Studienarchiv Umweltgeschichte Nr. 22 (2017)
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Studienarchiv Umweltgeschichte 22 (2017) 1 STUDIENARCHIV Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e. V. an der Hochschule Neubrandenburg ISSN 0949‐7366 www.iugr.net Nr. 22 (2017) Atomkraftwerk Neubrandenburg – Hintergründe einer Standortentscheidung Zur Geschichte der Natur‐ und Umweltschutzplakate Die Geschichte des Naturschutzes in der Lieberoser Heide Zum Naturschutz in den 1950er Jahren in der DDR Zur Geschichte des ZFA Ornitholo‐ gie und Vogelschutz im Kulturbund Naturschutzgeschichte der Niederlausitz (Teil 2) Aus der Stiftung Naturschutzgeschichte Aus dem IUGR e. V. Zugänge in das Studienarchiv 2 Studienarchiv Umweltgeschichte 22 (2017) Ein herzliches Dankeschön! den zahlreichen Spendern und Spenderinnen, die Herstellung und Versand des Heftes und die Arbeit des Studienarchivs unterstützten! (Zeitraum: 1.11.2016–16.8.2017): Albrecht, Bachmann, Baier, Bauer, Behrens, Bimboes, Böhnert, Braumann, Brehme, Brenning, Brinkmann, Czerny, Deglmann, Draeger-Roeder, Görner, Graf, Graefe, Grünwald, Haenschke, Hahn, Hofmann, Hübler, Huth, Kaether, Kegler, Kintzel, Klostermann, Lehrkamp, Leidner, Lösel, Mücke, Mösch, Nedon, Neumann, Nicolai, Oehlerich, Osterland, Peterson, Pohley, Pries, Refior, Reimann, Reichhoff, Reuter, Rogge, Rudnick, Scheufler, Sauerland, Schopplich, Sohler, Sohns, Schikora, Schönbrodt, Schwarz, Tammer, Tjaden, von Knorre, Wallaschek, Wegener, Wenck, Wohlgemuth, Wroblewski, WWF Deutschland, Zuppke und unseren Mitgliedern und Fördermit- gliedern. – Wir hoffen, niemanden vergessen zu haben! Ihre Spende ist herzlich willkommen ! Durch Ihre Unterstützung sichern Sie Herstellung und Versand der Zeitschrift. Spenden bitte einzahlen unter dem Stichwort „Studienarchiv“ auf Sparkasse Neubrandenburg-Demmin, IBAN: DE21150502000301013837 BIC: NOLADE21NBS Das IUGR e. V. ist berechtigt, Spendenquittungen auszustellen. Editorial Seit mehreren Jahren wird den Studierenden im Studiengang Naturschutz und Landnutzungspla- nung an der Hochschule Neubrandenburg das Wahlpflichtmodul „Naturschutzgeschichte“ angebo- ten, das mit einer schriftlichen Arbeit als Prüfungsleistung abgeschlossen wird. Um den Studierenden einen zusätzlichen Anreiz für die Auseinandersetzung mit der Naturschutz- geschichte zu bieten, lädt die Redaktion von „Studienarchiv Umweltgeschichte“ dazu ein, interes- sante Hausarbeiten in dieser Reihe zu veröffentlichen. Zwei solcher Arbeiten finden sich im vorliegenden Heft Nr. 22: Helen Andrews widmet sich der Geschichte der Natur- und Umweltschutzplakate und Sophie Büchner der Geschichte des Natur- schutzes in der Lieberoser Heide (Brandenburg). Neben diesen Beiträgen enthält das vorliegende Heft einen Aufsatz von Olaf Strauß über eine Standortentscheidung für ein Atomkraftwerk in der DDR, von Lutz Reichhoff über einen Brief- wechsel zwischen Prof. Dr. Hans Stubbe und Prof Dr. Hermann Meusel aus den Jahren 1951 bis 1960 und von Hermann Behrens über die Geschichte des Zentralen Fachausschusses Ornithologie und Vogelschutz im Kulturbund der DDR. Axel Zutz setzt sich schließlich in seinem zweiten und abschließenden Teil mit der Geschichte des Naturschutzes in