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G308 2193605-1/14E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias: XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Sarah KUMAR in 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.03.2018, Zahl: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.01.2020, zu Recht: A) I.Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. wird als unbegründet abgewiesen. II.Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben, diese werden behoben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist. XXXX (alias: XXXX) wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt. B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: Der Beschwerdeführer stellte am 09.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005. Am 10.09.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers zu seinem Antrag auf internationalen Schutz statt. Die erste niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, fand am 14.03.2017 statt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen 2

gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.). Der gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz des damaligen bevollmächtigten Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 18.04.2017 erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.06.2017, L507 2154312-1/5E, stattgegeben, der Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Am 17.01.2018 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Einvernahme vom 17.01.2018 ein Länderinformationsblatt ausgehändigt. Dazu nahm er mit Schreiben seiner damaligen bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 31.01.2018, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, schriftlich Stellung. Mit dem oben im Spruch angeführten und nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Mit dem 19.04.2018 beim Bundesamt einlangenden Schriftsatz des damaligen bevollmächtigten Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 17.04.2018 erhob er das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid des Bundesamtes. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, der Beschwerde stattgeben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten oder allenfalls eines subsidiär Schutzberechtigten bezogen auf den Herkunftsstaat Irak zuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung beheben, feststellen, dass diese auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verfahren an das Bundesamt zurückverweisen. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 26.04.2018 beim 3

Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Mit Schriftsatz vom 27.11.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag einlangend, wurde die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses durch den ursprünglichen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt gegeben. Mit am 10.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht einlangenden Schriftsatz wurde die neue Rechtsvertretung des Beschwerdeführers bekanntgegeben. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.01.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertreterin, ein Vertreter der belangten Behörde sowie ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Weiters wurde die Freundin des Beschwerdeführers als Zeugin vernommen. Auf Antrag in der Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer bzw. seiner Rechtsvertreterin im Akt befindliche Originaldokumente bezogen auf seine Universitätsausbildung im Irak ausgehändigt. Kopien befinden sich im Gerichtsakt. Dem Beschwerdeführer wurde zudem eine Frist zur Stellungnahme bezüglich der in das Verfahren eingeführten Länderberichte binnen zwei Wochen eingeräumt. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG. Die schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderberichten vom 22.01.2020 langte am 23.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.02.2020 wurde diese Stellungnahme dem Bundesamt zur Gegenäußerung binnen einer Frist von einer Woche übermitteln. Eine Stellungnahme des Bundesamtes langte bis dato nicht ein. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11.03.2020 wurden dem Beschwerdeführer sowie dem Bundesamt neuerlich aktuelle Länderberichte und Anfragebeantwortungen zur allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat Irak zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von vier Wochen übermittelt. Mit Schreiben vom 05.06.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag einlangend, nahm der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung und legte zusätzliche Unterlagen und Nachweise vor. Eine Stellungnahme langte bis dato weder seitens des Beschwerdeführers noch der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung. Seine 4

Muttersprache ist Arabisch (vgl etwa Erstbefragung vom 10.09.2015, AS 31 ff; Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 85 ff; Kopien des irakischen Personalausweises und des irakischen Staatsbürgerschaftsnachweises des Beschwerdeführers, AS 121 ff; Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 294 f; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 3 ff). Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Es wird festgestellt, dass er an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen im Endstadium leidet, die im Irak nicht behandelbar wären (vgl etwa Erstbefragung vom 10.09.2015, AS 31 ff; Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 85 ff; Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 296; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 3). Geboren und aufgewachsen ist der Beschwerdeführer in XXXX (im Folgenden: B.), Gouvernement Diyala, wo er sechs Jahre eine Grundschule, sechs Jahre ein Gymnasium und dann vier Jahre eine Universität besucht hat. Er hat in Diyala ein vierjähriges Studium in Sport-Pädagogik bzw. Sportwissenschaften absolviert und 2009/2010 einen Bachelor erworben. Anschließend ging er diversen Gelegenheitsarbeiten, etwa als Zusteller, nach, bevor er im Rang eines einfachen Soldaten ab 2011 bis Mitte September 2014 für das irakische Militär tätig war. Er nahm aber nicht aktiv an Kampfhandlungen teil, sondern wurde erst als Wächter und dann an der Militärtankstelle eingesetzt. Er lebte gemeinsam mit seiner Familie in einem Eigentumshaus in B., war aber immer 14 Tage durchgehend in Bagdad stationiert, bevor er in der dienstfreien Zeit von jeweils sieben Tagen nach B. zurückkehrte. Die letzten zehn Monate vor seiner Ausreise aus dem Irak verbrachte der Beschwerdeführer vier Monate in Suleimaniya/Kurdistan als Hilfsarbeiter und dann wechselnd sechs Monate in Al Basra und Al Najaf (vgl etwa Erstbefragung vom 10.09.2015, AS 31 ff Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 86 ff; Kopien der irakischen Universitätszeugnisse, AS 127 ff; Kopie irakische Militärkarte, AS 117 ff, sowie Übersetzung, AS 145; Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 296 ff; schriftliche Stellungnahme vom 31.01.2018, AS 327 f; Beschwerdevorbringen, AS 572 f; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 4 und 14 f). Die Mutter und zwei verheiratete Schwestern des Beschwerdeführers leben nach wie vor in XXXX/Gouvernement Diyala im Irak. Die Familie hat keine wirtschaftlichen oder sonstigen Probleme. Die Mutter des Beschwerdeführers war Angestellte und ist seit 2017 in Pension. Sein Vater ist bereits 1994 verstorben. Der Bruder des Beschwerdeführers lebt in der Türkei. Er hat wöchentlich Kontakt mit seiner Mutter im Irak. (vgl etwa Erstbefragung vom 10.09.2015, AS 35; Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 91 ff; Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 297; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 7 und 10). Der Beschwerdeführer reiste am 15.08.2015 legal auf dem Luftweg von Bagdad nach Antalya/Türkei. Dass er nur gegen die Leistung von Bestechungsgeld ausreisen konnte, konnte hingegen nicht festgestellt werden. Er bliebt daraufhin etwa acht bis zehn Tage in der Türkei und reiste von dort aus schlepperunterstützt über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich, wo er am 09.09.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Ob der Beschwerdeführer den Irak legal oder illegal verließ, konnte nicht festgestellt werden 5

(vgl Erstbefragung vom 10.09.2015, AS 35 ff; Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 89; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 6 f). Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Asylantragstellung ununterbrochen im Bundesgebiet auf und verfügt im Bundesgebiet aber erst seit 02.01.2010 über eine (Haupt-)wohnsitzmeldung im Zentralen Melderegister. Er ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister, den Grundversorgungs- und Sozialversicherungsdaten sowie dem Strafregister jeweils vom 26.05.2020). In Österreich hat der Beschwerdeführer eine Beziehung mit XXXX, geboren am XXXX, österreichische Staatsangehörige, lebt mit dieser aber nicht im gemeinsamen Haushalt. Er ist ledig und hat keine Kinder (vgl etwa Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 87; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 4). Ein Cousin des Beschwerdeführers (dem ein Aufenthaltstitel zukommt) lebt mit seiner Familie (dessen Mutter ist die Tante des Beschwerdeführers; die Tante und deren Ehemann sind Asylwerber) ebenfalls wie der Beschwerdeführer in XXXX. Zu diesen besteht aber kein oder kaum persönlicher Kontakt. Der Kontakt beschränkt sich auf zeitweise Anrufe. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen Verwandten in Österreich liegt nicht vor (vgl Niederschrift Bundesamt vom 14.03.2017, AS 85 ff; Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 296; Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 8). Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich mehrere Deutsch-Kurse bzw. absolvierte mehrere Deutschsprachprüfungen, und zwar unter anderem: -Teilnahme an außerordentlicher Spracherwerbsmaßnahme für Asylwerber in der Grundversorgung bis Dezember 2016 (vgl Bestätigung, AS 71) -Deutschkurs auf Niveau A1.1 von 22.02.2016 bis 05.07.2016 (vgl Bestätigung, AS 73 ff und AS 111) -Deutschkurs auf Niveau A2.1 von 26.09.2016 bis 16.02.2017 (vgl Bestätigung, AS 65 ff und AS 103 ff) -Sprachprüfung auf Niveau A2 vom 08.03.2017 an der FH Joanneum (vgl Bestätigung AS 97) -Sprachunterricht im Flüchtlingsheim vom 10.03.2017 (vgl Bestätigung, AS 139 ff) -Deutschkurs an der FH Joanneum im Sommersemester 2017 auf Niveau B1 bis C1 (vgl Bestätigung vom 08.03.2017, AS 101) -ÖSD-Deutschzertifikat auf Niveau B1 vom 16.06.2018 -ÖSD-Integrationsprüfung auf Niveau B1 vom 14.10.2019 Der Beschwerdeführer spricht zum Entscheidungszeitpunkt zumindest Deutsch auf dem Niveau B1 und konnte der überwiegende Teil der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Deutsch geführt werden (vgl Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 8). Zudem engagiert sich der Beschwerdeführer auch sehr intensiv ehrenamtlich und in 6

Vereinen. So hat er etwa am 04.08.2016 an einem Fußballturnier des Flüchtlingsquartiers teilgenommen (vgl Bestätigung, AS 69 und AS 99) und leistete ehrenamtliche Arbeit in der Pfarre XXXX, wo er in der Ausgabebestelle Lebensmitteln, der Logistik, der Reinigung von Räumlichkeiten und bei Übersetzungen tätig war (vgl Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 295; Bestätigung vom 19.12.2017, AS 319). Er hat einen Werte- und Orientierungskurs (vgl Bestätigung vom 12.04.2017, AS 309), fünf Integrationsmodule (vgl Bestätigungen, AS 311 ff) absolviert. Seit etwa 2017 bis zum Entscheidungszeitpunkt betreut der Beschwerdeführer wöchentlich zehn Stunden ehrenamtlich Schüler einer Volksschule im Rahmen der Lese- und Sprachförderung Arabisch sprechender Kinder (vgl Bestätigung vom 07.01.2019, vom 12.12.2018, Vereinbarung vom 12.04.2018; Bestätigung vom 27.06.2019). Er arbeitet aktiv in einem pfarrlichen Flüchtlingsprojekt bei der Ausgabe von Lebensmitteln mit (vgl Bestätigung/Unterstützungsschreiben vom 27.12.2019; Bestätigung vom 31.07.2018), er unterstützt eine Hilfsgruppe des Nachbarschaftszentrums seit Mai 2018 (vgl Bestätigung vom 30.05.2018) und bildet sich durch die Teilnahme an Workshops und Seminaren (vgl etwa Bestätigung vom 09.07.2018; vom 24.11.2018, vom 11.10.2018) ständig weiter. Zwar lebt der Beschwerdeführer nach wie vor von Leistungen der Grundversorgung (vgl Grundversorgungdaten vom 26.05.2020), er konnte jedoch eine Einstellungszusage bzw. bereits einen Dienstvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung über eine Beschäftigung bei einem Betrieb für Stahlverlege- und Sanierungsarbeiten im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden und einem Stundenlohn von brutto EUR 10,39 vorlegen (vgl Dienstvertrag vom 15.01.2020). Der Beschwerdeführer hat entsprechend seiner Aufenthaltsdauer auch einen weiten Freundes- und Unterstützerkreis (vgl etwa Unterstützungsschreiben, AS 321; Unterstützungsschreiben vom 06.01.2020). Insgesamt liegen maßgebliche Anhaltspunkte für eine Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht vor. Der Beschwerdeführer ist weder im Irak noch einem anderen Land vorbestraft, er war nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei und er hatte keine persönlichen Probleme mit Behörden, Gerichten, der Polizei oder dem IS im Irak. Es konnte weder festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer als einfacher Soldat unerlaubt vom Dienst entfernt hat bzw. desertiert ist, noch, dass der Beschwerdeführer deswegen von einem zuständigen Gericht wegen Desertion/unerlaubter Abwesenheit vom Dienst bzw. der Entwendung eines Militärausweises gerichtlich verurteilt worden wäre oder ein entsprechendes Verfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet worden wäre. Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit 7

maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden. Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak: Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung und zuletzt mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11.03.2020 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben. Daraus ergibt sich auszugsweise (sofern im gegenständlichen Fall relevant): Aus dem ecoi.net-Themendossier von ACCORD vom 04.03.2020 zum Irak: Aktuelle politische Entwicklungen - Protestlage, ergibt sich: "1. Forderungen der DemonstrantInnen Die Protestbewegung, die am 1. Oktober 2019 in Bagdad und in den südlichen irakischen Provinzen ihren Anfang nahm, setzt sich aus Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts zusammen. Die DemonstrantInnen drücken auf der Straße ihre Frustration über hohe Jugendarbeitslosigkeit, mangelhafte öffentliche Dienste und chronische Korruption im Land aus. Simona Foltyn, eine in Bagdad ansässige Journalistin, erklärt gegenüber BBC, dass die Proteste aus einem Graswurzelbewegung gewachsen seien. Die Beteiligung politischer Parteien weisen DemonstrantInnen strikt zurück (BBC, 3. Oktober 2019)[i]. Insbesondere Studenten entwickelten sich laut Al Jazeera zum Rückgrat der Protestbewegung (Al Jazeera, 10. Februar 2020) [ii]. Die DemonstrantInnen fordern weiters das Ende des politischen Systems der letzten sechzehn Jahre, welches Regierungsbestellungen auf der Grundlage von konfessionellen oder ethnischen Quoten (ein System, das als Muhassasa bezeichnet wird) vorsieht (BBC, 7. Oktober 2019). Die DemonstrantInnen fühlen sich politisch entmachtet und sehen den Rückgriff auf Straßenaktionen als einzige Form, sich politisch zu beteiligen (ICG, 10. Oktober 2019)[iii]. Viele der Proteste, insbesondere in der südlichen schiitischen Mehrheitsregion, richten sich außerdem gegen den starken ausländischen Einfluss im Land, einschließlich dem des benachbarten Iran (RFE / RL, 17. November 2019)[iv]. 2. Ausbreitung und Intensität der Proteste Laut UNAMI versammelten sich rund 3.000 Menschen am 1. Oktober 2019 auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Bagdads (UNAMI, Oktober 2019, S.4)[v]. Die Demonstrationen breiteten sich in Provinzen im Süd- und Zentralirak aus, darunter Babil, Dhi-Qar, Diyala, Karbala, Maysan, Muthana, Nadschaf, Qadisiya und Wasit (UNAMI, Oktober 2019, S.3). Die kurdischen Regionen im Norden, sowie die sunnitischen Mehrheitsgebiete im Westen blieben größtenteils ruhig (BBC, 3. Oktober 2019). 8

Die erste Phase der Protestbewegung dauerte vom 1. bis zum 9. Oktober an (OHCHR, 29. Oktober 2019)[vi]. Laut eines Sprechers des Innenministeriums, Saad Maan, hatten DemonstrantInnen 51 öffentliche Gebäude und acht Parteizentralen während dieser ersten Protestphase in Brand gesetzt (HRW, 10. Oktober 2019)[vii]. Eine zweite Protestwelle brach am 24. Oktober in Bagdad und Provinzen Süd- und Zentraliraks aus (AI, 29. Oktober 2019)[viii]. Während der zweiten Welle des Protests erweiterte sich der Kreis der DemonstrantInnen. Lokalen Berichten zufolge schlossen sich ab dem 27. Oktober vermehrt auch SchülerInnen und Studierende in Bagdad und anderen Städten den Protesten an (BAMF, 28. Oktober 2019, S.4)[ix]. Darüber hinaus rief die irakische Lehrergewerkschaft zur Unterstützung der Proteste zu einem Generalstreik auf, der zur Schließung von Schulen in Nadschaf, Al Muthanna, Dhi- Qar, Basra, Babil, Karbala und Maysan führte. Auch MitarbeiterInnen des Gesundheitssektors nahmen an den Protesten teil (ACLED, 19. November 2019, S.2)[x]. Im Süden des Irak blockierten DemonstrantInnen wichtige Häfen wie Umm Qasr und Khor Al Zubair sowie Ölfelder in der Provinz Basra (ACLED, 26. November 2019, S.2). Die Demonstrationen dauerten im Dezember weiter an, mit tausenden Protestierenden im Südirak, die nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi einen unabhängigen Kandidaten forderten (Al Jazeera, 22. Dezember 2019). Genaue Angaben zur Anzahl der DemonstrantInnen konnten nicht gefunden werden, doch gab UNAMI im November an, dass zwischen dem 29. Oktober und dem 4. November die Zahl der DemonstrantInnen in Bagdad schätzungsweise eine Million erreichte (UNAMI, November 2019, S.4). Die Protestbewegung, die eine Revision des politischen Systems im Irak forderte, setzte sich im Jänner fort (Al Jazeera, 11. Jänner 2020, Al Jazeera, 19. Jänner 2020). Zeitgleich führten US-Angriffe gegen die vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF), sowie der tödliche Angriff auf den iranischen General Qasem Soleimani nahe des Flughafens Bagdad am 3. Jänner 2020 zu separaten Demonstrationen, die von pro-iranischen Gruppierungen angeführt wurden und die sich gegen amerikanischen Einfluss im Land richteten (Washington Institute, 10. Jänner 2020[xi]). Viele der DemonstrantInnen der Oktoberbewegung distanzierten sich von diesen Protesten (Al Jazeera, 31. Dezember 2019, Al Jazeera, 2. Jänner 2020) und drückten ihre Befürchtung aus, dass ihre monatelangen Demonstrationen und Forderungen von der Bewegung gegen die US-Militärpräsenz überschattet werden könnte (RFE/RL, 24. Jänner 2020). 3. Reaktion der Politik Premieminister Adel Abdel Mahdi zeigte sich öffentlich von Beginn der Proteste um eine Lösung bemüht (RFE/RL, 1. Oktober 2019). Am 8. Oktober 2019 stimmte das Parlament über ein Maßnahmenpaket ab, das unter anderem Ausbildungsprogramme für junge Arbeitslose und die Bereitstellung einer monatlichen Unterstützungsleistung für Familien unter der Armutsgrenze ermöglichen sollte. Der Ministerrat legte daraufhin ein zweites 13-Punkte-Paket vor, das sich unter anderem mit Subventionen und der Bereitstellung von Wohnraum für 9

Arme befasste. Am 16. Oktober kündigte der Oberste Justizrat die Einrichtung eines zentralen Strafgerichtshofs zur Korruptionsbekämpfung an (UNAMI, Oktober 2019, S.9). Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat seitdem damit begonnen, gewissen benachteiligten Familien monatliche Auszahlungen zukommen zu lassen ( Post, 20. Jänner 2020[xii]). Des Weiteren konnten keine Quellen gefunden werden, die über die Umsetzungen der oben genannten Regierungsvorhaben berichten. Als Reaktion auf die hohe Zahl der Todesopfer stimmte Premierminister Adel Abdel Mahdi am 22. Oktober den Empfehlungen einer Untersuchung der Todesfälle zu. Dazu gehörten die Entlassung hochrangiger Sicherheitsbeamter (HRW, 27. Oktober 2019). Gleichzeitig setzte Mahdi am 26. Oktober die Streitkräfte des Anti-Terror- Dienstes des Landes auf den Straßen der Hauptstadt Bagdad und der südlichen Stadt Nasiriyah ein und befahl ihnen laut Reuters "alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen", um die Proteste zu beenden (RFE/RL, 27. Oktober 2019). Am 29. November beugte sich Adel Abdel Mahdi dem innenpolitischen Druck sowie dem Wunsch der DemonstrantInnen und kündigte seinen Rücktritt als Ministerpräsident an (HRW, 2. Dezember 2019). Am 24. Dezember verabschiedete das irakische Parlament ein neues Wahlgesetz, doch ein neuer Premierminister war noch nicht gefunden worden (Reuters, 24. Dezember 2019[xiii]). Am 1. Februar wurde Mohammed Tawfiq Allawi, ein ehemaliger Kommunikationsminister, zum Premierminister ernannt (Al Jazeera, 1. Februar 2020). Human Rights Watch berichtete am 31. Jänner von einer scheinbar koordinierten Kampagne der Behörden vom 25. bis zum 27. Jänner die Besetzung der zentralen Plätze in Bagdad, Basra und Nasiriya durch die DemonstrantInnen zu beenden. Die Zelte der DemonstrantInnen wurden in Brand gesetzt, scharfe Munition abgefeuert und Demonstrierende festgenommen (HRW, 31. Jänner 2020). 4. Angriffe gegen DemonstrantInnen und AktivistInnen: Zivile Tote und Verletzte Die genaue Zahl der bei Protesten Getöteten und Verletzten ist unklar. Human Rights Watch berichtet, dass laut irakischem Gesundheitsministerium die Zahl der Todesopfer Mitte Dezember 511 Menschen erreicht habe (HRW, 16. Dezember 2019). Laut der irakischen Menschenrechtskommission wurden bis Ende Dezember mindestens 490 DemonstrantInnen getötet (ABC News, 28. Dezember 2019)[xiv]. Amnesty International geht mit 23. Jänner von mehr als 600 Menschen aus, die seit Oktober im Zusammenhang mit den Protesten ihr Leben verloren haben (AI, 23. Jänner 2020). Wie von RFE berichtet setzte die Bereitschaftspolizei bereits am ersten Tag der Proteste Tränengas, Wasserwerfer und scharfe Munition ein, um die Menge auseinanderzutreiben (RFE/RL, 1. Oktober 2019). Laut UNAMI wurden Sicherheitskräfte - die sowohl dem Innenministerium als auch dem Verteidigungsministerium unterstehen - vom Nationalen Operationskommando beauftragt, die Demonstrationen in Schach zu halten. Zu den Sicherheitskräften gehören die Bereitschaftspolizei, Anti-Terror-Streitkräfte, Polizeispezialkräfte, die Bundespolizei, SWAT-Teams, der Facility Protection Service (FPS), die Police Rescue Force sowie Geheimdienstoffiziere und Einheiten, die für den Schutz in der 10

ehemaligen Internationalen Zone zuständig sind. Es könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Einheit welche Angriffe auf DemonstrantInnen durchgeführt habe, da es viele verschiedene Uniformen gebe und keine identifizierbaren Embleme benutzt worden seien. Mehrere Quellen führten mögliche Verstöße, einschließlich des Einsatzes scharfer Munition, auf bewaffnete Männer zurück, die als "schwarz gekleidet mit vermummten Gesichtern" beschrieben wurden (UNAMI, Oktober 2019, S.3). UNAMI bezieht sich weiters auf eine Vielzahl glaubwürdiger und konsistenter Berichterstattungen, aus denen hervorging, dass unbekannte Scharfschützen von Dächern und aus leer stehenden Gebäuden gezielt auf unbewaffnete DemonstrantInnen schossen (UNAMI, Oktober 2019, S.5). In Interviews mit Human Rights Watch am 10. Oktober berichten DemonstrantInnen, dass die Bereitschaftspolizei, SWAT-Teams, Geheimdienstoffiziere, Mitarbeiter der Police Tactical Support Unit (TSU), sowie Sicherheitspersonal der Badr Gruppierung (eine Untergruppe der Volksverteidigungskräfte (Popular Mobilization Forces, PMF) Angriffe gegen DemonstrantInnen durchgeführt hätten (HRW, 10. Oktober 2019). UNAMI dokumentierte in der ersten Oktoberwoche Tote und Verletzte im Zusammenhang mit Demonstrationen in Bagdad sowie in den südlichen Provinzen Dhi-Qar, Diwaniya, Maysan, Wasit, Nadschaf und Babil (UNAMI, Oktober 2019, S. 4). Am 22. Oktober 2019 veröffentlichte die irakische Regierung die Ergebnisse der Ermittlungen zu Toten und Verletzten während der vorangegangen Proteste. Zwischen dem 1. und 9. Oktober 2019 wurden den Ermittlungen zufolge 157 Personen (inkl. acht Sicherheitskräfte) getötet und mehr als 3.000 Personen verletzt. Die zweite Phase der Protestwelle führte zu weiteren Todesfällen (BAMF, 28. Oktober 2019). Wie von OMCT berichtet wurde auch den gesamten November hindurch von Sicherheitskräften scharfe Munition gegen Demonstrierende, insbesondere in Bagdad, Basra, Nasiriyah und Nadschaf eingesetzt (OMCT, 3. Dezember 2019)[xv]. Laut einer Darstellung von ACLED verliefen Demonstrationen im Dezember generell friedlicher als in den Wochen davor, doch nahmen gezielte Tötungen und Fälle von Verschwindenlassen von AktivistInnen zu (ACLED, 18. Dezember 2019, S.1). UNAMI erhielt übereinstimmende Berichte, wonach MenschenrechtsaktivistInnen explizite Warnungen und Morddrohungen erhielten, nicht an Demonstrationen teilzunehmen (UNAMI, Oktober 2019, S.8). Am 2. Oktober wurden der Aktivist und Karikaturist Hussein Adel Madani und seine Frau von unbekannten Angreifern in ihrer Wohnung in Basra erschossen. Lokalen Medienberichten zufolge sollen beide zuvor an Demonstrationen teilgenommen haben (BAMF, 7. Oktober 2019, S.4). Amnesty International berichtet weiters von Entführungen und von Fällen von Verschwindenlassen von AktivistInnen, darunter eines Anwalts, der DemonstrantInnen vertrat, sowie eines Arztes (AI, 18. Oktober 2019). OMCT dokumentierte im November eine weitere Entführung, sowie einen Mord an AktivistInnen (OMCT, 12. November 2019). Laut von Amnesty International geführten Interviews sollen in der ersten Dezemberhälfte mehrere DemonstrantInnen und AktivistInnen, meist auf dem Weg nach Hause von Protesten, gezielt entführt, angeschossen oder getötet worden sein (AI, 13. Dezember 2019). 11

Human Rights Watch berichtet nach Interviews mit MedizinerInnen im November, dass die irakischen Sicherheitskräfte seit Beginn der Protestwelle am 25. Oktober 2019 medizinische Mitarbeiter wegen der Behandlung von DemonstrantInnen angegriffen und mit Tränengas und scharfer Munition auf medizinische Mitarbeiter, Zelte und Krankenwagen geschossen hätten (HRW, 14. November 2019). Eine Anzahl von Medien berichtete im Jänner 2020, dass die Angriffe gegen AktivistInnen fortgesetzt wurden, mit teils tödlichem Ausgang (Basnews, 14. Jänner 2020[xvi], RFE/RL, 18. Jänner 2020, Al-Monitor, 21. Jänner 2020) [xvii]. Amnesty International bestätigt Ende Jänner weiters den Einsatz von scharfer Munition und tödlichen Rauchgranaten gegen Demonstrierende. AktivistInnen waren außerdem Einschüchterungen, Verhaftungen und Folter ausgesetzt (AI, 23. Jänner 2020). Anfang Februar entzog der einflussreiche schiitische Kleriker Muqtada al-Sadr der Protestbewegung seine Unterstützung (Al Monitor, 3. Februar 2020). In Folge kam es zu Angriffen von Unterstützern des Klerikers auf Protestlager der DemonstrantInnen (NPR, 21. Februar 2020[xviii], Haaretz, 15. Februar 2020[xix]). Bei Zusammenstößen der zwei Gruppen wurden am 5. Februar im Nadschaf mindestens acht DemonstrantInnen getötet und mehr als 50 verletzt (RFE/RL, 6. Februar 2020). Aus Bagdad wurde berichtet, dass sich Anhänger Sadrs in Nachahmung der Friedenstruppen der Vereinten Nationen blaue Schirmmützen aufsetzten, Zelte durchsuchten, DemonstrantInnen aus ihren Hauptquartieren warfen und einige der DemonstrantInnen den irakischen Sicherheitskräften zur Festnahme übergaben (NPR, 21. Februar 2020). Laut UNAMI wurden am Abend des 14., 15. und 16. in Bagdad friedliche DemonstrantInnen mit "Jagdwaffen" angegriffen, wobei mindestens 50 verletzt wurden (UNAMI, 17. Februar 2020). Berichten zufolge wurde am 23. Februar ein Demonstrant von Sicherheitskräften im Zentrum von Bagdad erschossen und mindestens sechs wurden verletzt (The Republic, 23. Februar 2020[xx]). 5. Angriffe gegen JournalistInnen und Medien Reporter ohne Grenzen (RSF) und UNAMI berichten im Oktober 2019 von Verhaftungen, Einschüchterungen und Belästigungen von JournalistInnen (RSF, 4. Oktober 2019[xxi], UNAMI, Oktober 2019, S.7). Am 5. Oktober dokumentierte UNAMI fünf Razzien bei Satellitenfernsehkanälen im Zentrum Bagdads, die sich mit den Demonstrationen befasst hatten. Mitarbeiter wurden von Männern in schwarzen Uniformen ohne Abzeichen und mit verhüllten Gesichtern angegriffen. Räumlichkeiten wurden untersucht, Festplatten und Computer gestohlen und Gebäude in Brand gesetzt (UNAMI, Oktober 2019, S.8). RSF nannte Al-Arabiya, Dijlah TV, NRT und Alghad TV als betroffene Fernsehsender (RSF, 8. Oktober 2019). Die Regierung sperrte den Zugang zu sozialen Medien am Nachmittag des 2. Oktober, bevor sie die Internetverbindung vom 3. bis zum 9. Oktober vollständig blockierte (UNAMI, Oktober 2019, S.8). Human Rights Watch berichtet, dass der Internetzugang in weiterer Folge auch Anfang November größtenteils gesperrt war. Laut NetBlocks, einer unabhängigen internationalen Gruppierung, die Internetzugang überwacht, gehörten die Störungen im Irak zu den schwerwiegendsten, die im Jahr 12

2019 in einem Land beobachtet wurden (HRW, 10. November 2019). Auch in der zweiten Phase der Protestwelle beobachtete UNAMI eine Fortsetzung der Bemühungen der Regierung, die Berichterstattung über die Demonstrationen zu unterdrücken, einschließlich Erklärungen, die möglicherweise als Einschüchterungsversuche gegenüber den Medien angesehen werden könnten, und einer anhaltenden Sperrung des Zugangs zu sozialen Medien. Am 25. und 26. Oktober berichteten lokale Medienbüros von Dijlah TV, Al Sharqiya News, NRT, Al- Arabiya, Al-Hadath sowie Al Hurra, dass sie suspendiert oder ihre Arbeit anderweitig unterbrochen wurde (UNAMI, November 2019, S.6). Am 21. November 2019 veröffentlichte die Kommunikations- und Medienkommission, die staatliche Regulierungsbehörde für Medien im Irak, ein Schreiben, in dem die Schließung der folgenden Kanäle für drei Monate angeordnet wurde: Al-Arabiya Al- Hadath, NRT, ANB, Dijlah, Al-Sharqiya, Al-Falludscha, Al-Rasheed und Hona Bagdad, zusätzlich zur Verlängerung der Schließung von Al-Hurra um weitere drei Monate (OMCT, 3. Dezember 2019). JournalistInnen, die über Demonstrationen berichteten, waren weiterhin dem Risiko von Verletzungen und Festnahmen ausgesetzt (UNAMI, November 2019, S.6). Laut einem Bericht der Press Freedom Advocacy Association wurden 33 JournalistInnen im Oktober 2019 von Mitgliedern unbekannter Milizen mit dem Tode bedroht (Rudaw, 1. November 2019)[xxii]. RSF berichtet außerdem von der Erschießung des Schriftstellers und Journalisten Amjed Al-Dahamat am 7. November, sowie der Entführung von Muhammad Al- Shamari, Mitglied des irakischen Observatoriums für Pressefreiheit (RSF, 22. November 2019). Am 10. Jänner 2020 wurden zwei weitere Journalisten, Ahmad Abdelsamad, ein Reporter des irakischen Fernsehsenders Dijlah TV, und sein Kameramann Safaa Ghali, in Basra von unbekannten bewaffneten Männern erschossen, nachdem sie über Anti-Regierungs-Proteste berichtet hatten (RSF, 11. Jänner 2020). 6. Angriffe auf Büros pro-iranischer Milizen vonseiten der DemonstrantInnen Das Carnegie Middle East Center zitiert den Forscher Aymenn Jawad al-Tamimi, der aussagt, dass sich die antiiranische Stimmung der irakischen DemonstrantInnen unter anderem durch Brandanschläge auf Stützpunkte iranisch unterstützter Fraktionen innerhalb der Volksmobilisierungskräfte (PMF) wie Asa'ib Ahl al-Haq, der Badr Organisation und Harakat al-Abdal in mehreren Provinzen Iraks Ausdruck verliehen habe (Carnegie Middle East Center, 14. November 2019[xxiii]). Am Wochenende vom 4. bis 5. Oktober setzten DemonstrantInnen zum Beispiel die Büros führender schiitischer islamistischer Parteien oder Milizen in Nasiriya (einschließlich Daawa, Hikma und Asai'b Ahl al-Haq) in Brand (ICG, 10. Oktober 2019). In Karbala griffen DemonstrantInnen am 3. November das iranische Konsulat an (RFE/RL, 4. November 2019). In Nadschaf setzten DemonstrantInnen drei Wochen später das iranische Konsulat der Stadt in Brand (BBC, 28. November 2019). 13

Dasselbe Konsulat wurde am 1. Dezember ein weiteres Mal in Brand gesetzt (RFE/RL, 1. Dezember 2019). Die mangelnde Reaktion der DemonstrantInnen auf die Tötung General Soleimanis schuf eine weitere Kluft zwischen DemonstrantInnen und PMF, die laut einer Zusammenstellung von ACLED im Jänner zu Gewaltakten der PMF gegen DemonstrantInnen und Angriffe der Protestierenden gegen PMF Büros führte (ACLED, 16. Jänner 2020). Laut Basnews setzten am 13. Jänner 2020 DemonstrantInnen in Karbala ein Hauptquartier der Badr-Organisation in Brand (Basnews, 14. Jänner 2020). Quellen: -ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research an Documentation (04.03.2020): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Aktuelle politische Entwicklungen - Protestlage, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025864.html, mwN, Zugriff 02.04.2020" Aus dem Länderinformationsblatt vom 20.11.2018 mit aktueller Ergänzung vom 30.10.2019 ergibt sich auszugsweise: "KI vom 30.10.2019, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage) Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRI) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m. Bild kann nicht dargestellt werden Quelle: Liveuamap - Live Universal Awareness Map (1.10.2019): Map of , https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.10.2019, Zugriff 1.10.2019 Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (The Portal 9.10.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 7.8.2019). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019). Der IS setzt nach wie vor auf Gewaltakte gegen Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter sowie beispielsweise auf 14

Brandstiftung, um Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften zu entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung zu untergraben und soziale Spannungen zu verschärfen (ACLED 7.8.2019). Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 7.8.2019). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungseinheiten (PMF/PMU/Hashd al Shabi) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US- amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro- iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019). Am 7.7.2019 begann die "Operation Will of Victory", an der irakische Streitkräfte (ISF), Popular Mobilization Forces (PMF), Tribal Mobilization Forces (TMF) und Kampfflugzeuge der USgeführten Koalition teilnahmen (ACLED 7.8.2019; vgl. Military Times 7.7.2019). Die mehrphasige Operation hat die Beseitigung von IS- Zellen zum Ziel (Diyaruna 7.10.2019; vgl. The Portal 9.10.2019). Die am 7. Juli begonnene erste Phase umfasste Anbar, Salah ad-Din und Ninewa (Military Times 7.7.2019). Phase zwei begann am 20. Juli und betraf die nördlichen Gebiete von Bagdad sowie die benachbarten Gebiete der Gouvernements Diyala, Salah ad-Din und Anbar (Rudaw 20.7.2019). Phase drei begann am 5. August und konzentrierte sich auf Gebiete in Diyala und Ninewa (Rudaw 11.8.2019). Phase vier begann am 24. August und betraf die Wüstenregionen von Anbar (Rudaw 24.8.2019). Phase fünf begann am 21.9.2019 und konzentrierte sich auf abgelegene Wüstenregionen zwischen den Gouvernements Kerbala, Najaf und Anbar, bis hin zur Grenze zu Saudi-Arabien (PressTV 21.9.2019). Eine sechste Phase wurde am 6. Oktober ausgerufen und umfasste Gebiete zwischen dem südwestlichen Salah ad-Din bis zum nördlichen Anbar und Ninewa (Diyaruna 7.10.2019). Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 9.2019). Bild kann nicht dargestellt werden Quelle: Iraq Bodycount (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019 Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Juli 2019 sind 15

145 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im August 2019 wurden von IBC 93 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert und für September 151 (IBC 9.2019). Bild kann nicht dargestellt werden Quelle: Iraq Bodycount (9.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 15.10.2019 Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats Juli 2019 82 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 83 Tote und 119 Verletzten verzeichnet. 18 Tote gingen auf Leichenfunde von Opfern des IS im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im Juli auf 65 reduziert werden kann. Es war der zweite Monat in Folge, in dem die Vorfallzahlen wieder zurückgingen. Dieser Rückgang wird einerseits auf eine großangelegte Militäraktion der Regierung in vier Gouvernements zurückgeführt [Anm.: "Operation Will of Victory"; Anbar, Salah ad Din, Ninewa und Diyala, siehe oben], wobei die Vorfallzahlen auch in Gouvernements zurückgingen, die nicht von der Offensive betroffen waren. Der Rückgang an sicherheitsrelevanten Vorfällen wird auch mit einem neuerlichen verstärkten Fokus des IS auf Syrien erklärt (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 verzeichnete Joel Wing 104 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 103 Toten und 141 Verletzten. Zehn Tote gingen auf Leichenfunde von Jesiden im Distrikt Sinjar im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der Todesfälle im August auf 93 angepasst werden kann. Bei einem der Vorfälle handelte es sich um einen Angriff einer pro-iranischen PMF auf eine Sicherheitseinheit von British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld bei Basra (Joel Wing 9.9.2019). Im September 2019 wurden von Joel Wing für den Gesamtirak 123 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 122 Toten und 131 Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019). Seit 1. Oktober kam es in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen (ISW 22.10.2019, vgl. Joel Wing 3.10.2019). Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung (Al Mada 2.10.2019; vgl. BBC 4.10.2019; Standard 4.10.2019), aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak (ISW 22.10.2019). Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt (Al Mada 2.10.2019). Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen (ISW 22.10.2019). Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an (Rudaw 13.10.2019). Zeitweilig, vom 2. bis zum 5. Oktober, wurde eine Ausgangssperre ausgerufen (Al Jazeera 5.10.2019; vgl. ISW 22.10.2019; Rudaw 13.10.2019) und eine Internetblockade vom 4. bis 7. Oktober implementiert (Net Blocks 3.10.2019; FAZ 3.10.2019; vgl. Rudaw 13.10.2019). 16

Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25. Oktober weiter und forderten bis zum 30. Oktober weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte (BBC News 30.10.2019). Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala (BBC News 30.10.2019; vgl. Guardian 27.10.2019; Guardian 29.10.2019). Am 28. Oktober wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen (BBC 30.10.2019; vgl. Guardian 29.10.2019). Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 1. Oktober bis zum 29. Oktober getötet (Guardian 29.10.2019) und mehr als 8.000 Personen verletzt (France24 28.10.2019). BAGDAD Der IS versucht weiterhin seine Aktivitäten in Bagdad zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Fast alle Aktivitäten des IS im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019). Im Juli gelang es dem IS zwei Selbstmordattentate im Gouvernement auszuführen, weswegen Bagdad die Opferstatistik des Irak in diesem Monat anführte (Joel Wing 5.8.2019). Sowohl am 7. als auch am 16. September wurden jeweils fünf Vorfälle mit "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Während der Proteste im Südirak im Oktober 2019, von denen auch Bagdad betroffen war, stoppte der IS seine Angriffe im Gouvernement (Joel Wing 16.10.2019). Im Juli 2019 wurden vom Irak-Experten Joel Wing im Gouvernement Bagdad 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 15 Toten und 27 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 14 Vorfälle erfasst, mit neun Toten und elf Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 16.10.2019). AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK Im Juli 2019 führte der IS seine seit langem erste Attacke auf kurdischem Boden durch. Im Gouvernement Sulaimaniya attackierte er einen Checkpoint an der Grenze zu Diyala, der von Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] bemannt war. Der Angriff erfolgte in drei Phasen: Auf einen Schussangriff folgte ein IED-Angriff gegen eintreffende Verstärkung, gefolgt von Mörserbeschuss. Bei diesem Angriff wurden fünf Tote und elf Verletzte registriert (Joel Wing 5.8.2019). Im August wurde in Sulaimaniya ein Vorfall mit einer IED verzeichnet, wobei es keine Opfer gab (Joel Wing 9.9.2019). Die am 27. Mai initiierte türkische "Operation Claw" gegen Stellungen der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nordirak hält an. Die erste Phase richtete sich gegen Stellungen in der Hakurk/Khakurk-Region im Gouvernement Erbil (Anadolu Agency 13.7.2019; vgl. Rudaw 13.7.2019). Die zweite Phase begann am 12. Juli und zielt auf die Zerstörung von Höhlen und Zufluchtsorten der PKK (Anadolu Agency 13.7.2019). Die türkischen Luftangriffe konzentrierten sich auf die Region Amadiya im Gouvernement Dohuk, von wo aus die PKK häufig operiert (ACLED 17.7.2019). Aktuell befindet sich die Operation in der dritten Phase (ACLED 4.9.2019) 17

Im Kreuzfeuer wurden in den vergangenen Wochen mehrere kurdische Dörfer evakuiert, da manchmal auch Zivilisten und deren Eigentum bei türkischen Luftangriffen getroffen wurden (ACLED 4.9.2019; vgl. ACLED 7.8.2019). Am 10. und 11. Juli bombardierte iranische Artillerie mutmaßliche PKK-Ziele im Subdistrikt Sidakan/Bradost im Gouvernement Sulaimaniya, wobei ein Kind getötet wurde (Al Monitor 12.7.2019). In dem Gebiet gibt es häufige Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und iranisch-kurdischen Aufständischen, die ihren Sitz im Irak haben, wie die "Partei für ein Freies Leben in Kurdistan'' (PJAK), die von Teheran beschuldigt wird, mit der PKK in Verbindungen zu stehen (Reuters 12.7.2019). NORD- UND ZENTRALIRAK In den sogenannten "umstrittenen Gebieten", die sowohl von Bagdad als auch von der kurdischen Autonomieregion beansprucht werden, und wo es zu erhebliche Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen, durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Trotz der Zunahme der Sicherheitsvorfälle im gesamten Irak waren die Zahlen im Laufe des Monats August 2019 für den Zentral-Irak jedoch rückläufig (Joel Wing 9.9.2019). Im Gouvernement Ninewa wurden im Juli 2019 sechs Vorfälle mit 24 Toten verzeichnet, wobei hier der Fund von 18 Leichen älteren Datums eingerechnet ist (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden neun Vorfälle mit 24 Toten und drei Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019). Im September wurden 22 Vorfälle mit 35 Toten und 27 Verletzten registriert, wobei bei fast allen diesen Vorfällen IEDs involviert waren. Außerdem wurde ein Mukhtar ermordet und Mossul mit Mörsergranaten beschossen (Joel Wing 16.10.2019). Das Gouvernement Diyala zählt regelmäßig zu den Regionen mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen und als die gewalttätigste Region des Irak (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 9.9.2019). Der IS ist stark in der Region vertreten und konnte seine operativen Fähigkeiten erhalten (Joel Wing 5.8.2019). Trotz wiederholter Militäroperationen in Diyala kann sich der IS noch immer in den ausgedehnten Gebieten, die sich vom westlichen Teil Diyalas bis zu den Hamreen Bergen im Norden des Gouvernements erstrecken, sowie in den rauen Gebieten nahe der Grenze zum Iran halten (Xinhua 22.8.2019). Es kommt in Diyala regelmäßig zu Konfrontationen des IS mit Sicherheitskräften und zu Übergriffen auf Städte (Joel Wing 5.8.2019). Einerseits vertreibt der IS Zivilisten aus ländlichen Gebieten, um dort Basen zu errichten, anderseits greift er wiederholt die lokale Verwaltung und Sicherheitskräfte an (Joel Wing 9.9.2019). Ein Hauptproblem Diyalas ist die mangelhafte Kommunikation zwischen den vielen unterschiedlichen Sicherheitsakteuren in der Region (Joel Wing 9.9.2019), andererseits gibt es generell zu wenige Sicherheitskräfte in Diyala, was der IS auszunutzen versteht (Joel Wing 5.8.2019). Der IS hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten in Diyala, konzentriert sich aber besonders auf die Bezirke Khanaqin und Jalawla im Nordosten, welche die Zentralregierung nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum von 2017 18

übernommen hat (Joel Wing 5.8.2019). Die übrigen Vorfälle betreffen hauptsächlich den Norden und das Zentrum von Diyala. Im Süden und Westen gibt es hingegen kaum sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 9.9.2019). Für Juli 2019 verzeichnete Joel Wing im Gouvernement Diyala 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit elf Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden 41 Vorfälle - die höchste Anzahl seit August 2018, mit 21 Toten und 46 Verwundeten registriert (Joel Wing 9.9.2019) und im September 37 Vorfälle mit 21 Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Im September schlug der IS in fast allen Distrikten des Gouvernements zu (Joel Wing 16.10.2019). Im Gouvernement Kirkuk gehen die Zahlen der sicherheitsrelevanten Vorfälle, bis auf wenige Spitzen, kontinuierlich zurück. Im Juli gab es eine Reihe von Raketen- und Mörserangriffen auf Städte und Sicherheitskräfte, ansonsten handelte es ich bei den Vorfällen meist um Schießereien und den Einsatz von IEDs (Joel Wing 5.8.2019). Wie im benachbarten Diyala handelte es sich bei Vorfällen in Kirkuk meist um Schießereien, Angriffe auf Kontrollpunkte, Überfälle auf Städte und Vertreibungen aus ländlichen Gebieten, wobei sich der IS auf den Süden des Gouvernements konzentrierte. Unter anderem wurden eine Polizeistation und ein Armeestützpunkt angegriffen, sowie ein Polizeihauptquartier mit Mörsern beschossen (Joel Wing 16.10.2019). Im Gouvernement Kirkuk wurden im Juli 2019 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit sechs Toten und 13 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019), im August 2019 19 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 34 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September 22 Vorfälle mit elf Toten und 19 Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Im Gouvernement Salah ad-Din wurden im Juli 2019 acht Vorfälle mit zehn Toten und acht Verletzten registriert. Zu den Vorfällen zählten zwei Feuergefechte und ein Angriff auf einen Checkpoint (Joel Wing 5.8.2019). Im August 2019 wurden sieben Vorfälle mit vier Toten und fünf Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 9.9.2019) und im September zehn Vorfälle mit 13 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Das Gouvernement Anbar, früher ein IS-Zentrum, wird nun hauptsächlich für den Transit von ISKämpfern zwischen dem Irak und Syrien genutzt (Joel Wing 16.10.2019). Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Anbar hat in den vergangenen Monaten stark fluktuiert (Joel Wing 5.8.2019). Im Gouvernement Anbar wurden im Juli 2019 fünf sicherheitsrelevante Vorfälle mit neun Toten und 14 Verletzten registriert (Joel Wing 5.8.2019), im August 2019 waren es vier Vorfälle mit sechs Toten und neun Verwundeten (Joel Wing 9.9.2019) und im September vier Vorfälle mit 19 Toten (Joel Wing 16.10.2019). SÜDIRAK Das Gouvernement Babil ist ein einfaches Ziel für die Aufständischen des IS, in das sie von Anbar aus leichten Zugang haben. Insbesondere der Distrikt Jurf al-Sakhr, in 19

dem es keine Zivilisten gibt und der als PMF-Basis dient, ist ein beliebtes Ziel des IS (Joel Wing 9.9.2019). Im Gouvernement Babil wurden im Juli 2019 drei sicherheitsrelevante Vorfälle mit einem Toten und fünf Verletzten verzeichnet (Joel Wing 5.8.2019). Im August waren es acht Vorfälle mit fünf Toten und 48 Verletzten. Es handelt sich dabei um die höchste Zahl an Vorfällen seit Juni 2018. Darunter befand sich ein schwerer Angriff mit einer Motorradbombe (VBIED) auf einen Markt im Norden des Gouvernements (Joel Wing 9.9.2019). Im September waren es wieder drei Vorfälle mit einem Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 16.10.2019). Im Gouvernement Kerbala wurde im Juli ein Vorfall mit einem Toten und drei Verletzten verzeichnet. Es handelte sich dabei um den Einsatz einer Haftbombe an einem Auto (Joel Wing 5.8.2019). Im September wurde ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit zwölf Toten und fünf Verletzten registriert (Joel Wing 16.10.2019). Hierbei wurde an einem Checkpoint im Norden von Kerbala Stadt eine Autobombe gezündet (Joel Wing 16.10.2019; vgl. VOA 21.9.2019). Von Sicherheitskräften entdeckte Waffenlager des IS weisen darauf hin, dass dieser über eine große Menge an Sprengmitteln verfügt (Joel Wing 16.10.2019). In Basra wurde im August ein Vorfall ohne Opfer registriert. Es handelte sich dabei um eine gegen British Petroleum (BP) im Rumaila Ölfeld gerichtete IED (Joel Wing 9.9.2019). Demonstrationen gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und mangelnde Grundversorgung halten an, wobei iranisch unterstützte PMFs beschuldigt werden, sich an der Unterdrückung der Proteste zu beteiligen und Demonstranten und Menschenrechtsaktivisten anzugreifen (Diyaruna 7.8.2019; vgl. Al Jazeera 25.10.2019). Quellen: - BFA Staatendokumentation: Kurzinformation zu Irak, Sicherheitsupdate 3. Quartal 2019 und jüngste Ereignisse, 30.10.2019 als Teil des Sicherheitsupdates des Länderinformationsblattes Irak vom 30.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019056.html mwN (Zugriff am 20.11.2019) mit weiteren Nachweisen ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019): Regional Overview - Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middleeast-2-october- 2019/, Zugriff 7.10.2019 ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (4.9.2019): Regional Overview - Middle East 4 September 2019, https://www.acleddata.com/2019/09/04/regional-overviewmiddle-east-4-september- 2019/, Zugriff 2.10.2019 ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (17.7.2019): Regional Overview - Middle East 17 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/17/regional-overview-middleeast-17-july-2019/, 20

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30.10.2019 Reuters (12.7.2019): Iran strikes opposition positions on border with Iraqi Kurdistan - Tasnim, https://www.reuters.com/article/us-iran-iraq-security/iran-strikes-opposition- positions-onborder-with-iraqi-kurdistan-tasnim-idUSKCN1U71E7, Zugriff 2.10.2019 Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final- victoryover-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 28.10.2019 Rudaw (13.10.2019): Iraq launches probe into killing of protesters, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/13102019, Zugriff 18.10.2019 Rudaw (24.8.2019): Fourth phase of 'Will of Victory' operation begins: Iraqi defense ministry, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/24082019, Zugriff 18.10.2019 Rudaw (11.8.2019): Iraq ends third phase of 'Will of Victory' campaign, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/11082019, Zugriff 18.10.2019 Rudaw (20.7.2019): Iraq launches second phase of Will of Victory anti-ISIS operation, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/200720191, Zugriff 18.7.2019 Rudaw (13.7.2019): Turkey reinvigorates Operation Claw in Kurdistan Region against PKK, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/130720191, Zugriff 2.10.2019 Standard, Der (4.10.2019): Irakischer Premier sieht Demonstranten im Recht, https://www.derstandard.at/story/2000109475503/mehr-als-30-tote-bei-protesten-im- irak, Zugriff 4.10.2019 The Guardian (29.10.2019): Iraq's young protesters count cost of a month of violence, https://www.theguardian.com/world/2019/oct/29/iraqi-protesters- demonstrations-month-of-violence, Zugriff 30.10.2019 The Guardian (27.10.2019): Iraq clashes: at least 15 die as counter-terror police quell protests, https://www.theguardian.com/world/2019/oct/26/six-killed-as-iraq-protests- continue-inbaghdad-and-nasiriyah, Zugriff 28.10.2019 The Portal (9.10.2019): Iraq launches a new process of "Will to Victory", http://www.theportalcenter.com/2019/10/iraq-launches-a-new-process-of-will-to- victory/, Zugriff 18.10.2019 VOA - Voice of America (21.9.2019): IS Claims Blast That Killed 12 Near Iraq's Karbala, https://www.voanews.com/middle-east/claims-blast-killed-12-near-iraqs- karbala, Zugriff 2.10.2019 Xinhua (22.8.2019): 4 IS militants, 2 soldiers killed in clashes in eastern Iraq, http://www.xinhuanet.com/english/2019-08/22/c_138329358.htm, Zugriff 2.10.2019 KI vom 27.7.2019, Sicherheitsupdate 2. Quartal 2019 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage) 23

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, u.v.m. Quelle: Liveuamap Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of /raq, https://irag.liveuamap.com/enltime/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.] Quelle: ISW - Institute for the Study of War (16.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-apri/- 16-2019.html, Zugriff 17.6.2019 [Grafik gelöscht, Anm.] Obwohl die terroristischen Aktivitäten im Irak deutlich zurückgegangen sind, stellt der islamische Staat (IS) nach wie vor eine Bedrohung dar (SCR 30.4.2019). Nachdem der IS am 23.3.2019 in Syrien das letzte von ihm kontrollierte Territorium verloren hatte (ISW 19.4.2019), kündigte er Anfang April einen neuen Feldzug an, um den Gebietsverlust in Syrien zu rächen (Joel Wing 3.5.2019). Der IS vergrößerte so seine "Unterstützungszonen" [Anm. eine Kategorie des ISW für Gebiete, in denen der IS aktive und passive Unterstützung durch die lokale Bevölkerung lukrieren kann] im Irak und weitete seine Angriffe in bedeutenden Städten, wie Mossul und Fallujah, sowie im irakischen Kurdistan aus (ISW 19.4.2019). Neu wiederorganisierte IS-Zellen verstärkten ihre Operationen und Angriffe in den Gouvernements Anbar, Babil, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninawa und Salahaddin (UNSC 2.5.2019). Das führte zu einem starken Anstieg der Angriffe in der zweiten Woche des Monats April. So erfolgten alleine in der zweiten Aprilwoche 41 der im gesamten Monat verzeichneten 97 sicherheitsrelevanten Vorfälle. Danach gingen die Vorfälle jedoch wieder auf das niedrige Niveau der Vormonate zurück (Joel Wing 3.5.2019). Für Mai 2019 wurden im Zuge der Frühjahrsoffensive des IS wieder die höchsten monatlichen Angriffszahlen seit Oktober 2018 verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Es gab tägliche Berichte über IS-Kämpfer, die Hit-and-Run- Angriffe auf Sicherheitspersonal und Infrastruktur sowie Entführungen und Tötungen von lokalen Beamten und Zivilisten in Gebieten mit massiven Sicherheitslücken durchführten - vor allem in den Wüstenregionen Anbars, nahe der Grenze zu Syrien, als auch in den umstrittenen Gebieten, in denen es "Lücken" zwischen den irakischen und kurdischen Truppen gibt (Rudaw 9.5.2019). Irakische Einheiten führten wiederholt Operationen in Rückzugsgebieten des IS durch (Rudaw 9.5.2019). Beispielsweise am 11.4.2019 in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019) und am 5.5.2019 in den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa (Xinhua 6.5.2019). Solche Operationen hatten jedoch nur begrenzten Erfolg, da sie die Operationsmöglichkeiten des IS nur geringfügig einschränkten. Eine große Herausforderung für die irakischen Streitkräfte besteht in Versäumnissen ihrer Geheimdienste. Unzureichende Ausbildung, Finanzierung, schlechte Kommunikation zwischen den Behörden des Sicherheitsapparats und 24

damit einhergehend die mangelnde Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu nutzen, behindern die Aufklärungsarbeit (Rudaw 9.5.2019). Einem Bericht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom Februar 2019 zufolge kontrolliert der IS immer noch zwischen 14.000 und 18.000 Kämpfer im Irak und in Syrien (UNSC 1.2.2019). Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums, unter Berufung auf Geheimdienstquellen, verfügt der IS noch über 20.000 bis 30.000 Angehörige - Kämpfer, Anhänger und Unterstützer - im Irak und in Syrien (USDOD 7.5.2019). Der IS hat seine Präsenz in den Gouvernements Ninewa und Anbar durch Kämpfer aus dem benachbarten Syrien erhöht. Auch das Gouvernement Diyala bleibt weiterhin ein Kerngebiet des IS, der sich auf Gebiete im Norden und Osten des Irak fokussiert. Vorfälle in Bagdad und im Süden bleiben sporadisch (Joel Wing 3.5.2019). Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar (IBC 6.2019). Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Month/y civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.] Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für April 2019 sind 140 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Mai 2019 wurden von IBC 166 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 6.2019). Quelle: lraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 [Grafik gelöscht, Anm.] Vom Irak-Experten Joel Wing wurden für den Gesamtirak im Lauf des Monats April 2019 99 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 105 Toten und 100 Verletzten verzeichnet. 36 Tote gingen auf Funde älterer Massengräber im Gouvernement Ninewa zurück, wodurch die Zahl der tatsächlichen gewaltsamen Todesfälle im April auf 69 reduziert werden kann. Die meisten Opfer gab es in den Gouvernements Diyala und Ninewa (Joel Wing 3.5.2019). Im Mai 2019 verzeichnet Joel Wing 137 sicherheitsrelevante Vorfälle, von denen 136 auf den islamischen Staat (IS) zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Bei einem dieser Vorfälle handelte es sich um einen Raketenbeschuss der "Green Zone" in Bagdad durch eine mutmaßlich pro-iranische Gruppe (Joel Wing 5.6.2019; vgl. OS 19.5.2019). Insgesamt wurden im Mai 163 Todesfälle und 200 Verwundete registriert, wobei 35 Tote auf einen Massengräberfund im Bezirk Sinjar in Ninewa zurückgehen (Joel Wing 5.6.2019). Im Mai 2019 hat der Islamische Staat (IS) im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern zu erheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als 25

Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salahaddin - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und wegen lokalen Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung AI-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Juni 2019 wurden von Joel Wing 99 sicherheitsrelevante Vorfälle verzeichnet. Da jedoch zwei Hauptquellen zur Sicherheitslage im Irak den gesamten Monat Juni über offline waren, kann es sein, dass es tatsächlich mehr Angriffe gab, als registriert wurden. Sechs Vorfälle werden pro- iranischen Gruppen zugeschrieben, die mutmaßlich wegen der Spannungen zwischen den USA und dem Iran ausgeführt wurden (Joel Wing 1.7.2019). Das irakische Militär und die Koalitionstruppen [Anm. die Truppen der von den USA geführten Koalition westlicher Staaten im Irak] führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019) und in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019; Jane's 1.5.2019). BAGDAD Laut Joel Wing ist Bagdad ist eine weitgehend vergessene Front des Islamischen Staates (IS). Seit Anfang des Jahres 2019 wurden dort wochenweise überhaupt keine terroristischen Aktivitäten verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Der IS versucht jedoch wieder in Bagdad Fuß zu fassen (Joel Wing 3.5.2019) und baut seine "Unterstützungszone" im südwestlichen Quadranten der "Bagdad- Belts" wieder auf, um seine Aktivitäten im Gouvernement Anbar mit denen in Bagdad und dem Südirak zu verbinden (ISW 19.4.2019). Alle im Gouvernement Bagdad verzeichneten Angriffe betrafen nur die Vorstädte und Dörfer im Norden, Süden und Westen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 1.7.2019). Während es sich dabei üblicherweise nur um kleinere Schießereien und Schussattentate handelte, wurden im Juni, bei einem kombinierten Einsatz eines improvisierten Sprengsatzes mit einem Hinterhalt für die den Vorfall untersuchenden, herankommenden irakischen Sicherheitskräfte, sechs Soldaten getötet und 15 weitere verwundet (Joel Wing 1.7.2019). Im April 2019 wurden zehn sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad verzeichnet (Joel Wing 3.5.2019). Diese führten zu sieben Toten und einer verwundeten Person (Joel Wing 1.5.2019). Auch im Mai 2019 wurden zehn Vorfälle erfasst, mit 16 Toten und 14 Verwundeten. Ein weiterer mutmaßlicher Vorfall, eine Autobombe in Sadr City betreffend, ist umstritten (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni gab es 13 Vorfälle mit 15 Toten und 19 Verwundeten (Joel Wing 1.7.2019). Am 19.5.2019 ist eine Rakete des Typs Katjuscha in der hoch gesicherten Grünen Zone in der irakischen Hauptstadt Bagdad, Standort der US-Botschaft, sowie einiger Ministerien und des Parlaments, eingeschlagen und explodiert. Verletzte oder Schäden habe es laut dem irakischen Militär nicht gegeben (DS 19.5.2019). 26

AUTONOME REGION KURDISTAN / KURDISCHE REGION IM IRAK Der Islamische Staat (IS) erweitert seine Netzwerke im irakischen Kurdistan. Es wird vermutet, dass er versucht diese mit seinen wieder auflebenden Unterstützungszonen in den Gouvernements Kirkuk und Diyala zu verbinden. Einheiten der Asayish [Anm.: Inlandsgeheimdienst der Autonomen Region Kurdistan] konnten laut eigenen Angaben seit Jänner 2019 unter anderem drei arabische IS- Zellen sprengen - in Sulaymaniyah City, in Chamchamal, zwischen Sulaymaniyah und der Stadt Kirkuk, sowie in Kalar, im Nordosten des Diyala Flußtales. Am 11. April verhafteten die Asayish einen IS-Kämpfer, der für das Schleusen von Kämpfern zwischen Kirkuk Stadt, Hawija und Dibis im Gouvernement Kirkuk verantwortlich war (ISW 19.4.2019). Die türkische Luftwaffe führte in den Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniya Luftangriffe durch und verursachte materielle Schäden, ohne dass jedoch Verluste an Menschenleben gemeldet wurden. Zwischen 14. Februar und 9. April meldeten die türkischen Streitkräfte mindestens zwölf Einsätze sowie zwei Zusammenstöße mit Einheiten der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (UNSC 2.5.2019). Am 27.5.2019 startete das türkische Militär die "Operation Klaue" mit dem Ziel PKK-Hochburgen im Nordirak, in der Region Qandil zu beseitigen (ACLED 2.7.2019; vgl. Al Jazeera 28.5.2019). Nach einer anfänglich defensiven Haltung der PKK kam es zu einer Zunahme der Angriffe auf die türkischen Streitkräfte, insbesondere im Südosten der Türkei, wie den Bezirk Cukurca in der Provinz Hakkari. Kurdische Einheiten zogen sich dabei grenzüberschreitend auch in den Iran zurück (ACLED 2.7.2019). Über 60 PKK-Kämpfer wurden seit Beginn der "Operation Klaue" als "neutralisiert" (d.h. getötet, gefangen genommen oder verletzt) gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. ACLED 2.7.2019). Ebenso wurde die Zerstörung von Sprengmittel (Landminen, IEDs) und Verstecken der PKK gemeldet (ACLED 11.6.2019; vgl. Reuters 8.6.2019). Türkisches Bombardement, das die Ortsränder dreier Dörfer im Bezirk Amadiya im Gouvernement Dohuk traf, zwang deren Einwohner zur Flucht (Kurdistan 24 9.4.2019). NORD- UND ZENTRALIRAK In den 2017 von der Zentralregierung übernommenen, umstrittenen Gebieten nutzt der Islamische Staat (IS) die geringe Zahl an Sicherheitskräften und deren Konkurrenzverhältnis zueinander aus, woraus sich die hohe Zahl an Übergriffen ableiten lässt (Joel Wing 1.7.2019). Kleinere Gruppen von IS-Kämpfern infiltrieren von Syrien kommend immer wieder die zerklüfteten Gebiete und Wüstenlandschaft im Westirak (Xinhua 6.5.2019). Das irakische Militär und die von den USA geführte internationale Koalition führten eine Reihe von Angriffen gegen den IS durch, insbesondere im Gouvernement Anbar (ACLED 11.6.2019). Am 5.5.2019 startete ein gemischter Verband der irakischen Armee und paramilitärischen Stammeseinheiten, mit Luftunterstützung der Koalition, und in Abstimmung zwischen den Militärkommandos der Gouvernements Anbar, Salahaddin und Ninewa, eine großangelegte Militäroperation im Westirak (Xinhua 6.5.2019). 27

Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019). Im April 2019 wurden in Ninewa 19 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit 46 Toten und zehn Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) verzeichnet, wobei hier auch der Fund eines Massengrabs älteren Datums, mit 36 Leichen, eingerechnet ist (Joel Wing 3.5.2019). Im Mai 2019 wurden 25 Vorfälle mit 64 Toten und 26 Verwundeten registriert, wobei der Fund eines jesidischen Massengrabes älteren Datums im Bezirk Sinjar, mit 35 Leichen, miteingerechnet ist (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni wurden zehn Vorfälle mit 24 Toten und 22 Verletzten registriert, wobei hier vier Brandstiftungen von landwirtschaftlichen Flächen und zwei Explosionen von Kriegsrelikten aus der Schlacht um Mossul (Anm.: 17.10.2016 bis 9.7.2017) inkludiert sind (Joel Wing 1.7.2019). Der Islamische Staat (IS) hat Zugang zu allen ländlichen Gebieten des Gouvernements Diyala, konzentriert sich aber besonders auf den Bezirk Khanaqin im Nordosten, der eines der zwischen der Zentralregierung und der Autonomen Kurdischen Region umstrittenen Gebiete ist (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019). In Diyala kam es im April 2019 zu 30 sicherheitsrelevanten Vorfällen (Joel Wing 3.5.2019) mit 22 Toten und 23 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019). Im Mai 2019 wurden 35 Vorfälle mit 22 Toten und 42 Verwundeten registriert (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 27 Vorfälle mit zwölf Toten und 20 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). Im Gouvernement Kirkuk ist der Islamische Staat (IS) in allen Bezirken aktiv und hat auch regelmäßigen Zugang zu Kirkuk City (Joel Wing 3.5.2019; vgl. Joel Wing 5.6.2019). Insbesondere die Hamrin Berge, sowie die Haine im Westen des Gouvernements dienen dem IS als Rückzugsorte (Joel Wing 3.5.2019). Üblicherweise ereignen sich sicherheitsrelevante Vorfälle in Kirkuk im Süden des Gouvernements (Joel Wing 1.7.2019). Am 30. Mai fand jedoch in Kirkuk City mit der Detonation von sechs "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) der schwerwiegendste Angriff des Monats statt, der fünf Tote und 35 Verletzte forderte (Joel Wing 5.6.2019; vgl. Reuters 30.5.2019). Im Juni wurden acht Angriffe in Kirkuk City verzeichnet (Joel Wing 1.7.2019). Eine Veränderung in der Taktik des IS in Kirkuk stellt das Legen von Hinterhalten für die Sicherheitskräfte dar (Joel Wing 3.5.2019). Die 1. und 2. Brigade der Irakischen Spezialeinheiten (ISOF) begannen am 11. April, unterstützt durch die US-geführte Koalition, mit der bisher größten Säuberungsaktion gegen die "Unterstützungszone" des IS in den Hamrin Bergen (ISW 19.4.2019; vgl. Kurdistan 24 11.4.2019). Die US-amerikanische Luftwaffe (USAF) bombardierte ein Tunnelnetz des IS in den Hamrin Bergen (Jane's 1.5.2019). Ähnliche Operationen wurden bereits in den vergangenen Monaten durchgeführt (Kurdistan 24 11.4.2019). Laut lokalen Quellen wurden im Zuge der Operation sechs bedeutende Anführer des IS getötet und damit die Kommandokette in dem Gebiet stark beeinträchtigt (D&S 28

24.4.2019). In Kirkuk wurden im April 2019 13 Vorfällen registriert (Joel Wing 3.5.2019) mit 18 Toten und 53 Verletzten (Anm.: Summe aus Joel Wing 1.5.2019 und Joel Wing 5.6.2019). Im Mai 2019 wurden in Kirkuk 35 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 29 Toten und 78 Verwundeten, die höchsten Opferzahlen dieses Monats im Irak, verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019). Im Juni sanken die registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf 18, mit 18 Toten und 40 Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). Obwohl sich das Gouvernement Salahaddin die Hamrin-Gebirge, das dem Islamischen Staat (IS) als Basis dient, mit dem Gouvernement Diyala teilt, konzentrieren sich die Aufständischen in ihren Aktivitäten stärker auf Diyala (Joel Wing 3.5.2019). In Salahaddin wurden im April 2019 acht Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit zehn Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Einer davon war ein Angriff auf einen ISF-Konvoi, gefolgt von einem Hinterhalt für die Einsatzkräfte, die am Tatort eintrafen (Joel Wing 3.5.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019). Im Mai 2019 wurden 20 Vorfälle mit 22 Toten und 28 Verwundeten verzeichnet (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni neun Vorfälle mit vier Toten und neun Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). Zwei Angriffe auf das Alas Ölfeld im Mai weiteten sich zu großen Feuergefechten aus (Joel Wing 5.6.2019). Der Islamische Staat (IS) hat vermehrt Kämpfer und Material durch die Jazeera Wüste zwischen Ostsyrien und dem Westirak in den Westen des Gouvernements Anbar verlegt (ISW 19.4.2019; vgl. Joel Wing 3.5.2019). In dieser Region passierten auch die meisten der in Anbar verzeichneten Gewaltakte (Joel Wing 3.5.2019). Seit Ende Jänner 2019 werden Trüffelsammler, meist in den Wüsten Anbars, vom IS entführt und manchmal, im Fall von Schiiten, getötet. Die irakischen Sicherheitskräfte bestätigten die Entführung von 44 Trüffelsammlern in diesem Jahr, wobei davon auszugehen ist, dass weitere Vorfälle nicht gemeldet wurden (NYT 19.5.2019). Im April wurde eine Autobombe gezündet, die gegen Trüffelsammler in der Rutba Wüste gerichtet war (Joel Wing 3.5.2019). Die Rutba Wüste an der Grenze zu Saudi Arabien war das Ziel einer von einem gemischten irakischen Verband mit Luftunterstützung der Koalition durchgeführten Militäroperation (Rudaw 9.5.2019). Der Manöverbereich des IS in der Wüste konnte durch die irakischen Sicherheitskräfte um einige Kilometer verkleinert werden (D&S 10.6.2019). Im April 2019 wurden in Anbar 16 Vorfälle (Joel Wing 3.5.2019) mit sieben Toten und 30 Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert , im Mai 2019 acht Vorfälle mit acht Toten und sieben Verwundeten (Joel Wing 5.6.2019) und im Juni 13 Vorfälle mit einem Toten und sieben Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). SÜDIRAK Der Islamische Staat (IS) arbeitet daran seine Netzwerke im Norden des 29

Gouvernements Babil wieder aufzubauen, mutmaßlich um Angriffe auf leichte Ziele (Anm. orig. "soft targets") in Bagdad und im Süden, in den heiligen Städten Karbala und Najaf, auszuführen (ISW 19.4.2019). Fast immer, wenn es im Gouvernement Babil zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, geschehen diese im Bezirk Jurf al-Sakhr. Der vom Gouvernement Anbar aus zugängliche Bezirk musste von seiner Bevölkerung verlassen werden und dient nun den al-Hashd al-Sha'bi (Volksmobilisierungseinheiten, PMF) als Basis, weswegen der IS für gewöhnlich hier zuschlägt (Joel Wing 5.6.2019). Am 9. April stieß die 47. Brigade der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) in Jurf al-Sakhr mit dem IS zusammen. Dieser zog sich zwar vorübergehend aus dem Gebiet zurück, es erfolgte jedoch keine vollständige Säuberung durch die PMF (ISW 19.4.2019). Im Mai fanden zwei Angriffe im nordwestlichen Jurf al-Sakhr und einer im zentralen Mahawil statt (Joel Wing 5.6.2019). Eine SVBIED-Attacke (Suicide Vehicle Borne Improvised Explosive Device) - die erste seit 2014 - in Jurf al-Sakhr konnte durch die 46. PMF- Brigade verhindert werden (ISW 19.4.2019). Im April 2019 wurden in Babil drei sicherheitsrelevante Vorfälle (Joel Wing 5.6.2019) mit fünf Verletzten (Joel Wing 1.5.2019) registriert. Im Mai gab es drei Vorfälle mit zwei Toten und fünf Verletzten ( Joel Wing 5.6.2019) und im Juni waren es drei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 1.7.2019). In Basra wurden im Juni zwei Vorfälle mit drei Verletzten registriert. Ein von internationalen Ölgesellschaften genutzter Gebäudekomplex wurde von Raketen getroffen. Mutmaßlich steckt eine pro-iranischen Gruppe hinter diesem Angriff (Joel Wing 1.7.2019). Quellen: -ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.7.2019): Regional Overview - Middle East 2 July 2019, https://www.acleddata.com/2019/07/02/regional- overview-middle-east-2-july-2019/, Zugriff 3.7.2019 -ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview - Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 18.6.2019 -ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (11.6.2019): Regional Overview - Middle East 11 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/12/regional-overview-middle-east-11-june-2019/, Zugriff 18.6.2019 -ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (5.6.2019): Regional Overview - Middle East 5 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/05/regional-overview-middle-east-5-june-2019/, Zugriff 18.6.2019 -Al Jazeera (28.5.2019): Turkey launches operation against PKK fighters in northern Iraq, https://www.aljazeera.com/news/2019/05/turkey-launches-operation-pkk- 30

fighters-northern-iraq-190528140950966.html, Zugriff 18.6.2019 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes- kw22-2019.pdf, Zugriff 18.6.2019 -Der Standard (19.5.2019): Rakete schlägt in Grüner Zone in Bagdad ein, https://derstandard.at/2000103450186/Rakete-schlaegt-in-Gruener-Zone-in-Bagdad- ein, Zugriff 14.6.2019 -D&S - Difesa & Sicurezza (24.4.2019): Iraq, Isis chain of command in the Hamrin mountains in Diyala decimated, https://www.difesaesicurezza.com/en/defence-and- security/iraq-isis-chain-of-command-in-the-hamrin-mountains-in-diyala-decimated/, Zugriff 17.6.2019 -D&S - Difesa & Sicurezza (10.6.2019): Iraq-Syria, ISF and SDF intensify the hunt for ISIS cells, https://www.difesaesicurezza.com/en/defence-and-security/iraq-syria-isf- and-sdf-intensify-the-hunt-for-isis-cells/, Zugriff 17.6.2019 -IBC - Iraq Bodycount (7.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 17.7.2019 -ISW - Institute for the Study of War (19.4.2019): ISIS Resurgence Update - April 2019, https://iswresearch.blogspot.com/2019/04/isis-resurgence-update-april-16- 2019.html, Zugriff 17.6.2019 -Jane's 360 (1.5.2019): USAF reports combat debut for F-35A, https://www.janes.com/article/88186/usaf-reports-combat-debut-for-f-35a, Zugriff 17.6.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (1.5.2019): Security In Iraq Apr 22-28, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/security-in-iraq-apr-22-28-2019.html, Zugriff 14.6.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (3.5.2019): Islamic State Announces New Offensive But Amounts To Little So Far, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/05/islamic-state- announces-new-offensive.html, Zugriff 14.6.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (5.6.2019): Islamic State's Revenge Of The Levant Campaign In Full Swing, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/06/islamic-states- revenge-of-levant.html, Zugriff 14.6.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (1.7.2019): Violence Dips During Islamic State's Latest Offensive, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/07/violence-dips-during-islamic- states.html, Zugriff 3.7.2019 -Kurdistan 24 (9.4.2019): Christian villagers flee from Turkish cross-border attacks into Kurdistan Region, https://www.kurdistan24.net/en/news/e04e4df6-9d16-45a7- 83b1-57281d28fd74, Zugriff 1.7.2019 -Kurdistan 24 (11.4.2019): Iraq launches 'large-scale' anti-ISIS operation in Hamrin 31

Mountains, https://www.kurdistan24.net/en/news/e2d4b872-d38a-4a00-8de1- fd4a6b93d8f0, Zugriff 17.6.2019 -Liveuamap - Live Universal Awareness Map (30.6.2019): Map of Iraq, https://iraq.liveuamap.com/en/time/30.06.2019, Zugriff 30.6.2019 -Reuters (8.6.2019): Turkey says it has 'neutralized' 43 Kurdish militants in northern Iraq, https://www.reuters.com/article/us-turkey-iraq-security/turkey-says-it-has- neutralized-43-kurdish-militants-in-northern-iraq-idUSKCN1T90A7, Zugriff 18.6.2019 -Reuters (30.5.2019): At least five dead in blasts in Iraq's Kirkuk: medical sources, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/at-least-five-dead-in-blasts-in-iraqs- kirkuk-medical-sources-idUSKCN1T02E8, Zugriff 14.6.2019 -Rudaw (9.5.2019): Iraq not keeping up with evolving ISIS: US Defense Department, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/090520191, Zugriff 18.6.2019 -SCR - Security Council Report (30.4.2019): May 2019 Monthly Forecast, https://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2019-05/iraq-3.php, Zugriff 1.7.2019 -NYT - The New York Times (19.5.2019): They Go to the Desert to Hunt for Truffles. But ISIS Is Hunting Them, https://www.nytimes.com/2019/03/19/world/middleeast/isis-truffle-iraq.html, Zugriff 17.6.2019 -UNSC - UN Security Council (2.5.2019): Implementation of resolution 2421 (2018); Report of the Secretary-General [S/2019/365], https://www.ecoi.net/en/file/local/2008023/S_2019_365_E.pdf, Zugriff 17.6.2019 -UNSC - United Nations Security Council (1.2.2019): Eighth report of the Secretary- General on the threat posed by ISIL (Da'esh) to international peace and security and the range of United Nations efforts in support of Member States in countering the threat, https://www.un.org/sc/ctc/wp-content/uploads/2019/02/N1901937_EN.pdf, Zugriff 18.6.2019 -USDOD - US Department of Defense (7.5.2019): Operation Inherent Resolve - Lead Inspector General report to the United States Congress, January 1,2019-March31 2019, https://media.defense.gov/2019/May/07/2002128675/-1/- 1/1/LIG%20OCO%20OIR%20Q2%20MARCH2019.PDF, Zugriff 18.6.2019 -Xinhua (6.5.2019): 8 IS militants killed in operation in western Iraq desert, http://www.xinhuanet.com/english/2019-05/06/c_138036239.htm, Zugriff 18.6.2019 KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage) Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei 32

Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, uvm. https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.04.2019/ [Karte gelöscht, Anm.] Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019). Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019). https://www.iraqbodycount.org/database/ [Karte gelöscht, Anm.] Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019). https://www.iraqbodycount.org/database/ [Tabelle gelöscht, Anm.] Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS- Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019). BAGDAD Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019). Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit 33

seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019). AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG) In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019). Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019). NORD- UND ZENTRALIRAK In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS- Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019). 34

Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flussdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS- Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019). Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen, und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für denselben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019). In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu 35

unterstützen (Diyaruna 21.1.2019). In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat al- Fallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019). SÜDIRAK Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019). In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registriert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019). Quellen: - ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019), Behind Frenemy Lines: Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind-frenemy-lines-uneasy-alliances- against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail -BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019 36

-Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants, http://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019 -EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq_security_situation.pdf, 13.3.2019 -IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019 -ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq, https://iswresearch.blogspot.com/2019/03/isis-re-establishes- historic-sanctuary.html, Zugriff 12.3.2019 -Jane's 360 (5.2.2019): Protests in Iraq's Basra likely throughout 2019, but security force presence mitigates disruption risk to oil sites, https://www.janes.com/article/86167/protests-in-iraq-s-basra-likely-throughout-2019- but-security-force-presence-mitigates-disruption-risk-to-oil-sites, Zugriff 13.3.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (10.12.2018): Security In Iraq Dec 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/12/security-in-iraq-dec-1-7-2018.html, Zugriff 4.4.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into- hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (4.2.2019): Slight Uptick In Islamic State Ops In Iraq As New Year Begins, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/02/slight-uptick-in- islamic-state-ops-in.html, Zugriff 12.3.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (4.3.2019): Islamic State Might Be Coming Out Of Its Winter Hibernation In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/islamic-state- might-be-coming-out-of.html, Zugriff 12.3.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (26.3.2019): Security In Iraq Mar 15-21, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/03/securitv-in-iraq-mar-15-21-2019.html, Zugriff 27.3.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (1.4.2019): Security In Iraq Mar 22-28, 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/security-in-iraq-mar-22-28-2019.html, Zugriff 2.4.2019 -Joel Wing, Musings on Iraq (3.4.2019): Iraq Saw Lowest Violence Ever March 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/04/iraq-saw-lowest-violence-ever-march- 2019.html, Zugriff 4.4.2019 -Kurdistan 24 (12.3.2019): WATCH: Clashes between Basra tribes kill, injure ten people, http://www.kurdistan24.net/en/news/5dc59e22-744f-483e-a102- dfe1388e5afd, Zugriff 1.4.2019 37

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Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018). Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005). Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018). Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogenannte "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018). 39

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/45981531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects- speaker-180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018 -BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985, Zugriff 18.10.2018 -BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle- east-45722528, Zugriff 18.10.2018 -CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook - Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 19.10.2018 -DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish- moderate-barham-salih-as-new-president/a-45733912, Zugriff 18.10.2018 -Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 17.10.2018 -The Guardian (3.10.2018): Iraqi president names Adel Abdul-Mahdi as next prime minister, https://www.theguardian.com/world/2018/oct/03/iraqi-president-names-adel- abdul-mahdi-as-next-prime-minister, Zugriff 18.10.2018 -ICG - International Crisis Group (9.5.2018): Iraq's Pre-election Optimism Includes a New Partnership with Saudi Arabia, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north- africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/iraqs-pre-election-optimism-includes-new- partnership-saudi-arabia, Zugriff 18.10.2018 -KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295- 40

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12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018). Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018). Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018). Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des von Bedeutung (KAS 2.5.2018). Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al- Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018). http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf [Karte gelöscht, Anm.] Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018). Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018). Quellen: -Al Jazeera (6.6.2018): Iraq orders recount of all 11 million votes from May 12 election, https://www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million- votes-12-election-180606163950024.html, Zugriff 23.10.2018 -Al-Monitor (23.8.2018): Many Iraqi legislators call for canceling election results, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/05/iraq-election-fraud.html, Zugriff 23.10.2018 42

-The Arab Weekly (7.10.2018): Room for optimism in Iraq under new leadership, https://thearabweekly.com/room-optimism-iraq-under-new-leadership, Zugriff 23.10.2018 -BP - Baghdad Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba, https://www.thebaghdadpost.com/en/Story/21086/All-Shia-political-parties- have-armed-militias-Nujaba, Zugriff 22.10.2018 -CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq's Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz- Policy-Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018 -Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 17.10.2018 -The Guardian (12.5.2018): Martyr or master Future of anti-Isis militias splits Iraq ahead of Elections, https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections- become-battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018 -HoC - House of Commons (12.6.2018): Briefing paper: Iraq and the 2018 election, researchbriefings.files.parliament.uk/documents/.../CBP-8337.pdf, Zugriff 22.10.2018 -IRIS - Institute of Regional and International Studies (11.5.2018): Iraq Votes 2018: Election Mobilization Strategies, https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf, Zugriff 2.11.2018 -ISPI - Istituto per gli studi di politica internazionale (10.5.2018): After IS: The meaning of Iraq's election for the Arab Sunni community, https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/commentary_seloom_10.05.2 018.pdf, Zugriff 22.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (22.5.2018): Sadr-Communist Alliance And Iraq's 2018 Elections Interview With Benedict Robin, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/05/sadr-communist-alliance-and-iraqs- 2018.html, Zugriff 22.10.2018 -KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295- 1522-1-30.pdf180501131459, Zugriff 17.10.2018 -LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf , Zugriff 23.10.2018 -LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections: A Population in Transition, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf, Zugriff 18.10.2018 43

-MEMO - Middle East Monitor (16.1.2018): Iraq: 3 major Sunni provinces form alliance to run in elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180116-iraq-3- major-sunni-provinces-form-alliance-to-run-in-elections/, Zugriff 22.10.2018 -MEMO - Middle East Monitor (27.2.2018): Iraq Islamic party will not run in upcoming elections, https://www.middleeastmonitor.com/20180227-iraq-islamic-party-will-not- run-in-upcoming-elections/, Zugriff 22.10.2018 -Niqash (7.7.2016): Too Many Contradictions: Why Iraq's New Political Parties Law Can Never Work, http://www.niqash.org/en/articles/politics/5304/, Zugriff 22.10.2018 -Niqash (5.4.2018): Formerly-Armed Angels The Controversial Iraqi Militia That Now Prefers Social Work To Politics, http://www.niqash.org/en/articles/security/5873/, Zugriff 22.10.2018 -Reuters (19.5.2018): Cleric Moqtada al-Sadr's bloc wins Iraq election, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-results/cleric-moqtada-al-sadrs-bloc- wins-iraq-election-idUSKCN1IJ2X0, Zugriff 19.10.2018 -Reuters (24.5.2018): Iraqi PM Abadi says election fraud allegations to be investigated, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-fraud/iraqi-pm-abadi- says-election-fraud-allegations-to-be-investigated-idUSKCN1IP2Z2, Zugriff 23.10.2018 -Reuters (10.8.2018): Recount shows Iraq's Sadr retains election victory, no major changes, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election/recount-shows-iraqs-sadr- retains-election-victory-no-major-changes-idUSKBN1KV041, Zugriff 19.10.2018 -Der Standard (29.10.2017): Kurdenpräsident Barzani hinterlässt einen Trümmerhaufen, https://derstandard.at/2000066849335/Kurdenpraesident-Barzani- hinterlaesst-einen-Truemmerhaufen, Zugriff 22.10.2018 -SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (8.2016): Die "Volksmobilisierung" im Irak, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2016A52_sbg.pdf, Zugriff 22.10.2018 -SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Die Badr-Organisation: Irans wichtigstes politisch-militärisches Instrument im Irak, https://www.swp- .org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A27_sbg.pdf, Zugriff 22.10.2018 -WI - al-Waqä'i'a al-iräqiyya (12.10.2015): Law No. 36 of 2015 on Political Parties, https://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRQNIC/102986/124758/F1240401810/438 3.pdf, Zugriff 22.10.2018 -WoR - War on the Rocks (25.8.2017): Iraq's competing security forces after the battle for , https://warontherocks.com/2017/08/iraqs-competing-security-forces- after-the-battle-for-mosul/, Zugriff 22.10.2018 -WSJ - Wall Street Journal (9.8.2018): Iraq Election Results Unchanged After Recount on Fraud Allegations, https://www.wsj.com/articles/iraq-election-results- unchanged-after-recount-on-fraud-allegations-1533852653, Zugriff 23.10.2018 44

-WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916Schluesselland- Irak.html, Zugriff 15.10.2018 2.2.Protestbewegung Die Protestbewegung, die es schon seit 2014 gibt, gewinnt derzeit an Bedeutung. Zumeist junge Leute gehen in Scharen auf die Straße, fordern bessere Lebensbedingungen, Arbeitsplätze, Reformen, einen effektiven Kampf gegen Korruption und die Abkehr vom religiösen Fundamentalismus (WZ 9.10.2018). Im Juli 2018 brachen im Süden des Landes, in Basra, nahe den Ölfeldern West Qurna und Zubayr Proteste aus. Diese eskalierten, nachdem die Polizei in West Qurna auf Demonstranten schoss (ICG 31.7.2018). Reich an Ölvorkommen, liefert die Provinz Basra 80 Prozent der Staatseinnahmen des Irak. Unter den Einwohnern der Provinz wächst jedoch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen dem enormem Reichtum und ihrer eigenen täglichen Realität von Armut, Vernachlässigung, einer maroden Infrastruktur, Strom- und Trinkwasserknappheit (Carnegie 19.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018). Die Proteste im Juli weiteten sich schnell auf andere Städte und Provinzen im Süd- und Zentralirak aus (DW 15.7.2018; vgl. Presse 15.7.2018, CNN 17.7.2018, Daily Star 19.7.2018). So gingen tausende Menschen in Dhi Qar, Maysan, Najaf und Karbala auf die Straße, um gegen steigende Arbeitslosigkeit, Korruption und eine schlechte Regierungsführung, sowie die iranische Einmischung in die irakische Politik zu protestieren (Al Jazeera 22.7.2018). Die Proteste erreichten auch die Hauptstadt Bagdad (Joel Wing 25.7.2018; vgl. Joel Wing 17.7.2018). Am 20.7. wurden Proteste in 10 Provinzen verzeichnet (Joel Wing 21.7.2018). Demonstranten setzten die Bürogebäude der Da'wa-Partei. der Badr-Organisation und des Obersten Islamischen Rats in Brand; praktisch jede politische Partei wurde angegriffen (Al Jazeera 22.7.2018). Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, sowie zu Todesfällen (Kurier 15.7.2018; vgl. CNN 17.7.2018, HRW 24.7.2018). Ende August war ein Nachlassen der Demonstrationen zu verzeichnen (Al Jazeera 3.8.2018). Im September flammten die Demonstrationen wieder auf. Dabei wurden in Basra Regierungsgebäude, die staatliche Fernsehstation, das iranische Konsulat, sowie die Hauptquartiere fast aller Milizen, die vom Iran unterstützt werden, angegriffen. Mindestens 12 Demonstranten wurden getötet (Vox 8.9.2018; vgl. NPR 27.9.2018). Quellen: -Al Jazeera (22.7.2018): Iraq protests: What you should know, https://www.aliazeera.com/indepth/features/iraq-protests-180717074846746.html, Zugriff 23.10.2018 -Al Jazeera (3.8.2018): Protests in Iraq dwindle after weeks of anger, https://www.aljazeera.com/news/2018/08/protests-iraq-dwindle-weeks-anger- 180803192747710.html, Zugriff 24.10.2018 -Carnegie - Carnegie Middle East Center (19.9.2018): The Basra Exception, 45

http://carnegie-mec.org/diwan/77284lang=en, Zugriff 23.10.2018 -CNN - Central News Network (17.7.2018): Protests spread, turn deadly in Iraq: At least 8 are dead, dozens hurt, https://edition.cnn.com/2018/07/16/world/iraq-protests- violent/index.html, Zugriff 23.10.2018 -The Daily Star (19.7.2018): In Iraq, old grievances fuel deadly protests, https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2018/Jul-19/457085-in-iraq-old- grievances-fuel-deadly-protests.ashx, Zugriff 23.10.2018 -DW - Deutsche Welle (15.7.2018): Protests spread from oil-rich Basra across southern Iraq, https://www.dw.com/en/protests-spread-from-oil-rich-basra-across- southern-iraq/a-44678926, Zugriff 23.10.2018 -HRW - Human Rights Watch (24.7.2018): Iraq: Security Forces Fire on Protesters, https://www.hrw.org/news/2018/07/24/iraq-security-forces-fire-protesters, Zugriff 24.10.2018 -ICG - International Crisis Group (31.7.2018): How to cope with Iraq's summer brushfire, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian- peninsula/iraq/b61-how-cope-irags-summer-brushfire, Zugriff 23.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (14.7.2018): Protests In Iraq Greatly Escalate And Spread Throughout South, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/protests-in- iraq-greatly-escalate-and.html, Zugriff 24.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (17.7.2018): Iraq Government Starts Crackdown On Protests, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/iraq-government-starts- crackdown-on.html, Zugriff 24.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (21.7.2018): 2 Killed As Protests Hit 10 Provinces In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/2-killed-as-protests-hit-10- provinces.html, Zugriff 24.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (25.7.2018): Silencing Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/silencing-protests-in-iraq.html, Zugriff 24.10.2018 -Kurier (15.7.2018): Proteste im Irak eskalieren weiter: Mehrere Tote, https://kurier.at/politik/ausland/proteste-im-irak-eskalieren-weiter-mehrere- tote/400066748, Zugriff 24.10.2018 -NPR - National Public Radio (27.9.2018): Months Of Protests Roil Iraq's Oil Capital Basra, https://www.npr.org/2018/09/27/651508389/months-of-protests-roil-iraqs-oil- capital-basrat=1539869569857&t=1540298050551, Zugriff 23.10.2018 -Die Presse (15.7.2018): Massive Proteste breiten sich im Süden des Irak aus, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5464674/Massive-Proteste- breiten-sich-im-Sueden-des-Irak-aus, Zugriff 24.10.2018 -Vox (8.9.2018): The violent protests in Iraq, explained, 46

https://www.vox.com/world/2018/9/7/17831526/iraq-protests-basra-burning- government-buildings-iran-consulate-water, Zugriff 24.10.2018 - WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.phpem_ssc=LCwsLA==&em_cn t=994916&em_loc=69&em_ref=/nachrichten/welt/weltpolitik/&em_ivw=RedCont/Politi k/Ausland&em_absatz_bold=Q, Zugriff 2.11.2018 2.3Autonome Region Kurdistan Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert (AA 12.2.2Q18). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.9.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018). Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren. angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.2.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018). Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.2.2018). Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht. Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum 47

Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß der offiziellen Endergebnisse gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit 186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -Al Jazeera (21.10.2018): Opposition parties reject vote results in Iraq's Kurdish region, https://www.aljazeera.com/news/2018/10/opposition-parties-reject-vote- results-iraq-kurdish-region-181021194012607.html, Zugriff 23.10.2018 -ANF - ANF News (21.10.2018): Wahlergebnisse in Südkurdistan veröffentlicht, https://anfdeutsch.com/kurdistan/wahlergebnisse-in-suedkurdistan-veroeffentlicht- 729, Zugriff 23.10.2018 -BPB - Bundeszentrale für politische Bildung (24.1.2018): Kurdenkonflikt, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche- konflikte/54641/kurdenkonflikt, Zugriff 22.10.2018 -LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf , Zugriff 23.10.2018 -RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (21.10.2018): Ruling KDP Wins Most Seats In Kurdish Regional Parliament Vote, https://www.rferl.org/a/ruling-kdp-wins- most-seats-in-kurdish-regional-parliament-vote/29555348.html, Zugriff 23.10.2018 -Tagesschau (30.9.2018): Wahl in Irakisch-Kurdistan Ein Parlament, das besser arbeitet, https://www.tagesschau.de/ausland/irak-kurden-wahlen-101.htm, Zugriff 23.10.2018 3.Sicherheitslage Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS- Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018). 48

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018). In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/45981531143225deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018 -MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq _variable_but_improving/10061710, Zugriff 30.10.2018 3.1.Islamischer Staat (IS) Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS- Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018). Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS- Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war 49

es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018). Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018). Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018). Quellen: -Atlantic (31.8.2018): ISIS Never Went Away in Iraq, https://www.theatlantic.com/international/archive/2018/08/iraq-isis/569047/, Zugriff 30.10.2018 -CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf, Zugriff 29.10.2018 -ISW - Institute for the Study of War (2.10.2018): ISIS's Second Resurgence, https://iswresearch.blogspot.com/2018/10/isiss-second-resurgence.html, Zugriff 30.10.2018 -Jamestown Foundation (28.7.2018): Is Islamic State Making Plans for a Comeback in Iraq, https://jamestown.org/program/is-islamic-state-making-plans-for-a-comeback- in-iraq/, Zugriff 30.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (3.7.2018): June 2018 Islamic State Rebuilding In Rural 50

Areas Of Central Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/07/june-2018- islamic-state-rebuilding-in.html, Zugriff 30.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad- while.html, Zugriff 30.10.2018 -Niqash (12.7.2018): Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, http://www.niqash.org/en/articles/security/5951/, Zugriff 30.10.2018 -WP - Washington Post (17.7.2018): ISIS is making a comeback in Iraq just months after Baghdad declared victory, https://www.washingtonpost.com/world/isis-is- making-a-comeback-in-iraq-less-than-a-year-after-baghdad-declared- victory/2018/07/17/9aac54a6-892c-11e8-9d59- dccc2c0cabcf_story.htmlnoredirect=on&utm_term=.8ebfcea17e9f, Zugriff 30.10.2018 3.2.Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen Der Irak verzeichnet derzeit die niedrigste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 (Joel Wing 5.4.2018). Die Sicherheitslage ist in verschiedenen Teilen des Landes sehr unterschiedlich, insgesamt hat sich die Lage jedoch verbessert (MIGRI 6.2.2018). So wurden beispielsweise im September 2018 vom Irak-Experten Joel Wing 210 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 195 Todesopfern im Irak verzeichnet. Dem standen im September des Jahres 2017 noch 306 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 728 Todesopfern gegenüber. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im September 2018 waren Bagdad mit 65 Vorfällen, Diyala mit 36, Kirkuk mit 31, Salah al-Din mit 21, Ninewa mit 18 und Anbar mit 17 Vorfällen (Joel Wing 6.10.2018). Die folgende Grafik von ACCORD zeigt, im linken Bild, die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit mindestens einem Todesopfer im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt. Auf der rechten Karte ist die Zahl der Todesopfer im Irak, im zweiten Quartal 2018, nach Provinzen aufgeschlüsselt, dargestellt (ACCORD 5.9.2018). https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/193015362173742018q2iraq-de.pdf [Grafik entfernt, Anm.] Laut Angaben von UNAMI, der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak, wurden im September 2018 im Irak insgesamt 75 irakische Zivilisten durch Terroranschläge, Gewalt und bewaffnete Konflikte getötet und weitere 179 verletzt (UNAMI 1.10.2018). Insgesamt verzeichnete UNAMI im Jahr 2017 3.298 getötete und 4.781 verwundete Zivilisten. Nicht mit einbezogen in diesen Zahlen waren zivile Opfer aus der Provinz Anbar im November und Dezember 2017, für die keine Angaben verfügbar sind. Laut UNAMI handelt es sich bei den Zahlen um absolute Mindestangaben, da die Unterstützungsmission bei der Überprüfung von Opferzahlen in bestimmten Gebieten eingeschränkt ist (UNAMI 2.1.2018). Im Jahr 51

2016 betrug die Zahl getöteter Zivilisten laut UNAMI noch 6.878 bzw. die verwundeter Zivilisten 12.388. Auch diese Zahlen beinhalten keine zivilen Opfer aus Anbar für die Monate Mai, Juli, August und Dezember (UNAMI 3.1.2017). Die folgenden Grafiken von Iraq Body Count (IBC) stellen die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer dar. Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. Das erste Diagramm stellt die von IBC dokumentierten zivilen Todesopfer im Irak seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Die zweite Tabelle gibt die Zahlen selbst an. Laut Tabelle, dokumentierte IBC im September 2018 241 zivile Todesopfer im Irak. Im September 2017 betrug die Zahl von IBC dokumentierter ziviler Todesopfer im Irak 490; im September 2016 935. Insgesamt dokumentierte IBC von Januar bis September 2018 2.699 getötete Zivilisten im Irak. Im Jahr 2017 dokumentierte IBC 13.178 zivile Todesopfer im Irak; im Jahr 2016 betrug diese Zahl 16.393 (IBC 9.2018). https://www.iraqbodycount.org/database/ [Grafik entfernt, Anm.] https://www.iraqbodycount.org/database/ [Grafik entfernt, Anm.] Quellen: -ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (5.9.2018): Irak. 2. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442566/1930_1536217374_2018q2iraq-de.pdf Zugriff 29.10.2018 -IBC - Iraq Body Count (9.2018): Database - Documented civilian deaths from violence. https://www.iraqbodycount.org/database/ Zugriff 31.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (5.4.2018): Iraq Witnessing Fewest Security Incidents Since 2003. http://musingsoniraq.blogspot.com/2018/04/iraq-witnessing-fewest- security.html Zugriff 2.11.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady. https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad- while.html, Zugriff 30.10.2018 -MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving. https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq _variable_but_improving/10061710, Zugriff 30.10.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.1.2017): UN Casualties Figures for Iraq for the Month of December 2016. http://www.uniraq.org/index.phpoption=comk2&view=item&id=6611:un-casualties- figures-for-iraq-for-the-month-of-december-2016&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018 52

-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.1.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2017. http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=8427:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-december-2017&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September2018, http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=9687:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018 3.3.Sicherheitslage Bagdad Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017). Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS- Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017). Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018). Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 53

sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018). Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018). In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018). Quellen: -Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded In Iraq June 2017, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in- iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (4.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded In September 2017 In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and- 549-wounded-in-september.html, Zugriff 1.11.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad- while.html, Zugriff 30.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html, Zugriff 1.11.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-22-28-2018.html, Zugriff 1.11.2018 -OFPRA - Office Francais de Protection des Refugies et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_b aghdad.pdf, Zugriff 31.10.2018 54

-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018, http://www.uniraq.org/index.phpoption=comk2&view=item&id=8500:un-casualtv- figures-for-iraq-for-the-month-of-januarv-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018. http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018 -UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018. http://www.uniraq.org/index.phpoption=com_k2&view=item&id=9687:un-casualty- figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018 3.4.Sicherheitslage Autonome Region Kurdistan (KRG) In Erbil bzw. Sulaymaniya und unmittelbarer Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings ist die derzeitige Sicherheitssituation aufgrund der andauernden Kämpfe. in die teilweise auch die kurdischen Streitkräfte (Peshmerga) und diverse Milizen eingebunden sind. besorgniserregend. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen 55

Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein (BMEIA 1.11.2018). Die türkische Armee führt regelmäßig (teilweise im Abstand von wenigen Tagen) Luftangriffe auf PKK-Ziele in der kurdischen Autonomieregion im Irak durch. Beide Seiten (sowohl die Türkei als auch die PKK) geben wenig Informationen über die Opfer. In Einzelfällen handelt es sich um Zivilisten (CEDOCA 14.3.2018). Nachdem die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) ihre bewaffneten Aktivitäten im Jahr 2015 wieder aufnahm. fanden 2016 zum ersten Mal seit zehn Jahren auch wieder iranische Angriffe auf KDPI-Ziele in der Autonomen Region Kurdistan-Irak statt (CEDOCA 14.3.2018). Iranische Revolutionsgarden führten gezielte Tötungen von KDPI-Mitgliedern in der Autonomen Region Kurdistan durch (Al Monitor 7.3.2018). Der Iran hat in der Vergangenheit auch bewaffnete kurdische Oppositionsgruppen im Irak beschossen. Auch im September 2018 kam es zu einem tödlichen Raketenangriff der iranischen Revolutionsgarden auf die KDPI im Irak (Reuters 8.9.2018; vgl. RFE/RL 9.9.2018). Quellen: -Al Monitor (7.3.2018): Assassinations mount as Iranian Kurdish militants clash with Tehran. https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/iran-kdpi-kurdish- opposition-iraq-assassinations-rahmani.html, Zugriff 1.11.2018 -BMEIA - Bundesministerium für Europa. Integration und Äußeres (1.11.2018): Reiseinformation: Irak. https://www.bmeia.gv.at/reise- aufenthalt/reiseinformation/land/irak/, Zugriff 1.11.2018 -CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (14.3.2018): IRAK: Situation securitaire dans la Region autonome du Kurdistan, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak._situation_securitaire _dans_la_region_autonome_du_kurdistan_0.pdf, Zugriff 1.11.2018 -Reuters (8.9.2018): Iran attacks Iranian Kurdish opposition group base in Iraq. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-iran/iran-attacks-iranian- kurdish-opposition-group-base-in-iraq-idUSKCN1LO0KZ, Zugriff 1.11.2018 -RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (9.9.2018): Iran's Revolutionary Guards Confirm Deadly Missile Strikes On Kurdish Rebels In Iraq. https://www.rferl.org/a/at- least-11-iranian-kurdish-fighters-killed-in-attack-rebels-blame-on- tehran/29479697.html, Zugriff 1.11.2018 3.5.Sicherheitslage Nord- und Zentralirak In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. 56

Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018). Mit dem Zuwachs und Gewinn an Stärke von lokalen und sub-staatlichen Kräften, haben diese auch zunehmend Verantwortung für die Sicherheit, politische Steuerung und kritische Dienstleistungen übernommen. Infolgedessen ist der Nord- und Zentralirak, obgleich nicht mehr unter der Kontrolle des IS, auch nicht unter fester staatlicher Kontrolle. Die Fragmentierung der Macht und die große Anzahl an mobilisierten Kräften mit widersprüchlichen Loyalitäten und Programmen stellt eine erhebliche Herausforderung für die allgemeinen Stabilität dar (GPPI 3.2018). Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In der Provinz Diyala beispielsweise fiel die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle von durchschnittlich 1,7 Vorfällen pro Tag im Juni 2018 auf 1,1 Vorfälle im Oktober 2018. Auch in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch nicht so maßgeblich wie die Art der Vorfälle und die Schauplätze an denen sie ausgeübt werden. Der IS ist in allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala, in Süd-Kirkuk, Nord- und Zentral-Salah-al-Din tätig. Es gibt regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt; Steuern werden erhoben und Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen; es kommt auch regelmäßige zu Schießereien. Es gibt immer mehr Berichte über IS-Mitglieder, die sich tagsüber im Freien bewegen und das Ausmaß ihrer Kontrolle zeigen. Die Regierung hat in vielen dieser Gegenden wenig Präsenz und die anhaltenden Sicherheitseinsätze sind ineffektiv, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze im Gang sind, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten (Joel Wing 2.11.2018). Quellen: AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak: Reisewarnung, https://www.auswaertiges- amt.de/de/iraksicherheit/202738, Zugriff 1.11.2018 GPPI - Global Public Policy Institute (3.2018): Iraq after iSlL: Sub-State Actors, Local Forces, and the Micro-Politics of Control, http://www.gppi.net/fileadmin/user_upload/media/pub/2018/Gaston_Derzsi- Horvath_Iraq_After_ISIL.pdf Zugriff 5.11.2018 Joel Wing - Musings on Iraq (2.11.2018): October 2018: Islamic State Expanding Operations In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/11/october-2018- islamic-state-expanding.html, Zugriff 5.11.2018 3.6.Sicherheitslage Süden Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell 57

unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018). In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018). Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (1.11.2018): Irak: Reisewarnung, https://www.auswaertiges- amt.de/de/iraksicherheit/202738, Zugriff 1.11.2018 -AI - Amnesty International (7.9.2018): Iraq: Effective Investigations needed into deaths of protesters in Basra, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF, Zugriff 2.11.2018 -AlJazeera (16.7.2018): Death toll rises in southern Iraq protests, https://www.aljazeera.com/news/2018/07/death-toll-rises-southern-iraq-protests- 180716181812482.html, Zugriff 2.11.2018 -CEDOCA - Centre de documentation et de recherches du Commissariat general aux refugies et aux apatrides (28.2.2018): IRAK: Situation securitaire dans le sud de l'Irak, https://www.cgra.be/sites/default/files/rapporten/coi_focus_irak_situation_securitaire_ dans_le_sud_de_lirak_20180228.pdf, Zugriff 1.11.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (5.9.2018): Basra Explodes In Rage and Riots Over 58

Water Crisis, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/basra-explodes-in-rage- and-riots-over.html, Zugriff 2.11.2018 -Landinfo - The Norwegian COI Centre (31.5.2018): Irak: Sikkerhetssituasjonen i S0r- Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1434620/1226_1528700530_irak-temanotat- sikkerhetssituasjonen-i-svarirak-hrn-31052018.pdf, Zugriff 1.11.2018 4.Rechtsschutz / Justizwesen Die Bundesjustiz besteht aus dem Obersten Justizrat (Higher Judicial Council. HJC). dem Bundesgerichtshof, dem Kassationsgericht, der Staatsanwaltschaft, der Justizaufsichtskommission und anderen Bundesgerichten, die durch das Gesetz geregelt werden. Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft (LIFOS 8.5.2014). Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts (AA 12.2.2018). Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (Stanford 2013; vgl. AA 12.2.2018). Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Darüber hinaus schwächen die Sicherheitslage und die politische Geschichte des Landes die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 20.4.2018). Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt (AA 12.2.2018). Zudem ist die Justiz von Korruption, politischem Druck, Stammeskräften und religiösen Interessen beeinflusst. Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich viele Iraker an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt (FH 16.1.2018). Eine Verfolgung von Straftaten findet nur unzureichend statt (AA 12.2.2018). Strafverfahren sind zutiefst mangelhaft (FH 16.1.2018). Es mangelt an ausgebildeten, unbelasteten Richtern; eine rechtsstaatliche Tradition gibt es nicht. Häufig werden übermäßig hohe Strafen verhängt. Obwohl nach irakischem Strafprozessrecht Untersuchungshäftlinge binnen 24 Stunden einem Untersuchungsrichter vorgeführt werden müssen, wird diese Frist nicht immer respektiert und zuweilen auf 30 Tage ausgedehnt. Es gibt häufig Fälle überlanger Untersuchungshaft, ohne dass die Betroffenen, wie vom irakischen Gesetz vorgesehen, einem Richter oder Staatsanwalt vorgeführt würden. Freilassungen erfolgen mitunter nur gegen Bestechungszahlungen. Insbesondere Sunniten beschweren sich über "schiitische Siegerjustiz" und einseitige Anwendung der bestehenden Gesetze zu ihren Lasten. Das seit 2004 geltende Notstandsgesetz ermöglicht der Regierung Festnahmen und Durchsuchungen unter erleichterten Bedingungen (AA 12.2.2018). Korruption oder Einschüchterung beeinflussen Berichten zufolge einige Richter in Strafsachen auf der Prozessebene und bei der Berufung vor dem Kassationsgericht. 59

Die Integritätskommission untersucht routinemäßig Richter wegen Korruptionsvorwürfen, aber einige Untersuchungen sind Berichten zufolge politisch motiviert. Zahlreiche Drohungen und Morde durch konfessionelle, extremistische und kriminelle Elemente sowie der Stämme beeinträchtigten die Unabhängigkeit der Justiz. Richter, Anwälte und ihre Familienangehörigen sind häufig mit Morddrohungen und Angriffen konfrontiert (USDOS 20.4.2018). Nicht nur Polizei Richter, sondern auch Anwälte, können dem Druck einflussreicher Personen, z.B. der Stämme, ausgesetzt sein. Dazu kommt noch Überlastung. Ein Untersuchungsrichter kann beispielsweise die Verantwortung über ein Gebiet von einer Million Menschen haben, was sich negativ auf die Rechtsstaatlichkeit auswirkt (LIFOS 8.5.2014). Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte routinemäßig, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. In zahlreichen Fällen dienen erzwungene Geständnisse als primäre Beweisquelle. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, ist der unzureichende Zugang der Angeklagten zu Verteidigern ein schwerwiegender Mangel im Verfahren. Viele Angeklagte treffen ihre Anwälte zum ersten Mal während der ersten Anhörung und haben nur begrenzten Zugang zu Rechtsbeistand während der Untersuchungshaft. Dies gilt insbesondere für die Anti-Terror-Gerichte, wo Justizbeamte Berichten zufolge versuchen, Schuldsprüche und Urteilsverkündungen für Tausende von verdächtigen IS-Mitgliedern in kurzer Zeit abzuschließen (USDOS 20.4.2018). 2017 endeten viele Schnellverfahren gegen Terrorverdächtige mit Todesurteilen. Zwischen Juli und August 2017 erließen die irakischen Behörden auch Haftbefehle gegen mindestens 15 Rechtsanwälte, die mutmaßliche IS-Mitglieder verteidigt hatten. Den Anwälten wurde vorgeworfen, sie stünden mit dem IS in Verbindung (AI 22.2.2018). Nach Ansicht der Regierung gibt es im Irak keine politischen Gefangenen. Alle inhaftierten Personen sind demnach entweder strafrechtlich verurteilt oder angeklagt oder befinden sich in Untersuchungshaft. Politische Gegner der Regierung behaupteten jedoch, diese habe Personen wegen politischer Aktivitäten oder Überzeugungen unter dem Vorwand von Korruption, Terrorismus und Mord inhaftiert oder zu inhaftieren versucht (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018 -AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, 60

https://www.ecoi.net/de/dokument/1425073.html, Zugriff 13.7.2018 -FH - Freedom House (16.1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 25.7.2018 -LIFOS (8.5.2014): Iraq: Rule of Law in the Security and Legal System, https://landinfo.no/asset/2872/1/2872_1.pdf, Zugriff 13.7.2018 -Stanford - Stanford Law School (2013): Constitutional Law of Iraq, https://law.stanford.edu/wp-content/uploads/2018/04/ILEI-Constitutional-Law- 2013.pdf, Zugriff 12.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 13.7.2018 4.1.Ergänzende Informationen zur Autonomen Region Kurdistan (KRG) Auch die Lage in der Autonomen Region Kurdistan ist von Defiziten der rechtsstaatlichen Praxis gekennzeichnet (AA 12.2.2018). Der Kurdische Justizrat ist rechtlich, finanziell und administrativ unabhängig vom Justizministerium der Regierung der Autonomen Region Kurdistan, die Exekutive beeinflusst jedoch politisch sensible Fälle. Beamte der Region Kurdistan-Irak berichten, dass Staatsanwälte und Verteidiger bei der Durchführung ihrer Arbeit häufig auf Hindernisse stoßen und dass Prozesse aus administrativen Gründen unnötig verzögert werden. Nach Angaben der Unabhängigen Menschenrechtskommission der Region Kurdistan-Irak bleiben Häftlinge auch nach gerichtlicher Anordnungen ihrer Freilassung für längere Zeit in den Einrichtungen des internen Sicherheitsdienstes der kurdischen Regierung (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 13.7.2018 5.Sicherheitskräfte und Milizen Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle ausgeübt (USDOS 20.4.2018). Quellen: - USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on 61

Human Right Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018 5.1.Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter- Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter- Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.4.2018). Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.2.2018). Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzt Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und 62

abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 31.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018 5.2.Volksmobilisierungseinheiten (PMF) Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" (al-hashd al-sha'bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 20.4.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.2.2018). Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.2.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.4.2018). 63

Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haqq und den Kata'ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.2.2018). Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der "Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak" wurde später zum "Obersten Islamischen Rat im Irak" (OIRI), siehe Abschnitt "Politische Lage"]. Die Badr-Organisation wird von Hadi al- Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem (Süß 21.8.2017). Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der PMF. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017). Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US- amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017). Die Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 64

2014 nach der Fatwa von Großayatollah Ali al-Sistani, in der alle junge Männer dazu aufgerufen wurden, sich im Kampf gegen den IS den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten im Irak anzuschließen, von Muqtada as-Sadr gegründet. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017). Auch die Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl al- Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr- Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, den Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feldkommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017). Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017). Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017). In Gebieten, die vom IS 65

zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mosul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018). Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen - oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sind waren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind waren (Posch 8.2017). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 31.10.2018 -ICG - International Crisis Group (30.7.2018): Iraq's Paramilitary Groups: The Challenge of Rebuilding a Functioning State, https://www.crisisgroup.org/middle- east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/iraq/188-iraqs-paramilitary-groups- challenge-rebuilding-functioning-state, Zugriff 31.10.2018 -Posch, Walter (8.2017): Schiitische Milizen im Irak und in Syrien - Volksmobilisierungseinheiten und andere, per E-mail -Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha'bi: Die irakischen "Volksmobilisierungseinheiten" (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht- syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 31.10.2018 66

-USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018 [...] 6.Folter und unmenschliche Behandlung Folter und unmenschliche Behandlung sind laut der irakischen Verfassung ausdrücklich verboten. Im Juli 2011 hat die irakische Regierung die UN-Anti-Folter- Konvention (CAT) unterzeichnet. Folter wird jedoch auch in der jüngsten Zeit von staatlichen Akteuren angewandt, etwa bei Befragungen durch irakische (einschließlich kurdische) Polizei- und andere Sicherheitskräfte. Laut Informationen von UNAMI sollen u. a. Bedrohung mit dem Tod, Fixierung mit Handschellen in schmerzhaften Positionen und Elektroschocks an allen Körperteilen zu den Praktiken gehören. Das im August 2015 abgeschaffte Menschenrechtsministerium hat nach eigenen Angaben 500 Fälle unerlaubter Gewaltanwendung an die Justiz übergeben, allerdings wurden die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Es gibt Berichte. dass die Polizei mit Gewalt Geständnisse erzwingt und Gerichte diese als Beweismittel akzeptieren. Weiterhin misshandeln und foltern die Sicherheitskräfte der Regierung, einschließlich der mit den PMF verbundenen Milizen. Personen während Verhaftungen, Untersuchungshaft und nach Verurteilungen. Internationale Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle von Folter und Misshandlung in Einrichtungen des Innenministeriums und in geringerem Umfang in Haftanstalten des Verteidigungsministeriums sowie in Einrichtungen unter KRG-Kontrolle. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und Menschenrechtsgruppen berichteten von einer Vielzahl von Folterungen und Misshandlungen (USDOS 20.4.2018). Gegen Ende der Kämpfe um Mossul zwischen Mai und Juli 2017 häuften sich Berichte, wonach irakische Einheiten, darunter Spezialkräfte des Innenministeriums, Bundespolizei und irakische Sicherheitskräfte, Männer und Jungen, die vor den Kämpfen flohen, festnahmen, folterten und außergerichtlich hinrichteten (AI 22.2.2018). In ihrem Kampf gegen den IS haben irakische Streitkräfte Hunderte von IS- Verdächtigen gefoltert, hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. Zahlreiche gefangene IS-Verdächtige haben behauptet, die Behörden hätten sie durch Folter zu Geständnissen gezwungen. Während der Militäreinsätze zur Befreiung von Mosul, haben irakische Streitkräfte mutmaßliche IS-Kämpfer, die auf dem Schlachtfeld oder in dessen Umfeld gefangen genommen worden waren, ungestraft gefoltert und hingerichtet, manchmal sogar nachdem sie Fotos und Videos der Misshandlungen auf Social Media Seiten veröffentlicht hatten (HRW 18.1.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, 67

https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018 -AI - Amnesty International (22.2.2018): Jahresbericht 2017/18 Irak, https://wwwamnestv.de/jahresbericht/2018/irak#section-1722159, Zugriff 16.7.2018 -HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Iraq, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq, Zugriff 16.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018 6.1.Autonome Region Kurdistan (KRG) Missbräuchliche Verhöre sollen unter bestimmten Bedingungen in einigen Haftanstalten der internen Sicherheitseinheit der KRG, der Asayish, und der Geheimdienste der großen politischen Parteien, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) Parastin und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) Zanyari stattfinden (USDOS 20.4.2018). Berichten zufolge kommt es in Gefängnissen der Asayish in der Region Kurdistan-Irak zur Anwendung von Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige (AA 12.2.2018). KRG-Behörden haben Buben zwischen 11 und 17 Jahren gefoltert, die wegen angeblicher Verbindungen zum IS verhaftet worden waren, und haben sie daran gehindert, sich an einen Anwalt zu wenden. Nach Angaben der Unabhängigen Menschenrechtskommission der KRG befanden sich in einer Jugendstrafanstalt in Erbil 215 Buben wegen Vorwürfen in Zusammenhang mit dem IS. Die Kommission hat 165 Buben befragt. Die meisten Jugendlichen behaupteten, dass die Sicherheitskräfte von PMF und KRG sie verschiedenen Formen des Missbrauchs, einschließlich Schlägen, ausgesetzt hätten (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 16.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018 [...] 8.NGOs und Menschenrechtsaktivisten Mit Stand August 2018 waren laut irakischer Bundesdirektion für Nichtregierungsorganisationen 3.550 NGOs registriert. In der Autonomen Region 68

