Heimatkunde 2003 rten2003 Pratteln Heimatkunde Heimatkunde Pratteln 2003

Heimatkunde Pratteln 2003

Arbeitsgruppe Heimatkunde Pratteln: Emmy Honegger, Vorsitzende Felix Knöpfel, Gemeinderat Dr. René Salathé Willy Stohler Fritz Sutter Känerkinden 1991 Impressum Arbeitsgemeinschaft zur Herausgabe Langenbruck 1992 von Baselbieter Heimatkunden Verlag des Kantons -Landschaft, Arlesheim 1993 ISBN 3-85673-540-2 Andreas Cueni, Präsident, Reinach Biel-Benken 1993 Otto Buser, Therwil Ettingen 1993 © 2003 Dr. Anna Fridrich, Basel Füllinsdorf 1993 Arbeitsgruppe Heimatkunde Pratteln 2003, Jürg Gohl, Oberdorf 1993 c/o Gemeindeverwaltung, 4133 Pratteln Christa Gysin-Scholer, Schönenbuch 1994 Verbreitung und Nachdruck ohne Quellen- Dr. Daniel Hagmann, Basel Seltisberg 1994 angabe untersagt. Heiner Joray, Münchenstein 1995 Peter Stöcklin, Diegten Diegten 1996 Gestaltung: Dr. Regula Waldner Hilfiker, Wenslingen Wintersingen 1996 Fritz Sutter Max Zoller, Schönenbuch Bottmingen 1996 Lausen 1997 Lektorat: Hölstein 1998 Bisher erschienene Heimatkunden Emmy Honegger Sissach 1984/1998 Dr. René Salathé Gelterkinden 1966 Wenslingen 1998 Fritz Sutter Eptingen 1976 Therwil 1999 1968 Grellingen 1999 Satz, Lithos und Druck: Maisprach 1968 2000 Dietschi AG, Waldenburg Pratteln 1968 Anwil 1967/2000 Liestal 1970 Rothenfluh 2001 Einband: Rünenberg 1971 Titterten 2002 Grollimund AG, Reinach Buus 1972 2002 1973 Tenniken 2002 Umschlag-Bild: Reinach 1975 Röschenz 2002 Werner Keusen, Pratteln Birsfelden 1976 Thürnen 2003 (21.5.1926–6.4.1998) Binningen 1978 «Pratteln: Ursprung des Universums», 1988 Bretzwil 1980 Bildlegenden Privatbesitz Pratteln Ormalingen 1980 Allschwil 1981 Vorsatz Rückseite: Pratteln im 18. Jahrhundert. Die Publikation wurde mit Mitteln aus dem 1983 Aquarell eines Unbekanten, nach dem Kupfer- Lotteriefonds des Kantons Basel-Landschaft, Zeglingen 1983 stich von Emanuel Büchel, 1749. mit Beiträgen der Bürgergemeinde Pratteln, Aesch 1985 des VVPA, der Päuli Pfirter-Stiftung und 1985 Seite 2: Modell eines Salzmoleküls. Der Salzfund Prattler Sponsoren ermöglicht. 1986 von 1836 begründete den Aufstieg Prattelns. Tecknau 1987 Reigoldswil 1987 Seite 4: Reiterfahne des Prattler Dorfherrn,1386. Hemmiken 1989 Material- und massstabgerechte Kopie der Ori- Oberwil 1989 ginalfahne im Heeresgeschichtlichen Museum in Pfeffingen 1966/71/89 Wien. Wird unser Dorf zu einem Wildpark? Kurt Suter 57 Inhaltsverzeichnis Heimatkunde Seltene Bäume René Salathé 58 Pratteln 2003 Die Zurlindengrube Paul Imbeck 60 Die Vögel Roger Schneider 61 Störche in Pratteln – eine Erinnerung René Salathé 64 Bienenhaltung und Bienenhäuser Andreas Häusler 65 Jagd in Pratteln Hans Schäublin 67 Hasejagd im Prattler Fäld Willy Stohler 67

Vorwort Seite Geschichtliche Streifzüge Zum Geleit Willy Schneider, 8 Aus Prattelns Urgeschichte Fritz Sutter 71 Gemeindepräsident Pratteln und das Kloster St. Alban Fritz Sutter 76 Vorwort zur Heimatkunde Rudolf Pfirter,8Die Eptinger in Pratteln Fritz Sutter 80 Bürgerratspräsident Der Dorfetter und die Ettersteine Fritz Sutter 83 Ende gut, alles gut! Emmy Honegger, Präsi- 9 Die «Bratteler Matte», die Hexenmatt Dietegen Guggenbühl 85 dentin Arbeitsgruppe E. Büchel und seine Prattler Ansichten René Salathé 87 Sponsorenverzeichnis 10 Wie ein Prattler Schüler 1939 und René Salathé 89 1940 die Grenzbesetzung erlebte Dorf und Landschaft Ortswehr Pratteln Emil Jehle 93 Der Name unseres Dorfes Fritz Sutter 13 Feodore Wlassenko, ein Flüchtlings- Emmy Honegger 93 Das Wappen von Pratteln Fritz Sutter 14 schicksal Wo liegt Pratteln? Fritz Sutter 18 Der Prattler Gemeindebann Willy Stohler 20 Siedlung und Planung Die Prattler Mundart Markus Ramseier 23 Der DorfkernFritz Sutter 97 Die Flurnamen – eine Auswahl Markus Ramseier 25 Die Einzelhöfe Werner Rohner 101 Geologie von Pratteln Lukas Hauber 28 Die Saline: Keimzelle der industriellen Fritz Sutter 103 Das Wetter in Pratteln Fritz Sutter 33 Entwicklung Prattelns Die bauliche Entwicklung Prattelns Emmy Honegger 109 Wasser und Gewässer Die Bevölkerung im Wandel Emmy Honegger 111 Prattler Gewässer, Bäche und Weiher René Salathé, 39 Menschen und Pläne Dieter Wronsky 115 Willy Stohler Die Quellen Willy Stohler 42 Die Bewohner Fischerei in Pratteln Willy Stohler 45 Alte Prattler Geschlechter und Emmy Honegger 129 Die Fischerhütte Emil Jehle 46 Dorfnamen Gewachsener Geist der Schicksals- Mathias Baumann 131 Tier- und Pflanzenwelt verbundenheit in der Schweizerhalle Die Waldungen in Pratteln Hans Schäublin 49 Das Längiquartier Rolf Ackermann 133 Der Talweiher: Wieviel Naturschutz Kurt Suter 52 Die Frauen Emmy Honegger 135 braucht Pratteln? Die Jugend Käthi Furler 137 Wo sind die Blumen geblieben? Kurt Suter 54 Das Leben in früheren Zeiten Emmy Honegger,138 Pflanzen als lebende Kulturdenkmäler Kurt Suter 55 (Senioren-Interviews) Willy Stohler 5 s’Träffyse Liesel verzellt Emmy Honegger 143 Die Wasserversorgung Felix Knöpfel 249 Mussolini in Pratteln Emmy Honegger 145 Die Abwasserentsorgung Felix Knöpfel 252 Ausländer in Pratteln Heiner Schwob 145 Abfallentsorgung und Umweltschutz Werner Muggli 253 Die Feuerwehr Marcel Schaub 255 Bemerkenswerte Gebäude und Anlagen Der Zivilschutz Walter Wehren 256 Aus der Geschichte des Prattler Schlosses Fritz Sutter 151 Die Gemeindepolizei Ariane Liebrich 257 Die reformierte und die katholische Fritz Sutter 155 Lufthygiene und Umweltschutz Werner Muggli 258 Kirche Die Energie Hans Herzog 259 Inventar der unter Schutz gestellten Fritz Sutter 159 GGA und Internet Felix Knöpfel 261 Baudenkmäler Pratteln im Spiegel kantonaler und Ruedi Brassel 262 Das «Schloss» Mayenfels Emmy Honegger 161 eidgenössischer Abstimmungen Das Bauernhaus im Wandel Werner Rohner 162 Geglückte Renovationen und Neubauten Werner Rohner 165 Soziale Institutionen Brunnen im Dorf und auf den Fritz Sutter 166 Der Robinson-Spielplatz Lohag Käthi Furler 273 Nebenhöfen Das Jugendhaus Käthi Furler 274 Der Rebberg René Salathé 170 Der Tagesmütter-Verein Pratteln-Augst Sonja von Rotz 274 Das Rebhäuschen und das Hagenbächli René Salathé 173 Das Tagesheim «Chäferhuus» Vreni Kaiser 275 Die Friedhöfe Fritz Sutter 175 Der Prattler TräffAnke Gloor 279 Der Joerinpark Ruedi Brassel 180 Die Spitex Emmy Honegger 280 Das Kultur- und Sport-Zentrum Emmy Honegger 181 Das Altersheim der Nägelin-Stiftung Emmy Honegger 281 Das Schwimmbad Käthi Furler 183 Das Alters- und Pflegeheim Madle Emmy Honegger 282 Die Autobahn-Raststätte René Salathé 184 Das Behindertenwohnheim Chästeli Emmy Honegger 284 Das Asylanten-Durchgangszentrum Bruno Helfenberger 285 Die wirtschaftlichen Verhältnisse Die Entwicklung der Verkehrsachsen Fritz Sutter 187 Die Schule und Transportmittel Die Entwicklung der Schulen Marc Mundorff289 Der Beginn der wirtschaftlichen Fritz Sutter 193 Die Schulischen Dienste Felix Knöpfel 292 Entwicklung Zur Geschichte der Prattler SchulhäuserFritz Sutter 294 Pratteln: Ein ökonomisches Fallbeispiel Fritz Sutter 195 Die Rudolf Steiner-Schule Emmy Honegger 297 Der Gewerbe- und Industrie-Verein Emmy Honegger 199 Die Landwirtschaft Rudolf Pfirter 200 Die Landeskirchen und religiösen Gemeinschaften Die evangelisch-reformierte Bernhard Kuny 301 Gemeinde und Politik Kirchgemeinde Pratteln–Augst Die parteipolitische Landschaft Hans Bruderer,207 Die römisch-katholische Kirchgemeinde Rainer Füeg 303 Hans Herzog Freie evang. Chrischona Gemeinde Emmy Honegger 307 Die Einwohnergemeinde Hansjörg Dill 217 Kirche Jesu Christi der Heiligen der Emmy Honegger 307 Die Gemeindeverwaltung Hansjörg Dill 222 letzten Tage (Mormonen) Kommunale Ehrungen Felix Knöpfel 233 Die Neuapostolische Kirche Roland Eichenberger 308 Die Bürgergemeinde Rudolf Pfirter 234 Die christ- oder altkatholische Kirche René Salathé 308 Einbürgerungen Elisabeth Foley 239 Der Emmy Honegger 308 6 Gemeindefinanzen Einst und Jetzt Paul Ramseier 247 Die Oekumene in Pratteln Bernhard Kuny 309 Prattler Identität Die Jugendmusikschule Pratteln Karl Hinnen 382 Pratteln und seine Heimatkunden Fritz Sutter 313 Das andere Musikleben in Pratteln Bernhard Dittman 383 Prattler Sagen Emmy Honegger 318 «Georgy’s Big Band» und «Mikados» Emmy Honegger 386 Pratteln: Eine uralte Kultstätte? Fritz Sutter 320 Die Vereine René Eichenberger 386 Pratteln und seine Akustik René Salathé 322 Die «Marktfrauenbank» René Salathé 324 Prattler Biografien und Personenlexikon Jean Pfirter: Bauer und Konditor,Fritz Sutter 325 Kohler Walter Fritz Sutter 393 Erfinder des Prattler Kuchens Martin Johannes Fritz Sutter 395 «Yygmachte», eine Prattler Spezialität Emmy Honegger 326 Schürch-Pfirter Päuli Fritz Sutter 397 s Prattler Lied Willy Stohler 327 Urban ReinhardFritz Sutter 399 Der Prattler Anzeiger Emmy Honegger,328 Fritz Sutter Prattler Personenlexikon Das Bürgerhaus Emmy Honegger 331 Buss Albert Emmy Honegger 402 Die drei Schildwirtschaften «Weisses Fritz Sutter 334 Christ Lukas Emmy Honegger 402 Kreuz», «Engel» und «Ochsen» Glenck Carl Christian Friedrich Emmy Honegger 402 Mitschs Beizenbummel Emil Jehle 337 Glenck Otto Emmy Honegger 403 Jeger Hans Ruedi Brassel 403 Feste und Bräuche Keller Hans Emil Emmy Honegger 403 Brauchtum und Tradition Emmy Honegger 341 Knapp Johannes Martin Emmy Honegger 403 Der Banntag Emmy Honegger 342 Mann Leo Emil Emmy Honegger 404 Die Prattler Dorffasnacht Hanspeter Stauffacher 344 Nebiker Helene Helen Stohler 404 Das Chlause Ilüte Emmy Honegger 350 Rohner-Plattner Josef Hans Herzog 404 Die Dorffeste Emmy Honegger 351 Schwob Karl (Karollus) Emmy Honegger 405 Stohler Hans Emmy Honegger 406 Kultur und Freizeit Weisskopf Paul Emmy Honegger 406 Prattler Künstlerinnen und Künstler Susanne Brugger 355 Zeugin Ernst Werner Emmy Honegger 406 Kunst im öffentlichen Raum Susanne Brugger 362 Postscript zur Prattler Kunstszene Prattler Originale Emmy Honegger 407 Jutta Bielser Fritz Sutter 367 Bruno Fiechter Fritz Sutter 368 Postscriptum Emil Gisin Fritz Sutter 369 Zukunftsvisionen ins 2103 Felix Knöpfel 411 Urs Hartmann Fritz Sutter 370 Autorenverzeichnis Emmy Honegger 412 Ernst Weisskopf Fritz Sutter 371 Bilderverzeichnis Fritz Sutter 413 Der Flohmärt Emmy Honegger 372 Schrebergärten, Oasen der Erholung Emmy Honegger 373 DerVerkehrs- und Verschönerungs-Verein Emmy Honegger 375 Die Arbeitsgemeinschaft für Freizeit Emmy Honegger 378 und Familie (AGFF) Die Gemeindebibliothek Emmy Honegger 379 Die Ludothek «Gampiross» Emmy Honegger 380 Die Laienbühne Pratteln Emmy Honegger 381 7 Vorwort

Zum Geleit standen haben. Zu diesem Verständnis trägt Vorwort zur Heimatkunde die neue Prattler Heimatkunde Entscheiden- des bei. Das Buch soll helfen, unser Dorf Im Jahre 1103 wurde unser Dorf erstmals besser kennen und verstehen zu lernen, und Was ist Heimat? urkundlich erwähnt, und zwar mit dem es soll Anstoss geben, am Dorfleben teilzu- Laut dem Lexikon und im allgemeinen Namen «Bratello» als Dinghof des Klosters nehmen und sich aktiv mit der Zukunft Sprachgebrauch: «Einerseits der Ort und die St. Alban in Basel. Pünktlich zur 900-Jahr- unserer Gemeinde auseinander zu setzen. Umgebung, an dem ein Mensch geboren Feier von Ende August 2003 hat unsere wurde und wo er seine Kindheit verbrachte, Gemeinde mit der vorliegenden Prattler Hei- Die Reihe der bisher erschienenen Prattler andererseits die Umwelt, deren Einstellun- matkunde ein Jubiläumsgeschenk von un- Geschichtsbücher ist mit dieser neuen Hei- gen und Mentalität ihn geprägt haben. Der schätzbarem Wert erhalten. matkunde um einen weiteren kostbaren und Begriff Heimat bezeichnet meist ein subjek- in seiner Art einmaligen Band bereichert tives Gefühl der Geborgenheit, enge Bezie- Das Buch ist eine Fundgrube für alle, die sich worden. Das vorbildliche Engagement, mit hungen sowie die Verbundenheit, die auf für die Geschichte, die Gegenwart und die dem alle Beteiligten ans Werk gegangen eine vertraute Umgebung zurückzuführen Zukunft unseres Gemeinwesens interessie- sind, verdient unsere volle Anerkennung. Im ist. Man spricht deshalb auch von einer geis- ren. Es gibt umfassend Auskunft über die Namen des Gemeinderates und der Prattler tigen, sprachlichen oder politischen Hei- Entwicklung unserer Gemeinde, über ihre Bevölkerung danke ich dem Redaktions- mat». Landschaft und die in ihr lebenden Men- team, den Autorinnen und Autoren und Unsere Heimat ist Pratteln. schen, Tiere und Pflanzen. Die Heimatkunde allen, die mitgeholfen haben, das Gemein- begnügt sich nicht mit einer Darstellung der schaftswerk zu vollbringen. Mit dieser Heimatkunde wird unser Dorf in Vergangenheit, sondern schafft in vielen seiner Vielseitigkeit dargestellt und es er- Kapiteln den Bezug zur Gegenwart. In zahl- möglicht den Leserinnen und Lesern, den reichen Einzelbeiträgen, verfasst von Perso- Zugang zur Bevölkerung und ihrer Heimat nen, die sich im jeweiligen Fachgebiet gut zu vertiefen. Mit grossem Engagement und auskennen, wird ein farbiges Bild von der Freude haben viele Mitwirkende ein Werk ge- historischen Entwicklung und den heutigen Willy Schneider schaffen, das anlässlich der 900-Jahr-Feier Verhältnissen der Gemeinde Pratteln ge- Gemeindepräsident der Öffentlichkeit vorgestellt und überge- zeichnet. ben werden kann. Es zeigt unser Dorf, wie es sich in den letzten Jahren entwickelt hat, Nur dann verstehen wir unsere Gegenwart was es zu bieten hat und wie unsere Ge- und können zielstrebig in die Zukunft schrei- sellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts 8 ten, wenn wir unsere Vergangenheit ver- lebt. Unsere vielen Dorfvereine, wo sich Men- Ende gut, alles gut! che Illustrationen und Grafiken untermalen schen aller Bevölkerungsschichten treffen, zudem das Wort. fördern das Zusammenleben. Ein Engage- ment in der Politik ermöglicht es, an der Ent- Ende gut, alles gut! Auch die fast dreijähri- Wir danken allen Sponsoren und schreibend wicklung der Gemeinde mitzuwirken. Den ge Arbeit der Arbeitsgruppe für die Neu- Mitwirkenden herzlich für ihre Beiträge und Erholungssuchenden stehen unsere Wälder Edition der Heimatkunde Pratteln 2003 ist wünschen den Leserinnen und Lesern viel mit den vielen Spazier- und Wanderwegen beendet und kann planmässig auf Prattelns Spass bei der Lektüre dieses Prattler Heimat- zur Verfügung. Dabei kann man erleben, 900-Jahr-Jubiläum der Öffentlichkeit über- buches 2003. dass auch in einer Industriegemeinde die geben werden. Ob die Prattler Heimatkun- Natur nicht zu kurz kommt. de aber auch lesenswert ist, werden Sie, ver- ehrte Leserinnen und Leser, entscheiden. Die Bürgergemeinde hat sich von Gesetzes wegen verpflichtet, die Heimatverbunden- Dass diese Prattler Heimatkunde vorliegt, Emmy Honegger heit und die kulturellen Bestrebungen zu hat es des Zusammenwirkens verschiedens- Präsidentin der Arbeitsgruppe fördern. Sie macht das gerne und somit war ter Kräfte bedurft: Erstens Sponsoren (Insti- für die Neu-Edition es Ehrensache, das Heimatbuch mit einem tutionen und Wirtschaft), die mit ihren finan- der Heimatkunde Pratteln 2003 namhaften Betrag zu unterstützen. ziellen Beiträgen dieses Buch erst ermög- lichten. Zweitens Autorinnen und Autoren, Der verantwortlichen Arbeitsgruppe und den bei diesem Buch 40 an der Zahl. Und drit- Autorinnen und Autoren danke ich für das tens waren wir in der glücklichen Lage, die gelungene Werk und hoffe, es werde der Gestaltung und den Satz, das Teuerste bei Prattler Bevölkerung ihr Dorf und unsere einem Buch, selbst zu kreieren und auch die Heimat näher bringen. Produktion aktiv zu begleiten.

Die Heimatkunde Pratteln 2003, lebendig geschrieben, ist, ohne die Vergangenheit zu vernachlässigen, eine Momentaufnahme un- serer Gemeinde. Sie gewährt Einblick in die Rudolf Pfirter Kommunalpolitik und in die Arbeit der Bür- Bürgergemeindepräsident gergemeinde. Unser zum Teil einzigartiges Brauchtum wird ebenso beschrieben wie kulturelle und soziale Institutionen. Zahlrei- 9 Sponsorenverzeichnis

Basellandschaftliche Kantonalbank, Pratteln

Bürgergemeinde Pratteln

Depag AG, Pratteln

Einwohnergemeinde Pratteln

Flohmärt Pratteln

Häring & Co. AG, Innovatives Bauen, Pratteln

Henkel & Cie. AG, Pratteln

Lotteriefonds Kanton Basel-Landschaft, Liestal

Migros Genossenschaft, Pratteln

Päuli Pfirter-Stiftung, Pratteln

Pfirter Paul & Co. AG, Malergeschäft, Pratteln

Rohner AG, Pratteln

Schweizer Rheinsalinen, Vereinigte Schweizerische Rheinsalinen AG, Pratteln

UBS, Pratteln

Verkehrs- und Verschönerungsverein Pratteln–Augst

Verzinkerei Galvaswiss AG, Pratteln 10 Dorf und Landschaft Ab fünfter Zeile von oben: … Appenwilare, Habenkenseim, Cuzevvilre, Sie- renzein, in Alsatia in villa que dicitur Westhaulda curtim unam cum vineis, Ufeheim, Rammespahc, Michilenbahc, Obervvilre, Bratello, Gelterkingen, Durnum, Holstein, Metten ... Auszug aus dem Urkundenkonzept über die Gründung und den Grundbesitz des Klosters St. Alban in Basel. Erstellt zwischen 1101–1103. Urkundlich erstmals erwähnt werden die fünf Baselbieter Gemeinden Oberwil, Pratteln, Gelter- kinden, Thürnen und Hölstein. wies, ein Dienstleistungszentrum, das die Der Name unseres Bewohner Augustas täglich mit landwirt- Dorfes schaftlichen und industriellen Produkten versorgte. Die hypothetische römische Ortstafel, gezeich- Der Basler Professor Wilhelm Bruckner erin- net von Markus Schaub, Ormalingen. nert deshalb zu Recht in seinen Beiträgen zur Ortsnamenkunde, dass der Ortsname Pratteln sich aus dem Lateinischen Pratellum Der Ortsname Pratteln, mundartlich Bratte- im Laufe der zwei Jahrtausende kaum wei- le, lässt sich aus dem Lateinischen entweder ter entwickelt habe und dass dieser auch als Pratis lata = breite, weitläufige Wiesen einen Beleg dafür bilde, dass der Ortsname oder, was wahrscheinlicher ist, aus Pratel- nicht der sogenannten Lautverschiebung, lum = kleine Wiese, ableiten. Der Ortsname die mit der Landnahme durch die Alaman- Die erste urkundliche Erwähnung des Ortsna- erinnert, zusammen mit dem von Augst, der nen im sechsten Jahrhundert nach Christus mens als Bratello im Konzept der St. Alban- auf die römische, im Jahre 44 v. Chr. einherging, unterlegen sei. Wenn die Laut- Urkunde von 1101–1103. gegründete Kolonialstadt Augusta Raurica, verschiebung hier wirksam geworden wäre, früher Colonia Raurica, zurückgeht, an die würde Pratteln heute nicht so, sondern römische Vergangenheit unseres Dorfes. Pfratzelen heissen, weil sich der Anlaut P in Die Gründung der Colonia Raurica, das spä- ein Pf und das t in der Mitte zu tz entwickelt tere Augusta Raurica, erfolgte durch den hätte. Die Erhaltung der Urform des Ortsna- Kriegsgefährten und Legaten Julius Caesars mens müsse auch damit zusammenhängen, während des Gallischen Kriegs, Munatius meint Prof. Wilh. Bruckner, dass hier in Prat- Plancus, der nach der Ermordung Caesars in teln bis ins achte Jahrhundert noch roma- In einer Urkunde von 1250, in der ein Plebanus den Iden des März 44 v. Chr. im gesetzlichen nisch (lateinisch) gesprochen worden sei. (Leutpriester) de Bratelle erwähnt wird, nennt Auftrag Caesars und legitimiert durch den sich unser Dorf Bratelle ... römischen Senat die Kolonialstädte Lugdu- Die vom früheren Prattler Ortshistoriker, Dr. num (Lyon) und Raurica (Augst) gegründet h.c. Ernst Zeugin (1896–1981) vertretene meintlichen Besammlungsplatz der Hexen haben soll. So jedenfalls überliefert es uns Meinung, dass sich der Ortsname aus der im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, die Grabinschrift an seinem Mausoleum in vorrömischen Sprache, dem Keltischen in die Deutungsversuche miteinbezogen, Gaeta, an schönster Lage oberhalb Neapels. Bratu = Gericht, Gerichtsstätte, entwickelt ohne aber zu überzeugenden Ergebnissen Dass Pratteln mit der bedeutenden Kolonial- habe, wird heute mehrheitlich abgelehnt, zu gelangen. Die Erwägungen Dr. W. Gess- stadt eng verbunden war, bezeugen die obwohl sich vermutlich im Ortsnamen der lers werden heute allerdings wieder ernst- zahlreichen, zumeist auch luxuriös ausge- Nachbargemeinde Muttenz, dem Methimi- haft diskutiert, weil es nicht als ausgeschlos- statteten Landwirtschaftsbetriebe, die so se des achten Jahrhunderts, ein keltischer sen gilt, in der Bezeichnung Pratellum = kleine genannten römischen Villen, aber auch die Begriff verbergen dürfte. Auch der frühere Wiese, die Hexmatt bzw. Bratteler Matte, Industriebetriebe mit den Bronze- und Eisen- Prattler Sekundarlehrer, Dr. Walther Gessler, als uralten Kultplatz, zu erkennen. Die Argu- giessereien, die man in Pratteln entdeckt hat die Deutung des Ortsnamens versucht, mentation ist gar nicht so abwegig und hat. Pratteln war zur Blütezeit der römi- ist aber über die vermeintliche Urform Pra- wäre ein Beispiel dafür, wie aus der Bezeich- schen Stadt, die im zweiten Jahrhundert tella = Wiese nicht hinausgekommen. Dabei nung eines regionalen Kultplatzes ein Orts- nach Christus ca. 20000 Einwohner auf- hat Gessler auch die Hexmatt, den ver- name entstanden sein könnte. 13 wird in der Urkundsperson des Burchardus, dem Stadtschreiber von Basel und Leutprie- Das Wappen von ster (Plebanus) de Bratelle, ein kirchlicher Pratteln Würdenträger aus Pratteln aktenkundig. Die Verschleifungen des Ortsnamens von Bratello zu Bratellen bis zur mundartlichen Form von heute sind rudimentär: Auf dem topographischen Plan des Bannes Pratteln überliefert der Basler Geometer Georg Frie- drich Meyer 1678 die Bezeichnung Bratte- Den Wappenschild der Adelsfamilie von len. In der ersten Prattler Heimatkunde von Eptingen, die im letzten Viertel des 13. Jahr- … und 1678, auf dem Plan des Geometers Georg 1749, publiziert als drittes Stück der Merk- hunderts die Burg auf dem Madlen und das Friedrich Meyer, Brattelen. würdigkeiten der Landschaft Basel, verfasst Weiherschloss in der Prattler Ebene erbau- von Daniel Bruckner und illustriert durch ten, nämlich den nach links fliegenden Emanuel Büchel, erscheint Prattelen, und schwarzen Adler mit roter Zunge und Fän- erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts ent- gen auf goldenem Grund und einstmals mit wickelt sich daraus Pratteln, in dessen rotem und heute zur Unterscheidung des mundartlicher Fassung allerdings Brattele Gemeindewappens Eptingen, das ebenfalls weiterlebt. Fritz Sutter auf den Eptinger-Wappenschild Anspruch erhob, mit breitem schwarzem Schildrand, führte die Gemeinde Pratteln bereits seit QUELLEN: dem Jahre 1923 auf ihren offiziellen Doku- Degen, Wilhelm: Abriss der Namenkunde. Basel, menten. Pratteln gehört demnach nicht zur 1947. Vielzahl der Baselbieter Gemeinden, die auf Daniel Bruckner berichtet 1749 in der ersten Hei- Gessler, Walther: Baselbieter Orts- und Flurnamen. die Landesausstellung von 1939 hin ein matkunde von Prattelen und daraus wird um Baselbieter Heimatblätter. Liestal, 1941. Gemeindewappen für die Fahnenhalle der 1860 Pratteln. Stohler, Hans: Die Bedeutung des Sonnenauf- Gemeinden zu kreieren hatten, sondern gangs für die Ausrichtung der römischen Tempel, Pratteln erinnerte sich der ehemaligen Dorf- Urkundlich wird der Ortsname erstmals in Städte, Strassen und Grenzlinien in unserer engern herren – der bedeutendsten Adelsfamilie der Auflistung des Grundbesitzes des im Heimat. Baselbieter Heimatblätter, 1. Jahrgang, des damaligen Sisgaus und heutigen Basel- Jahre 1083 durch den Basler Bischof Burk- Nr. 1. Liestal, 1949. biets, der Herren von Eptingen – die 1189 hard von Fenis gegründeten Klosters St. Stohler, Hans: Pratteln zur Römerzeit. Sonder- aktenkundig geworden sind, und deren Alban als Bratello bzw. Bratillo aktenkundig, druck der Neuen Basellandschaftlichen Volkszei- Herkunft bis heute nicht restlos geklärt wer- der im Jahre 1103 abgefasst wurde und der tung. Pratteln, 1952. den konnte. Weil die Exponenten dieses umfangreichen Besitz des Klosters und so- Suter, Paul: Die Gemeindewappen des Kantons Adelsgeschlechtes der ersten Generationen, gar einen Dinghof in Pratteln ausweist. In Baselland. 4. Auflage. Liestal, 1984. das seine Stammburgen in Eptingen errich- den tausend Jahren seines Bestandes hat Gemeindearchiv Pratteln. tet hatte und sich nach diesem benannte, sich demnach der Ortsname von Pratellum Sutter, Fritz: Wo nä Stärn stoht uf em Stei. Blätter den Vornamen Gottfried führten und dieser zu Bratello kaum verändert. Schon im Jahre aus der Prattler Ortsgeschichte. Pratteln, 1992. Name in der Region nicht im Gebrauch 1250, bei der indirekten ersten urkundli- Zeugin, Ernst: Die Flurnamen von Pratteln. Prat- stand, ist heute noch immer offen, woher 14 chen Erwähnung der Kirche von Pratteln, teln, 1936. dieses Adelsgeschlecht kam und wer es zur den zu einem heute nicht bekannten Zeit- punkt an die Banngrenze gegen Augst und Frenkendorf versetzt und markierten dort neu die Gemeindegrenze. Die beiden Steine an der Frenkendörfer Grenze beim Erli ste- hen noch heute dort, die aus der «Widen» wurden nach der Feldregulierung und dem Autobahnbau auf die Schlosswiese zwi- schen dem Feuerwehrmagazin und dem Schloss versetzt und zeugen davon, dass der Prattler Dorfherr, Hans Bernhard von Eptin- gen, alles daran setzte, Pratteln aus der Landgrafschaft Sisgau herauszulösen und dieses zu einer autonomen Grundherr- schaft, also zu einem kleinen Fürstentum, zu entwickeln.

Auch der Wappenschild des streitbaren Das Wappen Hans Bernhards von Eptingen am Prattler Dorfherrn, den dieser zusammen mit 1475 vollendeten Chor der Prattler Kirche.

seiner Gattin Agnes von Ratsamhausen, die 1474 starb, am Chorabschluss nach der Brandschatzung von 1468 und dem Wie- Der ursprüngliche Wappenschild der Herren von deraufbau der Prattler Kirche im Jahre 1475 Eptingen besass nach deren Familienbuch einen anbringen liess, erinnerten die Einwohner roten und nicht einen schwarzen Schildrand. Prattelns mitsamt der 1484 durch Hans - hard gestifteten Osanna-Glocke im Kirch- Wohnsitznahme nach Eptingen und später turm daran, dass die Herren von Eptingen nach Pratteln verpflichtet hatte. einst als Prattler Dorfherren fungierten. Ein weiterer Hinweis auf die Herrschaft der Adels- Der Wappenschild der ehemaligen Prattler familie der Eptinger findet sich auch auf Dorfherren war der Prattler Bevölkerung stets dem Kupferstich, der im Jahre 1749 durch gegenwärtig gewesen: Der Wappenschild den berühmtesten Topographen des 18. war auf den so genannten Ettersteinen ein- Jahrhunderts, den ehemaligen Basler Bäcker- gemeisselt, die seit 1463 das Territorium meister Emanuel Büchel, geschaffen wurde markierten, in dem der Prattler Dorfherr die und die erste Ortskunde Prattelns von Daniel hohe Gerichtsbarkeit, also das Richten über Bruckner illustriert. Auf der Dorfansicht, ge- Leben und Tod, ausüben durfte. Diese ehe- sehen vom Standort der Fröschmatt aus, mals die Grenzen des Dorfetters – den Dorf- wird rechts unten ein sogenannter, 1463 ge- zaun – markierenden Steine aus dem witte- Der Eptinger-Wappenschild auf den 1463 errich- setzter, Etterstein am ursprünglichen Stan- rungsbeständigen Degerfelder Sandstein wur- teten Ettersteinen. dort abgebildet. 15 stützt auf die in den Kreis einbezogenen damaligen Weggabelungen ist es wahr- scheinlich, dass die Ettersteine sich früher an den Wegen, die ins Dorf Pratteln führten, befunden haben und dem Anreisenden kund taten, dass er vom Sisgau in die auto- nome Grundherrschaft der Eptinger in Prat- teln eintrete.

Da gab es aber noch ein anderes Zeichen bzw. Wappen, das auf den Bannsteinen angebracht wurde, nämlich einen Sechs- Die fünfblättrige Blume als Gemeindewappen strahlen-Stern bzw. eine sechs- bzw. fünf- auf dem Gemeindeplan von 1678 ... blättrige Rose bzw. Blume, die sich auf den frühest datierten Grenzsteinen vor allem im auseinandersetzte, hatte schon 1925 die Gebiet der Hornebene und des Aspenrains sogenannten «Papiere» des früheren Pratt- Der Sechsstrahlen-Stern von 1642 als Hoheitszei- vorfand. Die Tatsache, dass ein Grenzstein ler Oberlehrers, Gemeinderats und Gemein- chen auf den Bannsteinen. Zeichnung Albert ein amtliches Hoheitszeichen repräsentiert, depräsidenten Johannes Martin (1807–1890) Weisskopf, 1970. veranlasste den damaligen Prattler Gemein- entdeckt und Auszüge daraus angefertigt, deverwalter Martin Wüthrich bereits am 3. die später der Prattler Dorfhistoriker, Dr. h.c. Man nimmt heute an, dass der Dorfetter Januar 1939, den Präsidenten der Gemein- Ernst Zeugin, in seiner Heimatschrift Nr. 6 sich mit einem Radius von ca. 550 m – dies publizierte. Martin Wüthrich informierte Paul entspricht einem Viertel des gallorömischen Suter auch über die Diskussionen anlässlich Längenmasses einer Leuga von 2200 m – einer Bürgergemeindeversammlung, an der mit dem Prattler Schloss als Mittelpunkt mehrere Teilnehmer verlangten, dass an nach allen Himmelsrichtungen ausdehnte. Stelle des Wappenschilds der Eptinger der Der gestützt auf den auf dem «Biedermann- Sechsstrahlen-Stern offiziell als Gemeinde- Plan von 1903» gezogene Kreis mit dem wappen zu führen sei, weil Frenkendorf den Radius von 550 m schliesst die in der Urkun- Halbmond als Gemeindewappen übernom- de von 1463 genannte Weggabelung über Auf dem Scheunentor-Bogen des Lüdin-Hauses men habe. Zum Frenkendörfer Mond, so das «Erli», dorfwärts unterhalb des ehema- von 1774 ist ebenfalls der Sechsstrahlen-Stern im argumentierte Martin Wüthrich, würde der ligen Siechenhauses und der Kapelle, ein. Kreis abgebildet. Prattler Sechsstrahlen-Stern als Himmelsob- Der hypothetische Kreis schneidet ebenfalls jekt ausgezeichnet passen. Martin Wüthrich die Strassengabel Augst–Liestal beim alten dewappen-Kommission des Kantons Basel- ersuchte Dr. Paul Suter im Schreiben auch, Reitweg und berührt das «Esterli» bei der Landschaft, Dr. Paul Suter, auf die Tatsache zum mitgeteilten Sachverhalt Stellung zu «Bratteler Matte» bzw. der «Hexmatt» aufmerksam zu machen, dass Pratteln beziehen. sowie das südlich des Dorfes gelegene Reb- neben dem Eptinger Wappenschild ein gelände und steigt auf beiden Seiten der zweites Wappen besitze, das als Hoheitszei- Bereits am 5. Januar 1939 konnte Dr. Paul Talmulde gegen die Schauenburg und den chen die Gemeindegrenze markiere. Martin Suter dem Prattler Gemeindeverwalter mit- Madlen hinauf und kehrt zum Ausgangs- Wüthrich, der sich engagiert mit der Ver- teilen, dass auf den Bannsteinen Prattelns 16 punkt des Kreises beim «Erli» zurück. Ge- gangenheit und der Geschichte Prattelns wirklich ein Sechsstrahlen-Stern eingemeis- Georg Friedrich Meyer im Jahre 1678 von Pratteln aufgenommen hat und wo er neben der Bezeichnung Brattelen eine fünf- blättrige Blume im Kreis abbildet, zur ersten handbedienten Prattler Feuerspritze aus dem 19. Jahrhundert, auf der neben dem Namen Prattelen der Sechsstrahlen-Stern aufgemalt wurde, zum Scheunentorbogen neben dem Lüdin-Haus, am Prattler Dorf- platz, auf dem eine sechsblättriger Blume im Kreis mit der Jahreszahl 1774 angebracht Das seit 1939 gültige Prattler Gemeindewappen. wurde, zu dem anlässlich der Kirchenreno- vation im Jahre 1952 durch Paul Weisskopf bei der Aussiedlung von Eptingen nach Prat- entdeckten und freigelegten goldenen Fünf- teln hieher mitgebracht wurde. strahlen-Stern, der tiefer in den alten Ver- putz eingelassen war als der später darüber Ein weiterer Hinweis zur Geschichte des angebrachte schwarze Baslerstab, der nach Sechsstrahlen-Stern fand sich in den Anwei- 1832 mit sieben roten Punkten, dem Zei- sungen der römischen Landvermesser, die chen des Baselbiets, versehen worden war. jeweils vor einer Stadtgründung das gesam- Wirklich Beweise noch und noch, um die te Territorium auszumessen und in so Der Fünfstrahlen-Stern – das Pentagramm – am Frage von Gemeindeverwalter Martin Wüth- genannte Centurien, Quadrate von 710,4 m Prattler Kirchturm. rich zuhanden Dr. Paul Suter noch einmal zu Seitenlänge, analog der heutigen Praxis der diskutieren. Koordinaten mit 1000 m Seitenlänge, ein- selt sei, dass dies aber nicht zur Interpretati- zuteilen hatten. In den nur fragmentarisch on verleiten könne, dass der Sechsstrahlen- Ein spektakulärer Fund anlässlich der Gra- überlieferten antiken Schriften der Agrimen- Stern als das ursprüngliche Gemeindewap- bungen in einer der Stammburgen der soren – den Landvermessern – werden wir pen bzw. Hoheitszeichen Prattelns ange- Eptinger unter der Riedfluh bei Eptingen im darüber informiert, welche Zeichen jeweils sehen werden könne. Diese Auskunft – das Jahre 1983 liess die Diskussion um das ur- zur Kennung der Centurienlinien verwendet wissen wir heute – war etwas voreilig, denn sprüngliche Prattler Gemeindewappen wie- worden sind, die vom Jupiter-Altar des Fo- in der Zwischenzeit haben sich untrügliche der aufleben: Die Ausgräber förderten ein rums der Colonia Raurica aus gingen. Auf Belege dafür gefunden, dass die Gemeinde Architekturstück aus Stein, auf dem ein iden- den Centurienlinien wurden auch die römi- Pratteln ursprünglich den Sechsstrahlen- tischer Sechsstrahlen-Stern im Kreis, wie er schen Wege und Strassen angelegt. Es ist Stern, bzw. die fünf- oder sechsblättrige auf den ältesten Bannsteinen Prattelns ein- kaum zu glauben: Es war eine Steinsäule Blume als Hoheitszeichen geführt hat; ja, gemeisselt wurde, ans Tageslicht. Die For- oder ein Eichenpfahl, in die ein Sechsstrah- dass es sich beim Sechsstrahlen-Stern um schung nahm sich dieses Fundes an und len-Stern im Kreis, eingemeisselt wurde. Es das ursprüngliche Hauszeichen der Adels- konnte nach dem Hinweis auf die Prattler könnte also gut möglich sein, dass im Ge- familie der Eptinger handeln könnte, bevor Bannsteine nicht ausschliessen, dass es sich biet der damals unwirtlichen Hornebene, wo sich diese den fliegenden Adler als adliges – weil die Übereinstimmung vollständig war eine der Centurienlinien vom Augster Jupi- Erkennungszeichen zulegte. Die Beweis- – um das Hauszeichen der Adelsfamilie der ter-Altar aus auf den Tempel der Schauen- stücke reichen vom ersten topographischen Eptinger vor der Führung eines Familien- burgerfluh verlief, solche Vermessungsob- Plan, den der berühmte Basler Geometer wappens handeln könnte und dass dieses jekte noch jahrhunderlelang nach dem Ende 17 der Römerherrschaft stehen geblieben sind. Bruchstücke einer zierlichen Kalkstein-Säule Wo liegt Pratteln? mit dem eingemeisselten Sechstrahlen-Stern im Kreis, die vom früheren Waldchef Willy Stohler entdeckt wurden, befinden sich heute im Museum im Bürgerhaus und könn- ten römischen Ursprungs sein.

