (treatment of atheists by non-state and state actors and militias; state protection), https://www.ecoi.net/en/file/local/1429402/5228_1523539284_66-q-iraq-atheism.pdf, Zugriff 25.7.2018 www.ris.bka.gv.at Seite 44 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- EASO - European Asylum Support Office (7.2017): EASO COI Meeting Report: Iraq; Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90 1501570991 easo-2017-07-iraq-meeting-report.pdf, Zugriff 5.11.2018

- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 29.10.2018

- Landinfo (29.8.2018): Irak: Apostasi og ateisme, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442030/4792_1535643188_irak-respons-apostasi-og-ateisme-grha- 29082018.pdf, Zugriff 24.10.2018

- PRI - Public Radio International (17.1.2018): ISIS turned this young Iraqi Christian into an atheist, https://www.pri.org/stories/2018-01-17/isis-turned-young-iraqi-christian-atheist, Zugriff 24.10.2018

- RDC - Refugee Documentation Centre Ireland (31.1.2018): Iraq - Treatment of atheists including by ISIS, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423773/1788_1518009737_3101.pdf, Zugriff 24.10.2018

- RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 5.11.2018

- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.1.2018): Situation of Christians in Baghdad, http://www.refworld.org/docid/5a66f80e4.html, Zugriff 29.8.2018

- USDOS - United States Department of State (29.5.2018): International Religious Freedom Report 2017 - Iraq, https://www.state.goV/j/drl/rls/irf/2017/nea/280984.html, Zugriff 26.7.2018

- WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916 Schluesselland-Irak.html, Zugriff 24.10.2018

16. Minderheiten

In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.2.2018).

Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 12.2.2018).

Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan, oft benachteiligt (AA 12.2.2018).

Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA 12.2.2018).

Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv (siehe unten).

Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen - eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnischkonfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen www.ris.bka.gv.at Seite 45 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.2.2018).

Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.2.2018).

In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.2.2018; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017).

Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.2.2018).

Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden problematische Versuche einer ethnisch-konfessionellen Neuordnung unternommen, besonders in der ethnisch-konfessionell sehr heterogenen Provinz Diyala (AA 12.2.2018).

[...]

Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend eine Minderheit sein, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.4.2017; vgl. Prochazka 11.8.2014).

Durch den Vorstoß des IS und seiner aktiven Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes kam es zu drastischen Veränderungen in der konfessionellen und ethnischen Verteilung der Bevölkerung im Irak (FH 2018; vgl. Ferris und Taylor 8.9.2014). Viele Schiiten und religiöse Minderheiten, die vom IS vertrieben wurden, sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Rückkehr irakischer Streitkräfte in Gebiete, die seit 2014 von kurdischen Streitkräfte gehalten wurden, führte Ende 2017 zu einer weiteren Runde demografischer Veränderungen, wobei manche kurdischen Bewohner auszogen und Araber zurückkehrten. In Gebieten, die von schiitischen Milizen befreit wurden, gab es wiederum Berichte von der Vertreibung sunnitischer Araber. Dasselbe gilt für Gebiete, die von den kurdischen Peshmerga befreit wurden (FH 2018; vgl. GNI 20.11.2016).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- BMI - Bundesministerium für Inneres; BMLVS - Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (2016 - Stand Irak: 2014): Atlas: Middle East & North Africa, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf, Zugriff 17.8.2018

- Ferris und Taylor (8.9.2014): The Past and Future of Iraq's Minorities, https://www.brookings.edu/opinions/the-past-and-future-of-iraqs-minorities/, Zugriff 17.8.2018

- FH - Freedom House (2018): Freedom in the World, 2018: Iraq Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 17.8.2018 www.ris.bka.gv.at Seite 46 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

- GNI - Gulf News Iraq (20.11.2016): Kirkuk, Mosul and the ever-changing demographics of Iraq, https://gulfnews.com/news/mena/iraq/kirkuk-mosul-and-the-ever-changing-demographics-of-iraq- 1.1930570, Zugriff 17.8.2018

- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (8.2017): Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten in Kurdistan- Irak, http://www.kas.de/wf/doc/kas_50065-1522-1-30.pdf?170918113417, Zugriff 17.8.2018

- Lattimer EASO (26.4.2017): Minorities and Vulnerable Groups - EASO COI Meeting Report Iraq: Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meeting-report.pdf, Zugriff 12.9.2018

- MRG - Minority Rights Group International (5.2018): Iraq - Minorities and indigenous peoples, http://minorityrights.org/country/iraq/, Zugriff 17.8.2018

- Prochazka (11.8.2014): Religiöse Minderheiten in arabischen Staaten - Historie und aktuelle Situation, https://blog.univie.ac.at/religioese-minderheiten-in-arabischen-staaten-historie-und-aktuelle-situation/, Zugriff 17.8.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018

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16.1. Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al- Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch- arabischen IDPs durch Regierungskräfte, die PMF und die Peshmerga (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017- 12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018

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19. IDPs und Flüchtlinge

Seit Jänner 2014 hat der Krieg gegen den IS im Irak die Vertreibung von ca. sechs Millionen Irakern verursacht, rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes (IOM 4.9.2018). Ende September 2018 betrug die Zahl der weiterhin intern Vertriebenen noch 1,89 Millionen (IOM 30.9.2018). Dabei handelt es sich um die niedrigste Zahl an IDPs seit Ende 2014 (IOM 4.9.2018). Die Zahl der Vertriebenen sinkt seit der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sukzessive (UNHCR 31.8.2018; vgl. UNHCR 31.7.2018, IOM 30.9.2018); die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen (IOM 30.9.2018). Bis zu einer Million Menschen bleiben weiterhin aus dem konfessionellen Konflikt von 2006-08 vertrieben (USDOS 20.4.2018).

www.ris.bka.gv.at Seite 47 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren. Eine hohe Anzahl von IDPs außerhalb der Lager belastet die Ressourcen der Gastgebergemeinden (USDOS 20.4.2018).

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Zahlen an IDPs im Irak von März 2014 bis September 2018. Das Diagramm mit den blauen Balken links unten veranschaulicht die Verteilung der IDPs auf die jeweiligen Provinzen. http://iraqdtm.iom.int/IDPsML.aspx [Grafik gelöscht, Anm.]

Wie den folgenden Grafiken zu entnehmen ist, sind die Provinzen mit den höchsten Zahlen an IDPs Ninewa, gefolgt von Dohuk, Erbil, Salah al-Din, Sulaymaniya, Kirkuk, Bagdad, Anbar und Diyala (IOM 30.9.2018; vgl. UNOCHA 31.8.2018, IOM 4.9.2018). http://iraqdtm.iom.int/DTMDisplacementDashboards.aspx [Grafik gelöscht, Anm.]

https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iraq_idps_and_returnees_by_governorate_dtm- iom_round_102_aug31_2018.pdf [Grafik gelöscht, Anm.]

Anfang 2018 lag die Rückkehrrate noch bei ca. 200.000 Menschen pro Monat. Diese Zahl hat sich seither drastisch verringert. So kehrten im März 2018 beispielsweise 112.446 Menschen in ihre Heimat zurück, von April bis Mai 2018 durchschnittlich 79.000 pro Monat, von Juni bis Juli 45.871. Im August 2018 lag die Zahl der Rückkehrer bei 33.528 Menschen (Joel Wing 19.9.2018).

Verschiedene Hilfsorganisationen berichten über eine Änderung der Einstellung von IDPs. Ursprünglich erklärte eine Mehrheit, sie würden zurückkehren, sobald der Krieg gegen den IS vorbei sei. Jetzt sind sie besorgt aufgrund der Sicherheit, dem Mangel an Dienstleistungen, zerstörten Häusern, wenig Arbeitsplätzen und wenig Geld. Es gibt auch eine beträchtliche Anzahl an IDPs, denen die Rückkehr verweigert wird, weil ihnen vorgeworfen wird, mit dem IS in Verbindung zu stehen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die in ihre ursprünglichen Gebiete zurückgereist sind, die Situation dort jedoch als mangelhaft wahrgenommen haben und wieder in die Binnenvertreibung zurückgekehrt sind (Joel Wing 19.9.2018). Der Großteil der verbliebenen IDPs hat keine unmittelbaren Pläne zur Rückkehr (IOM 26.6.2018; vgl. REACH 29.8.2018, Joel Wing 11.10.2018). Schwierige Rückkehrbedingungen finden sich unter anderem in Sinjar Zentrum, Telafar Zentrum, West Mosul, al-Ba'aj, im Wüsten-Streifen von al-Tal, Hatra (Hadr) und Muhallabiyya (Provinz Ninewa); in Baiji, Tuz Khurmatu/Sulayman Beg und Balad/Duloeiya (Provinz Salah al-Din); in Taza Khurmatu, Hawija Zentrum und al-'Abassi (Provinz Kirkuk); in al-Adheim und Sa'adiya/Jalawla (Provinz Diyala); und im Falludscha-Ramadi Streifen sowie in Ana Zentrum (Provinz Anbar) (IOM 9.2018).

In einigen Gebieten behindern Gewalt und Unsicherheit sowie langjährige politische, stammes- und konfessionelle Spannungen die Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung und erschweren den Schutz von IDPs. Tausende von Familien haben mehr als eine Vertreibung erlebt, und viele waren gezwungen, auf der Suche nach Schutz über die Grenzen der jeweiligen Provinz hinaus zu ziehen. Zwangsvertreibungen, kombiniert mit dem langwierigen und weitgehend ungelösten Problem von Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten entwurzelt wurden, haben eine destabilisierende Wirkung auf die ohnehin schon komplexe soziale und politische Dynamik des Landes. Dies belastet die Kapazitäten der lokalen Behörden und offenbart die Grenzen der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen (USDOS 20.4.2018).

Sowohl Vertriebene als auch Rückkehrer sind vulnerabel und auf humanitäre Hilfe angewiesen, um ihren Lebensunterhalt wiederzuerlangen und ihre Familien ernähren zu können (IOM 4.9.2018).

Die Regierung stellt vielen - aber nicht allen - IDPs, auch in der kurdischen Autonomieregion, Nahrungsmittel, Wasser und finanzielle Hilfe zur Verfügung. Viele IDPs leben in informellen Siedlungen, wo sie keine ausreichende Versorgung mit Wasser, sanitären Einrichtungen oder anderen wichtigen Dienstleistungen erhalten (USDOS 20.4.2018). Alle Bürger sind berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des Public Distribution System (PDS) zu erhalten. Die Behörden verteilen aber nicht jeden Monat alle Waren, und nicht alle IDPs können in jeder Provinz auf Lebensmittel aus dem Public Distribution System (PDS) zugreifen. Die Bürger können die PDS-Rationen nur an ihrem Wohnort und in ihrer eingetragenen Provinz einlösen, was zu einem Verlust des Zugangs und der Ansprüche aufgrund von Vertreibungen führt (USDOS 20.4.2018).

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Personen, die sich nicht als IDPs an ihrem Wohnort registriert haben, verfügen manchmal nur über einen begrenzten Zugang zu staatlichen Leistungen. Die lokalen Behörden entscheiden oft darüber, ob IDPs Zugang zu örtlichen Leistungen erhalten. Humanitäre Organisationen berichten, dass einige IDPs mangels erforderlicher Unterlagen Schwierigkeiten bei der Registrierung haben. Viele Bürger, die zuvor in den vom IS kontrollierten Gebieten gelebt haben, besitzen keine Personenstandsdokumente, was die Schwierigkeit, einen Ausweis und andere persönliche Dokumente zu erhalten, noch vergrößerte. Durch die Bereitstellung von Rechtshilfe unterstützen die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen IDPs bei der Beschaffung von Dokumenten und der Registrierung bei Behörden, um den Zugang zu staatlichen Leistungen zu verbessern (USDOS 20.4.2018).

[...]

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017- 12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

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- IOM - International Organization for Migration (30.9.2018): Iraq Mission: Displacement Tracking Matrix (DTM): IDPs, http://iraqdtm.iom.int/IDPsML.aspx, Zugriff 5.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (31.8.2018): More Evidence Iraq Reaching Tipping Point With Displaced, Few Want To Return Home, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/08/moreevidence-iraq-reaching- tipping.html, Zugriff 11.10.2018

- Joel Wing - Musings on Iraq (19.9.2018): Number Of Displaced In Iraq Returning Home Declined Again, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/number-of-displaced-in-iraq-returning.html, Zugriff 11.10.2018

- REACH Initiative (29.8.2018): Majority of IDPs living outside of displacement camps have no intention of returning home - Findings from Dahuk, Erbil, Ninewa, Salah al-Din and Sulaymaniyah, http://www.reach-initiative.org/iraq-majoritv-of-idps-living-out-of-displacement-camps-have-no- intention-of-returning-home-findings-from-dahuk-erbil-ninewa-salah-al-din-and-sulaymaniyah, Zugriff 11.10.2018

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- UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (31.8.2018): Iraq Protection Update August 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/20180919%20Iraq%20Protection%20Update%20- %20August%202018.pdf, Zugriff 11.10.2018

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20. Grundversorgung und Wirtschaft

Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018).

Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN- Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018).

In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018).

Wirtschaftslage

Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staat und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig- positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018).

Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018). Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018).

So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018).

Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS- bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018). www.ris.bka.gv.at Seite 50 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018).

Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen.

Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018).

Stromversorgung

Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018).

Wasserversorgung

Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018).

Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018).

Nahrungsversorgung

Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018).

Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den

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Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017).

Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland-auswaertiges- amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017- 12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- AW - The Arab Weekly (11.2.2018): Can Iraq's ailing economy liberate itself in 2018?, https://thearabweekly.com/can-iraqs-ailing-economy-liberate-itself-2018, Zugriff 15.10.2018

- Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-07/PB PSI water challengesIraq.pdf, Zugriff 15.10.2018

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21. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018

- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo- DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/ Informationsblaetter/cfs_irakdlde.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1cid294?blob=pub licationFile. Zugriff 16.10.2018

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- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 16.10.2018

22. Rückkehr

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018).

Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7- 18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018).

Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570, Zugriff 20.11.2018

- IEC - Iraq's Economic Center (24.1.2018): Rising Real Estate Prices in Iraq encourages buying abroad, http://en.economiciraq.com/2018/01/24/rising-real-estate-prices-in-iraq-encourages-buying-abroad/, Zugriff 17.10.2018

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- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017),

www.ris.bka.gv.at Seite 54 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo- DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_ira k-dlde.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1 cid294?blob=publicationFile, Zugriff 16.10.2018

- MCH - Ministry of Construction and Housing (10.2010): Iraq National Housing Policy. https://www.humanitarianlibrary.org/sites/default/files/2013/05/634247_INHP_English_Version.pdf, Zugriff 17.10.2018

- REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles. Drivers and Return. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migration_to_europe_in_2016 _june_2017%20%281%29.pdf. Zugriff 16.10.2018

- Reuters (12.2.2018): Iraq says reconstruction after war on Islamic State to cost $88 billion. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-reconstruction/iraq-savs-reconstruction-after-war-on- islamic-state-to-cost-88-billion-idUSKBN1FW0JB, Zugriff 17.10.2018

- UNHSP - United Nations Human Settlements Program (6.11.2017): The Council of Ministers Endorses the Updated Housing Policy of Iraq by the Ministry of Construction. Housing Municipalities and Public Works through the support of UN-Habitat. https://reliefweb.int/report/iraq/council-ministers-endorses-updated-housing-policy-iraq-ministry-construction- housing, Zugriff 17.10.2018

23. Dokumente und Staatsbürgerschaft

Die neuen irakischen Pässe enthalten einen maschinenlesbaren Abschnitt sowie einen 3D- Barcode und gelten als fälschungssicherer im Vergleich zu den Vorgängermodellen. v. a. können diese nur noch persönlich und nicht mehr durch Dritte beantragt werden. Die irakischen Botschaften haben erst vereinzelt begonnen, diese Pässe auszustellen (AA 12.2.2018).

Der irakische Personalausweis (Civil Status ID bzw. CSID oder National Identity Card) heißt auf Arabisch Bitaqa shakhsiya bzw. Bitaqa hawwiya (UKHO 9.2018; vgl. IRBC 25.11.2013). Die CSID- Karte ist gesetzlich vorgeschrieben und wird jedem irakischen Staatsbürger, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irak, gegen Vorlage einer Geburtsurkunde ausgestellt. Sie gilt als das wichtigste persönliche Dokument und wird für alle Kontakte mit Behörden, dem Gesundheits- und Sozialwesen, Schulen, sowie für den Kauf und Verkauf von Wohnungen und Autos verwendet. Die CSID-Karte wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente, wie z.B. Reisepässe, benötigt (UKHO 9.2018).

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 12.2.2018).