Kurdistan betrug die Zahl registrierter NGOs 4.300 Seit 2010 gibt es ein Gesetz zu NGOs, das die Beschränkungen der Auslandsfinanzierung von NGOs erleichtert, die Ablehnung von Registrierungsanträgen einschränkt, strafrechtliche Sanktionen beseitigte, unbegründete Überprüfungen und Inspektionen untersagt, sowie gerichtliche Kontrollen über die Suspendierung von NGOs schuf (ICNL 14.9.2018). Trotz positiver rechtlicher Rahmenbedingungen hat sich im Zuge der seit 2014 anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen das Arbeitsumfeld für Menschenrechtsorganisationen deutlich verschlechtert. Im gesamten Irak existierten allein im Bereich Menschenrechte zuletzt etwa 350 registrierte NGOs. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, unterliegen in ihrer Registrierung keinen besonderen Einschränkungen. Die schwierige Sicherheitslage und weiter bestehende regulatorische Hindernisse erschweren dennoch die Arbeit vieler NGOs. Sie unterliegen der Kontrolle durch die Behörde für Angelegenheiten der Zivilgesellschaft. Zahlreiche NGOs berichten von bürokratischen und intransparenten Registrierungsverfahren, willkürlichem Einfrieren von Bankkonten sowie unangekündigten und einschüchternden "Besuchen" durch Vertreter des Ministeriums. Die Präsenz von ausländischen NGOs im Zentral- und Südirak ist nach wie vor gering. Dies gilt nicht für die Region Kurdistan-Irak, wo viele ausländische NGOs tätig sind, die derzeit aber unter verschärften Kontrollen durch die Zentralregierung in ihrer Arbeit beeinträchtigt sind (AA 12.2.2018). Nationale und internationale NGOs operieren in den meisten Fällen unter geringer staatlicher Einflussnahme, jedoch gibt es Berichte über staatliche Einmischung, wenn NGOs der Regierung oder bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppen Menschenrechtsverletzungen vorwerfen. Im Südirak berichten einige NGOs von Regierungsbeamten, die ihre Arbeit behindert bzw. sie belästigt haben, insbesondere was die Finanzen betrifft. Die kurdische Autonomieregion verfügt über eine aktive Gemeinschaft von meist kurdischen NGOs, viele mit engen Beziehungen zu den politischen Parteien PUK und KDP (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 17.7.2018 -ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (14.9.2018): Civic Freedom Monitor: Iraq, http://www.icnl.org/research/monitor/iraq.html, Zugriff 30.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 16.7.2018 9.Wehrdienst, Rekrutierungen und Wehrdienstverweigerung Im Irak besteht keine Wehrpflicht. Männer zwischen 18 und 40 Jahren können sich 69

freiwillig zum Militärdienst melden (AA 12.2.2018; vgl. CIA 12.7.2018). Nach dem Sturz Saddam Husseins wurde die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und ein Freiwilligen-Berufsheer eingeführt. Finanzielle Anreize machen die Arbeit beim Militär zu einer attraktiven Karriere (Niqash 24.3.2016; vgl. Rudaw 15.12.2015). Laut Kapitel 5 des irakischen Militärstrafgesetzes von 2007 ist Desertion in Gefechtssituationen mit bis zu 7 Jahren Haft strafbar. Das Überlaufen zum Feind ist mit dem Tode strafbar (MoD 10.2007). Die Frage, inwieweit die irakischen Behörden in der Praxis im Falle von Desertion Strafverfolgung betreiben, kann nicht eindeutig beantwortet werden (MIGRI 6.2.2018). Im Zuge des Zusammenbruchs der irakischen Streitkräfte im Jahr 2014 und des dreijährigen Kampfes gegen den IS schlossen sich viele Freiwillige den paramilitärischen Volksmobilisierungseinheiten (PMF) an, was zu einem Rekrutierungswettkampf zwischen dem irakischen Verteidigungsministerium und den Volksmobilisierungseinheiten führte (CEIP 22.7.2015; vgl. ACCORD 22.8.2016). Auch in der Autonomen Region Kurdistan herrscht keine Wehrpflicht. Kurdische Männer und Frauen können sich freiwillig zu den Peshmerga melden (DIS 12.4.2016; vgl. NL 1.4.2018, Clingendael 3.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 17.7.2018 -ACCORD (22.8.2016): Anfragebeantwortung zum Irak: Einberufungsbefehle zum Militärdienst, https://www.ecoi.net/de/dokument/1330910.html, Zugriff 19.7.2018 -CEIP - Carnegie Endowment for International Peace (22.7.2015): Your Country Needs You: Iraq's Faltering Military Recruitment Campaign, http://carnegie- mec.org/diwan/60810lang=en, Zugriff 5.11.2018 -CIA (12.7.2018): World Fact Book: Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the- world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 18.7.2018 -Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (3.2018): Fighting for Kurdistan Assessing the nature and functions of the Peshmerga in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018-03/fighting-for-kurdistan.pdf, Zugriff 19.7.2018 -DIS - Danish Immigration Service (12.4.2016): The Kurdistan Region of Iraq (KRI); Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation; Report from fact finding mission to Erbil, the Kurdistan Region of Iraq (KRI) and Beirut, Lebanon, 26 September to 6 October 2015, https://www.ecoi.net/en/file/local/1302021/1226_1460710389_factfindingreportkurdist anregionofiraq11042016.pdf, Zugriff 5.11.2018 70

-MIGRI - Finnische Immigrationsbehörde, Maahanmuuttovirasto (6.2.2018): Irak FFM Bagdad, Oktober-November 2017, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Irak+tiedonhankintamatka+Bagdadiin+lo ka-marraskuussa+2017.pdf/868c0af1-3c50-4ab2-99e0-a720b079c589, Zugriff 19.7.2018 -MoD - Republic of Iraq, Ministry of Defense (10.2007): Military Penal Code No. 19 of 2007, https://ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl- nat.nsf/implementingLaws.xspdocumentId=9C60EDC34C397A53C1257C080040F11 1&action=openDocument&xp_countryS elected=IQ&xp_topicSelected=GVAL- 992BUA&from=state, Zugriff 19.7.2018 -Niqash (24.3.2016): We would rather immigrate: Cunning Iraqi Plan to Turn Voluntary Militias Into Army Backfires, http://www.niqash.org/en/articles/politics/5227/, Zugriff 18.7.2018 -NL - Niederländisches Außenministerium, Ministerie van Buitenlandse Zaken (1.4.2018): Algemeen Ambtsbericht Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1433698/1226_1527600083_algemeen- ambtsbericht-irak-april-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -Rudaw (15.12.2018): Iraq set out to recruit thousands of new soldiers, http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/15122015, Zugriff 5.11.2018 10.Allgemeine Menschenrechtslage Die Verfassung garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfreiheit. Pressefreiheit. Religionsfreiheit. Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche. soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung. Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert. Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und andere Sicherheitskräfte. Der in der Verfassung festgeschriebene Aufbau von Menschenrechtsinstitutionen kommt weiterhin nur schleppend voran. Die unabhängige Menschenrechtskommission konnte sich bisher nicht als geschlossener und durchsetzungsstarker Akteur etablieren. Internationale Beobachter kritisieren. dass Mitglieder der Kommission sich kaum mit der Verletzung individueller Menschenrechte beschäftigen. sondern insbesondere mit den Partikularinteressen ihrer jeweils eigenen ethnisch-konfessionellen Gruppe. Ähnliches gilt für den Menschenrechtsausschuss im irakischen Parlament. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft (AA 12.2.2018). Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem: Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen durch Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte. insbesondere durch einige Elemente der PMF; Verschwindenlassen und Erpressung durch PMF-Elemente; Folter; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der Meinungsfreiheit. einschließlich der Pressefreiheit; Gewalt gegen Journalisten; weit verbreitete 71

Korruption; stark reduzierte Strafen für so genannte "Ehrenmorde"; gesetzliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen; Menschenhandel. Militante Gruppen töteten bisweilen LGBTI-Personen. Es gibt auch Einschränkungen bei den Arbeitnehmerrechten. einschließlich Einschränkungen bei der Gründung unabhängiger Gewerkschaften (USDOS 20.4.2018). Im Zuge des internen bewaffneten Konflikts begingen Regierungstruppen, kurdische Streitkräfte, paramilitärische Milizen, die US-geführte Militärallianz und der IS auch 2017 Kriegsverbrechen, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwere Menschenrechtsverstöße. Der IS vertrieb Tausende Zivilpersonen, zwang sie in Kampfgebiete und missbrauchte sie massenhaft als menschliche Schutzschilde. Er tötete vorsätzlich Zivilpersonen, die vor den Kämpfen fliehen wollten, und setzte Kindersoldaten ein. Regierungstruppen und kurdische Streitkräfte sowie paramilitärische Milizen waren für außergerichtliche Hinrichtungen von gefangen genommenen Kämpfern und Zivilpersonen, die dem Konflikt entkommen wollten, verantwortlich. Außerdem zerstörten sie Wohnhäuser und anderes Privateigentum. Sowohl irakische und kurdische Streitkräfte als auch Regierungsbehörden hielten Zivilpersonen, denen Verbindungen zum IS nachgesagt wurden, willkürlich fest, folterten sie und ließen sie verschwinden. Prozesse gegen mutmaßliche IS-Mitglieder und andere Personen, denen terroristische Straftaten vorgeworfen wurden, waren unfair und endeten häufig mit Todesurteilen, die auf "Geständnissen" basierten, welche unter Folter erpresst worden waren. Die Zahl der Hinrichtungen war weiterhin besorgniserregend hoch (AI 22.2.2018). Es gibt zahlreiche Berichte, dass der IS und andere terroristische Gruppen, sowie einige Regierungskräfte, einschließlich der PMF, willkürliche oder rechtswidrige Tötungen begangen haben. Es gibt keine öffentlich zugängliche umfassende Darstellung des Umfangs des Problems verschwundener Personen. Obwohl die PMF offiziell unter dem Kommando des Premierministers stehen, operieren einige PMF- Einheiten nur unter begrenzter staatlicher Aufsicht oder Rechenschaftspflicht (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018 -AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1425073.html, Zugriff 28.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018 10.1.Ergänzungen zur Autonomen Region Kurdistan 72

Es gibt zwar eine unabhängige kurdische Menschenrechtskommission, sie beschränkt sich aber eher auf die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und kann selten eine volle Aufklärung oder gar Ahndung gewährleisten (AA 12.2.2018). Der Hohe Ausschuss für die Bewertung und Reaktion auf internationale Berichte überprüfte in der Autonomen Region Kurdistan Anschuldigungen von Misshandlungen durch die Peshmerga, insbesondere gegen IDPs, und entschuldigte sie in öffentlichen Berichten und Kommentaren. Es besteht quasi Straffreiheit für Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte, einschließlich der Peshmerga und PMF (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018 11.Meinungs- und Pressefreiheit Die Verfassung garantiert die Freiheit der Meinungsäußerung (AA 12.2.2018), solange diese nicht die öffentliche Ordnung und Moral verletzt, Unterstützung für die verbotene Ba'ath-Partei ausdrückt oder die gewaltsame Änderung der Grenzen des Landes befürwortet. Einzelpersonen und Medien betreiben jedoch Selbstzensur, aufgrund der glaubwürdigen Angst vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionellen Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden. Kontrolle und Zensur der Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung behindern manchmal den Medienbetrieb, was mitunter die Schließung von Medien, Einschränkungen der Berichterstattung und Behinderung von Internetdiensten zur Folge hat. Einzelpersonen können die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, jedoch nicht ohne Angst vor Vergeltung (USDOS 20.4.2018). Im Irak existiert eine lebendige, aber wenig professionelle, zumeist die ethnisch- religiösen Lagerbildungen nachzeichnende Medienlandschaft, die sich zudem weitgehend in ökonomischer Abhängigkeit von Personen oder Parteien befindet, die regelmäßig direkten Einfluss auf die Berichterstattung nehmen (AA 12.2.2018). Die meisten der mehrere hundert Printmedien, die im Irak täglich oder wöchentlich erscheinen, sowie dutzende Radio- und Fernsehsender, werden von politischen Parteien stark beeinflusst oder vollständig kontrolliert (USDOS 20.4.2018). Es gibt nur wenige politisch unabhängige Nachrichtenquellen. Journalisten, die sich nicht selbst zensieren, können mit rechtlichen Konsequenzen oder gewaltsamen Vergeltungsmaßnahmen rechnen (FH 1.2018). Einige Medienorganisationen berichteten über Verhaftungen und Schikane von 73

Journalisten sowie darüber, dass die Regierung sie davon abhielt, politisch heikle Themen, wie Sicherheitsfragen, Korruption und schwache Regierungskapazitäten, zu behandeln (USDOS 20.4.2018). Das "Gesetz zum Schutz von Journalisten" von 2011 hält unter anderem mehrere Kategorien des Straftatbestands der Verleumdung aufrecht, die in ihrem Strafmaß zum Teil unverhältnismäßig hoch sind. Klagen gegen das Gesetz sind anhängig (AA 12.2.2018). Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ist der Irak für Journalisten eines der gefährlichsten Länder der Welt. Auf ihrem Index für Pressefreiheit kommt der Irak im Jahr 2017 auf Platz 158 von 180. Das Land nimmt im Straflosigkeitsindex (Zeitraum 2007-2016) des Committee to Protect Journalists zudem den weltweit vorletzten Platz in Bezug auf die Aufklärung von Morden an Journalisten ein. Demnach wurden in den letzten zehn Jahren 32 Morde an Journalisten nicht aufgeklärt (AA 12.2.2018). Auch Lehrer sind im Irak seit langem mit der Gefahr von Gewalt oder anderen Auswirkungen konfrontiert, wenn sie Themen unterrichten oder besprechen, die mächtige staatliche oder nicht staatliche Akteure für verwerflich halten. Politischer Aktivismus von Universitätsstudenten kann zu Schikane oder Einschüchterung führen (FH 1.2018). Sozialer, religiöser und politischer Druck schränken die Entscheidungsfreiheit in akademischen und kulturellen Angelegenheiten ein. In allen Regionen des Landes versuchen verschiedene Gruppen die Ausübung der formalen Bildung und die Vergabe von akademischen Positionen zu kontrollieren (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018 11.1.Internet und soziale Medien Es gibt offene staatliche Einschränkungen beim Zugang zum Internet und Berichte (jedoch kein offizielles Eingeständnis), dass die Regierung E-Mail- und Internetkommunikationen ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht (USDOS 20.4.2018). Es gibt Fälle von Vergeltungsmaßnahmen aufgrund von Aussagen bzw. Beiträgen in sozialen Medien (FH 1.2018). Trotz Einschränkungen nutzten politische Persönlichkeiten und Aktivisten das Internet, um korrupte und ineffektive Politiker zu kritisieren, Demonstranten zu mobilisieren und sich über soziale Medien für 74

Kandidaten zu engagieren bzw. Wahlkampf zu betreiben (USDOS 20.4.2018). Es gibt keine Berichte, dass das Ministerium für Kommunikation sozialen Medien Sperren auferlegt hätte (USDOS 20.4.2018). Während Großereignissen wird regelmäßig das Internet für einige Stunden gesperrt (AA 12.2.2018). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq. https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018 11.2.Autonome Region Kurdistan Politische Meinungsäußerung kann in der kurdischen Autonomieregion auch willkürliche Verhaftung oder andere Repressalien von staatlicher Seite auslösen. Journalisten und Medien, die kritisch über die KRG-Führung oder die Krise des Unabhängigkeitsreferendums berichteten, sahen sich mit Verhaftungen. Drohungen und Schließungsanordnungen durch Sicherheitskräfte und Aufsichtsbehörden sowie mit Angriffen von parteizugehörigen Schlägern konfrontiert. Es gab Berichte über Einschüchterungen im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum, insbesondere in den umstrittenen Gebieten, wie Kirkuk (FH 1.2018). Es gibt zahlreiche Fälle von Gewalt, Inhaftierung und Todesdrohungen gegen Medienschaffende. In manchen Fällen trugen die Angreifer Militär- oder Polizeiuniformen (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak. https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225-deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq. https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018 [...] 75

12.Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition 12.1.Versammlungsfreiheit Die Verfassung sieht das Recht auf Versammlung und friedliche Demonstration, "nach den Regeln des Gesetzes" vor (USDOS 20.4.2018). Diese einfach gesetzlichen Bestimmungen fehlen jedoch. Im Alltag wird die Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch das seit dem 7.11.2004 geltende "Gesetz zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit" eingeschränkt, das u. a. die Verhängung eines bis zu 60-tägigen Ausnahmezustands ermöglicht (AA 12.2.2018). Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis zunehmend respektiert, obwohl es immer noch zu tödlicher Gewalt kommt (FH 1.2018). Die gesetzlichen Regelungen schreiben vor, dass die Veranstalter sieben Tage vor einer Demonstration um Genehmigung ansuchen und detaillierte Informationen über Veranstalter, Grund des Protests und Teilnehmer einreichen müssen. Die Vorschriften verbieten jegliche Slogans, Schilder, Druckschriften oder Zeichnungen, die Konfessionalismus, Rassismus oder die Segregation der Bürger zum Inhalt haben. Die Vorschriften verbieten auch alles, was gegen die Verfassung oder gegen das Gesetz verstößt; alles, was zu Gewalt, Hass oder Mord ermutigt; und alles, was eine Beleidigung des Islam, der Ehre, Moral, Religion, heiliger Gruppen oder irakischer Einrichtungen im Allgemeinen darstellt. Die Behörden erteilen Genehmigungen in der Regel in Übereinstimmung mit diesen Vorschriften (USDOS 20.4.2018). Bei den Demonstrationen im Süd- und Zentralirak im Juli 2018 feuerten irakische Sicherheitskräfte mit scharfer Munition auf Demonstranten (AI 19.7.2018). Die größtenteils vom Innenministerium eingesetzten Kräfte verwendeten scheinbar unverhältnismäßige Gewalt, die in Basra zum Tod von drei Menschen führte (HRW 24.7.2018). Auch in Najaf, Simawa und Karbala starben Menschen (CNN 17.7.2018). Auch im September kam es zu Gewalt und Todesopfern, als Sicherheitskräfte auf Demonstranten schossen (AI 7.9.2018). Berichten zufolge werden Demonstranten und Aktivisten von schiitischen Milizen willkürlich festgenommen, eingeschüchtert und bedroht (ToI 23.9.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaerti ges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik- irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -AI - Amnesty International (19.7.2018): Iraq: Security forces deliberately attack peaceful protesters while internet is disabled, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2018/07/iraqsecurity-forces-deliberately- attack-peaceful-protesters-while-internet-is-disabled/, Zugriff 25.10.2018 -AI - Amnesty International (7.9.2018): Iraq: Effective investigations needed into 76

deaths of proteters in Basra, https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1490552018ENGLISH.PDF, Zugriff 25.10.2018 -CNN - Central News Network (17.7.2018): Protests spread, turn deadly in Iraq: At least 8 are dead, dozens hurt, https://edition.cnn.com/2018/07/16/world/iraq-protests- violent/index.html, Zugriff 23.10.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018 -HRW - Human Rights Watch (24.7.2018): Iraq: Security Forces Fire on Protesters, https://www.hrw.org/news/2018/07/24/iraq-security-forces-fire-protesters, Zugriff 25.10.2018 -ToI - Times of Israel (23.9.2018): Iran-backed militias accused of reign of fear in Iraqi Basra, https://www.timesofisrael.com/iran-backed-militias-accused-of-reign-of- fear-in-iraqi-basra/, Zugriff 25.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018 12.2.Vereinigungsfreiheit / Opposition Die Verfassung garantiert, mit einigen Ausnahmen, das Recht auf Gründung von und Mitgliedschaft in Vereinen und politischen Parteien. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen. Ausnahmen betreffen das gesetzliche Verbot von Gruppen, die Unterstützung für die Ba'ath-Partei oder für zionistische Prinzipien bekunden (USDOS 20.4.2018). Belastbare Erkenntnisse über die gezielte Unterdrückung der politischen Opposition durch staatliche Organe liegen nicht vor. Politische Aktivisten berichten jedoch von Einschüchterungen und Gewalt durch staatliche, nichtstaatliche oder paramilitärische Akteure, die abschrecken sollen, neue politische Bewegungen zu etablieren und die freie Meinungsäußerung teils massiv einschränken (AA 12.2.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaerti ges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik- irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 25.10.2018 12.3.Autonome Region Kurdistan 77

In der kurdischen Autonomieregion ist im Raum Erbil und Dohuk eine Oppositionsbewegung kaum existent. Die KDP gilt in weiten Teilen als alternativlos. In der Region um Sulaymaniya und Halabja haben sich in den vergangenen Jahren auch Gruppen von der PUK abgewandt. (AA 12.2.2018) In den KDP-Gebieten finden kaum Demonstrationen statt, da sie meist bereits im Keim erstickt werden. In den PUK-Gebieten, v.a. in der Stadt Sulaymaniya, sind Demonstrationen (beispielsweise gegen Gehaltskürzungen) hingegen keine Seltenheit (AA 12.2.2018). Im Laufe des Jahres 2017 sahen sich Demonstranten mit Verhaftungen und tödlicher Gewalt konfrontiert, insbesondere bei Demonstrationen gegen die Regierung, die infolge der Krise nach dem Unabhängigkeitsreferendum stattfanden und bei denen Angriffe auf staatliche und parteipolitische Einrichtungen verübt wurden. In Sulaymaniya und Halabja wurden im Dezember 2017 mindestens fünf regierungsfeindliche Demonstranten von Sicherheitskräften getötet (FH 1.2018). Auch im März 2018 kam es zu Gewalt gegen Demonstranten und Journalisten bei ausgedehnten Anti-Austeritäts-Protesten in der Autonomen Region Kurdistan (AI 28.3.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaerti ges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik- irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -AI - Amnesty International (28.3.2018): Iraq: Violence against protesters and journalists in Kurdistan Region shows blatant disregard for freedom of expression, https://www.ecoi.net/en/document/1428025.html, Zugriff 25.10.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 25.10.2018 13.Haftbedingungen Die Haftbedingungen entsprechen nicht dem Mindeststandard, wobei die Situation in den Haftanstalten erheblich variiert (AA 12.2.2018). In einigen Gefängnissen und Haftanstalten bleiben die Bedingungen aufgrund von Überbelegung, Misshandlung und unzureichendem Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung hart und lebensbedrohlich. In staatlichen Haftanstalten und Gefängnissen fehlt es zuweilen an ausreichender Nahrung und Wasser. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist uneinheitlich. Einige Haftanstalten verfügten über keine eigene Apotheke oder Krankenstation. Existierende Apotheken sind oft unterversorgt. Die Überbelegung der staatlichen Gefängnisse stellt ein systemisches Problem dar, das durch die Zunahme der Zahl der mutmaßlichen IS-Mitglieder, die im Berichtszeitraum festgenommen wurden, noch verschärft wird. Es gibt keine Unterkünfte für Häftlinge mit Behinderungen. Häftlinge, die des Terrorismus 78

beschuldigt werden, werden vom Rest der Gefangenen isoliert und bleiben häufiger in Gewahrsam des Innen- bzw. Verteidigungsministeriums. (USDOS 20.4.2018) Es fehlt an Jugendstrafanstalten; laut dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz werden jugendliche Häftlinge mittlerweile meist getrennt von erwachsenen Straftätern inhaftiert, ihnen wird aber oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt (AA 12.2.2018) Die UN-Mission für den Irak (UNAMI) konnte ihr Mandat zum Besuch irakischer Haftanstaltennicht umfassend wahrnehmen. Die irakischen Behörden verweigerten in mehreren Fällen den Zugang zu Haftanstalten. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) hat hingegen regelmäßigen und flächendeckenden Zugang (AA 12.2.2018). Die Behörden halten IS-Verdächtige unter überfüllten und in einigen Fällen unmenschlichen Bedingungen fest. Inhaftierte Minderjährige werden in manchen Fällen nicht von Erwachsenen getrennt (HRW 18.1.2018). Berichten zufolge unterhält der nationale Sicherheitsdienst (National Security Service, NSS), ein dem Premierminister unterstellter Geheimdienst, auch inoffizielle Gefangenenlager (BAMF 23.7.2018; vgl. HRW 22.7.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaerti ges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik- irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (23.7.2018): Briefing Notes, per E- Mail -HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Iraq, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq, Zugriff 24.7.2018 -HRW - Human Rights Watch (22.7.2018): Iraq: Intelligence Agency Admits Holding Hundreds Despite Previous Denials, https://www.hrw.org/news/2018/07/22/iraq- intelligence-agencyadmits-holding-hundreds-despite-previous-denials, Zugriff 24.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018 13.1.Autonome Region Kurdistan In den Haftanstalten der Region Kurdistan-Irak (KRG) herrschen etwas bessere Bedingungen, insbesondere in der neugebauten Modellanstalt Dohuk (AA 12.2.2018). Die Bedingungen in vielen kleineren Haftanstalten des KRG- Innenministeriums sind jedoch weiterhin schlecht. In einigen Haftanstalten der Asayish und der Polizei halten KRG-Behörden gelegentlich Jugendliche in denselben 79

Zellen wie Erwachsene fest (USDOS 20.4.2018). In Gefängnissen der Asayisch in der Region Kurdistan-Irak werden Folterpraktiken gegen Terrorverdächtige angewendet. Die Haftbedingungen sind insgesamt sehr schlecht. Allerdings sind Bemühungen der kurdischen Regionalregierung erkennbar, die Haftbedingungen zu verbessern, systematische Folter abzustellen und internationale Standards einzuhalten. Das IKRK hat Zugang zu den Gefängnissen in der Region Kurdistan-Irak (AA 12.2.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaerti ges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik- irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 23.7.2018 14.Todesstrafe Im irakischen Strafrecht ist die Todesstrafe vorgesehen, sie wird auch verhängt und vollstreckt. Irak ist eines der Länder mit der höchsten Zahl von verhängten Todesstrafen (AA 12.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018, AI 12.4.2018). Aktuelle Daten liegen nicht vor, da die irakische Regierung die Zahlen nicht mehr regelmäßig an die Vereinten Nationen berichtet und, auch auf Nachfrage, keine verlässlichen Angaben macht. Laut Berichten von NGOs sind 1.816 Personen aktuell zum Tode verurteilt (AA 12.2.2018), gemäß einer anderen Quelle sind es sogar über 3.000 (AI 21.3.2018). Human Rights Watch berichtet von mindestens 78 Hinrichtungen von verurteilten IS-Mitgliedern im Jahr 2017. Es gibt jedoch seit Kurzem Berichte über wöchentlich 3-4 Vollstreckungen der Todesstrafe, was die jährliche Zahl verdoppeln würde (AA 12.2.2018). Hintergrund könnte sein, dass aktuell insbesondere ehemalige IS-Kämpfer - oder Personen die dessen beschuldigt werden - massenhaft in unzulänglichen Prozessen zu Tode verurteilt werden (AA 12.2.2018; vgl. AI 21.3.2018). Problematisch sind bereits seit Jahren die Bandbreite und die mitunter fehlende rechtliche Klarheit der Straftatbestände, für die die Todesstrafe verhängt werden kann: neben Mord und Totschlag unter Anderem auch wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Aktivitäten, Vergewaltigung, Einsatz von chemischen Waffen und insbesondere wegen terroristischer Aktivitäten unterschiedlicher Art. Die Todesstrafe stößt in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz (AA 12.2.2018). Autonome Region Kurdistan 80

In der Autonomen Region Kurdistan wurde nach dem Fall des Regimes Saddam Husseins die Todesstrafe abgeschafft, später aber zur Bekämpfung des Terrorismus wieder eingeführt. Am 12. August 2015 wurden erstmals seit 2008 wieder drei Menschen hingerichtet. Auch im Jahr 2017 wurde ein Todesurteil durch den Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan zur Vollstreckung freigegeben, die Vollstreckung ist bisher aber noch nicht erfolgt (AA 12.2.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaerti ges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik- irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 23.7.2018 -AI - Amnesty International (21.3.2018): Iraq: Alarming reports of more than 3,000 people facing death over terror-related offences, https://www.ecoi.net/en/document/1427328.html, Zugriff 25.7.2018 -AI - Amnesty International (12.4.2018): Death sentences and executions 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1429291/90_1523523827_act5079552018english.p df, Zugriff 25.7.2018 -HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Iraq, https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/iraq, Zugriff 25.7.2018 15.Religionsfreiheit Die Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Gemäß Art. 2 Abs. 1 ist der Islam Staatsreligion und eine Hauptquelle der Gesetzgebung (AA 12.2.2018). Es darf kein Gesetz erlassen werden das den "erwiesenen Bestimmungen des Islams" widerspricht (USDOS 29.5.2018; vgl. RoI 15.10.2005). In Abs. 2 wird das Recht einer jeden Person auf Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht auf deren Ausübung garantiert. Explizit erwähnt werden in diesem Zusammenhang Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer, jedoch nicht Anhänger anderer Religionen (RoI 15.10.2005; vgl. USDOS 29.5.2018). Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Irak fest, betont aber auch den arabisch- islamischen Charakter des Landes (AA 12.2.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018). Art. 43 verpflichtet den Staat zum Schutz der religiösen Stätten. Das Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie z. B. den Abfall vom Islam; auch spezielle, in anderen islamischen Ländern existierende Straftatbestände, wie z.B. die Beleidigung des Propheten, existieren nicht (AA 12.2.2018). Das Zivilgesetz sieht einen einfachen Prozess für die Konversion eines Nicht- Muslims zum Islam vor. Die Konversion eines Muslims zu einer anderen Religion ist jedoch gesetzlich verboten (USDOS 29.5.2018). 81

Die folgenden religiösen Gruppen werden durch das Personenstandsgesetz anerkannt: Muslime, chaldäische Christen, assyrische Christen, assyrisch- katholische Christen, syrisch-orthodoxe Christen, syrisch-katholische Christen, armenisch-apostolische Christen, armenisch-katholische Christen, römisch- orthodoxe Christen, römisch-katholische Christen, lateinisch-dominikanische Christen, nationale Protestanten, Anglikaner, evangelisch-protestantische Assyrer, Adventisten, koptisch-orthodoxe Christen, Jesiden, Sabäer-Mandäer und Juden. Die staatliche Anerkennung ermöglicht es den Gruppen, Rechtsvertreter zu bestellen und Rechtsgeschäfte wie den Kauf und Verkauf von Immobilien durchzuführen. Alle anerkannten religiösen Gruppen haben ihre eigenen Personenstandsgerichte, die für die Behandlung von Ehe-, Scheidungs- und Erbschaftsfragen zuständig sind. Laut der jesidischen NGO Yazda gibt es jedoch kein Personenstandsgericht für Jesiden (USDOS 29.5.2018). Das Gesetz verbietet die Ausübung des Bahai-Glaubens und der wahhabitischen Strömung des sunnitischen Islams (USDOS 29.5.2018; vgl. UNHCR 15.1.2018). Die alten irakischen Personalausweise enthielten Informationen zur Religionszugehörigkeit einer Person, was von Menschenrechtsorganisationen als Sicherheitsrisiko im aktuell herrschenden Klima religiös-konfessioneller Gewalt kritisiert wurde. Mit Einführung des neuen Personalausweises wurde dieser Eintrag zeitweise abgeschafft. Mit Verabschiedung eines Gesetzes zum neuen Personalausweis im November 2015 wurde allerdings auch wieder ein religiöse Minderheiten diskriminierender Passus aufgenommen: Art. 26 besagt, dass Kinder eines zum Islam konvertierenden Elternteils automatisch auch als zum Islam konvertiert geführt werden (AA 12.2.2018). Es wird berichtet, dass das Gesetz faktisch zu Zwangskonvertierungen führt, indem Kinder mit nur einem muslimischen Elternteil (selbst Kinder, die infolge von Vergewaltigung geboren wurden) als Muslime angeführt werden müssen. Christliche Konvertiten berichten auch, dass sie gezwungen sind, ihr Kind als Muslim zu registrieren oder das Kind undokumentiert zu lassen, was die Berechtigung auf staatliche Leistungen beeinträchtigt (USDOS 29.5.2018). Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im irakischen Parlament vertreten. Grundlage bildet ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie jeweils einen Sitz für Jesiden, Sabäer, Mandäer und Schabak). Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und assyrische Christen sowie einen für Armenier vor (AA 12.2.2018). Es gibt weiterhin Berichte, dass die irakischen Sicherheitskräfte (ISF), einschließlich der Peshmerga und schiitischer Milizen, sunnitische Gefangene töten. Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfahren festzuhalten. Internationale Menschenrechtsorganisationen erklären, dass die Regierung es immer noch verabsäumt ethnisch-konfessionelle Verbrechen zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, einschließlich Verbrechen, die von bewaffneten Gruppen in den vom IS befreiten Gebieten ausgeübt wurden. Sunnitische Araber berichten weiterhin, dass manche Regierungsbeamte bei 82

Festnahmen und Inhaftierungen konfessionelles Profiling vornehmen, sowie Religion als bestimmenden Faktor bei der Vergabe von Arbeitsplätzen benützen (USDOS 29.5.2018). Minderheiten sind auch weiterhin mit Belästigungen, einschließlich sexueller Übergriffe, und Einschränkungen durch lokale Behörden in einigen Regionen konfrontiert. Da Religion, Politik und Ethnizität oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, viele Vorfälle als ausschließlich auf religiöser Identität beruhend zu kategorisieren. Einige Jesiden und christliche Führer berichten von Belästigungen und Misshandlungen durch kurdische Sicherheitskräfte, einschließlich Anforderungen für Sicherheitsgenehmigungen, die von den Asayish auferlegt werden und die die Bewegungsfreiheit von Jesiden zwischen der Provinz Dohuk und dem Sinjar-Gebiet einschränken. Christen berichten von Belästigungen und Misshandlungen an zahlreichen Checkpoints, die von Einheiten der Volksmobilisierungseinheiten (PMF) betriebenen werden. Dadurch wird die Bewegungsfreiheit im Gebiet der Ninewa- Ebene behindert (USDOS 29.5.2018). Christen und Jesiden geben an, dass die Zentralregierung in Bagdad eine gezielte demografische Veränderung fördert, indem sie Schiiten mit Land und Häusern ausstattet, damit diese in traditionell christliche Gebiete ziehen (USDOS 29.5.2018). Vertreter religiöser Minderheiten berichten, dass die Zentralregierung im Allgemeinen nicht in religiöse Handlungen eingreift und sogar für die Sicherheit von Gotteshäusern und anderen religiösen Stätten, einschließlich Kirchen, Moscheen, Schreinen, religiösen Pilgerstätten und Pilgerrouten, sorgt (USDOS 29.5.2018). Atheismus, Agnostizismus, Kritik an konfessioneller Politik Das irakische Strafgesetzbuch enthält keine Artikel, die eine direkte Bestrafung für Atheismus vorsehen. Es gibt auch keine speziellen Gesetze, die Strafen für Atheisten vorsehen. (Al-Monitor 1.4.2018; vgl. EASO 7.2017, EASO 11.4.2018, Landinfo 29.8.2018). Die irakische Verfassung garantiert Atheisten nicht die freie Glaubensausübung (USDOS 29.5.2018). Im März 2018 wurden in Dhi Qar Haftbefehle gegen vier Iraker aufgrund von Atheismus-Vorwürfen erlassen (Al- Monitor 1.4.2018). Der Irak ist ein zutiefst religiöses Land, in dem Atheismus selten ist (PRI 17.1.2018; vgl. RDC 31.1.2018). Trotzdem berichten Universitätsstudenten landesweit, dass es noch nie so viele Atheisten im Irak gegeben habe wie heute (WZ 9.10.2018). Obwohl in der Bevölkerung verschiedene Grade der Religiosität vertreten sind und ein Segment der Iraker eine säkulare Weltanschauung vertritt, ist es dennoch selten, dass sich jemand öffentlich zum Atheismus bekennt. Die meisten Atheisten verstecken ihre Identität. Manchmal sagen sie, dass sie Muslime seien, insgeheim sind sie jedoch Atheisten (EASO 7.2017). Viele Geistliche, die islamischen politischen Parteien nahe stehen, haben missverständliche Vorstellungen zu dem Thema und bezeichnen z.B. oft den Säkularismus als Atheismus (Al-Monitor 1.4.2018). 83

Einige Politiker führender konfessioneller Parteien verurteilten Säkularismus und Atheismus und reagierten damit offenbar auf einen Wandel in der öffentlichen Meinung nach dem IS-Konflikt, gegen religiösen Extremismus und den politischen Islam (FH 1.2018). Berichten zufolge gibt es auch eine wachsende Bewegung von Agnostikern. Dazu kommen viele Menschen, die zwar bestimmte religiöse Erscheinungen oder Überzeugungen kritisieren, den generellen Rahmen der Religiosität jedoch nicht aufgeben (Al-Monitor 6.3.2014). Eine wachsende Gruppe junger Iraker spricht frei über Säkularismus, Atheismus und den Bedarf ihres Landes an nicht-konfessionellen Institutionen. Während ihr Einfluss begrenzt ist, spiegelt ihre Frustration über die konfessionelle Politik einen breiteren Trend im Land wider. Die Welle des "Facebook- Säkularismus" muss die irakische Politik jedoch erst erreichen (Defense One 5.7.2018). Anm.: Weiterführende Informationen zur Situation einzelner religiöser Minderheiten können dem Kapitel Minderheiten entnommen werden. Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -Al-Monitor (1.4.2018): Iraqi courts seeking out atheists for prosecution, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/03/atheists-iraq-human-rights.html, Zugriff 24.10.2018 -Al-Monitor (6.3.2014): Iraqi atheists demand recognition, guarantee of their rights, https://www.al-monitor.com/pulse/en/contents/articles/originals/2014/03/iraq-atheism- spread-rights-recognition.html, Zugriff 24.10.2018 -Defense One (5.7.2018): The Rise of Iraq's Young Secularists, https://www.defenseone.com/ideas/2018/07/rise-iraqs-young- secularists/149507/oref=d-channeltop, Zugriff 24.10.2018 -EASO - European Asylum Support Office (11.4.2018): Iraq: COI Query Response on atheism, especially in Baghdad (treatment of atheists by non-state and state actors and militias; state protection), https://www.ecoi.net/en/file/local/1429402/5228_1523539284_66-q-iraq-atheism.pdf, Zugriff 25.7.2018 -EASO - European Asylum Support Office (7.2017): EASO COI Meeting Report: Iraq; Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90 1501570991 easo-2017-07-iraq- meeting-report.pdf, Zugriff 5.11.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Iraq, 84

https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 29.10.2018 -Landinfo (29.8.2018): Irak: Apostasi og ateisme, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442030/4792_1535643188_irak-respons-apostasi- og-ateisme-grha-29082018.pdf, Zugriff 24.10.2018 -PRI - Public Radio International (17.1.2018): ISIS turned this young Iraqi Christian into an atheist, https://www.pri.org/stories/2018-01-17/isis-turned-young-iraqi- christian-atheist, Zugriff 24.10.2018 -RDC - Refugee Documentation Centre Ireland (31.1.2018): Iraq - Treatment of atheists including by ISIS, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423773/1788_1518009737_3101.pdf, Zugriff 24.10.2018 -RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 5.11.2018 -UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (15.1.2018): Situation of Christians in Baghdad, http://www.refworld.org/docid/5a66f80e4.html, Zugriff 29.8.2018 -USDOS - United States Department of State (29.5.2018): International Religious Freedom Report 2017 - Iraq, https://www.state.goV/j/drl/rls/irf/2017/nea/280984.html, Zugriff 26.7.2018 -WZ - Wiener Zeitung (9.10.2018): Schlüsselland Irak, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/994916-Schluesselland- Irak.html, Zugriff 24.10.2018 16.Minderheiten In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.2.2018). Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen (AA 12.2.2018). Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan, oft benachteiligt (AA 12.2.2018). Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA 12.2.2018). Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller 85

Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv (siehe unten). Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen - eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnisch¬konfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.2.2018). Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.2.2018). In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.2.2018; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017). Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.2.2018). Im Zusammenhang mit der Rückeroberung von Gebieten aus IS-Hand wurden problematische Versuche einer ethnisch-konfessionellen Neuordnung unternommen, besonders in der ethnisch-konfessionell sehr heterogenen Provinz Diyala (AA 12.2.2018). 86

[...] Dazu muss hervorgehoben werden, dass ein und dieselbe Gruppe in einer Gegend eine Minderheit sein, in einer anderen jedoch die Mehrheitsbevölkerung stellen kann und umgekehrt (Lattimer EASO 26.4.2017; vgl. Prochazka 11.8.2014). Durch den Vorstoß des IS und seiner aktiven Kampagne zur Umwälzung der religiösen Demografie des Landes kam es zu drastischen Veränderungen in der konfessionellen und ethnischen Verteilung der Bevölkerung im Irak (FH 2018; vgl. Ferris und Taylor 8.9.2014). Viele Schiiten und religiöse Minderheiten, die vom IS vertrieben wurden, sind bis heute nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Rückkehr irakischer Streitkräfte in Gebiete, die seit 2014 von kurdischen Streitkräfte gehalten wurden, führte Ende 2017 zu einer weiteren Runde demografischer Veränderungen, wobei manche kurdischen Bewohner auszogen und Araber zurückkehrten. In Gebieten, die von schiitischen Milizen befreit wurden, gab es wiederum Berichte von der Vertreibung sunnitischer Araber. Dasselbe gilt für Gebiete, die von den kurdischen Peshmerga befreit wurden (FH 2018; vgl. GNI 20.11.2016). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018 -BMI - Bundesministerium für Inneres; BMLVS - Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (2016 - Stand Irak: 2014): Atlas: Middle East & North Africa, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf, Zugriff 17.8.2018 -Ferris und Taylor (8.9.2014): The Past and Future of Iraq's Minorities, https://www.brookings.edu/opinions/the-past-and-future-of-iraqs-minorities/, Zugriff 17.8.2018 -FH - Freedom House (2018): Freedom in the World, 2018: Iraq Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 17.8.2018 -GNI - Gulf News Iraq (20.11.2016): Kirkuk, Mosul and the ever-changing demographics of Iraq, https://gulfnews.com/news/mena/iraq/kirkuk-mosul-and-the- ever-changing-demographics-of-iraq-1.1930570, Zugriff 17.8.2018 -KAS - Konrad Adenauer Stiftung (8.2017): Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten in Kurdistan-Irak, http://www.kas.de/wf/doc/kas_50065-1522-1- 30.pdf170918113417, Zugriff 17.8.2018 -Lattimer EASO (26.4.2017): Minorities and Vulnerable Groups - EASO COI Meeting Report Iraq: Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq- meeting-report.pdf, Zugriff 12.9.2018 87

-MRG - Minority Rights Group International (5.2018): Iraq - Minorities and indigenous peoples, http://minorityrights.org/country/iraq/, Zugriff 17.8.2018 -Prochazka (11.8.2014): Religiöse Minderheiten in arabischen Staaten - Historie und aktuelle Situation, https://blog.univie.ac.at/religioese-minderheiten-in-arabischen- staaten-historie-und-aktuelle-situation/, Zugriff 17.8.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018 [...] 18.Bewegungsfreiheit Die irakische Verfassung und andere nationale Rechtsinstrumente erkennen das Recht aller Bürger auf Freizügigkeit, Reise- und Aufenthaltsfreiheit im ganzen Land an (USDOS 20.4.2018). Die Bewegungsfreiheit verbesserte sich etwas, nachdem die vom IS kontrollierten Gebiete wieder unter staatliche Kontrolle gebracht wurden (FH 1.2018). Die Regierung respektiert das Recht auf Bewegungsfreiheit jedoch nicht konsequent. In einigen Fällen beschränken die Behörden die Bewegungsfreiheit von Vertriebenen und verbieten Bewohnern von IDP-Lagern, ohne eine Genehmigung das Lager zu verlassen. Das Gesetz erlaubt es den Sicherheitskräften, die Bewegungsfreiheit im Land einzuschränken, Ausgangssperren zu verhängen, Gebiete abzuriegeln und zu durchsuchen. Es gab zahlreiche Berichte, dass Sicherheitskräfte (ISF, Peshmerga, PMF) Bestimmungen, die Aufenthaltsgenehmigungen vorschreiben, um die Einreise von Personen in befreite Gebiete unter ihrer Kontrolle zu beschränken, selektiv umgesetzt haben (USDOS 20.4.2018). Die kurdische Autonomieregierung schränkt die Bewegungsfreiheit in den von ihr verwalteten Gebieten ein (USDOS 20.4.2018). Innerirakische Migration aus dem Zentralirak in die Autonome Region Kurdistan ist grundsätzlich möglich. Durch ein Registrierungsverfahren wird der Zuzug jedoch kontrolliert. Wer dauerhaft bleiben möchte, muss sich bei der Asayish-Behörde des jeweiligen Bezirks anmelden. Informationen über die Anzahl der Anträge und Ablehnungen werden nicht veröffentlicht (AA 12.2.2018). Die Behörden verlangen von Nicht-Ortsansässigen, Genehmigungen einzuholen, die einen befristeten Aufenthalt in der Autonomieregion erlauben. Diese Genehmigungen waren in der Regel erneuerbar. Bürger, die eine Aufenthaltserlaubnis für die Autonome Region Kurdistan bzw. die von ihr kontrollierten Gebiete einholen wollen, benötigen einen in der Region ansässigen Bürgen. Bürger, die aus dem Zentral- oder Südirak in die Autonome Region Kurdistan einreisen (egal welcher ethno-religiösen Gruppe sie angehörten, auch Kurden) müssen Checkpoints passieren und Personen- und Fahrzeugkontrollen über sich ergehenlassen (USDOS 20.4.2018). Die Behörden der Autonomen Region Kurdistan wenden Beschränkungen unterschiedlich streng an. Die Wiedereinreise von IDPs und Flüchtlingen wird - je 88

nach ethno-religiösem Hintergrund und Rückkehrgebiet - mehr oder weniger restriktiv gehandhabt. Beamte hindern Personen, die ihrer Meinung nach ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, an der Einreise in die Region. Die Einreise ist für Männer oft schwieriger, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen (USDOS 20.4.2018). Aufgrund militärischer Operationen gegen den IS erhöhten die irakischen Streitkräfte, PMF und Peshmerga die Zahl der Checkpoints und errichteten in vielen Teilen des Landes provisorische Straßensperren (USDOS 20.4.2018). Diese Checkpoints unterliegen oft undurchschaubaren Regeln verschiedenster Gruppierungen (NYT 2.4.2018). Der IS richtet falsche Checkpoints ein, um Zivilisten zu entführen bzw. Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten zu verüben (albawaba 12.3.2018; vgl. GardaWorld 29.3.2018, Kurdistan24 29.3.2018, Iraqi News 28.6.2018). In Bagdad selbst sollen seit Dezember 2017 hingegen 305 Checkpoints und Straßensperren entfernt worden sein. Über tausend Straßen sind in Bagdad seit dem offiziellen Sieg über den IS wieder geöffnet worden (AAA 8.8.2018; vgl. AAA 29.1.2018, Iraqi News 29.1.2018). Die Regierung verlangt von Bürgern, die das Land verlassen, eine Ausreisegenehmigung. Diese Vorschrift wird jedoch nicht routinemäßig durchgesetzt (USDOS 20.4.2018). An den Grenzen zu den Nachbarstaaten haben sich in den letzten Monaten immer wieder Änderungen der Ein- und Ausreisemöglichkeiten, Kontrollen, Anerkennung von Dokumenten etc. ergeben. Nach wie vor muss mit solchen Änderungen - auch kurzfristig - gerechnet werden (AA 12.2.2018). Die Bewegungsfreiheit von Frauen wird im Allgemeinen durch Recht und Brauchtum nicht respektiert. So hindert das Gesetz Frauen beispielsweise daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen. In den vom IS kontrollierten Gebieten war es Frauen angeblich verboten, ihr Zuhause ohne männlichen Verwandten zu verlassen (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -AAA - Asharq Al-Awsat (29.1.2018): Iraq Reopens 600 Main Streets, Lifts 281 Security Checkpoints in Baghdad, https://aawsat.com/english/home/article/1158316/iraq-reopens-600-main-streets-lifts- 281-security-checkpoints-baghdad, Zugriff 5.10.2018 -AAA - Asharq Al-Awsat (8.8.2018): Removal of Roadblocks in Iraq's Capital Oils Traffic and Trade, https://aawsat.com/english/home/article/1356981/removal- roadblocks-iraqs-capital-oils-traffic-and-trade, Zugriff 5.10.2018 89

-albawaba (12.3.2018): ISIS Kills 10 Civilians at Fake Checkpoint in Eastern Iraq, https://www.albawaba.com/news/isis-kills-10-civilians-fake-checkpoint-eastern-iraq- 1101032, Zugriff 5.10.2018 -FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 -Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/1442330.html, Zugriff 29.10.2018 -GardaWorld (29.3.2018): Iraq: Increasing IS attacks on fake checkpoints in north, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/104516/iraq-increasing-is-attacks-on- fake-checkpoints-in-north, Zugriff 5.10.2018 -Iraqi News (29.1.2018): Iraq plans to remove 300 checkpoints, erect security fence in Baghdad, https://www.iraqinews.com/iraq-war/iraq-uncovers-plan-remove-300- checkpoints-set-security-fence-around-baghdad/, Zugriff 5.10.2018 -Iraqi News (28.6.2018): 17 Islamic State militants killed as they set fake checkpoint to kidnap civilians, near Mosul, https://www.iraqinews.com/iraq-war/17-islamic-state- militants-killed-as-they-set-fake-checkpoints-to-kidnap-civilians-near-mosul/, Zugriff 5.10.2018 -Kurdistan24 (29.3.2018): IS ambush at another fake checkpoint leaves five Iraqi forces dead, http://www.kurdistan24.net/en/news/995d414a-88be-42ec-be9b- b3cf84e2bac5, Zugriff 5.10.2018 -NYT - New York Times (2.4.2018): In Iraq, I Found Checkpoints as Endless as the Whims of Armed Men, https://www.nytimes.com/2018/04/02/magazine/iraq-sinjar- checkpoints-militias.html, Zugriff 5.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018 19.IDPs und Flüchtlinge Seit Jänner 2014 hat der Krieg gegen den IS im Irak die Vertreibung von ca. sechs Millionen Irakern verursacht, rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes (IOM 4.9.2018). Ende September 2018 betrug die Zahl der weiterhin intern Vertriebenen noch 1,89 Millionen (IOM 30.9.2018). Dabei handelt es sich um die niedrigste Zahl an IDPs seit Ende 2014 (IOM 4.9.2018). Die Zahl der Vertriebenen sinkt seit der zweiten Hälfte des Jahres 2017 sukzessive (UNHCR 31.8.2018; vgl. UNHCR 31.7.2018, IOM 30.9.2018); die Zahl der Rückkehrer ist mittlerweile auf 4 Millionen gestiegen (IOM 30.9.2018). Bis zu einer Million Menschen bleiben weiterhin aus dem konfessionellen Konflikt von 2006-08 vertrieben (USDOS 20.4.2018). Die Regierung und internationale Organisationen, einschließlich UN-Einrichtungen und NGOs, versuchen, IDPs Schutz und andere Hilfe zu gewähren. Eine hohe Anzahl von IDPs außerhalb der Lager belastet die Ressourcen der Gastgebergemeinden (USDOS 20.4.2018). Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Zahlen an IDPs im Irak von März 2014 90

bis September 2018. Das Diagramm mit den blauen Balken links unten veranschaulicht die Verteilung der IDPs auf die jeweiligen Provinzen. http://iraqdtm.iom.int/IDPsML.asp [Grafik gelöscht, Anm.] Wie den folgenden Grafiken zu entnehmen ist, sind die Provinzen mit den höchsten Zahlen an IDPs Ninewa, gefolgt von Dohuk, Erbil, Salah al-Din, Sulaymaniya, Kirkuk, Bagdad, Anbar und Diyala (IOM 30.9.2018; vgl. UNOCHA 31.8.2018, IOM 4.9.2018). http://iraqdtm.iom.int/DTMDisplacementDashboards.asp [Grafik gelöscht, Anm.] https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iraq_idps_and_returnees_by_go vernorate_dtm-iom_round_102_aug31_2018.pd [Grafik gelöscht, Anm.] Anfang 2018 lag die Rückkehrrate noch bei ca. 200.000 Menschen pro Monat. Diese Zahl hat sich seither drastisch verringert. So kehrten im März 2018 beispielsweise 112.446 Menschen in ihre Heimat zurück, von April bis Mai 2018 durchschnittlich 79.000 pro Monat, von Juni bis Juli 45.871. Im August 2018 lag die Zahl der Rückkehrer bei 33.528 Menschen (Joel Wing 19.9.2018). Verschiedene Hilfsorganisationen berichten über eine Änderung der Einstellung von IDPs. Ursprünglich erklärte eine Mehrheit, sie würden zurückkehren, sobald der Krieg gegen den IS vorbei sei. Jetzt sind sie besorgt aufgrund der Sicherheit, dem Mangel an Dienstleistungen, zerstörten Häusern, wenig Arbeitsplätzen und wenig Geld. Es gibt auch eine beträchtliche Anzahl an IDPs, denen die Rückkehr verweigert wird, weil ihnen vorgeworfen wird, mit dem IS in Verbindung zu stehen. Darüber hinaus gibt es Menschen, die in ihre ursprünglichen Gebiete zurückgereist sind, die Situation dort jedoch als mangelhaft wahrgenommen haben und wieder in die Binnenvertreibung zurückgekehrt sind (Joel Wing 19.9.2018). Der Großteil der verbliebenen IDPs hat keine unmittelbaren Pläne zur Rückkehr (IOM 26.6.2018; vgl. REACH 29.8.2018, Joel Wing 11.10.2018). Schwierige Rückkehrbedingungen finden sich unter anderem in Sinjar Zentrum, Telafar Zentrum, West Mosul, al-Ba'aj, im Wüsten-Streifen von al-Tal, Hatra (Hadr) und Muhallabiyya (Provinz Ninewa); in Baiji, Tuz Khurmatu/Sulayman Beg und Balad/Duloeiya (Provinz Salah al-Din); in Taza Khurmatu, Hawija Zentrum und al-'Abassi (Provinz Kirkuk); in al-Adheim und Sa'adiya/Jalawla (Provinz Diyala); und im Falludscha-Ramadi Streifen sowie in Ana Zentrum (Provinz Anbar) (IOM 9.2018). In einigen Gebieten behindern Gewalt und Unsicherheit sowie langjährige politische, stammes- und konfessionelle Spannungen die Fortschritte bei der nationalen Aussöhnung und erschweren den Schutz von IDPs. Tausende von Familien haben mehr als eine Vertreibung erlebt, und viele waren gezwungen, auf der Suche nach Schutz über die Grenzen der jeweiligen Provinz hinaus zu ziehen. Zwangsvertreibungen, kombiniert mit dem langwierigen und weitgehend ungelösten Problem von Millionen von Menschen, die in den letzten Jahrzehnten entwurzelt wurden, haben eine destabilisierende Wirkung auf die ohnehin schon komplexe soziale und politische Dynamik des Landes. Dies belastet die Kapazitäten der lokalen Behörden und offenbart die Grenzen der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen (USDOS 20.4.2018). 91

Sowohl Vertriebene als auch Rückkehrer sind vulnerabel und auf humanitäre Hilfe angewiesen, um ihren Lebensunterhalt wiederzuerlangen und ihre Familien ernähren zu können (IOM 4.9.2018). Die Regierung stellt vielen - aber nicht allen - IDPs, auch in der kurdischen Autonomieregion, Nahrungsmittel, Wasser und finanzielle Hilfe zur Verfügung. Viele IDPs leben in informellen Siedlungen, wo sie keine ausreichende Versorgung mit Wasser, sanitären Einrichtungen oder anderen wichtigen Dienstleistungen erhalten (USDOS 20.4.2018). Alle Bürger sind berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des Public Distribution System (PDS) zu erhalten. Die Behörden verteilen aber nicht jeden Monat alle Waren, und nicht alle IDPs können in jeder Provinz auf Lebensmittel aus dem Public Distribution System (PDS) zugreifen. Die Bürger können die PDS- Rationen nur an ihrem Wohnort und in ihrer eingetragenen Provinz einlösen, was zu einem Verlust des Zugangs und der Ansprüche aufgrund von Vertreibungen führt (USDOS 20.4.2018). Personen, die sich nicht als IDPs an ihrem Wohnort registriert haben, verfügen manchmal nur über einen begrenzten Zugang zu staatlichen Leistungen. Die lokalen Behörden entscheiden oft darüber, ob IDPs Zugang zu örtlichen Leistungen erhalten. Humanitäre Organisationen berichten, dass einige IDPs mangels erforderlicher Unterlagen Schwierigkeiten bei der Registrierung haben. Viele Bürger, die zuvor in den vom IS kontrollierten Gebieten gelebt haben, besitzen keine Personenstandsdokumente, was die Schwierigkeit, einen Ausweis und andere persönliche Dokumente zu erhalten, noch vergrößerte. Durch die Bereitstellung von Rechtshilfe unterstützen die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen IDPs bei der Beschaffung von Dokumenten und der Registrierung bei Behörden, um den Zugang zu staatlichen Leistungen zu verbessern (USDOS 20.4.2018). [...] Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -IOM - International Organization for Migration (26.6.2018): Returns Continue While Obstacles to Return Remain in Iraq: IOM, https://www.iom.int/news/returns-continue- while-obstacles-return-remain-iraq-iom, Zugriff 11.10.2018 -IOM - International Organization for Migration (9.2018): Return Index: Findings Round 1 | Iraq, http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Return%20Index%20Briefing%20Round%201 %20FindingsSeptember%202018.pdf, Zugriff 11.10.2018 -IOM - International Organization for Migration (4.9.2018): Iraq Displacement Figures Drop Below Two Million for First Time Since 2014; Nearly Four Million Have Returned 92

Home, https://www.iom.int/news/iraq-displacement-figures-drop-below-two-million- first-time-2014-nearly-fpur-million-have, Zugriff 5.10.2018 -IOM - International Organization for Migration (30.9.2018): Iraq Mission: Displacement Tracking Matrix (DTM): IDPs, http://iraqdtm.iom.int/IDPsML.aspx, Zugriff 5.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (31.8.2018): More Evidence Iraq Reaching Tipping Point With Displaced, Few Want To Return Home, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/08/more-evidence-iraq-reaching- tipping.html, Zugriff 11.10.2018 -Joel Wing - Musings on Iraq (19.9.2018): Number Of Displaced In Iraq Returning Home Declined Again, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/09/number-of- displaced-in-iraq-returning.html, Zugriff 11.10.2018 -REACH Initiative (29.8.2018): Majority of IDPs living outside of displacement camps have no intention of returning home - Findings from Dahuk, Erbil, Ninewa, Salah al- Din and Sulaymaniyah, http://www.reach-initiative.org/iraq-majoritv-of-idps-living-out- of-displacement-camps-have-no-intention-of-returning-home-findings-from-dahuk- erbil-ninewa-salah-al-din-and-sulaymaniyah, Zugriff 11.10.2018 -UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (31.7.2018): Iraq Protection Update - July 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/20180820%20Iraq%20Protectio n%20Update%20-%20Julv%202018.pdf, Zugriff 11.10.2018 -UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (31.8.2018): Iraq Protection Update August 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/20180919%20Iraq%20Protectio n%20Update%20-%20August%202018.pdf, Zugriff 11.10.2018 -UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.8.2018): Iraq: Internally displaced people by governorate, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/iraqidpsandreturneesbygovernor atedtm-iomround102aug312018.pdf, Zugriff 5.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq. https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018 20.Grundversorgung und Wirtschaft Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018). Die Iraker haben eine dramatische Verschlechterung in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Strom, Wasser, Abwasser- und Abfallentsorgung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Verkehr und Sicherheit erlebt. Der Konflikt hat nicht nur in Bezug auf die Armutsraten, sondern auch bei der Erbringung staatlicher Dienste zu stärker ausgeprägten räumlichen Unterschieden geführt. Der Zugang zu diesen Diensten und deren Qualität variiert 93

demnach im gesamten Land erheblich (K4D 18.5.2018). Die über Jahrzehnte internationaler Isolation und Krieg vernachlässigte Infrastruktur ist sanierungsbedürftig. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Die genannten Defizite werden durch die grassierende Korruption zusätzlich verstärkt. Nach Angaben des UN-Programms "Habitat" leben 70 Prozent der Iraker in Städten, die Lebensbedingungen von einem großen Teil der städtischen Bevölkerung gleichen denen von Slums (AA 12.2.2018). In vom IS befreiten Gebieten muss eine Grundversorgung nach Räumung der Kampfmittel erst wiederhergestellt werden. Einige Städte sind weitgehend zerstört. Die Stabilisierungsbemühungen und der Wiederaufbau durch die irakische Regierung werden intensiv vom United Nations Development Programme (UNDP) und internationalen Gebern unterstützt (AA 12.2.2018). Wirtschaftslage Der Irak erholt sich nur langsam vom Terror des sogenannten Islamischen Staat und seinen Folgen. Nicht nur sind ökonomisch wichtige Städte wie Mosul zerstört worden. Dies trifft das Land, nachdem es seit Jahrzehnten durch Krieg, Bürgerkrieg, Sanktionen zerrüttet wurde. Wiederaufbauprogramme laufen bereits, vorsichtig- positive Wirtschaftsprognosen traf die Weltbank im Oktober 2018 für das Jahr 2019. Ob der Wiederaufbau zu einem nachhaltigen positiven Aufschwung beiträgt, hängt aus Sicht der Weltbank davon ab, ob das Land die Korruption in den Griff bekommt (GIZ 11.2018). Das Erdöl stellt immer noch die Haupteinnahmequelle des irakischen Staates dar (GIZ 11.2018). Rund 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus dem Ölsektor (AA 12.2.2018). Noch im Jahr 2016 wuchs die irakische Wirtschaft laut Economist Intelligence Unit (EIU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um 11 Prozent. Im Folgejahr schrumpfte sie allerdings um 0,8 Prozent. Auch 2018 wird das Wachstum um die 1 Prozent betragen, während für 2019 wieder ein Aufschwung von 5 Prozent zu erwarten ist (WKO 2.10.2018). Laut Weltbank wird erwartet, dass das gesamte BIP-Wachstum bis 2018 wieder auf positive 2,5 Prozent ansteigt. Die Wachstumsaussichten des Irak dürften sich dank der günstigeren Sicherheitslage und der allmählichen Belebung der Investitionen für den Wiederaufbau verbessern (WB 16.4.2018). Die positive Entwicklung des Ölpreises ist dafür auch ausschlaggebend. Somit scheint sich das Land nach langen Jahren bewaffneter Auseinandersetzungen wieder in Richtung einer gewissen Normalität zu bewegen. Dieser positiven Entwicklung stehen gleichwohl weiterhin Herausforderungen gegenüber (WKO 2.10.2018). So haben der Krieg gegen den IS und der langwierige Rückgang der Ölpreise seit 2014 zu einem Rückgang der Nicht-Öl-Wirtschaft um 21,6 Prozent geführt, sowie zu einer starken Verschlechterung der Finanz- und Leistungsbilanz des Landes. Der Krieg und die weit verbreitete Unsicherheit haben auch die Zerstörung von Infrastruktur und Anlageobjekten in den vom IS kontrollierten Gebieten verursacht, Ressourcen von produktiven Investitionen abgezweigt, den privaten Konsum und das Investitionsvertrauen stark beeinträchtigt und Armut, Vulnerabilität und 94

Arbeitslosigkeit erhöht. Dabei stieg die Armutsquote [schon vor dem IS, Anm.] von 18,9 Prozent im Jahr 2012 auf geschätzte 22,5 Prozent im Jahr 2014 (WB 18.4.2018). Jüngste Arbeitsmarktstatistiken deuten auf eine weitere Verschlechterung der Armutssituation hin. Die Erwerbsquote von Jugendlichen (15-24 Jahre) ist seit Beginn der Krise im Jahr 2014 deutlich gesunken, von 32,5 Prozent auf 27,4 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nahm vor allem bei Personen aus den ärmsten Haushalten und Jugendlichen und Personen im erwerbsfähigen Alter (25-49 Jahre) zu. Die Arbeitslosenquote ist in den von IS-bezogener Gewalt und Vertreibung am stärksten betroffenen Provinzen etwa doppelt so hoch wie im übrigen Land (21,1 Prozent gegenüber 11,2 Prozent), insbesondere bei Jugendlichen und Ungebildeten (WB 16.4.2018). Der Irak besitzt kaum eigene Industrie. Hauptarbeitgeber ist der Staat (AA 12.2.2018). Grundsätzlich ist der öffentliche Sektor sehr gefragt. Die IS-Krise und die Kürzung des Budgets haben Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im privaten und öffentlichen Sektor. Jobangebote sind mit dem Schließen mehrerer Unternehmen zurückgegangen. Im öffentlichen Sektor sind ebenfalls viele Stellen gestrichen worden. Gute Berufschancen bietet jedoch derzeit das Militär. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit 350-1.500 USD, je nach Position und Ausbildung (IOM 13.6.2018). Das Ministerium für Arbeit und Soziales bietet Unterstützung bei der Arbeitssuche und stellt Arbeitsagenturen in den meisten Städten. Die Regierung hat auch ein Programm gestartet, um irakische Arbeitslose und Arbeiter, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, zu unterstützen. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde die Hilfe jedoch eingestellt. Weiterbildungsmöglichkeiten werden durch Berufsschulen, Trainingszentren und Agenturen angeboten (IOM 13.6.2018). Stromversorgung Die Stromversorgung des Irak ist im Vergleich zu der Zeit vor 2003 schlecht (AA 12.2.2018). Sie deckt nur etwa 60 Prozent der Nachfrage ab, wobei etwa 20 Prozent der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Elektrizität haben. Der verfügbare Stromvorrat variiert jedoch je nach Gebiet und Jahreszeit (Fanack 22.12.2017). Selbst in Bagdad ist die öffentliche Stromversorgung vor allem in den Sommermonaten, wenn bei Temperaturen von über 50 Grad flächendeckend Klimaanlagen eingesetzt werden, häufig unterbrochen. Dann versorgt sich die Bevölkerung aus privaten Generatoren, sofern diese vorhanden sind. Die Versorgung mit Mineralöl bleibt unzureichend und belastet die Haushalte wegen der hohen Kraftstoffpreise unverhältnismäßig. In der Autonomen Region Kurdistan erfolgt die Stromversorgung durch Betrieb eigener Kraftwerke, unterliegt jedoch wie in den anderen Regionen Iraks erheblichen Schwankungen und erreicht deutlich weniger als 20 Stunden pro Tag. Kraftwerke leiden unter Mangel an Brennstoff und es gibt erhebliche Leitungsverluste (AA 12.2.2018). 95

Wasserversorgung Die Wasserversorgung wird von der schlechten Stromversorgung in Mitleidenschaft gezogen (AA 12.2.2018). Der Irak befindet sich inmitten einer schweren Wasserkrise, die durch akute Knappheit, schwindende Ressourcen und eine stark sinkende Wasserqualität gekennzeichnet ist (Clingendael 10.7.2018). Die Wasserknappheit dürfte sich kurz- bis mittelfristig noch verschärfen. Besonders betroffen sind die südlichen Provinzen, insbesondere Basra. Der Klimawandel ist dabei ein Faktor, aber auch große Staudammprojekte in der Türkei und im Iran, die sich auf den Wasserstand von Euphrat und Tigris auswirken und zur Verknappung des Wassers beitragen. Niedrige Wasserstände führen zu einem Anstieg des Salzgehalts, wodurch das bereits begrenzte Wasser für die landwirtschaftliche Nutzung ungeeignet wird (UNOCHA 31.8.2018). Parallel zur Wasserknappheit tragen veraltete Leitungen und eine veraltete Infrastruktur zur Kontaminierung der Wasserversorgung bei (UNOCHA 31.8.2018). Es fehlt weiterhin an Chemikalien zur Wasseraufbereitung. Die völlig maroden und teilweise im Krieg zerstörten Leitungen führen zu hohen Transportverlusten und Seuchengefahr. Im gesamten Land verfügt heute nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über Zugang zu sauberem Wasser (AA 12.2.2018). Im August meldete Iraks südliche Provinz Basra 17.000 Fälle von Infektionen aufgrund der Kontaminierung von Wasser. Der Direktor der Gesundheitsbehörde Basra warnte vor einem Choleraausbruch (Iraqi News 28.8.2018). Nahrungsversorgung Laut Welternährungsorganisation sind im Irak zwei Millionen Menschen von Nahrungsmittelunsicherheit betroffen (FAO 8.2.2018). 22,6 Prozent der Kinder sind unterernährt (AA 12.2.2018). Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen mindestens 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe (USAID 23.2.2018). Die Landwirtschaft ist für die irakische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Schätzungen zufolge hat der Irak in den letzten vier Jahren jedoch 40 Prozent seiner landwirtschaftlichen Produktion verloren. Im Zuge des Krieges gegen den IS waren viele Bauern gezwungen, ihre Betriebe zu verlassen. Ernten wurden zerstört oder beschädigt. Landwirtschaftliche Maschinen, Saatgut, Pflanzen, eingelagerte Ernten und Vieh wurden geplündert. Aufgrund des Konflikts und der Verminung konnten Bauern für die nächste Landwirtschaftssaison nicht pflanzen. Die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung wurde unterbrochen, die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten stiegen (FAO 8.2.2018). Das Land ist stark von Nahrungsmittelimporten abhängig (AW 11.2.2018; vgl. USAID 1.8.2017). Das Sozialsystem wird vom sogenannten "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme, obwohl es von schweren Ineffizienzen gekennzeichnet ist (K4D 18.5.2018). Es sind zwar alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen des PDS zu erhalten. Das Programm wird von den 96

Behörden jedoch sporadisch und unregelmäßig umgesetzt, mit begrenztem Zugang in den wiedereroberten Gebieten. Außerdem hat der niedrige Ölpreis die Mittel für das PDS weiter eingeschränkt (USDOS 20.4.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -AW - The Arab Weekly (11.2.2018): Can Iraq's ailing economy liberate itself in 2018, https://thearabweekly.com/can-iraqs-ailing-economy-liberate-itself-2018, Zugriff 15.10.2018 -Clingendael - Netherlands Institute of International Relations (10.7.2018): More than infrastructures: water challenges in Iraq, https://www.clingendael.org/sites/default/files/2018- 07/PB_PSI_waterchallengesIraq.pdf, Zugriff 15.10.2018 -Fanack (22.12.2017): Energy file: Iraq, https://fanack.com/fanack-energy/iraq/, Zugriff 15.10.2018 -FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (8.2.2018): Iraq: Recovery and Resilience Programme 2018-2019, http://www.fao.org/3/I8658EN/i8658en.pdf, Zugriff 15.10.2018 -GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak: Die wirtschaftliche Lage im Überblick, https://www.liportal.de/irak/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.11.2018 -Iraqi News (28.8.2018): Iraq's Basra declares 17000 infection cases from water pollution, https://www.iraqinews.com/features/iraqs-basra-declares-17000-infection- cases-from-water-pollution/, Zugriff 15.10.2018 -IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo- DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfsirak- dlde.pdf:isessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294blob=public ationFile, Zugriff 16.10.2018 -K4D - Knowledge for Development Program (18.5.2018): Iraqi state capabilities, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/5b18e952e5274a18eb1ee3aa/Iraqi_st ate_capabilities.pdf, Zugriff 15.10.2018 -UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.8.2018): Iraq: Humanitarian Bulletin, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA%20Iraq%20Humanitaria n%20Bulletin%20-%20August%202018.pdf, Zugriff 15.10.2018 97

-USAID - Unites States Agency for International Development (1.8.2017): Iraq: Agriculture https://www.usaid.gov/iraq/agriculture, Zugriff 16.10.2018 -USAID - Unites States Agency for International Development (23.2.2018): Food Assistance Fact Sheet: Iraq, https://www.usaid.gov/sites/default/files/documents/1866/Iraq_- _Country_Fact_Sheet.pdf, Zugriff 15.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018 -WB - The World Bank (16.4.2018): Iraq's Economic Outlook - April 2018, https://www.worldbank.org/en/country/iraq/publication/economic-outlook-april-2018, Zugriff 16.10.2018 -WB - The World Bank (18.4.2018): Iraq: Overview, http://www.worldbank.org/en/country/iraq/overview, Zugriff 15.10.2018 -WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.10.2018): Die irakische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-irakische-wirtschaft.html, Zugriff 15.10.2018 21.Medizinische Versorgung Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt (AA 12.2.2018). Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018). Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018). Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder 98

Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.). Die große Zahl von Flüchtlingen und IDPs belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen (AA 12.2.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767, Zugriff 20.11.2018 -IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo- DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak- dlde.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1cid294blob=publicat ionFile, Zugriff 16.10.2018 -WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff 16.10.2018 22.Rückkehr Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018). 99

Studien zufolge ist die größte primäre Herausforderung für Rückkehrer die Suche nach einem Arbeitsplatz bzw. Einkommen. Andere Herausforderungen bestehen in der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung, psychischen und psychologischen Problemen, sowie negativen Reaktionen von Freunden und Familie zu Hause im Irak (IOM 2.2018; vgl. REACH 30.6.2017). In der Autonomen Region Kurdistan gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Autonomen Region Kurdistan kurz- und mittelfristig verbessern wird (AA 12.2.2018). Die Höhe einer Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung der Unterkunft ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Die Miete für 250m2 in Bagdad liegt bei ca. 320 USD. In den Städten der kurdischen Autonomieregion liegt die Miete bei 300-600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage nach Mietobjekten stieg, nahm die Nachfrage nach Kaufobjekten ab. Durchschnittliche Betriebskosten betragen pro Monat 15.000 IQD (Anm.: ca. 11 EUR) für Gas, 10.000-25.000 IQD (Anm.: ca. 7-18 EUR) für Wasser, 30.000-40.000 IQD (Anm.: ca. 22-29 EUR) für Strom (staatlich) und 40.000 IQD für private oder nachbarschaftlichen Generatorenstrom (IOM 13.6.2018). Die lange Zeit sehr angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt wird zusehends besser im Land. Jedoch gibt es sehr viel mehr Kauf- als Mietangebote (GIZ 11.2018). Wohnen ist zu einem der größten Probleme im Irak geworden, insbesondere nach den Geschehnissen von 2003 (IOM 13.6.2018). Die Immobilienpreise in irakischen Städten sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen (IEC 24.1.2018). Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem IS stellt der Wohnungsbau eine besonders dringende Priorität dar (Reuters 12.2.2018). Im November 2017 bestätigte der irakische Ministerrat ein neues Programm zur Wohnbaupolitik, das mit der Unterstützung von UN-Habitat ausgearbeitet wurde, um angemessenen Wohnraum für irakische Staatsbürger zu gewährleisten (UNHSP 6.11.2017). Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrer nicht (IOM 13.6.2018). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c28570, Zugriff 20.11.2018 -IEC - Iraq's Economic Center (24.1.2018): Rising Real Estate Prices in Iraq encourages buying abroad, http://en.economiciraq.com/2018/01/24/rising-real-estate- prices-in-iraq-encourages-buying-abroad/, Zugriff 17.10.2018 100

-IOM - International Organization for Migration (2.2018): Iraqi returnees from Europe: A snapshot report on Iraqi Nationals upon return in Iraq. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/DP.1635%20- %20IraqReturneesSnapshot-Report%20-%20V5.pdf, Zugriff 16.10.2018 -IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILo- DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak- dlde.pdf:jsessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1_cid294blob=public ationFile, Zugriff 16.10.2018 -MCH - Ministry of Construction and Housing (10.2010): Iraq National Housing Policy. https://www.humanitarianlibrary.org/sites/default/files/2013/05/634247_INHP_English _Version.pdf, Zugriff 17.10.2018 -REACH (30.6.2017): Iraqi migration to Europe in 2016: Profiles. Drivers and Return. https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_irq_grc_report_iraqi_migr ation_to_europe_in_2016_june_2017%20%281%29.pdf, Zugriff 16.10.2018 -Reuters (12.2.2018): Iraq says reconstruction after war on Islamic State to cost $88 billion. https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-reconstruction/iraq- savs-reconstruction-after-war-on-islamic-state-to-cost-88-billion-idUSKBN1FW0JB, Zugriff 17.10.2018 -UNHSP - United Nations Human Settlements Program (6.11.2017): The Council of Ministers Endorses the Updated Housing Policy of Iraq by the Ministry of Construction. Housing Municipalities and Public Works through the support of UN- Habitat. https://reliefweb.int/report/iraq/council-ministers-endorses-updated-housing- policy-iraq-ministry-construction-housing, Zugriff 17.10.2018 23.Dokumente und Staatsbürgerschaft Die neuen irakischen Pässe enthalten einen maschinenlesbaren Abschnitt sowie einen 3D- Barcode und gelten als fälschungssicherer im Vergleich zu den Vorgängermodellen. v. a. können diese nur noch persönlich und nicht mehr durch Dritte beantragt werden. Die irakischen Botschaften haben erst vereinzelt begonnen, diese Pässe auszustellen (AA 12.2.2018). Der irakische Personalausweis (Civil Status ID bzw. CSID oder National Identity Card) heißt auf Arabisch Bitaqa shakhsiya bzw. Bitaqa hawwiya (UKHO 9.2018; vgl. IRBC 25.11.2013). Die CSID- Karte ist gesetzlich vorgeschrieben und wird jedem irakischen Staatsbürger, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irak, gegen Vorlage einer Geburtsurkunde ausgestellt. Sie gilt als das wichtigste persönliche Dokument und wird für alle Kontakte mit Behörden, dem Gesundheits- und Sozialwesen, Schulen, sowie für den Kauf und Verkauf von Wohnungen und Autos verwendet. Die CSID-Karte wird auch für die Beantragung anderer amtlicher Dokumente, wie z.B. Reisepässe, benötigt (UKHO 9.2018). Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt 101

gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 12.2.2018). Laut Verfassung kann jede Person, die über zumindest einen irakischen Elternteil verfügt, irakischer Staatsbürger werden (USDOS 20.4.2018). Das irakische Staatsbürgerschaftsrecht ist jedoch widersprüchlich bezüglich der Möglichkeit der Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter. Einerseits bestehen Widersprüche zwischen der Verfassung und Teilen des Staatsbürgerschaftsgesetzes; außerdem ist das Staatsbürgerschaftsgesetz in sich selbst widersprüchlich. Wie auch die irakische Verfassung, besagt Artikel 3 des Nationalitätsgesetzes, dass sowohl Väter als auch Mütter die irakische Staatsbürgerschaft an ihre Kinder weitergeben können. Laut Artikel 4 des Nationalitätsgesetzes ist dies jedoch im Falle der Mutter, wenn das Kind im Ausland geboren ist, nur unter bestimmten Umständen (Vater unbekannt oder staatenlos) möglich. In der Praxis ist den Quellen zufolge die Weitergabe der irakischen Staatsbürgerschaft durch die Mutter an ihre im Ausland geboren Kinder, deren Väter nicht Iraker und auch nicht staatenlos oder unbekannt sind, nicht gewährleistet (BFA 8.8.2017). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der- republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018 -BFA - Staatendokumentation (8.8.2017): Anfragebeantwortung der Staatendokumentation - Irak/Syrien: Staatsbürgerschaft Kind, Vater Syrer, Mutter Irakerin, https://www.ecoi.net/en/file/local/1407773/5209_1502703961_syri-irak-ra- staatsbuergerschaft-kind-vater-svrer-mutter-irakerin-2017-08-08-ke.doc, Zugriff 20.9.2018 -IRBC - Immigration and Refugee Board of Canada (25.11.2013): Iraq: Civil Status Identification Card, including purpose and validity; requirements and procedures for the issuance, renewal and replacement of cards, including the location of issue; frequency of fraudulent identity cards, http://www.refworld.org/docid/52cd0a934.html, Zugriff 17.10.2018 -UKHO - United Kingdom Home Office (9.2018): Country Policy and Information Note - Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachm ent_data/file/738200/Iraq_-_IFA_docs_and_return_-_CPIN-v7September_2018_.pdf, Zugriff 17.10.2018 -USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.10.2018" 102