der Niederlausitz auseinander. Berichte und Mitteilungen aus der Stiftung Naturschutzgeschichte (Hans-Werner Frohn), aus dem IUGR e. V. mit seinem Arbeitskreis Wasserwirtschaft (Peter Lösel und Rolf Moll) und der obliga- torische Bericht über Zugänge in das Studienarchiv Umweltgeschichte (Jens Hoffmann) komplet- tieren die Nr. 22 unserer Reihe, die hoffentlich wieder Ihr Interesse findet. Studienarchiv Umweltgeschichte 22 (2017) 3 Atomkraftwerk Neubrandenburg. Hintergründe einer Standortentscheidung Olaf Strauß*) Die „Mudder Schulten“ hat den Anleger verlassen und dreht nach Norden, wo in einigen Kilometern Entfernung der Zacken der Neubrandenburger Marienkirche das Ufer domi- niert. Noch ein paar Fotos, schon verlieren sich die Stimmen der Ausflügler in Richtung Campingplatz und Badestelle. Minuten später unterbricht nur noch das Plätschern der Blesshühner und Haubentaucher die wiederhergestellte Stille am Ufersaum. Das Gatscheck, die kleine Landzunge am Westufer des Tollensesees, ist zweifellos ein idea- ler Ort für Campingidyll und Erholung gestresster Städter. Und offenbar auch ein idealer Platz für die Anlage eines Atomkraftwerkes. So sahen es jedenfalls die Planer im Amt für Kernforschung und Kerntechnik (AKK), der vormaligen Atombehörde der DDR; und so wollte es auch die politische Führung des SED-Staates. „Wir werden im Verlaufe des zweiten Fünfjahrplanes mit dem Bau des ersten Atomkraftwerkes in der Deutschen Demokratischen Republik beginnen“.1 Mit dieser spektakulären Ankündigung überraschte Walter Ulbricht im März 1956 auf der 3. Parteikonferenz der SED die nationale und internationale Öffentlichkeit. Monate später erfolgten bereits die ersten Erkundungsbohrungen im Ufersand des Neubrandenburger Haussees. Überaus ehrgeizig waren 1956 die Planungen der SED-Führung für die Entwicklung der Kernenergienutzung in der DDR. Mit dem nun angekündigten Atomkraftwerk2 würde sich die DDR als eines der ersten Länder überhaupt in den zu dieser Zeit noch sehr ex- klusiven Kreis der Kernenergie anwendenden Staaten katapultieren. Dabei hätte aber dieses Kraftwerk, als zugleich erstes deutsches Atomkraftwerk überhaupt, lediglich einen Meilenstein dieser Planungen dargestellt. In unmittelbarer Nähe Neubrandenburgs soll- ten auf Basis eines soeben entwickelten sowjetischen Druckwasserreaktors mindestens 70 Megawatt elektrischer Leistung aus Kernenergie installiert werden. Eine spätere Er- weiterung um zusätzliche 70 Megawatt war angedacht. Der zeitliche Rahmen war ebenso ambitioniert: Nach den Vorstellungen der Parteiführung sollte das „Atomkraftwerk I“ schon 1962 erstmals Strom in das Verbundnetz der DDR einspeisen. *) Arbeitskreis Technikgeschichte beim VDI Bezirksverein Mecklenburg-Vorpommern 1 Stenografische Niederschrift der 3. Parteikonferenz der SED vom 24.-30.3.1956. Referat Walter Ul- bricht: „Über die Hauptaufgaben ...“, Abschnitt „Zu den Fragen der friedlichen Nutzung der Atom- energie“. SAPMO, DY 30/IV 1/3/1, Bl. 5156, hier Bl. 63. 