Der Prattler Gemeinderat hat deshalb intui- tiv und zu Recht am 17. Januar 1956, als es In der bis heute noch ungedruckten Heimat- um den Ersatz alter Bannsteine ging, be- kunde von Pratteln aus dem Jahre 1864, die schlossen, die Grenzsteine inskünftig mit als Teil der geplanten Orts-Heimatkunden des dem Sechsstrahlen-Stern im Kreis zu verse- Kantons Basel-Landschaft vom damaligen hen. Fritz Sutter Mitbegründer und Präsidenten des baselland- schaftlichen Lehrervereins sowie Sekretär der Finanzdirektion, Friedrich Nüsperli (1803– QUELLEN: 1878), im Jahre 1863 angeregt und konzi- Degen, Peter et al.: Die Grottenburg Riedfluh piert wurde, hat der damalige Oberlehrer Eptingen BL. Bericht über die Ausgrabungen Johannes Buess aus Oltingen, genannt der 1981–1983. Schweizerischer Burgenverein, «dünne Buess», der von 1852 bis 1901 im ,1988. Prattler Schuldienst stand und in der «Alten Gessler, Walther: Baselbieter Orts- und Flurna- Schule» am Prattler Schmiedeplatz unter- men. Baselbieter Heimatblätter. Liestal, 1941. richtete, die Lage Prattelns wie folgt be- Heitz, August: Grenzen und Grenzzeichen der schrieben: Kantone Baselstadt und Baselland. Liestal, 1964. Stohler, Hans: Die Bedeutung des Sonnenauf- «Beim Vogelberg und Gritenkopf löst sich Siegfried-Karte 1886, Blatt Muttenz. gangs für die Ausrichtung der römischen Tempel, vom Hauptkamme des Jura ein Ausläufer Städte, Strassen und Grenzlinien in unserer ab, der das Gebiet zwischen der Birs und der etwa zwei Stunden östlich von Basel am engern Heimat. Baselbieter Heimatblätter, 1. hintern Frenke und Ergolz erfüllt, grössten- Fusse des Adlerberges – des Madlen – auf Jahrgang, Nr. 1. Liestal, 1949. teils in den Kantonen Solothurn und Bern einer ausgedehnten Ebene. Stohler, Hans: Pratteln zur Römerzeit. Sonder- liegt, nur in seinen nördlichsten Punkten in druck der Neuen Basellandschaftlichen Volkszei- seiner ganzen Breite unserm Kanton ange- Grenzen und Punkte mit Aussicht tung. Pratteln, 1952. hört und in bald sanften, bald steilen Zwei- Suter, Paul: Die Gemeindewappen des Kantons gen in das Rheintal sich erstreckt. An dieser Der Bann Pratteln grenzt im Osten und Baselland. 4. Auflage. Liestal, 1984. Stelle, zwischen der Mündung der Ergolz Süden an denjenigen von Füllinsdorf und Gemeindearchiv Pratteln. und derjenigen der Birs in den Rhein, hat Frenkendorf, im Westen an Muttenz, im Sutter, Fritz: Wo nä Stärn stoht uf em Stei. Blätter der Kanton von Süden nach Norden seine Norden von der Saline Schweizerhalle bis aus der Prattler Ortsgeschichte. Pratteln, 1992. geringste Breite, und hier finden wir die Bän- zur Rheinlehne an den Rhein, welcher ihn Zeugin, Ernst: Die Flurnamen von Pratteln. Prat- ne Muttenz und Pratteln, dieser östlich, von der Gemarkung der badischen Gemein- teln, 1936. jener westlich gelegen. Pratteln liegt unge- de Wylen trennt. Von da folgt die nördliche 18 fähr eine Stunde westlich von Liestal und Grenzlinie der über den Bözberg nach Zü- rich führenden Landstrasse, der Rheinstrasse, das Auge nordostwärts weit hinaus ins ger Schloss und westlich davon im Bann bis zum Dorf Augst, indem das zwischen Rheintal über die badischen Ortschaften Pratteln das Horn. dem Rhein und der Landstrasse gelegene Herten, Degerfelden, Nolligen, Beuggen u.a. Land zum Bann Augst gehört. Das äusserste hinauf an die Höhen des Schwarzwaldes, Der nördliche Abhang des Schlossberges gegen Basel zu gelegene Haus von Augst welche oft noch mit schneebedeckten Häup- streckt sich von Westen und nach Osten gehört noch zu Pratteln. Von da führt die tern auf unsere Ebenen herabschauen, und mit ihm steht durch einen Bergsattel Grenze oberhalb des Dorfes Augst an das wenn bei uns der Frühling bereits eingezo- der nordöstlich bis ans Dorf sich streckende linke Ufer der Ergolz, welche nun bis zur gen ist. Nordwärts liegen zunächst die Gefil- Adlerberg in Verbindung. Östlich reiht sich Mühlepritsche gegen Nordosten die Grenze de des eigenen Bannes und jenseits des diesem der Vogtacker, welchem gegen Nor- gegen Augst bildet. Von da bis zur Hülften- Rheins die badischen Dörfer Wyhlen und den die Hochflächen des Ehrli und des Blö- brücke, dem Anfang der Grenze gegen Grenzach begrenzt von dem am Fusse mit zen vorliegen. Vom Horn löst sich ein zwei- Frenkendorf, grenzt der Bann Pratteln in Reben bekleideten Höhenzug, an dessen ter Ast ab, der sich ebenfalls nordöstlich bis einer kurzen Strecke an denjenigen von Fül- Rücken das Dörfchen Rührberg und die ans Dorf erstreckt und durch den Zunft- linsdorf. Der in der Südostecke des Bannes Chrischona weit ins Schweizerland und ackerrain sich steil absenkt. Südöstlich fällt stehende sogenannte hohe Bannstein ver- nach Frankreich hinaus schauen. Westwärts dieser Höhenzug nur allmählich ab und zwi- dient besonders bemerkt zu werden, da hier sehen wir die Türme des Münsters über das schen ihm, dem nördlichsten Abhang des die Bänne von Frenkendorf, Pratteln, Mut- Häusermeer von Basel emporragen. Dem Schlossberges und dem Adler, liegt ein tenz und der solothurnischen Gemeinde Rheinstrom nach Nordwest folgend schweift ziemlich langes, im Hintergrunde mulden- sich berühren. das Auge links über die Ebene des Elsasses förmiges Tal, in dessen Mündung ein Teil des tief nach Frankreich bis an die Vogesen und Dorfes liegt. Westlich vom Horn beginnt ein Bereits jeder wenn auch nur wenig erhabe- rechts bis an den Blauen und Bölchen. dritter Ausläufer, der in ziemlicher Breite ne Punkt des Bannes bietet eine sehr schöne wellenartig sich nach Norden erstreckt und Aussicht; die ausgedehnteste jedoch ge- durch das Kästelin bis in die Lachmattebene Bodengestaltung niesst man auf der Spitze des an der Südost- vordringt. Zwischen diesem und dem mitt- grenze stehenden Adlerberges, des Mad- Nur der südlich vom Dorf gelegene, bei wei- lern Höhenzug liegt das Heulenloch, ein len. Nur gegen Südosten ist dieselbe durch tem der kleinere Teil des Bannes ist gebirgig, ziemlich langes, aber sehr enges Tälchen. die Schauenburgerfluh und das Horn be- während der nördliche zwei durch einen schränkt. Gegen Südosten liegt der ganze von Ost nach West sich ziehenden Rain Der Bann ist durch die Eisenbahn, durch Jurakamm vom Passwang bis zur Geissfluh getrennte Ebene bildet, von welchen die Landstrassen, Verbindungs- und Feldwege vor den Blicken; über den obern Hauenstein obere oder die Dorf- und Lachmattebene an nach allen Richtungen durchschnitten. werden sogar die Berner Alpen sichtbar. Vor manchen Stellen wohl eine Viertelstunde uns breitet sich der obere Kantonsteil mit breit ist, und die entferntere, tiefer gelegene Die Eisenbahn führt über die obere oder seinen von engen Tälern durchschnittenen den Raum zwischen dem angeführten Raine Dorfebene von Westen nach Osten, etwa Hochebenen, namentlich das liebliche, mit und den Ufern der Ergolz und des Rheins sieben Minuten nördlich vom Dorfe, einem freundlichen Dörfern und sonnigen Wein- erfüllt und darum die Ergolz- und Rheinebe- alten jetzt nur noch als Feldweg dienenden bergen geschmückte Ergolztal aus. Gegen ne genannt werden kann. Weg, dem Reitweg, entlang, der in früheren Nordosten erblicken wir von der Sissacher Zeiten als Postweg zwischen Liestal und Fluh abwärts den das rechte Ufer der Ergolz In der Gestaltung seiner Oberfläche bietet Basel benützt worden. begleitenden Gebirgsast und über densel- der gebirgige Teil viel Abwechslung. Nur ben hinaus die Höhen von , den Son- wenig ausser der Grenzlinie liegt südlich Landstrassen finden sich zwei Strassen nenberg bei Maisprach u.a. Dann schweift vom Dorfe das aussichtreiche Schauenbur- erster und zwei zweiter Klasse. 19 a. Landstrassen erster Klasse: Am westlichen Ende des Dorfes beginnen Bei Beschreibung der Grenze ist bereits zwei Verbindungswege, der ‹Wasenweg› Der Prattler gesagt worden, dass die Rheinstrasse von und der ‹Stockgrabenweg›. Der erstere Gemeindebann der Saline bis Augst über die Rheinebene führt in nordwestlicher Richtung über die führt. Bei der Hülftenbrücke im Osten tritt Dorfebene, kreuzt zwischen der Zehnten- die zweite Strasse erster Klasse, die Liestaler scheuer und der Station die Eisenbahn und Landstrasse, in unseren Bann, führt westlich mündet beim Bitterlinsgässchen in die Land- über die obere Ebene, nähert sich an zwei strasse. Der Stockgrabenweg endlich leitet Stellen dem die Ebene trennenden Raine, westlich nach Muttenz, verbindet sich senkt sich im Grüssen auf beim sogenann- jedoch unweit der Lachmatt mit dem Mut- Die Gesamtfläche des Prattler Bannes ten Bitterlinsgässchen auf die Rheinebene, tenzersträsschen, nachdem dieses die Eisen- gemäss Grundbuch beträgt 1079 ha. Der durchschneidet diese in nordwestlicher bahn gekreuzt hat. Der durch das Esterli Bahnhof liegt auf 288 m ü.M., das Dorfzen- Richtung und mündet bei der Rheinlehne in führende Fussweg stellt für Fussgänger die trum (bei der reformierten Kirche St. Leode- die Rheinstrasse. Verbindung mit Frenkendorf her. Die Feld- gar) auf 298 m ü.M. Der höchste Punkt wird wege werden füglich erst bei Aufzählung mit 647 m ü.M. auf dem Horn gemessen; b. Landstrassen zweiter Klasse: der Bannesteile namhaft gemacht. der tiefste in der Schweizerhalle bei der Durch das im Jahr 1835 durch die h. Regie- Schifflände mit 258 m ü.M. rung von Baselland erbaute Augstersträss- Gewässer chen, das bei der Hülftenbrücke von der Lies- Ausmarchen, Grenzsteine setzen taler Landstrasse abzweigt und bei Augst in Dass die majestätischen Fluten des Rhein- die Rheinstrasse mündet, wird der Verkehr stromes unsere Nord- und die liebliche Er- Durch die neue Vermessungstechnik nach mit dem Fricktal vermittelt. golz unsere Nordostgrenze beschützen, ist dem Zweiten Weltkrieg 1939/45 wurden bereits bemerkt worden. Das Talbächlein ent- die Gescheide (Grenzgerichte, Spruchmän- Das Hardtsträsschen, welches beim Bitter- springt am Fusse des Aspenraines, durch- ner), die aus dem Jahre 1464 resultieren, in linsgässchen, da wo sich die Landstrasse fliesst das Tal und das Dorf und durchschnei- einer Volksabstimmung abgeschafft. Der ent- 1. Klasse. der Rheinebene zuwendet, be- det in nördlicher Richtung, dem Wasenweg sprechende Gesetzesparagraf 119 lautet: ginnt, führt nach Muttenz und weiter nach und der Landstrasse entlang fliessend, die 1. Der Kanton ordnet das Bauwesen, das dem Birseck. Dorf- und Rheinebene und ergiesst sich bei Vermessungs- und Katasterwesen; 2. Er regelt der Rheinlehne in den Rhein. Wenn dassel- Landumlegungen und Grenzbereinigungen. Verbindungswege finden sich in unserm be auch keine bedeutende Wassermenge Banne drei vor. Vom östlichen Ende des Dor- führt, so hat es für Pratteln doch einen Die amtliche Vermessung 93 (AV 93) beruht fes, welches von keiner Landstrasse unmit- hohen Wert, da es auch im heissesten Som- auf acht Vermessungsebenen und wird seit telbar berührt wird, führt die Zweiengasse mer nie ganz versiegt.» Fritz Sutter 1999 ausgeführt. Die Ebenen sind Fixpunkte, in nördlicher Richtung über die Dorfebene, Bodenbedeckung, Einzelobjekte und Linien- durchschneidet die Eisenbahn, mündet in elemente, Höhen, Nomenklatur, Grundei- die Liestaler Landstrasse, steigt durch den gentum, Leitungen, administrative Eintei- Sandgrubenrain auf die Rheinebene hinun- lung und beliebige Überlagerungen. Das ter und leitet unter dem Namen ‹Augster- kantonale Vermessungsamt vergibt die Ver- weg› nach Augst, indem es nur wenig ober- messungen an patentierte Ingenieur/Geo- halb des Dorfes in das Augstersträsschen meter (in Pratteln Geoprat AG) soweit der 20 ausläuft. Kanton die Arbeiten nicht selbst ausführt. mit einem Bannstein im Areal der Forellen- Das «Gescheid» Die Nachbargemeinden von Pratteln, Grenzverlauf und zucht Fischervereins Liestal, über die Kan- Das Gescheid bestand aus drei Männern, tonsstrasse bis hin zur Hülftenbrücke und die die Aufgabe hatten, die Grenzsteine Flurnamen dem Hülftenbächli hinzieht. Entlang dieses nach einem exakt vorgeschriebenen und Bächlis ist die Banngrenze mit Grenzpunk- geheimen Ritual zu setzen. Unter die Bann- Die Landesgrenze ten markiert. steine wurden in bestimmter Ausrichtung die Lohen (Röhrenknochen, Glasscherben, Im Norden verläuft die Landesgrenze 900 Im Osten Richtung Süden (Frenkendorf), Kiesel- und Ziegelsteine) gelegt. Damit konn- Meter im Rhein und trennt die Schweiz und 5350 m ten die «Spruchmänner» ein allfällig frevle- das Land Baden-Württemberg bzw. die Bun- Die im Osten Richtung Süden verlaufende risches Versetzen der Bannsteine beweisen. desrepublik Deutschland und Pratteln von Banngrenze beginnt im Hülftengraben , wo Grenzach-Wyhlen. drei Gemeinden – Pratteln, Frenkendorf und Die drei Männer (Spruchmänner) mussten Füllinsdorf – zusammenstossen und endet zwischen 23 und 24 Uhr unter einem höl- Der Grenzverlauf: Von der Schifflände Schwei- im Westen beim «Höche Bannstei» (Herr- zernen Dreibein mit einer Schaube (Bund) zerhalle (258 m ü.M.) dem Rhein entlang, lichkeitsstein), wo sich Pratteln mit Muttenz, brennenden Roggenstrohs schwören, dass vorbei am Salinenareal, «Fährihuus» (in Frenkendorf und dem solothurnischen Gem- sie Ihre Pflicht getreu erfüllen und über das alter Zeit ein Zollhäuschen), Fischerhütte, bis pen trifft. Gescheid Stillschweigen bewahren. Bra- zur Rheinlehne, wo der Bannstein A/P die chen sie ihr Versprechen, drohten ihnen Fischereigrenze Pratteln–Augst markiert, Diese 5350 Meter lange Grenze führt Rich- harte Strafen – den Frevlern übrigens auch, und hinauf zur Rheinstrasse. tung Süden bergwärts, zum Teil recht steil sie wurden mit zehn bis 20 Jahren Zucht- hinauf bis mit 647 m ü.M. zum höchsten haus bestraft. Manchmal büssten sie sogar Punkt Prattelns. Dabei führt sie dem Hülfte- Die Gemeindegrenzen über ihren Tod hinaus, indem sie als bächli entlang, unterquert die SBB-Gotthard- «Brenndlige» durch Wald und Flur irrten, Im Norden Richtung Osten (Augst), 4100 m linie bis zum östlichen Ende der Hinter-Erli- wie eine Sage besagt. Die Prattler Grenze gegen Osten verläuft ab Familiengärten, wo ein an die Herren von Ep- der Einmündung des Bitterlins-Gässlis (heu- tingen erinnernder Etterstein die Grenze mar- Hier noch ein Auszug aus dem Gescheids- tige Salinenstrasse) in die Rheinstrasse, die- kiert. Weiter führt die Banngrenze durch das protokoll vom 18. Juli 1933, 3. Ausgang: ser rechts entlang bis zum Transformatoren- Areal der Villa Sacher, einen Meter am Haus «Anwesend von Pratteln: Karl Dalcher, haus Längi, wo sie auf die linke Strassen- vorbei, hinauf zum Vogtacherwald, über den Gemeinderat, vom Gescheid Bielser Samu- seite wechselt und das Restaurant Salmen Madlechöpfliweg und den Madlesüdweg el, Nägelin Albert, Stohler Wilhelm. Von (Augst) in einen Prattler und einen Augster hinab durch das Paradies (ehemalige Fren- Frenkendorf Jakob Leupin, Ernst Martin, Teil trennt. Weiter zieht sich die Grenze ent- kendörfer Reben), über das Feld zum Adler- Jakob Nebiker. Im Adler wurde ein neuer lang der Poststrasse bis zur Post Augst Rich- hof (Pinat) und vorbei an der Vogelweid Pfadi- Bannstein gesetzt und zwei alte Bannsteine tung Husmatt an die Ergolz und dieser ent- hütte im Rötiwald über die Frenkendörfer- aufgerichtet. In der Röthi hinter dem Adler- lang bis oberhalb des Wuhr. Bergmatten. Dort überquert sie den Aspen- hof wurde ein neuer Bannstein gesetzt und rainweg und «klettert» die steile Bruderhal- ein alter Bannstein aufgerichtet. Im Osten (Füllinsdorf), 200 m de hinauf bis zur Waldecke hinter der Ruine Im Osten markiert ein runder Grenzstein im Neu Schauenburg. Von hier aus verläuft sie Der Schreiber Jak. Nebiker. Fussweg an der Ergolz (278 m ü.M.) die öst- 50 Meter dem Waldrand entlang, dann 20 contr.12.X.1933 Hirt, Statthalter» liche Gemeindegrenze zu Füllinsdorf, die bis 30 Meter unterhalb der Ruine durch den sich 200 m in der Ergolz, gekennzeichnet oberen Teil des Aspenrains, hinab in den 21 Graben hinter dem Hof Neu Schauenburg, –am Hülftenbächli mit Baslerstab auf der um sich wieder steil bergauf bis zum Bann- Frenkendörfer Seite stein mit der Jahrzahl 1642 und vorbei am –hinter dem Erliwald im Acker, schöner, Ebneterhölzli – hier, im Frenkendörfer Bann, abgeschrägter Stein mit dem Adler auf stehen drei Hektaren Prattler Bürger-Wald, der Prattler Seite und dem Baslerstab auf der einst dem Klösterli Schauenburg gehör- der Frenkendörfer Seite te – zu ziehen, wo sich eben Pratteln, Fren- –auf der Munimatt unterhalb Schönen- kendorf, Muttenz und Gempen beim berg. Dieser Bannstein steht verkehrt. Er «Höche Bannstei» die Hände reichen. zeigt auf der Pratteler Seite den Baselstab und auf der Frenkendörfer Seite den Westen/Norden (Muttenz), 4450 m Eptinger Adler. Die Grenze zu Muttenz führt vom «Hohen Bannstein» durch den Graben Muttenz Stie- Diese Bannsteine wurden wahrscheinlich im renwald in 250 m östlicher Richtung hinab 17. Jahrhundert gesetzt, nachdem die Ep- zum «Strittacher», der den «Banntäglern» tinger Pratteln an die Stadt Basel verkauft bestens bekannt ist. Nun wendet sich die hatten. Grenze wieder gegen Norden, vorbei am Egglisgraben, dem Leuengrund und dem Ein interessanter Bannsteine ist auch der Der Güterstein des Klosters St. Alban aus dem Pistolenstand in der Lachmatt. Jetzt über- Kloster St. Alban-Bannstein. Er steht im Madle Jahre 1588 auf dem Madlen. quert sie die Baslerstrasse, die Tramlinie 14 Südwald. Auf der Prattler Seite ist «A 1588», sowie das Areal der früheren Schindler auf der Frenkendörfer Seite «S ALDONY» zu falls den Baselbieterstab und auf der Mut- Waggon AG und führt über die Hardstrasse lesen. tenzer Seite (Stierenwald) den Baslerstab. in den Hardwald. Weiter zieht sie sich über das Areal des Rangierbahnhofs Muttenz, Es gibt auch diverse Bannsteine mit der Jah- Bannsteine mit Jahreszahlen stehen an fol- durchquert die Autobahn und das Areal der reszahl 1642 und dem Amt Liestal-Wappen genden Orten (Flurnamen): einer mit 1588 Säurefabrik. Auf der rechten Seite der mit dem heutigen Baselbieterstab Sieben- Madle Süd; sieben mit 1642 Vogtacher, Fabrikstrasse gehts entlang der Sun-Chem, dupf. Sie stehen im Vogtacher, Aspenrain, Madle Süd, Ecke Waldrand hinter Schlössli, der früheren Feba, die im Volksmund «Tin- Horn-Ost, Hornebene, Ebneterhölzli. Neben Neu Schauenburg, Aspenrain, Horn Ebene teli» genannt wurde und der Schweiz. Rhein- dem Amt Liestal-Stab ist auf den Bannstei- und Horn Süd Nr. 21 und Nr. 23; zwei mit salinen, wo sie die Rheinstrasse überquert nen mit den Nummern 21, 22 und 23 je ein 1782 Bruderhalde und Hornebene; zwei mit und beim Restaurant Solbad dem Hag ent- kleines Sechser-Rosettenzeichen auf der 1818 Horn West und Moderhalde; einer mit lang bis zur Schifflände führt – womit der Frenkendörfer Seite und auf der Prattler 1842 Horn Ost; einer mit 1849 Horn West; Kreis unserer Banngrenze geschlossen ist. Seite eine Sechser-Rosette eingemeisselt. einer mit 1860 Moderhalde; einer mit 1865 Goletten; einer mit 1884 Vogtacher (letzte- Der «Höchi Bannstei», bzw. Herrlichkeits- re vier stehen verkehrt); einer mit 1897 Röti; Interessante Grenzsteine stein ist auf der Gempener Seite mit dem vier mit 1901; je vier mit 1901 Aspenrain Von grossem Interesse sind die Ettersteine Solothurner Wappen und Nr. 45 als Kan- (drei) und Goletten; je drei mit 1922 Horn aus rotem Sandstein aus der Eptinger-Zeit. tonsnummerierung versehen, auf der Fren- Süd, Egglisgraben und Kohlholz; sechs mit Ein Bannstein (Bodenstein) liegt beim Hülf- kendörfer Seite mit Baselbieterstab mit den 1958 Paradies, Bergmatten, Bruderhalde tenbächli (Füllinsdorf), links der Hülften- sieben Krabben und der Nr. 18. Die Bann- (zwei), unter dem Weg zum Berghof Weid, 22 brücke in der Wiese. Weitere finden sich: grenzsteine, Pratteln Horn Süd zeigt eben- Horn und Ebene. Willy Stohler und im Wortschatz. Östlich der Birs, in den ein. In Therwil bräche si d Chirse, wir Prattler Die Prattler Mundart Juratälern, sagt man sääge, Gülle, günne, günne d Chirsi. Charakteristisch für unsere Gäisle, westlich der Birs, im Birseck, saage, Mundart ist die Verdumpfung von langem a Gille, bräche, Rieme. zu o (Oobe), die Dehnung von ursprünglich kurzem Vokal in offener Silbe (Ziibele), die Trotz der Kantonsbildung im Jahre 1832 Kürzung von alten langen u, ü und i vor har- haben sich die beiden Dialektgebiete er- ten Konsonanten (Brut, Chrüz, rite), die Ver- staunlich gut erhalten. Die Prattler Mundart stärkung von ursprünglich weichem Konso- ordnet sich ins östliche Baselbieterdeutsch nanten nach r (wüürgge). Die alteingesessenen Prattlerinnen und Pratt- ler haben Freude am zünserle. Sie hügerle Kleiner ABC-Test: Habe ich einen Prattler Schnabel? am Banntag im Stritacher ums Feuer, brägle ihren Chlöpfer, und weil sie nicht schnäder- Welche Bedeutung ist bei folgenden Mundartwörtern richtig? fresig sind, beissen sie auch ins Chröpfli. Sie täubele nicht, selbst wenn es hudlet, chutet A Ankeschärede 1 Schererei, 2 Rückstand beim Butteraussieden, 3 Ankerwinde oder gar horniglet, der Banntagsplatz sich in B Baderli 1 Gänseblümchen, 2 junge Ente, 3 Kind, das schwimmen lernt eine Gumpi verwandelt und sie anderntags C Chnoode 1 Knoten, 2 Knall, 3 Knöchel chodere und die Kleider niechtele ... D Durlips 1 Sellerie, 2 Raps, 3 Runkelrübe E Eisse 1 Eigelb, 2 Eiweiss, 3 Eiterbeule F Fäckte 1 Flügel des Huhns, 2 Zeitungsmeldung, 3 Gepäck des Soldaten Mir sääge günne, Gülle, Gäisle G gvätterle 1 spielen/trödeln, 2 reparieren, 3 pflügen In der Region Basel werden zwei verschiede- H haabe 1 umziehen, 2 auslaufen, 3 aufgehen, vom Teig ne Dialekte gesprochen, die vieles gemein- I Imbi 1 Imbiss, 2 Biene, 3 Impfung sam haben – Baseldytsch in der Stadt und J jääse 1 gären, 2 beleidigen, 3 aufblasen Baselbieterdütsch auf dem Land. Beide ha- K Kommissione mache 1 einkaufen, 2 auf die Bank gehen, 3 ausschlafen ben sich aus dem Hochalemannischen ent- L Lamaschi 1 Fallmasche, 2 langsamer, mühsamer Mensch, 3 Holzski wickelt und sind verwandt mit der Mundart M mölsch 1 mürb (von zerstossenen Stellen beim Obst), 2 müde (von der Schwarzbuben im Solothurnischen und Tieren), 3 ölig (von Speisen) dem Elsässerdeutsch. N nöime 1 irgendwo, 2 nirgendwo, 3 neuartig O Ooreschmalz 1 Ohrfeige, 2 Ohrläppchen, 3 Ohrenfett Innerhalb des Baselbieterdeutschen lassen P Pfuusi 1 Ohrendrüsenentzündung, 2 elektrischer Strom, 3 Schlaf sich wiederum zwei Varianten auseinander R Ranft 1 Brotrinde, 2 Wegkrümmung, 3 Prattler Traubensorte halten. Unterschiedliche politische, religiöse S schlissere 1 auf dem Eis gleiten (ohne Schlittschuhe), 2 kaputt machen, und kulturelle Einflüsse sind dafür verant- 3aufschlitzen wortlich: Während der östliche Teil des heu- T täubele 1 sich paaren (von Vögeln), 2 taumeln, 3 zwängen tigen Baselbiets im späteren Mittelalter an U Ürbsi 1 Kernhaus des Apfels, 2 Gorps, 3 Segen des Pfarrers die reformierte und eidgenössiche Stadt W warbe 1 (Heu oder Gras) zetten, 2 schleppen, 3 aufwärmen (Milch) Basel gelangte, blieb der westliche Teil dem Z Zötzeli 1 Zitzen der Ziege, 2 Zäpfchen am Hals der Ziege, 3 Haarlocke katholischen und reichsdeutschen Bistum Basel erhalten. Unterschiede zeigen sich v. a. Lösung: A 2, B 1, C 3, D 3, E 3, F 1, G 1, H 3, I 2, J 1, K 1, L 2, M 1, N 1, in der Aussprache, in der Formenbildung O 3, P 1, R 1, S 1, T 3, U 1, W 1, Z 2 23 die weitgehend verschwundenen Lädeli pil- Gäisswaldwäägli durabdüsselet. Under der Käi Söischmutz meh gern wir ins Shopping Center. Das Beizli Stääge bi sim Huus hets die Wälle ufbiige. Allerdings ist unsere Ortsmundart daran, wird zusehends bedrängt durch Self Servi- Alli, wo Holz gsammlet häi, häi das gwüsst – einiges von ihrer Klangfülle und ihrem Aus- ce-Angebote, Fast Food, Drive Ins. Mobilität s Marie hät rueig chönne am Daag go sti- drucksreichtum zu verlieren. Ein wesentli- und Medien eröffnen uns ganz neue Zugän- bitze ... cher Teil dieses Verlusts ist mit dem Rück- ge zu Sprache(n), und wir bedienen uns, oft gang der Landwirtschaft verknüpft: Wörter, unbewusst. Es bringt nicht viel, über diesen S Jöhri Marie die nicht mehr gebraucht werden, sterben: Wandel zu lamentieren. Aber sicher lohnt es Wer sagt heute schon noch Stufle (Stoppeln sich, die eigene Mundart hin und wieder S Jöhri Marie het im Stäinewääg gwoont, im auf dem abgeernteten Acker), Brügi (Heu- ganz bewusst zu gebrauchen. Mutterspra- Connif-Huus über s Gross Bielser Hanse. S boden), Chutschi (junges Kalb, bis einige che ist (auch) Heimat. Und Wurzeln braucht Marie het e Garte gha im Paradiisli (dasch Wochen nach der Geburt), Söischmutz (aus- der Mensch selbst im Zeitalter der Globali- dört, wo der Suter Walti woont). Dasch e gekochtes Schweinefett), lammere (Junge sierung noch immer – oder mehr denn je. chli e Wildnis gsi, s het Zuckerpflüümli und werfen, vom Schaf) oder Lämpe (Hals- und Zwätschgeböim gha, und im Juni, wenn d Brustpartie der Kuh)? Aber auch der ganz Johannisbeeri und d Chrüüseli (Stachelbee- normale Alltagswortschatz ist von dieser ri) riff gsi si, si mir Buebe amme gschnäll Entwicklung betroffen. Die zunehmende Prattler Mundart-Müschterli, iinediche und häi e paari gfilzt. Mängisch Mobilität und die damit verbundene Durch- verzellt vom Stohler Willy isch s Jöhri Marie zue öiser Mueter cho und mischung der Bevölkerung, neue Lebens- het gsäit: Anna, dini Bürschtli si wider an de und Arbeitsbedingungen sind dafür verant- Chrüüseli gsii! Und d Mueter het is regel- Der Chropfli Bammert wortlich. Die Prattler Mundart schleift sich meessig der Arsch verhaue. Dir häit im Para- ab. Nur eingefleischte Mundartsprecher un- Der Chropfli Bammert het d Frau Bielser, aso diisli vom Marie nüt z sueche, het si gsäit, terscheiden heute noch drei Geschlechter s Fricker Anni, aazäigt, si häig Drüübel und derzue hets e paar mit em Teppich- beim Zahlwort zwei: zwo Öpfel (männlich), gschtoole in der Dumphalde, und drum isch chlopfer gee und mir häi ohni Znacht ins zwee Biire (weiblich), zwöi Chirsi (sächlich). si vor e Gmäinroot zitiert worde. Dört het Näscht miese. Und ob wir dem Knie Chnöi, Chni, Gney der Bammert die Aazäig miese verträte. Er oder Chnü sagen sollen, wissen viele von het gsäit: Doo, s Fricker Anni het Drüübel Mir si aber im Jöhri Marie nie böös gsii, uns nicht mehr so genau (das korrekte Pratt- gschtoole in der Dumphalde. Druf abe het s wenn es is isch cho verrätsche. Der Grund ler Knie ist ein Chnü). Fricker Anni zum Bammert gsäit: Wär frisst isch gsii: Mir si gäärn fürs go poschte, denn die erschte Drüübelbeeri, du oder ich? es het immer e Zäänerli oder e Zwänzgi gee. Das häi mir schön braav dehäi abgee, will Self Service in der Sprache mir nie gwüsst häi, öb s Marie d Mueter S Müller Marie Vor allem der Wortschatz wird zunehmend derno goot go frooge. Dr. Markus Ramseier ersetzt durch baslerisches oder gemeindeut- S Müller Marie het imene Hüüsli hinter em sches Wortgut. Am Eierläset werden die Oggse gwoont. S Fasnachtsfüür isch denn dütschte Eier nicht mehr in Stierenauge, no ooben am Füllihaag am Gäisswald gsii. sondern in Spiegeleier verwandelt. In zu- Mit em Stoossbäärli het s Marie vor der Fas- nehmendem Mass fliessen auch Ausdrücke nacht bi stockdunkler Nacht dört oobe im- aus anderen Sprachen ein, vor allem aus mer e paar Wälle ghoolt. S isch jo en altis dem Englischen. Checke ist cooler als ver- Fraueli gsii, aber so fümf, säggs Wälle hets 24 schtoh, härzig ist out, super ist in. Statt in scho ufs Bäärli biige und isch mit deene s an einem Tag auf den Matten «werken» (= erschlossen werden müssen und nirgends Die Flurnamen – mähen) konnte, ca. 40 Aren. schriftlich belegt sind. eine Auswahl Rund um den Chrumamech liegen vorwie- Kurz vor der Zeitenwende beginnt mit dem gend Fluren, die auf -matt enden: Rosen- Bau von Augusta Raurica durch die Römer matt, Dürrenmatt, Zollmatt, Aegelmatt, Gra- ein zweites grösseres Kapitel der Namenge- benmatt, Hexmatt, Stockmatt, Neumatt. In schichte. Der Ortsname Pratteln ist der diesem Wohngebiet lagen vor Zeiten die wichtigste Zeuge dieser Epoche. Er ist auf Prattler Wässermatten. Aus Mangel an Dün- lateinisch pradellum «kleine Wiese» zurück- «Säg emol Chuchichänsterli», pflegen wir ger wurden sie über einen Bewässerungs- zuführen. Freunde aus der Fremde zu föppeln, die sich graben aus dem nahen Talbach bewässert. mit unseren markanten mundartlichen Rei- Der Grossteil der Prattler Flurnamen stammt belauten schwer tun. Prattlerinnen und Pratt- Die Wässermatten sind heute verschwun- aus dem Alemannischen. Die Alemannen ler können die Zungenfertigkeit ihrer fremd- den. Mit ihnen (fast) auch der Name Chru- und Franken begannen ab etwa 500 n. Chr. sprachigen Bekannten auch auf die Probe mamech. Für wenige Tage lebte er nach der die Gegend südlich des Rheins zu besiedeln. stellen mit der Aufforderung: «Säg emol Überbauung der Flur in den späten 50er Teilweise entlehnten sie dabei auch Wörter Chrumamech!» Ein Kroslaut zu Beginn – ein Jahren als Strassenname weiter. Dann emp- aus dem Lateinischen. So geht der Flurname Kroslaut am Schluss. Was dieses «Gekrose» fand ihn der damalige Gemeinderat als zu Chäpeli auf lateinisch capella «Kapelle» allerdings bedeutet, wissen selbst die Orts- hässlich. Das Schild wurde abmontiert. Es zurück. Er weist auf eine frühere Kapelle auf ansässigen kaum mehr. soll noch heute in der Bauverwaltung vor der Flur am Rand des Geisswald. Im Chästeli sich hinschlummern. Der heutige Strassen- steckt ein lateinisches Lehnwort castellum name lautet: Neumattstrasse ... «befestigte Anlage». Auf dem Chästeli- Der Zungenbrecher: Chrumamech acher wurden Mitte des 19. Jahrhunderts Chrumamech ist ein alter Flurname. Er steht die Überreste einer römischen Villa gefun- Die Veteranen: Rhein und Ergolz – wie viele andere Namen – vor dem Abster- den. ben. Die so benannte Flur liegt auf der zwei- Die Prattler Namenlandschaft ist das Ergeb- ten Schotterterrasse des Rheins, am westli- nis eines jahrtausendelangen Prozesses von Die Kahlen: Rüti, Stockmatt, Blözen chen Siedlungsrand, zwischen Muttenzer- Besiedlung, Nutzung und Gestaltung. Dabei strasse und Tramlinie. Wenn wir den Namen stehen Namen aus früheren, bei uns ver- Mit der Zuwanderung durch die Alemannen nicht mehr verstehen, dann vor allem aus schwundenen Sprachen neben Namen aus setzte eine rege Rodungstätigkeit ein. Wilde zwei Gründen: Einerseits, weil sich seine der heute gesprochenen Sprache. Natur verwandelte sich so in Kulturland. Form im Laufe der Jahrhunderte stark ver- Was kultiviert wurde, wollte auch benannt ändert hat, andererseits, weil auch die Flur An die älteste greifbare Schicht erinnern die sein. Flurnamen wie Rüti, Stockmatt oder einem rasanten Wandel unterlag. In einem Flussnamen Rhein und Ergolz. Sie werden Blözen halten die Erinnerung an diesen Vor- Güterverzeichnis aus dem 16. Jahrhundert zu einer indogermanischen Wurzel *rei- gang ganz direkt fest: Auf der Rüti steht ist der Name noch viel unverfälschter. Er lau- «fliessen» bzw. *arg- «klar, glänzend, heute unter anderem das Gebäude der Inte- tet dort: im krummen Mannwerk. Die Flur weiss» gestellt und lassen sich nur schwer rio. Der Name leitet sich ab vom mittelhoch- eines krummen Mannes? Nein! Krumm bestimmten Völkerschaften zuordnen. Na- deutschen Verb riuten und bezeichnet bezieht sich auf die ehemalige Form der Flur men dieser ältesten Schicht sind sehr selten, durch Roden und Verbrennen urbar ge- – sie lag in einer Weggabelung. Mannwerk und das Sternchen vor der Wortwurzel machten, von Baumwurzeln befreiten Bo- ist ein altes Feldmass: so viel, wie ein Mann besagt, dass die entsprechenden Formen den. Unsere Vorfahren mussten den Prattler 25 «Urwald» buchstäblich mit der Hacke rain, Hohenrain weisen auf Abhänge. Im Sumpfig war der Boden im Sodacher. Mit Stamm für Stamm freiroden! Der Name Vergleich zur Holden (Halde) gilt der Rain als Wasser gefüllte Vertiefungen im Boden Stockmatt an der Muttenzerstrasse weist weniger steil. «Bald gras ich am Hübel, bald wurden als Sod bezeichnet. Auch der Netzi- darauf hin, dass beim Roden einzelne Wur- gras ich am Räi, bald han ich es Schätzli, boden triefte vor Wasser: Mittelhoch- zelstöcke stehen blieben. In Blözen – heute bald han ich e käis», lautet ein alter Kinder- deutsch nezze bedeutet «Nässe, Feuchtig- u.a. Friedhofareal – steckt das Verb blössen reim. keit». «entblössen». Blözen – die vom Wald befreite, kahle Stelle. Vertiefungen und schluchtartige Einschnitte Das Gebiet Grüssen wird heute von Indus- liegen Namen wie Wannen, Eglis-, Hülften- trie und Gewerbe genutzt und ist weitge- Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich und Ättigraben zugrunde. Im Fall Ättigra- hend zubetoniert. Ursprünglich steckt aber das Netz der Namen stetig erweitert und ben könnte man vermuten, ein Ätti (Vater) nicht Beton in der Flur, sondern Gries, grob- verfeinert. Seither hat eine massive Gegen- sei einmal in den Graben bei der heutigen körniger Sand, Kies, der seit dem 18. Jahr- bewegung eingesetzt. Traditionelle Namen Autobahn gefallen. 1387 ist der Graben hundert in der Grüssengrube auch abge- verschwinden. In der Namenlandschaft ent- jedoch als ze mägtengraben bezeugt. Im baut wurde. stehen Löcher, weil immer weniger Men- Laufe der Jahrhunderte hat der Graben das schen die Fluren aktiv nutzen. M am Wortanfang abgespalten und das g Der rötliche Keupermergel dürfte zum Flur- im Wortinnern ausgestossen. Überdies hat namen Röti geführt haben, der ein Waldge- Trotzdem sind von den rund 1000 überlie- sich die Endung von -en zu -i verkürzt. Auf- biet bezeichnet, das immer wieder für Unru- ferten Prattler Flurnamen mehr als 250 zu- grund der ältesten belegten Form ist zu ver- he sorgte, wie folgender Ausschnitt aus mindest bei der älteren, ortsansässigen muten, dass sich im ersten Namenglied eine dem Protokoll der Gemeinderatssitzung Bevölkerung noch in Gebrauch. ehemalige Besitzerin Magdalena verbirgt. vom 14. Mai 1888 belegt: «Gottl. Dürr ist eingeklagt, in der Röthi Tännli für Reb- Jeder Name erzählt eine kleine Geschichte – stecken abgehauen zu haben. Es wird der- Bodenbeschaffenheit: Kein Halt in der über die Geländeform, die Bodenbeschaf- selbe mit Fr. 6.–, eventuell 2 Tage Arrest Rütscheten fenheit, Bewirtschaftung, Pflanzenwuchs, gebüßt.» frühere Besitzer, alte Rechtsverhältnisse, Die Goleten liegt oberhalb des Schiessplat- Ereignisse, sagenhafte Begebenheiten usw. zes Lachmatt – ein coupierter Hang, der als Bewachsung: Zittere wie nes Aspli Aneinander gehängt können diese kleinen Weid- und Wiesland genutzt wird. 1368 ist Geschichten viel zur grossen Geschichte des die Flur erstmals bezeugt, als Hugo Marscal- 1394 stritt Gottfried von Eptingen mit sei- Dorfes beitragen. Die nachfolgenden Bei- ci, Ritter von Basel, der Priorin des Stei- nen Söhnen gegen Petermann von Eptingen spiele sollen dies zumindest andeuten. nenklosters ein halbes Mannwerk Matten in unter anderem um «das holtz, daz man der Koloti schenkt. Koloti ist eine latinisierte nempt das Aspe». Heute lautet der Name Form. Gol ist ein altes Wort für groben Asp beziehungsweise Aspenrain. Er geht Topographie: Der Ätti im Graben? Steinschutt. Goleten wäre demnach als zurück auf die Espe, die Zitterpappel. Das «Es wächsle Bärg und Täli so liebli mite- Wort ursprünglich ein Haufen unförmig Zittern der Espenblätter hat zu vielen nand», heisst es im Baselbieterlied. Dieses übereinander liegender Steine, z.B. von Redensarten geführt, z.B. «zittere wie nes Auf und Ab kommt auch in vielen Prattler einem Erdrutsch herrührend. Goleten weist Aspli». Dieses Zittern wird im Volksglauben Flurnamen zum Ausdruck. Namen wie also, wie die benachbarte Rütscheten, auf darauf zurückgeführt, dass die Espe als ein- Madlechöpfli oder Horn deuten bildhaft auf die Gefährdung durch mögliche Rutsche ziger Baum beim Sterben Jesu unempflind- Erhebungen. Bruhalden, Moderhalden, hin. Folgerung: Sei vorsichtig, wenn du auf lich blieb und deswegen zur Strafe ewig zit- 26 Dumphalden und Lahalden oder Blözen- der Goleten oder Rütscheten baust. tern muss. Der prominenteste Waldbaum der Nord- te, anstatt sie in den Teich zu legen. Im Tiere: Wölfe in der Rütscheten ... westschweiz, die Buche, versteckt sich im Ros(s)enloch wurden die Hanfstängel auf Buholz, das eigentlich Buechholz heisst. Die einem Holzgerüst geröstet, damit sich der Tiere sind in grosser Zahl in den Prattler Buche war als Brennholz sehr geschätzt, wie Bast leicht lösen liess. Flurnamen vertreten: Fröschmatt, Füllihag, auch folgender Stossseufzer belegt: «Ich Geisswald, Chäferberg, Chatzenweiher, Otter- fürchteti der Winter nid, wenn ich chönnt Der kaum mehr bekannte Pfennigacher löcher, Vogelmatt. 1368 wird in einer Ur- buechigi Schiter schisse und Öl brünzle!» stellt sich zu lateinisch panicum und be- kunde ein Ort under an dem Egelsee er- zeichnet die Kolbenhirse. Der Name weist wähnt. Offenbar gab es im Gebiet der heu- Der Name Erli weist auf ein ehmaliges Erlen- darauf hin, dass die Alemannen in unserer tigen Aegelmatt einen Weiher, in dem Blut- gehölz. «Erligs isch s beschte Holz, wills am Gegend von den Römern diese Kulturpflan- egel gehäuft vorkamen. Die kleinen Ringel- lengschte hebt», pflegte man zu sagen. ze übernahmen – wie auch den Spelt, die würmer waren früher in der Medizin sehr Aber auch, in Anspielung an hochdeutsch Linse, den Kicher und die Wicke. begehrt. ehrlich: «Er isch nid vom erlige Holz gmacht.» Auch bei uns verschwundene Tiere leben in Form, Grösse, Lage: So Längi wie Breiti Flurnamen weiter. So ist der Wolf für Prat- Eine Verschmelzung aus Zu der Linden stellt Flurnamen wie Längi und Breiti verweisen teln in den leider nicht mehr gebräuchlichen der Flurname Zurlinden dar. «Under der lin- auf die ursprüngliche Form einer Flur. Die Flurnamen Wolfhag und Wolfsbüel be- den an der strasz» schwörten die hörigen poetischste Flur im Prattler Bann ist zwei- zeugt. Der Wolfhag bezeichnete einen Hag Leute von Brattellen 1470 Ritter Hans Bern- felsohne das nur mündlich belegte Bruthals- im Raum Madlen. Wolfsbüel ist die ältere hart von Eptingen die Treue. Die Linde im tüechli, das ein dreieckiges Landstück Benennung für das heutige Gebiet Rütsche- Ortskern hatte grosse Bedeutung als umschreibt. Auch der Gerenacher hatte ten. Wölfe wurden in mit Reisig bedeckten Gerichtsbaum. ursprünglich eine nach vorn zugespitzte Gruben oder mit Netzen und Fallen gefan- dreieckige Form. Der Name enthält das alte gen. Zum Teil machte man ihnen öffentlich An die mächtige Eiche, die als Grenzbaum Wort ger «Wurfspiess, keilförmiges Stück». den Prozess und hing sie an Galgen auf. die Kreuzung der grossen Landstrasse von Basel nach dem Unteren Hauenstein mit der Die einstige Grösse der Flur kommt im Besitzer: ... und Löwen im Grund? Querstrasse zwischen Pratteln und Augst Namen Siebenjurten zum Ausdruck: sieben markierte, erinnert noch der Name des Jucharten (ca. 2 Hektaren). Nicht immer leitet sich die Namengebung Restaurants Chrummi Eich. von äusseren Merkmalen wie Geländeform Die Banngrenze zwischen Muttenz und oder Bodenbeschaffenheit ab. Häufig wird Pratteln verläuft an der westlichen Grenze auf sekundäre Benennungsmotive ausgewi- Nutzung: Rosen auf der Matte? der Lachmatt. Sie hat ihren Namen von den chen, beispielsweise auf den Besitzer. Der Auf der Rosenmatt steht heute die katholi- Lachen oder Lochen, welche die Grenze Name des Besitzers lebt in vielen Fällen in sche Kirche. Eine Matte, auf der einst Rosen markierten. Die heutige Lahalden hiess einem Flurnamen weiter, wenn das Grund- wuchsen? Kaum! 1387 hiess die Flur Mat- ursprünglich Lochershalden. Bereits 1441 stück schon längst in andere Hände gelangt ten zu Rossen. Keine Rossweide! Ross ist dort ein Galgen bezeugt. Unter anderen ist. Vor dem 11. Jahrhundert gab es im bezeichnete vielmehr einen kleinen Teich wurde ein Hans Ortleder gehängt, «welcher deutschen Sprachraum keine Familienna- zum Einlegen und Erweichen – Rossen – von zwey Pferde ab der Waide gestolen.» men. Der Personenname genügte zur Un- Hanf und Flachs. Die Rossmatte war die terscheidung. Der Götzisboden ist heute In- Wiese, auf der man die Pflanzen den Witte- dustrieareal. Götzen wurden dort keine ver- rungseinflüssen von Regen und Tau aussetz- ehrt, sondern die Flur war vormals im Besitz 27 eines Gösger. Im Remeli verbirgt sich wohl wann im Stritacher, dem heutigen Bann- eine Verkleinerungsform zu Remigius, und tagspaltz, die Köpfe eingeschlagen hat, ist Geologie von Pratteln die Kunimatt gehörte einem Konrad. unklar. Selbst nach eingehendem Quellen- studium gibt eben nicht jeder Flurname sein Der Familienname Hagenbach ist verewigt Geheimnis preis. Trotzdem lohnt es sich, im Hagenbächli, welches das ehemalige auch zu diesen dunklen Namen Sorge zu Pfarrpfrundhäuschen sowie sein Umgelän- tragen. Wie ein Mensch wird nämlich auch de auf der markanten Geländekanzel am eine Flur mit einem Namen zu einer Art Per- südlichen Siedlungsrand bezeichnet. Es sönlichkeit – und damit unverwechselbar. wurde im 17. Jahrhundert durch Pfarrer Dr. Markus Ramseier Allgemeiner Rahmen Christoph Hagenbach erbaut. QUELLEN: Der Schwobenacher in den Reben war im Gemeindearchiv Pratteln, Bereine, Kataster, Pro- Pratteln liegt in einer anmutigen Landschaft, Besitz einer Familie Schwob. Keine Löwen tokolle. geprägt durch die Einmündung des Ergolz- machten den Leuengrund unsicher. Er ist Gemeinde-Übersichtsplan 1:5000, 1925. tales in das Hochrheintal, umrahmt von den bereits im 14. Jh. als Löwengrund bezeugt, Namensammlung der Forschungsstelle für Orts- sanften Anhöhen des Tafeljuras und seiner als Besitztum eines Löw. und Flurnamen Baselland, Pratteln 1988ff. Fortsetzung nördlich des Rheines, dem Din- Ortsplan Pratteln 1996. kelberg. Pratteln liegt somit – geologisch Auch Institutionen finden sich unter den Staatsarchiv Liestal, Bereine und Pläne Pratteln. betrachtet – im Tafeljura, der hier besonders Besitzern. Schon 1103 stattete Bischof Zeugin Ernst: Die Flurnamen von Pratteln, Prat- ausgeprägt durchfurcht ist durch das junge Burchard von Basel das neu gegründete Klo- teln 1936. Einschneiden der markanten Flusstäler. Für ster St. Alban in Pratteln mit Gütern aus, wo- diese Region kennzeichnend sind somit die rauf der Name St. Albanmatt verweist. Die- Siehe auch den Flurnamenplan (Plan 1) nach dem Gesteine, welche den Tafeljura aufbauen se Güter wurden zu einem Hof vereinigt. Biedermannschen Gemeindeplan von Pratteln sowie die Ablagerungen der Flüsse in den Der Gallenacher wiederum gehört dem Klos- aus dem Jahre 1903, gezeichnet von G. Müller Tälern (Abb. 1). ter St. Gallen. Die Dumphalden, einst Reb- (1935), als Anhang auf der hinteren Umschlag- gebiet, war im Besitz des Basler Domstifts. seite. Wenn wir also der Entstehungsgeschichte eines bestimmten Gebietes nachgehen wol- len, so gilt es, die Gesteine nach ihrer Art in Ereignis/Sage/Aberglaube: ihren Bildungsraum und in den Zeitrahmen Wardaviel böses Volk? ihrer Genese (= Entstehung) zu stellen. Viele Flurnamen sind mit bestimmten auf- Sodann spielt ihr weiterer Werdegang im fälligen Ereignissen verknüpft. Der spekta- Laufe der geologischen Zeit bis hin zur heu- kulärste Name ist dabei sicher die in ver- tigen Situation eine Rolle. Dazu zählt aber schiedenen Hexprozessen dokumentierte ebenso ihre ehemalige Überdeckung, wie Prattelermatt oder Hexmatt, auf der sich die auch deren Abtragung oder Erosion und das Hexen aus allen Himmelsrichtungen zum Einschneiden der Flusssysteme mit ihren Tanz getroffen haben sollen (vgl. Kap. Schotterbildungen (= Quartär auf Abb. 1). Sagen). Im Cholholz wurde einst Köhlerei betrieben, im Chaibacher wurden die Chai- Zur Geologie gehören neben der Beschrei- 28 be, die Tierkadaver, verscharrt. Wer sich bung der Gesteine auch die tektonischen Abb. 1 Geologische Übersicht Prat- telns, erstellt und 2003 zur Publikation freigegeben durch Martin Meyer, Dipl. Geologe, Geotechnisches Institut AG, Basel. 29 Bewegungen und ihre Folgen, aber auch die [Untere Trias]), so auch am Rheinufer zwi- handen. In dieser Periode gelangen Kalke, Bestandesaufnahme von nutzbaren Boden- schen Kaiseraugst und Rheinfelden. Mergel und Tone in unterschiedlicher Wech- schätzen und die Beschreibung der Wasser- selfolge zur Ablagerung. Diese Gesteine sind vorkommen und ihrer Nutzung, die Hydro- Mit der Mittleren Trias (= Muschelkalk) setzt oft reich an Versteinerungen (Muscheln, Am- geologie. Auch diese beiden Faktoren sind von Norden her eine marine Überflutung moniten, Belemniten, Seeigel, Brachiopoden, in Pratteln von Bedeutung. ein: In einem relativ schmalen Golf kommt Gastropoden, etc.). es zu einem Meeresvorstoss mit geringen Wassertiefen, in welchem Wasser zur Ver- Auch die Gesteine der Jurazeit lassen sich dunstung gelangt. Dadurch werden zu- ihrem Charakter nach dreiteilen: Direkt über Die Gesteine nächst Karbonate (Kalk und Dolomit), dann dem Keuper schliesst der Lias (= Schwarzer Sulfate (Gips und Anhydrit) und schliesslich Jura) an, der mit ca. 30 m die kleinste Mäch- auch Steinsalz ausgeschieden. Mit zuneh- tigkeit aufweist. Er ist im Gebiet von Blözen Die Unterlage der Tafeljuragesteine wird vom mender Frischwasserzufuhr gelangen wie- aber verbreitet und hat beim Ausheben der kristallinen Grundgebirge des Schwarzwal- der Sulfate, Kalke und Dolomite zur Ablage- Baugrube zum Schulhaus Erlimatt eine rei- des und der Vogesen gebildet. Dieses Gebir- rung, so der graue Hauptmuschelkalk, der che Fauna von Ammoniten und anderen ge sind in der Zeit vor 400 bis 260 Mio Jah- am Rheinufer vor dem Aufstau von Birsfel- Fossilien geliefert. (Siehe Abb. 3, Seite 32.) ren entstanden. In diesem Zeitraum sind den im Raum Schweizerhalle zu sehen war. wiederholt Granite in die ehemals schon Er ist reich an versteinerten Stielgliedern von Es folgt der Dogger (= Brauner Jura), der vorhandenen Gesteine eingedrungen, ha- Seelilien und weist damit auf sauberes, war- unten mit dem graue Opalinuston beginnt ben diese durch ihre Wärme umgewandelt mes Wasser hin. und nach oben allmählich kalkiger wird und (= Metamorphose) und zu einem Gebirge im Hauptrogenstein harte, kalkige Steilwän- verfaltet. Mit der Entstehung des Gebirges Mit dem Keuper (Obere Trias) stellen sich de bilden kann wie z.B. im Adler. Zudem ist setzte zugleich auch dessen Abtragung ein, erneut Bedingungen ein, die zum Ausfällen er meist bewaldet, da er infolge seiner Klüf- so dass im Vorland und in den Mulden die- von Sulfaten führen (= Gipskeuper). Der Keu- tigkeit gut wasserdurchlässig ist und somit ses Gebirges Sandsteine und andere körni- per ist weitgehend mergelig, meist von roter einen Trockenstandort abgibt und meist vom ge Gesteine abgelagert worden sind. Wir Farbe, enthält also oxidiertes Eisen, was für Wald bewachsen ist. Der eigenartige Name finden diese heute in der Umrandung des sehr flache Wasserverhältnisse spricht. Erst dieses Kalkes geht auf eine alte Beobach- Grundgebirges meist als rötliche Sandsteine mit der Jurazeit (ca. 210 bis 145 Mio Jahre) tung der hiesigen Bevölkerung zurück: Sein (= Rotliegendes [Perm] und Buntsandstein sind offene, marine Wasserverhältnisse vor- körniges Aussehen führte zur Annahme, es

30 könnte sich um versteinerten Fischrogen (= lustone, Huppererde). Diese Festlandperio- Brüche sind auch auf dem Gemeindegebiet Fischlaich) handeln! Der Dogger weist eine de dauerte durch die ganze Kreidezeit hin- von Pratteln häufig; sie weisen eine zum bräunliche bis gelbliche Farbe auf, die von durch an (145 bis 65 Mio Jahre). Rheingraben parallele Richtung auf und sind der Verwitterung des in diesen Gesteinen zusammen mit diesem entstanden. Gleich- enthaltenen Eisens stammt. Zur Erzeugung Mit dem Beginn der geologischen Neuzeit, zeitig beginnen sich Schwarzwald und Vo- der Verfärbung genügen schon kleine Men- dem Tertiär (65 bis 2 Mio Jahre), setzt in gesen, die Schultern des Rheingrabens, her- gen von Eisen. In frischem Zustand ist der unserer Gegend ein neues Regime ein: Kräf- auszuheben. Dabei ist die Sedimentdecke Dogger grau. Seine Mächtigkeit schwankt te aus dem Innern der Erde beginnen zu wir- über dem Steinsalz der Mittleren Trias leicht um 250 m. ken (= Tektonik = endogen, im Gegensatz nach Süden abgeglitten und hat sie so zum zu exogenen Kräften, die von aussen her Adlerhofgewölbe aufgestaucht. Mit dem Es schliesst der Malm (= Weisser Jura) an. Er auf die Erde einwirken, wie z.B. die Verwit- Bau des Adlertunnels der SBB bot sich ein ist zunächst mergelig und wird rasch wieder terung). Hierzu gehört im mittleren Tertiär guter Einblick in den Bau dieses Gewölbes kalkig, oft aufgebaut von Korallenriffen. Er (= Oligozän) das Einsinken des Rheingra- (Abb. 2), das oberflächlich besonders gut im weist deshalb meist eine weisse oder bens zwischen Schwarzwald und Vogesen, Gebiet des Egglisgrabens aufgeschlossen ist. schwach gelbliche Farbe auf und deutet was auf eine Dehnung dieses Teiles der Erd- damit an, dass damals ein tropisches Klima kruste hinweist. Dabei kommt es in den Mit dem oberen Tertiär (Miozän) macht sich mit sauberem, gut durchlüftetem Meerwas- Randschollen zu zahlreichen Brüchen oder im Jura nun auch die Entstehung der Alpen ser geherrscht hat. Diese Malmkalke bauen Verwerfungen, längs welchen sich diese Ver- (= Orogenese, Gebirgsbildung) bemerkbar. die Schauenburger Fluh auf. Im Raum Prat- tikalbewegungen abgespielt haben. Solche Der Jura wird von Süden her auf sein Vor- teln dürfte die Malmmächtigkeit um 150 m betragen. Abb. 2: Geologisches Längenprofil des Adlertunnels, erstellt und 2003 zur Publikation freigegeben durch Martin Meyer, Dipl. Geologe, Geotechnisches Institut AG, Basel. Nach der Ablagerung des Malm zog sich das Meer aus dem Gebiet des nordschweizeri- schen Juras zurück. Es entstand ein weites, flaches Festland. Die Kalke verwitterten teil- weise und es entstand ein ausgedehntes Karstgebiet, dessen Schlote oft mit Verwit- terungsresten verfüllt wurden (Bohnerz, Bo-

31 Quartär (= geologische Gegenwart) hat sich Muschelkalk, der dort die Unterlage der allmählich das heutige Gewässernetz gebil- Schotter bildet, wobei das Schotter-Grund- det. Im Raum zwischen Schwarzwald und wasser mit dem Karst-Grundwasser direkt Vogesen hat der Rhein die Entwässerung in Verbindung steht. übernommen und sich dabei mit seinen Zuflüssen wie der Ergolz allmählich immer Im Weiteren ist hier zu erwähnen, dass am tiefer eingeschnitten und die heutigen Täler Rhein – allerdings noch auf Gemeindege- herauserodiert. Die Flüsse haben dabei biet Augst – die Rohwasser-Fassung der immer wieder ihr eigenes Geschiebe (Schot- Hardwasser AG steht. Das dort geförderte ter) abgelagert und sich erneut eingeschnit- Wasser wird in Anlagen im Steinhölzli ten und dabei oftmals den Lauf gewechselt. (Gemeindegebiet Pratteln) vorgereinigt und Erst der Mensch hat die Flüsse gezähmt, sie hernach in die Hard (Gemeinde Muttenz) begradigt und zur Arbeit (Energiegewin- gepumpt und dort zur Versickerung ge- Abb. 3: Versteinerungen aus Pratteln, vorwie- nung) herangezogen. bracht (= künstliche Grundwasseranreiche- gend aus der Lias-Formation der Zunftacker- und rung). Von dort aus kann ein Teil des Was- der Erlimatt-Steingrube. Gezeichnet durch Ema- serbedarfs von Basel und zahlreicher nuel Büchel als Illustration der ersten Prattler Hei- Gemeinden im unteren Baselbiet gedeckt matkunde von 1749. Grundwasser werden.

land (= Tafeljura) aufgeschoben und in Fal- ten gelegt. Das Gebiet von Pratteln wurde Die Schotter des Rheines und der Ergolz ver- davon allerdings nicht mehr erfasst, die Auf- zahnen sich im Gebiet zwischen Pratteln Bodenschätze schiebung folgt etwa der Linie Zeglingen– und Augst. Die Rheinschotter sind an ihrer Oberdorf–Reigoldswil im Süden des Kan- grauen Farbe kenntlich, weil die grauen tons Baselland. Kalke aus den helvetischen Decken im Ein- Der Titel zu diesem Abschnitt könnte ver- zugsgebiet des Rheines dominieren. Jene muten lassen, dass hier in Pratteln reiche Diese tektonischen Bewegungen hatten der Ergolz sind gelblich und bestehen nahe- Bodenschätze vorkommen. Dies trifft zu, Reliefunterschiede zur Folge, die sofort zu nur aus Jurakalken; alpine Gerölle fehlen. wenn wir das Wasser ebenfalls zu den auch zur Erosion, zur Abtragung führten. Beide sind gute Grundwasser-Träger, da sie Bodenschätzen zählen würden. Ansonst Diese durch Flüsse abtransportierten Gestei- über eine günstige Porosität verfügen, beschränkt sich die Nutzung von Boden- ne wurden an anderen Stellen wieder abge- wenig Feinbestandteile (Lehm, Silt und Ton) schätzen auf das Vorkommen von Steinsalz lagert, meist als sandige bis mergelige Mo- aufweisen und somit gut wasserdurchlässig im Untergrund von Pratteln und Muttenz. lasse-Sedimente oder als Fluss-Schotter. sind. Wie oben ausgeführt, kommt in der Mittle- Solche Ablagerungen waren einst auch im ren Trias Steinsalz vor, das hier seit 1837 Raum Pratteln vorhanden, sind aber in geo- Die Gemeinde Pratteln stützt ihre Trinkwas- genutzt wird. Es liegt im Rheintal in 140 bis logisch jüngster Zeit wieder der Abtragung ser-Versorgung auf diese Wasservorkommen. 160 m Tiefe und senkt sich nach Süden all- anheim gefallen, so dass davon heute keine Im Industriegebiet Pratteln-Schweizerhalle mählich ab; an einzelnen Stellen erreicht es Spuren mehr anzutreffen sind. Solche fin- finden sich weitere Grundwasser-Fassun- Mächtigkeiten von mehr als 30 m. Die Ver- den sich heute noch auf dem südlichen Tafel- gen, die von der dort ansässigen Industrie breitung des Steinsalzes beschränkt sich auf jura vor der Aufschiebung des Faltenjuras. genutzt werden. Dabei handelt es sich aber das Gebiet südlich des Rheines durch den 32 Nach der Entstehung des Juragebirges, im teilweise um Karstwasser aus dem Oberen ganzen Jura hindurch bis in die West- schweiz. Nördlich des Rheines steigen die teste bereits kurz nach der Erfindung des Schichten des Mittleren Muschelkalkes bis Das Wetter in Pratteln Buchdrucks um 1450 unter das Volk ge- zur Oberfläche auf; dort ist das Steinsalz bracht wurden. Die Kalender zählen damit durch versickernde Wässer herausgelöst. zu den ältesten Druckerzeugen überhaupt, Dies führt an manchen Orten zu salzhalti- die auf uns gekommen sind. Deshalb sollen gen Quellen. hier auch zwei Prattler Heimatkunde-Chro- nisten zu Worte kommen, um ihre bislang Das Steinsalz ist relativ stark von Verunreini- ungedruckten Aufzeichnungen bezüglich des gungen (Anhydrit, Mergel, Dolomit) durch- Wetters und des Witterungsverlaufs be- zogen. Es wird deshalb nicht bergmännisch Der Verlauf der Witterung hat die Men- kannt zu machen. abgebaut, sondern ausgesolt. Durch Boh- schen und vor allem die in der Landwirt- rungen wird Wasser in das Salzlager schaft tätigen früheren Bewohner Prattelns Was der Oberlehrer und geführt, das dort gelöst und als Sole geför- seit jeher intensiv beschäftigt. Kein Druck- Dorfchronist Johannes Buess 1863 dert wird. In der Saline wird die Sole nach objekt wie die sogenannten Prognostica, für erwähnenswert hielt einem Reinigungsprozess verdampft und die zusammen mit dem Jahreskalender auf das so gewonnene körnige, kristalline Salz den damaligen Jahrmärkten oder über die Der Verfasser der zweiten Prattler Heimat- je nach Verwendungzweck als Kochsalz, aufs Land ziehenden Krämer verkauft wor- kunde, der Prattler Oberlehrer Johannes Viehsalz, Industriesalz, Streusalz etc. kondi- den sind, wurde so oft zu Rate gezogen, wie Buess, hat zu den Witterungsverhältnissen tioniert und verpackt. Die Salzvorkommen diese durch die so genannten Kalenderma- des Jahres 1862 und 1863 die folgenden am Hochrhein sind in der Lage, die ganze cher editierten Druckerzeugnisse, deren äl- Begebenheiten zuhanden der Leserschaft Schweiz mit dem nötigen Salz zu versorgen; einzig der Kanton Waadt verfügt in Bex über eine eigene Saline. Prof. Dr. Lukas Hauber

33 aufnotiert, wobei dessen Orthographie un- nur allzuoft die Hoffnung auf einen reichen ler, folgendes Bild des Jahrgangs 1904 mit. verändert übernommen wurde: Wein- und Obstsegen. Die Vegetation regt Der Winter 1903/1904 ist mild gewesen. sich sehr frühe, so dass die Kirschen bei uns Dagegen wurde gegen das Frühjahr das «Vermöge seiner Lage besitzt unser Bann oft zu reifen beginnen, wenn auf den Hoch- Wetter höchst rauh und unangenehm; na- ein mildes Klima und gehört zu den wärm- flächen des obern Baselbietes der Kirsch- mentlich stellten sich während der Blütezeit sten Gegenden des Kantons. Im Winter fällt baum erst seinen Blüthenschmuck entfaltet; des Stein- u. Kernobstes, hauptsächlich bei selten viel Schnee, der auf der Ebene bald so waren z.B. im Jahr 1862 Mitte Mai genug letzterm, starke Nebel ein. Kirschen gab es wieder verschwindet. Doch führt in dieser reife Kirschen zu finden. Gewöhnlich haben mittelmässig, Kernobst im Ganzen wenig; Jahreszeit der kalte Nordostwind oft sein wir meist trockene Sommer, indem die jedoch gediehen gewisse Sorten so z.B.: der strenges Regimänt, so dass alsdann hier die Gewitterwolken entweder von den Höhen sog. Mühlenwegapfel und der Mistapfel Kälte viel grösser ist als an höher gelegenen, des Jura oder dem Schwarzwald angezogen vorzüglich. Alles Obst hielt sich nicht und aber vor demselben geschützten Gegen- werden; ebenso fällt selten bedeutender war wurmstichig – in Folge der verfehlten den. Hagel.» Blütezeit, wie Kohler meint.