Aus der Anfragebeantwortung der BFA-Staatendokumentation zum Irak: Einreise, Rückkehrlage und Zugang zu Sozialleistungen vom 14.10.2019 ergibt sich: "Der volljährige Beschwerdeführer, geboren in Kuwait, ist irakischer Staatsangehöriger und gehört seinen Angaben nach der kurdischen Volksgruppe sunnitischen Glaubens an. In Kuwait hat er sein ganzes Leben verbracht. Er spricht Arabisch und nur wenig bis gar kein Kurdisch. Er war noch nie im Irak und hat dort weder Angehörige noch soziale Kontakte. Der Beschwerdeführer verfügte über Visa für Kuwait. Nach Beendigung seines letzten Arbeitsvertrages wurde sein Visum nicht verlängert. Er hielt sich fortan illegal in Kuwait auf und es wurde ihm mit Abschiebung in den Irak gedroht. Der Beschwerdeführer reiste jedoch nach Europa, wo er in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er bringt keine persönliche Bedrohung oder Verfolgung im Irak vor, fürchtet jedoch die allgemeine Sicherheitslage im ganzen Irak. Er verfügt derzeit auch über keine gültigen irakischen Dokumente. 1. Wäre es einer Person wie dem Beschwerdeführer unter den geschilderten Voraussetzungen (auch faktisch) möglich, in den Irak zu reisen, sich dort ohne Bürgen oder familiäre Bindungen niederzulassen (wenn ja, wo) und Sozialleistungen, sonstige Unterstützungsleistungen oder wenigstens neue Dokumente zu erhalten, die ihm einen Bezug von öffentlichen Leistungen ermöglichen würden Quellenlage/Quellenbeschreibung: In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch und Englisch wenige aktuellen Informationen gefunden. Gesucht wurde auf google.com, bing.com, ecoi.net, refworld.org, im internen Archiv mit den Suchworten "kurdische Volksgruppe", "Sunniten", "legale Einreise", "Rückkehr", "Niederlassung" und fremdsprachigen Äquivalenten. Zur weiteren Informationserhebung wurde die Anfrage daher auch an den Verbindungsbeamten des BM.I für den Nahen Osten (VB) und an ACCORD weitergeleitet. Eine Quellenbeschreibung zu Verbindungsbeamten des BM.I, sowie zu ACCORD findet sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at wie auch in der dort ersichtlichen Methodologie der Staatendokumentation. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu einigen der verwendeten Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm. Als allgemein bekannt vorausgesetzte Quellen werden i.d.R. nicht näher beschrieben. Als weniger bekannt erkannte Quellen werden im Abschnitt "Einzelquellen" näher beschrieben. [...] Zusammenfassung: Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass für die Rückkehr/Einreise in den Irak notwendige Reisedokumente bzw. Reisepässe nur ausgestellt werden 103

können, wenn ID-Karte oder Nationalitätsnachweis vorhanden sind. Eine Abschiebung/Rückführung ohne Reisedokumente von der irakischen Botschaft Wien wird vom Irak nicht angenommen. Irakische Bürger, die über einen Flughafen in der KRI [Region Kurdistan-Irak; Anm.] in den Irak einreisen möchten, müssen im Besitz eines gültigen Reisepasses oder eines irakischen Laissez-Passer-Dokuments [Dokumentbeschreibung - siehe Einzelquelle; Anm.] sein. Die Sicherheitslage im gesamten Irak bleibt volatil. Sunniten haben beim Passieren von Kontrollpunkten größere Probleme, da sie von willkürlichen Verhaftungen aufgrund des Verdachts des Sympathisierens mit dem IS besonders betroffen sind bzw. beim Passieren von Kontrollpunkten auf Straßen zwischen Gouvernements und zwischen dem Flughafen Bagdad und der Stadt möglichen Misshandlungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Alle Iraker müssen einen nationalen Personalausweis besitzen, der von der Direktion für Zivilstandsangelegenheiten, die der Generaldirektion für Staatsangehörigkeit des Innenministeriums unterstellt ist, ausgestellt wird. Für einen Antragsteller, der seine/ihre Identität nicht nachweisen kann, ist es schwierig, im Ausland einen Ausweis zu erhalten. Die Wahl des Zielortes im Irak wird hauptsächlich durch im Irak lebende Familienangehörige, Verwandte und Freunde, sowie die dort vorhandene ethnisch- religiöse Gemeinschaft bestimmt. Nach Angaben von kurdischen Beamten, hätten abgelehnte Asylbewerber nach der Rückkehr in den Irak Schwierigkeiten, wenn sie kein Netz haben, das sie unterstützt. Die Unterstützung durch die Gemeinschaft sei für den Integrationsprozess für Rückkehrer entscheidend. Nach Angaben von DIS/Landinfo, in einem Bericht über Binnenvertriebene vom November 2018, wurde die Einreise in die KRI verbessert, obwohl es keine rechtlichen Normen, Gesetze oder formellen Maßnahmen gibt und Verfahren aufgrund von sicherheitsbezogenen und politischen Entwicklungen häufig geändert werden. Die Behörden der KRI verlangen von nicht gebietsansässigen Personen Genehmigungen, die für begrenzte Aufenthalte in der KRI erteilt werden. DIS/Landinfo berichteten im November 2018, dass Binnenvertriebene in die KRI einreisen dürfen, wenn sie Ausweispapiere besitzen. Die KRG [Kurdische Regionalregierung; Anm.] schreibt unterschiedliche Einreisebestimmungen vor, die je nach ethnischer und religiöser Identität oder der mutmaßlichen politischen Zugehörigkeit der Person variieren können. Personen kurdischer ethnischer Zugehörigkeit aus anderen Teilen des Irak können beispielsweise im Allgemeinen leicht in die KRI einreisen. Die Einreisebestimmungen sind manchmal willkürlich und werden schlecht kommuniziert und unterliegen Änderungen, die sehr kurzfristig bekannt gegeben werden. Die mutmaßliche politische Zugehörigkeit einer Person kann ebenfalls Einfluss darauf haben, ob diese in die KRI ziehen und sich innerhalb der Region frei bewegen darf. Alle irakischen StaatsbürgerInnen, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Für den Zugang wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt. Die Krankenversicherung übernimmt keinerlei Kosten. Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele 104

Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Die große Zahl von Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen. Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit, je nach Position und Ausbildung, zwischen 200 und 2.500 USD. Laut Trading Economics, beträgt die Arbeitslosenquote derzeit 14.8%. Zur Zeit wird auf nationaler Ebene vom Staat keine Arbeitslosenhilfe ausgezahlt. Rückkehrer sollten sich über die Anlaufstellen des Ministeriums für Arbeit und Soziales registrieren. Sie sollten ihren Personalausweis, ihre Ration Card und, je nach Bewerbung, zusätzliche Dokumente bereithalten. Die Höhe von Mieten hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Stand 2018, liegt die Miete in KR-I Städten bei 200 - 600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrende nicht. Zu gefährdete Personengruppen gehören Waisen, Märtyrerangehörige, Witwen, Personen mit Einschränkungen. Diese erhalten vom Staat Leistungen, dazu müssen sie Unterlagen einreichen, die die Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis bestätigt. Je nach Gefährdung sind dazu unterschiedliche Unterlagen notwendig. Sozialbedürftige Personen können einen finanziellen Nachlass beantragen. Allerdings gibt es laut VB Auskunft vom 10.9.2019 gegenwärtig keine Sozialhilfe. Derzeit stellt sich für den Irak prioritär die Frage nach der Rückkehr der aktuell noch ca. 1,8 Mio. Binnenflüchtlinge. Von den ca. 6 Mio. durch den IS vertriebenen Binnenflüchtlingen sind ca. 4,1 Mio. in ihre Herkunftsorte zurückgekehrt. Nachdem die Rückkehrerraten bis Anfang des Jahres 2018 anstiegen, haben diese ihr Plateau nun überschritten. Hilfsorganisationen gehen von einer Stagnation der Rückkehr aus. Gründe für Nichtrückkehr sind überwiegend mangelnde Sicherheit, Kontaminierung durch Sprengfallen, Bedrohung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure (Milizen), sowie innergesellschaftliche Spannungen. Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. In der Region Kurdistan-Irak gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Region Kurdistan-Irak kurz- und mittelfristig verbessern wird. Der Staat 105

kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. Einzelquellen: Der VB des BM.I für den Nahen Osten berichtet in einer Auskunft zur Fragestelleung am 10.9.2019 Folgendes: "Zu der gegenständlichen Anfrage gab es folgende deckungsgleiche Auskünfte aus Bagdad und Erbil: Irakische Reisedokumente bzw. Reisepässe können nur ausgestellt werden, wenn ID-Karte oder Nationalitätsnachweis vorhanden ist. Eine Abschiebung/Rückführung ohne Reisedokumente von der irakischen Botschaft Wien (in diesem Fall) wird vom Irak nicht angenommen. Sozialhilfe gibt nicht im Irak (inkl. Kurdistan)." Anmerkung des VB: Die Informationen werden noch nicht schriftlich sondern entweder telefonisch oder per whatsapp [sic] eingeholt da es noch kein Polizeikooperationsabkommen mit dem Irak gibt (ist in Ausarbeitung), somit müssen wir uns bis dahin weiter mit mündlichen Auskünften zufrieden geben. VB des BM.I für den Nahen Osten (10.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail Auf der Homepage des deutschen Auswärtigen Amtes wird in der folgenden Reisewarnung vom 6.9.2019 vor Reisen in den Irak mit Ausnahme der Region Kurdistan-Irak gewarnt: "Vor Reisen nach Irak wird mit Ausnahme der Region Kurdistan-Irak gewarnt. Von nicht erforderlichen Reisen in die Region Kurdistan-Irak wird abgeraten. Die terroristische Organisation wurde Ende Dezember 2017 auf irakischem Staatsgebiet militärisch in der Fläche besiegt. Gleichwohl gibt es im Land noch immer Gruppen von Kämpfern, von denen unverändert Gefahr ausgeht. Es muss weiterhin landesweit mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen terroristischen Gruppierungen und Sicherheitskräften gerechnet werden. Die Sicherheitslage im gesamten Irak bleibt volatil. Die Zahl der terroristischen Anschläge vor allem im Nord- und Zentralirak ist seit Langem sehr hoch. [...] Besonders gefährlich sind die Provinzen Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa (Sindschar, Mossul, Grenze zu Syrien), Salah Al-Din sowie der Norden der Provinz Babel. Insbesondere in den Provinzen Ninewa und Salah Al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen 106

und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinzen Anbar, Diyala und Kirkuk. In der nördlichen Provinz Ninewa gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und PKK-Kräften, von denen auch Zivilisten betroffen sind. Gleiches gilt für die nördliche Grenze der Region Kurdistan-Irak zu Syrien und der Türkei. Hier ist es zu Angriffen auf türkisches Militär und zu türkischen Luftangriffen auf PKK-Stellungen gekommen. Auch an der Grenze der Region Kurdistan-Irak zu Iran kommt es vereinzelt zu Gefechten. [...] Hauptstadt Bagdad Trotz einer Verbesserung der Sicherheitslage in der Hauptstadt Bagdad besteht weiterhin die Gefahr schwerer Anschläge, insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen. Es besteht zudem ein hohes Risiko für Entführungen mit terroristischem oder kriminellem Hintergrund. Die Sicherheitslage ist weiterhin volatil. Einzelne Abschnitte der Hauptstadt Bagdad werden von irakischen Sicherheitskräften in besonderem Maße gesichert, dazu zählt der Flughafen Bagdad International Airport. Anschläge können aber auch dort nicht ausgeschlossen werden. Durch den Abbau der Kontrollen rund um die "International Zone" (ehem. "Green Zone") und freien Zugang der Öffentlichkeit sind die dortigen öffentlichen Gebäude, insbesondere Ministerien, Behörden und Botschaften, nun stärker exponiert, es ist von einer erhöhten Anschlagsgefahr auszugehen. [...] Region Kurdistan-Irak In der Region Kurdistan-Irak (Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniyah/Halabja) ist die Sicherheitslage weiter volatil. Es besteht eine anhaltend erhöhte Gefahr von Terroranschlägen. Erforderliche Reisen in die Region erfordern eine sorgfältige Prüfung der aktuellen örtlichen Sicherheitslage und entsprechende Sicherheitsmaßnahme. [...] Im Grenzgebiet zu Syrien besteht die Gefahr, Opfer von anhaltenden Auseinandersetzungen oder auch inhaftiert zu werden, wenn ein illegaler Grenzübertritt und/oder eine Verbindung zu Terrorismus vermutet wird. [...] Der Luftverkehr entspricht nicht immer europäischen Sicherheitsstandards. 107

[...] Der Straßenverkehr ist nicht sicher. Busverkehr existiert unregelmäßig und Routen werden häufig geändert." AA - Auswärtiges Amt (6.9.2019): Irak: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/irak- node/iraksicherheit/202738, Zugriff 6.9.2019 European Asylum Support Office (EASO) berichtete im Februar 2019 in seinem Informationsbericht über das Herkunftsland Irak unter anderem, dass irakische Bürger, die über einen Flughafen in der KRI [Region Kurdistan-Irak; Anm.] in den Irak einreisen möchten, im Besitz eines gültigen Reisepasses oder eines irakischen Laissez-Passer-Dokuments sein müssen. Sunniten haben beim Passieren von Kontrollpunkten größere Probleme, da sie von willkürlichen Verhaftungen wegen Sympathisierens mit IS besonders betroffen sind und misshandelt werden können, bzw. sind besonders gefährdet beim Passieren von Kontrollpunkten auf Straßen zwischen Gouvernements und zwischen dem Flughafen Bagdad und der Stadt diskriminiert zu werden. Alle Iraker müssen einen nationalen Personalausweis besitzen, der von der Direktion für Zivilstandsangelegenheiten, die der Generaldirektion für Staatsangehörigkeit des Innenministeriums unterstellt ist, ausgestellt wird. Für einen Antragsteller, der seine/ihre Identität nicht nachweisen kann, ist schwierig, im Ausland einen Ausweis zu erhalten. Die Wahl des Zielortes im Irak wird hauptsächlich durch dort lebende Familienangehörige, Verwandte und Freunde sowie eine dort vorhandene ähnliche ethnisch-religiöse Gemeinschaft bestimmt. Nach Angaben von kurdischen Beamten, die von DIS/Landinfo befragt wurden, hätten abgelehnte Asylbewerber nach der Rückkehr in den Irak Schwierigkeiten, wenn sie kein Netz haben, das sie unterstützt. Sie gaben an, dass dies besonders auf alleinstehende Frauen zutreffe, vor allem, weil es nicht ausreichend Raum und Unterstützung für die Bereitstellung von Unterkünften gebe. IOM erklärte in demselben Bericht, dass Unterstützung durch die Gemeinschaft für den Integrationsprozess für Rückkehrer entscheidend sei. Nach Angaben von DIS/Landinfo in einem Bericht vom November 2018 wurde die Einreise in die KRI verbessert, obwohl es keine rechtlichen Normen, Gesetze oder formellen Maßnahmen gibt und Verfahren aufgrund von sicherheitsbezogenen und politischen Entwicklungen häufig geändert werden. Die Behörden in der KRI verlangen von nicht gebietsansässigen Personen Genehmigungen, die für begrenzte Aufenthalte in der KRI erteilt werden. DIS/Landinfo berichteten im November 2018, dass Binnenvertriebene in die KRI einreisen dürfen, wenn sie Ausweispapiere besitzen. Die KRG [Kurdische Regionalregierung; Anm.] schreibt unterschiedliche Einreisebestimmungen vor, die je nach ethnischer und religiöser Identität oder der mutmaßlichen politischen Zugehörigkeit der Person variieren können. Die detaillierten Informationen zur Einreise und Niederlassungmöglichkeiten in den einzelnen Gouvernements finden sich im unten angeführten EASO-Originaldokument vom Februar 2019: "Der dänische Einwanderungsdienst (DIS) stellte nach seiner Erkundungsmission im 108

Jahr 2015 fest, dass 'irakische Bürger, die über einen Flughafen in der KRI in den Irak einreisen möchten, im Besitz eines gültigen Reisepasses oder eines irakischen Laissez-Passer-Dokuments sein müssen' (33). Dies ist laut Dr. Géraldine Chatelard1 aktuell an allen Einreisestellen des Irak der Fall. Sie erklärt, dass abgelaufene Reisepässe durch ein Laissez-Passer-Dokument ersetzt werden müssen (34). Auf der Website des irakischen Außenministeriums wird angegeben, dass Irakern für die Einreise in den Irak von ausländischen Konsulaten ein Laissez-Passer-Dokument für 'eine einfache Reise' ausgestellt werden kann (35). Laissez-Passer-Dokumente gelten nicht für Weiterreisen (36). Solche Dokumente können in folgenden Fällen im Ausland ausgestellt werden: wenn ein irakischer Staatsangehöriger in den Irak zurückkehren möchte, seinen/ihren Reisepass jedoch verloren hat; wenn ein irakischer Staatsangehöriger in den Irak zurückkehren möchte, sein/ihr Reisepass jedoch beschlagnahmt wurde; wenn ein irakischer Staatsangehöriger in den Irak abgeschoben wird; wenn ein ausländischer Staatsangehöriger von einem unbekannten Ort in den Irak kommt oder Staatsbürger eines Landes ist, das keine Vertretung im Irak hat, und in sein/ihr Heimatland zurückkehren möchte, vorausgesetzt die Behörden des Heimatlandes akzeptieren die Rückkehr' (37). Bei der Ausstellung des Laissez-Passer-Dokuments überprüft die irakische Behörde die Identität/Nationalität des Rückkehrers anhand von Dokumenten im Irak, bestätigt, dass die Person freiwillig zurückkehrt, und prüft, ob Strafregistereinträge des Innenministeriums vorliegen (38). [...] Ein Beamter der norwegischen Botschaft, der 2017 von Landinfo im Rahmen eines Berichts befragt wurde, gab an, dass Sunniten beim Passieren von Kontrollpunkten größere Probleme haben, da sie von willkürlichen Verhaftungen wegen Sympathisierens mit ISIL besonders betroffen sind und misshandelt werden können (60). Der UNHCR stellte fest, dass sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen aus ehemaligen ISIL-Gebieten Angaben zufolge besonders gefährdet seien, beim Passieren von Kontrollpunkten auf Straßen zwischen Gouvernements und zwischen dem Flughafen Bagdad und der Stadt diskriminiert zu werden (61). [...] Im Irak sind ordnungsgemäße Personenstandsurkunden für das tägliche Leben und für den Zugang zu Grundrechten (66), öffentlichen Diensten (67), Bildung (68), Ernährungshilfe (69), Unterkunft (70), Beschäftigung (71), zur Registrierung für staatliche Unterstützungs- oder Sozialleistungen (72), zur Anmietung einer Wohnung, zur polizeilichen Anmeldung im Wohnbezirk oder zum Verkauf von Fahrzeugen oder größerer Gegenstände erforderlich (73). Personenstandsurkunden sind notwendig, um sich im Irak zu bewegen und Sicherheitskontrollpunkte zu 109

passieren (74). Mehrere Quellen geben an, dass bei Personen ohne gültige Ausweispapiere die Freizügigkeit eingeschränkt sei und sie Gefahr laufen, verhaftet zu werden (75). Alle Iraker müssen einen nationalen Personalausweis besitzen, der von der Direktion für Zivilstandsangelegenheiten, die der Generaldirektion für Staatsangehörigkeit des Innenministeriums unterstellt ist, ausgestellt wird (76). Auf Arabisch heißt dieser Personalausweis bitaqat hawwiyat al-ahwal al-shakhsiya(77). [...] Landinfo stellte fest, dass 'das Familienregister die Grundlage für die Ausstellung von nationalen Personalausweisen und Staatsangehörigkeitsbescheinigungen bildet, die wiederum zur Ausstellung von Pässen benötigt werden' (80). Der Personalausweis wird von Landinfo als 'das wichtigste persönliche Ausweisdokument' für Iraker beschrieben, da er für alle Kontakte zu Behörden und für Dienstleistungen wie Gesundheitsdienste, Sozialleistungen, für den Zugang zu Bildung und für das Kaufen und Verkaufen von Eigentum wie Häusern oder Fahrzeugen notwendig ist. Er ist außerdem erforderlich, um weitere amtliche Dokumente wie Pässe zu erhalten (81). Eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung (shahadat jinsiyya) wird allen irakischen Staatsangehörigen auf Antrag ausgestellt und 'wird für Bewerbungen im öffentlichen Sektor, im Zusammenhang mit Bildung und für andere öffentliche Dienste benötigt. Darüber hinaus ist die Staatsangehörigkeitsbescheinigung als Abstammungsurkunde zur Beantragung eines Reisepasses, von Geburtsurkunden für eigene Kinder, einer Heiratsurkunde und einer Sterbeurkunde erforderlich' (82). Kinder erhalten sie normalerweise im Alter von zwölf Jahren (83). In der Praxis sind sowohl der Personalausweis als auch die Staatsangehörigkeitsbescheinigung notwendig, um die oben im zweiten Absatz aufgeführten Dienstleistungen zu erhalten. DieseDokumente können auch von Personen verlangt werden, die einen Kontrollpunkt passieren möchten. Berichten zufolge tragen Iraker 'beide Dokumente immer bei sich' (84). [...] DIS/Landinfo schrieben im November 2018, dass das Fehlen der für das Leben in der irakischen Gesellschaft erforderlichen Personenstandsurkunden 'einen wesentlichen Faktor darstellen, der Binnenvertriebene an der Rückkehr hindert' (92). [...] Wiederbeschaffung von Personalausweisen und Staatsangehörigkeitsbescheinigungen außerhalb des Iraks Informationen über die Verfahren und Anforderungen zur Beantragung verschiedener Personenstandsurkunden im Ausland sind auf der Website des Außenministeriums abrufbar und werden vom irakischen Konsulat in London auch auf Englisch bereitgestellt. Auf dieser Website finden Antragsteller mit verlorenem/beschädigtem Personalausweis, die einen neuen Ausweis benötigen, folgende Anweisungen: 110

Das Antragsformular (in der Botschaft erhältlich) ist dem Antrag beizufügen. Das Formular ist vom männlichen oder weiblichen Familienoberhaupt, der eingetragenen Person, dem Vormund oder einem Rechtsanwalt mit eindeutiger Unterschrift und vollständigem Namen auszufüllen. Der Konsul notiert die Erklärung des Antragstellers auf der Rückseite des oben genannten Formulars, gibt den vollständigen Namen des Antragstellers an und versieht ihn mit seinem/ihrem Fingerabdruck. Die Erklärung ist vom Konsul zu unterzeichnen (112). Landinfo gab an, dass es für einen Antragsteller, der seine/ihre Identität nicht nachweisen kann, schwierig sei, im Ausland einen Ausweis zu erhalten (113). Bei Staatsangehörigkeitsbescheinigungen werden Anträge ebenfalls von den Botschaften angenommen, die sie an die zuständige Direktion weiterleiten. Ein Verwandter ersten Grades muss jedoch auch hier seine eigene Staatsangehörigkeitsbescheinigung vorlegen sowie die Nummer angeben, unter der die Familie in der Familienerfassung (sijillat al-qaid) registriert ist, und bestätigen, dass der Antragsteller mit ihm verwandt ist (114). In der zweiten integrierten Standortbewertung der IOM (Integrated Location Assessement II), die im Oktober 2017 veröffentlicht wurde, wurde festgestellt, dass für 30 % der vertriebenen Familien im Irak, die von der IOM für diese Studie befragt wurden, die Wahl des Zielortes im Irak hauptsächlich durch dort lebende Familienangehörige, Verwandte und Freunde sowie eine dort vorhandene ähnliche ethnisch-religiöse Gemeinschaft bestimmt wurde (115). In Bezug auf die Situation von Minderheiten, die ihren Wohnort wechseln, merkt die MRG an, dass Minderheiten je nach ihrem neuen Wohnort Schwierigkeiten haben könnten. Aus derselben Quelle geht hervor, dass 'vor allem viele Minderheiten aus gemischten Städten und Stadtteilen in Gebiete umgesiedelt sind, in denen sie die Mehrheit bilden' (116). Die IOM beobachtete insbesondere bei diesen Rückkehrern aus Europa, dass gemäß einer Studie von 2016 über die Erfahrungen von Rückkehrern in den Irak soziales Kapital oder soziale Netze 'bedeutender sind als Integrationshilfe. Dies trifft vor allem dann zu, wenn sich Asylbewerber entscheiden, nach Hause zurückzukehren, um sich trotz der ursprünglichen Instabilität wieder mit diesen Netzwerken zu verbinden' (117). In einer Studie der IOM vom Februar 2018, in der 675 irakische Staatsangehörige beobachtet wurden, die aus Europa zurückkehrten, wurde festgestellt, dass 5,9 % der Befragten ein fehlendes soziales Netz aus Familie und Freunden als primäre Herausforderung angaben, mit der sie bei ihrer Rückkehr nach dem Migrationsversuch nach Europa konfrontiert waren (118). Laut der MRG sei es extrem schwierig, 'ohne persönliche oder familiäre Bindungen grundlegende Dienstleistungen zu erhalten und einfache Verwaltungsaufgaben in Regierungsdienststellen zu erledigen' (119), da öffentliche Einrichtungen im Irak und in der KRI stark von Korruption, Vetternwirtschaft und Patronage-Netzwerken geprägt sind. 111

Das DFAT schrieb im Oktober 2018, dass es die interne Umsiedlung in die KRI 'für Personen ohne Bürgen oder bestehende Netzwerke innerhalb der Region [als] schwierig' bewerte (120). Nach Angaben von kurdischen Beamten, die von DIS/Landinfo befragt wurden, 'hätten abgelehnte Asylbewerber nach der Rückkehr in den Irak Schwierigkeiten, wenn sie kein Netz haben, das sie unterstützt'. Sie gaben an, dass dies besonders auf alleinstehende Frauen zutreffe, vor allem, weil es nicht ausreichend Raum und Unterstützung für die Bereitstellung von Unterkünften gebe (121). Die IOM erklärte in demselben Bericht, dass die Unterstützung durch die Gemeinschaft für den Integrationsprozess für Rückkehrer entscheidend sei. Die Reintegration sei für Personen mit guten familiären Bindungen einfacher, wohingegen Rückkehrer ohne Familie Schwierigkeiten aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten haben. Die Kapazitäten der Gemeinschaft und die Infrastruktur wurden von der IOM ebenfalls als wesentlich für die Reintegration genannt, da es nur wenige Möglichkeiten in ländlichen Gebieten gibt; die IOM erklärt, dass die meisten Rückkehrer in die ländlichen Gebiete von Sulaymaniyah, Halabja und Rania gehen (122). [...] Bagdad Laut einem Schreiben des UNHCR vom April 2017 laufen Iraker, die nicht aus Bagdad kommen und ein bestimmtes Profil aufweisen, Gefahr, an einem der Kontrollpunkte zwischen dem internationalen Flughafen Bagdad und der Stadt Bagdad willkürlich verhaftet zu werden. Dies trifft insbesondere auf sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen zu, die aus (früher oder aktuell) von ISIS besetzten Gebieten oder vom Konflikt betroffenen Gebieten stammen. Es wird berichtet, dass diese Personen willkürlich verhaftet und aufgrund ihrer mutmaßlichen Unterstützung von ISIS in Isolationshaft genommen werden (147). Frau Dr. Chatelard erklärte, dass Sunniten gefährdet seien, von Milizen oder der Bundespolizei belästigt zu werden, deren Bedienstete hauptsächlich Schiiten sind. Dies sei nicht unbedingt in ihrem Wohnsitz in ehemaligen ISIL-Gebieten begründet, sondern liege möglicherweise daran, dass sie Familien- oder Stammesnamen tragen, die mit diesen Gebieten in Verbindung gebracht werden, z. B. Samarra'i, Rawi, Falouji, oder einen Vornamen haben, der typisch sunnitisch ist, z. B. Omar, Othman, Marwan oder Sufian (148). [...] Aus dem Ausland einreisende Personen Nach Angaben des UNHCR "haben sunnitische Araber, die aus dem Ausland in den Irak zurückkehren, aufgrund weitverbreiteter Vorurteile und Argwohn gegenüber sunnitischen Arabern - insbesondere wenn diese aus Gebieten stammen, die gegenwärtig oder früher von ISIS kontrolliert wurden -, Schwierigkeiten, einen Bürgern zu finden (155) oder ein Unterstützungsschreiben vom Mukhtar/von der 112

Gemeindeverwaltung (Local Council) zu erhalten, wenn sie keine bestehenden familiären oder anderen Bindungen in Bagdad haben" (156). Frau Dr. Chatelard gab an, dass sich diese Schwierigkeiten auch aus ihrem Familien- oder Stammesnamen ergeben können (157). Kirkuk und umstrittene Gebiete des Iraks Kirkuk ist ein vielseitiges multi-ethnisches Gouvernement, das nach der Verfassung aufgrund seines langen 'kaum eingedämmten Konflikts' einen umstrittenen und ungeklärten Status hat (169). Die Stadt Kirkuk und der Flughafen Kirkuk wurden im Oktober 2017 nach dem Rückzug der kurdischen Streitkräfte von den irakischen Streitkräften im Zuge des Kontrollübergangs in der Region nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum übernommen (170). DIS/Landinfo schrieben, dass aufgrund des Kontrollübergangs in Kirkuk im Oktober 2017 von den kurdischen auf die irakischen Behörden zahlreiche Menschen vertrieben wurden. [...] Nach Angaben von DIS/Landinfo 'möchten lokale Gemeinden in einigen Fällen nicht, dass bestimmte Personen oder Familien zurückkehren. Es gibt beispielsweise bestimmte Gebiete in Kirkuk und Mossul, in die Binnenvertriebene oder Gruppen von Binnenvertriebenen nicht zurückkehren können. Außerdem kann es lokale Stammesdynamiken geben, die bestimmen, ob eine Person eine Genehmigung erhält. Was sunnitische Araber betrifft, wird häufig nur denjenigen erlaubt zurückzukehren, die deutlich ihre Unterstützung für die örtliche Führung zeigen' (178). [...] Südliche Gouvernements Nach Angaben von Dr. Géraldine Chatelard gelten die Bürgschaftsanforderungen für Reisen in den Süden nicht speziell für Vertriebene aus ehemaligen ISIS-Gebieten und für Nadschaf, sondern generell. Dr. Chatelard merkte an, dass eine Person, die nach Nadschaf oder in ein anderes Gouvernement ziehen möchte, einen Bürgen benennen müsse. Dabei erklärt Dr. Géraldine Chatelard, dass das Konzept der Bürgschaft breit gefächert sei: der Bürge kann ein Arbeitgeber (es gibt viele Fälle, in denen binnenvertriebene Beamte aus Ninewa und Anbar in das Gouvernement versetzt wurden, in das sie fliehen mussten, einschließlich Nadschaf, um ihre Arbeit fortzusetzen), ein Verwandter oder jede Art seriöser Einrichtung oder ein etabliertes privates Unternehmen sein. [...] Region Kurdistan-Irak Nach Angaben von DIS/Landinfo in einem Bericht für [sic] Binnenvertriebene vom November 2018 wurde die Einreise in die KRI verbessert, obwohl es keine rechtlichen Normen, Gesetze oder formellen Maßnahmen gibt und Verfahren aufgrund von sicherheitsbezogenen und politischen Entwicklungen häufig geändert 113

werden (220). [...] Die Behörden verlangen von nicht gebietsansässigen Personen Genehmigungen, die für begrenzte Aufenthalte in der KRI erteilt werden' (221). DIS/Landinfo berichteten im November 2018, dass Binnenvertriebene in die KRI einreisen dürfen, wenn sie Ausweispapiere besitzen. Zwei kurdische Beamte und IOM gaben an, dass jede Person, die die Grenze zur KRI passiert, sich innerhalb von 48 Stunden beim kurdischen Geheimdienst (Asayish) melden muss, dass am Kontrollpunkt der Name und die Ausweispapiere anhand einer Datenbank geprüft werden und ein Aufenthaltstitel für einen Monat ausgestellt wird (222). DIS/Landinfo merkten an, dass jeder irakische Staatsbürger, der über Flughäfen in die KRI zurückkehrt, die Erlaubnis erhält, drei Tage zu bleiben. Danach muss er sich jedoch innerhalb von 48 Stunden beim Asayish melden, und es kann schwierig sein, eine Verlängerung dieses dreitägigen Aufenthaltstitels zu erhalten (223). Dr. Chatelard beschrieb außerdem, dass zu den Anforderungen der Besitz von offiziellen Ausweisdokumenten (Personalausweis, Staatsangehörigkeits-bescheinigung oder Reisepass), das Bestehen einer Identitätskontrolle durch den Asayish und die Aufnahme eines Fotos vor Ort zur Erstellung einer einen Monat gültigen Aufenthaltskarte gehören. Es muss eine Gebühr von 10 000 IQ [rund 7,4 EUR (224)] gezahlt werden (225). Die Bürgschaftsanforderungen für die Einreise wurden nach Angaben von DIS/Landinfo 'erleichtert oder aufgehoben', nachdem Mossul 2017 wieder zurückerobert wurde. Es wurde jedoch auch berichtet, dass einige Personen in Einzelfällen dennoch einen Bürgen benennen mussten und einigen Binnenvertriebenen die Einreise aus Sicherheitsgründen verweigert wurde und bestimmte Personen, bei denen in der Vergangenheit 'erhöhte Sicherheitsbedenken' bestanden, Berichten zufolge in Gewahrsam genommen wurden (226). Nach Angaben des australischen DFAT vom Oktober 2018 liegt die Erlaubnis für die Einreise in die KRI im Ermessen der KRG, die die Beschränkungen erhöht hat, einschließlich der Anforderung an Personen, einen Bürgen zu benennen, obwohl die Umsetzung in der Praxis häufig inkonsequent ist (227). Quellen erklärten DIS/Landinfo, dass beispielsweise folgende Personen einen Bürgen für die KRI benötigen: Familien mit einem weiblichen Familienoberhaupt, die die Abwesenheit des Ehemannes nicht erklären können; alleinstehende Männer und Frauen ohne Familien und junge arabische Männer. Diesen sei die Einreise verweigert worden oder sie hätten, je nach ihren Beziehungen, Schwierigkeiten gehabt, eine Einreisegenehmigung für die KRI zu erhalten (228). Das USDOS merkte in ähnlicher Weise an, dass die Einreise in die KRI 'für Männer häufig schwieriger sei, insbesondere für arabische Männer, die ohne Familie reisen' 114

(229). Das DFAT stellte ebenfalls fest, dass arabische Sunniten Schwierigkeiten bei der Einreise in die KRI haben (230). DIS/Landinfo erklärten in ihrem Bericht vom November 2018, dass einigen Binnenvertriebenen die Einreise in die KRI aus Sicherheitsgründe verweigert wurde, was dazu geführt hat, dass einzelne Personen in Gewahrsam genommen wurden (231). Das USDOS berichtete in ähnlicher Weise, dass 'Beamte Personen, die sie als Sicherheitsbedrohung einstuften, die Einreise in die Region verweigerten' (232). Dr. Chatelard merkte in ihrer Überprüfung dieses Berichts an, dass eine Person eine Sicherheitskontrolle der Asayish durchlaufen muss, um einreisen zu dürfen; diejenigen, die Probleme bei der Einreise in die KRI haben, sind mutmaßliche ISIS- Mitglieder, deren Namen auf 'Sicherheitslisten' aufgeführt sind (233). In einer E-Mail-Korrespondenz mit dem EASO erklärte ein Zivilrechtsbeauftragter der Minority Rights Group International (MRG), der sich mit dem Irak beschäftigt und dort vor Ort Nachforschungen anstellt, Folgendes: 'Die KRG schreibt unterschiedliche Einreisebestimmungen vor, die je nach ethnischer und religiöser Identität oder der mutmaßlichen politischen Zugehörigkeit der Person variieren können. Personen kurdischer ethnischer Zugehörigkeit aus einem beliebigen Teil des Irak können beispielsweise im Allgemeinen leicht in die KRI einreisen, wohingegen Personen mit arabischer oder einer anderen ethnischen Zugehörigkeit normalerweise einen Bürgen in der KRI angeben müssen, bevor sie einreisen dürfen. Mitglieder von Minderheiten haben ebenfalls unterschiedliche Behandlungen erfahren, wobei die Einreise für Christen und Jesiden im Allgemeinen einfacher ist als beispielsweise für Schabaken und Turkmenen. Die Einreisebestimmungen sind manchmal willkürlich und werden schlecht kommuniziert und unterliegen Änderungen, die sehr kurzfristig bekannt gegeben werden. Die mutmaßliche politische Zugehörigkeit kann ebenfalls Einfluss darauf haben, ob eine Person in die KRI umsiedeln und sich innerhalb der Region frei bewegen darf. KRG-Beamte verknüpfen gute Behandlung und Zugang zu Dienstleistungen regelmäßig mit der Bedingung, dass die wichtigsten kurdischen politischen Parteien unterstützt werden. Dies betrifft auch religiöse Minderheiten, die die KRG in großer Zahl in die Region eingelassen hat, wie Christen und Jesiden. [...] Nach Angaben von Quellen von DIS/Landinfo in ihrem Bericht vom November 2018 ist es nun für Iraker aus Anbar, Ninewa, Salah ad-Din und Diyala 'einfacher', einen Aufenthaltstitel für die KRI, abhängig von ihren Ausweispapieren, zu erhalten. Personen ohne Ausreisestempel in ihren Reisepässen werden befragt. Aus einer Quelle von DIS/Landinfo geht hervor, dass es zahlreiche Schritte in diesem Verfahren für einen Aufenthaltstitel gibt und dass er für arabische alleinstehende junge Männer 'sehr schwer' zu erhalten ist (249). Der Asayish muss beispielsweise alle Aufenthaltsanträge und Mietverträge genehmigen, was als ein 'erhebliches Hindernis' beschrieben wird (250). 115