2 Atomkraft und Kernkraft werden in diesem Beitrag synonym gebraucht, allerdings bei der zeitge- schichtlichen Bezeichnung von Einrichtungen und Institutionen auch als Eigennamen verwendet. In der DDR wurde, möglicherweise in bewusster Abgrenzung zur Bundesrepublik, zumindest später überwiegend von Kernkraft, Kernforschung, Kernenergie gesprochen. In der Bundesrepublik Deutsch- land wurden gleiche Sachverhalte und Begrifflichkeiten überwiegend mit „Atom“ als Bestimmungs- wort benutzt. 4 Studienarchiv Umweltgeschichte 22 (2017) Atomeuphorie Im Jahr 1956, zum Zeitpunkt der medienwirksamen Verkündung der Atompläne der DDR durch Walter Ulbricht, hatte sich die Sicht auf das vormalige Schreckgespenst „Atom“ in vielen Ländern der Erde dramatisch gewandelt. Nur ein Jahr zuvor, im August 1955, hatte in Genf unter der Ägide der UNO die erste „Internationale Konferenz für die friedliche Verwendung der Atomenergie“ stattgefunden; schon im Juli hatte die UdSSR in Moskau ebenfalls eine Kernenergiekonferenz organisiert. Die hier vorgestellten Er- gebnisse der Kernforschung und die erstmals breit kommunizierten Möglichkeiten einer friedlichen Kernenergieanwendung resultierten weltweit in einer überaus euphorischen Sichtweise auf die Atomkraft und auch für die Kernforschung und Kerntechnologieent- wicklung der DDR gingen von dieser Konferenz wesentliche Impulse aus. Im Zentral- komitee der SED hatten die Atomkonferenzen eine intensive Auswertung erfahren. Man kam zu dem Fazit, dass in der DDR außerordentlich günstige Voraussetzungen für den Einstieg in diese Hochtechnologie bestanden, zudem wurde die Nutzung der Kernenergie für einen Industriestaat als unverzichtbar betrachtet. In kürzester Zeit wurden nun Kon- zepte für einen massiven Einstieg in die friedliche Nutzung der Kernenergie entwickelt. Begleitet wurde dies durch eine breite Kampagne zur Propagierung der Kernenergienut- zung, wobei die Staatsmedien ihrem Publikum die scheinbar fantastischen Möglichkeiten der Kernenergie in den schönsten Farben ausmalten. Kaum zwei Monate nach der Genfer Konferenz fasste das Politbüro der SED am 11. Oktober 1955 einen Beschluss zur Implementierung von Strukturen und Institutionen für die Kernforschung und Kerntechnologieentwicklung in der DDR.3 Dieser Beschluss wurde am 10. November 1955 in weitgehend identischer Textfassung vom Ministerrat übernommen und bestätigt. Kernelemente waren die Bildung eines quasiministeriellen „Amtes für Kernforschung und Kerntechnik“, die Gründung eines „Wissenschaftlichen Rates für die friedliche Anwendung der Atomenergie“ beim Ministerrat der DDR, die Gründung von wissenschaftlichen Instituten, insbesondere des Instituts für Kernfor- schung in Rossendorf bei Dresden, und die Gründung einer Fakultät für Kerntechnik an der TH Dresden. Mit Hochdruck wurden diese Strukturen und Institutionen einer groß angelegten, auf Eigenständigkeit ausgerichteten Kernforschung und Kerntechnologieentwicklung im- plementiert. Ihren vorläufigen Höhepunkt fanden diese Aktivitäten in einem noch im Mai 1956 verabschiedeten Ministerratsbeschluss zur Errichtung eines bereits energielie- fernden Atomkraftwerkes von 50 bis 100 MW elektrischer Leistung, dessen volkswirt- schaftliche Legitimation auf den Gutachten einer vorwiegend mit Atomwissenschaftlern besetzten Expertenkommission basierte. Diese lieferte die bis dahin noch fehlende ener- giepolitische Begründung, indem eine schon mittelfristig den Industriestaatsstatus bedro-