Laut Verfassung kann jede Person, die über zumindest einen irakischen Elternteil verfügt, irakischer Staatsbürger werden (USDOS 20.4.2018). Das irakische Staatsbürgerschaftsrecht ist jedoch widersprüchlich bezüglich der Möglichkeit der Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter. Einerseits bestehen Widersprüche zwischen der Verfassung und Teilen des Staatsbürgerschaftsgesetzes; außerdem ist das Staatsbürgerschaftsgesetz in sich selbst widersprüchlich. Wie auch die irakische Verfassung, besagt Artikel 3 des Nationalitätsgesetzes, dass sowohl Väter als auch Mütter die irakische Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weitergeben können. Laut Artikel 4 des Nationalitätsgesetzes ist dies jedoch im Falle der Mutter, wenn das Kind im Ausland geboren ist, nur unter bestimmten Umständen (Vater unbekannt oder staatenlos) möglich. In der Praxis ist den Quellen zufolge die Weitergabe der irakischen Staatsbürgerschaft durch die Mutter an ihre im Ausland geboren Kinder, deren Väter nicht Iraker und auch nicht staatenlos oder unbekannt sind, nicht gewährleistet (BFA 8.8.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-

www.ris.bka.gv.at Seite 55 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018

- BFA - Staatendokumentation (8.8.2017): Anfragebeantwortung der Staatendokumentation - Irak/Syrien: Staatsbürgerschaft Kind, Vater Syrer, Mutter Irakerin, https://www.ecoi.net/en/file/local/1407773/5209_1502703961_syri-irak-ra-staatsbuergerschaft-kind-vater-svrer- mutter-irakerin-2017-08-08-ke.doc, Zugriff 20.9.2018

- IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (25.11.2013): Iraq: Civil Status Identification Card, including purpose and validity; requirements and procedures for the issuance, renewal and replacement of cards, including the location of issue; frequency of fraudulent identity cards, http://www.refworld.org/docid/52cd0a934.html, Zugriff 17.10.2018

- UKHO - United Kingdom Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note - Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/738200/Iraq_- _IFA_docs_and_return_-_CPIN-v7September_2018_.pdf, Zugriff 17.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018"

Aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zum Irak: Lage in Mossul bzw. Provinz Ninewa: Sicherheitslage; humanitäre Lage für Familien mit Kindern; Fluchtbewegungen und Rückkehr [a-10850] vom 06.02.2019 ergibt sich:

"Sicherheitslage in der Provinz Ninewa mit Fokus auf Mosul

Für den Monat Dezember 2018 dokumentiert die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak (UN Assistance Mission for Iraq, UNAMI) 32 bei terroristischen Anschlägen oder durch konfliktbezogene Gewalt getötete ZivilistInnen. 32 weitere seien bei derartigen Vorfällen verletzt worden. Ninewa sei dabei mit 26 zivilen Opfern (sieben Tote, 19 Verletzte) die am stärksten betroffene Provinz gewesen, gefolgt von Bagdad und Salahuddin:

"During December 2018 a total of 32 Iraqi civilians were killed and another 32 injured in acts of terrorism and conflict-related violence. Ninewa was the worst affected Governorate with 26 civilian casualties (07 killed, 19 injured) followed by Baghdad with (17 killed and 03 injured) and Salahadin (03 killed and 03 injured)." (UNAMI, 3. Jänner 2019)

In der unter dem folgenden Link abrufbaren Kurzübersicht (Berichtszeitraum 3. Quartal 2018) über Konfliktvorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data (ACLED) Project der University of Sussex finden sich Informationen zu den Zahlen der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der Todesopfer in den verschiedenen Provinzen Iraks, sowie eine Karte, in der diese Zahlen grafisch darstellt werden. Für die Provinz Ninewa werden für das dritte Quartal 65 Vorfälle mit insgesamt 184 Todesopfern dokumentiert:

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) - aktualisierte 2. Version, 20. Dezember 2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/2002458/2018q3Iraq_de.pdf

Aus dem im Februar 2019 heruntergeladenen Datensatz von ACLED ergeben sich für das Gesamtjahr 2018 die folgenden Zahlen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in den einzelnen Distrikten der Provinz Ninewa und den dabei Getöteten. Für den Distrikt Mosul dokumentiert ACLED 186 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 567 Todesopfern:

ACLED/Jahr 2018 Sicherheitsrelevante Vorfälle dabei Getötete Distrikt Al Baadsch 18 93 Distrikt Hamdaniya 8 28 Distrikt Hatra 40 61 Distrikt Mosul 186 567 www.ris.bka.gv.at Seite 56 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Distrikt Sindschar 12 31 Distrikt Telefar 39 121 Distrikt Tilkaif 4 0 Provinz Ninewa 307 901

(Daten von ACLED, 6. Februar 2019)

Aus demselben ACLED-Datensatz ergeben sich für das Gesamtjahr 2018 die folgenden Zahlen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen und den dabei Getöteten in den verschiedenen Gebieten des Distrikts Mosul:

ACLED/Jahr 2018 Sicherheitsrelevante Vorfälle dabei Getötete Adayah 1 1 Al Buwayr 1 1 Al Houd 2 0 Al Qayyarah 2 12 Albu Sayf 8 39 Al-Sahaji 2 4 As Salahiyah 1 1 Aski Musil 1 2 Atashana Mountains 3 22 Ayn al Jahesh 1 0 Badiyat al Jazirah 1 0 Badush 18 90 Badush Mountains 2 20 Duwayzat al Ulya 1 0 Hajj Ali 1 2 Hallah 1 0 Hammam al Alil 15 31 Jabal Alan 1 14 Karaj 2 1 Mosul 55 195 Mosul - Al-Ghizlani 1 1 Mosul - Al-Hadbaa 9 9 Mosul - Al-Jadeda 6 26 Mosul - Al-Rabee 14 48 Mosul - Al-Salam 8 6 Mosul - Al-Zuhur 10 5 Mosul - Old City 13 19 Qaryat Imam Gharbi 1 3 Qaryat Lazakah 2 3 Qaryat Saff at Tut 1 2 Sheikh Mohammad 1 10 Telkessab 1 0 Distrikt Mosul 186 567

www.ris.bka.gv.at Seite 57 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

(Daten von ACLED, 6. Februar 2019)

Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-amerikanischen Irakexperten Joel Wing findet sich eine Zusammenfassung zu den die Sicherheit des Irak betreffenden Trends im Jahr 2018. Zur Provinz Ninewa wird festgehalten, dass das südliche Gebiet der Provinz eines von drei Hauptunterstützungsgebieten für den IS ("Islamischer Staat") darstelle. In der Provinz hätten im Jahr 2018 durchschnittlich 20 Vorfälle pro Monat stattgefunden. Von Februar bis März und Juli bis August 2018 habe es zwei kurze Höchstwerte und einen starken Rückgang im Juni 2018 auf nur neun Anschläge pro Monat gegeben. Vor allem in der ersten Jahreshälfte habe es eine konstante Zahl von Schießereien mit den Sicherheitskräften gegeben. Erst gegen Ende des Jahres habe die Gruppe damit begonnen, Anschläge auf Städte zu verüben. Zur selben Zeit hätten vier Selbstmordanschläge stattgefunden, bei denen Autos eingesetzt worden seien:

"Southern Ninewa is the third main support area for the Islamic State. There were an average of 20 incidents per month in the province. From February to March and July to August there were two short jumps in attacks along with a large dip down to just 9 in June. There was a steady number of shootings with the security forces, especially during the first half of the year. The group didn't start attacking towns until the end of the year, which also coincided with 4 suicide-car bombings." (Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

In dem Blogeintrag findet sich die folgende Grafik, die die monatlichen Zahlen der für die Provinz Ninewa für das Jahr 2018 dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle darstellt:

[Bild entfernt] (Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

Weiters wird in dem Blogeintrag festgehalten, dass einer der drei im Jahr 2018 in Ninewa verübten Autobombenanschläge im November 2018 in Mosul stattgefunden habe. (Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

Die folgende Tabelle zeigt die für das Jahr 2018 dokumentierten in der Provinz Ninewa durchgeführten Aktionen des IS, aufgeschlüsselt nach der Art der Aktion und dem Monat, in dem sie durchgeführt worden sei:

[Bild entfernt] (Musings on Iraq, 15. Jänner 2019)

Der in Doha ansässige arabische Nachrichtensender Al Jazeera berichtet in einem Online-Video über die Lage in Mosul. In der zu dem Video gehörenden Zusammenfassung schreibt Al Jazeera, dass sich das Leben im Osten Mosuls ein Jahr nach der Niederlage des IS wieder zu normalisieren beginne. Für die Menschen aus dem Westen von Mosul stelle sich die Situation allerdings komplett anders dar. Dieser Teil der Stadt liege immer noch in Trümmern und die Menschen, die dort gelebt hätten, würden sagen, dass sie nicht dorthin zurückkehren würden:

"Life in the east of Iraq's second largest city is beginning to return to normal, a year after the Islamic State of Iraq and the Levant, also known as ISIL, was defeated. But for those from the west of Mosul, it's a completely different story. It still lies in ruins and people who used to live there say they won't return." (Al Jazeera, 8. Dezember 2018)

In einem Artikel vom Jänner 2019 stellt die Jamestown Foundation, eine unabhängige, unparteiische und gemeinnützige Organisation, die Informationen zu Terrorismus, den ehemaligen Sowjetrepubliken, Tschetschenien, China und Nordkorea zur Verfügung stellt, ins Englische übersetzte Ausschnitte von arabischsprachigen Zeitungsartikeln zur Lage in Mosul zusammen. Unter Verweis auf einen Artikel von Al Arabiya vom November 2018 wird darin festgehalten, dass es mehrere Warnrufe prominenter irakischer politischer Parteien bezüglich der prekären Lage in Mosul gegeben habe. Mehr als ein Jahr sei vergangen, seit Mosul vom IS befreit worden sei, das Gebiet scheine jedoch weiterhin gefährdet zu bleiben.

Unter Verweis auf einen Artikel von Al-Ittihad vom November 2018 schreibt die Jamestown Foundation, dass es zwar seit der Rückeroberung der Stadt keine größeren militärischen Operationen mehr gegeben habe, dass jedoch über ähnliche Zustände wie vor dem Sturz Mosuls im Jahr 2014 berichtet werde. Korruption und der Mangel an effektiven Wiederaufbaubemühungen würden einer Normalisierung der Lage entgegenstehen. Verschiedene irakische Regierungskräfte und Milizen würden die Stadt Mosul und den Rest der Provinz Ninewa kontrollieren. Diese würden beschuldigt, ihre Macht zu nutzen, um mittels umstrittener oder illegaler Mittel Einnahmen zu lukrieren.

Es habe keine tatsächlichen Anstregungen gegeben, die Grundursachen des damaligen Aufstiegs des IS zu beheben, und Iraks schiitisch geführte Regierung habe den Wiederaufbau Mosuls nicht als Priorität gesehen. Aufgrund der jüngsten Entscheidung der US-Regierung, sich aus Syrien zurückzuziehen, spiele die Situation in www.ris.bka.gv.at Seite 58 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Mosul und jene in der Provinz Ninewa bezüglich der Bemühungen, den IS vollständig zu besiegen, eine noch größere Rolle.

Unter Verweis auf einen Artikel von Vice vom Dezember 2018 hält die Jamestown Foundation fest, dass seit der Befreiung viele nach Hause zurückgekehrt seien, andere jedoch in den Lagern bleiben würden. Auch Ehefrauen und minderjährige Kinder von ISMitgliedern würden nun in Lagern leben. Missbrauch von LagerbewohnerInnen, einschließlich sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung, werde häufig gemeldet. Bislang befänden sich die Lager unter Kontrolle, hätten aber das Potenzial, zu "Brutstätten" von Dschihadisten zu werden. Es gebe auch Hinweise darauf, dass der IS mehr Kämpfer habe, als aufgrund der nur spärlichen Aktivitäten, die die Gruppe seit dem Verlust Mosuls durchgeführt habe, vermutet würde. Irakische Quellen würden schätzten, dass es allein in Mosul mindestens 300 in Schläferzellen organisierte ISKämpfer gebe, einige davon vermutlich in Vertriebenenlagern.

Am Ende des Artikels kommt die Jamestown Foundation zu dem Schluss, dass die in Mosul präsenten Parteien, darunter verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, die gemeinsam die Kontrolle über die Stadt innehaben würden, die Situation kompliziert und unvorhersehbar machen würden. Diese Gruppen würden manchmal gut nebeneinander koexistieren können, insbesondere dann, wenn sie finanziell von der Machtausübung profitieren könnten. Ohne eine starke Regierung, die die Rechtsstaatlichkeit durchsetze und die Korruption bekämpfe, werde die Situation jedoch fragil und anfällig für ein mögliches Wiederaufleben des IS oder eines etwaigen IS- Nachfolgers bleiben:

"Several warning calls by prominent Iraqi political parties regarding the precarious situation in Mosul have emerged. More than a year has passed since Iraq's second largest city was cleared of Islamic State (IS), but the area seemingly remains vulnerable (Al Arabiya, November 21, 2018).

Although there have been no major military operations since the city was retaken, circumstances similar to those that preceded the fall of Mosul in 2014 are widely reported. Corruption and the lack of effective reconstruction efforts have stalled normalization. Different Iraqi government forces and militias control the city of Mosul and the wider Ninawa province and are accused of using their power to generate revenue through controversial or illegal means. There has been no real work to address the root causes that led to IS' rise, and Iraq's Shialed federal government has not prioritized Mosul. The U.S. administration's recent decision to withdraw from Syria makes the situation in Mosul and Ninawa even more relevant for the efforts to defeat IS completely (Al-Ittihad, November 9, 2018).

Since the liberation, many returned home but others remain in the camps. Wives and minor children of IS members are also living in camps now. Abuses of camp residents, including sexual abuse and exploitation, are frequently reported. So far, the camps are under control but have the potential to become jihadist hotbeds. Indications also exist of IS having more fighters than suggested by the sparse activities the group has conducted since it lost the battle of Mosul. Iraqi sources estimated that, in Mosul alone, there are at least 300 IS fighters in sleeper cells, some likely within IDP [Internal displaced person] camps, who are ready to move when the opportunity arises (Vice, December 20, 2018). [...]

Having several parties, including different units of security forces, on the ground who share control makes the situation complicated and unpredictable. Those groups might coexist well at times, especially when they enjoy the financial rewards of power. However, without a powerful government that imposes the rule of law and fights corruption, the situation will remain fragile and vulnerable to a possible resurgence of IS, or its successor." (Jamestown Foundation, 11. Jänner 2019)

Laut einem im Februar 2019 veröffentlichten Artikel des in der Autonomen Region Kurdistan ansässigen Nachrichtensenders Kurdistan 24 seien Tausende aus Mosul stammende Binnenvertriebene aus Sorge um ihren Lebensunterhalt und ihre Sicherheit aus Mosul zurück in Lager innerhalb der kurdischen Region gekehrt. Salim Shaback, ein ehemaliges Mitglied des irakischen Repräsentantenrates, habe angegeben, dass die von den Schiiten dominierten Hashd al-Shaabi-Milizen, auch bekannt als Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilization Forces, PMF), weiterhin die Rechte von nach Mosul zurückkehrenden Binnenvertriebenen verletzen würden. Shaback habe auf der Webseite der Demokratischen Partei Kurdistan (KDP) angegeben, dass täglich Verletzungen der Würde und der Menschenrechte von Rückkehrern stattfinden würden.

Diese würden gezwungen, in die Vertriebenenlager innerhalb der kurdischen Region zurückzukehren. Er habe hinzugefügt, dass die Hashd al-Shaabi Zollgebühren einnehmen würden und die Menschen daran hindern würden, sich in ihrem täglichen Leben frei zu bewegen. Unter Einsatz seiner Schläferzellen führe der IS in der Provinz Ninewa und den umliegenden Gebieten weiterhin Anschläge, Hinterhalte und Entführungen durch, was die Stabilität der Region beeinträchtige: www.ris.bka.gv.at Seite 59 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

"Thousands of Internally Displaced Persons (IDPs) from Iraq's Mosul have returned to camps inside the Kurdistan Region out of fear for their livelihood and safety. Salim Shaback, a former member of Iraq's Council of Representatives, said the Shia-dominated Hashd al-Shaabi militias, also known as the Popular Mobilization Forces (PMF), continue to violate the rights of IDPs returning to Mosul. There are 'daily violation on the returnees' dignity and human rights forcing them to return to the safety of the IDP camps inside the Kurdistan Region,' Shaback told the Kurdistan Democratic Party's (KDP) website. He added that the Hashd al-Shaabi take 'customs fees from the people and prevent them from moving freely in their daily lives.' [...]