Während zuweilen im Spätherbst und Die Heuernte fiel höchst ergiebig aus; das Was Pfarrer Karl Sartorius, Verfasser Anfang des Frühjahrs die obern Kantons- Futter wurde kräftig; schönes Wetter wäh- der vierten Prattler Heimatkunde, theile bis in die Thäler hinunter mit Schnee rend des Heuens. Trotz guter Qualität sank 1905 in der Heimatkunde notierte bedeckt sind, zeigen hier höchstens die Gip- der Preis pro 50 kg auf fs [Fr.] 1.50. Nach fel des Adlers und des Horns ein weisses «Vom Naturlauf teilt mir mein Gewährsmann, dem Heuet hielt das schöne trockene Wet- Kleid. Dagegen zerstört der Reif im Frühjahr der Gemeindeschreiber von Pratteln, J. Koh- ter an; wir erlebten eine seit Jahren nicht mehr dagewesene Tröckne. Auch die Ernte konnte ohne Regen eingebracht werden. Im Mai gab die Kornfrucht Anlass zu den besten Hoffnungen; allein die anhaltende Tröckne verfrühte die Ernte und die Kernen wurden nicht vollkommen.

Während des Sommers fiel mit Ausnahme von wenigen Gewittern, die jedoch unsere Gegend nur streiften, kein Regen, so dass das wenige Emdgras schon Ende Juli einge- heimst werden musste. Es gab Matten und Wiesen, wo gar nicht gemäht werden konn- te, und da u. dort sah es aus, als wenn ein Lauffeuer alles versengt hätte. Von Grünfut- ter war keine Rede mehr, so dass der Land- wirt zum Dörrfutter greifen musste. Dies hatte zur Folge, dass der Preis pro 50 kg bis auf fs [Fr.] 4.50 stieg. Die Bauern schüttelten bedenklich den Kopf, und alles sehnte sich 34 nach Regen; die Hitze war bald unerträglich. Der Wasserstand sank so stark, dass die worden sind, belegen, dass dem Wetter und her, Herr Max Baumann, auf Ersuchen hin Haupthahnen der Wasserleitung lange Zeit speziell der Witterung in Pratteln bereits vor freundlicherweise zur Verfügung gestellt und nur morgens, mittags und abends jeweilen über hundert Jahren grosse Aufmerksamkeit auch deren Abdruck gestattet hat. Bei den 1 Stunde geöffnet werden konnten. geschenkt wurde. Es ist deshalb interessant bei der Meteorologischen Anstalt angefor- und aufschlussreich, diesen historischen Wit- derten Unterlagen handelt es sich um die Endlich stellte sich um Mitte Sept. ein ganz terungsberichten solche gegenüber zu stel- Jahre 1900, 1950 und 2000, denen ebenfalls sachte fallender Regen ein. Die Felder fin- len, die von der Meteorologischen Anstalt der entsprechende Mittelwert der Jahre 1961 gen alsbald zu grünen an; denn der erhitzte auf dem Margarethenhügel in Binningen er- bis 1990 gegenübergestellt wurde. Boden beförderte das Wachstum auf so fasst worden sind und die uns deren Vorste- Fritz Sutter ausserordentliche Weise, dass das Vieh bald zur Weide getrieben werden konnte. Anmerkungen zu den Extremwerten seit 1775 bis zum Jahr 2000 Den Kartoffeln hat die Trockenheit, nament- lich im Grienboden (der Hochterrasse und Höchstes mittleres Tagesmaximum 1949 mit +16,79 Grad C der Niederterrasse des Rheintals) nicht gut Tiefstes mittleres Tagesmaximum 1956 mit + 3,96 Grad C angeschlagen; immerhin war die Ernte über Absolutes Maximum 1983 mit +39,20 Grad C mittelmässig. An vielen Orten wurden die Absolutes Minimum 1830 mit –27,00 Grad C. Kartoffeln freilich glasig. Frosttage (minimal < 0 Grad C) 1917 mit 122 Tagen Eistage (maximal < 0 Grad C) 1963 mit 46 Tagen Die Weinernte fiel trotz der für die Reben Sommertage (maximal > 25 Grad C1947 mit 108 Tagen eigentlich günstigen Witterung gering aus; Hitzetage (maximal > 30 Grad C1947 mit 49 Tagen der Wein wurde gut; aber es konnte nur Maximaler Niederschlag in mm 1872 mit 1257 mm Niederschlag ganz wenig verkauft werden. Der Preis be- Minimaler Niederschlag in mm 1921 mit 499 mm Niederschlag lief sich auf 40–45 cs [Centimes] per lit. Höchster Tages-Niederschlag 1872 95 mm Niederschlag [Liter]. Hauptschuld an der Missernte war, Total Schneemengen 1986 756 cm Schneefall dass das Rebholz in Folge der im Vorjahr Höchste Schneehöhe jeweils um 06.45 Uhr 1931 55 cm Schneehöhe stark aufgetretenen Rebkrankheit (falscher und auch echter Mehltau) unfruchtbar ge- worden und wegen der rauhen Frühjahrs- QUELLEN: witterung schossen noch viele der wenigen Zur Verfügung gestellte Statistiken und Unterlagen der Meteorologischen Anstalt Binningen, die dem Sam in Gabeln aus. Vorsteher, Herr Max Baumann, herzlich verdankt werden.

Die Nennung der Bevölkerung kann im ‹Grossen und Ganzen als eine friedliche› bezeichnet werden, wiewohl die Landwirt- schaft keineswegs mit einem ergiebigen Jahr zu tun gehabt hatte.»

Diese beiden Witterungsberichte aus der Feder der Autoren der zweiten und vierten Prattler Heimatkunden, die nie gedruckt 35 36 Wasser und Gewässer Ab Mitte erster Zeile: ... Actum Basiliee, anno domini MCC quinqua- gesimo, VIII kal. iunii (8. Kalenden Juni = 25. Mai des Jahres 1250). Testes (Zeugen) sind (Mitte vierte Zeile): ... Burchardus plebanus de Bratelle notarius civium Basiliensium, qui hoc conscripsit (Burchardus, Leutpriester von Pratteln und Basler Stadtschrei- ber, der dies geschrieben hat) ... In dieser Urkunde wird erstmals – indirekt – die Prattler Kirche urkundlich erwähnt. Prattler Gewässer, Bäche und Weiher

Der Rhein Pratteln grenzt auf einer Länge von 900 Metern an die Bundesrepublik Deutschland, beziehungsweise an das im Land Baden- Württemberg gelegene Dorf Grenzach- Wyhlen. Doch obwohl Pratteln Grenzdorf ist, fehlt ihm das wichtigste Grenzattribut – es gibt keinen Zoll, und es mangelt ihm auch ein eigentliches Grenzbewusstsein. So deutlich wie kaum anderswo macht das Bei- spiel der in der Strommitte verlaufenden Das Fährenhaus der nicht mehr betriebenen Fähre Schweizerhalle–Grenzach. Landesgrenze deutlich, wie sich hier der Rhein sowohl in der Vergangenheit als auch nach dem Kriegsende endgültig eingestellt das Prattler Rheinufer auf seiner ganzen in der Gegenwart für ein tieferes nachbarli- wurde, vermochte keine Änderung zu brin- Länge durch einen zwischen Rheinfelden ches Verständnis quergelegt hat. Von einem gen. Die Fähre beruhte auf einem alten, den und Birsfelden angelegten Rhein-Wander- wirklichen «Sichkennen» der Prattler und Eptingern von Kaiser Friedrich III. am 4. Sep- weg erschlossen. Sein 900 Meter langer Grenzacher – letztere werden der Grenzsi- tember 1476 gewährten Privileg. Ihre Ge- Prattler Abschnitt beginnt mit einer die tuation mindestens von ihrem Namen her schichte ist nur fragmentarisch bekannt; im- Banngrenze zwischen Augst und Pratteln gerecht – kann nicht die Rede sein: Dazu merhin ermöglichte sie vor der national- markierenden Signalisationstafel und führt, verlief die historische Entwicklung dieser sozialistischen Machtergreifung auf der wenn wir ihn stromabwärts erwandern, an beiden Dörfer allzu verschieden. Nicht nur Ebene der Turnvereine und der Feuerwehr 32 gut erschlossenen und mit Sitzgelegen- ist Grenzach-Wyhlen ursprünglich katholisch freundnachbarliche Begegnungen. Ins Be- heiten für die Fischer ausgerüsteten Plätzen und Pratteln reformiert – nicht nur war und wusstsein der Prattler rückte die Rheingren- vorbei zur Banngrenze von Pratteln und ist die Staatszugehörigkeit und damit das ze vor allem während des Zweiten Weltkrie- Muttenz. In die Fischpacht der Prattler Verwaltungs- und Schulsystem der beiden ges, als Grenzschutzeinheiten Turnhallen und Strecke teilen sich der Fischereiverein Prat- Dörfer verschieden, selbst der Dialekt, ob- Schulhäuser des Dorfes belegten. Am 8. Mai teln (Fischweid Ost mit 770 m Rheinufer) wohl in seiner Grundstruktur alamannisch, 1945, dem Tag des Waffenstillstandes, konn- und die Saline Schweizerhalle (Fischweid weist in Tonfall und Wortwahl deutliche ten dann die Prattler von blossem Auge West mit 130 m). Unterschiede auf. Auch eine Fähre Schwei- beobachten, wie die deutschen Nachbarn zerhalle–Wyhlen, die mit Unterbrüchen von von ihren Fenstern und auf den Balkonen Eine Pratter Rheinwanderung ist sehr ab- 1876 bis 1938/39 in Betrieb stand und erst weisse Leintücher flattern liessen. Heute ist wechslungsreich. Am Fischergalgen «Rhy- 39 läubli» und am kanalisierten Einlauf des Talbachs vorbei führt sie zur geräumigen Fischerhütte des Prattler Fischervereins. Von der einstigen Fährenherrlichkeit hat sich bis heute nur das romantische «Fährihuus» samt dem mit einem Schweizerkreuz deko- rierten «Zollhüsli» erhalten. Eine Signalisati- onstafel zeigt schliesslich den Beginn der Salinenstrecke an. Hier nutzt die Saline mit- tels Pumpen den Rhein für die Entnahme von Kühlwasser. Der Wanderweg eröffnet auch den Blick auf das in einem herrschaftli- chen Park gelegene, ehemalige Wohnhaus des Salinengründers von Glenck; heute wird das Gebäude für das Salinenmuseum ge- nutzt. Wenige Meter weiter stromabwärts, und wir befinden uns an der Banngrenze zu Muttenz hin beim tiefsten, auf 258 m ü.M. gelegenen Punkt von Pratteln; es ist die Schifflände Schweizerhalle der Basler Rhein- schifffahrt. Das Wuhr an der Ergolz, das die Gemeindegrenze Pratteln–Füllinsdorf markiert.

Und wie nimmt der Wanderer das gegenü- einer Höhe von 733 m ü.M. Ihre Länge be- industrielle Nutzung. Tempi passati – heute berliegende deutsche Ufer wahr? Als grü- trägt bis zu ihrer Einmündung in den Rhein beschränkt sich die Nutzung der Ergolz weit- nes bewaldetes Band, das ab und zu von bei Augst ca. 30 km. Für Pratteln ist sie auf gehend auf Naherholung, und so können hohen Industriebauten der Basler Chemie einer Länge von 1430 m Grenzfluss, einer- Spaziergänger auf den recht ausgedehnten überragt wird. Wer weiter ins Land hinein- seits gegenüber Füllinsdorf, anderseits ge- Uferwegen das abwechslungsreiche Spiel schauen möchte, dem sei eine Wanderung genüber Augst. In der Gegend des Wuhrs der steilen und oft mit schönen Schichtun- zum «Hagebächli» empfohlen. Dort gibt es stossen die Bänne der drei Gemeinden am gen aufwartenden Böschungen und der fla- seit 1999 eine vom VVPA gesponserte Pano- so genannten Drei-Gemeindepunkt aufein- chen, kiesigen Aufschüttungen geniessen. ramazeichnung, von der aus sich nicht nur ander. Die Wasserkraft der Ergolz wurde frü- das zu Füssen liegende graue Häusermeer, her intensiv genutzt; im Januar 1928 waren Und wie steht es mit der Fischer-Nutzung sondern auch die Lokalitäten jenseits der nicht weniger als 17 Wasserräder und eben- der Ergolz? Erinnern wir uns zunächst da- Rheingrenze bequem identifizieren lassen. soviele Turbinen im Einsatz, und an neun ran, dass die Ergolz in den sechziger Jahren Stellen wurde Wasser zur Energiegewin- mehr stinkende Kloake als lebendiges nung in Gewerbekanäle abgeleitet; auf dem Fischereigewässer war. Erst mit dem Bau der Die Ergolz Prattler Abschnitt erinnern unterhalb des Wasserreinigungsanlagen Ergolz I in Sissach Die Ergolz, der «Baselbieter Nationalfluss», Wuhrs noch heute Reste des leider anläss- (1962–1965) und Ergolz II (1961–1964) entspringt als kleiner Waldbach im Ketten- lich des Nationalstrassenbaus zugeschütte- konnte ihr die Ursprünglichkeit mindestens jura an der dem Tafeljura zugewandten Seite ten Mühleteichs – sein Wasser betrieb sei- teilweise zurückgegeben werden, und so 40 der Geissfluh im Gebiet der Schafmatt auf nerzeit die Augster Mühle – an diese früh- trägt der Fluss seinen Namen, der 1327 mit Ergenze überliefert wird, gemäss dem Philo- Schloss vorbei und teilte das Dorf in das logen Dr. Max Heller, Füllinsdorf, der den westliche Unterdorf und das östliche Ober- Namen Ergolz vom keltischen erc = Forellen dorf. Dann floss er über das Gebiet des heu- und enze = Fluss ableitet, heute erneut zu tigen Bahnhofs nordwärts und ergoss sich Recht. Doch leider können die Prattler Sport- nahe beim Fischergalgen «Rhyläubli» auf fischer von diesem Umstand nicht profitie- der Höhe des Aettiggraben in einem beto- ren, denn die Fischereirechte an der Ergolz nierten Einlauf in den Rhein. sind nach altem Recht bei Liestal. Am 15. August 1601 wurde den Liestalern dieses Was niemand erwarten würde: Der Dorf- Recht erneut vom Basler Rat bestätigt und bach war früher in seinem Mittel- und Un- festgesetzt, dass die «Liechtstahler in der terlauf offenbar derart fischreich, dass der Ergolz und auch in dem Rhein, so weit als Gemeinderat ihn vor der Eindolung ver- ein Reisiger mit sinem Pferde in den Rhein pachtete. Ein Gemeinderatsprotokoll von Der Talbach entspringt beim 1465 errichteten reiten und mit seinem Spiesse darein langen 1814 belegt, dass die Fischweid-Pacht ihren Klösterlein Neu-Schauenburg. möge, zu fischen, das Recht haben sollen». Anfang am Talweiher nahm, der damals vielleicht aus einer kleinen Stauung entstan- Bächlein, das seinen Ursprung im Frenken- den war und mit Not-Wasser für einen dörfer Bann «hinter dem Madle» unterhalb Der Dorfbach Brandfall diente. «Der Pachtpreis betrug pro des Adlerhofs nimmt, bietet von allen Was ein rechtes Dorf ist, das hat seinen Jahr 23 Franken; das ist ein ganz respekta- «Prattler» Bächlein am meisten Überra- Dorfbach – könnte man sagen. Wie steht es bler Betrag, wenn man bedenkt, dass die schungen. Es lohnt sich, es zu erwandern damit in Pratteln? Nun, Pratteln besitzt vom Gemeinderat wegen kleinerer Verge- und dazu bieten unter anderem auch zwei heute keinen Dorfbach mehr, aber es gab hen ausgesprochenen Bussen drei bis fünf die Wanderwege ergänzenden Holzbrücken ihn immerhin bis zu Beginn des 20. Jahr- Batzen oder höchstens einen Franken betru- Gelegenheit. Bei keinem anderen Prattler hunderts. Sein Verlauf lässt sich am besten gen und der Prattler Gemeindepräsident als Bach sind Prall- und Gleithänge so typisch rekonstruieren, wenn wir den 1678 ent- Staatsbediensteter einige Jahre später nur ausgebildet wie beim Hülftenbächlein, das standenen «Geometrischen Grundriss des ein Jahresgehalt von 30 Franken bezog.»1 von Wald begleitet schön mäandrierend Bratteler, Muttenzer und Mönchensteiner durch die Gegend fliesst und sich schliess- Bannes» von Georg Friedrich Meyer zu Rate Ein Nebenbächlein des Talbaches ist das lich in die Ergolz ergiesst. ziehen. In seinem Oberlauf war der damali- Tannmattbächlein. Es hat seine Quelle im ge Dorfbach identisch mit dem heutigen kleinen, der Vogtacker-Waldparzelle vorge- Übrigens: Im Hülftenbächlein wird nicht ge- Talbach. Er besitzt zwei Quellen: Die obere lagerten Wäldchen und fliesst bis zum Erli- fischt, doch nutzt der Fischerei-Verband Basel- befindet sich unterhalb des Hofes Weid matt-Schulhaus offen, dann eingedolt. land sein Wasser in einer Hütte für die Forel- (Frenkendörfer Berghof) auf ca. 565 m ü.M., lenzucht. die Hauptquelle unterhalb des Hofes Neu- Das Hülftenbächlein Schauenburg im Prattler Bann auf 445 mü.M. Das Heulenlochbächli Sie speisen die beiden Talweiher und den Prattelns Grenzen werden nicht nur durch Talbach, der heute nur bis zum Einlauf in die Strom und Fluss (gemeint sind Rhein und Das Heulenlochbächlein hat ein wechselvol- Kanalisation beim Essigweg im «Rumpel» Ergolz) bestimmt, es gibt auch ein Grenz- les Schicksal – einmal fliesst es offen, einmal offen liegt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bächlein, nämlich das Hülftenbächlein, das ist es eingedolt. Es überwindet dabei von war er auf seinem ganzen Lauf noch nicht auf einer Länge von ca. 800 Metern Prat- der Unteren Moderhalde (440 m ü.M.) bis eingedolt; er führte bei der Kirche und am telns Grenze zu Frenkendorf bestimmt. Das zum Schmutzfänger an der Mayenfelser- 41 lich diente er als Feuerweiher. Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts war er überdies Die Quellen in kalten Wintern auch Austragungsort von Eishockeyspielen des Prattler und Mutten- zer Nachwuchses, immer aber erfreute er vor allem im Frühling die Naturschützer mit seinem schönen Bestand an gelben Schwertlilien und einem wertvollen Amphi- bien-Besatz. Hier fanden auch die Störche, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts auf der Die Grundlage aller gewesenen, heutigen Dorfkirche nisteten, Nahrung. Doch als nach und künftigen Kulturen ist das Wasser, vor- dem Zweiten Weltkrieg die Moderne mit nehmlich aber das Quellwasser. Ohne Was- einem ATEL-Unterwerk in der Lachmatt Ein- ser wäre Leben auf unserer Erde unmöglich! zug hielt, war das Schicksal des Pappelwei- hers besiegelt; eine Initiative zu seiner Erhal- Im Quellen-Kataster der Gemeinde Pratteln tung kam zu spät, gab aber immerhin die sind 29 Quellen eingetragen, von denen Initialzündung für die Suche nach einem heute noch 25 genutzt werden. Nicht mehr Ersatz, so wie er sich heute in den Talwei- genutzt oder direkt mit der Stetswasser-Lei- hern bietet. Dr. René Salathé, Willy Stohler tung verbunden sind drei Quellen, nämlich die Talhölzli-Quelle, die Steinenweg-Quelle, Der in den fünfziger Jahren verlandete Pappel- die den Katzenbrunnen speist, und die weiher in der Lachmatt. QUELLEN: Quelle im Wigarten, die einstmals das Rinn- 1 Sutter Fritz: Vor 180 Jahren: Fischweid-Pacht am sal speiste, das durch den Kirschgarten zum strasse (315 m ü. M.), wo es endgültig von Prattler Dorfbach, Prattler Anzeiger, 31. Mai 1996. Kabinettli floss und das von zahlreichen der Kanalisation geschluckt wird, eine Hö- Kopfweiden gesäumt war. Vor dem Bau des hendifferenz von ca. 125 Metern. Eindrück- SBB-Adlertunnels wurden alle diese Quellen lich ist vor allem der unter Naturschutz ste- kontrolliert, ihre Ergiebigkeit und Wasser- hende unterste Abschnitt entlang des Zunft- qualität ausgemessen und schriftlich fixiert. ackerwaldes. Wer hätte dem Bächlein, das Das Prattler Quellgebiet liegt in einem Teil sich hier in eine kleine Waldschlucht einge- des Tafeljuras. Das Gebirge beinhaltet leicht fressen hat und früher oft auch für kleine schräggestellte, durch Verwerfungen be- Überschwemmungen sorgte, so viel Kraft grenzte Schollen, d.h. die Schichtreihe ist an zugetraut? den NNE–SSW verlaufenden Brüchen wie- derholt versetzt. Grundsätzlich rechnete man damit, dass der Adlertunnel wie eine tieflie- Der Pappelweiher gende Drainage das auf Schichtflächen und Der Pappelweiher in der Lachmatt ist auch in Bruchzonen aber auch das in Karsthohl- nicht mehr, was er einmal war. Auch wenn räumen zirkulierende Wasser wegführen seine namengebenden Pappeln teilweise würde. Diese Annahmen sollten sich erfreu- noch stehen, so ist er heute doch weitge- licherweise nicht bestätigen; denn die wei- 42 hend verlandet und verschmutzt. Ursprüng- teren Messungen ergaben bisher keine Be- einträchtigungen bezüglich der Qualität und der Quantität der Prattler Quellen.

Die Geisswald-Quelle Die ergiebigste Quelle ist diejenige des Geiss- walds, die pro Minute 150 bis 170 Liter des reinsten und besten Wassers liefert, und den Jumpfereloch-Brunnen bzw. den Lilien- hof-Brunnen speist. Das Wasser dieses Brunnens wird heute noch als Heilwasser verwendet, wie uns die Anwohner des Lilienhofgebiets berichten, die es zum Teil täglich konsumieren. Als zweitergiebigste Quelle ist die Bohni- bzw. Erli-Quelle am südlichen Waldrand des Erli klassiert wor- den, die pro Minute 100 Liter Wasser liefert. An dritter Stelle ist die Aspenrain-Quelle ein- gestuft worden, die 60 Liter Wasser pro Minute liefert.

Die Bohni-Quelle

Bis 1913 besass Pratteln eine Quellwasser- Quellen-Kataster der Gemeinde Pratteln versorgung. Die beiden Quellen Buholz bzw. Bohni und Erli genügten damals für die rat, der feststellte, dass der «Hohe Rain» nung des Friedhof Blözen im Jahre 1962 Wasserversorgung. Schon im Mittelalter durch die Annektion der Bohni-Quelle den wird die Bohni-Quelle nicht mehr genutzt. scheint die Bohni-Quelle genutzt worden zu Landwirtschaftsbetrieb von drei auf zehn sein, wie aus den historischen Quellen be- Kühe, ohne Berücksichtigung der Zugoch- Die Steinenweg-Quelle legt werden kann. Nachdem sich im Jahre sen, mehr als verdreifacht hatte. Ein 1722 ein Wassermangel eingestellt hatte Zustand, den der Gemeinderat rügte und Am Steinenweg, westlich und oberhalb des und der Sodbrunnen auf dem «Hohen Rain» nicht zu akzeptieren gedachte. «Höche Huus», wo sich zur Römerzeit ein austrocknete, wurde von der damaligen grosser Gutshof – eine sogenannte Villa Besitzerin des Hofgutes, Witwe Valeria Stä- Die Bohni-Quelle muss aber bereits im Mit- rustica – befand, befindet sich die Quellfas- helin-Hagenbach, die Bohni-Quelle unter telalter genutzt worden sein, wie die noch sung des «Katzenbrunnens», dessen Was- dem Erli gefasst und das kostbare Nass mit- heute erhaltene Quellfassung mit dem Ton- ser in den obgenannten Brunnen geleitet tels Tonröhren auf den «Hohen Rain» gelei- nengewölbe in Form eines Stollens zu bele- wird. Das Wasser dieses Brunnens wurde tet, um den dortigen Hofbrunnen mit Was- gen scheint. Es ist auch anzunehmen, dass bereits im Jahre 1749 durch den Autor der ser zu versorgen. Dieses eigenmächtige Vor- die Bohni-Quelle bereits von den jungstein- «Historischen Merkwürdigkeiten der Land- gehen der Besitzerin führte zu einer Ausein- zeitlichen Ackerbauern, die auf dem Blözen schaft Basel», Daniel Bruckner, gerühmt. Es andersetzung mit dem Prattler Gemeinde- siedelten, genutzt worden ist. Seit der Eröff- ist anzunehmen, dass die Quellfassung be- 43 reits zur Römerzeit bestand, denn im römi- schlossen. Vor dem Wasseranschluss der schen Keller, der 1747 aufgedeckt und in den Bergreben an die Ebnet-Quellen war die Bau des «Höche Huus» integriert wurde, Zunftacker-Waldquelle die nächste Wasser- befindet sich ein gemauerter Abwasserka- stelle. nal, der einst zum Talbach hinunter führte. Die Zunftacker Waldquelle Die Kästeli-Quelle Die Zunftacker-Waldquelle im Zunftacker- Als in den siebziger Jahren das Rinnsal des wald, Parzelle 1399, im Besitz der Bürgerge- «Kästeli-Bächleins» in einem Sammler am meinde Pratteln, ist ein öffentlicher Brun- nördlichen Waldrand direkt neben dem nen. Vor dem Bau des Adlertunnels ergab Weg gefasst wurde, stiessen die Arbeiter die Feldmessung vom 6. Januar 1991 fol- auf die Überreste einer römischen Wasser- gende Analyse: Wassertemperatur 6,8°C, fassung, deren wasserdichter Verputz aus Ertrag 2,7 l/min, pH 7,4, Leitfähigkeit us/cm Ziegelschrot bestand. Diese Wasserfassung 790. Weitere Feldmessungen in den Jahren versorgte den bedeutenden römischen Guts- 1991 bis 1997 ergaben folgende Analysen- hof, der sich auf der Wiese zwischen der werte: Wassertemperatur 6,8° bis 13° C, Muttenzerstrasse und der Schenectady be- Ertrag 0,8 bis 30 l/min, pH 7,1 bis 7,6, Leit- Traugott Löliger und Hans Hagnauer vor dem fand und dessen Mauern beim Pflügen fähigkeit us/cm einen Durchschnitt von 772 1983 der Gemeinde Pratteln gestifteten Zunft- immer wieder sichtbar werden, mit Wasser. aus 22 Messungen. Das heisst, es gab durch acker-Brunnen. den Tunnelbau keine messbare Beeinträchti- Folgende Bauernhöfe werden noch heute gung. Nit wyt vom Hagebächli ligg i em Wald in von ihren eigenen Quellen mit Wasser ver- Grad öppe-n-in der Mitti drin. sorgt. Es sind die Höfe Leuengrund, Mayen- In den Besitz der Neufassung dieser Quelle fels und Neu Schauenburg. Auf den mit und dem hübschen Brunnentrögli kam die Als Quelle lauf i sicher scho Kommunalwasser aus dem Hochzonenre- Bürgergemeinde dank Hans Hagnauer und mehr als hundertfufzig Johr servoir «Adler» versorgten Höfen Ebnet, Tal Traugott Löliger. Diese beiden Schulkamera- E Wässerli füehr i, isig chalt, und Schönenberg laufen nur noch die Hof- den liessen diesen Brunnen zu ihrem 60. dört obe im Zunftacherwald. brunnen am Quellwasser. Geburtstag neu fassen. Am 6. September 1983 lud der Bürgerrat als Dank für dieses In de Räbe hets no kei Wasser gha geschenkte Kleinod zu einer kleinen, aber Hei d’Räbbuure scho dr Durscht glöscht dra. Die Ebnet-Quellen gediegenen Einweihungsfeier ein. An der Das Wasser in den Bergreben wurde früher Einweihungsfeier wurde das folgende Ge- I lauf Johr i und au Johr uus von den Ebnet-Quellen bezogen. Bei gros- dicht, das durch den Waldchef der Bürger- Au im heisseschte Summer goht mi Wasser sem Wasserverbrauch hatte dann der Hof gemeinde, Willy Stohler, kreiert und vorge- nid us. Ebnet kein Wasser mehr. Die Rebwasserlei- tragen wurde, im Prattler Anzeiger publiziert: tung konnte jedoch beim Ebnet-Hof ge- Emol e chli meh, denn lohts wieder no schlossen werden. Konflikte waren dabei vor- «Zum hundertfufzigschte Jubiläumsjohr von Bi mir het no jede öppis übercho. programmiert. Die Bergreben-Wasserversor- eusem Baselbiet gung wurde in den neunziger Jahren eben- Het d Bürgergmein e Brünneli becho – isch Do stoh-n-i jetz us Jurastei 44 falls an das Kommunalwassernetz ange- das nit lieb? Das verdank ich zweene Prattler, ganz elei: Im Traugott Löliger und em Hagnauer Hans Seit d Bürgergmein derfür härzliche Dank. Fischerei in Pratteln

I versprich Euch, hüte do, i will mit mim Nass Mensch und Tier labe no mäng Johr.»

Vor der Neufassung lief das Wasser in ein rundes, 80 Zentimeter tiefliegendes Rohr. Um eine Verschmutzung des Quellwassers Fischerei im Rhein durch das Waldlaub zu vermeiden, war die Quellfassung mit zwei halbrunden Eisen- Wo es Wasser hat, hat es auch Fische. Und deckeln abgedeckt. wo Fische sind, wird auch gefischt. So auch in «unserem» Stück Rhein. Die Fischerei ist Der Fischer-Galgen am Prattler Rheinufer. im kantonalen Fischereigesetz von 1999 Prattler-Quellwasserversorgung und der dazu gehörenden Verordnung legt sind. Auch muss eine Fangstatistik in Notlagen geregelt, in der unter anderem auch die geführt werden. Die Fischereirechte werden Als eine der ersten Baselbieter Gemeinden Modalitäten der Pachtverträge, die erlaub- durch die Einwohnergemeinde Pratteln ver- hat Pratteln, gestützt auf eine bundesrätli- ten Fanggeräte und -arten sowie die Schon- pachtet. Der Fischerverein Pratteln (bis 1996 che Verordnung, eine Notwasserversorgung zeiten und die Fangmindestmasse festge- Sportfischerverein) besitzt die Fischpacht aufgebaut, die auf drei voneinander unab- hängigen Systemen beruht. Das Quellwas- ser-Versorgungssystem, eine wichtige Was- serversorgung in Notfällen, geht über ein separates Leitungsnetz, das auch für be- schränkte Wasserabgaben aus den Reser- voiren benützt werden kann. Die Notreser- voire Aspenrain und Lilienhof versorgen sieben Dorfbrunnen und alle Zivilschutzan- lagen mit Quellwasser. Ebenfalls sind an die- sem Notwassernetz die Altersheime «Madle» und «Nägeli» angeschlossen. Willy Stohler

Fischer-Galgen am Rheinufer, Ölgemälde des Prattler Künstlers Hans Schneider † (1906–1976). 45 Pratteln-Ost. Die Mitglieder des am 13. Sep- bei einem Streit zwischen Pratteln und Lies- tember 1952 gegründeten Vereins, zu des- tal entschied, dass die «Lieschtmeler» nach sen erstem Präsidenten Fritz Gysin-Schläp- alten Urkunden das Fischereirecht in der fer gewählt wurde, dürfen auf 770 Metern Ergolz bis in den Rhein haben sollten. Der am Rheinufer ihr Fischerglück versuchen. Prattler Bann gehe nur bis ans Ufer dieses Dieses Stück Rheinufer ist mit 32 gepflegten Flusses. So hat es Daniel Bruckner 1749 in Fischplätzen und einer selbst erstellten den «Merkwürdigkeiten der Landschaft Fischerhütte gut bestückt und bietet den Basel» vermerkt, und so gilt das Fischerei- Fischern ein idyllisches Refugium. Als recht in der Ergolz heute noch. Willy Stohler Novum haben die Schweizerischen Rheinsa- linen in der Schweizerhalle, als «Besitzer» von 130 Metern Rheinufer, das Fischerei- recht Pratteln-West. Die Fischerhütte

Wie artenreich der Rhein ist, geht aus einem Gespräch mit dem Ehrenpräsidenten des Die einzige Badegelegenheit in den dreissi- Fischervereins, Christian Aerni †, und der ger Jahren war für die Prattler die soge- Fangstatistik im Vereinsorgan «Dr Würmli- nannte Fischerhütte am Rhein, direkt unter- bader» hervor: Die 91 Vereinsmitglieder mit halb der heutigen Hardwasser AG. Das Kraft- Fischerausweis fischten während den er- werk Birsfelden stand damals noch nicht, laubten «Fischerzeiten» in den letzten fünf und so war der Rhein noch nicht gestaut. Es Jahren folgende Fischarten: Bachforelle, Fluss- bestand eine 15 bis 20 Meter breite Uferzo- forelle, Regenbogner, Äsche, Hecht, Zander, ne aus kleinen und grossen Flusskieseln. Wir Barsch (Egli), Aal, Trüsche, Karpfen, Schleie, Schwimmer liefen zum Kraftwerk Augst Alet, Rotauge, Rotfeder, Barbe, Nase und und schwammen dann den Kanal hinunter diverse andere Fischarten wie Wels usw. Im bis zur Fischerhütte (was heute verboten ist) Durchschnitt der fünf Fangjahre wurden pro oder bis in die Schweizerhalle. Einmal sind Jahr 273 kg Fische gefangen. Dabei stellten auch wir auf die deutsche Seite geschwom- die Fischer fest, dass der Fischbestand in den men und haben dort mit gleichaltrigen letzten Jahren abgenommen hat. Der Grund Jungendlichen aus Wyhlen gesprochen. Wir ist nicht etwa der verschmutzte, sondern hatten Schokolade und Zigaretten mitge- der seit Inbetriebnahme der Abwasserklär- bracht, gut verpackt in alten Veloschläu- anlagen zu sauber gewordene Rhein, in dem chen. Im Gegenzug erhielten wir Schwarz- die Fische zu wenig Nahrung finden. So füt- wälderspeck. Es gäbe noch viel zu erzählen, tern die Fischer «ihre» Fische mit Küchenab- Gefreutes und auch Trauriges, sind doch an fällen gezielt an. diesem Badeort jedes Jahr Menschen er- trunken. Mitsch Jehle Fischerei in der Ergolz Das Fischereirecht in der Ergolz entstand am 46 15. August anno 1601, als der Rat zu Basel Tier- und Pflanzenwelt ... Nempt hin, und last dem Reych die ehr allein, Aus der Herkommens-Sage der Eptinger im unnd füert euwern Adler Im schilt uff der seythen Familienbuch der Eptinger von Pratteln, das im fliegend, unnd last allein unns, unnd dem Reych 15. Jahrhundert im Prattler Schloss entstanden den uffrechten schwebenden adler zue füeren, ist und in zwei Abschriften aus dem 17. und 18. damit wir unnd das Reych vohr euch erkhennt Jh. überliefert wurde. mögen werden, unnd aber den Adler uff dem Der damalige Kaiser befahl den Eptingern, den haupt sollet ihr behalten, und führen, wie ihr den stehenden (schwebenden) Adler im Wappen- mit euch zueführen vorgethon ... schild auf die Seite zu legen. Nur auf dem Helm durften die Eptinger den stehenden Adler als sogenannten Kreiger weiterhin führen. die Wälder in der räumlichen Verteilung den alle Bäume auf Brusthöhe (1,3 m) ab Die Waldungen in erhalten bleiben und naturnah bewirtschaf- 16 cm Durchmesser gemessen und nach Pratteln tet werden. Die Waldfunktionen (Schutz, Baumarten inventarisiert. Daraus konnte Nutzung und Erholung) sollen je nach Inan- der Zuwachs und die Nutzungsmenge pro spruchnahme verschieden gewichtet wer- Jahr berechnet werden. Den Tarif bezeichnet den. Die Ausführung der Bewirtschaftung man als Silve; diese beinhaltet einen Kubik- und deren Vollzug wird den Kantonen über- meter stehendes Holz inklusiv Derbholz. In tragen. den Jahren 1988 und 1997 wurden diese Aufnahmen mittels Kontrollstichproben Gemäss Statistischem Amt des Kantons Darauf setzte der Kanton Basel-Landschaft erhoben. Das heisst, auf dem Koordinaten- Basel-Landschaft sind von der Gesamtfläche nach langer Beratung auf den 1. Januar netz werden bei der Aufnahme pro Hektare des Gemeindebannes Pratteln 298 Hekta- 1999, in Anlehnung an das Bundesgesetz, auf einer Fläche von drei Aren immer die ren (28 Prozent) mit Wald bestockt. Darin sein erstes Waldgesetz in Kraft. Als wesent- gleichen Bäume gemessen. Damit kann mit sind neben dem Wald auch sämtliche He- lich sieht das neue Gesetz ein zweistufiges weniger Aufwand die Nutzung und der cken, Bachufer- und Feldgehölze enthalten. Planungsverfahren vor. Erstens soll die Wald- Zuwachs genauer berechnet werden. entwicklungsplanung auf überbetrieblicher In die Flächen teilen sich folgende Besitzer: Ebene mit Mitsprache der Bevölkerung er- Anhand nachfolgender Zahlen kann man folgen. Zweitens haben die revierplanpflich- sehen, dass die ehemals übernutzten Wäl- Bürgergemeinde Pratteln 226 ha tigen Betriebe (ab 25 ha Eigentum) einen der an Vorrat zugenommen haben: 1924 Gemeinde Pratteln 2 ha Betriebsplan zu erstellen. Da dies in der Ge- 152 Silven pro ha und 1997 305 Silven pro ha. Bund / Kanton 4 ha meinde Pratteln nur die Bürgergemeinde Bürgergemeinde Basel 19 ha betrifft, sind alle folgenden Daten nur auf Der Mittelstamm hat von 0,84 m3 auf 2,1 m3 Privatwälder 26 ha die Waldungen der Bürgergemeinde Prat- zugenommen. Damit ist der angestrebte Übrige 21 ha teln bezogen. In Anbetracht, dass die übri- Vorrat für eine zielgerichtete Waldbewirt- gen Wälder ähnlich aufgebaut sind, kann schaftung erreicht. Diese Wälder erstrecken sich von der Rhein- man die Zahlen getrost als Vergleich über- lehne mit dem tiefsten Punkt (258 m ü.M.) nehmen. Baumarten-Vertretung nach Vorrat 1997: über das Ergolzufer, Hülften, Hard, Lahalde, Kästeli, Kohlholz, Zunftacker, Sonnenrain, Buche 64 % Wald der Bürgergemeinde Pratteln Buholz, Erli, Geisswald, Madlen, Vogtacker, Eiche 6 % Talhölzli, Röti, Aspenrain, Moderhalde bis Inventar: Ahorn7% zum Horn mit dem höchsten Punkt in der Ausgelöst durch das eidgenössische Forst- Esche 10 % Gemeinde (647 m ü.M.). polizeigesetz waren die öffentlichen Wald- übriges Laubholz 7 % besitzer verpflichtet worden, ihre Waldbe- Fichte 2 % stände zu messen, damit langfristig die Föhre2% Gesetzliche Grundlagen Nachhaltigkeit der Wälder gewährleistet übriges Nadelholz 2 % Am 1. Januar 1993 trat auf Bundesebene bleibt. In den Jahren 1904 und 1914 erfolg- das neue Waldgesetz als Rahmengesetz in te dies mittels Schätzung der Bestände. In Betriebsziele: Kraft und löste damit das alte Forstpolizei- den Jahren 1924, 1935, 1949, 1959 und –Das Ziel der Waldbewirtschaftung ist, die gesetz aus dem Jahre 1902 ab. Als wesent- 1970 erfolgte die Aufnahme durch Voll- verschiedenen Leistungen des Waldes liche Vorgabe beinhaltet dieses Gesetz, dass kluppierung. Bei diesen Aufnahmen wur- nachhaltig sicherzustellen. 49 –Angestrebt wird ein Waldzustand von hoher Stabilität und guter Qualität. –Die standortsgerechten Baumarten sind zu fördern. –Verjüngungen sollen, wenn möglich, durch natürliche standortsgerechte Ansa- mungen entstehen. –Die Räumungsflächen sind mit seltenen Laubhölzern zu bepflanzen. –Der Wald soll aus allen Altersphasen auf- gebaut sein. –Er soll den Ansprüchen der Waldeigentü- merin, der Öffentlichkeit und der darin lebenden Pflanzen- und Tierwelt gerecht werden. –Die Benützung des Waldes durch die Bevölkerung ist zu lenken. –Den Belangen des Naturschutzes, das heisst der Erhaltung und Förderung selte- ner Pflanzen und Tiere, ist die nötige Auf- merksamkeit zu schenken. –Angestrebt wird ein Laubmischwald, der den natürlichen Standorten angepasst Die optimale Bewirtschaftung des Waldes ist eine zentrale Aufgabe der Bürgergemeinde. ist. –Die Bodenfruchtbarkeit ist zu fördern. schaftsschutzzonen ausgeschieden und sind geschlagen werden. Die Schlagmasse wird –Der Arbeitssicherheit sowie der Sicherheit naturnah zu pflegen und zu bewirtschaften. zu 50 Prozent aus den Durchforstungen, 30 der Waldbenützer im Wald ist grosse Im kantonalen Waldinventar ist das Waldge- Prozent als Räumungshiebe und 20 Prozent Beachtung zu schenken. biet Horn als wertvoll eingestuft. Ein lichter entlang den Waldrändern entnommen, um Wald mit verschiedenen seltenen Baumar- die ökologische Vielfalt zu fördern. Dabei Rechtliche Grundlagen: ten wie Eiche, Schneeballblättriger Ahorn, fallen rund 50 Prozent Stammholz, 25 Pro- Durch den genehmigten Zonenplan Land- Speierling, Birnbaum, Els- und Mehlbeere zent Industrieholz und 25 Prozent Brenn- schaft sind verschiedene Naturschutzzonen und Orchideen soll entsprechend mit der holz an. Das Stammholz wird zum grossen (Horn, Madlenköpfli, Kohlholz und Moder- Waldpflege gefördert werden. Ebenso sind Teil für Möbel, Sperrholz und Parkett verar- halde) ausgeschieden worden. Die zukünfti- grosse Waldgebiete als ornithologisches beitet. Das Industrieholz findet Absatz in ge Bewirtschaftung richtet sich nach der Wertgebiet ausgeschieden worden und sol- Papierholz- und Spanplattenfabriken. Das standortkundlichen Waldkartierung für die len entsprechend der Zielsetzung bewirt- Brennholz wird örtlich als Brennholz und Erhaltung und Förderung der typischen schaftet werden. Schnitzelholz abgegeben. Die Schlagflächen Waldgesellschaften. Das Totholz soll belas- von rund 1,5 ha pro Jahr, die mit natürlicher sen werden und die Waldränder sind als Bewirtschaftung: Verjüngung bestockt sind, werden soweit reichstrukturierte buchtige Nischen zu pfle- In der Planungsperiode von 1997 bis 2013 als nötig mit Edellaubhölzer wie Eiche, Els- 50 gen. Die übrigen Flächen sind als Land- ist vorgesehen, dass pro Jahr 1900 m3 Holz beere, Kirschbaum und Linden usw. er- gänzt. Um einen sicheren Aufwuchs zu Bäume nicht mehr standhalten konnten. Verschiedenes gewährleisten sind sie mit Einzelschutz vor Die schlimmsten Schäden entstanden an Wildverbiss zu schützen. Die Waldränder Der Eichen-Wytwald im Geisswald soll in Nordost-Hängen zwischen 400 und 500 m werden regelmässig ausgelichtet und mit der bestehenden Form erhalten bleiben, ü.M. Durch dieses Ereignis wurden am Sträuchern ergänzt. Jährlich sind rund neun wenn auch die Nutzung als ehemalige Horn, Aspenrain und Vogtacker rund 2800 Hektaren Laub-Jungwälder nach der natürli- Waldweide zur Erholung für den Menschen m3 Holz geworfen. Als regionales Ereignis chen Zielsetzung zu pflegen. Die Waldstras- umfunktioniert wurde. Mit gezielter Pflege hatte dies auf den Holzmarkt keine Folgen. sen von 18 km Länge werden regelmässig der alten knorrigen Eichen und allenfalls mit Betroffen waren hauptsächlich der Bezirk unterhalten, um die Auswaschung und den Neupflanzungen kann dieser einmalige Be- Arlesheim, das Dorneck SO, der Südbadi- Verschleiss gering zu halten. stand auch noch die nächsten Generationen sche Raum und das Elsass mit Schäden an erfreuen. den Jungwäldern.