Kurden Zwei Quellen zufolge, die 2018 von DIS/Landinfo befragt wurden, 'brauchen Kurden aus dem übrigen Irak keine besondere Genehmigung', 'können in die KRI problemlos einreisen und sich dort aufhalten' und benötigen keinen Bürgen (251). Das DFAT stellte außerdem fest, dass Personen aus der KRI oder ethnische Kurden 'relativ leicht' in die KRI einreisen können, dies aber im Einzelfall anders sein könne (252). [...] Zentrale nördliche Gouvernements [...] Die IOM hat anhand von Rückkehrermustern ab Juni 2018 festgestellt, dass sich die größte Zahl der Rückkehrer im Gouvernement Ninewa befindet (1,4 Millionen; vor allem in den Bezirken Mossul, Tel Afar und Al-Hamdaniya), gefolgt vom Gouvernement Anbar mit 1,2 Millionen Rückkehrern (in den Bezirken Falludscha und Ramadi) und dem Gouvernement Salah ad-Din mit über 534.000 Rückkehrern. [...] Die Rückkehrer in diese Gebiete sehen sich der Gefahr durch nicht explodierte Kampfmittel, Minen und Sprengfallen sowie 'komplizierten Verwaltungsverfahren und neuen lokalen Dynamiken' ausgesetzt (293). Quellen gaben im Juni 2018 an, dass Binnenvertriebene, die in befreite Gebiete zurückkehren möchten, die begrenzte Bereitstellung von Dienstleistungen, wenige Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts und Unsicherheit als wichtigste Faktoren angeben (294). Weit verbreitete Zerstörung und Kontaminierung durch Kampfmittelrückstände sind ein wesentliches Hindernis für die Rückkehr in ehemalige ISIL-Gebiete. [...] Es fehlen außerdem grundlegendeDienstleistungen in den befreiten Gebieten des Irak, in denen die Infrastruktur zerstört ist [...] [...] In dem Bemühen, die sichere Rückkehr von Familien zu unterstützen, hat die irakische Regierung vier von fünf Rückkehrausschüssen der Gouvernements (GRC) eingerichtet und ihre Arbeit aufnehmen lassen. Diese Ausschüsse, die in Anbar, Kirkuk, Salah ad-Din und teilweise in Ninewa tätig sind, bestehen aus NRO-Beamten und den Vereinten Nationen. Sie sollen die Schließung von Lagern und die menschenwürdige Rückkehr von Vertriebenen erleichtern (306). Entscheidungen über die Schließung von Lagern werden weiterhin außerhalb dieses Rahmens getroffen (307)." EASO - European Asylum Support Office (2.2019): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Irak, Interne Mobilität, https://www.ecoi.net/en/file/local/2012384/2019_02_EASOCOIReportIraqInternal_Mo bility_DE.pdf, Zugriff 12.9.2019 116

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist eine deutsche überregionale Abonnement-Tageszeitung. Sie wird von der Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH verlegt, die sich zu 93,7 % im Besitz der gemeinnützigen Fazit-Stiftung befindet. Laut einem Artikel der FAZ vom November 2015, ist das Laissez-passer-Dokument der EU ein Passersatz, der jedoch nicht unbedingt anerkannt werden muss: "[...] Laissez-passer-Dokument der Europäischen Union. Ins Deutsche übersetzt heißt das: Bitte durchlassen! Anders als der wohlklingende französische Begriff zunächst glauben macht, handelt es sich nicht um eine Urkunde auf Büttenpapier, sondern um ein simples DIN-A4-Blatt mit einem Foto und den sogenannten Personalkerndaten, also den nötigsten Angaben zu demjenigen, der mit dem Papier ausgestattet wurde. [...] Voraussetzung ist, dass diese Kerndaten bekannt sind. [...] Kein Land der Erde ist gezwungen, jemanden mit einem solchen Dokument einreisen zu lassen. Das Laissez-passer-Verfahren funktioniert also nur dann, wenn ein Herkunftsland sich darauf einlässt." FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (12.11.2015): Flüchtlingskrise: Ablehnen ist einfacher als abschieben, https://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/fluechtlingskrise-ablehnen-ist- einfacher-als-abschieben-13909297-p3.html, Zugriff 12.9.2019 Laut einem Bericht von Amnesty International (AI) vom Februar 2019, waren bis November 2018 mehr als vier Millionen Binnenvertriebene die in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt sind. Die Rückkehrströmung verlangsamte sich in der zweiten Jahreshälfte 2018. Zum Berichtszeitpunkt waren fast zwei Millionen Menschen weiterhin vertrieben, von denen die meisten berichteten außerhalb der formalen Lager zu leben. Die Gründe für die Verlangsamung der Rückkehr waren laut IDPs Schäden und Zerstörungen an Wohngebäuden, das Fehlen an Beschäftigungsmöglichkeiten, das Fehlen grundlegender Infrastruktur und öffentlicher Dienstleistungen, einschließlich Gesundheitsversorgung, sowie Unsicherheit aufgrund von Blindgängern, improvisierten Sprengkörpern (IEDs), willkürlichen Verhaftungen, Belästigungen und Einschüchterungen durch bewaffnete Personen und, in einigen Fällen, Befürchtungen vor einem neuen Aufstand durch die IS: "By November, humanitarian organizations had recorded that more than 4 million IDPs had returned to their areas of origin. The flow of returns slowed in the second half of the year and almost 2 million people remained displaced, the majority of whom were reported to be living outside formal camps. Secondary displacements and new arrivals to formal camps were also reported. People who remained displaced cited several reasons for not returning home, including damage and destruction to housing; lack of job opportunities, basic infrastructure and public services, including health care; and insecurity due to unexploded ordnance, improvised explosive devices (IEDs), arbitrary arrests, harassment and intimidation by armed people, and in some cases fears of a new insurgency by IS." 117

AI - Amnesty International (16.2.2019): Irak, Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2018), Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 9.9.2019 IOM berichtet in ihrem Länderinformationsblatt Irak unter anderem über den Zugang zum Gesundheitswesen, zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, sowie zum Sozialwesen für Rückkehrende: "Gesundheitswesen Alle irakischen StaatsbürgerInnen, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Generell ist von den meisten Städten innerhalb einer Stunde ein Krankenhaus/Gesundheitszentrum erreichbar. In ländlichen Gegenden, in denen ein Großteil der Bevölkerung lebt, sind jedoch Gesundheitseinrichtungen weiter entfernt. Zugang: Alle irakischen StaatsbürgerInnen haben Zugang zu Gesundheitseinrichtungen. Es ist jedoch kein staatliches Krankenversicherungssystem etabliert. Für den Zugang wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt. Leistungen und Kosten: Die Krankenversicherung übernimmt keinerlei Kosten. Öffentliche Gesundheitsdienstleister bieten Behandlungen an, die normalerweise kostengünstiger als private Dienstleistungen sind. Die Preise von Medikamenten variieren je nach Diagnose. Gesundheitswesen: Zugang für Rückkehrende Berechtigungen und Voraussetzungen: Da ein Krankenversicherungssystem nicht existiert, besitzen grundsätzlich alle irakischen Staatsbürger Zugang zum Gesundheitssystem. Öffentliche Krankenhäuser und Kliniken verlangen sehr geringe Gebühren für ärztliche Überprüfungen und bieten Medikamente zu einem geringeren Preis an als im privaten Sektor. Allerdings sind im öffentlichen Sektor auch nicht alle Dienste und/oder Medikamente verfügbar. Anmeldungsverfahren: Es wird lediglich ein gültiger Ausweis benötigt. Darüber hinaus sollten alle weiteren relevanten Dokumente wie z.B. medizinische Bescheinigungen mitgebracht werden. Benötigte Dokumente: Für die Registrierung wird lediglich ein gültiger Ausweis benötigt. Für Säuglinge, die eine bestimmte Impfung erhalten sollen, erhalten die Eltern einen gesonderten 118

Impfausweis. Dieser muss bei jedem Krankenhausbesuch von den Eltern vorgezeigt werden. Der Impfausweis wird basierend auf den Informationen im Personalausweis der Eltern bzw. In der Geburtsurkunde des Kindes ausgestellt. [...] Arbeitsmarkt und Beschäftigung Das durchschnittliche monatliche Einkommen im Irak beträgt derzeit, je nach Position und Ausbildung, zwischen 200 und 2500 USD. Laut Trading Economics, beträgt die Arbeitslosenquote derzeit 14.8%. Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche Arbeitsagenturen werden durch das Ministerium für Arbeit und Soziales in den meisten Städten zu Verfügung gestellt. Diese können beim Generalsekretariat der Arbeits- und Sozialversicherung eingesehen werden. Stellenangebote können unter anderem auf folgenden Websites gefunden werden: - http://erbilmanpower.com/ - http://www.mselect.iq/ - http://www.aweza.co/jobs/ -http://unjobs.org/duty_stations/iraq Arbeitslosenunterstützung Es gab ein Programm, welches irakische ArbeiterInnen, die weniger als 1 USD pro Tag verdienen, unterstützen sollte. Dies galt ebenfalls für arbeitslose Personen. Aufgrund der derzeitigen Situation im Land wurde das Programm jedoch eingestellt. Leistungen und Kosten: Zur Zeit wird auf nationaler Ebene vom Staat keine Arbeitslosenhilfe ausgezahlt. [...] Arbeitsmarkt: Zugang für Rückkehrende Berechtigung und Voraussetzungen: Als Antwort auf die Herausforderungen hoher Arbeitslosigkeit, einer unterqualifizierten Arbeiterschaft sowie den Bedürfnissen eines wachsenden Privatsektors, hat die irakische Regierung ein Ausbildungsprogramm entwickelt. Allerdings ist dieses Programm auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Landes nicht mehr aktiv. Anmeldungsverfahren: Rückkehrer können sich an die nächstgelegene Anlaufstelle des Ministeriums für 119

Arbeit und Soziales wenden um sich zu registrieren und über mögliche Hilfe zu erkundigen. Dies gilt sowohl für Arbeitsmöglichkeiten als auch für Weiterbildungsmaßnahmen. In Bagdad können sie sich entweder über die Website des Ministeriums für Arbeit und Soziales online (http://176.241.89.196:7777/) oder vor Ort bei einem der Anlaufstellen registrieren. Benötigte Dokumente: Rückkehrer sollten sich über die Anlaufstellen des Ministeriums für Arbeit und Soziales registrieren. Sie sollten ihren Personalausweis, Ration Card und, je nach Bewerbung, zusätzliche Dokumente bereithalten. [...] Wohnsituation Allgemeine Informationen Die Höhe der Miete hängt vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Stand 2018, liegt die Miete in KR-I Städten bei 200 - 600 USD für eine Zweizimmerwohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Nachfrage zum Mieten stieg, nahm die Nachfrage zum Kaufen ab. Die Durchschnittliche Betriebskosten pro Monat liegen für: Gas (15,000 IQD) Wasser (10-25,000 IQD) Öffentliche Elektrizität (30-40,000 IQD) Private oder nachbarschaftliche Generatoren (40,000 - 60,000 IQD) Im Anschluss an den Krieg gegen den IS und der anschließenden Befreiung der Gebiete unter seiner Kontrolle kehren die ersten Binnenflüchtlinge wieder zu ihren Heimatsorten zurück. Dies führt zu einer leichten Senkung der Mietspreise Generell ist es vor allem für alleinstehende Männer schwierig Häuser zu mieten. Mit Hinblick auf (Einzel-) Wohnungen, sind die Abläufe unkomplizierter. Unterstützung bei der Wohnungssuche Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrende nicht. Private Immobilienfirmen können helfen. Finanzielle Unterstützung Die Regierung gewährte Kredite für BürgerInnen für den Hausbau, solange diese ein Grundstück mit einer Mindestgröße von 100 m2 besaßen. Derzeit ist diese Förderung jedoch eingestellt. Allerdings stellen einige Privatbanken Kredite für den Hausbau bereit. 120

[...] Sozialwesen Sozialsystem: Alle IrakerInnen sind automatisch im Sozialsystem registriert. Die KR-I Regierung behandelt StaatsbürgerInnen aufgrund von Religion oder Ethnie nicht unterschiedlich. Diese haben, ebenso wie Rückkehrer, Zugang zu allen Sozialleistungen. Folgende Personen können Sozialhilfe beantragen: Körperlich eingeschränkte Familien von Märtyrern (inklusive Witwen und Witwer) Weise Schutzbedürftige Personen mit Behinderungen erhalten 150.000 IQD für Betreuungsmöglichkeiten. In bestimmten Fällen können Unterstützungsprogramme je nach Gemeinde und Art der Behinderung variieren. Beispielsweise muss die Behinderung einer Person bis zu 70% betragen um sich für die Sozialleistungen zu qualifizieren. Leistungen: Irak hat ein System, das nicht unbedingt der Definition eines Sozialleistungssystems in europäischen Ländern entspricht. Dennoch stellt der Staat gewisse Leistungen, z.B. im Bildungsbereich, der Gesundheitspflege sowie Grundnahrungsmittel, zur Verfügung. Jedoch sind die Leistungen im öffentlichen Sektor auf Grund der instabilen Lage des Landes von recht niedriger Qualität. Kosten: Mit Ausnahme geringer Arbeitsgebühren treten für den Begünstigten keinerlei Kosten auf. [...] Sozialsystem: Zugang für Rückkehrende Berechtigungen und Voraussetzungen: Folgende Personen können Sozialhilfe beantragen: Körperlich eingeschränkte, Familien von Märtyrern (inklusive Witwen und Witwer) und Weisen. Um einer dieser Personengruppen zugeordnet zu werden, müssen wiederum bestimmte Kriterien erfüllt werden. Ein individueller Fall wird entsprechen dieser Kriterien entweder angenommen oder abgelehnt. Beispielsweise muss die Behinderung einer Person bis zu 70% betragen um sich für die Sozialleistungen zu qualifizieren. Dieser Prozentsatz variiert wiederum je nach Art der Behinderung. Anmeldeverfahren: 121

Die Anmeldung erfolgt über das Ministerium für Arbeit und Soziales nachdem alle nötigen Dokumente eingereicht wurden. Jeder Fall obliegt Durchsicht und Zustimmung. Benötigte Dokumente: Die allgemein benötigten Dokumente beinhalten einen irakischen Personalausweis und eine Food Ration Card. Das Ministerium für Arbeit und Soziales kann je nach Kategorie der Schutzbedürftigkeit zusätzliche Dokumente anfordern. [...] Schutzbedürftige Personen Zu den gefährdete Personengruppen gehören Waisen, Märtyrerangehörige, Witwen, Personen mit Einschränkungen. Diese erhalten vom Staat Leistungen, dazu müssen sie Unterlagen einreichen, die die Zugehörigkeit zu diesem Personenkreis bestätigt. Je nach Gefährdung sind dazu unterschiedliche Unterlagen notwendig. Unterstützung für Schutzbedürftige Personen Sozialbedürftige Personen können einen finanziellen Nachlass beantragen. Außerdem befindet sich eine Liste mit NGOs und anderen Organisationen im Anhang." IOM - Internationale Organisation für Migration (geändert am 1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18 363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdfnodeid=20101157&v ernum=-2, Zugriff 9.9.2019 Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland (AA) berichtet im Jänner 2019 folgendes über die Rückkehrsituation von Binnenvertriebenen im Irak, sowie über die freiwillige Rückkehr von Irakern aus anderen Staaten: "Situation für Rückkehrerinnen und Rückkehrer Derzeit stellt sich für Irak prioritär die Frage nach der Rückkehr der aktuell noch ca. 1,8 Mio. Binnenflüchtlinge. Von den ca. 6 Mio. durch IS vertriebenen Binnenflüchtlingen sind ca. 4,1 Mio. in ihre Herkunftsorte zurückgekehrt. Nachdem sich die Rückkehrerraten zum Anfang des Jahres 2018 noch erhöhten, haben diese ihr Plateau nun überschritten, Hilfsorganisationen gehen von einer Stagnation der Rückkehr aus. Gründe für Nichtrückkehr sind überwiegend mangelnde Sicherheit, Kontaminierung durch Sprengfallen, Bedrohung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure (Milizen), sowie innergesellschaftliche Spannungen. Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Laut BAMF wurden bis Ende September 2018 24 irakische Staatsangehörige in ihr Heimatland zurückgeführt. 122

[...] In der Region Kurdistan-Irak gibt es mehr junge Menschen, die sich nach ihrer Rückkehr organisieren. Ob sich diese Tendenzen verstetigen, wird aber ganz wesentlich davon abhängen, ob sich die wirtschaftliche Lage in der Region Kurdistan-Irak kurz- und mittelfristig verbessern wird. [...] Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten. [...] Trotz internationaler Hilfsgelder bleibt die Versorgungslage für ärmere Bevölkerungsschichten schwierig. [...] Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt: In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen. Die große Zahl von Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen belastet das Gesundheitssystem zusätzlich. Hinzu kommt, dass durch die Kampfhandlungen nicht nur eine Grundversorgung sichergestellt werden muss, sondern auch schwierige Schusswunden und Kriegsverletzungen behandelt werden müssen. AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand- dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 12.9.2019 [...]" Quellen: -BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung zu Irak: Einreise, Rückkehrlage und Zugang zu Sozialleistungen vom 14.10.2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2018510.html, mwN (Zugriff am 24.01.2020) Aus dem EASO-Informationsbericht über das Herkunftsland Irak - Gezielte Gewalt gegen Individuen, März 2019, ergibt sich zur Desertion (vgl Punkt 1.8., S 75 ff): "[...] 1.8 Desertion 1.8.1 Fahnenflucht 123

Das irakische Militärstrafgesetz Nr. 19 aus dem Jahr 2007, das sich auf die im Dienst befindlichen militärischen Streitkräfte des Irak, auf Kadetten von Militärhochschulen sowie Militärschulen oder -institutionen bezieht, behandelt Desertion und eine Reihe damit verbundener Bestrafungen in Kapitel 5. Artikel 35 Absatz 1 besagt, dass "jeder, der zum Feind desertiert, mit dem Tod bestraft wird." In Absatz 2 heißt es: "Jeder, der während der Auseinandersetzungen mit dem Feind oder aus einem belagerten Ort desertiert, wird zu zwei bis sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt." Absatz 5 zufolge wird über jeden "Soldaten, der während seines Militärdienstes ins Ausland desertiert", eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Artikel 36 hält fest, dass "mildernde Umstände' gelten, wenn der Deserteur Reue zeigt und sich stellt." In einem Bericht vom Oktober 2014 merkt die UNAMI an, dass die Todesstrafe im Militärstrafgesetz von 2007 verankert ist: "Straftaten, die eine Todesstrafe nach sich ziehen, sind in den Artikeln 27 und 28 aufgeführt, und umfassen: Straftaten im Zusammenhang mit der Nichterfüllung der Pflichten der Militärs in Situationen, in denen die Personen sich selbst ergeben oder die Kapitulation anderer Angehöriger der Streitkräfte herbeiführen sowie die Aushändigung von militärischen Anlagen, militärischen Gegenständen oder Gebieten; die Weitergabe geheimer Unterlagen oder Informationen an feindliche Mächte in Friedens- oder Kriegszeiten; die Anstiftung von Angehörigen der Streitkräfte zu Revolten, Desertionen oder zum Überlaufen zum Feind; die Anstiftung zu Befehlsverweigerung oder Ungehorsam unter anderen Angehörigen der Streitkräfte; die Preisgabe militärischer Operationen und militärischer Geheimnisse an den Feind; die Verbreitung von Panik innerhalb der Streitkräfte durch Fehlinformationen; die heimliche Kommunikation mit den feindlichen Streitkräften usw.". Absentismus und Abwesenheit fallen unter Kapitel 4, Artikel 33 des Gesetzes. Darin heißt es, dass "jeder, der ohne juristische Begründung seiner Einheit oder seinem Einsatzort fernbleibt oder in Friedenszeiten seinen Urlaub um mehr als 15 Tage im Fall von niedrigeren Rängen oder zehn Tage im Fall von Offizieren überschreitet, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft wird." Die unter Artikel 33 fallenden Absentismus-Handlungen werden zu Zeiten der "Mobilisierung' als erschwerende Umstände' aufgefasst" (Artikel 36). In einem Artikel vom Juni 2014 wies die New York Times darauf hin, dass sich die irakische Regierung nach der Eroberung von Mossul durch den ISIL in jenem Monat "öffentlich auf das Gesetz berief und Desertionen verbot und mit harten Strafen drohte, einschließlich der Todesstrafe." Im selben Monat berichtete Public Radio International (PRI), dass der irakische Ministerpräsident Nouri al-Maliki den Deserteuren in einer im Fernsehen übertragenen Rede klar mit der Hinrichtung gedroht habe. Ein irakischer Oberst, der anonym bleiben möchte, weil er nicht befugt ist, mit der Presse zu sprechen, sagte jedoch: "Das Militär betrachtet Soldaten, die geflohen waren, nachdem sie von ihren Vorgesetzten im Stich gelassen wurden, nicht als Deserteure." Er erklärte, dass die Soldaten fliehen mussten, da ihnen keine Kampfbefehle mehr erteilt wurden. Ihre Kommandanten waren verschwunden und ihr Leben war in Gefahr. Dieselbe Quelle erläuterte, dass "die Massendesertierungen aus Mossul als politisches Problem behandelt werden, und nicht als strategisches oder militärisches Problem." 124

In einem Artikel vom Juli 2014 berichtete die Washington Post über die Situation eines irakischen Soldaten, der im Monat zuvor aus der Armee desertiert war. Der Quelle zufolge entzog sich der junge Mann "den Behörden, von denen Deserteure festgenommen wurden, indem er zwischen den Häusern von Freunden und Familienmitgliedern in seiner Heimatstadt Bagdad hin- und herpendelte." Michael Knights teilte der Washington Post mit, dass fast ein Zehntel der aktiven Soldaten des Irak in den Wochen nach der ISIL-Besetzung von Mossul desertiert waren. Irakischen Beamten zufolge ist es durchaus möglich, dass es zu dem Zeitpunkt an die 90 000 Deserteure gab. Im September 2014 berichtete die New York Times, dass die irakische Armee versucht habe, die Deserteure zur Rückkehr zu bewegen, indem sie ihnen eine De- facto-Amnestie anbot. Ein Beamter der Zentrale für Wiedereinberufung in Bagdad teilte der New York Times mit, dass von niemandem verlangt werde, zu begründen, warum er seine Einheit verlassen habe. Niqash berichtete, dass die irakische Armee stark unter dem sogenannten "Astronauten-Phänomen" leide: Soldaten bezahlen ihre Kommandanten dafür, dass sie das Armeeumfeld verlassen und den Kämpfen fernbleiben können. In demselben Artikel heißt es, dass viele Soldaten Bestechungsgelder zahlen, um sich aus den Gefahrenzonen zu bringen, indem sie "einen beträchtlichen Teil ihres Gehalts oder ihr gesamtes Gehalt an ihre Vorgesetzten zahlen, die als Gegenleistung ihre Abwesenheit nicht melden." Daher die zunehmende Zahl der irakischen Soldaten, die Gebiete verließen, in denen Zusammenstöße zu erwarten waren, wie zum Beispiel die Provinzen Anbar, Salah al- Din und Diyala, hieß es in dem Artikel von Juli 2014. Dieser enthielt außerdem Hinweise darauf, dass sich es in der irakischen Armee seit der Einführung des neuen Militärstrafgesetzes im Jahr 2007 mehr Korruption gebe. Ferner heißt es dort: "Obwohl das Militärgesetz strenge Vorschriften für Soldaten erlässt, die - vor allem in Kriegszeiten - nicht zum Dienst erscheinen, wird es kaum durchgesetzt." Der Abgeordnete Mathar al-Janabi, ein Mitglied des Parlamentsausschusses für Sicherheit und Verteidigung, erläuterte Niqash gegenüber, dass "unsere Sicherheitskräfte große Probleme bei der Durchsetzung des Militärrechts haben(...), wodurch Angehörige des Militärs keine Bedenken haben, illegale Handlungen zu setzen - wie Abwesenheit ohne Urlaub, illegale Tötungen oder andere Formen der Nichterfüllung ihrer militärischen Pflichten." Im April 2015 berichtete AFP, dass Ministerpräsident al-Abadi den desertierten Mitgliedern der Sicherheitskräfte eine Amnestie anbot, sofern sie innerhalb von 30 Tagen zu ihren Einheiten zurückkehrten. Im Mai 2015 kündigte Ministerpräsident al- Abadi an, "alle rechtlichen Schritte gegen jene, die unter ihrem Militärdienst davongelaufen oder nicht anwesend waren, einzustellen." Laut einer Erklärung aus dem Ministerbüro Abadis "hat der Ministerpräsident beschlossen, alle rechtlichen Schritte gegen Angehörige der Streitkräfte und die Kräfte der inneren Sicherheit endgültig einzustellen, einschließlich in Bezug auf die folgenden Straftaten: Flucht, Absentismus, Simulieren von Krankheit und Selbstverletzungen, um vom Dienst befreit zu werden, sowie Verbrechen gegen das Militärregime und die Angelegenheiten des Dienstes." Im August 2016 berichteten die Iraqi News, dass das irakische Verteidigungsministerium die Verträge von 106 000 Militärbeamten gekündigt habe, die im Juni 2014 nach dem Einmarsch des ISIL in Mossul 125

Fahnenflucht begangen hatten. In einem Bericht vom Dezember 2016 merkt Landinfo an, dass es im November 2016 ein Treffen mit einem Mitglied einer nicht benannten, im Irak aktiven internationalen Organisation gegeben habe. Laut dieser internationalen Organisation könnten Militärdeserteure, die das Land verlassen haben, nach ihrer Rückkehr in den Irak festgenommen und inhaftiert werden. Jene, die über die richtigen Beziehungen verfügen, können jedoch wieder ihren Dienst aufnehmen, ohne mit Bestrafungen rechnen zu müssen. Landinfo wies darauf hin, dass diese Angaben nicht durch Informationen aus anderen Quellen bestätigt werden konnten. Der Direktor des UNAMI-Menschenrechtsbüros in Bagdad teilte Landinfo außerdem mit, dass seine Stellen über keine Fälle informiert seien, in denen Gerichtsverfahren zu einer Todesstrafe nach dem Militärstrafgesetz geführt hätten. Außerdem hatte die UNAMI in den von ihr besuchten Gefängnissen keine Militär-Deserteure angetroffen. Landinfo erklärte ferner, dass es nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass Angehörige des Militärs wegen der Massendesertation nach der ISIL-Offensive im Juni 2014 festgenommen worden waren. Laut Landinfo deuten die gesammelten Informationen jedoch darauf hin, dass das Militärstrafgesetz nicht in vollem Umfang durchgesetzt wird. In einem Artikel vom Dezember 2016 berichtete Al-Monitor, dass der Parlamentsausschuss für Sicherheit und Verteidigung im selben Monat angekündigt hatte, "die Umsetzung des Gesetzes fortzusetzen, um die aus der Armee, der Polizei und den Sicherheitsbehörden Entlassenen zurückzuholen sowie weitere Personen, die geflohen waren oder deren Verträge gekündigt wurden." Als Grund für die Umsetzung dieses sogenannten "Amnestiegesetzes" werden politische und humanitäre Motive angeführt. Der Parlamentarier Raad al-Dahlaki sagte gegenüber Al-Monitor, dass "der Beschluss den entflohenen Menschen eine zweite Chance gibt, sodass sie nicht die Bürde eines Staates tragen müssten, der seine Bürger nicht schützen kann. Sie sollten nicht für die schlechte Handhabung der Sicherheits- und politischen Angelegenheiten der Regierung zur Verantwortung gezogen werden." Saad al-Matlabi, ein Mitglied des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Provinzialrat von Bagdad, teilte Al-Monitor mit, dass "die Entscheidung, Sicherheitskräften Amnestie zu gewähren und die rechtlichen Schritte gegen sie einzustellen, ein Teil der politischen Beilegungsentscheidungen war, die lange vor den Mossul-Operationen beschlossen worden war. Sie wurde jedoch erst wenige Tage zuvor genehmigt." In einem Aktualisierungsbericht über Desertion vom Januar 2018 verweist Lifos auf den Artikel von Niqash vom Oktober 2014, in dem es um das so genannte Astronauten-Phänomen geht. In dem Bericht wird ferner darauf hingewiesen, dass es kaum konkrete Informationen über Angehörige des Militärs oder der Polizei gibt, die wegen Desertion inhaftiert wurden. Joel Wing, ein in den USA ansässiger Irak- Experte und Betreiber des Blogs "Musings on Iraq", war im Mai 2018 von ACCORD interviewt worden. Er sagte, dass ihm keine Informationen darüber vorliegen würden, dass es für Menschen, die eine Einheit der PMU verlassen hätten, Konsequenzen gebe. Laut einem von DIS/Landinfo im Zuge ihrer Mission in der KRI im Jahr 2018 befragten Irak-Analysten würde es für Mitglieder der PMU mit niedrigem Rang keine 126

Folgen oder Vergeltungsschläge geben, wohingegen hochrangige Mitglieder sehr wohl mit Konsequenzen konfrontiert wären. Diese Quelle erklärte weiter: "Die irakischen Sicherheitskräfte sind freiwillige Kräfte und es gibt keine Einberufungsbefehle, was auch für die Peschmerga und die PMU gilt. Wenn ein Mitglied der ISF desertiert, kann der irakische Staat diese Person nicht strafrechtlich verfolgen. Niemand würde den Deserteur verfolgen." Die Quelle merkte ferner an, dass es für Geheimdienstmitglieder des Irak und der KRI nicht leicht wäre, zu desertieren. [...]" Insgesamt konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG unzulässig wäre. 2. Beweiswürdigung: Zum Verfahrensgang: Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Zur Person der beschwerdeführenden Partei: Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort), Staatsangehörigkeit sowie Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Aktenkundig sind weiters Kopien des irakischen Personalausweises und des irakischen Staatsbürgerschaftsnachweises, an deren Echtheit keine Zweifel aufgekommen sind. Das Bundesverwaltungsgericht nahm weiters hinsichtlich des Beschwerdeführers Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister sowie die Grundversorgungs- und Sozialversicherungsdaten und holte die aktenkundigen Auszüge ein. Die übrigen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und weder vom Beschwerdeführer noch vom Bundesamt bestritten wurden. Darüber hinaus konnte er sein gesamtes Vorbringen, insbesondere zu seinen Integrationsleistungen und zu seinen Deutsch- Sprachkenntnissen, durch geeignete Nachweise untermauern. Der Großteil der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte auf Deutsch ohne Dolmetscher durchgeführt werden. Das erkennende Gericht konnte sich neben den 127

vorliegenden schriftlichen Nachweisen auch persönlich von den sehr guten Deutsch- Kenntnissen des Beschwerdeführers überzeugen. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei: Zum Vorbringen bezogen auf die konkrete Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak in die Türkei ist auszuführen, dass, nachdem der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 10.09.2015 unter Punkt 9.2. (vgl AS 35) sowie auch ausdrücklich im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 14.03.2017 (vgl AS 89) angab, er habe den Irak legal mit dem Flugzeug verlassen und seinen Reisepass aus Angst vor einer Abschiebung selbst in Europa vernichtet und weiters auf Rückfrage des Bundesamtes in der Einvernahme am 17.01.2018 angab, seine Angaben in der Erstbefragung sowie der Einvernahme am 14.03.2017 seien korrekt (vgl AS 294), gegenständlich festzustellen war, dass der Beschwerdeführer den Irak legal unter Verwendung seines Reisepasses verlassen hat, zumal er auch in der mündlichen Verhandlung angab, ihm sei gegen die Bezahlung von Schmiergeld ein Visum für die Türkei ausgestellt worden, mit dem er dann ausgereist sei. In Anbetracht der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat im Irak und der eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wonach es im Irak gängige Praxis ist, Schmiergeld zu bezahlen, um schneller an Dokumente oder sonstige Behördenleistungen zu kommen, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe für die Ausstellung eines Visums und eines Tickets Schmiergeld bezahlen müssen, für das erkennende Gericht kein belastbares Indiz dafür, dass dem Beschwerdeführer eine Ausreise wegen der von ihm vorgebrachten Bedrohung sonst nicht möglich gewesen wäre. Die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und seiner Situation im Fall der Rückkehr beruhen auf den jeweiligen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung, den beiden niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt, den Ausführungen in der Beschwerde sowie den ergänzenden Schriftsätzen sowie den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Zuge der Erstbefragung am 10.09.2015 brachte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt vor, er sei Soldat beim irakischen Militär gewesen und habe von seinem Kommandanten einen Befehl erhalten, dass sie Sunniten erschießen sollten. Aus diesem Grund sei er geflüchtet und befürchte im Falle seiner Rückkehr verhaftet zu werden, da der seinen Dienst in der Armee verweigert habe (vgl Erstbefragung vom 10.09.2015, AS 39). Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt 14.03.2017 an, er sei einfacher Soldat beim Militär, "Gruppe der Fußgänger" [ganz offensichtlich gemeint: ein Teil der Infanterie, Anm.], tätig gewesen und habe seine Einheit vom Kommandanten den Befehl erhalten, Sunniten zu töten. Die Einheit sei dorthin gefahren und als er gesehen habe, wie andere Soldaten (Schiiten) Sunniten getötet hätten, habe er dem Befehl nicht Folge geleistet. Daraufhin habe er in seiner sieben Tage andauernden dienstfreien Zeit zuhause vor dem Haus der Familie des Beschwerdeführers in B. einen Drohbrief vorgefunden. Er habe sich diesbezüglich an das Gericht gewandt 128

und eine Anzeige gemacht. Danach sei er vom Militär desertiert und habe in verschiedenen Städten im Irak bzw. auch in der Autonomen Region Kurdistan für etwa zehn Monate gelebt, bis er in die Türkei ausgereist sei. In den zehn Monaten nach der Desertion sei es zu keinen Vorfällen gekommen, jedoch habe er Angst gehabt. Im Falle einer Rückkehr würde er getötet werden, weil er einen Befehl nicht befolgt habe und vom Militär geflohen sei (vgl Niederschrift vom 14.03.2017, AS 92 ff). Der Beschwerdeführer legte im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt am 14.03.2017 auch mehrere Kopien irakischer Dokumente zum Nachweis der von ihm vorgebrachten Bedrohung am 12.09.2017 und der daraufhin seinerseits erfolgten Anzeige vom 14.09.2014 vor. Diesbezüglich ist einer Übersetzung der Dolmetscherin des Bundesamtes aktenkundig, wonach der Beschwerdeführer laut der Anzeige am 12.09.2014 am Morgen aus dem Haus habe gehen wollen und dabei einen Zettel am Boden vor der Tür vorgefunden habe. Der Inhalt sei eine Todesdrohung und die Aufforderung gewesen, die Gegend zu verlassen. Es sei nicht bekannt, wer den Zettel platziert habe. Diesbezüglich ergibt sich aus einer beigefügten handschriftlichen Notiz der Dolmetscherin, dass fünf der Dokumente doppelt vorgelegt wurden, wobei die dort angebrachten Stempel aber jeweils an verschiedenen Stellen platziert seien. Außerdem befindet sich in dem Konvolut nicht der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Drohbrief an sich. Es handelt sich dabei um eine Anzeige sowie zugehörige Aussagen (vgl aktenkundige schriftliche Übersetzung sowie handschriftliche Stellungnahme der Dolmetscherin, AS 115; Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 295). Neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt am 17.01.2018 an, er sei einfacher Soldat beim Militär und in Bagdad stationiert gewesen. Er sei als Fahrer eingesetzt worden und eines Tages hätte seine Truppe von einem Offizier, der aber von der "Mahdi-Miliz" beeinflusst werde, den Befehl erhalten, in eine sunnitische Ortschaft bei Bagdad zu fahren und dort alle Sunniten zu verhaften. Der Beschwerdeführer habe nachgefragt, von wem der Befehl komme, aber keine Antwort erhalten. Es seien zu vielen Menschenrechtsverletzungen gekommen. Die angeblich kriminellen Sunniten seien mit Waffen geschlagen und alle festgenommen worden. Sie hätten auf Häuser geschossen und diese komplett zerstört. Das sei nicht in Ordnung gewesen und habe der Beschwerdeführer dann gegenüber mehreren anderen Soldaten geäußert, er wolle aus dem Militär austreten, denn er wolle und könne dies nicht mehr mitmachen. Seine Kollegen hätten jedoch eher auf der Seite des Offiziers gestanden. In der dienstfreien Zeit danach sei er nach B. nach Hause gefahren und habe dort am 12.09.2014 einen Drohbrief von der Mahdi-Miliz erhalten. Er habe mit niemanden sonst Probleme gehabt, weswegen er darauf geschlossen habe, dass der Offizier die Drohung veranlasst habe. Er sei sofort zur Polizei gegangen und habe Anzeige erstattet. Diese hätte jedoch verlangt, dass der Beschwerdeführer einen Zeugen mitbringe. Daraufhin habe er seinen Bruder mitgebracht, der gesehen habe, dass der Beschwerdeführer den Drohbrief aus Schock zerrissen habe. So habe er der Polizei auch nur vom Inhalt berichten, nicht aber den Brief vorlegen können. Den Bruder habe er über den Inhalt des Briefes nicht aufgeklärt, weil er nicht wollte, dass er sich Sorgen macht. Die Polizei habe ihn drei Tage später wieder herbestellt. Er habe sich 129

derweil drei Tage bei einem Cousin versteckt und habe dann die Unterlagen betreffend die Anzeige abgeholt. Dann sei er nach Suleimaniya in Kurdistan gereist. Aber auch dort habe er wegen der Differenzen zwischen Arabern und Kurden Angst gehabt. Er sei als Araber schlecht behandelt worden und habe schwere Arbeit leisten müssen. Danach sei er nach Al Basra und von dort weiter nach Al Najaf. In Al Basra habe er von seiner Mutter einen Anruf erhalten, wonach maskierte Männer nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. Er vermute, diese seien öfter gekommen, die Mutter habe jedoch nur von einem Vorfall erzählt. Den Irak habe er über den Flughafen Bagdad nur durch Zahlung von viel Bestechungsgeld verlassen können. Persönlich sei er aber nur dieses eine Mal durch den Brief bedroht worden. Seine Familie sei nicht bedroht worden. Seit 16. oder 17.09.2017 gelte der Beschwerdeführer als Deserteur, da er seinen Dienst nicht mehr angetreten habe. Die Anzeige habe er in der dienstfreien Zeit gemacht und sei dann nicht mehr zurückgekehrt. Wäre er im Irak geblieben, wäre er sicher von der Mahdi Miliz getötet oder von der Regierung inhaftiert worden. Möglicherweise drohe ihm die Todesstrafe (vgl Niederschrift Bundesamt vom 17.01.2018, AS 297 ff). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er habe bei der irakischen Armee unter einem näher genannten Offizier gedient. Eines Tages sei seine Einheit in eine sunnitische Ortschaft gefahren und habe vier Bewohner mitgenommen. Diese seien von seinen Kameraden sehr schlecht behandelt und geschlagen und auf deren Häuser geschossen worden. Es sei für ihn nicht erträglich gewesen und habe er nachgefragt, warum sie dies tun sollten. Es sei ihm nur gesagt worden, er solle die Befehle ausführen. In der darauffolgenden dienstfreien Zeit habe er in B. am 12.09.2014 einen Drohbrief gefunden. Man habe den Brief unter der Türe durchgeschoben und er habe ihn gefunden, als er in der Früh das Haus habe verlassen wollen. Er habe eine Anzeige gemacht, die Polizei habe jedoch gemeint, sie könnten nichts tun, da es sich um die Mahdi Armee handle. Er soll drei Tage später kommen um die Unterlagen abzuholen. Er habe die drei Tage bei einem Cousin im selben Ort übernachtet und danach sei er nach Suleimaniya in Kurdistan gegangen, wo er als Hilfsarbeiter gearbeitet habe. Sein Visum sei nicht verlängert worden, deswegen sei er dann nach Basra, dann nach Najaf und schließlich über Bagdad ausgereist. Er sei sich sicher, der Drohbrief sei vom Offizier veranlasst worden, weil der Beschwerdeführer mit dessen Befehlen nicht einverstanden gewesen sei. Auch seine Kollegen hätten für seine Haltung kein Verständnis gezeigt. Unter normalen Umständen hätte er den Dienst korrekt gekündigt, dies sei aber wegen des Drohbriefes nicht möglich gewesen. Er habe sich nicht getraut, an den Verantwortlichen heranzutreten. Er vermute, der Offizier habe von den Kollegen über die Fragen und Einwände des Beschwerdeführers erfahren. Während der Beschwerdeführer in Basra gewesen sei, habe ihm seine Mutter berichtet, dass einmal maskierte Männer zum Haus gekommen wären und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. Er vermute, diese hätten der Mahdi Miliz angehört. Der fragliche Einsatz gegen die Sunniten sei der erste und einzige gewesen. Er sei damals als Fahrer eingesprungen. Ursprünglich sei er Wächter gewesen, dann sei er an der Tankstelle der Militärbasis tätig gewesen. An Kampfhandlungen selbst habe er bis dato nie teilgenommen (vgl Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2020, S 11 ff). 130