Through its sleeper cells, the Islamic State continues to launch insurgency attacks, ambushes, and kidnappings in the Nineveh governorate and ist surrounding areas, compromising the region's stability." (Kurdistan 24, 4. Februar 2019)

Fluchtbewegungen, Rückkehr

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) ist eine Agentur der Europäischen Union, die die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten im Asylbereich fördern soll und die Mitgliedsstaaten unter anderem durch Recherche von Herkunftsländerinformation und entsprechende Publikationen unterstützt. In einem Bericht vom Februar 2019 zitiert EASO verschiedene Quellen zum Thema Vertreibung und Rückkehr im Irak. Die Rückeroberungsversuche der Regierung und die damit verbundenen Gefechte im Jahr 2017 hätten zur Vertreibung von mehr als 800.000 Menschen aus der Stadt Mosul geführt. Gegen Ende des Jahres 2017 habe die Zahl der nach Mosul Zurückgekehrten 564.120 und mit Stand Mai 2018 habe diese Zahl 77.200 betragen. Nach Berichten aus dem Jahr 2018 übersteige die Zahl der Rückkehrer im Irak jene der Vertriebenen, es würde jedoch weiterhin neuerliche und sekundäre Vertreibung verzeichnet, die hauptsächlich auf schlechte oder fehlende Grundversorgung, Existenzgrundlagen, Sicherheitsbedenken und der Gefahr von Explosionen in den Herkunftsgebieten zurückzuführen sei:

"During 2017 the government's effort to retake Mosul from ISIL [Islamic State of Iraq and the Levant] caused more than 800 000 people to be displaced from the city by the fighting. UNAMI [United Nations Assistance Mission for Iraq] reported that the returnee population to Mosul was 564 120 by the end of 2017 and up to 77 200 as of May 2018. Returns trends were reported to exceed displacement across Iraq according to 2018 reports; however, 'new and secondary displacements' continue to be recorded mainly due to poor or lacking basic services, livelihoods, security concerns and explosive hazards in the areas of origin". (EASO, Februar 2019, S. 13)

Laut einem Bericht der Displacement Tracking Matrix (DTM) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vom Dezember 2018 gebe es mit Stand 15. Dezember 2018 im Irak 1.802.832 Binnenvertriebene (nach dem 1. Jänner 2014 vertrieben und nach wie vor vertrieben, Anmerkung ACCORD) und 4.165.320 Zurückgekehrte. Die Binnenvertriebenen seien auf über 51 Distrikte von acht Provinzen des Landes, darunter neun Distrikte der Provinz Ninewa verteilt. Die Hälfte aller Binnenvertriebenen stamme aus fünf Distrikten, von denen die vier in diesem Zusammenhang wichtigsten alle in der Provinz Ninewa liegen würden (Mosul: 300.678 Personen, entspricht 17 Prozent), Sindschar (299.694, entspricht 17 Prozent), Telafar (106.438, entspricht 6 Prozent) and al-Ba'adsch (101.346, entspricht 6 Prozent).

"As of 15 December 2018, IDPs [Internal displaced persons] come from 51 districts across eight governorates: Anbar (8 districts), Babylon (4 districts), Baghdad (10 districts), Erbil (1 district), Diyala (6 districts), Kirkuk (4 districts), Ninewa (9 districts) and Salah al-din (9 districts). However, despite this spread, half of all IDPs come from just five districts. Of these, the top four districts are all in Ninewa governorate: Mosul (300,678 individuals, 17%), Sinjar (299,694, 17%), Telafar (106,438, 6%) and al Ba'aj (101 346, 6%) while the fifth district Ramadi is in Anbar (85,860, 5%)." (IOM, Dezember 2018a, S. 1-2)

IOM erwähnt weiters in dem Bericht, dass es mit Stand 15. Dezember 2018 in der Provinz Ninewa 576.030 Binnenvertriebene und 1.614.150 Zurückgekehrte, davon 955.140 nach Mosul Zurückgekehrte, gebe (IOM, Dezember 2018a, S. 3; S. 6)

Im zum Bericht zugehörigen DTM-Datensatz zum Thema Binnenvertriebene vom Dezember 2018 findet sich die folgende Tabelle, aus der ersichtlich ist, in welche Provinzen die aus Ninewa stammenden Binnenvertriebenen gemäß IOM geflohen seien. Die Zahlen beziehen sich jeweils auf Familien, nicht auf Einzelpersonen:

[Bild entfernt] (IOM, Dezember 2018b, Tabelle "Summary")

www.ris.bka.gv.at Seite 60 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Im zum Bericht zugehörigen DTM-Datensatz zum Thema Rückkehrer vom Dezember 2018 findet sich die folgende Tabelle, aus der ersichtlich ist, dass laut IOM 269.025 Familien in die Provinz Ninewa zurückgekehrt seien, davon 12.055 nach Juli 2017:

[Bild entfernt] (IOM, Dezember 2018c, Tabelle "Summary")

Humanitäre Lage in Ninewa mit Fokus auf Mosul

In dem oben bereits angeführten DTM-Datensatz der IOM findet sich eine Tabelle, aus der ersichtlich ist, in welchen Unterkünften zurückgekehrte Familien nun (mit Stand Dezember 2018) leben würden. Beispielsweise würden 156 nach Ninewa zurückgekehrte Familien in informellen Siedlungen leben. 9.159 Familien würden in ihrem - jedoch nun "unbewohnbaren" - gewöhnlichen Wohnsitz leben:

[Bild entfernt] (IOM, Dezember 2018c, Tabelle "Summary")

Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, UN OCHA) veröffentlicht im November 2018 einen Bericht zur humanitären Lage im Irak. Darin findet sich eine Karte, die die Zahlen der bedürftigen Personen in den unterschiedlichen Provinzen des Irak darstellt. Für Ninewa hält UN OCHA eine Zahl von 2.168.222 fest:

[Bild entfernt] (UN OCHA, November 2018, S. 2)

Eine weitere Karte zeigt das Ausmaß der Not bezüglich der Wasserversorgung, den Sanitäreinrichtungen und der Hygiene, aufgeschlüsselt auf die Distrikte des Irak. Innerhalb der Provinz Ninewa ist der Distrikt Sindschar jener, in dem laut der Karte die größte Not herrscht (schwerwiegendste Kategorie). Der Distrikt Mosul fällt in die zweitschwerwiegenste Kategorie:

[Bild entfernt] (UN OCHA, November 2018, S. 36)

Die folgende Karte zeigt das Ausmaß der Ernährungsunsicherheit, aufgeschlüsselt auf die Distrikte des Irak. Für einen großen Teil der Distrikte Ninewas (Hatra, Al-Ba'adsch, Sindschar und Mosul) liegen keine Daten vor, die übrigen Distrikte fallen laut der Karte in die geringfügigste Kategorie:

[Bild entfernt] (UN OCHA, November 2018, S. 39)

Eine weitere Karte zeigt das Ausmaß der Not in Bezug auf Unterkünfte und Waren (Nicht-Lebensmittel). Ninewas Distrikte Sidschar, Mosul, Telafar, Tilkaif und Al-Shikan fallen in die schwerwiegendste Kategorie, der Distrikt Hatra in die geringfügigste:

[Bild entfernt] (UN OCHA, November 2018, S. 42)

Eine weitere Karte zeigt das Ausmaß der Not in Bezug auf Bildung. Ninewas Distrikte Sidschar, Mosul, Telafar und Al-Hamdaniya fallen in die schwerwiegendste Kategorie, die Distrikte Hatra und Al-Ba'adsch in die geringfügigste:

[Bild entfernt] (UN OCHA, November 2018, S. 48)

Al Jazeera schreibt in einem Artikel vom November 2018, dass seit Juli letzten Jahres, als in Mosul der Sieg über den IS erklärt worden sei, die Stadt zahlreiche Wiederaufbauprojekte durch Regierungsorganisationen und NGOs erlebt habe. Die überwiegende Mehrheit dieser Projekte finde in der Altstadt von Mosul statt und konzentriere sich vor allem auf die Straßenreinigung, den Wiederaufbau von Schulen und grundlegende Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung. Im Jahr 2015 sei ein Fonds von 400 Millionen US-Dollar eingerichtet worden, um den Wiederaufbau des Iraks zu unterstützen. Jedoch habe die Stadt im Jahr 2017 nur 252.000 US-Dollar erhalten, und der Gouverneur der Provinz Ninewa, Nofal Hammadi, habe laut einem Gemeindevorsteher Mosuls angegeben, dass er im Jahr 2018 nichts aus diesem Fonds erhalten habe. Darüber hinaus habe Hammadi letzten Monat gesagt, dass für den Wiederaufbau von Privatwohnungen in Mosul kein Budget bereitgestellt worden sei. Weder lokale Behörden noch internationale Organisationen würden den Wiederaufbau von Häusern vorantreiben, so Mutaz Yosif, der Direktor der Helping Hand Organization, einer irakischen NGO, die in ganz Mosul tätig sei, um Familien beim Wiederaufbau ihrer Häuser zu unterstützen.

www.ris.bka.gv.at Seite 61 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Zahlreiche Bezirke im Westen Mosuls seien nach wie vor unbewohnbar, da dort im Kampf gegen den IS 40.000 Häuser zerstört worden seien. Nach Angaben des Norwegian Refugee Council (NRC) vom Juli 2018 gebe es in Mosul etwa acht Millionen Tonnen Schutt und mehr als 63.000 Familien seien immer noch Vertriebene innerhalb und außerhalb der Stadt. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) plane, in den kommenden Monaten (nach Veröffentlichung des Artikels, Anmerkung ACCORD) insgesamt 10.000 Häuser im Westen Mosuls zu sanieren. Das Programm sei jedoch nur für Häuser vorgesehen, die weniger als zu 60 Prozent beschädigt seien. Bislang seien keine in Mosul lebenden Familien für den Verlust ihrer Häuser entschädigt worden, und die Ansprüche auf finanzielle Entschädigung würden sich vor dem Mosuler Gericht stapeln:

"Since July last year, when victory was declared in Mosul, the city has witnessed numerous reconstruction projects run by government organisations and NGOs.

The vast majority of these projects are taking place in the old city of Mosul, focussing mostly on cleaning the streets, helping rebuild schools and basic infrastructures, such as water supply and electricity network. A fund of $400m was established in 2015 to help Iraq's reconstruction. However, the city received only $252,000 in 2017 and in 2018, the Governor of Nineveh Governorate, Nofal Hammadi, claimed to have received nothing from the fund, Mosul's municipality chief Abdelsattar al-Hibbu told Reuters news agency earlier this year. Furthermore, Hammadi told Al Jazeera last month that no budget was allocated to rebuild private housing in Mosul. [...]

'Neither local authorities nor international organisations rebuild houses,' said Mutaz Yosif, director of Helping Hand Organization, an Iraqi NGO that operates across Mosul to assist families in rebuilding their houses. [...] Numerous districts in west Mosul remain uninhabitable, as 40,000 homes were destroyed there during the fight against ISIL. According to figures released by the Norwegian Refugee Council in July 2018, about eight million tonnes of debris was present in Mosul and more than 63,000 families are still displaced inside and around the city. [...]

In the months ahead, the United Nations Development Programme (UNDP) aims to rehabilitate a total of 10,000 houses in west Mosul. However, the program only concerns houses less than 60 percent damaged, and not 'full rebuilds'. [...]

So far, no families living in Mosul have been compensated for the loss of their houses and claims for financial compensation are piling at Mosul's court." (Al Jazeera, 11. November 2018)

Global News, die Nachrichtenabteilung des kanadischen TV-Netzwerks Global Television Network, schreibt in einem Artikel vom Oktober 2018, dass zu diesem Zeitpunkt fast 5.000 [Es geht nicht eindeutig aus der Quelle hervor, ob hier Personen oder Familien gemeint sind, Anmerkung ACCORD] nach wie vor im Baharka Camp im Norden Iraks leben würden. Laut einem Camp-Manager hätten 400 Familien das Camp verlassen, nur um aufgrund der in ihren Herkunftsgemeinden in Mosul herrschenden Zerstörung und Unsicherheit wieder ins Camp zurückzukehren.

Die Bewohner Mosuls hätten über die Wasser- und Stromversorgung und die schwache lokale Regierung geklagt. Sie hätten auch gesagt, dass sie sich vor IS-Schläferzellen fürchten würden, aber am wütendsten über den Mangel an Wohnungen seien. Dieser habe die Mietpreise in die Höhe getrieben, wodurch die Wohnungen für diejenigen, die gerade versuchen würden, ihre Arbeit wiederaufzunehmen, unerschwinglich seien:

"Almost 5,000 still live at the Baharka Camp in northern Iraq. A camp manager said 400 refugee families had left, only to return because of the devastation and insecurity they encountered upon arriving in their home communities. [...] Residents complained about the supply of water and electricity, and a weak local government. They said they feared ISIS sleeper cells but were most angry about a housing shortage they said had driven up rents, making them unaffordable to those struggling to get back to work." (Global News, 13. Oktober 2018)

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UN High Commissioner for Refugees, UNHCR) berichtet in seinem Update zum Schutz im Irak vom Oktober 2018, dass gemäß einem von UNHCR- Partnerorganisationen in der letzten Oktoberwoche durchgeführten Begutachtung der Lage im Viertel Jabisat in West-Mosul Rückkehrer- Familien berichtet hätten, dass sie nur eingeschränkte humanitäre Unterstützung erhalten hätten. Es habe einen besonders markanten Bedarf an Rechtsbeistand für die Wiedererlangung fehlender Dokumente sowie an psychosozialer Unterstützung gegeben. Berichten zufolge würde eine Reihe vulnerabler Familien Unterstützung von anderen Familien in ihrer Gastgemeinde oder über die örtlichen Moscheen erhalten:

www.ris.bka.gv.at Seite 62 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

"During the last week in October, UNHCR [United Nations High Commissioner for Refugees] partners conducted a protection assessment in Yabisat neighbourhood in west Mosul, Ninewa. Returnee families reported they have received limited humanitarian assistance. Needs related to legal assistance to replace missing documents, including birth certificates for children, and psychosocial support were particularly prominent. A number of vulnerable families reportedly receive assistance from other families in the host community or through the local mosques." (UNHCR, Oktober 2018, S. 2)

Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) hält in einem Artikel vom September 2018 fest, dass es aufgrund der Zerstörung der Bildungseinrichtungen, Häuser und massiven Fluchtbewegungen für die irakische Regierung in Bezug auf das Bildungswesen große Herausforderungen gebe. Eine der Hauptaufgaben sei der Wiederaufbau der Infrastruktur, da viele Schulen und Bildungseinrichtungen stark beschädigt worden seien und andere nicht den Standards entsprechen würden, den das Land für seine Kinder und Jugendlichen anstrebe.

Laut Dr. Hamid Ahmed, einem Berater des irakischen Premierministers, müssten mindestens 20 Prozent des Staatshaushalts für das Bildungsministerium aufgewendet werden, um das gesamte landesweite Schulsystem wieder aufzubauen, zu rehabilitieren und zu modernisieren. Es bestehe im gesamten Land ein großer Mangel an Schulen und mindestens 3.000 neue Schulen müssten errichtet werden, um dem dringenden Bedarf gerecht zu werden:

"With the destruction of educational facilities, homes and major population displacement, there are multiple priorities and major challenges in education for the Iraqi Government. One of the main tasks is rebuilding the infrastructure as many schools and educational facilities have been heavily damaged and others are not up to the standards that the country aspires for its children and young people. [...]

According to Dr. Ahmed, at least 20 per cent of the government's budget must be dedicated to the Ministry of Education in order to rebuild, rehabilitate and modernized the entire system. There is a major shortage of schools throughout the country and at least 3,000 new ones have to built in order to accommodate the urgent need." (UNESCO, 13. September 2018)

In einem mit November 2018 datierten Artikel von Insight, einer vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) betriebenen Informationsplattform, findet sich eine weitere Beschreibung der Lage in Mosul. Auf jeder der Straßen würde sich knietief Schutt befinden, Möbel würden aus zerstörten Gebäuden herausragen und einige Gebäude seien so stark bombardiert worden, dass nur noch deren Rahmen übrig geblieben seien. Die Altstadt sei eine staubbraune Ödlandschaft voller Ruinen. Aber Zeichen des Lebens würden sich zu zeigen beginnen: Wagen mit Granatäpfeln und Wassermelonen, Friseurläden, Cafeterien, die gebratene Hühner anbieten, und kleine Geschäfte, die Werkzeuge und Öl verkaufen würden. In einer bescheidenen Straße im Stadtteil Al Jadeda befinde sich eines der Gemeinschafts-Ressourcenzentren (Community Resource Centres, CRC), die die Internationale Organisation für Migration (IOM) in Gebieten eingerichtet habe, in die Vertriebene zurückkehren würden. Diese Zentren würden für die betroffenen Menschen als Zentren für Information und Vermittlung von Dienstleistungen fungieren - seien es Rückkehrer, durch Konflikte aus anderen Landesteilen Vertriebene oder Einheimische. Agenturen und Organisationen würden dort Workshops zu Themen wie Gefahr durch Minen, Rechtsbeistand, Erstellung von Lebensläufen, sowie Englischunterricht abhalten. Dies sei eines von drei Zentren, die vom Emergency Telecommunications Cluster (ETC), einem globalen Netzwerk von Organisationen unter der Leitung des WFP, unterstützt würden. Ein weiteres befinde sich in Ost-Mosul und eines in der Stadt Falludscha, weitere würden folgen:

"There is graphic evidence of what this ancient city has gone through: rubble is piled up knee-deep on every street, furniture spills out of destroyed buildings and some structures have been bombed so badly that only their frames remain.