Schliesslich ist auch wieder eine Buchen- Am 27. Februar fegte der Sturm Vivian und Betrieb/ Personal Vollmast für eine zukünftige Buchen-Ver- am 26. Dezember 1999 der Orkan Lothar Der Forstbetrieb der Bürgergemeinde Prat- jüngung in Sicht. Das mag sich mancher durch die Wälder. Den beiden Stürmen fie- teln als Kopfbetrieb des Forstrevieres Mut- Forstmann im Herbst 1977 gedacht haben. len rund 4000 Bäume, oder 3500 m3 Holz tenz, Pratteln und Frenkendorf beschäftigt Doch durch den Einfall von ca. 30 Millionen zum Opfer. für die Bewirtschaftung der Wälder folgen- Bergfinken in unsere Region war dieser des Personal: Einen Revierförster, drei Forst- Wunsch bald zunichte gemacht. Ab Novem- Als neuartige Waldschäden wurden Mitte warte, drei Lehrlinge und Aushilfspersonal. ber 1977 bis März 1978 bezogen sie ihr der achtziger Jahre die Erkrankung der Winterquartier im Röserntal in Frenkendorf. Waldbäume benannt. Ohne Vergleichsmög- Der Betrieb führt alle Dienstleistungen aus, Es war herrlich zu schauen, wie am Morgen lichkeiten mit früheren Aufnahmen und wie allgemeine Waldarbeiten, Unterhalt der der ganze Vogelschwarm auszog, um auf ohne Kenntnisse der Ursachen wurde dieses Waldstrassen, Waldpflege, Fertigung von Futtersuche zu gehen. Dieses Schauspiel Thema von der ganzen Gesellschaft sehr Waldprodukten und die Gewährleistung der dauerte bis eine halbe Stunde. Von Buchen- stark emotionell diskutiert. Als komplexe Sicherheit der Waldbenützer. Verjüngung war im Frühjahr 1978 nichts zu Krankheit mit verschiedenen Ausdrucksfor- sehen. Benötigte doch der Schwarm pro Tag men konnte dieses Problem nicht schlüssig Der Betrieb arbeitet nach den Richtlinien der 300 Tonnen Futter. Die Natur hat jedoch in beantwortet werden. Fest stand, dass die EKAS (Eidgenössische Koordinationskom- den späteren Jahren diesen Ausfall wieder Symptome, die die Bäume aufwiesen, auf mission für Arbeitssicherheit) und wurde mehr als wettgemacht. eine Schädigung durch die zu starke Luft- von der SUVA im Jahre 2001 als vorbildlich verschmutzung schliessen liessen. An rand- in bezug auf die Arbeitssicherheit ausge- Die Auswirkung der Eisregen-Schäden vom ständigen Bäumen vergilbten die Blätter zeichnet. 19. Februar 1978 sind heute noch in den bereits im Frühherbst, ja es starben sogar betroffenen Beständen zu erkennen. In Fol- ganze Kronenpartien ab. Als ungewohnte Mit der Verleihung des FSC (Forest Ste- ge der tiefen Temperaturen in Bodennähe Massnahme mussten während einiger Jahre wardship Council)- und Q (Quality)-Label ist gefror der aus den wärmeren Luftschichten ganze Randpartien wegen zu grosser der Betrieb zertifiziert. Damit steht fest, dass fallende Regen auf jeglichen Oberflächen. Schädigung genutzt werden. Hoffen wir, die Bewirtschaftung in bezug auf die Sicher- Die Äste und Kronen wurden derart vereist, dass die verschiedenen Massnahmen für die heit gewährleistet ist und die Holzprodukte dass ihr Gewicht bis auf das 10- bis 20- Luftreinhaltung greifen, denn es ist schliess- aus nachhaltiger und naturnaher Produktion fache anstieg. Dabei entstanden Belastun- lich unsere Luft, die wir regelmässig einat- stammen. gen, denen selbst gesunde und starke men. 51 Bei der grossen Buche im Talhölzli brach am Vogelgesang und Kuhglockengeläute umge- 12. August 1997 bei Windstille die Krone Der Talweiher: ben. Hier gibt es Natur pur, hier scheint die ab. Die Buche war ungefähr 300 Jahre alt, Wieviel Naturschutz Welt in Pratteln noch in Ordnung. hatte eine Höhe von 45 Metern und einen Durchmesser von 150 cm. Möge der hohle braucht Pratteln? Die Wildheit der Weiher täuscht: Was auf Stamm noch lange stehen bleiben. den ersten Blick wie ein Stück ursprüngliche Natur aussieht, wurde künstlich von Men- Die Geschichte des Waldes ist eng mit den schenhand geschaffen. Das Hofgut «Tal», Bedürfnissen des Menschen und seinen von dem heute nur noch eine Scheune Tätigkeiten verbunden. Früher wurde er als Die Talweiher, nur einige Gehminuten vom steht, wurde 1705 von Pfarrer Ryhiner als Nahrungsgrundlage für die Tiere und die alten Dorfkern entfernt, bilden einen wich- Neubau erstanden. Kurz nach dem Kauf Brennholzversorgung genutzt. Heute dient tigen Bestandteil der Prattler Naherholungs- liess er einen Fischweiher graben. Im Laufe er der Gesellschaft für Spass und Sport in zone. Ist es Gewohnheit oder Tradition? der Jahrhunderte hat es zwischen den Besit- der Freizeit. Nutzen wir ihn so, dass die herr- Viele Prattler und Prattlerinnen suchen Dis- zern des Talgutes und der Gemeinde Prat- liche Natur dabei nicht Schaden nimmt. tanz zum hektischen Alltag mit einem Spa- teln immer wieder Meinungsverschieden- Hans Schäublin ziergang durch die Schauenburgerstrasse heiten gegeben. Während die Gutsbesitzer hinauf, dem Talbach entlang zu den drei vor allem an den Fischen interessiert waren, Weihern. Diese sind von wilder Vegetation, betrachtete die Gemeinde den Weiher in

52 Idylle im Talweiher-Reservat. Weiher geschaffen. Allein für den grössten, unteren Weiher mussten 3000 m3 Erde aus- gehoben werden. An den Umgebungsar- beiten beteiligte sich die gesamte Bevölke- rung. Der Einsatz hat sich gelohnt. Schon in wenigen Jahren entwickelten sich die Wei- her zu einem, in unserer Gegend seltenen, landschaftlichen Juwel. Es erstaunt nicht, dass bereits 1974 der Regierungsrat das Weiher- reservat in das Inventar der geschützten Naturdenkmäler des Kantons Basel-Land- schaft aufnahm.

Damit das Reservat Bestand hat, wurde die gemeinderätliche Talweiherkommission ge- schaffen, die später in die Naturschutzkom- Ein Schmetterling im Talweiher-Biotop.. mission überführt wurde. Zu ihren Aufga- Der Talweiher: Lebensraum für Amphibien. ben gehört es, das Reservat zu überwachen erster Linie als Wasserreserve, die im Falle und die notwendigen Pflegemassnahmen der Weiher. Ein wichtiges Anliegen ist auch, einer Feuersbrunst via Talbach ins Dorf ge- einzuleiten. Um diese Arbeiten auf eine fun- dass die Vegetation und die Tierwelt im leitet werden konnte. Diese Aufgabe er- dierte Basis zu stellen, wurde 1992 ein aus- Reservat nicht verfälscht werden. Das Aus- füllte der Weiher das letzte Mal 1833 wäh- führliches Gutachten erstellt. Dieses hat die setzen von Pflanzen und Tieren ist deshalb rend der Trennungswirren, als mehrere Häu- ökologische Bedeutung des Reservates be- untersagt. ser von den Basler Truppen angezündet stätigt. 174 Pflanzenarten konnten festge- wurden. Der ursprüngliche Talweiher muss stellt werden, davon figurieren 17 auf der In den letzten Jahrzehnten hat sich das relativ klein gewesen sein, denn auf den Roten Liste. Unter den über 100 Arten wir- Prattler Naturverständnis stark an den Tal- Siegfriedkarten der Jahre 1879 und 1918 ist belloser Tiere sind die beiden Quelljungfern weihern orientiert. Wegen ihrer emotiona- er nicht eingezeichnet. 1960 ging das Talgut (Libellen) und der Kleine Eisvogel (Schmet- len Ausstrahlung ist das verständlich. Trotz- mitsamt dem Weiher in den Besitz der Bür- terling) besonders erwähnenswert. Sieben dem, das Reservat darf nicht von den an- gergemeinde über. Amphibienarten laichen im Reservat. Dieses dern beachtenswerten Naturobjekten in der dient auch 14 Vogelarten als Brutbiotop, Gemeinde ablenken. Es darf auch nicht zur Es ist der Initiative des Natur- und Vogel- und 14 weitere Arten sind Nahrungsgäste. Selbstgefälligkeit führen. Leider gibt es An- schutzvereins, der Einsicht der Behörden, Auf der negativen Seite hat das Gutachten zeichen, die in diese Richtung weisen. Die dem Enthusiasmus der Prattler Bevölkerung gezeigt, dass nicht zuletzt wegen der inten- Welt an den Talweihern ist erst dann in Ord- und der Unterstützung verschiedener Verei- siven Landwirtschaft das Wasser in den nung, wenn dieses Reservat für die Prattler ne und Firmen zu verdanken, dass die heuti- Weihern sehr nährstoffreich ist. Dies führt Bevölkerung Anregung und Ansporn wird, ge Weiheranlage geschaffen werden konn- besonders in der warmen Jahreszeit zur auch die weiteren Naturwunder in der Ge- te. 1963 stellte die Bürgergemeinde das ca. Algenbildung und Verschlammung. Soll das meinde kennenzulernen und diese zusam- 1,5 ha grosse Areal der Einwohnergemein- Biotop erhalten bleiben, sind gezielte Pfle- men mit den Weihern für die kommenden de für 99 Jahre unentgeltlich zur Verfü- gemassnahmen unumgänglich. Dazu gehört Generationen sicherzustellen. gung. In zweijähriger Arbeit wurden drei das periodische Auspumpen und Reinigen Dr. Kurt Suter 53 gen, umsichtigen Pflege durch den Bewirt- Wo sind die Blumen schafter können dort immer noch u.a. Mar- geblieben? grite (Leucanthemum vulgare), Wiesensal- bei (Salvia pratensis), Hauhechel (Onanis repens), Brunelle (Prunella vulgaris) und Hornklee (Lotus corniculatus) gedeihen.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass in Pratteln Blumenwiesen wieder entstehen Wiesen sind ein prägendes Element im werden. Seit Mitte der achtziger Jahre hat Landschaftsbild. Sie sind künstliche Struktu- sich die Einsicht durchgesetzt, dass eine ren, entstanden durch Waldrodungen unse- nachhaltig Bewirtschaftung des Bodens für rer Vorfahren. Die Wiesen, zusammen mit das langfristige Überleben unserer Land- den Äckern, bildeten über Jahrtausende die wirtschaft wichtig ist. Auf Bundes-, Kan- Grundlage der menschlichen Ernährung. tons- und Gemeindeebene haben Bemü- Eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt hat hungen eingesetzt, auf der landwirt- sich in dieser Zeit den speziellen Bedingun- schaftlich genutzten Fläche der Natur wie- gen dieses Lebensraumes angepasst. Wie- der vermehrt eine Chance zu geben. Ökolo- sen bestehen nicht nur aus Gräsern, son- gische Leistungen und Mehraufwand wer- dern sind reich mit Blumen durchsetzt. Das den mit Abgeltungsbeiträgen aus öffent- Pflücken eines bunten Maiens ist ein alter licher Hand entschädigt. Volksbrauch. Die Prattler Wiesen werden im April und Mai zu einem gelben Blütenmeer. Auf Bundesebene wurden die Direktzahlun- Buntbrache in unserer Gemeinde. Beim näheren Hinschauen zeigt sich aber, gen eingeführt. Von den elf Prattler Bauern- dass diese Farbe fast ausschliesslich durch betrieben haben alle auf Integrierte Produk- tionen erfolgte 1994. Der engere Fassungs- zwei Pflanzen zustande kommt: Löwenzahn tion (IP) umgestellt. Das bedeutet u.a., dass bereich wurde eingezäunt und wird als (Traxacum officinale) und Scharfer Hahnen- mindestens sieben Prozent der landwirt- Magerwiese bewirtschaftet. Die restliche fuss (Ranunculus acris). Heute ist die Versu- schaftlichen Fläche als extensive Magerwie- Fläche ist extensives Ackerbaugebiet mit chung klein, auf Prattler Wiesen einen sen, Buntbrachen, Ackerrand- oder Wald- Buntbrachen und einer reichen Ackerbe- Maien zu pflücken. randstreifen ausgeschieden werden müssen. gleitflora. Der Kanton hat im Rahmen des «ökologischen Ausgleichs» Interesse ange- Die Mechanisierung der Landwirtschaft nach Der Kanton Basel-Landschaft hat 1989 das meldet. Einer allfälligen Aufnahme der Grund- dem Zweiten Weltkrieg, zusammen mit Programm «Ökologischer Ausgleich» einge- wasserschutzzone in das Inventar der ge- dem extremen Einsatz von Dünger und führt, mit dem Magerwiesen, Blumenwie- schützten Naturdenkmäler hat der Gemein- Hilfschemikalien, hat die abwechslungsrei- sen, Hecken, Buntbrachen und Streuobst- derat am 19. Oktober 1999 zugestimmt. chen Blumenwiesen und Weiden zu arten- bestände von regionaler Bedeutung geför- Der Regierungsratentscheid steht noch aus. armen Kulturen verkommen lassen. Arten- dert werden. In diesem Zusammenhang ist Die schützenswerten Naturobjekte von loka- reiche Blumenwiesen sind in unserer für Pratteln die Grundwasser-Schutzzone Löli- ler Bedeutung sind in den Zonenvorschrif- Gemeinde verschwunden. Eine Ausnahme Remeli in der Rheinebene erwähnenswert, ten Landschaft (Reglement und Plan) defi- macht die Blumenwiese am Südfuss des die ein Areal von ca. 14 ha umfasst. Die Ein- niert. Diese wurden am 26. Januar 1993 54 Adlers, beim Paradies. Dank der jahrelan- weihung der drei unterirdischen Pumpsta- vom Regierungsrat genehmigt. Sie enthalten 63 Objekte, darunter fünf Magerwiesen, Herren von Eptingen in Pratteln das Fällen eine Feuchtwiese und acht Staudenfluren. Pflanzen als lebende und Ausgraben dieser Bäume: «Welicher Es ist die Aufgabe der Naturschutzkommis- Kulturdenkmäler ein kestynenbaum abhowet oder ussgrebt, sion, Bewirtschaftungs- und Pflegepläne für es sy uff dem sinen oder susst, der bessert diese Objekte zu erarbeiten. Bisher konnte dem herren ein pfund.» Esskastanien waren erst mit sieben Besitzern/Bewirtschaftern eine wichtige Nahrungsquelle während der Verträge abgeschlossen werden, was zeigt, Winterszeit. Mit dem Aufkommen der Kar- dass der Prattler Naturschutz ein markantes toffel im 18. Jahrhundert war dann aller- Vollszugsdefizit aufweist. Trotzdem, der Na- dings ihr Niedergang besiegelt. turschutzkommission und der Abteilung Die Liste der Prattler Kulturdenkmäler um- Bau ist es in den letzten Jahren gelungen, fasst 30 Bauten, wie z.B. Schloss, reformier- Neben der Esskastanie war die Eiche (Quer- den Talbach in den Besitz der öffentlichen te Kirche, Rebhäuslein und Bürgerhaus. cus robur/Quercus petraea) der wichtigste Hand überzuführen. Auch der Heulenloch- Häufig wird übersehen, dass es neben bau- Baum im Mittelalter. Nicht nur als resisten- bach, das Erlibächli und der Hülftenbach lichen Einrichtungen auch Pflanzen von kul- tes Bauholz sondern auch bei der Schweine- konnten sicher gestellt werden. Die offenen turhistorischer Bedeutung gibt. Es handelt mast kam ihr eine hervorragende Bedeu- Prattler Fliessgewässer werden in Zukunft sich um die Nachfahren von einheimischen tung zu. Lockere Eichenbestände, in welche mit Staudenfluren gesäumt sein. oder fremdländischen Pflanzen, die wäh- im Herbst die Schweine zur Eichelmast ge- rend bestimmter Epochen wegen ihres Nut- trieben wurden, bezeichnete man als Wit- Das Beispiel der Blumenvielfalt lehrt uns: zens oder ihrer Ästhetik von den Menschen weiden. Wegen ihrer wirtschaftlichen Be- Was vor einigen Jahrzehnten in unserer besonders umsorgt und gepflegt wurden. deutung wurde die Eiche in unserer Gegend Umwelt selbstverständlich und gratis war, Vier solcher Pflanzen werden im folgenden über längere Zeit gegenüber der Buche muss in der heutigen Zeit mit politischer kurz vorgestellt. gefördert. Nach der Waldordnung von 1667 Initiative erhalten werden – und ist mit waren die Gemeinden und neuvermählten Kosten verbunden. Naturschutz ist zu einem Einige alte Prattler und Prattlerinnen erin- Männer verpflichtet, eine gewisse Zahl von wesentlichen Teil eine öffentliche Aufgabe nern sich noch gut an die Zeiten, als Esska- Eichen zu pflanzen. Der Eichenwald im Pratt- geworden. Naturschutz bedeutet auch Er- stanien (Castanea sativa) auf dem Blözen ler Erli war im Mittelalter weit herum be- haltung der Lebensqualität. Wieviel ein Ge- und Schönenberg die Waldränder säumten. kannt. Wer dort unerlaubt Eichen fällte, meinwesen bereit ist dafür aufzuwenden, Heute sind diese Bäume verschwunden. Ess- wurde, wie im Falle der Esskastanien, be- ist letztlich ein Gradmesser seines inneren kastanien sind aber noch in der Prattler Hard straft. Beim Eisenbahnbau um 1860 lockte Zustandes und Bestandteil seiner Identität. zu finden. Zusammen mit der Muttenzer Rüti- dann aber doch das Geld. Der grösste Teil Dr. Kurt Suter hard handelt es sich um den nördlichsten der Eichenwälder von Pratteln zusammen Vorposten dieses Baumes in der Schweiz. mit denjenigen von Muttenz und Frenken- Wie die Esskastanie zu uns gekommen ist, dorf fiel dem Bahnbau zum Opfer. Es ist kann nicht mehr mit Sicherheit belegt wer- erfreulich, dass in Pratteln, im Geisswald, den. Ihr gegenwärtiges Verbreitungsgebiet ein Rest einer Witweide vom Eifer der Fäller und die Verteilung der Flurnamen, die auf des 19. Jahrhunderts verschont geblieben ihr früheres Vorkommen hinweisen, machen ist. Zusammen mit der weit grösseren Wit- einen römischen Ursprung wahrscheinlich. weide auf Wildenstein bei ist mit Die Esskastanie hatte nicht nur zur Römer- dem Geisswald ein seltenes Zeugnis mittel- zeit, sondern auch im Mittelalter existentiel- alterlicher Landnutzung erhalten geblieben. le Bedeutung, denn 1503 untersagten die Heute ist der Geisswald ein geschätztes 55 und dem Jurasüdfuss bis in unserer Gegend ihren Rebbergen die geeigneten Bedingun- und Süddeutschland vor. Typisch für den gen für ihr Gedeihen gefunden hat. Sie Speierling ist das Laub, das demjenigen des bevorzugt warme Reblagen mit nährstoff- Vogelbeerbaums (Sorbus aucuparia) ähnlich reichen Böden. Während leichte Bodenbe- ist. Über seine Verwendung als Kulturbaum arbeitung die Tulpe eher begünstigt, macht wurde schon in der Antike geschrieben. Es ihr intensive Bodenbearbeitung, wie sie im kann angenommen werden, dass bei uns Prattler Rebberg eine zeitlang üblich war, zu die kugeligen Früchte des Speierlings in der schaffen. Die Weinbergtulpe wäre einfach Römerzeit oder sogar schon früher als zu erhalten, da sie sich schnell vegetativ ver- Apfelersatz genutzt wurden. Sicher ist, dass mehrt und eigentliche Tulpenrasen bildet. während des Mittelalters der aus den Früch- ten gewonnene Saft als Stabilisator und Esskastanie, Eiche, Speierling und Wein- Geschmacksverbesserer für Apfelmost dien- bergtulpe sind Pflanzen, die über Jahrhun- te und darüber hinaus auch noch eine derte das Leben in Pratteln mitgeprägt gewisse medizinische Bedeutung hatte. haben. Zu jener Zeit waren sie Aushänge- Wegen seiner Verbindung zu den Äpfeln schilder und Wahrzeichen unseres Dorfes. wurde der Speierling häufig in Obstgärten Technischer Fortschritt und gesellschaftliche gepflanzt. Mit dem Aufkommen ergiebige- Entwicklungen liessen ihre Wertschätzung rer Obstsorten hatte der Speierling ausge- und damit auch das Interesse an ihnen dient. Er ist nicht nur aus den Obstgärten, schwinden. Heute sind drei von ihnen sondern auch aus unseren Wäldern ver- (Esskastanie, Speierling, Weinbergtulpe) in schwunden. Heute wird er von speziellen unserer Gemeinde akut gefährdet. Wenn Wildwachsende Weinbergtulpen (Tulipa sylves- Baumschulen vermehrt, so dass seine Exi- sie erhalten bleiben sollen, braucht es die tris) im Prattler Rebberg. stenz wieder gesichert erscheint. Unterstützung der Behörden und der Pratt- ler Bevölkerung. Es darf mit Genugtuung Ausflugs- und Erholungsziel für Familien. Die Weinbergtulpe (Tulipa sylvestris), die festgestellt werden, dass in dieser Richtung Die ehemalige Schweinemast ist definitiv auch Wildtulpe oder Waldtulpe genannt bereits Aktivitäten angelaufen sind. Im Wald der modernen Freizeitgestaltung gewichen. wird, leuchtet vom Etikett der Flaschen hat sich der Förster der Esskastanien, Speier- eines Prattler Weines. Im Prattler Rebberg linge und Eichen angenommen. Die Natur- Bis anfangs der neunziger Jahre war der muss man Ende April/anfangs Mai gut schutzkommission hat bei der Erstellung der Speierling (Sorbus domestica) in der suchen, um die Tulpe mit ihren schmalen, Wasserschutzzone Löli-Remeli die Pflan- Schweiz ein äusserst seltener Baum. Kurz gelben Blütenblättern zu finden. Sie ist rar zung dieser Bäume im Fassungsbereich ver- vor seinem Aussterben wurde er wiederent- geworden – aber es gibt sie noch wie in drei anlasst. Ferner stehen in einigen Prattler deckt. Es ist ein kleines Wunder, dass einer weiteren Rebbergen des Kantons. Wahr- Gärten stattliche Exemplare von Esskastani- der wenigen Speierlinge, die im Kanton über- scheinlich ist sie um 1550 aus südrussischen en. Für die Erhaltung der Weinbergtulpe lebten, in Pratteln auf dem Madle steht. Waldsteppen über das Mittelmeergebiet zu sind im Rebberg private Initiativen sichtbar. Ursprünglich stammt der Speierling aus uns gekommen. Tulpen waren damals eine Es ist zu wünschen, dass diese und weitere dem Mittelmeergebiet. Vermutlich stiess er ausgesprochene Rarität und ihr Besitz war Bemühungen von Erfolg gekrönt sein wer- nach der letzten Eiszeit mit anderen wärme- mit Prestige verbunden. Die Rebbauern des den, so dass Pratteln stolz sein kann auf liebenden Gehölzen (z. B. Schneeballblättri- Mittelalters hatten das Glück und das Privi- seine lebenden Kulturdenkmäler. 56 ger Ahorn (Acer opalus) entlang der Rhone leg, dass die Tulpe als Gartenflüchtling in Dr. Kurt Suter Verbindung gebracht werden. Offensicht- Wird unser Dorf lich haben die Marder gelernt, den Moto- zu einem Wildpark? renraum der im Freien parkierten Autos als kurzfristige Wohnung zu nutzen. Alles, was sich beim Wohnungsbezug in den Weg stellt, wird kurzerhand mit kräftigen Bissen attackiert. Die Marder müssen eine gute Lehr- und Lernfähigkeit aufweisen, denn die Erkenntnisse über die neuen Wohnungen Von den 1070 ha Gemeindegebiet werden haben sich langsam aber stetig von der gemäss Zonenplan 42 Prozent dem Sied- Schweiz über ganz Österreich und Deutsch- lungsgebiet zugeordnet. Es ist die landläufi- land verbreitet. 1995 wurden die ersten zer- Prattler Füchse entwickelten sich zu Medienstars. ge Meinung, dass Wildtiere in die verblei- bissenen Zündkabel an der Ostseeküste benden fast 60 Prozent des Gemeinde- festgestellt. Nachtparkierer und -Parkiere- Haus Besitz ergriffen, wären sie nicht daran bannes gehören, der aus Landwirtschafts- rinnen seien gewarnt: Das vandalistische gehindert worden. Die Füchse hatten bald land und Wald besteht. Hier sollen die Jäger Know-how der Marder hat seinen Weg einen derartigen Bekanntheitsgrad, dass für Ordnung sorgen, damit die Menschen auch nach Pratteln gefunden. Übrigens: Der sich auch die Medien für die Stars interes- nicht von Wildtieren belästigt werden. Lei- Steinmarder, alias Hausmarder, heisst neu- sierten. Die Fuchsvorführungen am Steinen- der halten sich Tiere nicht an Zonenpläne. erdings Automarder. weg dauerten allerdings nicht lange. Beide Einige Vertreter suchen sogar konsequent Tiere verschwanden, was nicht unerwartet die Nähe des Menschen und nutzen mehr Auch Füchse zeigen ihre nächtliche Tätig- kam, denn die meisten Füchse werden bei oder weniger diskret dessen Infrastruktur. keit oft indirekt an. Aufgerissene Kehricht- uns nicht viel älter als ein Jahr. In den fol- Dabei können sie so erfolgreich sein, dass säcke mit zerstreutem Inhalt säumen die genden Jahren sind weitere Füchse am Stei- sich ihre Populationen rasch vergrössern. Strassen. Seit sich ihre Population nach den nenweg erschienen. Jetzt ziehen Berti und Solche Tiere werden als Kulturfolger be- erfolgreichen Tollwutimpfaktionen kräftig Mario ins Dorfzentrum um. Ob ihnen die zeichnet. erholt hat, treten Füchse regelmässig im Füchse dorthin folgen werden? Siedlungsgebiet auf. Die hohe Bestandes- Der Steinmarder war ursprünglich in felsi- dichte ist bemerkenswert, da im Baselbiet Im Gegensatz zu den Mardern und Füchsen gen Gebieten zu Hause. Seit einiger Zeit hat momentan pro Jahr mehr als 1000 Füchse meiden Wildschweine die Ortschaften. Sie er sich an die Steinschluchten der Ortschaf- geschossen werden – so viele wie noch nie bevorzugen die sichere Deckung von Fel- ten angepasst und wurde so zum Hausmar- (Pratteln Jagdjahr 2001/2002 29 Abschüs- dern und Wäldern. Bis in die achtziger Jahre der. Er ist ein ausgezeichneter Kletterer, der se). Die schlauen Tiere stellen sich bei ihren waren Wildschweine eher selten. Momen- Scheunen und Dachböden bewohnt. Der Streifzügen durch die Gärten geschickt auf tan wird der kantonale Wildschweinbe- Marder ist ein nachtaktives Tier, das bis die Menschen ein. Es erstaunt nicht, dass stand auf etwa 800 Tiere geschätzt. Der Mitte der siebziger Jahre nicht besonders sich aus zufälligen Begegnungen auch Kanton Basel-Landschaft ist, in bezug auf aufgefallen ist. Damals wurde zum ersten eigentliche Beziehungen ergeben können. seine Fläche, der Kanton mit dem grössten Mal eine spezielle Form des Autovandalis- Mario und Berti Puppato war es im Sommer Wildschweinbestand. Die Hauptursache für mus festgestellt, der sich in durchtrennten 1996 gelungen, durch regelmässiges Füt- die drastische Zunahme der Wildschweine Zündkabeln und Kühlschläuchen äusserte. tern zwei Füchse zu zähmen. Die Tiere ist das überreiche Futterangebot in den 1978 konnte dieses Phänomen in Win- scheuten sich nicht, in die Stube vorzustos- Maisfeldern. Entsprechend der Entwicklung terthur eindeutig mit den Hausmardern in sen und hätten wahrscheinlich vom ganzen der Bestände sind in den neunziger Jahren 57 die Abschüsse sprunghaft angestiegen. Als die sich auch in unserer Gemeinde bemerk- vorläufiger Höhepunkt wurden im Baselbiet bar machen. Der Mensch hat sich den gröss- Seltene Bäume für das Jagdjahr 2000/2001 572 und für ten Teil des zur Verfügung stehenden Rau- 2001/2002 425 Abschüsse gemeldet (Prat- mes zu eigen gemacht und darin ausge- teln Jagdjahr 2001/2002 zwei Abschüsse). dehnte Strukturen geschaffen. Die meisten Die Wildschweinjagd ist zeitaufwendig. Für Tiere reagieren darauf mit Anpassung, in- einen Abschuss muss ein Jäger 50 bis 60 dem sie künstliche Territorien annehmen oder Stunden ansitzen. Die Schäden an landwirt- alte, schon aufgegebene, wieder besetzen. schaftlichen Kulturen sind erheblich und lie- Die Grenzen zwischen Tierwelt und der gen zwischen 100000 und 200000 Franken Welt der Menschen verwischen zusehends. «Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen» pro Jahr. Es kann davon ausgegangen wer- Akzeptieren wir das doch und freuen wir heisst es im Sprichwort. Wir möchten versu- den, dass für jedes Wildschwein, bevor es uns darüber. Allerdings nicht alle Tierarten chen, diese gängige Redensart beim Wort geschossen wird, eine Schadensumme von kommen mit den neuen Verhältnissen zu nehmen und uns für einmal nicht dem etwa 400 Franken aufgewendet werden gleich gut zurecht, so dass sich die Gleich- Wald zuzuwenden, sondern alleinstehen- muss. Vorläufig haben wir in Pratteln die gewichte erst wieder etablieren müssen. den Bäumen, wie sie schon immer in Prat- Wildschweine noch nicht in unseren Gär- Das können langwierige und leidvolle Pro- teln vorgekommen sind. ten, wie das zum Beispiel für Berlin gemel- zesse sein. Die Jäger tragen eine grosse Ver- det wurde. Eine Wildschweinrotte hat sich antwortung, da sie in die Entwicklung der Daniel Bruckner ist Zeuge: In seinen «Histo- aber im Jahre 1994 mitten in unser Dorf ver- Wildpopulationen aktiv eingreifen. Man rischen und natürlichen Merkwürdigkeiten irrt. Dabei wurden im Kuspo Scheiben zer- muss sich schon fragen, ob jetzt der Zeit- der Landschaft Basel» berichtet er 1749 von trümmert. Die Häufigkeit zukünftiger Wild- punkt nicht gekommen ist, wo sich die der grossen Linde zu Pratteln, die – so resü- schweinbesuche in unserem Dorf dürfte sich Jäger mit ihren geächteten Kollegen, dem miert er – entweder nahe beim Schloss nach der Bestandesentwicklung richten. Luchs und dem Wolf, versöhnen sollten. stand und damit mit dem heutigen Standort Sicher könnte die Erhaltung eines gesunden des «Lindeli» identisch sein könnte – sie Die Wildschweinpopulation ist noch nicht Wildbestandes besser erreicht werden durch erscheint erstmals 1532 in den Urkunden unter Kontrolle und schon kündet sich ein ein sinnvolles Zusammenwirken von waid- als «Lynden»1 – oder gegen Muttenz zu, weiteres Problem an. Von Deutschland her männischen und natürlichen Massnahmen. nahe beim Platze, wo die Wege gegen Basel hat der Waschbär seinen Weg in die Gemäss einer Mitteilung der BaslerZeitung und Muttenz sich scheiden. «An diesem Schweiz gefunden. Im Gegensatz zum Mar- vom 6. März 2002 hat ein Ormalinger Jäger letzern Orte pflegten die alten Einwohner der, Fuchs und Wildschwein handelt es sich einen Luchs beobachtet. Ist das schon Wirk- von Prattelen, so oft die Pestseuche bey hier um einen aus Amerika eingeführten lichkeit, oder erst der Traum eines Jägers? ihnen regierte, sich zu versammeln, und die Fremdling. In bezug auf Anpassungsfähig- Dr. Kurt Suter Furcht des bevorstehenden Todes mit keit und Vielseitigkeit ist er mit allen Was- öffentlichen Dänzen und Reihen (Reigen) sern gewaschen und steht den einheimi- zu vertreiben. Man mag dessen noch einige schen Kulturfolgern in nichts nach. Bereits Spuren bey der heutigen Tages zu Prattelen wurden sporadisch einzelne Waschbären in fortdaurenden Gewohnheit anmerken, da Pratteln gesichtet. die Knaben und Töchtern an den Sonn- und Festtägen auf den Abend bey der Linden Das markante Aufkommen von gewissen zusamen kommen, und allda einige Stun- Tieren zeigt, dass momentan dynamische den mit Psalmen und Liedersingen zubrin- 58 Prozesse in den Wildpopulationen ablaufen, gen.» Linden und Eichen sind uralte Kultbäume. Krankheiten, so auch im Jahr 1999 während Seit 1998, als Fritz Sutter im Garten bzw. im reichlich regnerischer Witterung mit der Hinterhof der Liegenschaft Stephan Löliger hohen Befallsgefahr des Schorfpilzes. Aus an der Oberemattstrasse einen einzigarti- den in der kleinen Frucht vorhandenen gen Kirschapfelbaum entdeckt und aus sei- Samen lassen sich Nachkommen aufziehen. nem Dornröschenschlaf erlöst hat, kann Um die spezielle Sorte rein zu erhalten, wäre sich Pratteln darüber hinaus rühmen, auch es notwendig, auf den Stamm der Wild- Standort eines Urapfelbaumes zu sein, einer lings-Unterlage ein Edelreis aufzupfropfen.3 einzigartigen botanischen Rarität. Hören Dr. René Salathé wir, was Max Glinz, einer der besten Baum- kenner unserer Region, zu dieser Ent- QUELLEN: deckung zu sagen hatte: «Einen kleinkroni- Die in Pratteln domizilierte Flurnamenfor- gen Obstbaum, der sich im Häusermeeer schungsstellle hat folgende alte Baumbelege aus wohlfühlt, entdeckten wir im Hof an der Pratteln gesichtet: Oberemattstrasse 18. Die sogar den Obst- 1 Asp (1394, das Aspe), zu Espe «Ziterpappel» kennern von Pro Spezie Rara als Zentrale für Bueche, grossi, (20. Jahrhundert), Buholz alte und besondere Sorten unbekannte (1387– 1450), zu Buche, Erli (1387–1450, im Apfelart wurde wohl vor Jahrzehnten von Erlin), zu Erle, Kirschgarten (1387–1450, Kirs- einem Kenner besonderer Pflanzenschätze garten). Widen (1532, zu widen), zu Weide gepflanzt. … Mit grosser Wahrscheinlich- (Salix). Flurnamen-Forschung Baselland, Prat- keit handelt es sich beim Kirschapfel in Prat- teln. Freundliche Mitteilung von Dr. M. Ramsei- teln um eine Kreuzung aus dem Ende des er, Stiftung für Orts- und Flurnamen-Forschung vorigen Jahrhunderts von einem Wildapfel Baselland, Pratteln. Vom biblischen Paradies direkt in einen Prattler mit einer bereits vorhandenen Apfelsorte – 2 Freundliche Mitteilung von Dr. M. Ramseier, Garten: Der 1998 durch Zufall entdeckte Ur-Apfel- der richtige Name lautet Malus aldenha- Stiftung für Orts- und Flurnamen-Forschung baum (Malus aldenhamensis). mensis-Hybride. Das lockerästige, über 5 m Baselland, Pratteln. hohe Gehölz ist im Frühjahr mit seinen rosa- 3 Glinz Max (unpubliziert). Ein beträchtliches Alter dürfte natürlich roten Blütenschalen allemal ein wunderba- auch der Standort «Chrummi Eich» aufwei- res «Bluescht»-Bouquet. Im Herbst bieten Markante Bäume in Pratteln sen, der den östlichen Dorfeingang charak- die kirschgrossen, zuerst grünen, in der terisiert und dem benachbarten Gasthaus kühler werdenden Jahreszeit strahlend rot Eine vom früheren Waldchef des Prattler seinen Namen abgetreten hat. Wann aller- bis weinrot werdenden sowie gelbfleischi- Bürgerrats, Willy Stohler, zusammengestell- dings die erste Eiche dort gepflanzt worden gen Äpfelchen im gleichzeitig effektvollen te Baum-Übersicht möge dieses Kapitel ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. gelborangeroten Laubkleid ein aufflam- beschliessen: Tatsache ist indessen, dass der an den Eich- mendes Farbenspektakel. Der Erntesegen baum erinnernde Flurname bis ins Jahr ist fürs Auge schön, für den Gaumen aber Bäume bei den Höfen: 1743 zurückverfolgt werden kann. Die Flur- eine mundende und gesunde Köstlichkeit –Hof Ebnet: zwei Linden auf der Südwest- namenforschungsstelle vermutet, dass der als Kompott, Gelee oder vermischt mit seite; die grosse mit Blitzmarken. Name in der ersten Hälfte des 17. Jahrhun- Äpfeln und Birnen zu Saft ausgepresst in der –Talhof: zwei Linden auf der Nordseite. derts aufgekommen ist.2 Mischfruchtkonfitüre. Eine Eigenheit des –Hof Mayenfels: eine Linde auf der Süd- Baumes ist seine hohe Resistenz gegen seite, auf der Westseite ein Nussbaum. 59 –Institut Mayenfels: Im ummauerten Gar- Hektaren auf (ursprünglich 2,8 ha). Hier ten auf der Südseite: Linden, Fichten, Pla- Die Zurlindengrube stand nicht der Kiesabbau im Vordergrund, tane, Rosskastanie. Beim Toreingang auf sondern sie diente primär der Ablagerung der Westseite: Grosse Linde und Föhre. des bei der Salzgewinnung als Abfallpro- Diverse Bäume auf der Nordseite. dukt anfallenden Solereinigungsschlammes –Hof Neu Schauenburg: Fichtenreihe und bis 1975 (vor allem Calciumkarbonat, [85 Föhre auf der Nordostseite. Speziell gros- Prozent], daneben Calciumsulfat, Magnesi- se Linden beim östlichen Toreingang. umhydroxid, Natriumsulfat u.a.). Seit eini- –Hof Schönenberg: Auf der Westseite eine gen Jahren nutzt die Kantonspolizei diese Gruppe von vier Rosskastanien. Auf der Pfeilschnelle Libellen über schilfbestande- Grube für Schiessübungen. Die beiden Gru- Nordseite eine grosse Pappel. nen Wassertümpeln, Froschgequake, Rohr- ben wurden 1976 bzw. 1972 treuhände- –Im Tal: Diverse Baumgruppen. sänger- und Grasmücken-Gesang im un- risch durch die Kantonalbank für den Kan- durchdringbaren Weiden-Dickicht – Am- ton erworben, als Standort für eine kanto- Bäume im Dorf: biance einer unberührten Auen-Landschaft, nale Kehrichtverbrennungsanlage. Die Stimm- –Jörin-Park: Rotbuche, Platanen, Eichen, wo sich Fuchs und Hase tatsächlich «gute berechtigten lehnten dieses Projekt jedoch diverse Pappeln. Nacht sagen». Es ist kaum zu glauben, dass in einer kantonalen Volksabstimmung am –Edelkastanien im Garten Dr. V. Martin. ein solches Naturerlebnis in Pratteln heute 26. September 1993 ab. noch möglich ist. So präsentiert sich aber dem stillen Besucher im Sommer die Natur Nach Beendigung des Kiesabbaues und der in der «Zurlindengrube» – der östlichen, der Materialablagerungen blieb das Areal sich beiden noch bestehenden Gruben des selbst überlassen. Deshalb entwickelte sich Gebietes «Zurlinden». Eine Prise Abstrakti- hier ein artenreicher, für unseren Kanton onsvermögen ist hier für die Naturwahrneh- einmaliger Lebensraum. Drei Faktoren sind mung allerdings unterlässlich, denn dieser massgeblich verantwortlich für die ausser- letzte Rest der Rhein-Aue verdankt seine gewöhnlich hohe Biodiversität auf solch Entstehung dem Menschen. Daran erinnern kleiner Fläche: die Lage der Gruben in einer der durch den Grubenrand eng begrenzte klimatisch günstigen Gegend, der wasser- Sicht-Horizont und der allgegenwärtigen durchlässige Untergrund (Rheinschotter) und Verkehrslärm. der stark schwankende Grundwasserspie- gel. Im Grubenareal lassen sich daher Pflan- Beide Gruben befinden sich westlich der zengesellschaften erkennen, die für Fluss- Kläranlage, zwischen Rheinfelderstrasse und auen typisch sind: Sand- und Felsrasen (mit Autobahn A2. In der östlichen «Zurlinden- Sprossender Felsennelke, Weissem Mauer- grube» baute die Firma Itin & Co. zwischen pfeffer, Mäuse-Federschwingel, Niedrigem 1956 und ca. 1968 die Niederterrassen- Hornkraut, Zarter Miere und Dichtblütigem schotter bis aufs Grundwasser in 18 m Tiefe Wollkraut), die Schotterfluren (mit Dodona- und im Umfange von ca. 2,2 Hektaren ab. eus' Weidenröschen, Wilder Möhre und Ho- Der weitere Abbau sowie die im Ostteil nigklee), Sanddorn-Gebüsch, Flachwasserzo- begonnene Aufschüttung wurden 1976 nen (mit Armleuchteralgen, Schilfröhricht, eingestellt. Die westliche Grube «Ättigra- Breitblättrigem Rohrkolben, Schneidebinse, 60 ben» weist heute eine Fläche von ca. 1,3 Gemeinem Froschlöffel und Blut-Weiderich), Wiesen-Fragmente (mit Glatthafer und ne, Wiedehopf, Brachpieper, Braunkehlchen Spitz-Orchis) sowie Weichholzaue (mit Sil- und Steinschmätzer. Die Vögel berweide und Schwarzpappel). Ruderal- und Ackerwildkraut-Gesellschaften weisen Verschiedene Arten sind seit den siebziger ebenfalls hohe Artenzahlen auf mit zum Teil Jahren des letzten Jahrhunderts verschwun- seltenen Pflanzen. Erwähnenswert sind: Stin- den: Rebhuhn (bis 1975), Uferschwalbe (bis kender Pippau, Färber-Waid, Rainfarn, Bit- 1983), Dorngrasmücke. Trotzdem haben terkraut und Pastinak. Der Getreideacker die Zurlindengruben noch heute grossen südlich der Zurlindengrube war sogar – bis naturschützerischen Wert. Mehr als 20 der zur «Ökologisierung» der Landwirtschaft hier lebenden Arten stehen auf den Roten Von A wie Amsel bis Z wie Zaunkönig: Die im Verlaufe der neunziger Jahredes letzten Listen der gefährdeten Tierarten. Dank der Vogelwelt Prattelns beherbergt in den Jah- Jahrhunderts – der letzte Standort der Korn- grossen Kreuzkröten-Population wurde das ren vor der Jahrtausendwende noch über blume im Baselbiet. Insgesamt wurden im Gebiet 1994 sogar ins Inventar der Amphi- 50 Brutvogelarten. In den Kantonen Basel- Areal der Zurlindengruben 165 Pflanzenar- bienlaichgebiete von nationaler Bedeutung Landschaft und Basel-Stadt sind es 130, in ten festgestellt. aufgenommen. Seither sorgt die kantonale der ganzen Schweiz 185 festgestellte Brut- Naturschutzfachstelle für eine fachgerechte vögel im vergleichbaren Zeitraum. Eine 1986 durchgeführte Erfassung der Klein- Pflege der Gruben, damit deren Naturwerte tierfauna brachte ebenfalls erstaunliche erhalten bleiben. Trotzdem ist die Zukunft Unsere Gemeinde hat Anteil am Hochrhein- Ergebnisse mit z.T. hohen Artenzahlen, z.B.: dieser Naturoase in der Rheinebene unge- tal und am Tafeljura. In der nördlichen Hälf- Blattwespen (20), Wildbienen/Hummeln wiss. Weil sich die Gruben in der Gewerbe- te des Gemeindegebietes dominiert das (27), Grabwespen (12), Heuschrecken (14), und Industriezone befinden, stehen den offene Kulturland und der Siedlungsraum, Libellen (25), Käfer (400) und Spinnen hohen naturschützerischen gewichtige öko- im Süden ist die abwechslungsreiche Land- (110). Erwähnenswert sind folgende Arten: nomische Interessen gegenüber. Für die schaft von Buchenwäldern sowie von Wies- Weinhähnchen (eine wärmeliebende Gril- zukünftige Entwicklung der Rheinebene land und Obstgärten geprägt. Während das lenart aus dem Mittelmeergebiet), Blauflü- bietet dieser Gegensatz aber auch Chancen. Kulturland infolge weitverbreiteter Intensi- gelige Ödlandschrecke, Gemeine Sichel- Die 2001 von Kanton und den Gemeinden vierung der Landwirtschaft relativ arm an schrecke, Gemeine Winterlibelle, Kleines Pratteln und Augst in Auftrag gegebene Brutvogelarten ist, stellen die Wälder und Granatauge,Feuerlibelle,Leuchtkäfer («Glüeh- Planungsstudie «Salina Raurica», welche die der Siedlungsraum bedeutende Lebensräu- wümli»), Schwammfliege, Kleespinner, Pap- Natur miteinbezieht, soll Lösungen für die me für unsere Vögel dar. pelschwärmer, Abendpfauenauge, Birken- Weiterentwicklung dieses Raumes aufzei- spanner, und Heideschnecke. An Wirbel- gen. Paul Imbeck Die Fliessgewässer, die Talweiher und die tieren kommen hier u.a. Feldhase, Teich- Zurlindengruben sind Spezialstandorte, die rohrsänger, Mauereidechse, Fadenmolch, u.a. für Bergstelze (Talbach, Hülftenbach, Wasserfrosch und Kreuzkröte vor. Nicht nur Ergolz), Wasseramsel und Eisvogel (Ergolz), als Lebensraum, sondern auch als Rastplatz Teichhuhn und Stockente (Weiher) sowie für Zugvögel erfüllen die Zurlindengruben Teichrohrsänger, Goldammer, Hänfling und eine wichtige Funktion. Dank ihres reichen Neuntöter (Kiesgruben) Lebensraum bieten. Nahrungsangebotes dienen sie ziehenden Die drei letzten Arten sind durch das Ver- Vögeln als «Tankstelle». Darum kann man schwinden naturnaher Strukturen (Hecken, hier gelegentlich auch seltene Arten beob- Gebüsche, Brombeer-Gestrüpp) im Kultur- achten, wie z.B. Waldwasserläufer, Bekassi- land sehr selten geworden. 61 bleibt zu hoffen, dass sich das nächste Mal 1999 bereits dreimal im Turm der reformier- ein Paar im Gebiet niederlässt. ten Kirche erfolgreich Junge aufzog. Die Erstbrut sorgte für einigen Wirbel in der Eine Greifvogelart des Kulturlandes, die benachbarten Einwohnerschaft. Die lauten mehr Erfolg hat, ist der Turmfalke. Zehn an Bettelrufe der Jungvögel, welche zunächst Gebäuden montierte Kästen stehen den für das Schnarchen eines Obdachlosen ge- wegen ihrer Jagdtechnik auch «Rüttelfal- halten wurden, raubten manchem Bewoh- ken» genannten Vögeln zur Verfügung. Im ner den Schlaf. Sogar die Dorf-Fasnacht des Jahre 2000 brüteten insgesamt sieben Paare folgenden Jahres beschäftigte sich mit die- dieser grösstenteils kleine Nager jagenden ser tierischen Geschichte. Falken, was als guten Bestand gewertet werden darf. Regelmässig besetzte Brut- Die alljährlichen Kontrollen des Nistkastens plätze liegen bei den Pumpwerken Löli und bedingen eine Klettertour über den Kir- Remeli, bei der Hardwasser, im Henkel- und chenglocken und werden vom Gestank von im ehemaligen Schindler-Areal, beim Hof verwesten Mäuseresten, der Hauptnahrung Im Jahre 2000 brüteten in Pratteln neun Paare Ebnet und beim Rohner-Fabrikationsgebäude. der Schleiereulen, begleitet. des Trauerschnäppers in Nistkästen. Grössere Bedeutung hat das Kulturland für Zwei Vogelarten des Siedlungsraumes sind Im Landwirtschaftsgebiet vom Remeli/Löli/ Nahrungsgäste aus den umliegenden Le- im Zuge ihrer natürlichen Ausbreitung auch Siebenjurten brüten Feldspatzen. Die ca. bensräumen, wie z.B. Rabenkrähe, Elster, in Pratteln heimisch geworden. Der Girlitz zehn Paare, die mangels natürlichen Baum- Grauspecht und Drosseln. wanderte im 19. Jh. vom Mittelmeerraum höhlen vor allem in Nistkästen brüten, bil- ein und überwintert jedes Jahr dort, den die grösste Kolonie in Pratteln. Ein typi- Weitere regelmässig in Pratteln brütende während die erst um 1950/60 in unserer scher Obstgarten-Bewohner, der Gartenrot- Taggreifvögel sind Mäusebussard, Schwarz- Region etablierte Türkentaube ganzjährig schwanz, brütet nicht mehr regelmässig. milan, Rotmilan und Sperber. Die Horste der anwesend ist. Diese schlanke, beigebraune Der Grünspecht ist häufiger als letztere Art ersten drei Arten sind vor allem im Winter Taube fällt durch ihren Balzflug und den und fällt im Frühling durch seinen lachen- leicht in den Waldbäumen zu entdecken. dreisilbigen Ruf «Uuh-uuh, uh» auf. den Ruf auf, der z.B. in den Rütscheten, auf Sie können im Laufe der Zeit grosse Dimen- dem Mayenfels und beim Rebberg gut zu sionen erreichen, da sie von ihren Bewoh- Weitere auffällige Arten des bebauten Ge- hören ist. nern alljährlich ausgebaut werden. Der bietes sind die Schwalben und der Mauer- Sperber baut sein Nest mit Vorliebe gut ver- segler. Sowohl die an Häuserfassaden brü- In den Jahren 1997/98 sorgte in der Prattler steckt in Nadelbäumen unweit des Wald- tende Mehlschwalbe als auch die Ställe be- Rheinebene eine Vogelart für Aufsehen, die randes. Er überwintert wie der Mäusebus- wohnende Rauchschwalbe sind insektenfres- im Unterbaselbiet bereits seit über 50 Jah- sard im Brutgebiet und ist während dieser sende Zugvögel, die zum Nestbau feucht- ren ausgestorben ist: der Steinkauz. Das Zeit nicht selten in den Gärten des Sied- lehmiges Erdmaterial benötigen. Solches höchstwahrscheinlich aus der badischen lungsraumes bei der Jagd auf Kleinvögel zu lässt sich im Dorfzentrum leider nicht mehr Nachbarschaft eingeflogene Einzeltier wur- beobachten. finden. Durch die Anlage eines Lehmtüm- de danach nicht mehr im Gebiet beobach- pels auf dem Foyer-Flachdach des Kultur- tet. Es benutzte die speziell erstellten mar- Zu den regelmässig brütenden Nachtgreif- und Sportzentrums steht diesen auffälligen dersicheren Röhren, die horizontal auf Hoch- vögeln zählt neben dem verbreiteten Wald- Vögeln wieder geeignetes Nestbaumaterial 62 stamm-Obstbäumen befestigt waren. Es kauz auch die Schleiereule, welche seit zur Verfügung. Auch mit künstlichen Nes- tern ist beiden Arten leicht zu helfen. Mehl- An verschiedenen Stellen ist auch noch der schwalben-Kolonien befinden sich u.a. Pirol, ein wahrer Exot unter den einheimi- beim Schloss-Schulhaus, beim Hof Ebnet schen Vögeln, zu beobachten. Bruten dieser und beim Buss-Bürogebäude an der Hohen- Art gelten als wahrscheinlich, aber nicht rainstrasse. Infolge Aufgabe der Viehhal- sicher. tung verschwanden einige Rauchschwalben- brutplätze im Dorf. Die noch vorhandenen Weitere Brutvögel des Prattler Waldes sind und in Betrieb stehenden Ställe innerhalb u.a. Buchfink, Kohl-, Blau-, Tannen-, Sumpf- und ausserhalb des Siedlungsgebietes be- und Schwanzmeise, Sommergoldhähnchen, herbergen noch insgesamt ca. 20 Brutpaare. Amsel, Singdrossel, Misteldrossel, Zaunkö- nig, Heckenbraunelle, Rotkehlchen, Mönchs- Der faszinierende Mauersegler (Spyr) brütet grasmücke, Zilpzalp, Kleiber, Gartenbaum- regelmässig im Dach des Schloss-Schulhau- läufer, Ringeltaube, Eichelhäher und Ra- ses, im Schindler-Areal und in der Hardmatt. benkrähe. Wahrscheinlich brüten auch Hau- Das in Nischen angelegte einfache Nest benmeise, Gimpel und Kernbeisser im Gebiet. besteht aus in der Luft gesammeltem Zu den regelmässig brütenden Nachtgreifvögeln pflanzlichem Material. Eine Besonderheit unter den Waldbewoh- zählt auch der Waldkauz. nern stellt der Trauerschnäpper dar. Der Der Siedlungsraum wird ausserdem noch erste Brutnachweis in Pratteln stammt von Trotz Artenverlust in den letzten Jahrzehn- von Arten wie Hausrotschwanz, Hausspatz, 1935. Er profitierte stark vom gestiegenen ten besitzt die Vogelwelt Prattelns (noch) Strassentaube (Nischenbrüter an Häusern), Angebot an Nistkästen, die vom lokalen einige Besonderheiten. Die bestehenden Amsel, Grünfink, Distelfink, Mönchsgras- Natur- und Vogelschutzverein jährlich kon- Lebensräume in Pratteln werden sich in mücke und Elster (Freibrüter in Bäumen und trolliert und gereinigt werden. Er bevorzugt Zukunft weiter verändern, hoffentlich auch Sträuchern) bewohnt. Letztere ist zwar die Nähe zum Waldrand und ist mit seinem zum Wohle der Vögel. Roger Schneider durch ihre Lautäusserungen während der kraftvollen Gesang und seiner Jagdweise Brutzeit nicht sonderlich beliebt, doch wirkt gut zu entdecken. Bekannte Brutplätze lie- sie mit ihrem langen Schwanz und der gen rund um den Adler, im Talhölzli und auf QUELLEN: schwarz-weissen Färbung elegant und ein dem Friedhof Blözen. Die Art verbringt den Blattner, M.; Kestenholz, M., 1999: Die Brutvögel wenig exotisch. Winter im südlichen Afrika. beider Basel. Schmid, H. et al., 1998: Schweizer Brutvogelatlas. In den natürlichen Laubwaldbeständen Prat- Eine Vogelart, die sich in allen Lebensräu- Beobachtungen in Pratteln: H.-U. Dürr, H. Gogel, telns kommen zahlreiche Vögel vor. Erwäh- men wohl fühlt, ist der Star. Er bewohnt G. Lammer, R. Schneider nenswert sind die im Gebiet Horn vorkom- natürliche Höhlen und Nistkästen mit genü- menden, aber dort nicht mit Sicherheit brü- gend grosser Öffnung. Da er sich im Som- tenden Arten wie Hohltaube, Schwarz- und mer und im Herbst auch an den süssen Mittelspecht. Die beiden ersten Arten be- Früchten gütlich tut, ist er bei Obst- und nötigen alte Buchen, letztere alte Eichen. Rebbauern nicht besonders beliebt. Trotz Alle drei sind wie der häufigere Buntspecht Abwehrmassahmen schätzt er die Nähe des Höhlenbrüter, wobei die Hohltaube aufge- Menschen, den er mit seinem abwechs- gebene Schwarzspechthöhlen bezieht, aber lungsreichen Gesang mit eingebauten Imi- auch gewillt ist, Nistkästen anzunehmen. tationen beeindruckt. 63 hardt, wusste um die Storchenpräsenz in reckten. Zu allen Zeiten hatten sich die Störche in Pratteln – Pratteln. Folgendes berichtet nämlich Ernst Prattler liebevoll der Störche und ihres Nes- eine Erinnerung Zeugin, der den Prattler Störchen, nachdem tes angenommen. 1697 war das Nest auf die beiden Horste – je einer auf dem Kirch- dem Kirchturm in einem solch miserablen turm und auf einem Schlot der Saline – Zustand, dass das Kirchen- und Schulgut ein Mitte der dreissiger Jahre des letzten Jahr- neues erstellen liess. 1758 befestigte man hunderts auf immer verwaisten, einen Ne- das Nest mit vier Eisen und auch 1930 liess krolog widmete: «Hier möchte ich nachfol- die Gemeinde das Nest gründlich säubern. gende verbürgte tragikomische Bege- «Es war aber auch nötig; total vermodert, Selbst der nachmalige Hochkommissar des benheit festhalten: Unterhielten sich da – es musste es heruntergenommen werden. Ritt- Völkerbundes der freien Stadt Danzig und war um die Jahrhundertwende – im Prattler lings stand Hartmann Benni auf dem First spätere Präsident des Internationalen Roten Kirchhof zwei Knaben mit dem damaligen des Kirchturmdaches und hackte das ver- Kreuzes, der schweizerische Gesandte, Mi- Pfarrersohn Karl Sartorius. Da flog einer der moderte Nest in den Kirchhof hinunter, wo nister und Kulturhistoriker Carl Jakob Burck- Störche auf das Nest und verrichtete vor Schnappkarren bereit standen. In kurzer dem Absetzen seine Notdurft. Und oh Zeit stellte der beherzte Mann ein frisches Schreck! Der Kot fiel dem einen Knaben Nest mit einem Dutzend Rebwellen her, und gerade auf den Kopf». Und dieser Knabe mit berechtigtem Stolze stand alsdann der war eben Carl Burckhardt, dessen Eltern kleine Mann einige Male bolzgerade im jeweils während der Sommermonate auf Nest auf und hielt eine zünftige Rebwelle dem Schönenberg wohnten.» hoch über seinem Kopf.» Doch trotz dieser Fürsorge wollte es ab 1935 nicht mehr klap- Ungeachtet solcher Ballastabwürfe gäben pen, alles Hoffen war umsonst, es kamen heute sicher manche Prattlerinnen und wohl noch einige Störche zu einem kurzen Prattler viel darum, wenn die Storchentradi- Besuch vorbei, ein Bleiben und Brüten gab tion, die 1735 auch von Emanuel Büchel in es aber nicht mehr. Dr. René Salathé zwei seiner sieben Prattler Gouachen be- stätigt worden ist, wieder aufgenommen werden könnte. Doch leider ist das Prattler QUELLEN: Umland zunehmend storchenfeindlich ge- Alle Zitate aus Zeugin Ernst: Störche in Pratteln worden: Der Pappelweiher ist verlandet, und Schweizerhalle, in Baselbieter Heimatblätter und schon längst gibt es weder in der Lach- Jahrgang 1963, S. 200–207. matt noch an der Ergolz Wässermatten.