Dazu ist auszuführen, dass - wie auch das Bundesamt im angefochtenen Bescheid schon ausgeführt hat und entgegen dem Beschwerdevorbringen - sich die Angaben und Ausführungen des Beschwerdeführers in wesentlichen Punkten unterscheiden oder widersprechen. Während der Erstbeschwerdeführer in der Erstbefragung sowie der ersten Einvernahme vor dem Bundesamt am 14.03.2017 im Wesentlichen angab, er habe sich persönlich an der Ermordung von sunnitischen Zivilisten als Soldat für das irakische Militär beteiligen müssen, weswegen er Befehle verweigert, daraufhin einen Drohbrief erhalten und dann den Irak ohne ordnungsgemäße Quittierung seines Dienstes verlassen habe (somit desertiert sei), hat sich im Zuge des gegenständlichen Verfahrens, insbesondere im Rahmen der vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung, schließlich ergeben, dass der Beschwerdeführer tatsächlich zwar Soldat gewesen ist, aber nie persönlich an Kampfhandlungen teilnahm. Er war als Wächter der Kaserne und dann an der Kasernen-Tankstelle tätig. Bei dem von ihm geschilderten Einsatz in einem sunnitischen Dorf im September 2014 war er erstmals als Fahrer für seine Einheit hinzugezogen worden, hat sich darüber hinaus selbst jedoch nicht an dem Einsatz beteiligt. Auch hat sich der Beschwerdeführer - entgegen seinen ursprünglichen Angaben - nicht den Befehlen seines Offiziers offen widersetzt oder diesem widersprochen. Vielmehr hat er seinen Kameraden gegenüber seinen Unmut über die Behandlung der Sunniten geäußert und, dass er dies künftig nicht mehr mitmachen möchte. Der Beschwerdeführer hat damit - wenn überhaupt - für die Zukunft geäußert, aus dem Militärdienst austreten zu wollen, hat aber seinen Dienst an jenem Tag im Endeffekt korrekt versehen. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer tatsächlichen Befehlsverweigerung von seinem Offizier selbst in Arrest genommen worden wäre oder sonst eine Strafe erhalten hätte, was tatsächlich nicht der Fall gewesen ist, konnte der Beschwerdeführer mit seinen Schilderungen im Verlauf des gegenständlichen Verfahrens schlussendlich nicht glaubhaft machen, dass er einen militärischen Befehl tatsächlich und aktiv verweigert hätte. Es erscheint ferner realitätsfremd, den Beweis einer schriftlichen Bedrohung zu zerstören und dann dennoch eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Mangels Vorliegens des konkreten Drohbriefes ist für das erkennende Gericht somit auch keine Überprüfung möglich und kann nicht festgestellt werden, ob eine solche Bedrohung tatsächlich jemals stattgefunden haben könnte. Daran vermögen auch die vorgelegten arabischen Gerichtsdokumente - unabhängig von deren fragwürdiger Authentizität (es handelt sich dabei um mehrfach vorgelegte inhaltsgleiche Dokumente, auf denen jedoch die Position der angebrachten Stempel stark variiert) - nichts zu ändern. Einer Anzeige und einer Einvernahme von Zeugen alleine kommt bei der Beurteilung des Vorliegens einer tatsächlichen Bedrohung nicht besonders viel Bedeutung zu, da eine Anzeige ja unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen einer Bedrohung auch missbräuchlich gestellt werden könnte. Darüber hinaus stellt der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen überwiegend Vermutungen in den Raum. So gab er zwar an, der Drohbrief stamme von der schiitischen Mahdi-Miliz, wobei der Beschwerdeführer auch selbst den Schiiten 131

angehört. Er vermute jedoch, sein damaliger Offizier, von dem wiederum vermutet werde, dass er in der Miliz involviert gewesen sei, habe den Drohbrief veranlasst. Weiters vermute er, ihm drohe wegen der von ihm vorgebrachten Desertion im Irak eine Bestrafung. Es seien bei seiner Mutter zuhause einmal maskierte Männer aufgetaucht, die nach dem Beschwerdeführer gefragt hätte. Auch diesbezüglich konnte der Beschwerdeführer nur vermuten, dass es sich um Angehörige der Mahdi- Armee gehandelt hat. Insgesamt geht das erkennende Gericht im gegenständlichen Fall davon aus, dass der Beschwerdeführer eine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen gegen den IS vermeiden wollte und deswegen den Militärdienst verlassen hat. Auch erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers er sei desertiert, vor dem Hintergrund, dass er sich weitere zehn Monate im Irak aufhielt, bei seiner Familie - wenn dies den Tatsachen entsprechen sollte - lediglich einmal nach ihm gefragt wurde und er weder von einem Haftbefehl noch ein Abwesenheitsurteil wegen Desertion Kenntnis hat, als nicht glaubhaft. Selbst bei Wahrunterstellung der Desertion des Beschwerdeführers ist jedoch auf die Länderinformationen zu verweisen, aus welchen sich diesbezüglich ergibt, dass das irakische Militärstrafgesetz Nr. 19 aus dem Jahr 2007 in Kapitel 5 Artikel 35 Absatz 1 zwar zur Desertion vorsieht, dass "jeder der zum Feind desertiert, mit dem Tod bestraft wird". " Absatz 5 zufolge wird über jeden "Soldaten, der während seines Militärdienstes ins Ausland desertiert", eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Artikel 36 hält fest, dass "mildernde Umstände' gelten, wenn der Deserteur Reue zeigt und sich stellt." In einem Bericht vom Oktober 2014 merkt die UNAMI an, dass die Todesstrafe im Militärstrafgesetz von 2007 verankert ist: "Straftaten, die eine Todesstrafe nach sich ziehen, sind in den Artikeln 27 und 28 aufgeführt, und umfassen: Straftaten im Zusammenhang mit der Nichterfüllung der Pflichten der Militärs in Situationen, in denen die Personen sich selbst ergeben oder die Kapitulation anderer Angehöriger der Streitkräfte herbeiführen sowie die Aushändigung von militärischen Anlagen, militärischen Gegenständen oder Gebieten; die Weitergabe geheimer Unterlagen oder Informationen an feindliche Mächte in Friedens- oder Kriegszeiten; die Anstiftung von Angehörigen der Streitkräfte zu Revolten, Desertionen oder zum Überlaufen zum Feind; die Anstiftung zu Befehlsverweigerung oder Ungehorsam unter anderen Angehörigen der Streitkräfte; die Preisgabe militärischer Operationen und militärischer Geheimnisse an den Feind; die Verbreitung von Panik innerhalb der Streitkräfte durch Fehlinformationen; die heimliche Kommunikation mit den feindlichen Streitkräften usw." Absentismus und Abwesenheit fallen unter Kapitel 4, Artikel 33 des Gesetzes. Darin heißt es, dass "jeder, der ohne juristische Begründung seiner Einheit oder seinem Einsatzort fernbleibt oder in Friedenszeiten seinen Urlaub um mehr als 15 Tage im Fall von niedrigeren Rängen oder zehn Tage im Fall von Offizieren überschreitet, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft wird."459 Die unter Artikel 33 fallenden Absentismus-Handlungen werden zu Zeiten der "Mobilisierung' als erschwerende Umstände' aufgefasst" (Artikel 36). In einem Artikel vom Juli 2014 berichtete die Washington Post über die Situation 132

eines irakischen Soldaten, der im Monat zuvor aus der Armee desertiert war. Der Quelle zufolge entzog sich der junge Mann "den Behörden, von denen Deserteure festgenommen wurden, indem er zwischen den Häusern von Freunden und Familienmitgliedern in seiner Heimatstadt Bagdad hin- und herpendelte." Michael Knights teilte der Washington Post mit, dass fast ein Zehntel der aktiven Soldaten des Irak in den Wochen nach der ISIL-Besetzung von Mossul desertiert waren. Irakischen Beamten zufolge ist es durchaus möglich, dass es zu dem Zeitpunkt an die 90 000 Deserteure gab. Im September 2014 berichtete die New York Times, dass die irakische Armee versucht habe, die Deserteure zur Rückkehr zu bewegen, indem sie ihnen eine De-facto-Amnestie anbot. Ein Beamter der Zentrale für Wiedereinberufung in Bagdad teilte der New York Times mit, dass von niemandem verlangt werde, zu begründen, warum er seine Einheit verlassen habe. Niqash berichtete, dass die irakische Armee stark unter dem sogenannten "Astronauten Phänomen" leide: Soldaten bezahlen ihre Kommandanten dafür, dass sie das Armeeumfeld verlassen und den Kämpfen fernbleiben können.468 In demselben Artikel heißt es, dass viele Soldaten Bestechungsgelder zahlen, um sich aus den Gefahrenzonen zu bringen, indem sie "einen beträchtlichen Teil ihres Gehalts oder ihr gesamtes Gehalt an ihre Vorgesetzten zahlen, die als Gegenleistung ihre Abwesenheit nicht melden." Daher die zunehmende Zahl der irakischen Soldaten, die Gebiete verließen, in denen Zusammenstöße zu erwarten waren, wie zum Beispiel die Provinzen Anbar, Salah al-Din und Diyala, hieß es in dem Artikel von Juli 2014. Dieser enthielt außerdem Hinweise darauf, dass sich es in der irakischen Armee seit der Einführung des neuen Militärstrafgesetzes im Jahr 2007 mehr Korruption gebe. Ferner heißt es dort: "Obwohl das Militärgesetz strenge Vorschriften für Soldaten erlässt, die - vor allem in Kriegszeiten - nicht zum Dienst erscheinen, wird es kaum durchgesetzt." Der Abgeordnete Mathar al-Janabi, ein Mitglied des Parlamentsausschusses für Sicherheit und Verteidigung, erläuterte Niqash gegenüber, dass "unsere Sicherheitskräfte große Probleme bei der Durchsetzung des Militärrechts haben(...), wodurch Angehörige des Militärs keine Bedenken haben, illegale Handlungen zu setzen - wie Abwesenheit ohne Urlaub, illegale Tötungen oder andere Formen der Nichterfüllung ihrer militärischen Pflichten." Im April 2015 berichtete AFP, dass Ministerpräsident al-Abadi den desertierten Mitgliedern der Sicherheitskräfte eine Amnestie anbot, sofern sie innerhalb von 30 Tagen zu ihren Einheiten zurückkehrten. Im Mai 2015 kündigte Ministerpräsident al-Abadi an, "alle rechtlichen Schritte gegen jene, die unter ihrem Militärdienst davongelaufen oder nicht anwesend waren, einzustellen." Laut einer Erklärung aus dem Ministerbüro Abadis "hat der Ministerpräsident beschlossen, alle rechtlichen Schritte gegen Angehörige der Streitkräfte und die Kräfte der inneren Sicherheit endgültig einzustellen, einschließlich in Bezug auf die folgenden Straftaten: Flucht, Absentismus, Simulieren von Krankheit und Selbstverletzungen, um vom Dienst befreit zu werden, sowie Verbrechen gegen das Militärregime und die Angelegenheiten des Dienstes." Im August 2016 berichteten die Iraqi News, dass das irakische Verteidigungsministerium die Verträge von 106 000 Militärbeamten gekündigt habe, die im Juni 2014 nach dem Einmarsch des ISIL in Mossul Fahnenflucht begangen hatten. In einem Bericht vom Dezember 2016 merkt Landinfo an, dass es im November 2016 ein Treffen mit einem Mitglied einer nicht benannten, im Irak aktiven internationalen Organisation gegeben habe. Laut dieser 133

internationalen Organisation könnten Militärdeserteure, die das Land verlassen haben, nach ihrer Rückkehr in den Irak festgenommen und inhaftiert werden. Jene, die über die richtigen Beziehungen verfügen, können jedoch wieder ihren Dienst aufnehmen, ohne mit Bestrafungen rechnen zu müssen. Landinfo wies darauf hin, dass diese Angaben nicht durch Informationen aus anderen Quellen bestätigt werden konnten. Der Direktor des UNAMI-Menschenrechtsbüros in Bagdad teilte Landinfo außerdem mit, dass seine Stellen über keine Fälle informiert seien, in denen Gerichtsverfahren zu einer Todesstrafe nach dem Militärstrafgesetz geführt hätten. Außerdem hatte die UNAMI in den von ihr besuchten Gefängnissen keine Militär-Deserteure angetroffen. Landinfo erklärte ferner, dass es nicht völlig ausgeschlossen werden kann, dass Angehörige des Militärs wegen der Massendesertation nach der ISIL-Offensive im Juni 2014 festgenommen worden waren. Laut Landinfo deuten die gesammelten Informationen jedoch darauf hin, dass das Militärstrafgesetz nicht in vollem Umfang durchgesetzt wird. In einem Artikel vom Dezember 2016 berichtete Al-Monitor, dass der Parlamentsausschuss für Sicherheit und Verteidigung im selben Monat angekündigt hatte, "die Umsetzung des Gesetzes fortzusetzen, um die aus der Armee, der Polizei und den Sicherheitsbehörden Entlassenen zurückzuholen sowie weitere Personen, die geflohen waren oder deren Verträge gekündigt wurden." Als Grund für die Umsetzung dieses sogenannten "Amnestiegesetzes" werden politische und humanitäre Motive angeführt. Der Parlamentarier Raad al-Dahlaki sagte gegenüber Al-Monitor, dass "der Beschluss den entflohenen Menschen eine zweite Chance gibt, sodass sie nicht die Bürde eines Staates tragen müssten, der seine Bürger nicht schützen kann. Sie sollten nicht für die schlechte Handhabung der Sicherheits- und politischen Angelegenheiten der Regierung zur Verantwortung gezogen werden." Saad al-Matlabi, ein Mitglied des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Provinzialrat von Bagdad, teilte Al-Monitor mit, dass "die Entscheidung, Sicherheitskräften Amnestie zu gewähren und die rechtlichen Schritte gegen sie einzustellen, ein Teil der politischen Beilegungsentscheidungen war, die lange vor den Mossul-Operationen beschlossen worden war. Sie wurde jedoch erst wenige Tage zuvor genehmigt." In einem Aktualisierungsbericht über Desertion vom Januar 2018 verweist Lifos auf den Artikel von Niqash vom Oktober 2014, in dem es um das so genannte Astronauten- Phänomen geht. In dem Bericht wird ferner darauf hingewiesen, dass es kaum konkrete Informationen über Angehörige des Militärs oder der Polizei gibt, die wegen Desertion inhaftiert wurden. Joel Wing, ein in den USA ansässiger Irak-Experte und Betreiber des Blogs "Musings on Iraq", war im Mai 2018 von ACCORD interviewt worden. Er sagte, dass ihm keine Informationen darüber vorliegen würden, dass es für Menschen, die eine Einheit der PMU verlassen hätten, Konsequenzen gebe. Laut einem von DIS/Landinfo im Zuge ihrer Mission in der KRI im Jahr 2018 befragten Irak-Analysten würde es für Mitglieder der PMU mit niedrigem Rang keine Folgen oder Vergeltungsschläge geben, wohingegen hochrangige Mitglieder sehr wohl mit Konsequenzen konfrontiert wären. Diese Quelle erklärte weiter: "Die irakischen Sicherheitskräfte sind freiwillige Kräfte und es gibt keine Einberufungsbefehle, was auch für die Peschmerga und die PMU gilt. Wenn ein Mitglied der ISF desertiert, kann der irakische Staat diese Person nicht strafrechtlich verfolgen. Niemand würde den Deserteur verfolgen." Die Quelle merkte ferner an, dass es für Geheimdienstmitglieder des Irak und der KRI nicht leicht wäre, zu desertieren. 134

Daraus ergibt sich einerseits, dass die Sicherheitskräfte große Probleme bei der Durchsetzung des Militärstrafrechts haben, es - vor allem bei niederen Rängen wie jenen des Beschwerdeführers - zu keiner Todesstrafe kommt. Darüber hinaus ergibt sich aus den dargestellten Länderberichten, dass die gegen unerlaubt von Dienst abwesenden Militärs verhängten Strafen wegen der allgemeinen Amnestie in den meisten Fällen überhaupt nicht vollzogen bzw. gar nicht verhängt werden. In Anbetracht dessen, dass dem Beschwerdeführer weder ein Haftbefehl noch ein Strafurteil wegen Desertion bekannt ist (wobei eine Kenntnis darüber regelmäßig bei im Irak verbleibenden Familienangehörigen der Fall ist) und des inzwischen verstrichenen Zeitraumes von knapp sechs Jahren nach der vorgebrachten Desertion, würde es im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak daher mit der größten Wahrscheinlichkeit zu überhaupt keiner Bestrafung kommen, zumal es auch seit 2014 zu keinerlei weiteren Vorfällen gekommen ist. Generell kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers, schiitische Milizen, hier insbesondere die Mahdi-Armee, unterlägen keiner durchgehenden staatlichen Kontrolle, sie würden organisierte Kriminalität (darunter auch Schutzgelderpressungen, Entführungen gegen Lösegeld) als Einnahmequelle heranziehen und Menschenrechtsverletzungen, insbesondere auch an Sunniten, begehen, nicht entgegengetreten werden. In Anbetracht der oben angeführten beweiswürdigenden Erwägungen und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst Schiit ist und im Zeitraum von 2011 bis September 2014, damit in einem besonders kritischen Zeitraum bezogen auf die religiös motivierten Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten, unbehelligt seinen Dienst als einfacher Soldat ausführen konnte und auch er auch keine konkrete, gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung glaubhaft machen konnte, nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak seitens schiitischer Milizen eine konkrete Bedrohung oder Verfolgung drohen würde. Dabei ist weiters zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zwischen B. in Diyala, Suleimaniya in Kurdistan, Basra und Najaf über zehn Monate hindurch unbehelligt Checkpoints passieren konnte und diese auch bei seiner Ausreise auf dem Weg von Najaf nach Bagdad ohne Probleme passieren konnte. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich von einer schiitischen Miliz in der geschilderten Weise bedroht oder von der irakischen Regierung wegen Desertion gesucht worden, sodass er im Falle einer Rückkehr in den Irak sofort am Flughaften festgenommen werden würde, hätte man ihn auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei seiner Ausreise bereits an einem der unzähligen Checkpoints aufgegriffen und an der Ausreise gehindert. Es erscheint nicht glaubhaft, dass eine einzige Person, die vom Beschwerdeführer Schmiergeld erhalten hat, jegliche Kontrolle an Checkpoints verhindern und dem Beschwerdeführer allein eine ungehinderte Ausreise ermöglicht hätte. Schlussendlich konnte der Beschwerdeführer die von ihm vorgebrachte, ihn persönlich treffende Bedrohung bzw. Verfolgung im Irak durch eine schiitische Miliz bzw. durch die irakische Regierung wegen Desertion nicht glaubhaft machen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keinerlei andere Fluchtgründe vorgebracht. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dahingehend, dass dem 135

Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak konkrete, ihn persönlich treffende Verfolgung drohen würde. Aus den aktuellen Länderberichten zur Sicherheitslage bezogen auf die Hauptstadt Bagdad ergibt sich, dass der IS inzwischen wieder versucht, seine Aktivitäten insbesondere in der Peripherie der Hauptstadt, somit dem äußeren Norden, Süden und Westen, zu erhöhen. Es ist sowohl im Juni als auch im September 2019 zu Selbstmordattentaten sowie zu fünf Angriffen mit "Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen" (IEDs) in der Stadt Bagdad gekommen. Im Zeitraum von Juli bis September 2019 wurden insgesamt 54 sicherheitsrelevante Vorfälle im Gouvernement Bagdad mit 34 Toten und 73 Verletzten verzeichnet. Auch die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar. In diesem Zusammenhang kam es konkret Bagdad betreffend im September 2019 zu Raketeneinschlägen in der Grünen Zone, nahe der US-amerikanischen Botschaft, die pro-iranischen Milizen zugeschrieben werden. Seit 01.10.2019 kam es weiters in mehreren Gouvernements (Bagdad, Basra, Maysan, Qadisiya, Dhi Qar, Wasit, Muthanna, Babil, Kerbala, Najaf, Diyala, Kirkuk und Salah ad-Din) zu teils gewalttätigen Demonstrationen. Die Proteste richten sich gegen Korruption, die hohe Arbeitslosigkeit und die schlechte Strom- und Wasserversorgung, aber auch gegen den iranischen Einfluss auf den Irak. Im Zuge dieser Demonstrationen wurden mehrere Regierungsgebäude sowie Sitze von Milizen und Parteien in Brand gesetzt. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gingen unter anderem mit scharfer Munition gegen Demonstranten vor. Außerdem gibt es Berichte über nicht identifizierte Scharfschützen, die sowohl Demonstranten als auch Sicherheitskräfte ins Visier genommen haben sollen. Premierminister Mahdi kündigte eine Aufklärung der gezielten Tötungen an. Von 02.10.2019 bis 05.10.2019 wurde eine Ausgangssperre ausgerufen und eine Internetblockade von 04.10.2019 bis 07.10.2019 implementiert. Nach einer kurzen Ruhephase gingen die gewaltsamen Proteste am 25.10.2019 weiter und forderten bis zum 30.10.2019 weitere 74 Menschenleben und 3.500 Verletzte. Insbesondere betroffen waren bzw. sind die Städte Bagdad, Nasiriyah, Hillah, Basra und Kerbala. Am 28.10.2019 wurde eine neue Ausgangssperre über Bagdad verhängt, der sich jedoch tausende Demonstranten widersetzen. Über 250 Personen wurden seit Ausbruch der Proteste am 01.10.2019 bis zum 29.10.2019 getötet und mehr als 8.000 Personen verletzt. Weiters kommt es im Konflikt zwischen den USA, dem Iran und den schiitischen Milizen im Irak zu Raketeneinschlägen in Bagdad bis in die Grüne Zone sowie die US-amerikanische Botschaft. Auch Stützpunkte US-amerikanischer Soldaten wurden angegriffen. Den Länderberichten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass an den Demonstrationen sich nicht beteiligende Menschen deswegen einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt wären. Bezogen auf die übrige Sicherheitslage im Irak, insbesondere hinsichtlich der Provinzen im Nord- und Zentralirak ergeben sich ernst zu nehmende Reorganisationsbemühungen des IS, steigende Anschlagsaktivitäten insbesondere in Diyala und Kirkuk und laufende Militäroperationen, "Operation Will of Victory" der irakischen Sicherheitskräfte, der Stammes- und Volksmobilisierungseinheiten und 136

Kampfflugzeugen der US-Streitkräfte. Sofern in der gegenständlichen Beschwerde ganz allgemeine Problemlagen im Irak und in der Herkunftsregion (Diyala) des Beschwerdeführers aufgezeigt werden, lässt der Beschwerdeführer damit seine unmittelbare Betroffenheit nicht erkennen. So brachte der Beschwerdeführer keine (glaubhaften) konkreten/besonderen Probleme aufgrund seiner persönlichen Stellung, seines Geschlechtes oder seines Alters vor, sondern kann letztlich nur allgemein auf allfällige diesbezügliche Problemlagen im Herkunftsstaat verweisen. Auch Probleme mit herkunftsstaatlichen Behörden wurden - abgesehen vom Vorbringen zur Desertion des Beschwerdeführers - nicht vorgebracht. Auch wenn die allgemeine Lage in Diyala insbesondere bezogen auf Reorganisationsbemühungen und Angriffen durch den IS schwierig ist, lebt die Familie des Beschwerdeführers, darunter seine Mutter und zwei verheiratete Schwestern nach wie vor in B./Diyala. Sie haben weder wirtschaftliche noch sonstige Probleme, sodass im konkreten Fall des Beschwerdeführers auch nicht erkannt werden kann, dass er diesbezüglich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Diyala persönliche Probleme haben würde. Eine generelle und systematische Verfolgung von männlichen Arabern mit schiitischer Glaubensrichtung ergibt sich aus den Länderberichten auch zu aktuellen Zeitpunkt nicht. Die Problematik zwischen (arabischen) Schiiten und Sunniten besteht in der Form, wie sie noch 2014/2015 bestanden hat, nicht mehr. Somit ergibt sich, dass es dem Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung der Länderberichte zur Sicherheitslage in Diyala und dem IS nicht gelungen ist, glaubhaft darzutun, dass er im Irak einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wäre. Insbesondere wurden in der gegenständlichen Beschwerde und der mündlichen Verhandlung keine, den seitens der belangten Behörde und des erkennenden Gerichtes jeweils in das Verfahren eingeführten Länderberichten entgegenstehenden oder anderslautenden, Berichte vorgebracht, die eine andere Beurteilung des gegenständlichen Falles erfordern würden. Zusammenfassend ist im Lichte der ins Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen sowie der konkreten Situation des Beschwerdeführers auch festzuhalten, dass er im Falle einer Rückkehr in den Irak nicht in eine existenz- und lebensbedrohende Notlage geraten würde, was in weiterer Folge in der rechtlichen Beurteilung noch dargestellt wird. Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Irak beruht darauf, dass der Beschwerdeführer - wie in der rechtlichen Beurteilung näher ausgeführt - keine konkreten Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge gegenwärtig eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus von dem Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG). 137

Zur Lage im Herkunftsstaat: Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgericht, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt. Darüber hinaus brachte das Bundesverwaltungsgericht für den konkreten Fall maßgebliche und zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Länderberichte im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie mit den Verständigungen vom Ergebnis der Beweisaufnahme in das gegenständliche Verfahren ein. Seitens der Rechtsvertretung erfolgte diesbezüglich keine Bestreitung der Länderberichte. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf eine Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. 3. Rechtliche Beurteilung: Zu Spruchteil A): Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides: Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK, droht. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. 138

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von 139

staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Vorliegend ist festzuhalten, dass dem Vorbringen im Ergebnis keine Asylrelevanz zukommt: Im gegenständlichen Fall gelangte das Bundesverwaltungsgericht aus den oben im Rahmen der Beweiswürdigung erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund seiner eigenen Angaben und auch des zwischenzeitlich verstrichenen Zeitraumes von rund sechs Jahren im Zusammenschau mit der allgemeinen Lage im Irak bezogen auf den IS bzw. die allgemeine Sicherheitslage keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaate ausgesetzt war oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status eines Asylberechtigten zu erhalten (VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/18/0100). Ferner liegen keine Anhaltspunkte vor, dass dem Beschwerdeführer eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht, zumal der Beschwerdeführer auch eine persönliche konkrete Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Arabern bzw. Religionszugehörigkeit zu den Schiiten verneint hat. Eine systematische Verfolgung von schiitischen Arabern im Irak durch staatliche Stellen oder Privatpersonen kann im Lichte der vorliegenden Länderberichte nicht angenommen werden. 140

Demzufolge lässt sich eine aktuelle Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe nicht erkennen. Zur Abweisung des Asylantrages sei erwähnt, dass auch ein wirtschaftlicher Nachteil unter bestimmten Voraussetzungen als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren sein kann, im Ergebnis jedoch nur dann, wenn durch den Nachteil die Lebensgrundlage massiv bedroht ist und der Nachteil in einem Kausalzusammenhang mit den Gründen der Flüchtlingskonvention steht. Eine solche Bedrohung der Lebensgrundlage ist den Feststellungen zufolge nicht gegeben und ein derartiger Kausalzusammenhang ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich. Entsprechend den oben getätigten Ausführungen ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen darzutun, dass ihm im Herkunftsstaat Irak asylrelevante Verfolgung droht, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen war. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides: Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann. Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat 141

entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174). Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 142

2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiären Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EUGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 45). Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Wie bereits oben ausgeführt wurde, hat der Beschwerdeführer keine ihn konkret drohende aktuelle, an asylrelevante Merkmale im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität bzw. keine für eine aktuell drohende unmenschliche Behandlung oder Verfolgung sprechende Gründe vorgebracht. Wie bereits oben zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgeführt wurde, kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer im Irak eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität droht. Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen. Konkrete Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer einer Gefahr ausgesetzt sein würde, liegen nicht vor. Zudem hat der Beschwerdeführer auch im Rahmen der Beschwerde kein substanziiertes Vorbringen dahingehend erstattet, noch kann aus den Feststellungen zur Lage im Irak abgeleitet werden, dass er alleine schon 143

aufgrund der bloßen Anwesenheit in Diyala bzw. dem Umland von B. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer individuellen Gefährdung durch Anschlagskriminalität oder bürgerkriegsähnliche Zustände ausgesetzt wäre, zumal sich die aktuellen Aktivitäten des IS in Diyala fast ausschließlich auf die ländlichen Teile des Gouvernements, jedoch wenig auf B. an sich beziehen. Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen, gesunden Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann, zumal er den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Irak verbrachte, dort sozialisiert ist und in B. jedenfalls über ein soziales Netz von Freunden verfügt. Seine Mutter und zwei seiner verheirateten Schwestern leben nach wie vor in B. Der Bruder lebt in der Türkei. Es ist daher davon auszugehen, dass er bei seiner Familie wieder Unterkunft nehmen und/oder (finanzielle) Unterstützung durch die Familie erhalten könnte. Von einer hinreichenden Absicherung seiner Grundbedürfnisse kann somit ausgegangen werden, zumal der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus dem Irak als in verschiedenen Berufen (zuletzt als Soldat und dann Hilfsarbeiter) erwerbstätig gewesen ist und auch ein Bachelor-Studium abgeschlossen hat. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor. Durch die Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten gewährleisteten Rechte, noch bestünde konkret die Gefahr einer Todesstrafe. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen. Letztlich war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zu keiner Zeit den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak substanziiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der Beschwerdeführer durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen. 144

Zu den Spruchpunkten III. und IV. des angefochtenen Bescheides: Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist. Der mit "Arten und Form der Aufenthaltstitel" betitelte § 54 AsylG lautet: "§ 54. (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als: 1."Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt, 2."Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt, 3."Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt. (2) Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar. (3) Den Verlust und die Unbrauchbarkeit eines Aufenthaltstitels sowie Änderungen der dem Inhalt eines Aufenthaltstitels zugrunde gelegten Identitätsdaten hat der 145

Drittstaatsangehörige dem Bundesamt unverzüglich zu melden. Auf Antrag sind die Dokumente mit der ursprünglichen Geltungsdauer und im ursprünglichen Berechtigungsumfang, falls erforderlich mit berichtigten Identitätsdaten, neuerlich auszustellen. (4) Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente. (5) Die Bestimmungen des 7. Hauptstückes gelten nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige." Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG lautet: "§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1.dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2.der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. (2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen." Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG lautet: "§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen: 1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht, 2.zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder 3.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig 146

oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist. (2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt. (3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden. (4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können." Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet: "§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen: 1.die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2.das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3.die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4.der Grad der Integration, 5.die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6.die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7.Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8.die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 147

9.die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist. (3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre. (Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018) (5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint. (6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt." Der Beschwerdeführer reiste spätestens zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung am 13.08.2015 in das Bundesgebiet ein und ist sein Aufenthalt nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt im Bundesgebiet. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde. Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur 148

statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Der Beschwerdeführer führt eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen, lebt mit ihr aber nicht im gemeinsamen Haushalt. Er hat weiters einen aufenthaltsberechtigten Cousin sowie eine asylwerbende Tante (und deren Ehemann) in Österreich, zu denen aber nur telefonischer Kontakt besteht. Ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK liegt daher im Bundesgebiet gegenständlich nicht vor. Der Begriff des Privatlebens iSd Art. 8 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst das persönliche und berufliche Umfeld eines Menschen, in dem er mit anderen interagiert. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR ist die Gesamtheit der sozialen Beziehungen zwischen einem ansässigen Migranten und der Gemeinschaft, in der er lebt, integraler Bestandteil des Begriffs des Privatlebens (EGMR 13.10.2011, 41548/06, Trabelsi/DE; EGMR [GK] 23.06.2008, 1638/03, Maslov/AT). Dazu zählen auch berufliche und geschäftliche Beziehungen. Wie stark das Privatleben ausgeprägt ist, hängt in erster Linie von der Dauer des Aufenthalts ab. Für die Annahme eines in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallenden Privatlebens ist keine konkrete Mindestaufenthaltsdauer erforderlich. Die bereits in Österreich verbrachte Zeit und die dabei erfolgte Integration ist erst bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten (vgl. Peyerl/Czech in Abermann ua. (Hrsg), NAG § 11 Rz 38). 149

Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ohne Hinzutreten weiterer maßgeblicher Umstände noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH vom 10.04.2019, Zl. Ra 2019/18/0058, mwN). Andererseits kann nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen auszugehen ist. Da es sich bei der Aufenthaltsdauer um einen von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände handelt, ist die Annahme eines "Automatismus", wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren jedenfalls abzuweisen wäre, verfehlt (vgl VwGH vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055). Fallbezogen ergibt sich daraus: Der Beschwerdeführer stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 09.09.2015 am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Seither kam ihm für die Dauer des Asylverfahrens ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 13 AsylG zu. Zum Entscheidungszeitpunkt hält sich der Beschwerdeführer damit fast fünf Jahre durchgehend im Bundesgebiet auf. Auch wenn der Beschwerdeführer noch über eine im Irak lebende Mutter und dort lebende Geschwister verfügt, befinden sich maßgebliche sozialen Bezüge des Beschwerdeführers in Anbetracht der Aufenthaltsdauer und der zweijährigen Beziehung zu seiner Freundin jedenfalls auch in Österreich. Zum Entscheidungszeitpunkt hielt sich der Beschwerdeführer zwar fast fünf Jahre im Bundesgebiet auf. Auch wenn ihm sein unsicherer Aufenthaltsstatus im Zuge des Asylverfahrens bewusst sein musste, kann in Anbetracht der Aufenthalts- und langer Verfahrensdauer, die knapp fünf Jahre beträgt und der oben dargelegten Judikatur, dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten werden, dass er sich um Integration und den Aufbau eines Privatlebens bemüht hat. Auch erwies sich sein Aufenthalt aufgrund seines asylrechtlichen Aufenthaltsrechts als rechtmäßig. Der Beschwerdeführer hat bereits so gute Deutschkenntnisse erworben, dass die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht überwiegend ohne Dolmetscher durchgeführt werden konnte. Der Beschwerdeführer verfügt weiters über eine bestandene Integrationsprüfung auf dem Deutsch-Sprachniveau B1. Er hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich in außerordentlichem Maße sozial und ehrenamtlich engagiert und hat dies bis zum Entscheidungszeitpunkt beibehalten. Weiters konnte er nicht nur eine Einstellungszusage, sondern bereits einen vom Beschwerdeführer und dem präsumtiven Dienstgeber unterzeichneten 150

Dienstvertrag über eine Vollzeitbeschäftigung vorlegen. Dem Beschwerdeführer wird es damit künftig möglich sein, seinen Unterhalt ohne die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen selbstständig zu erwirtschaften, auch wenn er zum Entscheidungszeitpunkt noch von Grundversorgungsleistungen abhängig ist. Der Beschwerdeführer ist auch strafgerichtlich unbescholten. Diesem Aspekt kommt zwar unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 ("Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren") Bedeutung zu. Dies hat schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung (bzw. Rückkehrentscheidung) führen kann (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325 mwN). Es wird vom erkennenden Gericht nicht verkannt, dass die einzelnen Umstände für sich genommen keine außergewöhnlichen Integrationsschritte darstellen, doch führt die Zusammenschau der dargestellten Umstände und das intensive Privatleben, bei einem Aufbau mehrjähriger sozialer und beruflicher Bindungen bei einem knapp fünfjährigen durchgehenden Aufenthalt (wenngleich die konkrete Aufenthaltsdauer an sich nicht so stark ausgeprägt ist, dass sich bereits deswegen die Rückkehrentscheidung als unzulässig erweisen würde) zum Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen einer Interessenabwägung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das erkennende Gericht auf Dauer unzulässig ist. Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich dennoch höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einem einzigen Antrag auf internationalen Schutz beruhte, er am Verfahren stets mitwirkte und auch von Anfang an seine Identität offenlegte. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid verfügte Rückkehrentscheidung ist angesichts der vorliegenden persönlichen Bindungen unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Da die maßgeblichen Umstände in ihrem Wesen nicht bloß vorübergehend sind, war die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und Spruchpunkt IV. zu beheben. Entsprechend waren auch der auf der Rückkehrentscheidung aufbauende Spruchpunkte III., V. und VI. zu beheben. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" die Voraussetzungen nach Z 1 und Z 2 des § 55 Abs. 151

1 AsylG kumulativ vorliegen müssen und ist daher nicht nur zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch, ob der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz erfüllt. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG sind im Fall des Beschwerdeführers gegeben und darüber hinaus hat der Beschwerdeführer Modul 1 der Integrationsvereinbarung nach § 9 IntG durch die Vorlage seines Zeugnisses auf Niveau B1 des Integrationsfonds nachweisen können. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision: Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR zu Fragen des Asyls, zur Überschreitung der Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK und zu Fragen des Art. 8 EMRK ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei allen erheblichen Rechtsfragen an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR orientiert und hat diese - soweit erforderlich - auch zitiert.