The Old City is a dust-brown wasteland of ruins. But signs of life are starting to show: carts laden with pomegranates and deep green watermelons, barber shops, cafeterias with roasted chickens turning on rotisseries, and small shops selling tools and oil. On an unassuming street in Al Jadeda neighbourhood is one of the Community Resource Centres (CRC) the International Organization for Migration has set up in areas where displaced people are returning. These centres serve as hubs of centralized information and service referral for affected people-whether they are returnees, people displaced by conflict from other parts of the country or locals. Agencies and organizations convene awareness sessions on topics ranging from mine risk education and legal assistance to English classes and writing CVs [Curriculum Vitae]. This is one of three centres that the Emergency Telecommunications Cluster (ETC)-a global network of organizations led by the World Food Programme (WFP), working to provide shared communications services in humanitarian emergencies-is www.ris.bka.gv.at Seite 63 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 supporting along with another in East Mosul and one in Fallujah, with more to follow." (WFP, 7. November 2018)

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 6. Februar 2019)

- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) - aktualisierte 2. Version, 20. Dezember 2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/2002458/2018q3Iraq_de.pdf

- ACLED - Armed Conflict Location & Event Data: Datensatz vom 6. Februar 2019 https://www.acleddata.com/data/

- Al Jazeera: Mosul residents left to rebuild destroyed homes, 11. November 2018 https://www.aljazeera.com/indepth/inpictures/mosul-residents-left-rebuild-destroyed-homes- 181108130803158.html

- Al Jazeera: Life returns to normal in the east of post-ISIL Mosul, 8. Dezember 2018 https://www.aljazeera.com/news/2018/12/life-returns-normal-east-post-isil-mosul-181208135706093.html

- EASO - European Asylum Support Office: Iraq Internal mobility, Februar 2019 https://www.ecoi.net/en/file/local/2002601/Iraq-Internal_Mobility.pdf

- Global News: 'We don't have any shelter': Mosul struggles to rebuild after the fall of ISIS, 13. Oktober 2018 https://globalnews.ca/news/4529649/mosul-after-isis/

- IOM - International Organization for Migration: Displacement Tracking Matrix - DTM Round 107, Dezember 2018a http://iraqdtm.iom.int/Downloads/DTM%202018/Nov- Dec%202018/Round107_Report_English_2018_December_IOM_DTM.pdf

- IOM - International Organization for Migration: Round 107 - Master List - IDP, Dezember 2018b http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round107_Master_List_IDP_2018-12-15_IOM_DTM.xlsx

- IOM - International Organization for Migration: Round 107 - Master List - Returnees, Dezember 2018c http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round107_Master_List_IDP_2018-12-15_IOM_DTM.xlsx

- Jamestown Foundation: Conditions in Mosul Ripen for Return of Islamic State; Terrorism Monitor Volume: 17 Issue: 1, 11. Jänner 2019 https://jamestown.org/program/conditions-in-mosul-ripen-for-return-of-islamic-state/

- Kurdistan 24: Lack of security, stability in Mosul prompts IDPs to return to Kurdistan Region camps, 4. Februar 2019 http://www.kurdistan24.net/en/news/975425c1-def3-40fc-bd11-a385f72adc6d

- Musings On Iraq: Review Of Security Trends In Iraq 2018, 15. Jänner 2019 http://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/review-of-security-trends-in-iraq-2018.html

- UNAMI - UN Assistance Mission for Iraq: UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2018, 3. Jänner 2019 http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=10269:un- casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-december-2018&Itemid=633&lang=en

- UNESCO - The United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization: Removing scars of war in Iraq through education, 13. September 2018 https://en.unesco.org/news/removing-scars-war-iraq-through-education

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq Protection Update - October 2018, Oktober 2018 https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/20181210%20Iraq%20Protection%20Update%20- %20October.pdf

- UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs:

www.ris.bka.gv.at Seite 64 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

2019; Humanitarian Needs Overview; Iraq, November 2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1456047/1930_1547030177_irq-2019-hno.pdf

- WFP - World Food Programme Insight: Hope emerges in West Mosul, 7. November 2018, https://insight.wfp.org/hope-emerges-in-west-mosul-6277022ce42f"

Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Irak: "Diwan al Waqf al Sunni" vom 07.06.2019 ergibt sich:

1. "Worum handelt es sich bei einem/einer "Diwan al Waqf al Sunni"? Handelt es sich dabei tatsächlich um ein Ministerium bzw. eine staatliche irakische Behörde? Welche Aufgaben kommen dieser Einrichtung zu?

2. Gibt es eine solche Behörde in Mossul?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch einige Informationen gefunden. Eine ausgewogene Auswahl wird entsprechend den Standards der Staatendokumentation im Folgenden zur Verfügung gestellt. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm. Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben. Als weniger bekannt erkannte Quellen werden im Abschnitt "Einzelquellen" näher beschrieben.

Zusammenfassung:

Nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass die Diwan al Waqf al Sunni (Office of Sunni Endowment, OSE), die Kammer für sunnitische Stiftungen, eines von drei konfessionellen Stiftungsämtern im Irak ist, die im Jahr 2003 geschaffen wurden, um das Ministerium für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA) abzulösen [Anmerkung: Das Wort Diwan bedeutet Sammlung, Versammlung oder Amtszimmer und kann auch als Kammer, Amt oder Büro übersetzt werden; Das Wort Waqf bedeutet fromme Stiftung]. Bei den anderen beiden handelt es sich um das die Kammer für schiitische Stiftungen (Office of Shia Endowment, OSHE) und die Kammer für christliche, jesidische und mandäisch-sabäische Stiftungen (Office of Christian, Ezidian and Sabean Mandaean Endowments).

Erster Präsident der OSE (eine Position auf Ministerebene) war Adnan al-Dulaimi. Dieser wurde im Jahr 2005 durch Sheikh Abdul Ghafur as-Samara'i abgelöst, der 2013 wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Amt gedrängt wurde. 2015 wurde Abdul Latif al-Humeim zum nächsten amtierenden Präsidenten der OSE ernannt.

Islamische Stiftungen lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen, einerseits Moscheen, Schreine und andere öffentliche religiöse Stätten, andererseits Grundstücke, Immobilien und sonstige Besitzungen, die von ihren ursprünglichen Eigentümern zur Stiftung erklärt wurden, und die Einnahmen generieren können.

Ein Gesetz aus dem Jahr 2012 gewährt der Kammer Diwan für sunnitische Stiftungen Verantwortlichkeiten wie die Verwaltung von Stiftungen, die Anlage von Einnahmen und die Unterstützung sunnitischer religiöser und philanthropischer Institutionen. Die Diwan für sunnitische Stiftungen hat ein Programm zur Unterstützung von gefährdeten Bevölkerungsgruppen ins Leben gerufen, das finanzielle Hilfe für notleidende Personen, Unterstützung von Studierenden, den Druck des Koran, sowie Studienzentren und Kurse für das Koranstudium und die Bereitstellung von Armenspeisungen in fast allen Moscheen im Irak anbietet.

Als Direktor für die sunnitischen Stiftungen von Mossul wird für den 27.1.2018 Abu Bakr Kanaan genannt. Seine Nennung erfolgt im Zusammenhang mit Besitzstreitigkeiten zwischen der sunnitischen (OSE) und der schiitischen Kammer (OSHE) in Mossul. Dabei geht es um über 20 Moscheen, die von der OSHE beansprucht werden, teils durch Übernahmeversuche schiitischer Milizen, sowie um die Aneignung von Ländereien und Immobilien.

Einzelquellen:

Das US Department of State (USDOS), das Außenministerium der Vereinigten Staaten, schreibt in seinem Bericht zur Religionsfreiheit im Irak für das Jahr 2017, dass es drei Diwans (Kammern) gibt, die für die Verwaltung der Angelegenheiten für die im Land anerkannten religiösen Gruppen zuständig sind: Die Diwan für www.ris.bka.gv.at Seite 65 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 sunnitische Stiftungen, die Diwan für schiitische Stiftungen und die Diwan für Stiftungen der Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer. Die drei Stiftungen arbeiten unter der Aufsicht des Büros des Premierministers, und verwenden staatliche Mittel zur Verwaltung und zum Schutz religiöser Einrichtungen.

[...] There are three diwans (chambers) responsible for administering matters for the recognized religious groups within the country: the Sunni Endowment Diwan, the Shia Endowment Diwan, and the Endowment of the Christian, Yezidi, and Sabean-Mandean Religions Diwan. The three endowments operate under the authority of the Prime Minister's Office to disburse government funds to maintain and protect religious facilities. [...]

USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436875.html, Zugriff 11.4.2019

Das Carnegie Middle East Center, ein in Beirut, Libanon ansässiger Think Tank und Forschungszentrum, das sich mit Politik im Nahen Osten befasst und von der Carnegie Endowment for International Peace gegründet wurde, berichtet am 29.3.2019, dass islamische Stiftungen Schlüsselkomponenten der Religiosität im Irak darstellen. Sie lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: erstens Moscheen, Schreine und andere öffentliche religiöse Stätten, zweitens Grundstücke, Immobilien und jede Art von Eigentum, das von seinen ursprünglichen Eigentümern gestiftet wurde.

Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Jahr 2003 erfuhren die islamischen Stiftungen eine tiefgreifende Umstrukturierung, die zu erheblichen Veränderungen führte und sich auf die Rolle und Stellung der religiösen Autoritäten auswirkte.

Vor 2003 kontrollierte die Regierung die meisten wichtigen islamischen Stiftungen im Irak durch das Ministerium für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA). Dieses war das wichtigste offizielle Instrument, um den religiösen Bereich streng zu überwachen und um in den Moscheen eine einheitliche, staatlich sanktionierte Botschaft zu verbreiten. Schiitische Schreine und sunnitische Moscheen wurden von Verwaltern geleitet, die von MERA ernannt und oft aufgrund ihrer nachgewiesenen Loyalität zum Regime ausgewählt wurden. Die Imame und Prediger waren meist Staatsangestellte oder von MERA und der lokalen Niederlassung der Baath-Partei lizenziert, und ihre Predigten wurden von der Partei und den Sicherheitsorganen überwacht. Kleriker und Imame, die den Anweisungen der Regierung nicht folgten, oder deren Predigten Botschaften enthielten, die mit der offiziellen Version unvereinbar waren, wurden als nicht kooperative oder illoyale Elemente bezeichnet und oft entlassen oder verhaftet, manchmal sogar hingerichtet.

Nach 2003 hat die Politik ein neues Modell angenommen, das die Autonomie religiöser Institutionen und ihr Recht anerkennt, im öffentlichen Bereich unabhängig zu agieren. Der erste Schritt zur Umsetzung dieses Modells war der Beschluss der provisorischen irakischen Regierung von 2003, MERA abzuschaffen. Dieser Beschluss, der von schiitischen Parteien in Abstimmung mit der IIP (Anm.: Iraqi Islamic Party, die größte sunnitische Partei im Irak) gefördert wurde, löst das Ministerium (MERA) durch konfessionelle Stiftungsämter ab: Das Amt für schiitische Stiftungen (Office of Shia Endowment, OSHE), das Amt für sunnitsche Stiftungen (Office of Sunni Endowment, OSE) und das Amt für christliche, jesidische und mandäisch-sabäische Stiftungen (Office of Christian, Ezidian and Sabean Mandaean Endowments). Durch diese Maßnahme soll die staatliche Kontrolle über die Religionen beendet werden und den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften mehr Freiheit zugestanden werden, ihre Identitäten und Überzeugungen in einem neuen politischen Rahmen auszudrücken, welcher die Pluralität und Repräsentation ethnisch-konfessioneller Gemeinschaften vorsieht.

Im Kontext der Unruhen und der Gesetzlosigkeit, die auf die Invasion der USA folgten, wetteiferten mehrere religiöse Gruppen um die Kontrolle der islamischen Stiftungen, was die Bemühungen um eine institutionelle Umstrukturierung zusätzlich rechtfertigte.

Viele schiitische Islamisten und Kleriker sind überzeugt, dass das frühere Regime - als Teil einer Strategie, die schiitische Identität zu verbergen - nur sunnitische Moscheen gebaut und Philanthropen und Spender gezwungen hat, ihre Stiftungen als sunnitisch zu registrieren.

In Mossul entstand um mehrere islamische Stiftungen ein Streit, der sich nach der Befreiung der Stadt vom Islamischen Staat (IS) verschärfte. Die schiitische OSHE forderte, dass zwanzig Moscheen in der Stadt, von denen einige die Namen schiitischer historischer Personen tragen, unter ihre Zuständigkeit gestellt werden, was jedoch der damalige Gouverneur von Mossul, Atheel al-Nujaifi, unter der Betonung ihrer sunnitischen Identität ablehnte. Als nach der Befreiung der Stadt schiitische Milizen an Einfluss gewannen, versuchten diese die Moscheen zu übernehmen, bzw. die Autorität der OSHE über sie geltend zu machen. Die OSE und sunnitischen Politiker beschwerten sich und sahen dies als Versuch, die Identität Mossuls zu verändern.

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Der provisorische Regierungsrat des Irak (2003-2004), in dem die IIP [Anm.: Iraqi Islamic Party] die stärkste sunnitische Partei war, ernannte zunächst Adnan al-Dulaimi, einen islamischen Gelehrten, der einst Mitglied der Muslimbruderschaft war, zum Präsidenten der OSE (eine Position auf Ministerebene).

Im August 2005 ernannte die irakische Übergangsregierung (2005-2006) Abdul Ghafur al-Samara'i, einen gemäßigten Kleriker mit sufistischen Wurzeln, zum neuen Präsidenten der OSE, während Dulaimi der Leiter des sunnitischen Blocks im Parlament wurde. Im August 2011 überlebte Samara'i einen Selbstmordanschlag, der wahrscheinlich vom Islamischen Staat (IS) ausgeführt wurde.

Im Jahr 2012 verabschiedete das Parlament ein Gesetz für die Kammer der sunnitischen Stiftung. Dieses Gesetz gewährte ihm einige Verantwortlichkeiten, wie die Verwaltung von Stiftungen, die Anlage von Einnahmen und die Unterstützung sunnitischer religiöser und philanthropischer Institutionen. Gemäß Artikel 4.2 des Gesetzes wird der OSE-Präsident vom Ministerrat ernannt und seine Ernennung von der irakischen rechtswissenschaftlichen Versammlung (Iraqi Jurisprudential Congregation, IJC) bestätigt. Dabei handelt es sich um eine Institution, die sich aus dem Rat der führenden Gelehrten des Irak zusammensetzt und aus fünf sufistischen und fünf salafistischen Gelehrten besteht. Ihr Sitz befindet sich in der al-Imam al-A'zam (Abu Hanifa) Moschee in Bagdad.

Nachdem 2013 Samara'i wegen Korruptionsvorwürfen aus dem Amt gedrängt wurde, und sich die sunnitischen Fraktionen auf keinen Ersatz einigen konnten, ernannte der damalige Premierminister Haider al-Abadi im Jahr 2015 Abdul Latif al-Humeim zum amtierenden Präsidenten der OSE. Humeim, ein islamischer Gelehrter und ehemaliger Angehöriger des Baath-Regimes aus Anbar, leitete eine kleine Gruppe von gemäßigten sunnitischen Geistlichen und Persönlichkeiten, die sich Vereinigung der irakischen Ulama [Anm.: Religionsgelehrte des Islam] und Intellektuellen nannte. Andere sunnitische religiöse Gruppen, wie die AMS (Association of Muslim Scholars) und die IJC, sahen ihn als die Wahl der von Schiiten dominierten Regierung und nicht der legitimen sunnitischen Behörden. Trotz der Kritik konnte Humeim seine Autorität behaupten, indem er einen moderaten Diskurs annahm und mehrere Initiativen für den Wiederaufbau und die gesellschaftliche Versöhnung in den früher vom Islamischen Staat (IS) besetzten Gebieten anstieß.

Introduction

Islamic endowments are key components of Iraq's religious field. They can be divided into two main categories. First, mosques, shrines, and other public religious sites. Second, lands, real estate, and any kind of property declared as such by their original owners. The way they are governed and structured is essential in shaping the experience of lived Islam and in defining the relative positions and roles of religious authorities. Mosques and shrines are key nodes of public gatherings, giving those in charge of them platforms to disseminate their messages and assert themselves in the religious domain. They often have facilities that can be used for commercial purposes or as real estate, and they receive donations and charities from pilgrims and philanthropists. Together with other endowments, they generate revenue that provides the authorities that control them with the means to sustain themselves. Some, especially the shrines of Shia imams and leading Sunni figures, also boost the social status and religious authority of those supervising them.

The terrain of Islamic endowments has seen a major restructuring after the fall of Saddam Hussein's regime in 2003, which resulted in significant changes that had an impact on the roles and relative positions of religious authorities. This led to the growing confessionalization of the religious field and to opposing effects on the Sunni and Shia religious authorities. It led to fragmentation and deepened rivalries among religious actors in the Sunni religious field, while resulting in the consolidation and centralization of Najaf's religious authority in the Shia religious field.