Die Aufregung war jeweils gross, wenn die Störche im Frühjahr den Horst auf dem Kirchturm bezogen und mit Klappern ihre Ankunft bekannt machten. Mit Feldste- chern bewaffnet wurde vom Schmiedeplatz aus verfolgt, wie die Quartiernahme sich Eine historische Aufnahme: 1923 nisteten auf abspielte und später, wieviele Jungstorchen- 64 dem Prattler Kirchturm noch Störche. hälse sich aus dem Nestrund in die Höhe derwagen im Bann Pratteln überwintert. Im Bienenhaltung Frühling baut er hier die Völker auf und ver- und Bienenhäuser legt diese nach der Tracht in höher gelegene in Pratteln Gebiete. Ein Wagen bleibt am Standort. 2002 konnten in Pratteln pro Bienenvolk – ein Volk besteht aus einer Königin und je nach Jahreszeit einigen 100 Drohnen sowie 10000 bis 50000 Arbeitsbienen – durch- Wie wichtig die Bienen für die Befruchtung schnittlich elf Kilogramm Honig jährlich ge- der Pflanzen und für deren Fortpflanzung erntet werden (was einem durchschnittlichen sind, ist allgemein bekannt. Über 80 Prozent Jahr entspricht). Die Hälfte der Honigernte aller Bestäubungen erfolgen durch die Ho- ist Blüten-, die andere Blatthonig. nigbienen, deren Existenz und flächende- Die Biene auf einem Weidenkätzchen … ckende Verbreitung ist damit eine Grund- Der Prattler Blütenhonig ist sehr begehrt voraussetzung für den Erfolg in der Land- und wird im Mai/Juni geerntet. Die vielfälti- wirtschaft. Der wirtschaftliche Nutzen der ge Flora und die Artenvielfalt der Blüten ver- Honigbienen in der Schweiz wird auf 90 leihen ihm eine besondere geschmackliche Mio Franken jährlich bei der Honig- und Pol- Note. Es fällt auf, dass sich die Frühjahres- lenproduktion beziffert; die Bestäubungs- tracht verschoben hat. Blühten die Kirsch- tätigkeit bei Nutz- und Wildpflanzen wird bäume in Pratteln früher um den 20. April, auf eine Mia Franken geschätzt. Der ökolo- so geschieht dies jetzt bereits Anfang April. gische Nutzen zeigt sich beim Erhalt der Es hat eine Verschiebung um fast drei floralen Vielfalt und damit auch in der Siche- Wochen stattgefunden. Dies hat zur Folge, rung der Nahrung für Mensch und Tier. dass die Bienenhalter früher mit dem Völ- Ohne Unterstützung der Imker hätte die keraufbau beginnen müssen. Honigbiene keine grosse Überlebenschance mehr. Die Bienen brauchen also die Imker, Bächlein und andere Gewässer sind für die genau so wie die Natur auf die Bienen ange- Gewinnung von Honig sehr wichtig. Ihre … und auf einem Tannenast. wiesen ist. vielfältigen Buscharten blühen im Frühling zu unterschiedlichen Zeiten. Sie verlängern die Fichten liefern Waldhonig und sind mit Die Imker von Pratteln sind standortgebun- die Blütentracht im Frühling. Auch finden dem Blatthonig vermischt. Dieser Honig ist den. Sie hegen und pflegen ihre Völker in die Bienen sauberes Wasser. ebenfalls sehr beliebt. Absatzschwierigkei- Bienenhäuschen oder an festen Ständen. ten kennen die Prattler Imker nicht. Es hat Drei Bienenhäuser stehen auf Bürgergemein- Die Blatthonige werden im Juli/August immer zu wenig Honig und die Erträge de-Boden. Die Völker werden vorwiegend gewonnen. Blattläuse, die den Siebröhren- schwanken von Jahr zu Jahr beträchtlich. in sogenannten Schweizerkästen gehalten. saft der Pflanzen anzapfen, helfen den Bie- Magazine sind die Ausnahme. In Pratteln nen zum Sammelerfolg. Sie verarbeiten die- Bienenprodukte gibt es gegenwärtig 13 ImkerInnen, die 90 sen Saft zu Honig. Vor allem die Linde, der Bienenvölker betreuen, sowie einen Wan- Ahorn und die Eiche erzeugen den Grund- Pollen: Sie enthalten wertvolle Eiweisse, fast derimker, der 45 Bienenvölker in drei Wan- stoff für die Prattler Blatthonige. Aber auch alle essentiellen Aminosäuren, wichtige Fett- 65 säuren sowie zahlreiche Vitamine und Spu- und ist, wie der Kittharz, ein wertvoller Roh- vom Kampf gegen die Varroamilbe, die viele renelemente. stoff für medizinische Präparate. Völker zerstört.

Kittharz (Propolis): Die Bienen verwenden es Diese Bienenprodukte gewinnt allerdings Die Varroa destructor ist ein aggressiver zum Verkitten von Ritzen und zur Desinfek- kein Prattler Imker, sie sind auf Honig «spe- Parasit. Schon ihr Name deutet auf ihre zer- tion ihrer Behausung und des ganzen Wa- zialisiert». störerische Wirkung hin. Seit 1980 kämpft benwerkes. Propolis ist aber auch ein uraltes auch die Prattler Imkerschaft gegen diesen Heilmittel und dient heute noch als wertvol- In letzter Zeit nimmt die Völkerzahl der Bie- Parasiten – mit unterschiedlichem Erfolg. ler Rohstoff für viele medizinische Präparate. nen nicht nur schweizweit, sondern auch in Unaufhaltsam breitete er sich über Europa Pratteln stetig ab. Gab es im Gebiet des Ver- aus. Diese Milbe bedeutet die grosse Sorge Gelée Royal: Mit dem aus den Futtersaftdrü- eins der deutschschweizer und der rätoro- der Bienenhalter. Im Winter 2002/03 fand sen der Ammenbienen (Jungbienen) stam- manischen Bienenfreunde (VDRB) 1987 noch ein ausserordentliches Bienenvölkersterben menden Gelée Royal werden die Larven in 225000 Bienenvölker, so waren es 2002 nur in der Region statt. Im Bezirk Liestal gingen den Königszellen versorgt. Der Gelée mit noch deren 152000. In den beiden Basel 30 Prozent der eingewinterten Bienenvölker seiner antimikrobiellen Wirkung wird auch gingen die Bienenvölker von 8800 im Jahre ein. Der Wärmeeinbruch in den Monaten in verschiedenen medizinischen Präparaten 2000 auf 7900 im Jahre 2002 zurück. Zwei Dezember und Januar löste bei den Bienen verwendet und zur Vorbeugung gegen Gründe sind an diesem Rückgang schuld: eine ungewöhnliche Bruttätigkeit aus. Nor- Erkältungen eingenommen. Erstens ist die Imkerschaft überaltert; viele malerweise sind die Völker in dieser Zeit Alt-Imker geben auf. Zweitens haben Jung- brutfrei. Varroa geschwächte Völker waren Bienengift: Bienengift war ebenfalls schon Imker im hektischen Alltag keine Zeit mehr, nicht mehr in der Lage, sich bei der folgen- in frühesten Zeiten als Heilmittel bekannt noch Bienen zu halten oder sie haben genug den, lange andauernden Kälteperiode im Februar am Leben zu erhalten. Die grosse Bienenstandorte in Pratteln Enttäuschung bei den Imkerinnen und Imkern ist verständlich. Ohne finanzielle Bienenstandorte Anzahl Imker/in Bemerkung Unterstützung der Imkerschaft werden die Völker Bienenvölker in Zukunft auch in Pratteln noch weiter abnehmen. Andreas Häusler Brueacher 20 Häusler Andreas Erli 17 Stohler Hans-Ulrich Ebnet 5Helfenstein Anton QUELLEN: Tal (Eisenbahnwagen) 15 Flückiger Hans Arisdorf Broschüre «Faszination Honigbiene». Mattenacker 8Probst Bernhard Heulenloch 0Dürr Ulrich Schönenberg 1Würsch Margrith Mayenfels Hof 4Wüthrich Marie Neu Schauenburg Hof 4Kärcher Peter Aegelmatt im Weier 2Fischer Salomé Hülften 10 Rohrbach Werner Hardwasser AG 3Mohler Paul Realschule Erlimat 21 Häusler Andreas 66 Widenboden 45 Hodel Franz Wanderimker natürliche Vielfalt. Zuviel Wild im Wald te, und dr Mittailig was gjagt wird, nämm- Jagd in Pratteln würde den Jungwuchs, namentlich die Edel- lich Fäldhaas und Fuchs, sy d Jeeger vom laubhölzer Eiche und Waldkirsche, sowie Jagdlaiter und Wildhüeter Sepp Imhof für die Krautschicht stark beeinträchtigen. Zum en erschte Tryyb rund ums Jagdgebiet heutigen Zeitpunkt lässt der Rehbestand im ufgstellt worde. Jetz isch d Jagd mit em Prattler Wald durchaus eine massvolle Jagd Jagdhorn aabloose worde und d Tryyber sy zu. in einere Linie langsam übers Fäld gloffe. E sone Tryyb isch öppe e Stund gange. Auf Grund von Beobachtungen konnte im Das Jagdwesen im Kanton Baselland wurde Jahr 2001 folgender Wildbestand festge- Ain vo de Jeeger isch an dr Ryystroos under erstmals 1859 gesetzlich geregelt. Diesem stellt werden: eme Chirsibaum gschtande. E schööne Fäld- Gesetz entsprechend stand den Gemeinden haas isch diräkt uf en zuegrennt. Dr Jeeger das Recht zu, die Art und Weise der Jagd- 85 Rehe 20 Dachse schiesst, trifft, dr Haas überschloot sich und ausübung auf ihrem Bann selber festzule- 35 Feldhasen 40 Steinmarder blybt e paar Schritt vo dr Stoss ewägg ligge. gen. Seit 1926 ist die Jagdausübung im 60 Füchse In däm Momänt chunnt e Laschtwaage vo ganzen Kanton einheitlich geregelt. Es gilt dr Schwyzerhalle här. Dr Faarer haltet a, das sogenannte «Revierjagdsystem», wel- Gelegentlich ist auch eine Wildschweinrotte stygt us, packt dr tooti Haas und gheit en in ches die gemeindeweise Verpachtung des von ca. zehn bis zwölf Stück zu sichten. Füererstand. Dr Fahrer stygt i und faart Jagdgebietes über Perioden von jeweils acht Hans Schäublin wyter. De Jeeger sait nochhär: «E sone Sach Jahren vorschreibt. Seit 1959 müssen alle han i no nie erläbt, vor luter luege han i nid Personen, die im Baselbiet zur Jagd gehen, emol chönne d Autinummere ablääse.» Dr eine kantonale Jagdprüfung bestanden Jagdlaiter het denn gmeint: «Gönne mir däm haben, unabhängig davon, ob sie Jagd- Hasejagd im Prattler Fäld Laschtwaagefaarer sy Haasebroote, mir hai e pächter oder Gastjäger sind. schööni und erfolgrychi Haasejagd gha»!

Die Jagdgesellschaft Pratteln besteht zur Wie e Laschtwaagefaarer zum ene D Haasejagd im Fäld cha me hütt nümme Zeit aus sechs Jagdpächtern, von denen Haasebroote choo isch. mache. Es het no Haase, aber au vil Spazier- fünf in Pratteln wohnen. Das Revier Pratteln gänger mit Hünd. Au ischs Prattler Fäld umfasst eine Gesamtfläche von 1070 Hek- Erläbt han ich die Gschicht Ändi Novämber sythär no mee überbout worde, mit Heeg taren, dazu kommen noch 48 Hektaren von 1981 als Edeltryyber – was kai Jeeger isch, yghagt und au d Zyte und Gsinnig vo der der Gemeinde Augst. sondern e Gascht vo dr Prattler Jagdgsell- Bevölkerig hai sich in de letschte zwanzig schaft, e Gmainroot, Bürgerroot oder ebe dr Joor gänderet. Der heutige Jäger ist vor allem ein Heger des Waldchef (Fraue han ich no nie als Tryybere Wildes. Seine Aufgaben umfassen unter erläbt). D Steichüngel, wie d Wildhase au gheisse anderem die Reduktion von übergrossen wärde, renne hüt, vor allen in dr Nacht, am Wildbeständen, die massvolle und dosierte Besammlig isch am achti am Morge bim Autobaanhang in dr Heuere (Hardwald), im Bejagung normaler Wildbestände, die Über- Pumpwärch Lööli. Dr Jagdlaiter, doomols dr Areal vo dr Süryfabrik und Lonza bis aabe wachung der zahlenmässig rückläufigen Willi Löliger, het die 15 Jeeger und sibe Tryy- zur Novartis ummenand. Die Steichüngel sy und gefährdeten Tierarten (z.B. Feldhase) ber stramm begrüesst und gfrogt: «Het übrigens rächt suuberi Tier, die ihri Gschäft- sowie das Informieren der Waldbenutzer. jeede dr Jagdpass und d Yylaadig drbii?» No li immer am glyychen Ort verrichte, das sie Eine richtig durchgeführte Jagd fördert die der Ufforderig, sich waidmännisch z’verhal- als Haase-WC graabe hai. Willy Stohler 67 68 Geschichtliche Streifzüge ... Herr Pfarrer nutzet: Haus, Hof, Scheuer, Stal- Aus dem Visitationsbericht von Daniel Bruckner lung sambt einem Krautgarten. aus dem Jahre 1748 über die Pfründen des Pratt- Ein und eine halbe Mannwerck Matten anfangs ler Pfarrers. des Grabens beim Wasenbrücklein. Ein Mann- Interessant ist der Hinweis, dass die Hexenmatt werck Matten, die Hexenmatte genannt ... einst zum Kirchengut gehörte. sich die nördlichsten Endmoränen, die der Aus Prattelns Rhonegletscher nach seinem Rückzug als Urgeschichte Relikt der Eiszeit ablagerte. Hier auf den eis- freien Höhen Prattelns müssen die nomadi- sierenden Jägertrupps der Altsteinzeit ihr Biwak aufgeschlagen haben, als sie Jagd auf das Urrind, den Riesenhirsch, den Elch, den Waldelefanten und das Waldnashorn veran- stalten. Nur in Pratteln und sonst an keinem Ort der Schweiz lässt sich die Kontinuität der Seit dieser Frühzeit ist Pratteln immer wie- Besiedlung seit der Altsteinzeit – dem Paläo- der als Besiedlungsort aufgesucht worden lithikum – über die Jungsteinzeit – dem und zahlreiche Vertreter der verschieden- Neolithikum – bis zur Bronze- und Eisenzeit sten Kulturstufen haben hier in Pratteln ihre – der sogenannten Kelten- oder Hallstatt- Relikte – Werkzeuge und Gebrauchsgegen- und Latènezeit – bis zur Römerzeit und der stände – oder auch Grabstätten als Zeugnisse darauf folgenden Landnahme durch die ihrer Präsenz hinterlassen. Alamannen und Franken und damit bis in die Zeit des Frühmittelalters und der Neuzeit Die Altsteinzeit (Paläolithikum): nachweisen. Vor350000 Jahren

Die Besiedlung Prattelns nahm vor rund 1974 wurde durch einen Schüler, der in Der Prattler Faustkeil ist mit seinem Alter von 350000 Jahren, in der Warm-Periode zwi- Pratteln Versteinerungen suchte, in der 350000 Jahren das älteste menschliche Werk- schen der sogenannten Mindel- und Riss- «Hohlen Gasse», dem Hohlweg, der südlich zeug, das bislang in der Schweiz gefunden Eiszeit, ihren Anfang. Damals lagen wahr- der Hauptstrasse auf den Geisswald führt, wurde. scheinlich die Hochebenen südlich Prattelns, ein so genannter Faustkeil gefunden. Dieser der «Blözen» und das «Erli», der «Geiss- Faustkeil, ein aus Feuerstein, dem Steinma- Faustkeils und dessen Nachweis in die Kul- wald» und das «Hagenbächli» dicht an terial Silex gearbeitetes, 18 cm langes und turepoche der Altsteinzeit etablierte sich einem letzten Ausläufer des sich zurückzie- an seiner breitesten Stelle 10 cm messendes Pratteln zu dem Ort der Schweiz, in dem die henden Rhonegletschers, der sich in der so Mehrzweck-Werkzeug und ein Kilo wiegen- früheste Anwesenheit des Menschen be- genannten Mindel-Eiszeit, das war vor des Instrument, konnte der Kulturepoche zeugt werden kann. 400000 Jahren, über dem Genfersee in der Altsteinzeit zugewiesen werden. Man zwei Eisströme geteilt hatte. Der westlich nimmt heute an, dass dieser Faustkeil in der Die Wissenschafter konnten ebenfalls nach- orientierte Eisstrom reichte bis ins französi- so genannten Zwischeneiszeit zwischen der weisen, dass das Steinmaterial aus der Hup- sche Lyon, während der andere, der nord- Mindel- und Riss-Eiszeit vor ca. 350 000 Jah- pergrube bei Lausen stammt und dass sich östliche Gletscherstrom, ins schweizerische ren gefertigt und verloren gegangen ist. dort ein natürlicher Aufschluss befand, der Mittelland vorstiess, dieses bis auf eine Unklar ist ebenfalls, ob die Jäger der Alt- den ersten Menschen, die unsere Region Höhe von 1400 Metern mit Eis ausfüllte, das steinzeit sich hier in Pratteln am Ende der während den Warmperioden zwischen zwei Juragebirge überquerte und das Ergolztal Mindel-, bzw. in der warmen Zwischen-Eis- Eiszeiten auskundschafteten, bekannt ge- mit der Gegend des heutigen Liestal und zeit oder schon am Beginn der Riss-Eiszeit wesen sein muss. Im weiteren stellten die Füllinsdorf erreichte. In Füllinsdorf befinden aufgehalten haben. Mit dem Fund dieses Wissenschafter auch noch fest, dass der 71 Faustkeil möglicherweise durch einen aus- Die Bronze- und Eisenzeit bzw. die ufernden Gletscherausläufer der Riss-Eiszeit Hallstatt- und Latènezeit: zum Fundplatz beim Geisswald in Pratteln Vor 3500 Jahren bis 2050 Jahren transportiert wurde, und dass es daher unge- wiss sei, ob auf der Geisswaldhöhe einst alt- Als im Jahre 1841 der Basler Philologe, Pro- steinzeitliche Jäger ein Biwak errichtet haben. fessor W. Vischer, einen mächtigen Grabhü- gel – von den Einheimischen «Prattler Hügel» genannt – beim Eingang des alten, Die Mittel- und Jungsteinzeit heute aufgehobenen Reitweges in die Hard, (Neolithikum): in der Flur «Heueren» öffnen liess, konnte Vor 10000 bis 4000 Jahren er den Befund noch nicht korrekt deuten. Im Jahre 1960 entdeckte der Baselbieter Professor W. Vischer nahm an, weil sich in Urgeschichtsforscher, Kurt Rudin, auf dem der Grabhügelaufschüttung auch Reste von «Blözen» einen Siedlungsplatz aus der Zeit römischen Leistenziegeln nachweisen lies- der Mittel- und Jungsteinzeit und barg im sen, dass die Grabanlage, in der mehrere Zuge einer durch die Anlage des Friedhofs Personen bestattet wurden, aus der römi- Blözen eingeleiteten gezielten Ausgrabung schen bzw. der unmittelbar darauffolgen- über 10 000 steinzeitliche Artefakte aus den Kulturepoche stammen müsse. Damals Silex und zehn Steinbeile, deren älteste war die Chronologie und die Einteilung der Funde der Mittelsteinzeit und deren jüngste Bronze- und Eisenzeit in die Perioden der der Jungsteinzeit zugewiesen werden konn- Früh- und Mittelbronzezeit sowie der Zeit ten. Die Wissenschafter nehmen an, dass der Kelten mit der Hallstatt- und Latènezeit der Siedlungsplatz «Blözen» durch noch noch nicht bekannt. Trotzdem darf man Pro- Dieser, 1999 aus der Baugrube beim «Kästeli» nicht sesshafte Jäger und Sammler, also fessor Vischer attestieren, mit besonderer geborgene Eichenstamm, mass 12 m, und war durch Nomaden, temporär genutzt wurde. Aufmerksamkeit und entgegen den damali- gemäss dem C14-Test und der Dendrochronolo- gen Gepflogenheiten die Bergung der Ob- gie-Untersuchnung über 4000 Jahre alt. Weitere neolithische Funde wurden auch jekte vorgenommen und diese inventarisiert 1999 bei der Ausschachtung der Überbau- zu haben. Nachgrabungen im 20. Jahrhun- bahnanschlusses, wurde ein Grabhügel, der ung «Kästeli» mit Einfamilienhäusern zu dert bestätigten den archäologischen Be- sich noch als kaum wahrnehmbare Über- Tage gefördert. Dort lag einst ein Weiher, fund des Forschers eindeutig. höhung im Wald zu erkennen gab, gestört. der im Laufe der Zeit verlandete und an des- Ein damaliger Hobby-Archäologe stellte sen Ufer sich die Menschen der Jungstein- Heute wissen wir, dass der «Prattler Hügel» nach der Ausgrabung den ursprünglichen zeit, die als Sammler und Jäger noch nicht nur ein Teil einer grossen Grabhügel-Nekro- Zustand wieder her, wartete ein paar Mona- sesshaft waren, niederliessen. pole – eines ausgedehnten Gräberfeldes – te und meldete den Fund an das Kantons- war, die sich damals im Hardwald in der Flur museum Liestal. Dieses liess den Grabhügel Ein weiterer neolithischer Fund – ein sehr «Heueren» befand und sich bis zu den Indu- durch Fachpersonen ausgraben und unter- schön gearbeitetes und geschliffenes Stein- striebauten der heutigen Schenectady aus- suchen, musste aber feststellen, dass der beil aus grünem Serpentin – wurde in der dehnte, und die immer wieder Zielobjekt von Grabhügel schon zur Zeit des Frühmittelal- Prattler Rheinebene, auf dem «Steinhölzli», Schatzgräbern wurde. Noch in den fünf- ters gestört wurde und dass die zu erwar- gefunden. Ebenso sind auf der Flur «Oggi- ziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, tenden Grabbeigaben bereits entnommen 72 matt» Steinwerkzeuge gefunden worden. im Zuge der Erstellung eines neuen Salinen- worden waren. Erst nach dem Tode des Hobby-Archäolo- gen, der seinen Nachlass der wissenschaftli- chen Forschung überliess, fand man in den hinterlassenen Korrespondenzen den Hin- weis darauf, dass dieser vor der Fundmel- dung an das Museum den Grabhügel und dessen Hauptbestattung ausgegraben und die Beigaben an sich genommen und in seine Sammlung integriert hatte.

Unter den aus dem Grabhügel geborgenen Objekten fand sich im Nachlass als ausser- gewöhnliche Kostbarkeit auch eine Henkel- attasche einer etruskischen Bronzekanne in Form eines Silenkopfes. Dieser Fund – so fol- gern die Wissenschafter – ist ein untrügli- ches Zeichen dafür, dass hier ein Mitglied der damaligen keltischen Oberschicht bestattet worden ist und dass es sich um das erste Fürstengrab überhaupt handeln würde, das in der Nordwestschweiz ent- deckt worden wäre. Solche Grabstätten werden heute Fürstengräber genannt, weil nur Exponenten aus der keltischen Ober- schicht die Beziehungen und die finanziel- len Mittel besassen, Prunkgeschirr, wie eine etruskische Bronzekanne des fünften Jahr- Den im 5. Jh. v. Chr. im «Prattler Hügel» bestatteten Toten gab man den persönlichen Schmuck mit auf hunderts oder bemalte griechische Vasen die Reise ins Jenseits. sowie wertvollen Goldschmuck, zu erwer- ben. Die Bronzekanne, zusammen mit an- befunden haben. Tatsächlich hat man nach den sind. Damit wird auch der Spekulation deren unbekannten Schätzen, wurden dem jahrelangen Recherchen die Siedlung vor wieder mehr Raum gegeben, dass sich der Prattler Keltenfürst mit in den Tod gegeben. ein paar Jahren in unmittelbarer Nähe ent- Ortsname Pratteln vielleicht doch und ent- Leider wurde auch das Prattler Fürstengrab, deckt und der vorläufige Fund, der aus Ton- gegen aller wissenschaftlichen Befunde der wie zahlreiche andere im Elsass und in Süd- scherben und Bronzeobjekten besteht, lässt Ortsnamenkunde, aus dem Keltischen ent- deutschland, durch Grabräuber bereits kurz hoffen, dass sich in Pratteln eine keltische wickelt hat, wie dies der frühere Prattler nach der Grablegung geplündert. Siedlung der sogenannten Hallstatt- bzw. Ortshistoriker Dr. h.c. Ernst Zeugin und auch Latènezeit erhalten hat. Es wäre dies nicht der Landschafts-Mythologe Dr. K. Derungs Wenn aber ein Keltenfürst in einem Grab- der erste keltische Fundplatz Prattelns, son- vermuten. Zeugin verfocht die Theorie, dass hügel in der Hard bestattet worden ist, muss dern der neue schliesst sich demjenigen am sich Pratteln aus Bratu = keltisch Gerichts- sich unweit der Grabhügelnekropole auch Meierhofweg an, wo ebenfalls die Überre- stätte, Gericht entwickelt haben könnte. die Siedlung des namenlosen Keltenfürsten ste einer keltischen Siedlung entdeckt wor- Das keltische Fürstengrab im Hardwald bei 73 Pratteln und die Keltensiedlung in unmittel- Die Gründung der Colonia Raurica im Jahre barem Umkreis könnten diese Theorie stützen. 44 v. Chr. durch den früheren Kriegsgefähr- ten und Legaten Cäsars, Munatius Plancus, Aber auch auf dem «Madlen», dem ehema- muss den früher hier siedelnden Bewoh- ligen Standort der Madlenburg, die im letz- nern ihr Gebiet entzogen und diese in ein ten Viertel des 13. Jahrhunderts durch die unauflösbares Abhängigkeitsverhältnis über- Adelsfamilie der Eptinger errichtet worden führt haben. Diese erhielten aber auch die ist, fanden sich Tonscherben aus der Hall- Chance, sich in den Dienst der im zweiten stattzeit. Es ist deshalb anzunehmen, dass Jahrhundert n. Chr. 20000 Einwohner auf- die damaligen Prattler Kelten die Madlen- weisenden Stadt zu stellen und dort auf höhe als Refugium – als Fluchtburg – ge- dem Stadtmarkt ihre landwirtschaftlichen nutzt haben. Produkte und Waren anzubieten. Als grosse Auf dem aus dem römischen Fundkomplex Ausnahme erhielten die Einwohner der «Kästeli-Acker» geborgenen Ziegel hat ein Hund Colonia Raurica bereits bei der Kolonial- Die Zeit der Römer, Alamannen und seinen Pfotenabdruck hinterlassen. Die Aegel- gründung das römische Bürgerrecht. Franken: Vor 2050 bis 1400 Jahren matt-Schüler der 4b tauften den Hund auf den Vom Verfasser des«Gallischen Kriegs», dem Namen Fifius. Die Folge davon war, dass hier in Pratteln – römischen Diktator auf Lebenszeit und Feld- dem römischen Pratellum – zahlreiche Land- herrn Julius Cäsar, wissen wir, dass die hier treffen, um über die dortige Brücke ins Rho- wirtschaftsbetriebe, so genannte römische in Pratteln und in der Region siedelnden netal – damals eine römischen Provinz – zu Villen entstanden. Mehrere dieser Gutsbe- Völkerschaften – die Rauriker und die Helve- ziehen. Julius Cäsar erhielt Kundschaft von triebe in unmittelbarer Nähe Augsts sind tier – sich im Jahre 58 v. Chr. entschlossen, dieser Absicht und verwehrte den Völker- bereits lokalisiert. Ein sehr grosser befand das Land zu verlassen. Anlass dazu war die schaften den Übergang über die Rhone. sich auf der unüberbauten Wiese nördlich ständige Bedrohung durch die rechtsrheini- Nach zahlreichen Querelen und einem Aus- der Muttenzerstrasse im Gebiet des Kästeli, schen Völkerschaften, die immer wieder in weichmanöver der Kelten über die Saône wo im Frühjahr 2003 die Primar-Schulklasse die fruchtbaren Gebiete einbrachen und die kam es schliesslich zur militärischen Ausein- von Frau Schäublin bei der systematischen Bewohner um den Erfolg ihrer Arbeit brach- andersetzung zwischen den römischen Absuchung des Geländes drei römische ten. Gestützt auf diese Tatsache beschlos- Legionären und den Kelten vor der Stadt Münzen, ein römisches Ziegelfragment mit sen die Kelten, in das fruchtbare Rhonetal Autun, dem Bibracte Cäsars. Hundepfoten-Abdruck und zahlreiche Ge- zu ziehen. Dieses war ihnen durch die Han- fäss-Scherben fand. Die gefundenen römi- delskontakte, die sie zu den Völkerschaften Die Folgen sind bekannt: Die Ausgewander- schen Münzen, ein Sesterz, das ist eine an der Rhonemündung und zur Handelsstadt ten mussten nach der militärischen Nieder- Grossbronze, des Kaisers Antoninus Pius Massilia, dem heutigen Marseille, pflegten, lage wieder in die verlassenen Siedlungs- (138–161 n. Chr.), ein As, eine Mittelbron- vertraut. Den auswandernden Kelten war bereiche zurückkehren und die römische ze, des Kaisers Hadrian (117–138 n. Chr.) von ihren Heerführern befohlen worden, Kolonialstadt – die Colonia Raurica, das spä- und eine Münze des Kaisers Valentinian I. ihre bisherigen Wohnstätten zu verbrennen tere Augusta Raurica – wurde durch die (364–375 n. Chr.) belegen, dass der Guts- und sich für die Reise in die Provence mit Römer als Stützpunkt und Strassenknoten- hof bis zum Ende der Römerherrschaft entsprechender Verpflegung für Mensch punkt und zur Sicherung der römischen bestand und nicht – wie immer wieder und Tier auszurüsten. Es war verabredet, Strassen aus dem Rhonetal und aus Germa- postuliert wird – im Zuge des Alamannen- sich am 30. März des Jahres 58 v. Chr. am nien über den Bözberg und den Hauenstein Einfalls im Jahre 260 n. Chr. aufgelassen 74 Ausfluss der Rhone aus dem Genfersee zu ins schweizerische Mittelland errichtet. wurde. Interessant ist der Münzenbeleg von Kaiser Valentinian I., denn dieser weilte, wie Steinmaterial abgesehen hatte und dieses weisen. Da die Landnahme der Alamannen uns der Historiker Ammianus Marcellinus überall, wo man es vorfand, einem sinnvol- mit der sogenannten Lautverschiebung ein- schildert, am 10. Juli des Jahres 374 n. Chr. len Recycling sprich Wiederverwendung herging, müsste Pratteln, wenn hier einst- in Basel (Basilia), wo er den in der Nähe gele- zuführte. mals Alamannen gewohnt hätten, heute genen Festungsbau, den die Einheimischen Pfratzelen heissen. Ein Hinweis mehr, dass «Robur» nannten, überwachte. Ein weiterer Um das Jahr 400 herum neigte sich die man hier in Pratteln bis ins 8. Jahrhundert römischer Gutshof befand sich östlich des Römerherrschaft ihrem Ende zu. Immer wie- noch romanisch, also lateinisch, gesprochen Hardeingangs und nördlich der Eisenbahnli- der wurden die römischen Gebiete durch hat. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass zur nie. Der grösste mit dem luxuriös und mit die rechtsrheinischen Alamannen gebrand- Zeit, als die Mönche des Klosters Murbachs Säulen ausgestatteten Herrenhaus befand schatzt und geplündert. Nach dem Fall des hier in Pratteln ihren Besitz antraten, auf sich dort, wo sich heute das «Höche Huus», Limes an der Donau- und Mainlinie im Jahre romanisch sprechende Leute stiessen, die südwestlich der Kirche erhebt. Das 1747 260 überstürzen sich die Ereignisse. Die ihre Sprache verstanden. Fritz Sutter erbaute «Höche Huus» steht auf römischen römische Grenze musste an den Rhein zu- Grundmauern; bei seinem Bau hat man den rückgenommen werden und in Kaiseraugst QUELLEN: vorgefundenen römischen Keller in den Neu- wurde das Kastell Rauracense um das Jahr Archäologie der Schweiz: Sondernummer. Die bau integriert. Der grosse römische Gutshof 300 herum als ummauerte Grenzfestung Helvetier und ihre Nachbarn als Identifikationsfi- dürfte auch der Anlass dafür gewesen sein, erbaut. Die durch den Alamannensturm zer- guren der heutigen Schweizer. Theorien und dass man im frühen Mittelalter auf diesem störte Stadt Augusta Raurica wurde aufge- Auswirkungen. Basel, 14. Jahrgang, Nr. 1, 1991. vom Talbach durchflossenen Territorium die geben, die Zivilbevölkerung fand Schutz im Burckhardt-Biederrmann, Th.: Statistik keltischer, erste Prattler Kirche errichtet hatte. Weitere Kastell. Damit wurde auch den Landwirt- römischer, frühgermanischer Altertümer im Kan- römische Gutsbetriebe sind im Gebiet schaftsbetrieben weitgehend ihre Existenz ton Basel (mit Ausschluss der Gebiete von Augst «Krummen Eich», im «Schlossacker», lokali- entzogen und diese mussten nach und nach und Basel). Basler Zeitschrift für Geschichte und siert worden, wo angeblich ein römischer aufgegeben werden. Altertumskunde. IX. Band, 2. Heft. Basel, 1909. Siegelring mit einem gravierten Edelstein Ewald, J. und Tauber, J.: Tatort Vergangenheit. gefunden wurde. Die 1999 entdeckten Es ist kaum anzunehmen, dass hier in Prat- Ergebnisse der Archäologie heute. Basel, 1998. römischen Industriebetriebe an der Haupt- teln die Alamannen die Siedlungsnachfol- Festschrift Elisabeth Schmid: Ein altpaläolithi- strasse mit den Bronze- und Eisengiesserei- ger der Römer wurden. Dies hängt vor allem scher Faustkeil aus Pratteln BL. Basel, 1977. en belegen, dass Pratteln zur Römerzeit damit zusammen, dass die Alamannen, die Jud, Peter: Die spätkeltische Zeit am südlichen stark besiedelt war und dass diese Industrie- den Holzbau praktizierten, die Steinbauten Oberrhein. Basel, 1994. betriebe bis ins 5. Jahrhundert, d.h. bis ins und Gutshof-Ruinen der Römer mieden. Nah dran, weit weg. Geschichte des Kantons Frühmittelalter hinein, benutzt worden sind. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass Basel-Landschaft. 6 Bände. Liestal, 2001. Auch in der Baugrube des Landi-Neubaus Spuren, die von Alamannen stammen könn- Marti, Reto: Zwischen Römerzeit und Mittelalter. fanden sich römische Relikte, ebenso beim ten, sich in Pratteln nur spärlich finden. Be- Liestal, 2000. Bau der Einfamilienhäuser nordöstlich des kannt ist ein so genanntes Steinkistengrab Vischer, W.: Beschreibung einiger Grabhügel bei Bürgerhauses. Es ist anzunehmen, dass sich beim alten Scheibenstand im «Erli» und bei- Basel. Der Pratteler Hügel. Zeitschrift der vater- noch weitere römische Gutsbetriebe in der gabenlose Gräber, die aber auch fränki- ländischen Altertümer. Zürich, 1842. Gemarkung Prattelns, insbesondere im öst- schen Ursprungs sein könnten, im Gebiet Visitation der römischen Funde, die die Primar- lichen Teil, finden werden. Die Chancen der «Krummeneich». Dass in Pratteln nie Schulklasse von Frau Schäublin im Frühjahr 2003 aber, noch umfangreiche Ruinen vorzufin- Alamannen sesshaft geworden sind, lässt auf dem Kästeli-Acker fand. den, gelten als sehr gering, weil man es sich nach Prof. W. Bruckner auch an der besonders im Mittelalter auf das wertvolle Ausprägung des Ortsnamens Pratteln nach- 75 punkt der deutschen Kaiser gegen den Pratteln und das Papst, der die Weltherrschaft anstrebte, und Kloster St. Alban begleitete Kaiser Heinrich IV. auch auf des- sem winterlichen Büssergang zum Papst Gregor VII. nach Canossa, um vom Kir- chenbann erlöst zu werden, den der Papst am 15. Februar 1076 über ihn verhängt hatte.