Islamic Endowments and the Restructuring of the Religious Field

Prior to 2003, the government controlled most of the important Islamic endowments in Iraq through the Ministry of Endowments and Religious Affairs (MERA), which was the main official tool to strictly watch over the religious domain and propagate a unified, state-sanctioned message in mosques. Shia shrines and Sunni mosques were run by administrators appointed by MERA, often selected based on their demonstrated loyalty to the regime. Imams and preachers were mostly state employees or licensed by MERA and the local Baath Party branch, and the party and other security organs monitored their sermons. Clerics and imams who did not follow the instructions of the government or whose sermons contained messages inconsistent with the official version were labeled as "noncooperative" or "disloyal" elements. They were often sacked or arrested-or even executed.

Shia parties and religious authorities considered the Baathi state anti-Shia by virtue of its oppression of the Shia population and clergy (especially after the 1991 uprising), the execution and assassination of prominent Shia www.ris.bka.gv.at Seite 67 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 clerics, and the restrictions imposed on the performance of Shia rituals. Although the Baath Party was secular, the regime came to be dominated by Sunni Arabs who were suspicious of the autonomy of the Shia clergy and clashed with Shia Islamists who opposed the regime. Following the fall of the regime, Shia parties and religious authorities sought to alter what they perceived as an oppressive policy designed to obscure Shia identity, of which MERA was seen as one key tool. Yet, even Sunni Islamist parties, primarily the Iraqi Islamic Party (IIP), were critical of the former regime's secular tendencies and saw its fall as an opportunity to reassert the position of religion in the public life.

Therefore, the post-2003 official policy adopted a new model that recognized the autonomy of religious institutions and their right to operate independently in the public sphere. The first step in implementing this model was the decision made in August 2003 by the Provisional Governing Council (formed by the U.S.-led Coalition Provisional Authority to include members of Iraqi political factions in decisionmaking) to abolish MERA. The decision, which was promoted by Shia Islamist parties, in coordination with the IIP, replaced the ministry with confessional offices of endowments: the Office of Shia Endowment (OSHE), the Office of Sunni Endowment (OSE), and the Office of Christian, Ezidian and Sabean Mandaean Endowments. This was meant to end the state's control over the religious field and allow Iraq's multiple sects and religions more freedom to express their identities and beliefs within a new political framework that asserted plurality and the representation of ethnoreligious communities. Yet, this shift in the field of Islamic endowments generated new struggles over the identity of Islamic sites and the jurisdiction of the new confessional endowments. It accelerated the confessionalization of the religious domain and the rivalry among religious actors-between the two confessions and within each one-for status, revenue, and economic profits.

In the context of the turmoil and lawlessness that followed the U.S. invasion, several religious groups competed to control Islamic endowments, which further justified the effort to restructure them institutionally. Yet, assigning mosques, religious sites, and other endowments to the OSHE or the OSE was not an easy task, given that it required setting acceptable criteria to decide what belonged to either office. Many Shia Islamists and clerics were convinced that the former regime had built Sunni mosques and forced philanthropists and donors to register their endowments as Sunni ones, as part of its strategy to obscure the Shia identity. On its website, the OSHE argued that the regime had created many obstacles to prevent donors from endowing resources for Shia mosques or Hussaniyyas, and it said that the office had found documents proving the existence of a deliberate policy to neglect and minimize Shia endowments and religious sites. OSE officials did not agree with this characterization. They argued that MERA had already made a useful distinction between Sunni and Shia endowments in its institutional structure, and that it was possible to rely on this in developing the new structure. [...]

Other disagreements took place with regard to the historical al-Khillani mosque in the center of Baghdad, which the OSHE appropriated based on the common Shia belief that it contains the grave of Muhammed bin Osman al- Omairi, one of the four deputies of the twelfth Shia imam, a claim that the OSE and other Sunni clerics dispute. Both mosques came under the supervision of the OSHE despite the continuous objections of OSE officials, which reflects a pattern in post-2003 sectarianization and assertion of Shia hegemony in Baghdad. This hegemony became possible partly because of the dominance of Shia groups in state institutions and partly because of the success of Shia militias in quelling their Sunni counterparts.

A similar dispute emerged with regard to several Islamic endowments in Mosul and was exacerbated after the liberation of the city from the Islamic State. The OSHE demanded that twenty mosques in the city, some carrying the names of Shia historical figures, be placed under its jurisdiction, but the then governor of Mosul, Atheel al-Nujaifi, refused this request and emphasized their Sunni identity. When the Shia militias gained more influence after the liberation of the city, they sought to take over these mosques or to assert the OSHE's authority over them. The OSE and Sunni politicians complained, deeming this an attempt to change Mosul's identity.

Another dimension for these disputes was the location of Islamic endowments. Most historical mosques are found in commercial areas and are part of endowments that have stores, residences, or garages attached to them. These extras often provide revenue to the institution or groups managing them, especially in the form of rent paid by tenants or investors who occupy them. Hence, these disputes were not purely religious but also largely linked to economic motives. This dimension is particularly clear in the disputes over the so-called presidential mosques, about fourteen mosques with large facilities whose construction was ordered by Saddam Hussein. Some OSHE officials disputed their classification as Sunni and demanded their distribution equally between the OSHE and the OSE. Another disagreement emerged as to what qualifies a mosque as "presidential." The OSHE extended this definition to almost all mosques built during the Baathi era, an interpretation rejected by the OSE. In Baghdad, the OSHE eventually accepted the assignment of custodianship of presidential mosques to the OSE (given that most of them had Sunni imams appointed by the government or were located in Sunni areas) with the exception of Ar-Rahman mosque, which is located in the commercial al-Mansour area and is occupied by a Shia group following Sheikh Muhammed al-Ya'qubi, although it is legally assigned to the OSHE. www.ris.bka.gv.at Seite 68 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

[...] The creation of the OSE generated a new dynamic within the Sunni religious field, leading to rivalries among different groups. Initially, the Provisional Governing Council in place in 2003-2004, in which the IIP was the largest Sunni party, selected Adnan al-Dulaimi, an Islamic scholar who once was a member of the Muslim Brotherhood, to be the OSE president (a ministerial-level position).

[...] In August 2005, the Transitional Iraqi Government (in place in 2005-2006) appointed Abdul Ghafur al- Samara'i, a moderate cleric with Sufi roots, as the new president of the OSE, while Dulaimi became the head of the Sunni block in the parliament and took stances that were critical of the government, accusing it of collaboration with-or indifference to-Shia militias that targeted Sunni communities. [...] In August 2011, Samara'i survived a suicide attack, likely perpetrated by the group that called itself the Islamic State of Iraq.

[...] In 2012, the parliament passed a law for the Office of Sunni Endowment. The law gave it several responsibilities such as the management of endowments, investing their revenues, and supporting Sunni religious and philanthropic institutions. According to Article 4.2 of the law, the OSE president shall be nominated by the Council of Ministers and his nomination approved by the Iraqi Jurisprudential Congregation (IJC), an institution formed by the Council of Senior Scholars of Iraq and consisting of five Sufi and five Salafi scholars, headquartered in the prominent al-Imam al-A'zam (Abu Hanifa) mosque in Baghdad. The IIP helped create this institution to partly counter the AMS and partly serve as a collective supreme religious authority for Sunni communities. The law, which the IIP played a key role in drafting and was certified simultaneously with a law for the Office of Shia Endowments, aimed to add more structure to the Sunni religious field.

Samara'i was forced out of office in 2013 after facing accusations of corruption, mainly from his Sunni rivals. As Sunni factions failed to agree on a replacement, then prime minister Haider al-Abadi appointed Abdul Latif al- Humeim as acting president of the OSE in 2015. His nomination was supported by the then speaker of parliament and leading member of the IIP, Salim al-Jubouri, despite the objection of Sunni clerical institutions, such as the IJC, that demanded to be consulted in the selection as stipulated by the OSE law. Humeim, an Islamic scholar and former associate of the Baathi regime from Anbar, led a small group of moderate Sunni clerics and personalities named the Association of Iraq's Ulama and Intellectuals. Other Sunni religious groups, such as the AMS and the IJC, saw him as the choice of the Shia-dominated government, rather than of the legitimate Sunni authorities.

Despite criticism, Humeim went to assert his authority, adopting a moderate discourse and several initiatives for reconstruction and social reconciliation in post-Islamic State Sunni areas. He continued Samara'i's approach of targeting radical imams and preachers, trying to exert further control over Friday sermons. He announced a campaign to fight extremism and intolerance, and he advocated the professionalization of the production of legal opinions by limiting it to only well-established and certified Islamic jurists. [...]

Carnegie Middle East Center (29.3.2019): Religious Authority and the Politics of Islamic Endowments in Iraq, https://carnegie-mec.org/2019/03/29/religious-authority-and-politics-of-islamic-endowments-in-iraq-pub-78726, Zugriff 11.4.2019

Hasan Latef K. Alzobaidee, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der irakischen Universität von Kufa in Najaf, erstellte für das World Food Programme (WFP) im Auftrag des Centre for Social Protection am Institute of Development Studies (IDS) an der Universität von Sussex in England eine Analyse über Sozialschutz und Sicherheitsnetze im Nahen Osten und Nordafrika, die am 12.2015 veröffentlicht wurde.

Er erklärt den Begriff Waqf als vertragliche Aufgabe von Eigentum, damit dieses für den öffentlichen Nutzen verwendet werden kann. Es ist ein hilfreiches Instrument im Umgang mit armen und gefährdeten Menschen. Die Diwan (Kammer) für sunnitische Stiftungen im Irak hat ein Programm zur Unterstützung von gefährdeten Bevölkerungsgruppen ins Leben gerufen, das von der Behörde für Verwaltung und Investitionen von Fonds der sunnitischen Stiftungen ausgeführt wird. Zum Berichtszeitraum profitierten 1.259 Personen (Witwen, Waisenkinder und Menschen mit niedrigem Einkommen) von diesem Programm. Bis zum 30.6.2014 konnte die Stiftungsbehörde 377 Millionen Dinar zur Unterstützung solcher Personen beschaffen.

Das Programm konzentriert sich auf folgende Aktivitäten:

? Finanzielle Hilfe für Menschen in Not (einschließlich verwitweter Frauen, Waisenkinder, Menschen mit geringem Einkommen, bedürftige Familien, Gesundheitskrisen)

www.ris.bka.gv.at Seite 69 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

? Unterstützung von Studierenden, finanziell oder in Form von Sachleistungen (z.B. Bücher und Kleidung)

? Drucken und Verteilen des Koran

? Aufbau von Koran-Studienzentren

? Unterstützung von Sommerkursen zum Studieren des Koran, bei denen Geschenke und Stipendien als Preise zur Verfügung gestellt werden.

? Bereitstellung von Lebensmitteln für Studenten der Religionswissenschaften und Bereitstellung von Armenspeisungen in fast allen Moscheen im Irak.

Laut einem Bericht wurden im Jahr 2014 rund vier Milliarden irakische Dinar für die Einrichtung humanitärer und religiöser Programme und Veranstaltungen zur Unterstützung der irakischen Freiwilligenkräfte verwendet. Die Unterstützung erfolgte in Form von Nahrungsmitteln, Wasser und Haushaltsgeräten für vertriebene Familien aus zehn verschiedenen Gouvernements. Das Geld wurde auch für den Khairat-Fonds verwendet, der Soforthilfe zur Deckung von Transportkosten für Waisenkindern leistet, die in Schulen der Abteilung für religiöse Erziehung registriert sind, und der chirurgische Eingriffe für Diwan-Mitarbeiter finanziert.

[...] 6.1.3. Waqf (Endowments)

Waqf means contractually relinquishing one's ownership of an estate to allow it to be used for the public benefit. This tool has so far been very helpful in dealing with poor and vulnerable people. The Sunni Endowments Diwan in Iraq has recently launched a program in support of the vulnerable segments of society. The program is run by 'The Management and Investment of Funds of the Sunni Endowment Authority'. The number of people benefiting from this program have reached 1,259 individuals (widows, orphans, and low-income people). Until 30th of June, 2014, the endowment authority managed to secure 377 million dinars to support these individuals. This program focuses on the following activities:

? Financial aid to people in need (includes widowed women, orphans, people with limited incomes, needy families, health crises)

? Supporting students financially or in kind (i.e. books and clothes)

? Printing and distributing Qur'ans

? Building Qur'an memorization centres

? Supporting summer courses for Qur'an memorization, where gifts and grants are provided as prizes

? Providing food for students of religious sciences and providing charity meals in almost all the mosques in Iraq.

According to a report that was issued by the accounting department of the Bureau for the Management and Investment of Shiite Endowment Funds, around 4 billion Iraqi Dinars have been dedicated to establishing a number of humanitarian and religious programs and events in support of the Iraqi Volunteer Forces in 2014. Support was provided in the form of food, water, domestic appliances for displaced families from 10 different governorates. The money was also used to support the Khairat Fund, which provides emergency grants to cover the transportation costs of orphaned children who are registered with schools from the religious education department, and sponsors some surgical operations for some Diwan employees. [...]

Alzobaidee, Hasan Latef K. (12.2015): Social Protection and Safety Nets in Iraq, https://www.ids.ac.uk/files/dmfile/SocialprotectionandsafetynetsinIraq.pdf, Zugriff 16.5.2019

Al Monitor ist eine Onlinezeitung mit Sitz in Washington, DC., welche durch eigene und übersetzte Inhalte Reportagen und Analysen über den Nahen Osten bietet. Am 11.2.2019 berichtet Al Monitor, dass die nordirakische Stadt Mossul auf der Hut vor einem möglichen Ausbruch eines konfessionellen Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten ist, nachdem behauptet wurde, dass die schiitische Waqf (religiöse Stiftung) versucht, sunnitischen Besitz in dem Gebiet zu beschlagnahmen. Der Leiter der irakischen Al-Qarar-Koalition, www.ris.bka.gv.at Seite 70 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Osama Najafi, sagte am 30. Januar [2019], dass die schiitische Stiftung in der Provinz Ninevah versucht, hunderte Immobilienanleihen, die zum sunnitischen Waqf gehören, in ihrem Namen zu registrieren, indem sie ihren Einfluss durch offizielle Bücher der Generaldirektion für Immobilienregistrierung nutzt.

Die sunnitische Waqf fordert, dass die Bundesregierung die Versuche der schiitischen Waqf, weitere Immobilien und Eigentum [der sunnitischen Waqf] zu beschlagnahmen, beendet.

Sowohl die sunnitischen als auch die schiitischen Stiftungen wurden 2003, kurz nach der US-Invasion im Irak, gegründet, als das Ministerium für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten in je eine sunnitische, eine schiitische und eine nicht-muslimische Stiftung umgewandelt wurde. Im Zuge der Besetzung Mossuls durch den Islamischen Staat (IS) im Jahr 2014 stellte die schiitische Waqf ihre Tätigkeit in der Provinz ein. Sie kehrte nach der Befreiung der Stadt zurück und eröffnete am 19.12.2017 den Hauptsitz im Osten Mossuls.

Am 27.1.2018 beschuldigte Abu Bakr Kanaan, der Direktor der sunnitischen Waqf, die schiitische Waqf, sich Land anzueignen, welches laut Dokumenten im Besitz der sunnitischen Waqf sei. Farqad al-Saudi, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit für die schiitische Waqf, sagte Al-Monitor, dass es Immobilien gebe, deren Status ungeklärt sei und die noch im Namen des aufgelösten Ministeriums für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten registriert seien. Dem Gesetz nach und gemäß amtlichen Protokollen würde das Recht auf Pacht bei der schiitischen Waqf liegen.

Wathiq al-Jabri, ein Berater des irakischen Medienentwicklungszentrums, berichtet, dass er den Streit zwischen der sunnitischen und schiitischen Stiftung in Bezug auf den Besitz von Moscheen und Schreinen bereits vor der Invasion Mossuls durch den Islamischen Staat (IS) kontinuierlich verfolgt habe. Quellen aus beiden Stiftungen hätten ihm bestätigt, dass es eine Vereinbarung gebe, laut der Eigentum, welches in einem schiitischen Gebiet liegt, den Schiiten gehören soll und umgekehrt. Es seien also einige Besitztümer ausgetauscht worden.

Bemühungen der Schiiten, in Samarra und Ninevah sunnitische Stiftungen zu erwerben, sind insbesondere aufgrund der gemischten Natur dieser Gemeinden, mit politischen und konfessionellen Konflikten behaftet.

The northern Iraqi city of Mosul is on guard about the possibility of an outbreak of sectarian strife between Sunnis and Shiites following allegations that the Shiite Waqf (religious endowment) is seeking to seize Sunni- held land in the area. The head of the Iraqi Al-Qarar Coalition, Osama Najafi, said Jan. 30, "The Shiite endowment in Ninevah [province] is trying to register hundreds of property bonds belonging to the Sunni Waqf in its name, using its influence through official books issued by the General Real Estate Registration Directorate." Najafi said the Shiite endowment was also "pressuring and threatening staff in the real estate registration office in Mosul."