Das Kloster St. Alban wurde durch den Bas- Zusammen mit dem Basler Bischof Burkhard ler Bischof Burkhard von Fenis (das heutige von Fenis und mit dem Abt Hugo von Cluny, Vinelz) im Jahre 1083 ausserhalb des östli- dem Taufpaten des Kaisers, trat Heinrich IV. chen Basler Stadtbezirks und auf bewalde- mit andern ihm treu ergebenen Kirchenfür- tem Gebiet, das an die Birs grenzte, gegrün- sten und seiner Gemahlin und seinem Sohn det und als Kirchenpatrone wurden die Got- Konrad über das Burgund und den Mont tesmutter und St. Alban, den der Bischof aus Cenis den Zug nach Canossa in Oberitalien seinem früheren Wirkungsort Mainz nach an. Seine Begleiter hatten Kaiser Heinrich IV. Das Siegel des Basler Bischofs Burkhard von Fenis, Basel gebracht hatte, eingesetzt. Das Klo- im sogenannten Investiturstreit, nämlich im Gründer des Klosters St. Alban, im Jahre 1083, ster selbst – ein sogenanntes Priorat – wur- Streit um das Primat der obersten Instanz im unter der Gründungsurkunde von 1103. de dem Abt des Reformklosters Cluny im deutschen Reich, engagiert und loyal unter- Burgund unterstellt, mit dem der Basler stützt. Durch den sogenannten schicksals- 25. bis zum 28. Januar 1077 in der klirren- Bischof freundschaftlich verbunden war. haften Gang nach Canossa im Januar 1077, den Eiseskälte vor den Mauern der Felsen- Bischof Burkhard von Fenis ist der erste Bas- einem der härtesten Winter des Jahrhun- burg Canossa und bekundete im Büsser- ler Bischof, von dem verlässliche Angaben derts, der in die Weltgeschichte eingehen hemd und mit blossen Füssen die Grösse über dessen Herkommen, dessen Familie sollte, erzwang Heinrich IV. von Papst Gre- seiner Reue. Heinrich IV. hatte mit diesem und dessen Werdegang überliefert sind. Als gor VII. die Lösung des Kirchenbannes, den Büssergang die Lösung des politisch moti- treuer Gefolgsmann der deutschen Kaiser der Papst 1076 ausgesprochen hatte; seine vierten Kirchenbannes erreicht, denn mit Heinrich III., † 1056, und Heinrich des IV., Standhaftigkeit bezüglich seiner Funktion dieser Bannung wollte der Papst den ihm zu †1106, unterstützte der Bischof im soge- als oberste Instanz des deutschen Reiches mächtig gewordenen Kaiser Heinrich IV. nannten Investiturstreit engagiert den Stand- wurde belohnt. Der Kaiser selbst stand vom sogar als oberste Instanz des deutschen Reichs absetzen und einen ihm genehmen und manipulierbaren deutschen Fürsten auf der bereits anberaumten Synode vom 2. Februar 1077 in Augsburg zum deutschen König und Kaiser küren lassen. Aber die politische Kalkulation des Papstes ging nicht auf; es war schliesslich Papst Gregor VII. der, nachdem ihn Kaiser Heinrich IV. für abge- Im Urkundenkonzept des Grundbesitzes des Klosters St. Alban (1101–1103) werden erstmals die fünf setzt erklärt hatte, einem Gegenpapst wei- Baselbieter Ortschaften Oberwil, Pratteln, Gelterkinden, Thürnen und Hölstein (3. Zeile von oben ) chen musste und am 25. Mai 1085 verbit- 76 zusammen mit andern Ortschaften aus dem Sundgau und dem Breisgau erwähnt. tert in Salerno starb. Seine Ideen, eine vom Papst regierte Welt zu verwirklichen, waren Rheins setzt der Bischof den edlen Mann, gescheitert. den Grafen Rudolf von Homberg, zum Vogte; auf der andern (rechten) Seite des Bischof Burkhard von Fenis wurde wahr- Rheins den T. (Theoderich) Herrn (dominum) scheinlich um 1040 als Sohn des Grafen von von Röteln; beide sollen die Leute (homines) Fenis geboren und für die geistliche Lauf- und den Besitz des Klosters getreu beschüt- bahn bestimmt. 1069 finden wir Burkhard zen...». Bischof Burkhard von Fenis, der die von Fenis am Hof des Erzbischofs von Mainz erste Stadtmauer in Basel aus den Spolien und 1072 wurde er als Bischof von Basel des Abbruchs der römischen Kastellmauer erwählt. Im Jahre 1083 gründete er das Klos- Kaiseraugsts errichtet hatte, starb am 12. ter St. Alban und im Jahre 1103 wurde aus April 1107, nur ein Jahr nach seinem Wohl- den beiden noch vorhandenen Urkunden- täter, Kaiser Heinrich IV. Zwei Siegel des Klosters St. Alban mit dem Kloster- Konzepten, die zwischen 1101 und 1103 patron, dem Heiligen Alban, aus dem 13. Jahr- entstanden sind, die vom Bischof besiegelte Gemäss dem Zinsbuch des Klosters St. hundert. Stiftungsurkunde erstellt, in der der Ortsna- Alban besass das Kloster in Pratteln einen me Pratteln als Bratello bzw. Bratillo erst- Meierhof mit Grundbesitz von neun Schup- die Ablieferung der Schupposezinsen im mals urkundlich erwähnt wird. Wer dem posen. Schuppose ist ein altes Landmass, Umfange von 36 Schilling und neun Hüh- Kloster St. Alban diesen Besitz geschenkt dessen Grösse heute nicht mehr zu ermit- nern, also je vier Schilling Geldes und eines hatte, lässt sich wegen Fehlens der Schen- teln ist. Die Inhaltsangaben einer Schuppose Huhns pro Schuppose. Viernzel ist ein altes kungsurkunde heute nicht mehr eruieren. variieren von 250 bis 300 Aren, also 2,5 bis Hohlmass für Trockenfrüchte und beinhalte- Möglicherweise stammt die Schenkung aus 3 Hektaren. Zusätzlich besass das Kloster te 273 Liter. jenem Besitz, den König Heinrich III. der Bas- noch 18 Mannwerk Wiesen und Wald (ein ler Kirche und dem Bischof Theoderich von Mannwerk entsprach 42 Aren), eine Juchar- Im Jahre 1333 ist auch ein sogenanner Basel am 1. Mai des Jahres 1041 überant- te Reben (28 Aren) sowie einen Baumgar- Hofrodel, auch Weistum benannt, des Ding- wortete, als der König dem Bischof die Graf- ten. Der Grundbesitz des Klosters St. Alban hofes zu Pratteln aufgesetzt worden, der im schaft Augst – «Augusta vocatum in pagis in Pratteln umfasste somit an die 35 Hekta- Jahre 1840 vom berühmten deutschen Ger- Ougstgove et Sisgove situm» – in der auch ren, das entspricht einer Fläche von gerade manisten Jacob Grimm und 1860 vom Bas- Pratteln gelegen war, zu Eigentum schenkte. 3,5 Prozent der heutigen Gesamtfläche von ler L.A. Burckhardt publiziert wurde. Ge- Die entsprechenden Passagen des definitiven 1079 Hektaren, aber doch über sieben Pro- mäss dieses Dinghofrodels kam jeweils der Güterverzeichnisses lauten auszugsweise: zent des heute nutzbaren Acker- und Wies- Schaffner des Klosters St. Alban am Hilarius- «... zwei Mansus in der Villa Binningen; landes von 487 Hektaren. Also ein überaus tag – das ist der 13. Januar – nach Pratteln, Rheinweiler (Rinvilar); Anbringen (Anparin- ansehnlicher Besitz! Auf dem sogenannten um hier die Hofzinsen einzutreiben. Der gen); Habsheim (Habenkensheim); Gutzwi- Meierhof sass der Meier, der jeweils die Zin- Schaffner setzte sich bei Anbruch der Nacht ler; Sierenz (Sierinzo); zu Westhalen einen sen der Schupposegüter einzusammeln unter freiem Himmel nieder und wartete, Hof mit Weinbergen; Uffheim (Ufeheim), hatte. Sowohl das Meiertum wie auch die sobald sich die Sterne am Himmel zeigten, Ranspach (Ramespache); Michelbach (Michi- Wiesen wurden jeweils nur auf Lebenszeit auf den geschuldeten Zins. Säumten die lenbache); Oberwil (Oberwilre, Kt. Baselland); vergeben. Als Zins wurden 1371 zehn Viern- Zinsschuldner, so stand der Schaffner auf Pratteln (Bratillo); Gelterkinden (Gelterkin- zel Dinkel, sechs Viernzel Hafer und dazu und begab sich in die Herberge – wahr- gen); Thürnen (Durnum); Hölstein (Holstein), eine Schweinabgabe erhoben, die aber scheinlich den früheren «Engel» – und die Mett bei Biel (Metin). Über alle genannten längst in Geld umgewandelt worden war. Zinsschuldner hatten am Folgetag den dop- Höfe auf dem diesseitigen (linken) Ufer des Der Inhaber des Meierhofes übernahm auch pelten und nach einem weiteren Tag das 77 erhalten. Neben dem Flurnamen St. Alban- Matte erinnert auch noch die St. Alban- Strasse an den ehemaligen Klosterbesitz. Aber auch Objekte, die die Rechtssicherheit des Klosterbesitzes garantierten, haben sich gefunden. So hat der frühere Bürgerrat und Waldchef, Willy Stohler, in einer Waldpar- zelle beim Madlen einen Güterstein ent- deckt, der auf einem diagonalen Band in gotischen Buchstaben mit St. Alban bezeichnet ist und noch aus dem 16. Jahr- hundert stammen dürfte und auch Emil Jehle hat, als das Gebiet St. Alban-Matte parzelliert und überbaut wurde, auf seinem Grundstück einen mächtigen Güterstein aus Degerfelder Sandstein entdeckt und sichergestellt, der die nämlichen Besitzer- Der Güterstein des Klosters St. Alban auf dem aufschrift, nämlich St. Alban, in gotischen Madle. Datiert 1588. Lettern aufweist. 12 Hühner. Das Viernzel Rittermass beinhal- Nach der Reformation und der Klostersäku- tete 290 Liter und war grösser als das nor- larisation von 1529 ging der gesamte Pratt- male Viernzel, das nur 273 Liter aufwies. ler Klosterbesitz an den Kirchenbesitz der Die an das Kloster St. Alban bzw. an dessen Stadt Basel über. Erstaunlich aber ist, dass Rechtsnachfolger für die Prattler Klostergü- Ein Güterstein des Klosters St. Alban von der die Prattler Güter des früheren Klosters St. ter zu leistenden Bodenzinsen bis zum Prattler St. Alban-Matte mit der diagonal ange- Alban in zwei Bereinen – das sind Güterver- Loskauf der Zehnten im Jahre 1810 betru- brachten Bezeichnung «St. Alban». zeichnisse – auf uns gekommen sind. Im gen somit 12 Viernzel Korn, 6 Viernzel Hafer sogenannten «Kleinen St. Alban-Berein» und 14 Hühner. Vierfache des geschuldeten Zinses zu be- und im «Grossen St. Alban-Berein», die in zahlen. Von den eingegangenen Geldern den Jahren 1792 und 1793, bzw. 1763 rek- Diese beiden Bereine belegen, dass die Erin- überliess der Schaffner den Herren des Dor- tifiziert worden sind, werden diejenigen nerung an das Kloster St. Alban als ehemali- fes – den beiden Eptinger-Familien, die ein Güter ausgewiesen, die einst dem Kloster ger Grundherr hier in Pratteln nie erloschen und drei Viertel des Dorfes zu Lehen hatten St. Alban gehörten. Zinstermin war aber ist und dass bis zum Zehntenloskauf im – jeweils ein Pfund. Dies als Entgelt für nicht mehr der Hilariustag am 13. Januar, Jahre 1810 der ehemalige Prattler Kloster- Schutz und Schirm, den die Eptinger dem sondern jetzt der Martinstag, der 11. No- besitz nie aufgeteilt oder auseinandergeris- Meierhof und den Eigenleuten des Klosters vember. Die geschuldeten Bodenzinsen be- sen wurde. Am 2. Mai des Jahres 1813 wird in Pratteln gewährten. trugen beim Kleinen Berein vier Viernzel im Protokollbuch des Prattler Verhörge- Korn, zwei Viernzel Hafer und zwei Hühner. richts, das aus dem damaligen Gemeinderat Der Grundbesitz des Klosters St. Alban und Die Zinslast des Grossen Bereins betrug acht bestand, Jakob Schwob zu einer Busse von die Erinnerung an den ehemaligen Grund- Viernzel Korn und zwar Rittermass, vier zwei Franken verurteilt, weil er auf wieder- 78 besitzer hat sich in Pratteln bis in die Neuzeit Viernzel Hafer, ebenfalls Rittermass, sowie holte Aufforderung hin den «Grossen Be- Gilomen, Hans-Jörg: Die Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates St. Alban im Mittel- alter. Quellen und Forschungen zur Basler Ge- schichte, Band 9. Basel, 1977. Grimm, Jacob: Weistümer. Band 1. Dinghof zu Brattelen. Erstausgabe Kassel, 1840. Jehle, Emil: Persönliche Mitteilungen sowie Erstel- lung des Plans betreffend Fund des Gütersteins St. Alban. Massini, Rudolf: Das Bistum Basel zur Zeit des Investiturstreits. Basler Beiträge zur Geschichts- wissenschaft, Band 24. Basel, 1949. Mulsow, Hermann: Mass und Gewicht der Stadt Basel bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Inau- gural-Dissertation. Lahr, 1910. Rück, Peter: Die Urkunden der Bischöfe von Basel bis 1213. Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte, Band 1. Basel, 1966. Schnell, Joh.: Rechtsquellen von Basel, Stadt und Land. 2 Teile in 3 Bänden. Basel, 1856–1865. Stohler, Willy: Persönliche Mitteilungen. Trouillat, J.: Monuments de l’histoire de l’ancien Evêché de Bâle. Porrentruy, 1852 Wackernagel, Rudolf et al.: Urkundenbuch der Stadt Basel, 11 Bände. Basel, 1890–1910. Wies, Ernst W.: Kaiser Heinrich IV., München, 1996.

Der Dinghof des Klosters St. Alban befand sich wahrscheinlich dort, wo sich heute der Meierhof befindet. rein» des Klosters St. Alban noch nicht zu- QUELLEN: rückgegeben hat. Die beiden Prattler Berei- Bereine Kloster St. Alban für Pratteln: So genann- ne, die bislang noch nie publiziert worden ter Grosser und Kleiner Berein. Handschriften. Pri- sind und den ehemaligen Grundbesitz be- vatbesitz. nennen und lokalisieren, schliessen nicht Bruckner, Daniel: Versuch einer Beschreibung nur die zeitliche Lücke vom letzten Berein historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten des Klosters St. Alban für Pratteln, der vom der Landschaft Basel. Faszikel 3: Prattelen. Basel, 3. September 1487 datiert, sondern sie ge- 1749. ben auch Zeugnis für das Weiterleben des Burckhardt, L. A.: Die Hofrödel von Dinghöfen Klosters St. Alban in der Erinnerung der baselischer Gotteshäuser an Oberrhein. Basel, Prattler Bevölkerung. Fritz Sutter 1860. 79 Die Eptinger von Pratteln waren die bedeu- Die Eptinger in tendste der über dreissig Eptinger Familien, Pratteln die sich durch ihre verschiedenartigen Krei- ger unterschieden und besassen im 14. und 15. Jahrhundert zahlreiche Erblehen im da- maligen Sisgau, dem heutigen Baselbiet. Sie führten als Vertreter des Landadels, der einen höheren Stellenwert als der Stadtadel besass, auch die Ritterpartei der Sterner an Die Geschichte des Adelsgeschlechtes der und wurden, weil sie sich immer wieder mit Eptinger ist eng mit demjenigen der Habs- dem Basler Bischof und mit dessen Partei, burger und der Herzöge von Österreich ver- den Psittichern, auseinandersetzten, mehr- bunden, mit denen die Eptinger wahr- mals aus Basel, wo die Eptinger ihre Stadt- scheinlich verwandtschaftlich liiert waren, höfe besassen, ausgewiesen. Dass die Eptin- und beginnt in Pratteln im letzten Viertel ger zum Uradel der Region gehörten, zeigt des 13. Jahrhunderts, als zwei Familienzwei- sich auch in ihrer Herkommenssage, nach Massstab- und materialgetreue Kopie des Reiter- ge der Eptinger, die ihre Stammburgen in der das Geschlecht der Eptinger auf den fähnleins, das der Prattler Dorfherr, Thüring von Eptingen errichtet hatten, die Herrschaft Römer Sergius Lucius Catilina, der im Jahre Eptingen, zusammen mit seinem Leben in der Pratteln von den Herzögen von Habsburg zu 62 v. Chr. als Folge der so genannten Catili- Schlacht bei Sempach am 9. Juli 1386 verlor. Das Lehen erhielten und hier in Pratteln die nischen Verschwörung sein Leben verlor, Original der Fahne befindet sich im Heeresge- Madlenburg auf dem «Madlen» und das auf dessen beiden Söhne zurückgehen soll. schichtlichen Museum in Wien. Weiherschloss als so genannte Niederungs- Im Mittelalter war es für eine Adelsfamilie burg, die den Namen des Dorfes übernahm, unabdingbar, einen Stammbaum vorzeigen dem damals Pratteln gehörte, haben es die in der Dorfebene errichteten. In den Besitz zu können, der bis auf die Römer zurück- Habsburger zu Beginn des 13. Jahrhunderts des Dorfes teilten sich zwei Familien, die reichte. Noch vornehmer galten diejenigen verstanden, die Herrschaft über Pratteln aus Eptinger vom Madlen, denen die Madlen- Adelsfamilien, die ihren Stammbaum auf die dem Klosterbesitz herauszulösen und die- burg und ein Viertel des Dorfes gehörten, Trojaner, wie beispielsweise die der französi- sen Besitz an die Herzöge von Habsburg und die Eptinger von Pratteln, die das Wei- schen Könige, zurückführen konnten. weiter zu geben. Diese haben dann im 13. herschloss – die Niederungsburg, die den Jahrhundert die ihnen verwandtschaftlich Namen des Dorfes annahm – und drei Vier- Die Eptinger selbst treten erst am 17. April verbundenen und treu ergebenen Eptinger tel des Dorfes besassen. Beide Eptinger Fa- des Jahres 1189 ins Licht der Geschichte, als mit der Herrschaft Pratteln als Erblehen des milien errichteten in Pratteln ebenfalls ihre ein Gottfried von Eptingen eine Urkunde des ehemaligen Klosters Murbach betraut. Im Verwaltungsinstitutionen, die so genannten Klosters Schönthal als Zeuge bestätigt. Zu- Erdbeben von Basel am 18. Oktober 1356 Ding- oder Fronhöfe. Die Eptinger vom Mad- sammen mit den Eptingern werden auch die zerfielen die Madlenburg und das Weiher- len führten als Kreiger – das ist der Helm- Herren von Schauenburg, in der Person des schloss. Nur das Weiherschloss – so infor- schmuck – das schwarze mit weissen Adler- Heinrich von Schauenburg, sowie der Orts- miert uns das 1983 wieder aufgefundene federn besteckte Horn und die Eptinger von name Liestal erstmals urkundlich erwähnt. Familienbuch der Eptinger – wurde wieder Pratteln den schwarzen, nach links orien- aufgebaut. Die Madlenburg blieb Ruine. tierten, aufrecht stehenden und krallenbe- Als ehemalige Landgrafen des Elsass und als wehrten Rumpf eines Adlers, der mit einer Kastvögte des im Jahre 728 gegründeten Als treue Gefolgsleute der Habsburger zo- 80 goldenen Krone geziert war. Benediktiner-Klosters Murbach im Elsass, gen auch sieben Prattler Eptinger zusammen mit Herzog Leopold von Österreich in die Mit der Vereinigung der Herrschaft Pratteln Schlacht von Sempach. Am 9. Juli 1386, am in seiner Hand versuchte Hans Bernhard von heissesten Tag des Jahres, verloren sechs der Eptingen, die Herrschaft zu einer autono- sieben Eptinger dort ihr Leben. Auch die men Grundherrschaft auszubauen. Hans Reiterfahne, die der Prattler Dorfherr Thü- Bernhard ging dabei zielstrebig ans Werk. ring von Eptingen mitführte, fiel an die Sie- Nicht nur erbaute er auf dem Gebiet der ger. Diese Beutefahne wurde erst 1986 im Landgrafschaft Sisgau – ausserhalb des Kunsthistorischen Museum in Wien wieder Dorfetters auf dem «Erli» – eine Kapelle aufgefunden, in das diese aus dem Besitz sowie ein Siechenhaus, sondern im Jahre des österreichischen Kaiser gelangt war. 1465 auch das Klösterlein Schauenburg als Erfreulicherweise gelang es auch, die Reiter- viertes Kloster des Baselbiets, das er einem fahne als Prattler Fahne zu identifizieren Benediktiner Mönch aus dem Stift Melk an und den Nachweis zu erbringen, dass diese der Donau übergab. Zusammen mit dem tatsächlich in der Schlacht von Sempach ver- Recht der Blutgerichtsbarkeit, das sich der loren ging. Eine originalgetreue Kopie die- streitbare Ritter 1463 innerhalb des Etters ser Reiterfahne befindet sich als Geschenk erstritten hatte, schuf der Prattler Dorfherr von Päuli Schürch-Pfirter zur Eröffnung des die Voraussetzungen, um sich von Basel und Museums im Bürgerhaus seit November der Landgrafschaft Sisgau abzugrenzen. Dass 1987 im Museum. dies laufend zu Konflikten mit der Stadt Basel aber auch mit Solothurn führen muss- In der Folge teilten sich zwei Eptinger Fami- te, liegt in der Zielsetzung begründet, hier in lien in die Rechte des Dorfes, was immer Pratteln eine autonome, von der Stadt Basel wieder zu Zwist mit den Untertanen führte, unabhängige Herrschaft, aufzurichten. so dass verbindliche Rechtsordnungen auf- Der Wappenschild der Adelsfamilie der Eptinger gesetzt werden mussten. Die Rechtsord- Der Prattler Dorfherr wurde demzufolge von Pratteln mit dem Helmaufsatz (Kreiger), dem nung von 1427 ist insofern von Bedeutung, auch in die Gebietsstreitigkeiten zwischen Rumpf eines bekrönten, aufrechtstehenden Adlers. als in dieser neben zahlreichen Anordnun- Basel und Solothurn einbezogen. Die Solo- gen, die das Zusammenleben verbessern thurner wollten die Herrschaft Pratteln von schatzten sie das Schloss, raubten die sollten, auch postuliert wird, dass wenn den Eptingern erwerben, um von Gempen Schlosskapelle aus und zerstörten Kirche einer dem andern einen Stein oder einen aus, an das Pratteln grenzte, einen Durch- und Dorf. Mit Unterstützung der Stadt Basel Holzbengel nachwirft und diesen trifft, dass gang zum Rhein zu gewinnen und Basel von verlangte der Prattler Dorfherr Satisfaktion dieser eine Busse von zehn Schillingen zu der Landschaft des oberen Baselbiets abzu- von Solothurn, die ihm unter Druck der Stadt entrichten habe. Trifft aber der Werfer den schneiden, um diese dann in ihren Besitz zu Basel und der eidgenössischen Gesandten andern nicht, wird die Busse auf zwanzig bringen. Solothurn nahm in der Folge Pratt- auch gewährt wurde. Als sich der Prattler Schilling verdoppelt! Erst Hans Bernhard ler Einsassen unter seinen expliziten Schutz, Dorfherr 1476 mit seiner Herrschaft direkt von Eptingen, der Sohn Rudolfs von Eptin- was aber der Prattler Dorfherr mit gerichtli- unter den Schutz des deutschen Kaisers gen, konnte im Jahre 1464 von seinen Vet- chen Einsprachen und mit Hilfe der Stadt Friedrich III. stellte, verlieh ihm dieser das Pri- tern den einen Viertel des Dorfes und die Basel rückgängig machen konnte. vileg, jährlich vom 1. bis zum 3. Oktober in Madlenburg-Ruine – den sogenannten Pratteln einen Jahrmarkt abzuhalten. Mit Burgstall – erwerben und die gesamte Herr- Als im Sommer 1468 die Solothurner aus dem Privileg, dass der Prattler Dorfherr eine schaft Pratteln in seiner Hand vereinen. dem Sundgauerzug zurückkehrten, brand- Fähre über den Rhein von Pratteln nach 81 1952 hat der Prattler Lehrer Ernst Gruber der Landschaft Basel. Faszikel 3: Prattelen. Basel, die seit der Einführung der Reformation über- 1749. tünchten Malereien wieder aufgedeckt, die Christ, Dorothea A.: Das Familienbuch der Her- die Bewunderung der Kunsthistoriker und ren von Eptingen. Liestal, 1992. auch des eidgenössischen Denkmalpflegers, Gauss, Karl: Klostergründungen im Baselbiet. Prof. Linus Birchler, fanden. Aber die durch Liestal, 1913. eine kirchliche Autoritätsperson fehlgeleite- Gatrio, A.: Die Abtei Murbach im Elsass. Nach ten Jugendlichen schlugen in einer Nacht- Quellen bearbeitet. Strassburg, 1895. und Nebel-Aktion die Fresken von den Wän- Glauser Fritz: Ein Herrschaftswechsel und seine den und inszenierten in Pratteln den zwei- Vorgeschichte seit dem 11. Jahrhundert. Jahr- ten Bildersturm nach 1529. buch 9 der Historischen Gesellschaft Luzern, 1991. Der streitbare Prattler Dorfherr, Hans Bern- Heyer, Hans-Rudolf: die Kunstdenkmäler des Das 1465 durch den Prattler Dorfherrn, Hans hard von Eptingen, starb am 6. Dezember Kantons Basel-Landschaft. Bezirk Liestal. Basel, Bernhard von Eptingen, errichtete Klösterlein 1484 und wurde, weil damals der Papst das 1974. Neu-Schauenburg. Interdikt über die Stadt Basel verhängt hatte Liebenau, von, Th.: Die Schlacht bei Sempach. und in den Kirchen die Bestattungen unter- Gedenkbuch zur fünften Säcularfeier. Luzern, Grenzach/Wylen – dem abgegangenen sagt waren, nicht bei seinen Vorfahren in 1886. Bertlikon – einrichten und die deutschen der Barfüsserkirche in Basel bestattet. Seine Merz, Walter: Die Burgen des Sisgaus. Band 1–3. Kaufleute und Marktfahrer diese ohne Zoll- letzte Ruhe fand der Prattler Dorfherr vor Aarau, 1909–1915. abgaben (über die Rheinbrücke) in Basel be- dem Marienaltar der Prattler Kirche. Noch Meyer, Werner: Die Burgen von A bis Z. Burgen- nutzen durften, demonstrierte der Prattler kurz vor seinem Tod hatte Hans Bernhard lexikon der Regio. Basel, 1981. Dorfherr noch einmal seine Unabhängigkeit von Eptingen zusammen mit der ganzen Meyer, Werner: Burgenbau, Siedlungsentwick- von der Stadt Basel. Erstaunlich ist, dass die- Gemeinde Pratteln die Osanna-Glocke in lung und Herrschaftsbildung im Jura in der Zeit ses Privileg, das ebenfalls eine immerwäh- den Kirchturm gespendet. Nach dem Tode um 1000. La donation de 999 et l’histoire mé- rende Steuerfreiheit für Pratteln beinhalte- Hans Bernhards neigte sich die Zeit der diévale de l’ancien Evêché de Bâle. Porrentruy, te, noch im Jahre 1511, das war zehn Jahre Eptinger dem Ende zu. 1521 verkauften die 2002. nach dem Eintritt der Stadt Basel in den Erben Hans Bernhards die Herrschaft Prat- Schnell, Joh.: Rechtsquellen von Basel, Stadt und Bund der Eidgenossen, durch den deut- teln samt Dorf und Schloss und Einsassen an Land. 2 Teile in 3 Bänden. Basel, 1856–1865. schen Kaiser Maximilian – dem letzten Ritter die Stadt Basel. Aber erst 1549 bestätigte Schulte, Aloys: Geschichte der Habsburger in – explizit bestätigt wurde. Österreich den Lehensverzicht auf die Herr- den ersten drei Jahrhunderten mit instruktiver schaft Pratteln. Fritz Sutter Besitzkarte der Habsburger. Innsbruck, 1887. Eine der grossen Leistungen des Prattler Sutter, Fritz: Wo nä Stärn stoht uf em Stei. Blätter Dorfherrn Hans Bernhard von Eptingen war aus der Prattler Ortsgeschichte. Pratteln, 1992. 1468 der Wiederaufbau der Kirche nach der QUELLEN: Trouillat, J.: Monuments de l’histoire de l’ancien Brandschatzung durch die Solothurner. Hans Boos, Heinrich: Urkundenbuch der Landschaft Evêché de Bâle. 5 Bände. Porrentruy, 1852. Bernhard von Eptingen liess den zerstörten Basel. 3 Bände. Basel, 1881–1883. Wackernagel, Rudolf et al.: Urkundenbuch der romanischen Chor im filigranen Stil der Spät- Bernoulli, Aug.: Herren von Eptingen. Genealo- Stadt Basel, 11 Bände. Basel, 1890–1910. gotik wieder aufbauen und diesen durch gie der Herren von Eptingen. Zürich, 1912. Wurstisen, Christian: Bassler Chronik. Basel, einen ausgezeichneten Maler aus dem Ober- Bruckner, Daniel: Versuch einer Beschreibung 1580. 82 rhein ausmalen. Bei der Kirchenrenovation historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten aus hartem, quartzhaltigem Degerfelder Der Dorfetter Sandstein mit Seitenlängen von 60 bis 100 und die Ettersteine cm, auf denen auf der dorfwärts gerichte- ten Innenseite der nach links fliegende Adler aus dem Wappenschild der Eptinger und auf der gegenüberliegenden Seite der Baselstab, als Zeichen der Landgrafschaft Sis- gau und als Besitz des Basler Bischofs, ein- gemeisselt wurde. In Pratteln haben sich in den so genannten Ettersteinen Wahrzeichen des öffentlichen Die Steine erinnern an die Bestrebungen des Rechts, die aus dem Jahre 1463 stammen, streitbaren Prattler Dorfherrn Hans Bern- bis heute erhalten. Zwei dieser Ettersteine, hard von Eptingen, seine Herrschaft Pratteln die früher das Dorf mitsamt den Krautgär- der Abhängigkeit der Landgrafschaft des ten und Flachsbündten von der Allmend – Sisgaus und damit Basels zu entziehen und dem Territorium, das alle Dorfbewohner ge- in Pratteln eine autonome Grundherrschaft meinsam nutzen durften – abgrenzten, sind zu errichten. Grundlage jeder autonomen heute auf der Wiese östlich des Schlosses Grundherrschaft bildete aber die praktizier- aufgestellt. Sie wurden aus der Gemarkung te Blutsgerichtsbarkeit. Deshalb liess sich der «Widenmatten», wo diese früher die Ge- Prattler Dorfherr durch eine so genannte Kund- meindegrenze gegen Augst markierten, schaft, das ist die Befragung alter Leute – nach dem Bau der Autobahn und deren darunter eines fast hundertjährigen Mannes Einer der 1463 gesetzten Ettersteine, die das Ter- Zufahrten sowie der damit zusammenhän- – vor der eingesetzten Untersuchungskom- ritorium markierten, wo der Prattler Dorfherr, genden Feldregulierung zum Schloss ver- mission bestätigen, dass die Eptinger in Hans Bernhard von Eptingen, über Leben und setzt. Zwei weitere Ettersteine stehen noch Pratteln immer über das Recht verfügten, Tod entscheiden konnte. an der Stelle, wo sie zu einem unbekannten die Blutsgerichtsbarkeit auszuüben, das Zeitpunkt – wahrscheinlich im 17. Jahrhun- heisst über Leben und Tod zu richten. Tat- 550 m schliesst die in der Urkunde von 1463 dert – an die Grenze gegen Frenkendorf im sächlich räumte Kaiser Friedrich III. dieses genannte Weggabelung über das «Erli», «Hinteren Erli» gesetzt worden sind, wo sie Recht den Eptinger Dorfherren bereits im dorfwärts unterhalb des ehemaligen Sie- noch heute die Gemeindegrenze markieren. Jahre 1441 ein, was aber den Einspruch der chenhauses und der Kapelle, ein. Der hypo- Der obere, südlich gesetzte Etterstein gegen Stadt Basel als Eigentümerin der Landsgraf- thetische Kreis schneidet ebenfalls die den Schönenberg zu, ist ein ganz besonde- schaft Sisgau provozierte. Strassengabel Augst–Liestal beim alten Reit- rer Stein, denn er wird von einem Baum weg und berührt das «Esterli» bei der «Brat- begleitet und belegt damit den alten Man nimmt heute an, dass der Dorfetter teler Matte» bzw. der «Hexmatt» sowie das Rechtsgrundsatz, dass ein alleinstehender sich mit einem Radius von ca. 550 m – dies südlich des Dorfes gelegene Rebgelände Stein noch keine Rechtskraft besitzt, son- entspricht einem Viertel des gallorömischen und steigt auf beiden Seiten der Talmulde dern nur zusammen mit einem Baum. Längenmasses einer Leuga von 2200 m – gegen die Schauenburg und den Madlen mit dem Prattler Schloss als Mittelpunkt hinauf und kehrt zum Ausgangspunkt des Bei den Ettersteinen handelt es sich um nach allen Himmelsrichtungen ausdehnte. Kreises beim «Erli» zurück. Die vom Leugen- mächtige, sich einen Meter hoch über das Der auf den auf dem «Biedermann-Plan von Radius eingegrenzte Dorfetter-Fläche be- Bodenniveau erhebende, vierkantige Steine 1903» gezogene Kreis mit dem Radius von trug somit 95 Hektaren. 83 unverletzlicher aber auch vergänglicher Grenzstatus zukam. Im Inventar der Grenz- bäume werden zahlreiche Nussbäume und auch Birnbäume genannt, die untereinan- der durch die unterschiedlichsten Namen – ein Dorado für jeden Botaniker – unter- schieden wurden. Da gab es den Schiltbirli- baum, den Wasserbirnenbaum, den Staffel- birnbaum sowie den wilden Birnbaum.

Irgendwann nach dem Verkauf der Herr- schaft Pratteln durch die Eptinger an die Stadt Basel im Jahre 1521 wurden die Etter- steine an die Gemeindegrenzen gegen Augst und Frenkendorf versetzt, von wo diese erst in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Teil wieder in das Dorf zurückgebracht wurden. Die beiden Etter- steine auf der Schlosswiese erinnern des- halb noch heute an ein altes Rechtsdoku- ment, das dem Prattler Dorfherr das Privileg verschaffte, in seinem Dorf, das vom Dorfet- ter eingegrenzt war, über Leben und Tod zu richten. Fritz Sutter

Das Ausmass des Dorfetters mit dem Prattler Schloss als Mittelpunkt des Kreises. QUELLEN: Gestützt auf diese Kundschaft wurde dem Gültigkeit und Pratteln besitzt, entgegen Boos, Heinrich: Urkundenbuch der Landschaft Prattler Dorfherr attestiert, dass er inskünf- allen Traditionen aber gestützt auf dieses Fak- Basel. 3 Bände. Basel, 1881–1883. tig innerhalb des Etters, also innerhalb des tum, in der Ergolz kein Fischrecht, obwohl Bernoulli, Aug.: Herren von Eptingen. Genealo- eigentlichen Dorfterritoriums, die hohe Ge- dieses Gewässer die Grenze zu Augst bildet. gie der Herren von Eptingen. Zürich, 1912. richtsbarkeit ausüben konnte; ausserhalb Bruckner, Daniel: Versuch einer Beschreibung des Etters verblieb dieses Recht beim Inha- Über den Rechtsstreit wurde am 29. Dezem- historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten ber der Landgrafschaft, also dem Vogt von ber 1463 ein Dokument verfasst, das zwi- der Landschaft Basel. Faszikel 3: Prattelen, insbe- Farnsburg als Landgraf des Sisgaus, der zu- schen dem Prattler Dorfherrn, Hans Bern- sondere aber der Kupferstich zum Dorf von der dem ausserhalb des Prattler Etters auch das hard von Eptingen, und der Stadt Basel als Fröschmatt her, wo rechts unten ein Etterstein Jagdrecht beanspruchte. Das Fischrecht in Inhaberin der Landgrafschaft Sisgau Rechts- abgebildet ist. Basel, 1749. der Ergolz hatte der Basler Bischof aber gültigkeit erlangte. In diesem Rechtsdoku- Heitz, August: Grenzen und Grenzzeichen der bereits früher der Landgrafschaft entzogen ment wird der Grenzverlauf des Etters minu- Kantone Baselstadt und Baselland. Liestal, 1964. und die Stadt Liestal damit belehnt. Dieses tiös festgelegt. Zur Kennzeichnung des Et- Schnell, Joh.: Rechtsquellen von Basel, Stadt und 84 alte Recht besitzt auch heute noch seine ters dienten vorwiegend Bäume, denen ein Land. 2 Teile in 3 Bänden. Basel, 1856–1865. Die «Bratteler Matte», die Hexenmatt

Die Hexenmatt in Pratteln, auswärts allge- mein «die Bratteler Matte» genannt, war – wenn wir den jeweiligen Gerichtsakten glauben wollen – während rund 150 Jahren ein bekannter Versammlungsort für Hexen. Sie kamen aus der näheren und weiteren Umgebung hier zusammen, hatten bei Speis und Trank ein «gutes Leben» und tanzten miteinander, wozu auch der Teufel Musik machte. Die Hexen kamen nach die- Die «Hexenmatte» auf dem Plan von Georg Friedrich Meyer aus dem Jahre 1678, mit der Abbildung sen Akten aus der Innerschweiz, aus dem des Hexenringes. Berner und Solothurner Gebiet, aus dem Fürstbistum Basel sowie aus den vorder- selbst sei auf einem Wolf dorthin geritten, auf der Bratteler Matte gewesen. Auf der österreichischen Gebieten Fricktal, Rheinfel- die andern in Backtrögen gefahren. Fahrt seien sie wohl hundert beisammen den und Oberelsass. Nie kamen sie aber aus gewesen; etliche seien aus dem Zürcher und der Stadt oder der Landschaft Basel zu die- 1546 bekannte Anna Stöcklerin von Aesch dem Berner Gebiet, andere aus dem Willis- sem Hexentanzplatz vor den Toren der Stadt. vor einem fürstbischöflichen Gericht, sie sei auer Amt und aus dem Entlebuch gekom- mit einem Mann und vier Frauen im Haus men; sie wisse allerdings nicht woher, denn Die älteste Nachricht über einen Besuch der der einen in Pfeffingen zusammen gekom- sie habe diese nicht gekannt. Sie seien Bratteler Matte stammt aus dem Jahre men und sie hätten ein gutes Mahl geges- zusammen auf Stühlen geritten, die sie mit 1522. Damals liess die bernische Obrigkeit sen. Den Wein dazu hätten sie in Basel beim einer Aronen-Salbe gesalbt, die ihnen der Katherin Tüfers von Erlach wegen Hexerei Wirt zum Hirzen geholt, wozu sie alle auf Teufel gegeben. hinrichten. Sie hatte unter Anderem gestan- ein schwarz Ross gesessen, das sie über die den, der Teufel habe sie auf einem dreibeini- Stadtmauern hinein- und danach wieder 1588 ritt angeblich Ursula Schönenberg von gen Stuhl auf die Bratteler Matte zu vielen hinausgetragen habe. Bei diesem Mahl hät- Pfeffikon auf einem Spinnrocken und 1594 Leuten geführt. Dort hätten sie gegessen ten sie beschlossen, ein Unwetter zu ma- Anna Tschup von Reiden auf einem Besen- und getrunken und seien danach wieder chen, um Korn und Reben zu verderben, stiel, hinter dem Teufel sitzend, «nach Brat- heimgefahren.1 und dann «uff bratlen maten zu fahren». telen»; andere ritten auf einer Ofengabel dorthin. 1532 gestand Jta Lichtermut, vermutlich 1549 gestand Margreth Thüttinger aus Britt- von Aesch, dass sie mit zehn anderen Frau- nau vor dem Luzerner Gericht, sie sei vor Noch 1665 gestand Ottilia Lindauer in Zug, en auf der Bratteler Matte gewesen; sie einiger Zeit am Allerseelentag mit andern sie sei auf einem Stecken, den sie mit einer 85 gsin. Und der Sury auch, der habe uff eim Theller zu danz gemacht, und der böß (der Teufel) uff einer Sackpfyffen. Si haben pfif- fen und trumet und allerlej farb Kleider gehept, plaw und roth», könnte, abgese- hen vom Dudelsack spielenden Teufel und den farbigen Kleidern, zutreffen.

1564 gab eine Hexe, die in Landser, im nahen österreichischen Elsass gefangen gehalten wurde, an, die Baslerin Verena Ro- senplattin, genannt «die hinkende Vren», sei mit ihr auf der Bratteler Matte gewesen. Verena wurde in Basel inhaftiert und ver- hört, bestritt aber, dort gewesen zu sein, worauf sie wieder frei gelassen wurde. Das ist das einzige Mal, dass die Basler Justiz jemanden wegen dem angeblichen Besuch der Bratteler Matte behelligte.

Die Hexmatt, wie sie sich heute immer noch unüberbaut präsentiert. Alles spricht dafür, dass auf der Hexenmatt tatsächlich ein Tanzplatz war. Für die Gerich- Salbe eingestrichen, die sie vom Teufel 1678 derjenige abgebrannte Krais gezeiget te der Eidgenossenschaft und der umliegen- erhalten habe, zum Tanz auf die Bratteler wurde, auf welchem dise Nachtgespenster den Herrschaften war sie für gut 150 Jahre Matte geritten. ihre Zusammenkunften sollen gehalten ha- sogar ein anerkannter Versammlungsort für ben. Dise Gegend wird noch heute die Hexen. Warum aber hat die Basler Obrig- Dreizehn Jahre später zeichnete der Geo- Hexenmatte genannt.» keit, in deren Gebiet er ja lag, nie etwas meter Georg Friedrich Meyer eine Karte dagegen unternommen? Es war doch «Geometrischer Grundriss des Bratteler, 1577 wurde Jakob Sury von Muttenz, etwas dort, oder doch nicht? Muttentzer und Mönchensteiner Banns», zusammen mit Dorothea und Agnes Bartin Dr. Dietegen Guggenbühl auf der er in Pratteln in der Hexenmatte gut von Reinach, wegen Hexerei im fürst- erkennbar einen braunen Kreis, in dessen bischöflichen Arlesheim verbrannt. Von der 1 Die Berner-Chronik des Valerius Anshelm, hrsg. Mitte ein Baum steht, abbildete. Daneben Bratteler Matte sagte er, «do sey ein dürrer vom Historischen Verein des Kantons Bern, 6 schrieb er: «Der vermeinte Hexentantz auff baum, und ein Ring drumb». Er sei manch- Bände, Bern 1884-1901, Bd. 4, Seite 479. Bratteler matten». mal mit Frauen dort gewesen, denen er im Zur Herkunft der anderen Angaben siehe Gug- Dorfe Pratteln Wein geholt habe. Sie hätten genbühl Dietegen: Mit Tieren und Teufeln. Sodo- 1749 berichtete Daniel Bruckner: «Sonsten unter dem Baum getanzt «und allerlej gut miten und Hexen unter Basler Jurisdiktion in ware in den aberglaübischen Zeiten diejeni- leben» gehabt. Angesichts des Planes von Stadt und Land 1399 bis 1799, Liestal 2002, Sei- ge Matte, so unten an dem Dorfe gegen die Meyer tönt dieser Teil seines Geständnisses ten 153–157, wo auch ein Ausschnitt aus der Hard ligt, wegen dem Hexendanz sehr be- glaubhaft. Auch die Aussage der Dorothea, Meyer'schen Karte von 1678 mit der Hexenmat- 86 kannt, als auf welcher annoch in dem Jahre sie sei «ettlich mal auf Brattelen matten te abgebildet ist. Emanuel Büchel und seine Prattler Ansichten

Pratteln, die grösste Industriegemeinde des Kantons, darf sich glücklich schätzen, über eine einzigartige Bildreportage zu verfügen, die das bescheidene Bauerndorf von 1735 wieder aufleben lässt. Gemeint sind die sie- ben Gouachen des Baslers Emanuel Büchel (1705–1775), die heute das Gemeinderats- zimmer im Schloss zieren: Pratteln mit War- tenberg im Hintergrund, die Hauptstrasse von Pratteln, das Schloss Pratteln, der Kirch- hof in Pratteln, Pratteln von Osten, der May- enfels von Süden und der Mayenfels von Norden.

Von 1735 bis 1775 hat Emanuel Büchel un- ermüdlich mit Feder und Pinsel Basel und seine Landschaft geschildert. Am Anfang seiner zeichnerischen Erzählkunst, die er mit Emanuel Büchel, 1735: Blick am Sonntag morgen vom Pfarrhaus in den Kirchhof. grosser Beobachtungs- und Auffassungsga- be während dieser vier Jahrzehnte betrieb, Büchel hat es nach dem Leben gemalt)› vielen Details angenommen werden, dass steht ein Aufenthalt in Pratteln, wo er als bezeichnet sind.» Büchel nicht nur seine Skizzen, sondern Gast seines gelehrten und kunstsinnigen auch die Gouachen vor der Natur gemalt Freundes, Pfarrer August Joh. Buxdorf (1696– Büchel arbeitete nach sehr lebendigen oder doch nachkontrolliert hat. Themen sei- 1764), den Ausblick vom Pfarrhaus aus Federskizzen, die er im Freien machte; im ner Bilder waren einmal das Dorf mit seinen geniessen durfte. Einer seiner Biographen1 Pfarrhaus setzte er dann seine Vorlagen in stroh- und ziegelbedeckten Häusern, ferner schreibt: «für Büchel muss der Pratteler Auf- frische und farblich einnehmende Tempera- das damals noch von einem Weiher umge- enthalt vorgekommen sein, wie die Erfül- bilder um. Denn Büchel war nicht nur Zeich- bene Schloss und schliesslich der schöne lung aller Wünsche. Etwas von dem uner- ner; er hatte ein Auge für Farbklänge und Herrensitz Mayenfels. Wie sein grosses Vor- warteten Glück, das ihm zugefallen war, Farbnuancen. So lässt die Färbung der bild Matthäus Merian, so pflegte auch Ema- spiegelt sich in den sieben Prospekten Baumkronen darauf schliessen, dass die Bil- nuel Büchel den Vordergrund seiner Ansich- wider, von denen sechs auf der Rückseite der im Frühling oder Spätsommer entstan- ten kulissenartig zu gestalten. Fein gemalte ‹Em. Büchel ad vivum pinxit 1735 (Emanuel den sind. Im übrigen kann auf Grund der Bäume gaben dabei oft einen wunderschö- 87 nen Rahmen ab. Beinahe alle Prattler An- sichten Büchels sind menschenbewegt. So lassen sich etwa säende oder mit einem Ochsengespann pflügende Bauern entde- cken. Auf zwei Gouachen beobachtet der aufmerksame Betrachter überdies einen Storch – Beweis dafür, dass Meister Adebar früher ganz selbstverständlich zum Dorfbild Prattelns gehörte.

Schauen wir uns die nach der Skizze «Pros- pect des Dorffs Pratteln von dem Öhrlin (Erli)» ausgestaltete Ansicht von Osten etwas genauer an: «Der Blick des Betrachters geht von der Kuppe des Rains im Vordergrund, auf der sich ein bildeinwärts gewendetes Bettlerehepaar mit seinem kleinen Kind zur Rast niedergelassen hat, der Landstrasse fol- gend mit einer grossen S-Kurve sogleich in den Mittelgrund, wo im mittäglichen Son- nenlicht, vor der Kulisse des Adlerbergs und des hinter ihm sichtbaren Wartenberg das bildparallel bis in die Rheinebene sich er- streckende Dorf mit seinen beiden Akzen- ten, dem Kirchturm und dem Schloss, zu sehen ist. Eingerahmt wird die in ihrer Kom- position ausgewogene Ansicht, die Büchel vermutlich nach längerem Suchen im Ge- Emanuel Büchel, 1735: «Prospect des Dorffs Pratteln von dem Öhrlin (Erli)». lände gefunden hat, linkerhand durch den dunkeln, in seiner oberen Hälfte abgebro- die damals übliche dreijährige Wander- ger topographischer Zeichner verstanden chenen Stamm einer knorrigen Eiche mit sti- schaft angetreten. Wo aber Büchel seit 1726 hat, das Aussehen sowohl der Stadt wie lisierten Blättern, rechts durch ein stärker Brot und Weggli produzierte, konnte bis auch der Landschaft Basel im 18. Jahrhun- belaubtes, schlankeres Exemplar derselben heute nicht festgestellt werden, doch ist dert mit Bleistift, Feder und Pinsel, mit Kön- Baumart.»2 anzunehmen, dass er Backstube und Laden nen und Fleiss festzuhalten. Seine kostbaren im ererbten väterlichen Hause unterhielt. Prattler Ansichten beweisen es. Emanuel Büchel war es nicht in die Wiege Bereits zwei Jahre später gab er allerdings Dr. René Salathé gelegt, Künstler zu werden. Nach seiner das erlernte Gewerbe auf und wurde beim Schulzeit wurde er vielmehr im Kleinbasel zu Steinentor «Thorschliesser». Es würde an Meister Ott in die Lehre gegeben, um das dieser Stelle zu weit führen, alle weiteren 1 Riggenbach Rudolf in Trachsler Beat: Emanuel Bäckerhandwerk zu erlernen. Als angehen- Etappen Emanuel Büchels aufzuzeichnen. Büchel, der Basler Zeichner, Basel, 1977. S. 18. 88 der Bäcker hat Emanuel Büchel später auch Fest steht aber, dass es Büchel als grossarti- 2 Trachsler Beat, siehe oben S. 18. Nordwestecke unseres Landes flogen. gig gemacht werden? Nichts einfacher als Wie ein Prattler Schüler Gleich als ich auf den Bahnhof kam, be- das – General Guisan genoss eine grosse 1939 und 1940 lauschte ich das Gespräch zweier Soldaten, Popularität – er sollte doch am ehesten in die sich mit einem Oberländer (Oberleut- der Lage sein, schicksalswendend einzugrei- die Grenzbesetzung nant) unterhielten. Ich fragte die beiden Sol- fen – ein Brief an ihn würde die Sache vor- daten, was denn los sei: Holland, Belgien antreiben. Gesagt, getan: Am Nachmittag erlebte und Luxenburg seien von den Deutschen des 10. Novembers versammelten sich Bu- angegriffen worden, erklärten sie mir. Dar- ben und Mädchen der Zeuginklasse in der auf meinte der Offizier: Ha, jetzt sind die Scheune des heutigen Bürgerhauses am Da gibt es aus dieser Zeit ein Tagebuch eines Engländer nudle und ging. Als mir die politi- Schmiedeplatz und schrieben besagten Brief Prattler Schülers. In steiler, unbeholfener sche Lage bewusst ward, wurde es mir – zuerst durften, wie es sich gehört, die Hulligerschrift berichtet er aus der Sicht schlecht. Am Mittwoch, als ich aus der siebzehn Buben unterschreiben, dann die eines Dreizehnjährigen über Beobachtun- Schule kam, war Mama bleich und nieder- sechzehn Mädchen. gen, über Gehörtes und Gesehenes; zahlrei- geschlagen. Am nächsten Tag war General- che beigegebene Originaldokumente – bei- mobilmachung. Die Eisenbahnwagen wa- «Lieber Herr General spielsweise die beiden Aufgebotsplakate ren voll von Soldaten und Angsthasen1, so Unser Lehrer Gef. Zeugin Grenzschutz- oder die ersten Lebensmittelkarten – Zei- dass die Züge manchmal eine halbe Stunde komp. III. 246 musste zu unserem Bedauern tungsausschnitte, Fotos und Briefe – geben Verspätung hatten.» letzte Nacht plötzlich wieder einrücken. Er den beiden in Wachstuch schwarz einge- hatte erst 10 Tage Urlaub und ist seit der bundenen Heften einen Hauch von Authen- Auch in Pratteln hatte man sich auf den Mobilmachung im Dienst. zität. Ja, es war eine dramatische und ab- Ernstfall vorbereitet. «17. Februar: In Prat- wechslungsreiche Zeit; sie unterbrach den teln bereitet man sich zur Evakuation vor. Lieber Herr General, lassen Sie unsern Herrn Schüleralltag, der sich in den August- und Papa musste einen Zettel ausfüllen. Er ist Lehrer, wir haben ihn sehr lieb. Auch wir Septembertagen 1939 auf nur gerade zwei Gruppenchef. Er erzählte uns, in einem wollen einmal tapfere Schweizersoldaten Stunden täglich reduzierte, auf spannendste Haus habe eine Frau gejammert: Oh, was werden und unserem Vaterland dienen. Weise. Immer wieder gab es Gelegenheit zu soll i us mine Teppich mache? Und in ande- Beobachtungen und Feststellungen, die ren Häusern weinten die Frauen. Ich nehme Mit Schweizergruss ... » heute, im Zeitalter der intensiven Fernseh- folgendes mit ... ». berichterstattung, kaum mehr der Rede Die Antwort des Generals liess nicht auf sich wert wären, aber offenbar damals – minde- warten; sie erfolgte allerdings stellvertre- Der Brief an General Guisan stens für Buben – Sensationscharakter hat- tend durch den Kompaniehauptmann Leh- ten. 29. September: «Ich sah eine Infanterie- Wie sehr auch die Schule vom grossen rer Zeugins und war hochpatriotisch. kanone». 13. Oktober: «Sah einen Obers- Geschehen betroffen war, beweist ein Brief- ten». Ab und zu vermischt sich allerdings wechsel, den die Klasse des Dreizehnjähri- «Gz. S. Kp. III/246 die oft naive Berichterstattung mit ersten, gen damals mit dem General führte. Es war den 15. November 1939 etwas altklugen politischen Lagebeurteilun- im November 1939. Die fünfte Primarklasse gen. So erlebte beispielsweise der Aufsatz- des Grossmattschulhauses hatte soeben mit An die Schüler der 5. Klasse der Primar- und Tagebuchschreiber den 10. Mai 1940: Bedauern erfahren, dass der Unterricht we- Schule Pratteln (Herr Lehrer Zeugin) «Der Morgen des 10. Mai war neblig und gen Abwesenheit ihres Lehrers Ernst Zeugin unklar wie die Politik. Um 6 Uhr hörten wir zum zweiten Mal ausfallen musste. Wie Liebe Schüler das Brummen der Flugzeuge, die über die konnte dieser Einrückungsbefehl rückgän- Ich habt am 10. November an den Herrn 89 Am 10. November 1939 gelangte die 5. Klasse der Primarschule Pratteln an General Guisan und die ganze Klasse unterzeichnete das Schreiben.

General einen netten Brief geschrieben statt im Militärdienst. Es ist jedoch in der gewohnt, bei Euch in der Schulstube stehen wegen Eurem Lehrer. Der Herr General Schweiz eines der heiligsten Gesetze, dass kann. Ihr schreibt ja selber, dass auch Ihr ein- hatte eine grosse Freude daran, aber er hat jeder Schweizer, wenn es seine Gesundheit mal tapfere Schweizer Soldaten werden nicht Zeit, die vielen, vielen Briefe, welche er erlaubt, Soldat werde. Und so ist auch Euer wollt, um dem Vaterland zu dienen, und jeden Tag erhält, zu beantworten. Aus die- Lehrer nun in ernster Stunde verpflichtet, als gerade das ist es ja, was Euer Lehrer nun sem Grund hat er Euren Brief mir geschickt, Grenzschutz-Soldat die Heimat, unsere eben tun muss. damit ich Euch eine Antwort gebe. schöne liebe Schweiz und ihre braven Ein- wohner zu behüten und zu beschützen. So wie Euer Lehrer Euch eben in der Schul- Es freut mich, dass Ihr Euren Lehrer so lieb Euer Lehrer dient also auch im Soldatenklei- stube fehlt, so fehlen heute noch viele tau- 90 habt, dass Ihr ihn gerne bei Euch hättet, de für Euch, auch wenn er nicht, wie send tapfere Schweizer-Soldaten in Ge- schäften und Werkstätten, in Bureaux und vom Engelbrunnen ausgehend die belebte Hand. Jetzt fehlt nur noch eine Fahne, den Schulstuben. Alle diese Leute müssen selbst und tief verschneite Hauptstrasse, auf der Trommler haben wir bereits ...»3 ein Opfer bringen und mit ihnen alle die Höhe des Geisswaldweges sind Barrikaden anderen, bei denen unsere Soldaten ange- zu erkennen. Ihnen ist ein weiteres Bild Kriegs-Zaungast stellt sind. Ein solch kleines Opfer für das gewidmet, das sich heute im Besitz der Vaterland müsst nun eben auch Ihr dadurch Gemeinde befindet. Quer über die Haupt- Als Bewohner eines Grenzortes waren die bringen, dass Ihr auf Euren Lehrer für eine strasse aufgetürmte, schwere Baumstämme Prattler natürlich immer wieder auch Zaun- gewisse Zeit verzichten müsst. Trotzdem Ihr verengen die Durchfahrt; sie hätte jederzeit gäste des Kriegsgeschehens in der deut- Buben also noch nicht selber als Soldaten an rasch geschlossen werden können. «Unser schen und elsässischen Nachbarschaft. die Grenze könnt und die Mädchen als tap- Dorf ist ganz verändert, mächtige Barrika- fere Schweizer Frauen dem Vaterland die- den versperren den Weg. Auch Maschinen- 17. November 1939: «Wieder deutscher nen können, bringt Ihr also ein kleines Opfer gewehrstellungen hat es», lautet der Tage- Flieger über dem Baselbiet. Längs seiner für die liebe Schweiz. buchkommentar mit der nachvollziehbaren Flugstrecke flatterten englandfeindliche Flug- Schlussfolgerung «Unser Dorf ist am besten blätter in französischer Sprache herunter. Auch wir Soldaten hoffen gerne, dass die verteidigt von der Umgebung ... ». 25. Juni Ich selbst ergatterte 5 solcher Flugblätter ... ». Schrecken der Kriegszeit bald vorüber sein 1940: «Die Prattler Ortswehr wird gebildet. werden und Eure Väter und Euer Lehrer wie- Hans und Albert (Brüder des Tagebuch- 18. November: «Heute hörten wir den gan- der in das friedliche Heim zurückkehren dür- schreibers) sind auch dabei. Hans bei der zen Morgen Kanonendonner, es waren keine fen. Bis dahin müsst eben auch Ihr Euch Sanität und Albert bei den Schützen. Die Schweizer, denn es kam aus dem Elsass. Am gedulden und Euer kleines Opfer bringen. gesamte Ortswehr zählt 150 Mann, alle mit Nachmittag hörten wir 6 Kanonenschüsse mit Ich hoffe gerne, dass Ihr alle wirklich einmal Gewehren bewaffnet ausser den fünf Sa- solcher Gewalt, dass das Haus erzitterte ...». tapfere Schweizer Mannen und tapfere nitätlern ... » Schweizer Frauen gebt: ich grüsse Euch im 10. März 1940: «Den ganzen Tag hörten wir Namen des Generals und sende Euch selbst 10. August: «Die Einkleidung der Prattler Orts- Kanonendonner. Auf dem Block (Spaini-Block liebe vaterländische Grüsse. wehr. Nach langer Pause fand am Samstag Ecke Bahnhof- und St. Jakobsstr.) haben sie Der Hauptmann Eures Lehrers ... ». wieder eine Übung der Ortswehr statt. Es einen Beobachtungsposten errichtet ... ». war wirklich ein wichtiger Tag in der zwar noch kurzen Geschichte der Ortswehr. Auf 10. Juni: «Heute Nacht hörte man eine starke Militärischer Alltag – dem oberen Schulplatz wurden die Unifor- Beschiessung. In kurzen Abständen wurde ein Dorf verändert sich men, an denen die Gemeinde einen schö- der Himmel blitzartig beleuchtet. Manchmal Wie sehr der Prattler Alltag militärisch be- nen Betrag bezahlt hat, verteilt. Ein Paar hörte man helle Explosionen zum Gegen- stimmt war, bezeugen auch einige Gemälde Hosen, eine Jacke ... , eine Policemütze, wie satz der dumpf dröhnenden Kanonen ... ». des Oberbaselbieter Kunstmalers Fritz Püm- sie die Soldaten tragen, alles in kaki. ... Nach pin (1901–1972), der zeitweise in Pratteln der Übung auf dem Geisswald machte die 18. August: «In der Nacht vom 18. bis 19. als bewaffneter HD-Soldat im Grenzschutz Kompagnie einen kleinen Triumphzug durch August erlebten wir einen Fliegeralarm, der Aktivdienst leistete. Der Tagebuchschreiber das Dorf. Nun ist die Ortswehr dem Militär eine Stunde dauerte. Um 12 Uhr, als ich im hatte Gelegenheit, ihm bei seiner maleri- gleichgestellt und die Prattler dürfen stolz besten Schlaf war, wurde ich durch das an- schen Berichterstattung über das Gesche- sein auf sie, nicht nur wegen der Unifor- und abschwellende Sirenengeheul aufge- hen in der Grenzgemeinde über die Schulter men, sondern auch wegen den Leistungen weckt. Kaum war die Angst ein wenig ver- zu schauen. Da gibt es beispielsweise das ... Es war wirklich bäumig – alle in der glei- flogen, schaute ich mit Papa hinaus. Man Bild «Pratteln im Kriegsjahr 1941».2 Es zeigt chen Uniform mit dem Karabiner in der sah nur eine Leuchtkugel, die unruhig 91 flackerte. Plötzlich gab es einen gewaltigen chen Verhältnissen seine Aufmerksamkeit. 7. Februar: Veloschläuche rationiert. Künf- Knall und dann drei nacheinander, ungefähr tig werden Veloschläuche nur noch an sol- 10 im Ganzen. Dazwischen hörte man das Er notierte: 15. Oktober 1940: «Butter wird che Personen abgegeben, die ihr Velo für Kreisen eines Flugzeugs. Am anderen Mor- rationiert. Die Ration beträgt 300 Gramm Geschäftszwecke benützen ... ». gen erfuhren wir, dass die Engländer Ba- pro Monat. Zugleich schlug er 50 Rappen disch-Rheinfelden bombardiert hatten ... ». per Kilo auf und kommt nun auf 6.60 Fr. 10. Februar: «Der Anbauplan wird ausge- führt... Zuerst las man in den Zeitungen von 7. November: «Obligatorische Verdunkelung 1. November 1940: Heute wurden die Klei- einer Anbauschlacht. Dieser Name wurde ab- über der Schweiz. Die Presse schreibt: Zur der und Textilien rationiert. In Basel rissen geschafft, da er erstens aus dem Ausland besseren Wahrung unserer Neutralität wird sich die Frauen die Strümpfe aus den Hän- stammt und zweitens hat die Anbauschlacht die Schweiz auf unbegrenzte Zeit verdun- den. Die Leute standen Spalier vor den durchaus nichts mit einer Schlacht zu tun. kelt. Wahrscheinlich stammt der Befehl von Läden. Die Polizei musste eingreifen, sämtli- An Stelle dieses Wortes kam das Anbau- den Deutschen: ‹Wenn wir Licht haben› che Schuh- und Konfektionsgeschäfte muss- werk, weil es an das werken erinnert ... ». sagen sie, ‹zeigen wir den Engländern den ten geräumt werden. Die Schuhe sind noch Weg›. Und die Engländer sagen, es sei nicht nicht gesperrt. Daher stürzen sich die Leute 15. März: «Man bekommt nur noch sehr klei- neutral, dass wir Verdunkelung haben. Es auf die Schuhe. Ich kaufte auch ein Paar. In ne Quantitäten von Kaffee, Zichori und Ka- täte mich gar nicht wundern, wenn die dem Laden, in dem ich sie kaufte, waren 30 kao ... Radiergummis bekommt man in Basel Engländer uns aus Versehen ein paar Bom- Personen. Um 7 Uhr kam schliesslich die keine mehr, oder wenn erhältlich, schlagen ben schenken ... ». Polizei und räumte den Laden. Die Laden- sie bis 30% auf. Taschenlampenbatterien nur fräuleins waren froh, denn an diesem Tage noch, wenn man alte vorweisen kann ... ». 17. Dezember: «Jetzt haben wir die Sauerei, konnten sie nicht einmal mittagessen. Mit nur wegen dieser blödsinningen Verdunke- der Seife ging es ebenfalls so. Es wurde 15. April: «Heute hatten wir zum erstemal lung. Im Bundesbahnhof schlug eine Bombe furchtbar gehamstert. In einem Laden kauf- den Tee mit Sacharin gesüsst. Man auf die Südostecke des Basler Bahnhofs ... In te eine Frau fünfzig Pakete Waschpulver. In schmeckt ein wenig, dass es Sacharin ist Binningen wurden ebenfalls Brisanzbomben einer Zeitung las ich: Die Bundesverwaltung trotzdem es in der Reklame heisst, Hermese- abgeworfen ... Am andern Tag besichtigte rennt hinter den Hamsterern her, statt dass tas süsse ganz rein, ohne jeden Neben- und ich die Trümmerstätten ... ». sie vor ihnen her springt ... ». Nachgeschmack.»

23. Dezember: «Zürich bombardiert: 1 Toter, 4. November: «Brot wird 48 stündig...» Warum blieb das Tagebuch anfangs 1941 11 Verletzte. Etwas hat man gemerkt: Dass stecken? Es kann nur vermutet werden, die Engländer ein gutes Ziel haben, obwohl 20. Januar 1941: «Rohstoffmangel in der dass die doch etwas einsame Schreiberei die Deutschen schreiben, es entstand nur Schweiz. Zur Zeit sind die Schüler von Prat- zugunsten vermehrter Spielfreuden aufge- unbedeutender Sachschaden. Wir hatten teln damit beschäftigt, altes Eisen, Glas, geben worden ist. Dr. René Salathé zwar auch Alarm, gingen aber nicht in den usw. einzusammeln. Vor zwei Jahren sam- Keller und machten unsere angefangenen melten die Buben – auch ich – Holz für das 1 «Angsthasen» waren die Evakuierenden. Von Änisbrötli ruhig fertig ... ». Fasnachtsfeuer, und jetzt? – Jetzt ist die Fas- 44 Schülern einer ersten Klasse eines Basler nacht in der ganzen Schweiz verboten. Gymnasiums flüchteten 10 in die Innerschweiz. 2 Fritz Pümpin, Gelterkinden 1975: Bilder Nr. Mehranbau und Kriegswirtschaft Für eine unbeschädigte Büchse erhält man 5 260, S. 83 und 536, S. 10. Neben dem kriegerischen Geschehen schenk- Rappen, für eine Ovomaltinebüchse sogar 3 Bericht von A. Salathé, Bruder des Tagebuch- 92 te der Schreiber auch den kriegswirtschaftli- 15 Rappen ... ». schreibers. Ortswehr Pratteln Da musste man sich an den Zaun drücken Kpl Kaiser, der die Prattlerin Regina Dill, und durfte die Nase nicht zu weit nach Tochter des Sigristen und Bauern, Emil Dill, vorne halten. Geschlafen haben wir im geehlicht hatte, sich mit dem Gesuch an Während des Zweiten Weltkrieges von Warteraum des Bahnhofs Pratteln. den Lager-Kommandanten wandte, die bei- 1939 bis 1945 war die Schweiz von den den Russen oder wenigstens einen von Achsenmächten (Deutschland und Italien) Neben Exerzieren waren auch kleinere Übun- ihnen zum Landdienst nach Pratteln zu ent- umschlossen. Zur Verstärkung der Armee gen angesagt. Praktisch haben wir «Pfadfin- lassen. Das Gesuch wurde bewilligt. So kam waren schon 1940 Ortswehren gegründet derlis» gespielt. Einmal marschierten wir auf der gebürtige Ukrainer Feodore Wlassenko worden. Alle nicht wehrfähigen Männer im einem Ganztagesmarsch – in Uniform und nach Pratteln, wo er 1943 an der Bundesfei- Alter von 16 bis 65 oder gar 70 Jahren mit Gewehr – von Läufelfingen über den er auf dem Grossmatt-Schulhausplatz teil- konnten sich freiwillig melden. Die Haupt- Bölchen nach Langenbruck. Wir haben mit nahm. Seine englische Uniform machte eini- aufgabe war die Bewachung militärischer blinder Munition «Kriegerlis» gespielt. ge junge Prattler, darunter auch Otto Objekte im Ortskreis bis zum Einrücken der Althaus, der uns die Geschichte erzählt und militärischen Einheiten. Die Ortswehr war Mit 19 Jahren kam ich in die Flieger-RS nach Kopien von Wlassenkos Briefen übergeben bewaffnet mit einem zielgenauen Langge- Payerne. Das war schon strenger – und nicht hat, neugierig. Sie sprachen den Fremdling, wehr aus dem 19. Jh. In den Jungschützen- unbedingt zu meinem Vergnügen. der bei seiner Zwangsarbeit in Deutschland kursen wurden wir im Schiessen ausgebil- Mitsch Jehle deutsch gelernt hatte, an und erfuhren, det. Als Uniform erhielten wir einen grünen dass ihm die Uniform von der englischen Waffenrock (so genannte Gebirgsbluse), eine Gesandtschaft in Bern (die Schweiz nahm rote Armbinde mit weissem Kreuz und eine Feodore Wlassenko damals die diplomatische Vertretung Eng- Policemütze. Hose, Hemd und Schuhe muss- lands und Deutschlands wahr) zur Verfü- te man selbst mitbringen. Der Ortswehr gung gestellt worden war. Dies war der stand als Kommandant Oblt Otto Hermann, 1943 wurde die Grenzschutz-Kompagnie Beginn von manchen kameradschaftlich ver- im Zivilberuf Bankbeamter, als Fw Lehrer II/246, die in der Dorfturnhalle einquartiert brachten Stunden. 1944 musste Wlassenko Gusti Gysler und als Fourier Adjutant Post- war, nach Rheinfelden verlegt. Dort hat Kpl wieder zurück ins Lager in Ruetswil (Ersi- halter Fritz Pflugshaupt vor. Als 16jähriger Willi Kaiser, Liestal, zwei Russen aufgegrif- gen); von dort aus wurde er später in ein meldete ich mich 1941 zur Ortswehr und fen. Sie waren als Kriegsgefangene Zwangs- Lager in Court verlegt. Aus diesen Lagern hatte mit meinen Kollegen die militärischen arbeiter in Badisch-Rheinfelden. Während stammen auch die Briefe Wlassenkos an Objekte zu bewachen, die da waren: eines Fliegeralarms durchschwammen sie Emil Dill, in welchen er sich immer wieder –Tanksperre im «Rumpel» (Schauenbur- den Rhein und flüchteten in die neutrale für die schöne Zeit in Pratteln bedankte, gerstrasse). Geschlafen haben wir in der Schweiz, wo sie eben von Kpl Kaiser aufge- aber auch von Langeweile und seiner Sehn- Scheune vom «Gross-Bielser». griffen, verpflegt, pflichtgemäss der Polizei sucht nach der Heimat schrieb. Nach dem –Tanksperre in der Hohlen Gasse, geschla- übergeben und in Quarantäne gesteckt Krieg musste Feodore Wlassenko zurück in fen in einem selbst mitgebrachten Zelt. wurden. Später wurden sie in ein Militär- seine Heimat. Ob er sie je wieder gesehen –Bahnstrecke Pratteln–Frenkendorf und Interniertenlager bei Ersigen verfrachtet. hat? Wahrscheinlicher ist, dass sich seine zurück in Sechser-Gruppe, begleitet von der Familie Dill gegenüber geäusserte Be- einem Bahnbeamten in Bähnler-Uniform, Während des Zweiten Weltkrieges waren fürchtung erschossen zu werden, bewahr- der aber ebenfalls bewaffnet war und männliche Arbeitskräfte rar. Denn die Män- heitet hat. Denn sein letztes Lebenszeichen eine rote Armbinde mit weissem Kreuz ner standen zum Schutze unseres Landes an kam aus der Tschechoslowakei, wo Tausende trug. Zu dieser Zeit rollten viele Kohlen- den Grenzen. Die Frauen mussten in die von Russen auf Geheiss Stalins erschossen transporte von Deutschland nach Italien. Bresche springen. So lag es nahe, dass sich worden waren. Emmy Honegger 93 94 Siedlung und Planung ... Schulmeister so zugleich Sigrist geniesset als Aus dem Visitationsbericht von Daniel Bruckner Sigrist ein Matten im Thal, das Glockenseil ge- aus dem Jahre 1748 über die Pfründen des Pratt- nannt. ler Schulmeisters, der zugleich als Sigrist amtete. Als Schulmeister eine Behausung und Krautgärt- lein ein Krautgarten in Bachtalen ... Der Dorfkern

Wenn man der Beschreibung der im Band 2 der Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Land- schaft aufgelisteten Kulturobjekte bezüglich Pratteln folgt, muss der so genannte Kir- chenbering, das ist derjenige in sich ge- schlossene Ortsbereich Prattelns, der sich um die reformierte Kirche und den mit einer über drei Metern hohen Mauer umschlosse- nen Kirchhof ringförmig entwickelt hat, den ältesten Dorfteil Prattelns und somit die Keimzelle des Dorfes repräsentieren.

Es ist aber auch denkbar, dass sich der älteste Bereich im östlichen Teil Prattelns, beim heu- tigen Meierhof befunden haben könnte. Denn die Regel der Dorfbildung besagt, dass sich ein Dorf aus früheren Meier- oder Dinghöfen und deren Landwirtschaftsbe- trieben entwickelt. Wie sich der Bereich Meierhof im Jahre 1735 präsentierte. Gouache von Emanuel Büchel.

«Zweien» und in die Rheinebene hinunter- Ein weiteres Indiz könnten die Mauerreste, geflossen ist. Anlässlich der Ausschachtung Keramikscherben und Eisen- und Bronze- Der Bereich Meierhof der Baugruben von Wohnhäusern am Mei- Schlacken sein, die man westlich der Haupt- erhofweg ist man auf Spuren keltischer strasse vis-à-vis des heutigen Fitnesshauses Besiedlung aus der Latènezeit, das ist die zwischen der Emanuel Büchel-Strasse und Listen wir deshalb die Fakten auf, die für Zeit der letzten Jahrzehnte vor Christus, der Hauptstrasse 1999 in einer Baugrube den Meierhof als ältesten Dorfteil Prattelns gestossen, die aber auch durch den Erlibach gefunden hat. Den Fundort haben die Ar- sprechen. Da ist einmal die topographische dahin verfrachtet hätten sein können. Tatsa- chäologen im Zuge einer befristeten Not- Tatsache, dass das Gebiet des Meierhofs che bleibt, dass, ausser in Sissach, bis jetzt grabung untersucht. Das Resultat ist er- durch den früheren Erlibach durchflossen im Kanton Basel-Landschaft nirgends Spu- staunlich. Hier an einem Bach gelegen – wahr- wird, der vor unserer Zeitrechnung vom Erli- ren von keltischen Zivilsiedlungen aus dieser scheinlich am Erlibach – der seinen Lauf nun weg direkt den heutigen Meierhofweg zur Zeit entdeckt worden sind. vom Erliweg durch die Liestalerstrasse und 97 die Hauptstrasse genommen haben muss, im ausgehenden 13. Jahrhundert errichtet derts erbaut wurde, an Stelle des früheren hatten sich zur Zeit der Römer Industriebe- hatten. In den Urkunden werden uns auch murbachischen Dinghofes errichtet worden triebe niedergelassen, die Eisenerz verhütte- die ersten Meier, das ist der Wirtschaftsver- ist. Auch nimmt man heute an, dass der Lili- ten und Bronze- und Eisengiessereien betrie- walter des eptingischen Dinghofes, ge- enhof – und zwar der älteste, westliche Teil ben. Das Erstaunliche daran aber ist, dass, nannt. Am 26. April 1277 tritt mit Azo, villi- – 1580 an der Stelle erbaut worden ist, wo nach der Aussage der Archäologen, dieses cus de Brattelon, der erste Vertreter der sich früher der eptingische Fronhof befun- Gebiet bis ins frühe Mittelalter, das heisst heute noch blühenden Familie Atz ins Licht den haben mag. Dieses Faktum wiederum über die Römerzeit hinaus bis ins fünfte der Geschichte und am 28. September 1281 würde belegen, dass sich der frühere Dorf- Jahrhundert besiedelt gewesen sein muss. lernen wir Atze, dictus Villicus, kennen. Das kern doch beim Meierhof befunden haben eptingische Meieramt muss, gestützt auf könnte. Diese Zeitstellung der Archäologen, die hier die Urkunden, innerhalb der Familie Atz ver- eine frühmittelalterliche Besiedlung wahr- erbbar gewesen sein und damit deren her- Die Frage kann aber erst endgültig geklärt scheinlich macht, korrespondiert mit dem vorragenden Status in der Dorfgemein- werden, wenn neue Bodenfunde im Zuge Faktum, dass das Kloster St. Alban bereits schaft unterstrichen haben. Ungeklärt ist von Bauarbeiten auch neue Erkenntnisse lie- im Stiftungsbrief von 1103 einen Dinghof in noch, was aber bei der Zeitstellung durch- fern. Pratteln nachweist, von dem aus der grosse aus möglich wäre, ob es sich bei der Meier- Güterbesitz des Klosters verwaltet wurde. Dynastie Azo um die ehemaligen Verwalter Im Jahre 1333 scheint die Funktion des Mei- des Dinghofes des Klosters Murbach im ers – der vom Grundbesitzer eingesetzte Elsass, dem Pratteln seit dem achten Jahr- Der Kirchenbering Verwalter – vom Dinghof getrennt worden hundert faktisch gehörte, handelt, die bei zu sein, denn in einem so genannten Hofro- der Übertragung des Grundbesitzes an die del wird die Eintreibung der Zinsen, die je- Habsburger und Eptinger ihre Funktion Gestützt auf die Präsentation der Fakten, weils am Hilariustag, dem 13. Januar, statt- behalten haben. die eigentlich für das Gebiet des Meierhofs fand, durch den Schaffner des Klosters St. sprechen, hat sich trotzdem der Kirchenbe- Alban statuiert. Gestützt auf die Fakten, dass sich der Meier- ring zur Keimzelle des Dorfes entwickelt. hof und der Dinghof des Klosters St. Alban Hier im Trümmerfeld eines grossen römi- Auch Daniel Bruckner berichtet uns in seiner sowie der Ding- oder Fronhof der Eptinger schen Landwirtschaftsbetriebes, dessen luxu- Heimatkunde Prattelen von 1749, dass sich im östlichen Teil Prattelns befunden haben, riös und mit Säulen ausgestattetes Herren- der Meierhof dort befunden habe, wo sich machen es wahrscheinlich, dass sich das haus sich an der Stelle befand, wo sich der Weg über das Erli nach Liestal wendet frühere Zentrum des Verwaltungsbezirks heute das 1747 erbaute «Höche Huus» er- und dass das ganze Gebiet noch 1749 die- Pratteln in diesem Gebiet befunden haben hebt, wurde wahrscheinlich bereits im ach- sen Namen trage. muss. Offen ist noch die Frage, wo sich der ten Jahrhundert die Prattler Kirche – eine frühere Meierhof des Klosters Murbach, Holzkirche – erbaut. Das im Jahre 728 ge- Was aber die Nachricht Daniel Bruckners so dem Pratteln seit dem achten Jahrhundert gründete Benediktiner-Kloster Murbach im wertvoll macht, ist der Hinweis, dass sich gehörte, befunden hat. Es könnte in Erwä- Elsass besass in Pratteln den sogenannten der ehemalige eptingische Dinghof in der gung gezogen werden, dass der spätere Herrenzehnten, was gleichbedeutend mit Nähe des Meierhofs befunden habe. Beim Meierhof des Klosters St. Alban dessen Grundherrschaft war. Die Mönche des Klo- Dinghof muss es sich um den ehemaligen Funktion übernommen haben könnte. sters Murbach setzten in Pratteln auch ihren Fronhof gehandelt haben, den die Eptinger Denkbar wäre allerdings auch, dass das Kirchenpatron, St. Leodegar † 678, ein und als Dorfherren hier als Administrativ-Institu- Prattler Schloss als so genannte Niederungs- errichteten wahrscheinlich auch einen Ding- 98 tion kurz nach der Besitznahme des Dorfes burg, die im letzten Viertel des 13. Jahrhun- bzw. Meierhof, der als Verwaltungsinstituti- Der südliche Abschluss des Kirchenberings mit dem spätgotischen Der nördliche Abschluss des Kirchenberings mit Schulmeister-Opis Haus und der Sigristenhaus. Linolschnitte von Karl Schwob† (Karollus), 1960/30. Höfl-Scheune; an der Dorfwaage Uhrmacher Emil Lüdin. on des Grundbesitzes und als Urkunde-Ort Bahnhofstrasse durch die Burggartenstrasse Kirchhof zu einem unbekannten Zeitpunkt diente. Leider wissen wir bis heute nicht, wo über «Zurlinden» in die Prattler Rheinlehne, ummauert. sich der murbachische Meierhof befunden um sich dort durch den «Mägdengraben» hat, und es ist auch keine Urkunde des Klo- und unter dem «Mägdenbrücklein» durch Dieser ummauerte Kirchhof wurde in der sters überliefert, die den Ausstellungsort in den Rhein zu ergiessen. Die Einmündung Folge mit Gebäulichkeiten bestückt, die in Pratteln trägt. Die neuesten Forschungen in den Rhein markierte auch die Gemeinde- einem unabdingbaren Verhältnis zur Kirche machen allerdings wahrscheinlich, dass sich grenze, die an eben dieser Stelle die alte standen. An der Ostseite des Kirchenberings der Dinghof des Klosters Murbach an der römische Staatsstrasse – die Rheinstrasse – wurde das Pfarrhaus, das bereits 1526 als Stelle befunden haben könnte, wo im letz- verliess und den Rhein zur Grenze gewann. baufällig beschrieben wurde, nach der ten Viertel des 13. Jahrhunderts das Prattler Der Talbach schied aber auch das Dorf in das Reformation von 1529 mit den Steinen Schloss als so genannte Niederungsburg östlich des Dorfbaches gelegene Ober- und saniert, die man aus dem Abbruch der Ka- errichtet worden ist. das westliche Unterdorf. pelle, die im 15. Jahrhundert auf dem «Käp- peli», am Weg von der «Hohlen Gass» zum Auch der Kirchenbering ist an einem Bach, Die Kirche wurde schon sehr früh mit einer Erli nach Frenkendorf errichtet wurde, ge- dem Talbach gelegen, von dem alle frühe- Kirchhofmauer umgeben. Das hatte nichts wann. An der Südseite wurde das soge- ren Chronisten berichten, dass dieser auch mit einer Wehrkirche wie in Muttenz zu tun, nannte Sigristenhaus mit dem schönen ge- in der heissesten Jahreszeit Wasser führen sondern hatte praktische Gründe: Denn bei treppten gotischen Fenster mit den Akan- würde. Der Talbach floss damals durch den Hochwasser überschwemmte der Talbach thusranken an die Mauer gebaut. An unbe- Schützenweg, vor dem «Höfli» durch und Kirche und Kirchhof. Um solchen Über- kannter Stelle, aber sicher innerhalb des Kir- vor dessen Ableitung in die Muttenzer- und schwemmungen zu begegnen, wurde der chenberings, muss sich auch das urkundlich 99 QUELLEN: Bereine Kloster St. Alban für Pratteln: Sogenann- ter Grosser und Kleiner Berein. Handschriften. Privatbesitz. Buckhardt, L. A.: Die Hofrödel von Dinghöfen baselischer Gotteshäuser an Oberrhein. Basel, 1860. Bruckner, Daniel: Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel. Faszikel 3: Prattelen. Basel, 1749. Christ, Dorothea A.: Das Familienbuch der Her- ren von Eptingen. Liestal, 1992. Gatrio, A.: Die Abtei Murbach im Elsass. Nach Quellen bearbeitet. Strassburg, 1895. Gilomen, Hans-Jörg: Die Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates St. Alban im Mittel- alter. Quellen und Forschungen zur Basler Der östliche Abschluss des Kirchenberings mit dem Pfarrhaus. Links das Wirtshaus zum «Engel» mit Geschichte, 9. Basel, 1977. dem alten Engelbrunnen. Rechts das 1693 erbaute erste Schulhaus Prattelns. Foto von 1920. Glauser Fritz: Ein Herrschaftswechsel und seine Vorgeschichte seit dem 11. Jahrhundert, in Jahr- erwähnte, dem heiligen Michael geweihte Nur alte Fotos zeigen uns das dominierende buch der Historischen Gesellschaft Luzern, 1991. Beinhaus befunden haben, wo die bei Nach- spätgotische Haus, das an der Nordwest- Heyer, Hans-Rudolf: Die Kunstdenkmäler des bestattungen aufgefundenen Gebeine ver- Ecke von einem mächtigen Mauerpfeiler ge- Kantons Basel-Landschaft. Bezirk Liestal. Basel, wahrt wurden. Im Westen wurde das «Höfli», stützt wurde und das mehrere Gewölbekel- 1895. das die Pultdächer seiner Hinterbauten ler aufwies. Diese Gewölbekeller wurden zu Massini, Rudolf: Das Bistum Basel zur Zeit des direkt auf die Kirchenmauer aufsetzte, er- wiederholten Malen in Urkunden als Wein- Investiturstreits. Basler Beiträge zur Geschichts- richtet und im Norden das Wirtshaus «Weis- keller des Schlosses erwähnt. wissenschaft, Band 24. Basel, 1949. ses Kreuz», das spätere «Rössli» mit dem Meyer, Werner: Burgenbau, Siedlungsentwick- 1792 an Stelle einer Schmiede errichteten Was für Gründe schliesslich dafür massge- lung und Herrschaftsbildung im Jura in der Zeit Tanzsaal. Wirtshäuser gehörten zur Zeit des bend waren, dass sich der Kirchenbering als um 1000. La donation de 999 et l’histoire Mittelalters und der beginnenden Neuzeit Keimzelle des Dorfes etablieren konnte, médiévale de l’ancien Evêché de Bâle. Porrentruy, als Sozialkomponente wie Pfarr- und Sigris- bleibt weiter unklar. Möglicherweise hängt 2002. tenhaus zum Ensemble eines Kirchenbe- dies mit der Erbauung des Weiherschlosses Schulte, Aloys: Geschichte der Habsburger in reichs. als so genannte Niederungsburg im letzten den ersten drei Jahrhunderten mit instruktiver Viertel des 13. Jahrhunderts zusammen. Den Besitzkarte der Habsburger, Innsbruck, 1887. Leider wurde der wohl älteste Komplex des Spekulationen aber kann erst ein Ende ge- Sutter, Fritz: Wo nä Stärn stoht uf em Stei. Blätter Kirchenberings, «Schuelmeisters Oppis Huus» setzt werden, wenn durch das Auffinden aus der Prattler Ortsgeschichte. Pratteln, 1992. sowie die «Höfli-Scheune bereits in den neuer geschichtlicher Zeugnisse oder Boden- dreissiger Jahren abgebrochen und durch funden neue und interpretierbare Fakten 100 Bauten des damaligen Zeitgeistes ersetzt. geschaffen werden. Fritz Sutter Landbesitz, beispielsweise P. Burckhardt- eine Holzlaube und vorgelagert ein Som- Die Einzelhöfe Forcart das Herrschaftshaus ost- und west- merhaus mit Tanzsaal erbaut. Nach weite- seits um je zwei Achsen. So erhielt der Bau ren Besitzwechseln wurde 1792 der Badbe- seine heutige Gestalt. Auch ein Dachreiter trieb aufgehoben und eine Gipsmühle mit Glocke und Windfahne, steinerne eingerichtet. 1825 wurde das quer zum Balustraden auf der talseitigen Terrasse, Wohnhaus stehende Ökonomiegebäude ab- prächtige Gittertore um den Hof, ein Hof- gerissen und durch ein neues ersetzt. 1961 brunnen und ein Eckpavillon wurden da- bezog der in Liestal wirkende Chirurg Prof. mals angebracht. Im Innern ziert ein gross- H. Willenegger das Hofgut. Er liess es innen Die meisten Nebenhöfe liegen auf den An- zügiges Treppenhaus mit einem in franzö- und aussen renovieren. Durch das Entfer- höhen über Pratteln. Die zwei Höfe in der sischer Barockdekoration gehaltenen Gelän- nen des durch das ganze Gebäude führen- Ebene sind dem Siedlungsdruck gewichen der das stattliche Haus. Im Verlaufe der Zeit den Ganges im östlichen Teil des Oberge- und entweder ganz oder teilweise ver- wurden die landwirtschaftlichen Bauten für schosses entstand eine grosse Wohnstube. schwunden. Ihre Entstehung ist sehr ver- den Pächter südwestlich des Herrschaftssit- Hier wurden Rankenmalereien an den De- schiedenartig. Einige verdanken ihre heuti- zes in mehreren Etappen neu erbaut. 1911 ckenbalken und den Dielen sichtbar, die den ge Gestalt dem Verlangen begüterter Stadt- richtete Th. Jakobs nach mehreren Besitzer- gleichzeitig entstandenen Malereien im basler nach einem schön gelegenen und wechseln auf dem Gut ein Knabeninstitut Schloss und im Pfarrhaus ähneln. Sie sind leicht erreichbaren Sommersitz. Andere Ne- ein. Seit 1975 unterichtet die Rudolf Stei- jedoch in gelben und braunen Tönen gehal- benhöfe entstanden durch die Aussiedlung ner-Schule auf Maienfels ihre Schüler. Man- ten und die Ranken umschliessen Tiere wie bestehender Bauernbetriebe aus dem Dorf, ches wurde im und um das Haus seither Greifen, Tauben, Löwen, Hasen und Hunde. weil im Dorfkern die Umstellung auf zeit- sorgfältig renoviert und führt so den Der heutige Baubestand basiert auf demje- gemässe Bewirtschaftungsarten kaum mög- Schülern den Bezug zur Vergangenheit vor nigen des Bades von 1691; lediglich die Ori- lich war. Augen entierung der Fenster von der Sonnseite zur nordseitigen Aussicht wurde im Verlaufe der Baugeschichte geändert. Die Baugruppe mit Der Mayenfels Hofgut Neu-Schauenburg Herrschafts- und Pächterwohnung, der quer- Über dem westlichen Dorfteil von Pratteln, Eingebettet in ein Tälchen zwischen dem gestellten Ökonomie und dem dazwischen auf dem Maienbühl, wie er früher hiess, Horn und der Ruine Schauenburg liegt das liegenden terrassierten Brunnenplatz bildet liegt des Gut Mayenfels. Wohl der schönen Hofgut an prächtiger Aussichtslage. Erst- ein sehr schönes Ensemble in prächtiger Aussichtslage wegen erbaute sich hier im mals erwähnt wurde das Bruderhaus (Män- Landschaft. Jahre 1727 J. R. Fäsch, Ratsherr, Oberzunft- nerkloster) 1465. Schon 15 Jahre später zo- meister und Bürgermeister der Stadt Basel gen an Stelle der Männer die Beginen ein. Landgut Schönenberg einen Landsitz. Das damals dreiachsige, zwei- Diese zogen dann 1520 ins Rote Haus in stöckige Gebäude mit Mansarddach wies Muttenz und verkauften Neu-Schauenburg. Über dem östlichen Dorfteil an der Grenze auf der Ostseite zwei niedrigere quergestell- Nach mehreren Besitzerwechseln gelangte zu Frenkendorf liegt das Landgut Schönen- te Bauten auf, die die Pächterwohnung und die Familie Dräs von Sauerbronn in den Be- berg in aussichtsreicher Lage. J. Zäslin, der die Ökonomie enthielten. Talseits des Haupt- sitz des Gutes. Sie erhielt 1691 die Erlaubnis Begründer der Industriebetriebe in Nieder- baues wurde eine Aussichtsterrasse ange- zur Einrichtung eines Bades und des Wein- schönthal, erbaute vor 1769 den Alphof. An fügt und im Süden vervollständigte ein Lust- ausschankes. Der Wohnteil wurde verlängert, dieses senkrecht zum Abhang stehende garten mit Springbrunnen die Anlage. Ver- im Keller Badekästen und im Obergeschoss Gebäude fügte er 1769 rechtwinklig auf der schiedene Nachfolger vergrösserten den Gästezimmmer eingerichtet. Ostseits wurde Westseite einen Anbau mit Sommerwoh- 101 kannte Historiker und Diplomat Carl Jakob überliefert. Der Hof war nachweislich schon Burckhardt in jüngeren Jahren den Sommer. im 18. Jh. im Besitz der Bürgergemeinde Wegen zunehmendem Verfall wurde dieses Pratteln, die hier 1974 ihren forstlichen Haus 1959 abgebrochen. Die nachherigen Werkhof mit Försterwohnung einrichtete. Besitzer des Gutes, P. und M. Sacher-Stehlin, Die landwirtschaftlich genutzte Fläche wurde liessen die Gebäude gründlich restaurieren in den Talhof eingegliedert. Als letzter Päch- und erbauten ostseitig auf Frenkendörfer ter bewirtschaftete F. Schütz-Pfirter 1948 Boden ein neues geräumiges Wohnhaus. bis 1972 den Ebnet. Das Landgut mit seinem zweiseitig von Bau- ten umschlossenen Vorplatz, der fröhlich Der Hohe Rain mit Rosetten und Blattwerk bemalten win- kelförmigen Laube und der mächtigen Baum- Das ehemals weitab vom Dorf auf der Kante gruppe liegt malerisch in der Landschaft. der obern Rheinterrasse gelegene Hofgut Hoher Rain wird heute von den zwei Ästen Auf dem 1974 errichteten neuen Talhof wurde der Zurlindenstrasse umschlossen. Der Bau- Der Talhof auch der Brunnen aufgestellt, der bis 1967 vor ernhof gehörte dem Kloster St. Alban und der Metzgerei Atz beim Schloss platziert war. Zuhinterst im Tal, südwestlich der Talweiher, wurde 1387 erstmals erwähnt. Vom Ende steht noch heute die grosse Scheune mit des 17. Jh. an waren verschiedene Basler nung an. Die Sennerei mit 12 Kühen ent- Stallungen des Talhof. Südlich im rechten Familien die Besitzer. Der Hof wurde zum hielt die Pächterwohnung, zwei Scheunen, Winkel dazu stand das Wohnhaus des Päch- Landsitz ausgebaut. Das barocke Wohnhaus zwei Stallungen und ein Wohnhaus. In einem ters, das 1975 abgetragen wurde. Nördlich vereinigte die Pächter- und Herrschaftswoh- Schreiben von 1793 beschwerte sich die an die Ökonomie angebaut war die Herr- nung unter einem Dach. Das 1772 gebaute Gemeinde Pratteln bei der Stadt Basel darü- schaftswohnung mit einer später angebau- und 1984 abgerissene Ökonomiegebäude ber, dass die Gutsbesitzer durch die vielen ten Sternwarte, die vom Astronomen Prof. mit Scheune und Stallung hatte ein Walm- Landkäufe ihren Bann um einen Viertel ver- Martin Knapp, dem letzten Bewohner des dach mit einer bemerkenswerten Binder- kleinert hätten. Es wurde fussfällig darum Hauses, benutzt wurde. Auch dieser Gebäu- konstruktion von 18 m Spannweite. Heute gebeten, diese Landkäufe zu verbieten, weil deteil wurde entfernt. Die heutige Besitzerin gammelt das von bunten Blechbauten um- sonst die armen Landleute gezwungen wä- des Gutes, die Bürgergemeinde Pratteln, gebene Wohnhaus still vor sich hin ren, das Vieh abzuschaffen und ihre Äcker erstellte 1972/74 etwas höher oben auf öde liegen zu lassen. Der Rat zu Basel hat einer Kuppe einen neuen Hof, der sich gut Hofgut Lachmatt solche Verbote auch tatsächlich mehrfach ins Landschaftsbild einfügt. Die bewirt- ausgesprochen. 1812 liess der neue Besit- schaftete Fläche wurde um diejenige des Der Lachmatthof lag nördlich der Tramlinie zer, der Basler Drei-König-Wirt L. Iselin, auf Hofes Ebnet vergrössert. Erstmals wurde der an der Grenze zu Muttenz. Nach Aufhe- der Ostseite ein freistehendes Ökonomiege- Talhof 1749 erwähnt, als für das Landvolk bung des Flurzwanges erbaute dort E. W. bäude und zwei Jahre später südseits des eine Badhütte aus Brettern erstellt wurde. Merian 1795 einen Hof. Der mit Treppen- Sennhofes eine Scheune errichten. Nach giebeln ausgestattete Bau wurde 1906 von mehreren Besitzwechseln übernahm die Fa- der Merian-Stiftung gekauft und zu einem Der Ebnet milie Burckhardt-Vischer das Gut. Um 1880 stattlichen Bauernhof vergrössert. Das Gut liess diese etwa 200 m westlich des Gutes Das Ebnetgut wird 1387 als dem Kloster St. musste in der zweiten Hälfte der siebziger ein neues Herrschaftshaus in historisieren- Alban zugehörig erwähnt. Da der Ebnet nie Jahre den sich ausbreitenden Industriebau- 102 dem Stil erbauen. Hier verbrachte der be- ein Herrengut war, ist über ihn recht wenig ten weichen und wurde abgerissen. Die Saline: Keimzelle der industriellen Entwicklung Prattelns

So schicksalshaft die wirtschaftliche Ent- wicklung des Kantons Basel-Landschaft mit dem Salzfund in Schweizerhalle in der Rhein- ebene Prattelns verbunden ist, so schicksals- haft ist auch die industrielle Entwicklung Prattelns mit dem Bau der Saline verknüpft. Die Saline darf mit dem Kirchenbering Prat- Der Ebnet ist der älteste Nebenhof; er befindet sich im Besitz der Bürgergemeinde Pratteln und dient telns verglichen werden, den dieser bei der heute als Werkhof und Försterwohnung der Bürgergemeinde. Dorfbildung spielte. Mehr noch: Die Saline ist die Keimzelle der industriellen Entwick- Der Leuengrund acher. Anstelle der Einfamilienhäuser Nr. 29 lung Prattelns überhaupt, und diese mar- bis 31 an der Schauenburgerstrasse war die- kiert den Aufstieg Prattelns vom Bauerndorf Auf der erhöht im Südwesten des Dorfes lie- ser Bauernbetrieb angesiedelt. Ein Ausbau zum bedeutendsten Industrie-Ort des Kan- genden Waldwiese wurde um 1790 eine zwecks Anpassung an neuere Bewirtschaf- tons Basel-Landschaft. Ohne den Bau und Feldscheune erbaut. Im Jahre 1953 wurde tungsmethoden und der Viehtrieb auf der den Fortbetrieb der Saline und der mit ihr sie vergrössert und eine bescheidene Woh- Strasse kam nicht mehr in Frage, weshalb verbundenen Industriebetriebe hätte Prat- nung darin eingerichtet, da das Vieh des an der Hof 1979/80 ins Tal umgesiedelt wurde. teln nie den dominierenden verkehrstechni- der Wartenbergstrasse liegenden Hofes im Der neue Hof der Familie Urech ist anspre- schen und wirtschaftlichen Status erlangt, Winter auf dem Leuengrund untergebracht chend gestaltet und fügt sich gut in die der ihm heute seine wirtschaftliche Bedeu- war und hier betreut werden musste. Zehn Landschaft des Tals ein. Werner Rohner tung und Zukunft sichert. Jahre später wurde der Hof definitiv ausge- siedelt und das Wohnhaus gebaut. Der Schwerpunkt des Betriebes liegt heute im QUELLEN: Weinbau. Daneben wird von der Familie H.R. Heyer; Kunstdenkmäler des Kantons Basel- Die Saline Schweizerhalle Schneider nebst der Mutterkuhhaltung zur landschaft. Winterzeit eine Gastwirtschaft im bäuerli- E. Zeugin; Aus früheren Zeiten. chen Nebenerwerb betrieben. E. Zeugin; Die Flurnamen von Pratteln. Die Fakten des Salzfundes sind bekannt: Recherchen der Bürgergemeinde in derem Archiv. Gestützt auf die geologische Karte, die der Basler Ratsherr und Universitätsprofessor Hof Krummacher Peter Merian im Jahre 1821 publizierte und Im Tal zwischen der Schauenburgerstrasse in der er auf die Gesteinsschichten, die beim und den Weihern liegt der Hof Krumm- «Roten Haus» am Rheinufer bei Pratteln 103 in der Gemarkung Muttenz und nachdem er sich mit dem Gutsbesitzer, Remigius Me- rian, verständigt und einen Schacht abge- teuft hatte, mit der Bohrung. Die Arbeiten verliefen etwa drei Monate problemlos, bis am 7. Dezember 1835 in rund 68 Metern Tiefe der Bohrmeissel abbrach und sich schief stellte. Nun dauerte es fast drei Monate, bis man das Bohrloch beträchtlich erweitert und am Hindernis vorbei weiter bohren konnte. Am 30. Mai 1836 – einem historischen Tag für Pratteln und den jungen Kanton Basel-Landschaft – stiess der Bohr- trupp Glencks in 116 m Tiefe (391 Fuss und 4 Zoll) auf bedeutende Schichten reinstes Steinsalzes. Gestützt auf die Nachricht der Erbohrung des Steinsalzes teilte der Kanton Basel-Landschaft seinen Mitkantonen die er- freuliche Botschaft unverzüglich mit und lud diese zum Abschluss eines Salzlieferungsver- Die Saline Schweizerhalle im Jahre 1876. Abgebildet sind die mit Holz und Kohle befeuerten Sudhäu- trages ein. ser, die 1860 errichtete Villa des Salinendirektors am Rhein und das Pumpenhaus. Im Bildhintergrund die 1872 in Betrieb genommene Salinenbahn, die das Salz zum Bahnof Pratteln transportierte. In der Folge versuchte Glenck, den Bau der Saline speditiv voranzutreiben. Aber, ge- hinwies, prognostizierte Merian die Mög- eigenen finanziellen Mitteln zu finanzieren. stützt auf die horrenden Forderungen des lichkeit, dass in diesen – wie in Süddeutsch- Des weitern beinhaltete der Konzessions- Grundeigentümers des «Roten Hauses», zer- land oder in Lothringen – Steinsalz gefun- vertrag, dem Staat sei nach zehn Freijahren schlug sich die Absicht Glencks, von Remigi- den werden könne. Aber niemand nahm 10% des Salzertrags abzuliefern. Als Gegen- us Merian zwei Hektaren Land für den Bau von dieser geologischen Prognose Kenntnis, leistung übertrug der Kanton Basel-Land- der Saline zu erwerben. Glenck wandte sich und auch der deutsche Salinenfachmann, schaft dem Salinenprospektor Glenck das um Unterstützung an die Gemeindebehör- Carl Christian Friedrich Glenck, der seit Eigentum an den zu entdeckenden Salzla- den von Pratteln und an die Kantonsregie- 1821 mit privatem Geld in der Schweiz gern und ein siebzigjähriges Salzmonopol, rung. Diese gaben ihm jedwelche Unterstüt- erfolglos nach Salz bohrte, kam erst 1833 in das in der Folge wiederholt verlängert wur- zung. Insbesondere der Gemeinderat von den Besitz der geologischen Unterlagen. de. Der Konzessionsvertrag wurde im April Pratteln, der zwei verkaufsunwilligen Grund- Gestützt auf die geologische Karte Peter 1834 abgeschlossen und vom baselland- eigentümern am Rheinbord von Pratteln Merians beantragte Glenck eine Konzession schaftlichen Kantonsparlament – dem Land- deren Parzellen abkaufte und diese zum Ein- beim Regierungsrat des Kantons Basel-Land- rat – ratifiziert. standspreis an Glenck weitergab, sicherten schaft, die ihm auch ausgestellt wurde. der Saline die benötigten Landreserven, um Darin verpflichtete sich Glenck, die gesam- Gestützt auf die erteilte Konzession begann die geplanten Bauten, nämlich vier Siede- ten Investitionen, angefangen von den Bohr- Carl Christian Friedrich Glenck am 5. Sep- häuser zu je zwei Pfannen und das östlich 104 versuchen bis zur Errichtung der Saline, aus tember 1835 westlich des «Roten Hauses» davon gelegene Salzmagazin sowie ein Mehr- war das Fest der Einweihung der Saline, was aber noch den 8. fortdauerte, daher erst am 9. mit der Bohrarbeit angefangen werden».

Das erste Salz gelangte am 1. August 1837 nach Liestal. Zwei mit grünem Baumreis geschmückte Pferde-Fuhrwerke brachten das erste Salz – 90 Zentner = total 4500 kg – nach Liestal, wo festgestellt wurde, dass das aus der Saline Schweizerhalle gelieferte Salz dasjenige der bisherigen Lieferanten aus Frankreich an Weisse, an innerer Rein- heit und Geruch weit übertreffen würde. Ein besonderer Grund war auch der Preis, denn anstelle der bisherigen 50 Batzen pro Zentner (50 kg) kostete das Salz nur noch Eine Industrie-Kathedrale als Salzlager. Die Di- 35 Batzen, also 30 Prozent weniger, und mensionen der futuristischen Lagerhalle sind aus dies erst noch inklusive Transport, Verpa- dem Vergleich mit dem Pneulader ersichtlich. ckung und Spesen. Ein Kommentator be- merkte, dass sich die Baselbieter Kühe freu- tigen Villa Glenck zur Verfügung. Sie wur- Zuerst Salz-Bohr- und dann Sole-Fördertürme; en würden, jetzt vaterländisches Salz fressen den aber bereits 1851, nach einer Ausbeute diese erinnern an die erste industrielle Revolution zu dürfen. von 42000 Tonnen, stillgelegt. Bis in die in Pratteln. Heute existieren nur noch zwei Türme. späten sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts Die Salzförderung am Standort Schweizer- erfolgte die Kavernenlaugung im Gebiet zweckgebäude mit einem Verkaufsbüro zu halle nahm Jahr für Jahr zu: Im Jahr 1837 Dürrenhübel–Ättigraben–Zurlinden östlich errichten. Das Pumpenhaus, das die Sole betrug diese 10000 Doppelzenter (1 Dop- der Saline in der Rheinebene. In den siebzi- aus den Bohrlöchern förderte, befand sich pelzenter = 100 kg), also 1000 t; zehn Jahre ger Jahren verlagerte sich die Ausbeutung an der Stelle, wo sich heute die 1860 errich- später bereits 65000 Doppelzenner oder in das südwestlich gelegene Hügelgelände tete historische Villa des Salinendirektors 6500 t, und 1862 sogar schon 100000 Dop- Zinggibrunn–Sulz–Wartenberg. Heute sind (Salzmuseum) befindet. pelzenter oder 10000 t. In den nachfolgen- wechselweise über 30 Bohrlöcher im Be- den Jahrzehnten wurde die Produktion kon- trieb. In den ersten 140 Jahren wurde mit Die Saline wurde feierlich und in Anwesen- tinuierlich gesteigert. Um 1900 wurden rund 3,5 Mio Tonnen gleich viel Salz gewon- heit der gesamten Baselbieter Politpromi- 20000 Tonnen, 1925 30000 Tonnen, 1950 nen wie in den darauf folgenden 25 Jahren nenz und mit einer Ansprache des damali- 40000 Tonnen erreicht und ab 1964 be- mit der neuen Saline. gen Landratspräsidenten am 7. Juni 1837 – gann mit der einsetzenden Sortimentserwei- also nach einjähriger Bauzeit – eröffnet. terung und dem Salineneubau der rasante Aktuell betragen die Jahreskapazitäten der Während die Prominenz die Saline beehrte, Leistungsausbau auf schliesslich 160000 in den Vereinigten Schweizerischen Rhein- feierten die neunzig Prattler Salinearbeiter Tonnen pro Jahr im 3-Schicht-Betrieb. salinen verbundenen Standorte Riburg und ihr Fest im «Ochsen» in Pratteln. Im Bohr- Schweizerhalle im 3-Schichten-Betrieb rund journal der Saline Schweizerhalle findet sich Ursprünglich standen nur die beiden Pro- 450000 Tonnen; etwas weniger als die Hälf- folgender vielsagende Zusatz: «... Den 7ten duktionsbohrungen II und III unter der heu- te davon entfallen auf Schweizerhalle. 105 führte über ein Konsortium der Salinen aus Schweizerhalle und den drei Aargauer Sali- nen, nämlich Salinen von Kaiseraugst, Rhein- felden und Riburg/Möhlin. Allerdings hatte dieses, weil das gegenseitige Misstrauen zu gross war, nicht allzu lange Bestand. Dies gestützt auf das Faktum, dass die Basler Investoren, die die Finanzierung der aar- gauischen Salinen garantierten, alles daran setzten, die Saline Schweizerhalle und da- mit den Kanton Basel-Landschaft wirtschaft- lich zu schädigen. Man schätzt den wirt- schaftlichen Schaden, den die Aargauer Sali- nen durch ihr Preisdumping zu Lasten des Kantons Basel-Landschaft verursachten, auf mehr als acht Millionen Franken. Schliesslich gelang es aber doch noch, wenigstens einen Allianzvertrag – sprich Kartell – auszu- arbeiten, der den aargauischen Salinen Marktpositionen in der Ost- und Zentral- schweiz zuwies, während die anderen Kan- tone der Saline Schweizerhalle zur Beliefe- rung überlassen wurden. Aber auch die Die Saline Schweizerhalle im 21. Jahrhundert, mit Direktanschluss an zwei Autobahnen und zwei Aargauer Salinen mussten ihrem Dumping Eisenbahnlinien. Im Hintergrund die Autobahn A2 und die Industrie-Überbauung Pratteln Nord. Tribut zollen: Der Konkurrenzkampf kostete Opfer. 1904 wurde Kaiseraugst stillgelegt, In den Jahren 1990 und 2000 wurden durch Aus dem ehemaligen Familienunternehmen weil der Salinenstandort durch den bevor- die Vereinigten Schweizerischen Rheinsali- des Carl Christian Friedrich Glenck über die stehenden Kraftwerkbau Augst–Wyhlen nen die folgenden Salzmengen gefördert: Vereinigten Rheinsalinen sind die heutigen unter Wasser gesetzt wurde. Im Jahre 1909 1990: 221000 Tonnen und 2000 395000 Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen schlossen sich die verbleibenden drei Sali- Tonnen, wobei 1990 der Anteil der Saline AG entstanden, deren Aktienkapital zu nen zur Vereinigten Schweizerischen Rhein- Schweizerhalle 121000 Tonnen und 2000 hundert Prozent bei den schweizerischen salinen AG zusammen. Der Zusammen- 160000 Tonnen betrug. Die starken Schwan- Kantonsregierungen und dem Fürstentum schluss ging mit einem komplizierten, mehr- kungen resultieren vor allem aus dem nicht Liechtenstein – ausser der Waadt – liegt. Der schrittigen Eigentümerwechsel einher, wo- planbaren Bedarf an Auftausalz für den Kanton Waadt ist als einziger Kanton nicht bei während einer langen Phase die Kanto- Strassen-Winterdienst. Mitglied der Vereinigten Schweizerischen ne und die Familie Glenck gleichzeitig Ak- Rheinsalinen AG, weil dieser in Bex eine ei- tionäre waren. Interessanterweise gehörte Auch die Saline hat sich in dieser Zeit gene Saline betreibt. Der Weg vom Privat- der Kanton Basel-Landschaft in der ersten sowohl bezüglich der Gesellschaftsform wie und Familienunternehmen der Familie Glenck, Phase des Eigentümerwechsels, im Gegen- auch bezüglich der eingesetzten Technolo- mit deren herausragenden Direktoren Carl satz zum Kanton Basel-Stadt, nicht zu den 106 gie zur Salzherstellung gewaltig verändert. Christian Friedrich, Otto und Hugo Glenck, Kaufwilligen. Ganz verheerend wirkte sich in den frühe- ren Betriebsjahren die Zollbelastung aus. Während die Salz-Importe nur mit 30 Rp. pro 100 kg besteuert wurden, wurde bei den Exporten der zehnfache Betrag erho- ben. Pikantes Detail: Die Eidgenössische Zoll- verwaltung war nie dazu bereit, diese Un- gleichheit aufzuheben.