The Sunni Waqf has demanded that the federal government "put an end to the attempts by the Shiite Waqf to seize more of its real estate and property," as seen in a Jan. 26 statement by Shirwan al-Dubardani, a member of the Iraqi parliament from Ninevah. He told Al-Monitor, "Rogue armed groups are trying to seize land in Ninevah in operations outside the law," adding, "The fact-finding commission will identify the official entities involved." Dubardani said, "Authorities in Ninevah filed a complaint to Prime Minister Adel Abdul Mahdi, requesting a swift intervention to stop violations against the Sunni Waqf and land belonging to them. Deputies from Ninevah will adopt a unified position in issuing a decision to halt these violations."

Both the Sunni and Shiite endowments were established in 2003, shortly after the US invasion of Iraq, with the division of the Ministry of Endowments and Religious Affairs into Sunni, Shiite and non-Muslim bodies. Following the Islamic State's occupation of Mosul in 2014, the Shiite Waqf ceased its functions in the province, returning after the liberation of the city to open its headquarters in eastern Mosul on Dec. 19, 2017.

In reality, the conflict is not a product of today's events. Former Ninevah Gov. Atheel Nujaifi said in January 2018, "The Shiite Waqf office in 2010 requested the transfer of ownership of 20 historical mosques to its possession, all 20 of which are in the Old City and were destroyed by fighting."

On Jan. 27, 2018, the director of the Sunni Waqf in Ninevah, Abu Bakr Kanaan, accused the Shiite Waqf of appropriating land even though documents show it is owned by the Sunni Waqf. Kanaan said the Shiite Waqf was trying to take over custodianship of property surrounding the shrines of the Prophet Seth and the Prophet Yunus (Jonah) that is often rented out; the shrines were destroyed by the Islamic State. In September, hundreds of vendors in the area of the Yunus shrine appealed to the local and central governments to intervene to stop the encroachment of investors contracted by the Shiite Waqf.

www.ris.bka.gv.at Seite 71 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Farqad al-Saudi, the director of public relations for the Shiite Waqf, told Al-Monitor, "What was published on the website of the Sunni Waqf in Ninevah was lies from the mouth of its director, Abu Bakr Kanaan." Saudi said, "There is real estate which is unresolved and registered in the name of the dissolved Ministry of Endowments and Religious Affairs. By law, the right of lease-holding lies with the Shiite Waqf in accordance with official protocols." Saudi said, "Official decisions provide for the possibility of investing in properties until their status is resolved by dissolution committees."

The director of the Shiite Waqf in Ninevah, Bassem al-Bayati, told Al-Monitor, "The lease of the Prophet Seth site on the right side of Mosul by the Shiite Waqf is a fundamental right and is in accord with the regulations of the dissolved Ministry of Endowments and Religious Affairs."

Wathiq al-Jabri, an adviser for the Iraqi Media Development Center, told Al Monitor, "I have been continuously following the dispute between the Sunni and Shiite endowments - even before the Islamic State's invasion of Mosul - in relation to the ownership of mosques and shrines." He said, "Sources inside the two endowments have confirmed for me that there is an agreement that in the event property lies in a Shiite area, it belongs to the Shiites, and vice versa. So some property has been exchanged."

Jabri attributed the conflict to "the financial returns on some properties and their associated leases." He said, "Another reason is the chaos caused by the Islamic State during its occupation of the city when it annexed some Shiite mosques to the Sunni endowment. Following these events, the Popular Mobilization Units went out with the intention of returning the mosques to their original owners. A third cause is parties who are seeking sectarian strife to prevent a Shiite-Sunni convergence in the city, portraying it as an attempt to spread Shiism in the city."

A deputy from Ninevah province, Haneen al-Qaddo, denied "the existence of Shiite takeover operations on property in the city." He told Al-Monitor, "This is an issue of regulatory protocols. The Sunni and Shiite endowments must defer to the judiciary, providing evidence and documentation, away from the media."

Former judge Ali al-Tamimi told Al-Monitor, "Any seizure of property or land by either side reflects a violation of Article 27 of the Constitution and Article 124 of the Iraqi Civil Code, as well as the 2013 Law No. 21, which regulates the sale and circulation of state funds. The court can also nullify this, according to Article 141 of the Civil Code, under the concept of gross injustice, and restore the former circumstances."

Shiite efforts to acquire Sunni endowments in the city of Samarra and Ninevah are fraught with political and sectarian conflict, particularly due to the mixed nature of these entities. Although both have a Sunni majority, they have dozens of Shiite endowments that pose an ongoing source of fervent conflict - in particular those properties registered in the name of the dissolved ministry. While impartial laws may resolve the disputes between the endowments away from sectarian and political struggles, this remains a difficult matter in the current climate.

AL Monitor (11.2.2019): Conflict over Shiite and Sunni endowments erupts in Mosul, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/02/iraq-samarra-mosul-shiite-sunni-endowments.html, Zugriff 11.4.2019

3. Werden von dieser Einrichtung/Behörde "Diwan al Waqf al Sunni" Mitarbeiterausweise oder andere offizielle Ausweise ausgestellt? Wenn ja, wofür werden diese Ausweise tatsächlich benötigt bzw. haben sie einen, etwa Personalausweisen entsprechenden, Wert?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch keine Informationen gefunden. Gesucht wurde auf google.com, bing.com, ecoi.net, refworld.org, coi.easo.europa.eu und milo.bamf.de mit den Suchwörtern "Iraq", "sunni", "Diwan", "endowment", "office", "bureau", "employee", "ID-card", "identity card" "identification card", "pass" und "badge".

4. Sind Mitarbeiter/Verwaltungsbeamte dieser Einrichtung/Behörde in ihrer Stellung und exponierten Lage bezogen auf ihre Sicherheit mit den Mitarbeitern anderer Behörden oder Ministerien im Irak vergleichbar?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Die Staatendokumentation liefert faktische Grundlagen zu Hintergrund und Situation in Herkunftsländern. Die Abgabe von Einschätzungen und Bewertungen sowie Prognosen oder andere Aussagen zur Wahrscheinlichkeit www.ris.bka.gv.at Seite 72 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 des Eintretens eines Ereignisses (hypothetische Fragen) oder einer eventuellen Gefährdung sind laut Methodologie der Staatendokumentation nicht Aufgabe der Staatendokumentation. Die oben erwähnte Fragen kann seitens der Staatendokumentation daher nur indirekt beantwortet werden.

So finden sich Informationen zur Bedrohungslage von angehörigen spezieller Berufsgruppen auf ecoi.net im Länderinformationsblatt zum Irak IRAK_LIB_2018_11_20 in Abschnitt 17.5. "Berufsgruppen & Menschen, die einer bestimmten Beschäftigung nachgehen", auch abrufbar auf dem Koordinationsboard und auf www.staatendokumentation.at.

Informationen zu Übergriffen gegen Mitarbeiter der Diwan al Waqf al Sunni können der Antwort zu Frage 5 entnommen werden.

5. Sind Vorfälle (in der Vergangenheit und auch aktuell), bei welchen Angehörige einer solchen Behörde von IS- Mitgliedern, irakischen Sicherheitskräften oder Milizen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen wären, bekannt?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch einige Informationen gefunden. Eine ausgewogene Auswahl wird entsprechend den Standards der Staatendokumentation im Folgenden zur Verfügung gestellt.

Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben, als weniger bekannt erkannten Quellen werden im Abschnitt "Einzelquellen" näher beschrieben.

Zusammenfassung:

Einer der nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass ein Angriff auf den schiitischen Samarra-Schrein in den Jahren 2006 bis 2007 konfessionelle Kämpfe ausgelöst hat, wobei es, insbesondere in Bagdad, zu Vergeltungsangriffen auf sunnitische Moscheen durch schiitische Milizen gekommen ist. Im Zuge dessen wurden einige Moscheen durch diese Milizen übernommen, indem einerseits sunnitische Geistliche gezwungen wurden ihre Moscheen zu verlassen, und andererseits Moscheen, deren Imame aus Angst fernblieben, übernommen wurden. Die Besitzergreifung erstreckte sich auch auf Gewerbe- und Ackerflächen im Besitz des Amts für sunnitsche Stiftungen (Office of Sunni Endowment, OSE). Der Anführer des sunnitischen Blocks im Parlament, Adnan al-Dulaimi, vormals Präsident der OSE, warf der Regierung Gleichgültigkeit gegenüber den schiitischen Milizen vor.

Im August 2011 überlebte Abdul Ghafur al-Samara'i, damaliger Präsident der OSE, einen Selbstmordanschlag, der wahrscheinlich vom Islamischen Staat (IS) ausgeführt wurde.

Am 28.8.2011 wurden bei einem Selbstmordanschlag auf die Umm al-Qura-Moschee in West-Bagdad, Hauptsitz der sunnitischen Stiftung für ganz Bagdad, mindestens 28 Menschen getötet und mindestens 30 weitere verwundet.

Am 6.6.2012 befahl der damalige Premierminister, Nouri al-Maliki, den sunnitischen und schiitischen Stiftungen, die gegenseitigen Enteignung von Ländereien zu beenden.

Am 17.6.2012 wurde der Direktor der sunnitischen Stiftungen des Bezirk Baaj im Norden Mossuls durch nicht identifizierte Angreifer ermordet.

Am 16.8.2012 explodierte in der Garage der sunnitischen Stiftung in Zenjeli, im Westen Mossuls, eine Haftbombe [orig. Adhesive Explosive Device], die am Fahrzeug eines Mitarbeiters angebracht war. Es entstand nur Sachschaden.

Am 23.11.2012 wurde der stellvertretende Direktor des Büros für sunnitische Stiftungen in Ninevah auf seinem Heimweg durch bewaffnete Angreifer getötet.

Am 27.8.2013 verurteilte die sunnitische Stiftung Angriffe auf ihre Mitarbeiter in Basra, die angegriffen wurden, als die Mitarneiter das Gebäude verließen: so detonierte am 26.8.2013 eine Haftbombe an einem Bus und verletzte den Fahrer; am 23.8.2013 wurde ein Mitarbeiter der Stiftung getötet. www.ris.bka.gv.at Seite 73 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Am 3.1.2015 wurden bei einem Schussattentat auf sunnitische Moschee-Redner im Bezirk Zubair drei Personen getötet und zwei weitere verletzt.

Am 14.5.2015 steckten nicht identifizierte Personen ein Gebäude der sunnitischen Stiftung sowie fünf weitere Gebäude im Stadtviertel al-Adhamiya im Norden von Bagdad in Brand.

Einzelquellen:

Das Carnegie Middle East Center berichtet am 29.3.2019, dass konfessionelle Kämpfe in den Jahren 2006 und 2007, die durch den Angriff auf den [Anm.: schiitischen] Samarra-Schrein ausgelöst wurden, zu Vergeltungsangriffen auf sunnitische Moscheen durch schiitische Milizen, insbesondere in Bagdad, geführt haben. Einige Moscheen wurden von diesen Milizen übernommen, wie z.B. die al-Qibaa Moschee im Bezirk As- Shaab, die al-Muthana Moschee im Stadtteil Kairo und die al-Mudalal Moschee in al-Atafiyya.

Sunnitischen Quellen zufolge haben schiitische Milizen sunnitische Geistliche gezwungen, diese Moscheen zu verlassen, oder übernahmen diese einfach, als sunnitischen Imame aus Angst nicht mehr auftauchten. Dies würde sich nicht nur auf Moscheen und andere Kultstätten beziehen, sondern auch auf Gewerbe- und Ackerflächen, die zur OSE (Office of Sunni Endowment, Amt für sunnitsche Stiftungen) gehörten zutreffen, die von der OSHE (Office of Shia Endowment, Amt für schiitische Stiftungen) mit Hilfe von Milizen oder Sicherheitskräften übernommen wurden.

Die OSHE bringt vor, dass sich die meisten dieser Stiftungen in schiitischen Gebieten befänden, und dass das ehemalige Regime in ihrer gegen den schiitischen Glauben gerichteten Politik diesen Stiftungen sunnitische Geistliche zugewiesen hatte.

Im August 2005 ernannte die irakische Übergangsregierung (2005-2006) Abdul Ghafur al-Samara'i, einen gemäßigten Kleriker mit sufistischen Wurzeln, zum neuen Präsidenten der OSE. Währenddessen wurde Dulaimi (Anm.: Adnan al-Dulaimi) zum Anführer des sunnitischen Blocks im Parlament und nahm eine kritische Haltung gegenüber der Regierung ein, indem er ihr die Zusammenarbeit mit oder Gleichgültigkeit gegenüber den schiitischen Milizen vorwarf, die gegen sunnitische Gemeinschaften vorgingen.

Im August 2011 überlebte Samara'i einen Selbstmordanschlag, der wahrscheinlich vom Islamischen Staat (IS) ausgeführt wurde. Der Angriff, der stattfand als Samara'i und mehrere IIP (Iraqi Islamic Party)-Mitglieder an einem gemeinsamen Gebet teilnahmen, hatte mehrere Todesfälle zur Folge, darunter auch ein Parlamentsmitglied der IIP.

[...] This mosque contains a large garage and land plot that secures good revenue for the institution that controls it. Elsewhere, the presidential mosques were assigned according to the nature of the sectarian majority in each province.

Additionally, the 2006-2007 sectarian fighting that was triggered by the attack on the Samarra shrine led to retaliatory attacks on Sunni mosques by Shia militias, especially in Baghdad. Some of these mosques were taken over by these militias, as was the case with al-Qibaa mosque in the as-Shaab district, al-Muthana mosque in the Cairo neighborhood, and al-Mudalal mosque in al-Atafiyya. According to Sunni sources, Shia militias forced Sunni clerics to abandon these mosques or simply took over when their Sunni imams ceased to show up out of fear. This was not limited to mosques and other places of worship, but extended to commercial sites and agricultural lands that, according to these sources, belonged to the OSE and were taken over by the OSHE, with the help of militias or security forces.24 In its defense, the OSHE argued that most of these Islamic endowments were in Shia areas and that the former regime had assigned to them Sunni clerics as part of its anti-Shia policy.25 This is particularly true with mosques such as ar-Rashad, which is located in Sadr City and was contested in the 1990s between the Sadrists and the Salafists. After 2003, the Sadrists controlled the mosque and renamed it al- Sadrayn mosque.

[...] In August 2005, the Transitional Iraqi Government (in place in 2005-2006) appointed Abdul Ghafur al- Samara'i, a moderate cleric with Sufi roots, as the new president of the OSE, while Dulaimi became the head of the Sunni block in the parliament and took stances that were critical of the government, accusing it of collaboration with-or indifference to-Shia militias that targeted Sunni communities.26 Samara'i had to deal with a difficult scene, given the fragmentation of the Sunni religious field and the influence of radical forces in a context of sectarian polarization and rampant violence. To gain political support, he coordinated with the IIP, and was accused by hardline groups, including the AMS and jihadi factions, of being a puppet of the Shia- www.ris.bka.gv.at Seite 74 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 dominated government. This criticism escalated when in 2007 he forced the AMS to close its office in the large Um al-Qura mosque in al-Karkh in Baghdad and hand it to the OSE.27 In August 2011, Samara'i survived a suicide attack, likely perpetrated by the group that called itself the Islamic State of Iraq. The attack, which happened when Samara'i and several IIP members were attending a collective prayer, caused several casualties, including the death of an IIP member of parliament. [...]

Carnegie Middle East Center (29.3.2019): Religious Authority and the Politics of Islamic Endowments in Iraq, https://carnegie-mec.org/2019/03/29/religious-authority-and-politics-of-islamic-endowments-in-iraq-pub-78726, Zugriff 11.4.2019

BBC News berichtet am 28.8.2011, dass bei einem Selbstmordanschlag auf die Umm al-Qura-Moschee in West- Bagdad, die größte sunnitischen Moschee der Stadt, mindestens 28 Menschen getötet und mindestens 30 weitere verwundet wurden. Unter den Toten befindet sich der Parlamentarier Khalid al-Fahdawi.

Die Moschee ist der Hauptsitz der sunnitischen Stiftung, die für die Erhaltung sunnitischer religiöser Stätten in ganz Bagdad verantwortlich ist.

Zum Berichtzeitraum hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt.

A suicide bomber has killed at least 28 people and wounded at least 30 more after blowing himself up inside a Sunni mosque in the Iraqi capital Baghdad, local officials say.

The attack took place during prayers in the Umm al-Qura mosque in west Baghdad, the city's largest Sunni mosque.

Officials said parliamentarian Khalid al-Fahdawi was among the dead in the strike, the Associated Press reported.

The attack comes towards the end of the Muslim holy month of Ramadan.

The mosque is the main headquarters of the Sunni Endowment, which is responsible for maintaining Sunni Muslim religious sites across Baghdad.

"A suicide bomber entered the main area of the mosque and blew himself up," said Qutaiba al-Falahi, a spokesman for the group, according to Reuters news agency.

No group immediately claimed responsibility for Sunday's bombing.

There has been a recent flurry of violence across Iraq, although it is much reduced since a peak in 2006-2007.

On Friday at least 13 people were killed in a series of attacks across the country - in Basra, Falluja and Baghdad.

BBC News (28.8.2011): Baghdad mosque attack: Suicide bomber kills at least 28, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-14704484, Zugriff 3.6.2019

Iraqi News, ein englischsprachiger Online-Nachrichtendienst, der sich in seiner Berichterstattung auf Ereignisse des Nahen Ostens und insbesondere des Irak fokussiert, berichtet am 6.6.2012, dass Premierminister Nouri al- Maliki den sunnitischen und schiitischen Stiftungen befohlen hat, mit der Enteignung von Ländereien aufzuhören und beide Seiten dazu aufrief, sich, wenn sie sich ungerecht behandelt sehen, an das Bundesgericht zu wenden.

Einer Erklärung von Malikis Büro zufolge sollen die Moscheen und Friedhöfe von ihren derzeitigen Verwaltungen geführt werden, unabhängig davon ob es sich dabei um eine schiitische oder sunnitische handelt.

The Premier, Nouri al-Maliki, ordered "The Sunni and Shiite endowments to stop expropriation of new estates all over the Iraqi provinces," calling "Any of the two sides to resort to the Federal Court in case of being treated unjustly."

A statement by Maliki's office received by Iraqi News (IraqiNews.com) cited "Maliki ordered to keep the mosques and the cemeteries run by their current administration whether it is Sunni or Shiite." www.ris.bka.gv.at Seite 75 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

"During his meeting with the heads of the Sunni Endowment, Ahmed Abdul Ghafoor al-Samarayi, and the Shiite Endowment, Salih al-Haidari, Maliki called all Iraqis to support unity and to neglect sectarianism which is consolidated by the terrorists," the statement added.

"Maliki appreciated Samarayi and Haidari's roles and their understanding for the problems related to this issue," the statement concluded.

Iraqi News (6.6.2012): Maliki orders to stop expropriation of new estates by Sunni, Shiite Endowments, https://www.iraqinews.com/baghdad-politics/maliki-orders-to-stop-expropriation-of-new-estates-by-sunni-shiite- endowments/, Zugriff 3.6.2019

Iraqi News berichtet am 17.6.2012, dass der Direktor der sunnitischen Stiftungen des Bezirk Baaj im Norden Mossuls ermordet wurde. Eine Quelle aus dem Sicherheitsbereich gab an, dass nicht identifizierte Angreifer im Stadtteil Jameah, im Norden Mossuls, der Hauptstadt von Ninevah, das Feuer auf den Direktor eröffneten und ihn dabei sofort töteten. Den Angreifern gelang die Flucht.

The Director of the Sunni Endowment in Baaj district was assassinated in northern Mosul.

Security source stated to IraqiNews.com on Sunday "Unidentified gunmen opened fire targeting the Director of the Sunni Endowment killing him immediately in Jameah neighborhood of northern Mosul the capital of Nineveh province."

The source added "The gunmen managed to flee after the attack while the police transported the dead body of the victim to the morgue and launched an investigation over the incident."

Iraqi News (17.6.2012): Director of Sunni Endowment assassinated in Mosul, https://www.iraqinews.com/iraq-war/director-of-sunni-endowment-assassinated-in-mosul/, Zugriff 3.6.2019

Iraqi News berichtet am 16.8.2012, dass in Zenjeli, im Westen Mossuls, eine Haftbombe, die am Fahrzeug eines Mitarbeiters der sunnitischen Stiftung angebracht war, in der Garage der Stiftung explodierte. Dabei wurde Sachschaden an anderen Fahrzeugen verursacht, ohne dass es zu menschlichen Verlusten kam.

An Adhesive Explosive Device AED exploded in Zenjeli area of western Mosul.

Security source mentioned to IraqiNews.com that "The AED which was attached to a vehicle of an employee of the Sunni Endowment, exploded, when the vehicle parked on the garage of the Endowment," noting that "The explosion caused material damages to the vehicle of the employee and other nearby vehicles."

The source added "The explosion did not result in any human casualties and the security forces started an investigation to figure out the circumstances of the attack."

Iraqi News (16.8.2012): Sunni Endowment attacked in Mosul, https://www.iraqinews.com/iraq-war/sunni- endowment-attacked-in-mosul/, Zugriff 3.6.2019

Iraqi News berichtet am 23.11.2012, dass Daham Hussein, der stellvertretende Direktor des Büros für sunnitische Stiftungen in Ninevah, bei einem bewaffneten Angriff im Westen von Mossul getötet wurde. Einer Quelle aus dem Sicherheitsbereich zufolge befand sich Hussein auf dem Heimweg in den Stadtteil Amil in Mossuls Westen.

The Deputy Director of the Sunni Endowment office in Nineveh was killed due to an armed attack in west of Mosul.

A security source told IraqiNews.com "Unidentified gunmen assassinated the Deputy Director of the Sunni Endowment Office in Nineveh, Daham Hussein, while he was on his way home in Amil neighborhood of western Mosul."

"The gunmen fled to unknown place while the security forces blocked the incident spot and transported the dead body to the morgue," the source added.

www.ris.bka.gv.at Seite 76 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Iraqi News (23.11.2012): Urgent - .Sunni Endowment Office's Deputy Director assassinated in west of Mosul, https://www.iraqinews.com/iraq-war/urgent-sunni-endowment-office-s-deputy-director-assassinated-in-west-of- mosul/, Zugriff 3.6.2019

Am 27.8.2013 berichtet Iraqi News, dass die sunnitische Stiftung Angriffe auf ihre Mitarbeiter in Basra verurteilte. Die Angriffen hätten stattgefunden, als die Mitarbeiter das Gebäude verließen. Am Montag (26.8.2013) detonierte eine Haftbombe an einem Bus und verletzte den Fahrer, am vorangegangenen Freitag (23.8.2018) wurde ein Mitarbeiter ermordet.

The Sunni Endowment condemned targeting its employees in Basra on Monday by an Adhesive Explosive Device and assassinating another one on last Friday.

A statement by the Endowment received by IraqiNews.com cited "The Endowment denounces targeting its employees in Basra on Monday while they were leaving the building."

"The attack was by an adhesive explosive device that was placed in the bus carrying the employees which resulted in injuring the driver only," the statement concluded.

Iraqi News (27.8.2013): Sunni Endowment condemns targeting its employees in Basra, https://www.iraqinews.com/baghdad-politics/sunni-endowment-condemns-targeting-its-employees-in-basra/, Zugriff 3.6.2019

Iraqi News berichtet am 3.1.2015, dass bei einem Schussattentat auf Moschee-Redner im Bezirk Zubair (Anm.: Stadt und Bezirk im Gouvernement Basra) drei Personen getötet und zwei weitere verletzt wurden. Der Leiter der sunnitischen Stiftung, Mohamed Balasim, meint, dass der Angriff den Zweck hatte einen Konflikt zwischen den Schiiten und den Sunniten auszulösen, und ruft die Menschen zu Zurückhaltung auf.

The Sunni Endowment called upon the southern part of Iraq to practise restraint and curb the plot interwoven to spark strife between the Shiites and the Sunnis.

Head of the Sunni Endowment, Mohamed Balasim said in press conference he held today "The advocates of sedition and Takfir are behind the murder of the mosque orators in Zubair district, urging the people to maintain self-control to thwart this malicious scheme."gunmen had shot dead a number of mosque orators while they were on their way to the district past Thursday. The attack led to three deaths and two injuries.

Iraqi News (3.1.2015): Sunni Endowment urges self-restraint following Basra murders, https://www.iraqinews.com/baghdad-politics/sunni-endowment-urges-self-restraint-following-basra-murders/, Zugriff 3.6.2019

Iraqi News berichtet am 14.5.2015, dass nicht identifizierte Personen ein Gebäude der sunnitischen Stiftung und fünf weitere Gebäude im Stadtviertel al-Adhamiya im Norden von Bagdad in Brand gesteckt haben. Der Brandanschlag führte zu materiellen Schäden, ohne dass es zu menschlichen Verlusten kam.

A source within the Iraqi police announced on Thursday, that unidentified gunmen have burned the Investment Sunni Endowment building and about five houses north of Baghdad.

The source said in an interview for IraqiNews.com, "Unidentified gunmen set fire to the Investment Sunni Endowment building and about five nearby homes and a number of cars in the district of al-Adhamiya north of Baghdad, on the back of publishing a rumor among the visitors of Imam Kadhim about the presence of an explosive belt."

The source, who requested to remain anonymous, added, "This led to material damage without causing any human casualties," adding that, "The security force cordoned off the area completely."

[...]

Iraqi News (14.5.2015): Gunmen burn Investment Sunni Endowment building in Adhamiya, Baghdad, https://www.iraqinews.com/iraq-war/gunmen-burn-investment-sunni-endowment-building-adhamiya-baghdad/, Zugriff 3.6.2019 www.ris.bka.gv.at Seite 77 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

6. Ist feststellbar, ob der Beschwerdeführer tatsächlich bei einem/einer "Diwan al Waqf al Sunni" gearbeitet hat?

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

Aufgrund der Recherchegrenzen insbesondere die personenbezogene Vorort-Recherche betreffend ist eine Verifizierung einer allfälligen Tätigkeit einer Person bei dieser Diwan oder einer anderen Organisation im Herkunftsland nicht möglich.

[...]"

Insgesamt konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Familienstand des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese zum einen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, sowie den Angaben des Beschwerdeführers während des Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer brachte einen Reisepass, Personalsowie Staatsbürgerschaftsnachweis zur Vorlage, an deren Echtheit keine Zweifel aufgekommen sind (vgl aktenkundige Kopien AS 79 ff).

Das Bundesverwaltungsgericht nahm weiter hinsichtlich des Beschwerdeführers Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, seine Sozialversicherungs- und Grundversorgungsdaten und das Zentrale Melderegister.

Per E-Mail vom 17.10.2019 teilte die ehemalige Lebensgefährtin des Beschwerdeführers dem erkennenden Gericht (unter anderem) mit, dass die Beziehung inzwischen bereits seit Mitte April 2019 beendet sei. Es war daher festzustellen, dass die Beziehung zur in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommenen Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nicht mehr besteht. Mangels eigenem Vorbringen des Beschwerdeführers konnte hingegen nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer eine neue Beziehung führt und auch nicht zu wem oder in welcher Intensität.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer für das OSE gearbeitet hat, ergibt sich neben den diesbezüglich immer gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers insbesondere auch aus dem, dem Bundesamt im Original vorgelegten, Dienstausweis. Diesbezüglich führte das Bundesamt im angefochtenen Bescheid lediglich aus, dass eine Überprüfung der Echtheit des Dienstausweises seitens der LPD nicht möglich sei, der Dienstausweis keine Sicherheitsmerkmale enthalte und daher auf die Länderberichte zu verweisen sei, wonach im Irak alle Dokumente ge- oder verfälscht werden und käuflich erworben werden könnten. Diesbezüglich hat aber bereits der Verwaltungsgerichtshof öfters ausgesprochen (vgl zuletzt etwa VwGH vom 01.03.2019, Ra 2018/18/0446), dass das pauschale Verweisen auf eine Fälschungsmöglichkeit nicht genügt, um von einer Dokumentenfälschung auszugehen. Im gegenständlichen Fall finden sich für das erkennende Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ausweis oder andere vom Beschwerdeführer vorgelegte Beweismittel gefälscht wären, zumal etwa auch die irakischen Personalausweise über keine modernen Sicherheitsmerkmale verfügen. Die grundsätzliche Tätigkeit des Beschwerdeführers beim OSE wurde der gegenständlichen Entscheidung daher zugrunde gelegt.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit (substanziiert) bestritten wurden.

www.ris.bka.gv.at Seite 78 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Der Beschwerdeführer machte bei der Stellung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz im November 2015 ausschließlich geltend, dass er den Irak wegen der Bedrohung durch den IS verlassen habe.

In der niederschriftlichen Einvernahme und der mündlichen Beschwerdeverhandlung brachte gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er habe - neben der Betreibung seiner Boutique in Mossul und dem 2014 abgeschlossenen Studium - für das "Diwan al Waqf al Sunni" oder auch "Office of Sunni Endowment" (OSE) gearbeitet und sei für die Ausstellung von Dienstausweisen zuständig gewesen. Beim OSE handle es sich um eine offizielle behördliche Verwaltung für sunnitische Moscheen sowie gestiftetes Vermögen. Nur er habe über einen Bewilligungsstempel für die Ausweise verfügt. Er sei im Mai 2014 vom IS bedroht worden, nachdem er sich geweigert habe, auf Anfrage eines Arbeitskollegen für IS-Mitglieder unrechtmäßig sieben solcher Ausweise auszustellen. Eine Anzeige habe er bei der Polizei erstattet, Schutz in Form von Bewachung seines Hauses aber nicht erhalten. Nach Kontaktaufnahme mit seinem Vorgesetzten habe ihm dieser geraten, sich Urlaub zu nehmen und nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Das habe er gemacht und sich bei seiner Tante versteckt, sei aber am 02.06.2014 nochmal in die Dienststelle gekommen, um den Bewilligungsstempel bei einem Kollegen, der ihn vertreten würde, abzugeben. Der IS sei auch zum Elternhaus gekommen, der Vater habe sich aber vom Beschwerdeführer distanziert, sodass nichts passiert sei. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zu einem schiitischen Kindheitsfreund nach Bagdad umgezogen. Als der IS Mossul eingenommen habe, sei er schon in Bagdad gewesen. In Bagdad habe er ohne Probleme bis 27.10.2014 gelebt. An diesem Tag hätten Mitglieder der AHH den Ausweis des Beschwerdeführers kontrolliert, festgestellt, dass er Sunnit aus Mossul sei und ihn dann festgehalten und misshandelt. Man habe ihm unterstellt, Anschläge in Bagdad verüben zu wollen. Sein schiitischer Freund habe aber jemanden bei der Miliz gekannt, weshalb man ihn freigelassen hätte. Dann sei er in die Türkei ausgereist.

Das Bundesamt sprach dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Wesentlichen mit der Begründung, dieses sei nicht nachvollziehbar und gesteigert, die Glaubwürdigkeit ab.

Dem Bundesamt muss in seiner Beurteilung insofern gefolgt werden, als der Beschwerdeführer auch vor dem Bundesverwaltungsgericht die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte. Dies aus folgenden Gründen:

Im Gegensatz zum Bundesamt geht das erkennende Gericht aus den oben angeführten Gründen zwar davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich für das OSE gearbeitet hat. Darüber hinaus konnte aufgrund des besonders oberflächlichen und nicht nachvollziehbaren Vorbringens des Beschwerdeführers aber nicht festgestellt werden, dass er tatsächlich als einziger für die Ausstellung von Dienstausweisen zuständig gewesen ist. Dem Bundesamt muss in seiner Ansicht gefolgt werden, dass es bei einer tatsächlich vorliegenden Bedrohung durch den IS im Juni 2014 absolut nicht nachvollziehbar ist, zur Arbeitsstelle zurückzukehren, nur um den Stempel zurückzubringen, wo doch der (sich bereits bei der Tante versteckende) Beschwerdeführer dort leicht angetroffen werden kann und auch der Arbeitskollege, der ihn wegen der Ausstellung der Ausweise kontaktiert haben soll, ebenfalls dort anwesend ist und somit umgehend den IS über den Beschwerdeführer hätte informieren können. Eine solche Vorgehensweise kann bei einer tatsächlich vorliegenden Bedrohung des Lebens durch eine terroristische Vereinigung jedenfalls nicht mit pflicht- und verantwortungsbewusster Tätigkeitserfüllung und -beendigung gerechtfertigt werden, wie in der Beschwerde in einem Rechtfertigungsversuch ausgeführt wird. Vielmehr wäre davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführer bei einer derartigen Bedrohung sofort geflüchtet wäre, ohne "die Stelle auch in gerechtfertigter Weise zu beenden, was auch die Rückgabe aller Dienstmaterialen beinhaltet hat". Hätte der Vorfall rund um die Bedrohung des Beschwerdeführers wegen der Nicht-Ausstellung der Dienstausweise tatsächlich stattgefunden, er in weiterer Folge tatsächlich seinen Vorgesetzten darüber informiert und eine Anzeige bei der Polizei erstattet, wäre es aller Wahrscheinlichkeit auch zu irgendeiner Handlung des Vorgesetzten (der immerhin eine öffentliche Behörde leitet) oder der Polizei gegen den Arbeitskollegen des Beschwerdeführers gekommen. Dass dieser unbehelligt weiter im OSE gearbeitet hätte, erscheint realitätsfern.

Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, dass Mitglieder des IS das Elternhaus des Beschwerdeführers aufgesucht und seinen Vater nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten, jedoch ohne weiters wieder abgezogen sein sollen, nachdem der Vater sich vom Beschwerdeführer "distanziert" hat. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich vom IS gesucht worden, wäre auch seine Familie bedroht oder dieser Gewalt angetan worden, um den Beschwerdeführer zu finden.

Der Beschwerdeführer konnte gegenständlich somit nicht glaubhaft machen, dass er vom IS persönlich bedroht worden ist. Vielmehr geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer Mossul aus allgemeiner (verständlicher) Angst vor dem IS, der kurz vor dem Einmarsch in Mossul stand, verlassen hat. www.ris.bka.gv.at Seite 79 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Auch wenn der IS in der Provinz Ninewa und auch in der Stadt Mossul insbesondere durch Schläferzellen noch aktiv ist, kann in Anbetracht der inzwischen verstrichenen Zeit von rund viereinhalb Jahren seit dem Verlassen Mossuls durch den Beschwerdeführer nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Mossul einer individuellen Bedrohung durch IS-Angehörige ausgesetzt wäre, zumal seine gesamte Familie (bis auf einen einzigen Bruder) in Mossul verblieb, nach wie vor dort lebt und mit dem IS keine Probleme hatte.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Entführung in Bagdad entbehrt jeglichen Details. Wenngleich sich das Vorbringen mit den Länderberichten insofern deckt, als die schiitischen Milizen, darunter auch die AAH vor allem zwischen 2014 und 2015 immer wieder Zivilisten, insbesondere Sunniten, in Bagdad aus kriminellen Motiven entführten und gegen die Erpressung von Lösegeld wieder freiließen, konnte der Beschwerdeführer eine ihn treffende Entführung nicht glaubhaft machen. So konnte der Beschwerdeführer weder gleichbleibend angeben, um wie viele Personen es sich bei den Entführern gehandelt haben soll, wie lange er festgehalten worden ist oder sonstige Details zum Ablauf, die ein tatsächliches Opfer jedenfalls wüsste. Weiters kann nicht nachvollzogen werden, dass der Beschwerdeführer, dem die geplante Verübung von Anschlägen in Bagdad (somit Terrorismus) unterstellt worden sein soll, dann nur aufgrund einer Bekanntschaft seines schiitischen Freundes zu einem zufällig anwesenden Milizmitglied ohne weiters freigelassen worden sein sollte. Sunnitischen Arabern aus vom IS besetzten Gebieten würde in einem solchen Fall nach den Länderberichten eine Verhaftung, ein unfaires Gerichtsverfahren ohne (tauglichen) Rechtsbeistand (wenn überhaupt ein Gerichtsverfahren stattfindet) und eine unverhältnismäßig hohe Bestrafung bis zur Todesstrafe drohen. Eine Entlassung des Beschwerdeführers nach einem solchen Vorwurf nur aufgrund von "Beziehungen" seines schiitischen Freundes ist damit jedenfalls unglaubwürdig.

Selbst bei Wahrunterstellung der vom Beschwerdeführer geschilderten Entführung müsste im gegenständlichen Fall von kriminellen Handlungen Dritter ausgegangen werden. Eine tatsächliche Zuordnung zu einer konkreten Miliz war nicht möglich, der Beschwerdeführer stellte diesbezüglich nur Vermutungen an.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erweist sich somit in seiner Gesamtheit als unglaubwürdig, zumal der Beschwerdeführer bei seinen Ausführungen völlig unkonkret blieb und selbst nach mehrmaligem Nachfragen durch die erkennende Richterin keine detaillierten Angaben machen konnte.

Eine generelle und systematische Verfolgung von männlichen Arabern mit sunnitischer Glaubensrichtung ergibt sich aus den Länderberichten zum aktuellen Zeitpunkt somit nicht. Die Lage in Bagdad hat sich laut den aktuellen Länderberichten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen jedenfalls verbessert. Die Problematik zwischen Schiiten und Sunniten besteht in der Form, wie sie noch 2015 bestanden hat, nicht mehr. Somit ergibt sich, dass es dem Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung der Länderberichte zur Sicherheitslage in Bagdad und den schiitischen Milizen nicht gelungen ist, glaubhaft darzutun, dass er im Irak aus dem vorgebrachten Grund einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer stammt aus Mossul und lebt - bis auf einen Bruder - seine gesamte Familie ohne Probleme nach wie vor dort. Zur allgemeinen Sicherheitslage in Mossul ist den Länderberichten zwar zu entnehmen, dass der IS dort nach wie vor mit seinen Schläferzellen aktiv ist, sich die Sicherheitslage allgemein jedoch verbessert hat und über 500.000 Menschen bereits nach Mossul zurückgekehrt sind. Insgesamt verzeichnet der Irak derzeit die niedrigste Zahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003. Auch wenn das Justiz- und Rechtssystem nicht durchwegs funktioniert, eine Verfolgung von Straftaten nur unzureichend stattfindet und die Haftbedingungen nicht den Mindeststandards entsprechen (obwohl die Bedingungen stark variieren) kann auch daraus keine wahrscheinliche Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr abgeleitet werden, zumal der Beschwerdeführer selbst angab, im Irak weder vorbestraft zu sein noch dass ihm dort strafrechtliche Verfolgung drohen würde.

Generell ist auch die allgemeine Situation in Mossul durch die großräumige Zerstörung insbesondere des Westens der Stadt hinsichtlich vorhandener Infrastruktur und Unterkünften sehr prekär. Im konkreten Fall des Beschwerdeführers, der nach wie vor in Mossul über Familienangehörige verfügt, die Mossul auch in der besonders kritischen Zeit während und nach der IS Besetzung nicht verlassen mussten, es sich den eigenen Angaben des Beschwerdeführers nach um eine finanziell wohlhabende Familie handelt und diese bisher ohne größere Probleme dort leben konnte, kann jedoch auch unter Berücksichtigung aller Umstände zur allgemeinen Lage in Mossul nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak in eine existenz- und/oder lebensbedrohende Notlage geraten würde, was in weiterer Folge auch noch in der rechtlichen Beurteilung dargestellt wird. Aus demselben Grund kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Mossul von Behörden oder Milizen verweigert würde, zumal der Beschwerdeführer den Irak legal verlassen hat und zu keiner Zeit vorbrachte, eine Rückkehr wäre ihm nicht möglich, da ihm diese verweigert würde. In Anbetracht der massiven familiären Bindungen und des aufrechten, regelmäßigen Kontakts des Beschwerdeführers zu seiner Familie in Mossul ist auch mit maßgeblicher www.ris.bka.gv.at Seite 80 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Familie eine allfällig erforderliche Bürgschaft zur erneuten Niederlassung des Beschwerdeführers in Mossul abgeben würde.

Diese Länderberichte zeugen von einer dem erkennenden Gericht bekannten und als durchaus problematisch zu bezeichnenden instabilen Situation des Iraks. Diese Berichte vermögen es angesichts der dem Gericht sonst bekannten Informationen über den Irak jedoch im konkreten Fall nicht ein individuelles Verfolgungsrisiko des Beschwerdeführers glaubhaft erscheinen zu lassen.

In Zusammenschau des konkreten Vorbringens und der dargestellten Länderfeststellungen haben sich insgesamt im konkreten Fall des Beschwerdeführers daher keine Anhaltspunkte für eine wahrscheinliche und aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers aus den von ihm vorgebrachten Fluchtgründen im Fall einer Rückkehr ergeben.

Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß

§ 46 FPG in den Irak beruht darauf, dass der Beschwerdeführer - wie in der rechtlichen Beurteilung näher ausgeführt - keine konkreten Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge gegenwärtig eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 aus von dem Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG).

Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich daher aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Die dem Beschwerdeführer zuletzt mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 03.09.2019 zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelte aktuellen Länderinformationen zum Irak (Stand 25.07.2019) sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07.06.2019 blieben sowohl seitens des Beschwerdeführers als auch seiner gewillkürten Vertreter und des Bundesamtes unbestritten. Eine inhaltlich divergierende Stellungnahme wurde nicht abgegeben. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf eine Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer ist den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in das gegenständliche Verfahren eingeführten Länderfeststellungen nicht entgegengetreten. Sie blieben insofern im gesamten Verfahren unbestritten und wurden keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder www.ris.bka.gv.at Seite 81 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).

Vorliegend ist festzuhalten, dass dem Vorbringen im Ergebnis keine Asylrelevanz zukommt: www.ris.bka.gv.at Seite 82 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Im gegenständlichen Fall gelangte das Bundesverwaltungsgericht aus den oben im Rahmen der Beweiswürdigung erörterten Gründen zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat Irak im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status eines Asylberechtigten zu erhalten (VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Ferner liegen keine Anhaltspunkte vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von männlichen sunnitischen Arabern stattfindet, kann aus den länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak nicht abgeleitet werden, zumal sich aus diesen schon eine systematische Verfolgung von Sunniten nicht ableiten lässt.

Auch wenn der UNHCR in seinen Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen (Mai 2019; HCR/PC/IRQ/2019/05) ausführt, dass seiner Ansicht nach eine innerstaatliche Fluchtalternative für sunnitische Araber aus ehemals vom IS besetzten Gebieten im gesamten übrigen Irak nicht angenommen werden kann (vgl dazu etwa 9 ff), sind im ganz konkreten Einzelfall des Beschwerdeführers, wegen der konkreten familiären Situation (die Familienangehörigen leben nach wie vor in Mossul, haben die Stadt nie verlassen und nie Probleme gehabt und sind als wohlhabend anzusehen) und dem laufenden Kontakt zu seinen Angehörigen, keine Gründe ersichtlich, weshalb er nicht nach Mossul zurückkehren könnte.

Letztlich konnte er eine gegen ihn direkt gerichtete individuelle und aktuelle Verfolgung oder Bedrohung aus oben genannten Gründen weder im Verfahren vor der belangten Behörde, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft machen.

Zur Abweisung des Asylantrages sei erwähnt, dass auch ein wirtschaftlicher Nachteil unter bestimmten Voraussetzungen als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren sein kann, im Ergebnis jedoch nur dann, wenn durch den Nachteil die Lebensgrundlage massiv bedroht ist und der Nachteil in einem Kausalzusammenhang mit den Gründen der Flüchtlingskonvention steht. Eine solche Bedrohung der Lebensgrundlage ist den Feststellungen zufolge nicht gegeben und ein derartiger Kausalzusammenhang ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich.

Entsprechend den oben getätigten Ausführungen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, darzutun, dass ihm im Herkunftsstaat Irak asylrelevante Verfolgung droht, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann.

Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von dieser nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK www.ris.bka.gv.at Seite 83 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019 widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174).

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiären Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EUGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer keine ihm konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. keine für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechende Gründe vorgebracht. Wie bereits oben zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgeführt wurde, kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Irak eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

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Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte weder im Rahmen des verwaltungsbehördlichen, noch im Rahmen des vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahrens festgestellt werden.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt keineswegs die angespannte allgemeine Sicherheitslage oder die darunter leidende wirtschaftliche Situation, die interkonfessionellen und politischen Bruchlinien in der Gesellschaft, sowie die komplexen, an einer ausgeprägten Stammeskultur und an konservativ-religiös geprägten Moralvorstellungen ausgerichteten Strukturen im Irak. Dennoch ist im ganz konkreten Einzelfall des Beschwerdeführers aufgrund des Umstandes, dass seine Familie nach wie vor in Mossul lebt, Mossul nie verlassen musste bzw. mit dem IS nie Probleme hatte und eigenen Angaben des Beschwerdeführers nach als finanziell wohlhabend angesehen werden kann, nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in irgendeiner Form Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal die von ihm angegebenen Fluchtgründe aus den bereits in der Beweiswürdigung genannten Gründen als nicht glaubhaft erwiesen haben.

In diesem Kontext kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak dort die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur - wenngleich für Bewohner des Kosovo - dargestellten "Schwelle" des Art. 3 EMRK), zumal er - wie bereits ausgeführt - gesund und arbeitsfähig ist, im Irak bereits in seiner eigenen Boutique selbstständig erwerbstätig war und weiters beim OSE angestellt war und sich selbst seinen Lebensunterhalt verdient hat, er dort nach wie vor familiäre Bindungen (die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester) sowie das Elternhaus zur Verfügung hat, und daher davon auszugehen ist, dass es ihm erneut zumutbar ist, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit sein Einkommen zu sichern. Der Beschwerdeführer verfügt weiters über eine mehrjährige Schulbildung sowie einen Universitätsabschluss. Die Familie des Beschwerdeführers lebt bisher offensichtlich unbehelligt in Mossul. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von seiner Familie im Falle einer Rückkehr Unterstützung finden würde. Der Beschwerdeführer konnte nicht substanziiert darstellen, dass es ihm in seiner individuellen Situation im Irak nicht gelingen könnte, einen Arbeitsplatz zu erlangen und ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den Länderberichten lässt sich insbesondere keineswegs eine reale Gefahr ableiten, dass der Beschwerdeführer in diesem Staat keinerlei Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls wie jeder Rückkehrer auch die Möglichkeit, Unterstützung bei Verwandten und Freunden bzw. bei Angehörigen derselben Volksgruppe zu suchen.

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, dass im Irak aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation im Irak auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr dem Beschwerdeführer für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; im Irak ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

Zu berücksichtigen ist weiters, dass der Beschwerdeführer den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu den Spruchpunkten III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Der mit "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" betitelte § 10 AsylG lautet:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

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2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Der Beschwerdeführer befand sich zumindest seit der Stellung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz am 15.11.2015 ununterbrochen im Bundesgebiet und war sein Aufenthalt nicht für mehr als ein Jahr geduldet. Er war nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im Bundesgebiet. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde substanziiert behauptet wurde. www.ris.bka.gv.at Seite 86 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG, hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger des Irak kein begünstigter Drittstaatsangehöriger.

Der Beschwerdeführer hatte das Bundesgebiet seit seiner Einreise zumindest am 15.11.2015 nicht mehr verlassen. Es kam ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Der mit "Frist für die freiwillige Ausreise" betitelte § 55 FPG lautet wie folgt:

"§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

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4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Ein Eingriff in diese Rechte durch eine öffentliche Behörde ist nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung oder Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, www.ris.bka.gv.at Seite 88 von 91 Bundesverwaltungsgericht 04.11.2019

Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinerlei weiteren familiären Beziehungen. Ein Eingriff in ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK liegt daher nicht vor.

Der Begriff des Privatlebens iSd Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallenden Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten (vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 38).

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Der Beschwerdeführer reiste zumindest mit Zeitpunkt seiner Asylantragstellung am 15.11.2015 in das Bundesgebiet ein und hält sich somit seit knapp vier Jahren im Bundesgebiet auf. Er hat nachgewiesenermaßen mehrere Deutschkurse bis Niveau B2 absolviert, verfügt über ein Deutschzertifikat auf Niveau A2 und kann sich auf Deutsch verständigen. Dazu ist auszuführen, dass selbst Sprachkenntnisse allein noch nicht ausreichen würden, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können, wenngleich der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich darstellen.

Er war seit 2016 immer wieder bei der Caritas Nachbarschaftshilfe ehrenamtlich tätig, ging bisher jedoch keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach und bezieht nach wie vor Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer konnte viele Unterstützungsschreiben zur Vorlage bringen. Er verfügt daher über durchaus zu berücksichtigende private Bindungen im Bundesgebiet.

Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutreten weiterer maßgeblicher Umstände noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN). Diesbezüglich ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht und sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt, weshalb diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/18/0720; und vom 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029).

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Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Einreise zumindest am 15.11.2015 nicht ganz vier Jahre im Bundesgebiet. Die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers wird aber dadurch relativiert, dass dieser nur aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer nicht unerhebliche Integrationsbemühungen gesetzt hat und werden ihm diese auch zu Gute gehalten. In einer Gesamtbetrachtung liegt jedoch eine zum Entscheidungszeitpunkt besonders berücksichtigungswürdige Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, gesellschaftlicher und auch beruflicher Hinsicht nicht vor.

Aufgrund dieser Gesamtumstände ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer einen so wesentlichen Grad an Integration erreicht hat, der eine Rückkehrentscheidung unzulässig erscheinen ließe. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich ist aufgrund dessen auch nur in geringem Maße gegeben.

In einer solchen Konstellation wiegt zudem das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besonders schwer, zumal zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib der beschwerdeführenden Parteien in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen. Angesichts dessen sind auch Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der gemeinsamen Ausreise der Familie oder infolge alleiniger Rückkehr der beschwerdeführenden Parteien auftreten, im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH vom 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).

Der nunmehr XXXX-jährige Beschwerdeführer hat bis zu seiner Einreise in Österreich, unterbrochen durch einen etwa vier Monate dauernden Aufenthalt in Bagdad und einen ein Jahr andauernden Aufenthalt in der Türkei unmittelbar vor der Weiterreise nach Österreich, sein Leben mit seinen Familienangehörigen in Mossul, Irak, verbracht. Er ist daher im Irak aufgewachsen, hat dort auch die Schule und Universität besucht und war über Jahre erwerbstätig. Arabisch ist seine Muttersprache und leben in Mossul nach wie vor die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester. Der Beschwerdeführer verfügt daher im Irak nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Die Verhängung der Rückkehrentscheidung war daher nicht zu beanstanden und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Nachdem die Rückkehrentscheidung nicht gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG unzulässig war, hatte eine amtswegige Überprüfung der Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG zu unterbleiben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

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Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR zu Fragen des Asyls, zur Überschreitung der Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK und zu Fragen des Art. 8 EMRK und der Verhängung eines Einreiseverbotes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei allen erheblichen Rechtsfragen an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR orientiert und hat diese - soweit erforderlich - auch zitiert.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2177095.1.00

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