Parallel zur Änderung der Gesellschaftsform wurde auch die Technologie der Salzgewin- nung aus der Sole ständig dem sich dyna- misch weiterentwickelnden Stand der Tech- nik angepasst. Den mit Holz und Kohle be- feuerten Siedepfannen mit der manuellen Abscheidung des ausgefällten Salzes folg- ten Pfannen mit mechanisierten Austrags- einrichtungen. 1930 folgte die Installation der Vakuum-Verdampfungs-Anlage und 1966 die der Thermokompressions-Anlage. Damit erhielt die Saline Schweizerhalle nicht nur Bereits sieben Jahre nach der Produktionsaufnahme der Saline Schweizerhalle, im Jahre 1844, wurde die modernste Technologie, sondern sie eli- die Chemische Fabrik Schweizerhalle gegründet. minierte auch die aufwändige manuelle Ar- beit an den Pfannen. Sie schaffte sich damit konnte ihre Grundstoffe – vornehmlich Salz, Zu den Pionier-Firmen der wirtschaftlichen die Voraussetzungen, um sich künftig auf dem Kalk und Gips als Abfallprodukte der Siede- Entwicklung Prattelns gehört aber auch die Markt wirtschaftlich behaupten zu können. pfannen – direkt aus der Saline beziehen. Farbstofffabrik Feba – das Tinteli – die 1867 Profitabel allerdings entwickelte sich die durch den Diplom-Chemiker Siegwart ge- Einen weiteren Markstein in der industriel- Chemische Fabrik erst, als ein Chemiker hier gründet wurde, welche Flusssäure und Glas- len Entwicklung Prattelns setzte die Grün- am rasch fliessenden Rhein die sogenannte ätzpräparate sowie photographische Che- dung der ersten chemischen Fabrik in «Rotfarb-Fabrik», die Fabrik zur Herstellung mikalien und auch Tinte produzierte. Aus- Schweizerhalle, die im Jahre 1844 östlich der des roten Farbstoffes Fuchsin, errichtete. gangsprodukt dieser Produkte war das in Saline Tatsache wurde. Der Bau des Che- Ökologisch gab es damals keine Einsprüche, der Saline Schweizerhalle geförderte Salz. miebetriebs, gegen den der Prattler Ge- obwohl die Chemische Fabrik pro Jahr 300 t Zu den für die Saline Schweizerhalle wesent- meinderat wegen der befürchteten Emissio- Arsenik – ein hochwirksames Gift – für den lichen Entwicklungen gehörte auch die nen und deren Einfluss auf die benach- Fabrikationsprozess einsetzte. Aber trotz- Gründung der Säurefabrik Schweizerhalle, barten Landwirtschaftsgebiete Befürchtun- dem sank der Stern der ersten Chemischen die sich südlich der Saline domizilierte und gen angemeldet hatte, wurde bewilligt und Fabrik und diese wandelte ihren Namen im aus dem ohne Einschränkungen nun am die Beschwerden als unbegründet abgewie- Jahre 1890 in «Chemische Fabrik Schwei- Standort verfügbaren Grundstoff Salz und sen. Diese erste chemische Fabrik hatte ge- zerhalle» um. Ihre Hauptprodukte waren dem importierten Schwefelkies Schwefel- genüber anderen einen grossen und kaum Chemikalien, Futtermittel und künstliche und Salzsäure produzierte. Schon im ersten kompensierbaren Standortvorteil, denn diese Düngemittel. Betriebsjahr von 1918 bezog die Säurefa- 107 brik 100 t Salz von der Saline, was etwa 0,5 Gelterkinden aus dem Jahre 1864 abge- le. Mit Beiträgen zur Industriesiedlung Schwei- Prozent der Jahresproduktion entsprach. druckt wurde, lautet auszugsweise: zerhalle. Schweizerhalle, 1867. Schweizerische Rheinsalinen: Informationen zu Dass diese industrielle Konzentration in der «… Wir folgen wieder unserm Rhein Fördermengen. 2001. Saline Schweizerhalle auch Optionen be- Hart an dem linken Ufer sein. Stocker, F. A.: Drei schweizerische Salinedirekto- züglich des Ausbaus der Infrastruktur mit Schaut dort, wo jene Thürme blinken ren. In «Vom Jura zum Schwarzwald», Band 3. Arbeiterwohnungen für die Salinen-Mitar- Und freundlich uns entgegen winken! Aarau, 1893. beiter, einem Tante Emma-Laden, einem «Das ist Stadt B…!» Doch für heut Sutter Fritz: Magazinbeilage Basler Zeitung. 200 Wirtshaus, einer Schule und einer Poststelle Ist uns bis dort der Weg zu weit. Millionen Jahre Salz. Basel, 1984. sowie einem Sol- und Kurbad zur Folge ha- In S… angekommen, Sutter, Fritz: Geburt des Kantons: Am Anfang ben würde, liegt in der Tatsache begründet, Ist unser Reiseziel gewonnen. stand das Salz. In Basler Zeitung vom 30. April dass sich Schweizerhalle zu einem autono- Seht ihr die Menge der Kamine? 1882. Basel. men Dorf mit eigener kommunaler Infra- «Aha! Das ist ja die S…! Wirz, Eduard: 100 Jahre Saline Schweizerhalle struktur und historisch gewachsener Salinler- Das liebe Salz wird hier gemacht 1837–1937. Liestal, 1937. Identität entwickelte. Der Ausbau der Ver- Und uns von da dann zugebracht, kehrsachsen und insbesondere die ab 1854 Der schönsten eine von den Gaben, realisierten Eisenbahnlinien belegen, dass Die wir von Gott empfangen haben. auch die geografische und topografische Tief aus der Erde Schooss hervor Lage von Schweizerhalle und vor allem Quillt dort im Wasser Salz empor; deren bedeutende industrielle Konzentrati- Hier wird in Pfannen es gesotten on wahrgenommen wurden. Und aller Welt dann feilgeboten. Viel tausend Centner führt man fort Interessant ist auch festzuhalten, dass die Jahr ein, Jahr aus, von Ort zu Ort. Saline Schweizerhalle seit 1872 mit der Sali- Wer der Entdecker ist gewesen, nenbahn den Bahnanschluss an den Eisen- Könnt ihr in Kettigers Büchlein lesen, bahnknoten Pratteln realisiert hat und da- Und manches andere noch dabei, mit, ohne Pferde-Fuhrwerke, den Transport Wie alles eingerichtet sei. …» von Salz auf der Schiene sowohl über die Bözberg- wie auch über die Hauensteinlinie Unschwer lassen sich S… und S… als zu sämtlichen Destinationen der Schweiz Schweizerhalle und Saline entschlüsseln. garantieren konnte. Fritz Sutter

Welch hohen Stellenwert die Saline Schwei- QUELLEN: zerhalle in der basellandschaftlichen Bevöl- Birkhäuser, Kaspar, et al.: Saline Schweizerhalle kerung genoss, mag am besten anhand 1837 bis 1987. Liestal, 1987. eines Gedichtes, das der Lehrer Johann Kölner, Paul: Das Basler Salzwesen seit dem 13. Jakob Schaub aus Anlass einer Schulreise Jahrhundert bis zur Neuzeit. Basel, 1920. einer Gelterkinder Schule zur Saline Schwei- Merian, Peter: Beiträge zur Geognosie. Übersicht zerhalle verfasst hatte, aufgezeigt werden. der Beschaffenheit der Gebirgsbildungen in der Dieses Gedicht – eine poetische Hommage Umgebung von Basel. Basel, 1821. 108 an die Saline – das in der Heimatkunde von Meier, E. A.: 50 Jahre Säurefabrik Schweizerhal- mit Einfamilienhäusern überbaut. Eine gros- und heute von Spar betrieben wird. Das Die bauliche se gewerbliche Entwicklung hat auch das Quartier ist durch eine Buslinie mit der Entwicklung Prattelns Gebiet «Rüti» und die angrenzende «Wan- «Aussenwelt» verbunden. nen» erfahren. Hier sind denn auch die Haupteinnahmen-Quellen der Bürgerge- Pratteln West meinde; die meisten Gewerbebetriebe so- wie Detailhandelshäuser sind auf Baurechts- Ebenfalls in Pratteln West, gemeint ist das Land der Bürgergemeinde Pratteln gebaut. ganze Gebiet westlich der Gempenstrasse, Viel Gewerbe hat sich auch in den Gewer- hat sich viel verändert. Kleinere Wohn- Pratteln hat sich in den letzten Jahrzehnten, behäusern im Gebiet Götzisboden sowie blocks, Hoch- und Einfamilienhäuser wur- vorwiegend in den euphorischen Wachs- Steinhölzli in der Rheinebene Ost niederge- den gebaut und Klein- und Mittelgewerbe tumsjahren 1960 bis 1970 und hauptsäch- lassen. haben insbesondere am westlichen Teil der lich an der Peripherie, entwickelt. Neue Wohn- Muttenzerstrasse ihr Domizil aufgeschla- Quartiere, Gesamtüberbauungen, schossen Auf der Südseite der Krummeneichstrasse, gen. Das Areal und das Fabrikgebäude der wie Pilze aus dem Boden. Ausnahmen sind im Rankacker, also gegenüber dem Gewer- einst grössten Prattler Arbeitgeberin, der die Überbauungen «Stockmatt» mit Mehr- begebiet «Rüti», entstanden Wohnblocks Firestone, beherbergt heute schier unzähli- familienhäusern und «Kästeli» mit Einfami- und Hochhäuser. ge Klein- und Mittelbetriebe sowie grosse lienhäusern, die 1982 bzw. 1997 entstan- Speditionsfirmen und Lagerhallen. Anschlies- den. Viele der Mehrfamilienhäuser sind Ren- Zu Pratteln Ost gehören auch die südlich der send hat sich an Stelle der früheren Schweiz. dite- und Anlage-Objekte von Versicherun- Bahnlinie Basel-Luzern entstandenen Über- Teerindustrie AG (Teeri) die Schenectady gen, Pensionskassen und Gewerbekonsorti- bauungen «Gehrenacker» und «Buholz». domiziliert. Die Schindler Waggon AG ne- en. Die meisten grossen Gewerbegebiete Sie sind reine Wohnsiedlungen mit Einfami- ben der Schenectady heisst gegenwärtig ... entstanden zwischen 1980 und 2000. lienhäusern, Wohnblocks und Hochhäu- ja wie heisst sie? – Bombardier und gehört sern, wobei der an der Oberfeldstrasse gele- zu einem kanadischen Konzern. Die Mars gene Bauernhof fast exotisch wirkt. Uto AG gibt es nicht mehr. Pratteln Nord und Ost In Pratteln Nord haben sich vorwiegend Auch wurden in Pratteln West, das ebenfalls Pratteln Längi Handels- und Dienstleistungsbetriebe ange- über eigene Schulanlagen verfügt, viele siedelt. Dies gilt sowohl für das Gebiet Die ersten Wohnblocks entstanden hier Mehrfamilienhäuser, die in den achtziger/ «Grüssen» als auch für die Gebiete «Rüti» während des Koreakrieges in den fünfziger neunziger Jahren zum Teil in Stockwerkei- und «Wannen». Im Gebiet «Grüssen», dem Jahren, weshalb diese Mehrfamilienhäuser gentum aufgeteilt wurden, und vor allem jüngsten Gewerbegebiet mit seiner optima- auch «Korea-Blöck» genannt wurden. Vor am Unteren Rütschetenweg Einfamilien- len Verkehrs-Erschliessung, ist ein «Möbel- allem in den sechziger Jahren hat sich dieser häuser erstellt. Ein Laden, ehemals betrie- Mekka» entstanden. Etwas weiter östlich «Satellit» mit Hochhäusern zu einem «Dörf- ben von der Coop und gegenwärtig durch schliesst sich das Gewerbegebiet «Zurlin- chen im Dorf» mit eigener Schulanlage inkl. Spar, erleichtert den Bewohnern den tägli- den» auf dem Areal des ehemaligen Herren- Kindergärten entwickelt. Heute wird das chen Einkauf. guts «Hohen Rain» an. Dem gegenüber, auf Längi-Quartier «Klein-Instanbul» genannt. der Südseite der Hohenrainstrasse, steht Diese Bezeichnung stammt übrigens von Zu Pratteln West gehört noch die im zwei- (oder stand) das Projekt «Multiplex-Kino» den Bewohnern selbst! Die Längi verfügt ten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts ge- vor der Realisierung. Das an das Gewerbe- auch über einen Laden, der von der Coop gründete Rohner AG, die in den letzten areal angrenzende Gebiet «Hohenrain» ist eröffnet wurde, dann an die Epa überging Jahrzehnten xMillionen in den Umwelt- 109 schutz investiert hat, sowie das nördlich der Ende der neunziger Jahre mit einer dreige- Pratteln Ost dies- und jenseits der Bahnlinie Bahnlinie gelegene «Persil», auf dessen teilten Wohnsiedlung geschlossen. Das Basel–Olten (Zehntenstrasse, Habertürliweg, Areal das «Raurica Nova» mit «Fun»- und überbaute Areal ist heute noch im Besitz der Mühleweg, Gehrenackerstrasse, Rankacker- Wellness-Angebot sowie Raum für Arbeiten Gemeinde, die es an drei Wohnbaugenos- weg, Krummeneichstrasse): 1575 Schwei- und Wohnen entstehen soll. senschaften (Ochsen, Bratello und Halden) zer, 975 Ausländer. im Baurecht abgegeben hat. Die «neue», Pratteln West wäre indes nicht vollständig, mit verschiedenen Pflastersteinen versehene Pratteln Mitte (Haupt-, Schloss- und Burg- würde man nicht auch die Schiessanlage Hauptstrasse, nach ihrem Bau als «schönste gartenstrasse): 651 Schweizer, 289 Auslän- Lachmatt, eine Gemeinschaftsanlage für Strasse des Baselbiets» gelobt, wurde aller- der. Prattler, Muttenzer und Birsfelder Schützen, dings nicht zu dem, was sie hätte werden und insbesondere den «Adler-Tunnel» er- sollen, zu einer Begegnungsmeile. Eine Längi-Quartier: (Wyhlen-, Augsterhegli-, wähnen. Der Bahntunnel, der den Erbauern echte Begegnungsstätte ist der Schmiede- Längi-, Siebenjurten- und Augsterstrasse): ab und zu Kopfzerbrechen bereitet hat und platz geworden. 973 Schweizer und 1203 Ausländer, wobei der, der Bodensenkung wegen, im Gebiet die Augsterhegli- und die Längistrasse mit Lachmatt offen verläuft. Die Baulücke der «Landi» oder des «Milch- 401 Ausländern und 289 Schweizern bzw. hüsli» an der Vereinshausstrasse war eigent- 465 Ausländern und 140 Schweizern die lich nie eine Baulücke. Denn sofort nach ausländerreichsten Strassen sind. Mehr Aus- Pratteln Mitte und Süd dem Abbruch um 1997 begann der Bau von länder als Schweizer wohnten noch am Eine markante Veränderung hat die Bahn- drei Mehrfamilienhäusern, die ihrer gewöh- Mühleweg (199 :163) und am Rankacker- hofstrasse erfahren. Mit der Überbauung nungsbedürftigen Architektur wegen zuerst weg (273 :124). Emmy Honegger Coop/Kantonalbank/Polizeiposten zu Beginn ein wenig umstritten waren. der achtziger Jahre und mit dem Neubau der Post in den Neunzigern hat sie nicht nur Wenden wir uns noch kurz Pratteln «am ein neues Gesicht bekommen, sie ist auch Berg» zu. Die Hanglagen von Ost bis West zur verkehrsreichsten Strasse Prattelns sind vor allem in den letzten zwei Jahrzehnt geworden. Auf jeden Fall gibt’s für die Be- des letzten Jahrhunderts mit Einfamilien- wohnerInnen der Altersheime Nägelin-Stif- häusern «übersät» worden. Und es wird tung und «Madle» immer viel zu sehen. weiter gebaut.

Als Vorzeige-Objekte gelten nach wie vor Wer wohnt wo? der lauschige Jörin-Park, das Schloss und die in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre Mit Ausnahme der Längi beziehen sich die renovierten Gebäude am neu gestalteten folgenden Zahlen allerdings nicht auf Quar- Schmiedeplatz – Alte Schule und Bürger- tiere, sondern nur auf die in Klammern auf- haus sowie das Haus mit dem «Schmitti- geführten Quartierstrassen mit einem erheb- Kaffi», das anstelle des früheren ACV-Kom- lichen Anteil Ausländern (Stand Mai 2002, plexes erstellt wurde. gemäss Auskunft der Einwohnerkontrolle):

Die Baulücke an der Hauptstrasse, die der Pratteln West (Muttenzer-, Wartenberg- und Anfang der sechziger Jahre abgebrochene Vogelmattstrasse): 867 Schweizer, 702 Aus- 110 «Ochsen» hinterlassen hat, wurde gegen länder. stieg. Dass die Zahl der in Pratteln wohnen- Kroatien 155 (+ 5) und Portugal 135 (+ 5) Die Bevölkerung den Ortsbürger relativ stark anwuchs, ist folgten. Die weiteren Ausländer mit einem im Wandel insbesondere auf die Einbürgerungen von Anteil unter 100 stammten aus Sri Lanka, Ausländern und auf die Aktionen «Schwei- Frankreich, Österreich, Irak, Thailand, Brasi- zer werden Prattler Bürger» zurückzuführen. lien, Dom. Republik, Grossbritannien, USA, Chile, Albanien, Algerien, Angola, Argenti- Das bevölkerungsstärkste Jahr mit 16628 nien, Australien, Belgien, Bulgarien, China, Einwohnern war das so genannte Ölschock- Costa Rica, Dänemark, Eritrea, Finnland, Jahr 1973, als viele Ausländer, primär Italie- Griechenland, Indien, Indonesien, Iran, Isra- Seit 1968, als die erste Prattler Heimatkun- ner, die Schweiz verliessen und dadurch die el, Jamaika, Japan, Kamerun, Kanada, Ke- de erschien, hat sich nicht nur in der Gesell- Bevölkerungszahl wieder schrumpfte. nia, Kolumbien, Kongo, Laos, Libanon, Liech- schaft viel verändert, sondern auch in bezug tenstein, Madagaskar, Malaysia, Marokko, auf die Bevölkerungsentwicklung und die Nicht geschrumpft hingegen ist die Zahl der Mexiko, Nicaragua, Niederlande, Nigeria, Entwicklung der Landeskirchen und Glau- über 60-Jährigen. Im Oktober 2001 z.B. Pakistan, Peru, Philippinen, Polen, Rumäni- bensgemeinschaften. wohnten hier 2240 über 60-Jährige (1127 en, Russland, Schweden, Slowakei, Slowe- Schweizer, 208 Ausländer), 905 davon waren nien, Südafrika, Südkorea, Trinidad, Tsche- Vorerst werfen wir in den nachstehenden älter als 75 Jahre (857 Schweizer, 48 Aus- chei, Tunesien, Ukraine, Ungarn, Usbeki- Statistiken einen Blick auf die Bevölkerungs- länder). stan, Vatikan, Vietnam. entwicklung. Dabei gehen wir von den Zah- len im Jahre 1967 aus, die in der 68er Hei- In unserer Gemeinde lebten 2001 Men- Insgesamt nahmen die Ausländer im 2001 matkunde aufgelistet sind. Die Weiterent- schen aus 78 Nationen. Die stärksten Bevöl- um 0,57 Prozent auf 36,60 Prozent zu und wicklung ersehen wir aus den Amtsberich- kerungsgruppen waren nach den Schwei- die Schweizer Bevölkerung um denselben ten der Einwohnergemeinde Pratteln. Wir zerbürgern türkische Staatsangehörige 1330 Prozentsatz auf 63,40 Prozent ab. beginnen mit dem Jahr 1980 und machen (+23), die die Italiener 1319 (-87) als bisher danach Fünf- bzw. Sechs-Jahres-Sprünge bis stärkste Ausländer-Gruppe auf Platz 2 ver- Bewilligungskategorien im Jahre 2001 und mit dem Jahre 2001. Dabei ist festzu- wiesen haben, gefolgt von BR-Jugoslawen stellen, dass die Zahl der Schweizerbürger 1113 (+49) und Bosnien-Herzegowina 279 Zahlen aus dem Amtsbericht 2001: kontinuierlich abnahm, während die Zahl (+14)), welchen Deutschland mit 242 (+ 14), der Ausländer ebenso kontinuierlich an- Mazedonien 202 (+ 9), Spanien 179 (+2), Niederlassung Ausweis C4267 (+ 153) AufenthalterInnen Ausweis B946 (– 22) Saisonniers Ausweis A11 (+ 1) Bevölkerungsentwicklung Vorläufig aufgenommene Jahr Ortsbürger Kantons- andere Ausländer Total AsylbewerberInnen, Ausweis F75 (– 5) bürger CH-Bürger KurzaufenthalterInnen, 1967: 1635 1842 5832 3225 12534 Ausweis L78 (– 38) 1980: 1767 2006 8155 3713 15641 AsylbewerberInnen (Gesuch 1985: 1883 2005 7751 3867 15506 hängig), Ausweis N91 (– 17) 1990: 1957 1924 7143 4409 15433 Übrige ohne Bewilligung 11 (– 3) 1995: 1934 1879 6595 5050 15458 2001: 2037 (2078) 1652 (1656) 5799 (5872) 5479 (5410) 14967 (15016) Zudem waren Ende 2001 75 Personen als Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Werte des Vorjahres. Wochenaufenthalter gemeldet. 111 Kirchen und Glaubensgemeinschaften Statistik der Religionszugehörigkeit der Jahre 1966–2001 Auch hier ist Kontinuität gegeben: Die Lan- Jahr evangelisch-römisch- christ- christliche .nichtchristiche Konf./ deskirchen verloren Mitglieder; die nicht- reformiert katholisch katholisch Gemeinschaften konfessionslos christlichen Konfessionen (Islam) gewan- nen, was in der Hauptsache auf die 1966 7125 4614 65 –404** Zuwanderung aus islamischen Ländern 58,38% 37,79% 0,53% –3,30%** zurückgeht. 1980 8012 5811 89 478 472 779 51,22% 37,15% 0,57% 3,06% 3,02% 4,98% 1985 7491 5497 82 568 932 936 48,31% 35,45% 0,53% 3,66% 6,00% 6,05% **Nichtchristliche und Konfessionslose nicht se- 1990 6869 5209 62 712 1436 1145 parat erfasst. Der Islam wurde im Jahre 2000 44,51% 33,75% 0,40% 4,62% 9,30% 7,42% erstmals explizit erwähnt. Die Zahlen in Klam- 1995 6234 4930 56 867 1917 1454 mern zeigen die Abweichungen zum Vorjahr. 40,33% 31,69% 0,36% 5,60% 12,40% 9,41% 2001 5307 (-103)* 4349 (-101) 53 (+0) 1159 (–23) Islam 2254 (+96) 1845 (+82) 35,45% 29,06% 0,35% 7,75% 15,06% 12,33%

Die soziale Struktur Fürsorgebehörde (neu Sozialhilfebehörde) Die soziale Struktur Prattelns ist nicht nur Jahr Fälle Anzahl Ausgaben brutto netto bei den Steuern erkennbar, sie geht auch aus den Berichten der Sozialdienste, Vor- 1980 Fehlen des Ernährers 33 Fr. 331021.– Fr. 256877.– mundschafts- und Fürsorgebehörde, hervor. Fremdversorgung von Kindern15Fr. 158895.– Fr. 121738.– Allerdings lassen sich die Zahlen in den Heimplatzierung Erwachsener 3Fr. 29527.– Fr. 25862.– Amtsberichten 1980, 1990 und 2001 in Krankheit/Invalidität/ Folge Neu-Strukturierungen und Weglas- Krankenbeiträge/Spital 19 Fr. 79493.– Fr. 65422.– sungen nur bedingt vergleichen. So lassen Arbeitslosigkeit 3Fr. 7612.– Fr. 7400.– wir das Jahr 2000 aus und beschränken uns Suchtkrankheiten 13 Fr. 57545.– Fr. 51807.– auf die Wiedergabe der Statistik im Amtsbe- Diverse 8Fr. 16325.– Fr. 10018.– richt 2001, die eine Übersicht über die letz- Total Fr. 680418.– Fr. 539124.– ten fünf Jahre gibt. 1990: Fehlen des Ernährers 35 Fr. 505229.– Fr. 407047.– Fremdplatzierung von Kindern30Fr. 304527.– Fr. 232791.– Heimplatzierung Erwachsener 3Fr. 11788.– Fr. 10570.– Krankheit/Invalidität/Spital- und Heilkosten 35 Fr. 427461.– Fr. 206987.– Arbeitslosigkeit 14 Fr. 94892.– Fr. 44491.– Brutto = effektiver Aufwand; netto = Aufwand Suchtkrankheiten 11 Fr. 109089.– Fr. 80451.– nach Abzug von Rückzahlungen, wie Alimente, Diverse 7Fr. 11387.– Fr. 1669.– 112 Renten, Krankenkassen-Leistungen usw. Total Fr. 1464373.– Fr. 984006.– Im Kommentar schreibt die Sozialhilfebe- Sozialhilfestatistiken der Jahre 1997–2001 hörde u.a., dass die Anzahl Arbeitsloser rückläufig sei und um 8,17 Prozent abge- Fürsorgeleistungen 1997 1998 1999 2000 2001 nommen habe. Auch die Massnahmen und Anstrengungen im Zusammenhang mit den Alleinerziehende 23 20 20 17 21 Integrationsmassnahmen hätten Wirkung Erwerbsarbeit gezeigt. Bei den Drogen und übrigen Süch- Alleinerziehende 22 21 25 25 35 ten seien die Fälle rückläufig. Trotz diesen Haus / Erziehende erfreulichen Abnahmen hat die Anzahl der Platzierung Kinder 15 21 28 23 26 Sozialhilfebezüger um 17 auf 331 zuge- Platzierung Erwachsene 10 6221 4 nommen. Ebenfalls zugenommen hat der Bevorschussung und/oder 86 90 83 70 78 Netto-Aufwand um Fr. 76660.– auf knapp Aufstockung von Sozial- 2,6 Mio. Franken. (Der Bruttoaufwand wird Leistungen, Ausgesteuerte 13 21 27 nicht erwähnt.) Hier merkt die Sozialhilfe- Aufstockung von Lohn 36 42 34 51 34 behörde an, dass sie sich des steigenden Andere59424382110 Aufwandes bewusst sei und alle Unterstüt- KK-Ausstände 43445 zungs-Anträge gewissenhaft und genau Drogen / WG / Entzug 14 20 852 nach gesetzlichen Vorschriften überprüfen Suchtkranke allgemein 911161472 würde. Total Sozialhilfe 291 297 290 312 387*

* In dieser Zahl sind 65 Klienten enthalten, die aus verschiedensten Gründen (IV-Rente, Einkommens- Vormundschaftsbehörde verbesserung, Arbeitsaufnahme, Wegzug usw.) von der Sozialhilfe abgelöst werden konnten. Auch hier sind die Vergleichszahlen durch Verschiebungen und Weglassungen im Laufe der Jahre schwierig. Immerhin entnehmen beiterinnen, nach wie vor anspruchsvoll, Während 18 Männer und fünf Frauen mit wir dem Amtsbericht 1980, dass am Ende zeitaufwendig und oft sehr schwierig sei. Ausbildung arbeitslos waren, waren es bei des Jahres 53 Beistandschaften und 59 Vor- denjenigen ohne Ausbildung 42 Männer mundschaften bestanden. Ende 1990 wa- und 62 Frauen. Die diesbezüglichen Arbeits- Gemeindearbeitsamt ren es 40 Vormundschaften, 64 Beistand- losenstatistiken sind auf der Folgeseite plat- schaften und zwei Beiratschaften, die von Die Arbeitslosenzahlen – sie widerspiegeln ziert. Privatpersonen, der Amtsvormundschaft und die jeweilige wirtschaftliche Situation – tau- vom Sozialdienst geführt wurden. Ende chen erstmals im Amtsbericht 1988 auf, als Zivilstandswesen 2001 bestanden 44 Vormundschaften, 96 das Arbeitslosenwesen vom Kanton an die Beistandschaften und zwölf Beiratschaften. Gemeinde überging. Anfangs 1988 zählte Vielleicht interessiert noch, wie viele Ver- 50 Fälle, davon neun unter elterlicher Ge- Pratteln insgesamt 191 Arbeitslose und ehelichungen es gab, wie viele «Buschis» walt, wurden von Privatpersonen, 23 vom Ende Jahr 127 aus sieben Nationen, wobei auf die Welt gekommen sind und wie viele Amtsvormund und 79 vom Sozialdienst ge- die Schweizer mit 23 Männern und 18 Frau- Menschen in den letzten Jahren gestorben führt. Dazu schreibt die Sozialbehörde, dass en, gefolgt von 22 Türken und 16 Türkinnen sind. sich die Anzahl der Betreuungen wiederum die Spitze hielten. Die 127 Arbeitslosen erhöht habe und der Betreuungs- und waren 60 Männer im Alter von 30 bis 65 Nachstehend vergleichen wir nur die Zahlen Abklärungsaufwand, vor allem der Sozialar- Jahren und 67 Frauen im selben Alter. vom Zivilstandswesen aus den Amtsberich- 113 Arbeitslosen-Statistiken der Jahre 1990, 1995 und 2001 Alters- Total Anf./Ende Alters- Total Anf./Ende Alters- Total Anf./Ende gruppe Männer Frauen des Jahres gruppe Männer Frauen des Jahres gruppe Männer Frauen des Jahres Total Total Total

1990 121 122 1995 472 446 2001 265 331 bis 30 Jahre 22 26 bis 30 Jahre103 (96) 93 (89) unter 20 J. 2 ( 4) 5 (4) bis 40 Jahre1520 bis 40 Jahre68 (80) 46 (63) bis 30 Jahre43 (34) 48 (35) bis 50 Jahre1711 bis 50 Jahre47 (39) 46 (32) bis 40 Jahre55 (36) 42 (37) bis 65 Jahre7 4 bis 65 Jahre30 (46) 13 (27) bis 50 Jahre41 (31) 41 (38) bis 60 Jahre28 (24) 16 (9) bis 65 Jahre5( 9) 5 (4) mit Ausbild. 17 5 mit Ausbild. 131 (127) 76 (88) mit Ausbild. 95 (64) 56 (42) ohne Ausbild. 44 56 ohne Ausbild. 117 (134) 122 (123) ohne Ausbild. 79 (74) 101 (85)

Nationalitäten Nationalität Nationalitäten Schweiz 22 7 Schweiz 79 (88) 61 (79) Schweiz 52 (35) 57 (32) Türkei 21 33 Türkei 55 (58) 65 (54) Türkei 34 (41) 34 (31) Italien 710 Italien 41 (44) 31 (43) Jugoslawien 29 (13) 23 (23) Jugoslawien 48 Andere7341 Italien 17 (14) 10 (8) Sonstige 73 Bosnien- Herzegowina 3 (10) 8 (4) Zu beachten ist, dass die Ausgesteuerten – Personen, die keinen Anspruch mehr auf Stempelgeld Kroatien 6 (2)2(8) haben – in den Statistiken nicht erfasst werden. Die Zahlen in Klammern zeigen die Vorjahreswerte an. Sonstige 33 (23) 23 (21)

ten von 1980 und 1999. Denn ein Vergleich Geburten gab es 287 inkl. 68 Ausländer; 156 den 84 Ehescheidungen verarbeitet. In 16 der Zahlen von 1980 mit denen von 2000 Knaben und 131 Mädchen. Alle Buschis Fällen wohnten beide, in 67 Fällen nur ein ist nicht möglich, da das Zivilstandswesen wurden auswärts geboren. Den Weg ohne Elternteil in Pratteln. im Jahre 2000 ausgelagert worden und im Rückkehr angetreten haben in Pratteln und Amtsbericht deshalb auch nicht mehr auf- Augst 18 Männer und 24 Frauen und aus- Geboren wurden 222 Kinder (120 Knaben geführt ist. wärts 49 Männer und 36 Frauen. Von den und 102 Mädchen), davon 103 Ausländer. Heimgegangenen waren zwei bzw. einer In Pratteln erblickten nur zwei Knaben das 1980: Im Jahre 1980 wurden insgesamt 210 Ausländer. In Pratteln wurden 22 Männer Licht der Welt, alle anderen Babys taten’s Ehen geschlossen, 122 in Pratteln und 88 und zwölf Frauen im Sarg zu Grabe getra- auswärts. Den letzten Gang traten 35 Män- auswärts. Dabei behielt in zwölf Fällen die gen und je 22 Männer und Frauen in der ner und 38 Frauen, davon sechs Ausländer, schweizerische Braut ihr angestammtes Urne. in Pratteln an und auswärts 65 Männer und Bürgerrecht, was heisst, dass zwölf Schwei- 45 Frauen, davon acht Ausländer. 14 Män- zerinnen Ausländer geehlicht haben; in 1999 waren 115 Paare in Pratteln in den ner, elf Frauen und ein Kind wurden hier zehn Fällen hat ein Schweizer eine Auslän- heiligen Stand der Ehe getreten und 104 erd- und 47 Männer und 37 Frauen urnen- 114 derin geheiratet. auswärts. Auf der Einwohnerkontrolle wur- bestattet. Emmy Honegger Menschen und Pläne Teil der einstigen Rebhänge, insbesondere Bevölkerung – am Käferberg, wurde mit Einfamilienhäu- einige Zusammenhänge sern überbaut. Auf der noch verbliebenen Rebbaufläche von ca. 7,5 ha gedeiht aber noch immer ein guter Tropfen. Die Entwicklung von Zahl und Struktur der Bevölkerung in einer Gemeinde bestimmt In den letzten 15 bis 20 Jahren ist ein Wan- die Ansprüche an die Planung der Siedlung, del von der Industriegemeinde zur Industrie- die Grösse der Siedlungsflächen und die und Dienstleistungsgemeinde eingetreten. Ausstattung mit Infrastrukturen. Pratteln – Dienstleistungsbetriebe sind hier in erster der wirtschaftliche Aufstieg Linie Detailhandels-, Speditions- und Lager- Doch es gilt auch umgekehrt: Die Planung betriebe. des Lebensraumes als Ganzes, die so ge-

Das einstige Bauerndorf hat sich zu einer der grössten Industrie- und Dienstleistungs- gemeinden im Kanton Basel-Landschaft ent- wickelt. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Entdeckung der Salzlager im Raume Schweizerhalle und die Eröffnung der Saline im Jahre 1837.

Nachdem das Gebiet Schweizerhalle durch einen Gleisanschluss mit Pratteln verbunden wurde, siedelt sich dort schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts die chemische Indu- strie an. Begünstigt durch die Eröffnung der Centralbahnlinie Basel–Liestal sowie die Bözberglinie Basel–Brugg erfasste die Indu- strialisierung auch die nähere Umgebung des Dorfes. Pratteln wurde zu einem kleinen Bahnknotenpunkt. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Wasser-Kraft- werk Augst gebaut und Pratteln 1922 an Bevölkerung und Zusammenhänge das Strassenbahnnetz der Stadt Basel ange- Diese Grafik erlaubt in den erfassten Zeitabschnitten einige generelle Aussagen. Die Entwicklung der schlossen. Bevölkerungszahl wird in den 70er-Jahren erheblich abgebremst und verläuft dann leicht rückläufig, wie dies auch in einigen anderen Vororten von Basel der Fall ist. Die Zahl der Beschäftigten macht ab Parallel zum industriellen und gewerblichen 1965 eine ähnliche Entwicklung durch. Auffallend ist auch in Pratteln, dass die Anzahl der Wohnun- Wachstum nahm auch die Bevölkerung zu. gen dem gegenüber einen relativ stetigen Anstieg aufweist – ein Zeichen für den fast kontinuierlich Neue Wohnquartiere mit grösseren Mehrfa- überproportionalen Verbrauch an Siedlungsflächen. Dies bedeutet im Durchschnitt mehr Wohnfläche milienhäusern entstanden in der «Längi» pro Einwohner und ist auch verursacht durch die durchschnittlich geringere Zahl von Personen pro bei Augst sowie im Osten und Westen. Ein Haushalt. Der Anteil der Einfamilienhäuser entwickelte sich unterproportional zur Zahl der Wohnungen. 115 nannte Ortsplanung, bestimmt die Entwick- Bahn-, Tram- und Busverkehr, die vielen an- liche Kräfte von aussen auf eine Gemeinde ein. lung der Bevölkerung – ein Wechselspiel. deren öffentlichen Einrichtungen, die alle Prattelns Lage im nach Westen und Osten ihre Stücke vom grossen, aber unvermehr- offenen Rheintal, erschlossen, aber auch Bei uns in der Schweiz bestimmt aber auch baren Flächenkuchen beanspruchen. zerschnitten von internationalen Verkehrsli- die Bevölkerung nach dem Mehrheitsprin- nien auf Schienen und Autobahnen, hat zip selbst über die Zonen- und Bauvorschrif- Nicht nur die Fläche pro Einwohner für das hier Entwicklungen bewirkt, die lokalwirt- ten die Gestaltung ihres Lebensraumes und Wohnen hat bisher laufend zugenommen, schaftlich interessant, regionalwirtschaftlich damit wiederum die Entwicklung der Ein- sondern auch die Prokopffläche für die sogar notwendig sind. wohnerzahl, natürlich auch indirekt die Ent- anderen Funktionen in unserem Leben, so wicklung der Zahl der Arbeitstätten und der für das Arbeiten, die Bildung, das Einkau- Doch haben sie vor allem für die Umwelt- Besucher. fen, die vielen alten und neuen Freizeit- und qualitäten auch Nachteile gebracht. Kaum Sportaktivitäten im Dorf und darum herum, eine Gemeinde im Kanton BL hat so vielen So einfach und kompliziert zugleich ist dies in Wald und Wiese. überörtlichen Funktionen, privaten und öf- heute. Denn früher wurden der Ausdeh- fentlichen, Raum bieten müssen. Mancher nung der Siedlungsflächen – mal abgesehen Vor allem in der Zonen- und Strassennetz- Umweltbelastungen, die zum wirtschaftli- vom Dorf-«Etter» – wesentlich weniger planung treffen sich sehr verschiedene An- chen Wohlergehen der Region beitrugen, Schranken entgegengesetzt, als dies heute sprüche, die in oft langwierigen politischen konnte die Gemeinde sich kaum erwehren. zwangsläufig der Fall sein muss – wegen der und rechtlichen Verfahren aufeinander ab- Schwer war oft das politische Abwägen von grösseren Entwicklungsvolumen und der gestimmt und entschieden werden müssen. Vor- und Nachteilen, wenn noch Spielräume zunehmenden räumlichen Enge. Dabei ist unvermeidbar, dass der eine oder für eigene Entscheide bestanden. andere Wunsch oder Anspruch Federn las- Sehr vereinfacht gesagt – ist heute an der sen muss. Nicht alles lässt sich konfliktfrei Das «alte Dorf», der heutige Ortskern, seine Entwicklung der Bevölkerungszahl auch die mit- und nebeneinander in den verschiede- ersten Ausläufer und damaligen Randquar- Entwicklung der Siedlungsflächen abzule- nen Fachplänen und Projekten berücksichti- tiere haben sich vergleichsweise eigenstän- sen. Die Abgrenzung der Zonen für Woh- gen. dig entwickelt, vorwiegend aus den direk- nungsbau gegenüber den übrigen Bauzo- ten Bedürfnissen und Interessen ansässiger nen und den «Nicht-Bauzonen» definiert Und just für dieses Koordinieren, Abwägen Prattler Bürger heraus. In neueren Zeiten diese Entwicklung. aber auch Durchsetzen im gemeinschaftli- hingegen waren es zudem überörtliche, chen, öffentlichen Interesse ist rechtzeitige eher anonyme Kräfte und Investitionen, und vorausschauende Planung notwendig, welche die Entwicklung bestimmten, wenn die eine meist kompromissvolle Ordnung auch in den kommunal sanktionierten Bau- Siedlungsplanung – vor Chaos und Disfunktion setzen muss – zonen. das Ganze und die Teile jeweils Bestehendes mit Neuem verknüp- fend. Oft vermag Planung nur Schlimmeres «Hütet Euch vor den Planern» – so ist es zu verhindern, was sich vielleicht mal in heute gelegentlich aus dem Munde von Wenn wir heute über Siedlungsplanung einem alten Plan zeigen lässt. Politikern an Versammlungen in Vorortge- sprechen, müssen wir an den Raum für meinden zu hören. Wo es nicht aus politi- unser Dasein, unser Leben als Ganzes den- Die Besiedlung einer Gemeinde ist in erster scher Taktik des Augenblicks kommt, da ken. Also an die bauliche Siedlung, ihre Linie Abbild der wechselnden Lebensziele, sind es wohl Sorge und Angst vor allzu viel Freiflächen innerhalb und ausserhalb in der Interessen, aber auch Desinteressen ihrer Be- überörtlicher Einwirkung oder sogar Furcht 116 «grünen» Landschaft, an den Strassen-, wohner. Zudem wirken stets starke überört- vor allzu viel «Entwicklung». Je nach Einzel- situation verständlicherweise, doch nicht als che Nutzung oder den Schutz von Raum 20000 Jahre v. Chr., Jungsteinzeit: Jäger grundsätzliche Abwehr gegen Neues und nicht war und ist Raumplanung. Nur die Ziele und und Bauern nehmen den Siedlungsraum gegen Bestrebungen für eine zweckmässige Methoden haben sich verändert. Pratteln in Besitz.Eine Freiland-Siedlung exi- Planung, mit der sich die Gemeinschaft auf stierte auf dem «Blözen», wo u.a. 6000 Jah- eine positive Zukunft einrichten kann. Einige Orte früher Besiedlung seien hier re alte Werkzeuge gefunden worden sind. knapp angeführt: Vorrömisch keltische Urbevölkerung: Davon Planung – im Laufe der Zeit 350000 Jahre v. Chr., Ältere Altsteinzeit: sind bisher Grabhügel in der Hard entdeckt Das in der Schweiz bislang einzige Doku- worden, samt den Resten einer dazuge- ment menschlicher Tätigkeit aus der Alt- hörenden Siedlung. Menschen haben schon immer «Planung», steinzeit ist ein mächtiger Faustkeil, gefun- auch konkret Raumplanung betrieben. Jede den in der Prattler «Hohlegass», die von der Die römischen Kolonisatoren: Reste von vorausschauende Disposition für eine bauli- Hauptstrasse zum Geisswald führt. Gutsbetrieben weisen auf die Versorgung

Im Jahre 1678 erstellte der von der Stadt Basel beauftragte Geometer Georg Friedrich Meyer den ersten äusserst genauen Prattler Dorfplan. 117 denden Schüben der heutige Vorort in der Basler Agglomeration. Viele der heutigen Strassen folgen der Einfachheit halber den frühen Wegen vom Dorf zu Wiesen und Fel- dern und haben viel Einfluss auf die städte- bauliche Struktur der erst ländlichen, dann industriellen Siedlung.

Im Folgenden sollen die aktenkundigen Pla- nungsinstrumente genannt werden, die sich direkt mit der Besiedlung befassen und nicht nur vermessungstechnische Vorzeichen dazu waren.

1908: Erstes Baureglement mit Bau- und Strassenlinienplänen. Dieses Baureglement enthielt Vorschriften über die Anlage und den Ausbau von Strassen und Werkleitun- gen sowie einige baupolizeiliche Vorschrif- ten u.a.m.

Hier ging es nicht nur um diese technischen Das Dorfmodell im Museum im Bürgerhaus basiert auf dem Plan von Georg Friedrich Meyer und zeigt Vorschriften für die Erschliessung, sondern das Dorf, wie es im Jahre 1735 ausgesehen hat. Es veranschaulicht die Beschreibung von Architekt auch bereits um das Festlegen von Bau- und Lodewig. Strassenlinien zum Freihalten konkreter Schneisen für Wege und Leitungen in nicht der grossen römischen Kolonialstadt Augu- Über diese Dorfanlage schrieb der Architekt durchwegs zusammenhängenden Teilgebie- sta Raurica für bis zu 20000 Menschen mit Fritz Lodewig in den 1950er Jahren: «Wie ten der Gemeinde, dort, wo ausserhalb des landwirtschaftlichen Produkten aus Prattler eine Henne unter den kleinen Kücken domi- alten Dorfes Ansätze weiterer Siedlungs- Böden hin. niert die Kirche von Pratteln über dem alten tätigkeit erfolgen sollten oder zu erwarten Kern, und gewiss sind alle alten Gassen waren. Frühmittelalter: Ausser beigabelosen Plat- absichtlich radial auf den Kirchturm ausge- tengräbern im Gebiet «Krummeneich» und richtet worden …Die Zuordnung von Schloss, Wegen der Streulage dieser Teilgebiete beim ehemaligen Scheibenstand «Erli» sind Hauptstrasse, Mayenfelserstrasse und Schüt- warnte der Kanton allerdings damals schon keine Relikte bekannt. zenweg zur Kirche ist aber etwas einmaliges vor fortschreitender, verkehrstechnischer Zer- und grossartiges. Im Grunde genommen stückelung des Gemeindegebietes durch die Mittelalter: Pratteln wird erstmals am 23. sind es diese typischen Beziehungen, die der Eisenbahnlinien. Es wurde ferner bemän- September 1103 als «Bratello» aktenkun- Ortschaft das Gepräge geben.» gelt, dass die vorgesehenen Strassenzüge dig. Doch schon vorher gab es eine dorfarti- zu stark auf die bestehende Parzellierung ge Ansiedlung auf der Terrasse zwischen Neuzeit: Ausgehend von diesem mittelalter- Rücksicht nähmen und dadurch die ver- 118 Jurahang und Rheintalebene. lichen Dorf entsteht in immer grösser wer- kehrstechnische Konzeption «zu kurz» komme. Rein städtebaulich sind hier nur die den Zonenplanungen weitergeführt wor- wohl mit Sorge sah, der sie jedoch nicht für damalige Verhältnisse grosszügigen den. Die Bau- und Strassenlinienpläne für rechtlich abgestützt entgegenwirken konnte. Baulinienabstände von 15 Metern zu er- weitere Teilgebiete hiessen seinerzeit auch wähnen. Andere Aspekte des Siedlungs- Bebauungspläne, waren aber noch keine Dieses neue Instrument zur Steuerung der baus waren in diesen Vorschriften noch Bauzonenpläne im heutigen Sinne. Besiedlung Prattelns führte schliesslich erst- nicht enthalten. mals sieben verschiedene Arten von Bauzo- Siehe auch den ersten «Siedlungsplan» von 1925, nen sowie eine Landwirtschaftszone und 1925: Erster «Siedlungsplan». Dieses Doku- separat als Anhang beigelegt im hinteren Buch- Freiflächen ein. In diesen Zonen gelten je- ment setzte dasjenige von 1908 ausser deckel (Plan Nr. 2). Dargestellt ist die erste Bau- weils differenzierte Bauvorschriften. Dieser Kraft. Obwohl es in grossen Zügen etwa glei- zone Prattelns. Sie war rechtlich der industriellen Plan war eigentlich die erste gesamthaft chen Inhaltes war, enthielt es doch eine ers- Nutzung vorbehalten und wurde damals legal massgebende Grundlage für die weitere te, sehr wesentliche siedlungsplanerische durch Ausnahme-Beschlüsse der Gemeindever- Siedlungsentwicklung. Sie schob auch der Massnahme. Dies war die Neuerung von §16. sammlung doch manchenorts mit Mehrfamilien- aufwändigen und unzweckmässigen Streu- «Im Interesse einer geordneten Bauweise häusern bebaut. bauweise einen Riegel vor. und eines angenehmen Wohnens wird für zukünftige Industriebauten eine Bebauungs- 1953: Zonenplan und Zonenreglement. 1953 – 1987 – 2002: Die weitere Siedlungs- zone festgelegt, die sich auf das Gebiet Unter dem Druck der nach dem Zweiten planung der Gemeinde. Der Zonenplan von nördlich der Basellandschaftlichen Überland Weltkrieg zunehmend stark einsetzenden 1953 wurde 1958 gesamthaft sowie 1966 bahn erstrecken soll und im Baulinienplan Industrialisierung und Bevölkerungszunah- teilweise revidiert. Die weiter stark fortge- gelb bezeichnet ist. Über Ausnahmen ent- me im Vorortgürtel um Basel sahen sich schrittene Entwicklung der Gemeinde for- scheidet die Gemeindeversammlung.» Pratteln wie auch andere Gemeinden zu derte die Erweiterung oder Neubestim- einer umfassenderen und feiner geglieder- mung verschiedener Zonen. In den folgen- Diese Festlegung hat sich seit der damals ten Siedlungsplanung gezwungen. den Jahren wurden die Bearbeitung und der einsetzenden Industrieansiedlung im Rhein- Erlass zahlreicher Ein- und Umzonungen, tal östlich von Basel im Grundsatz bis heute Nach langwierigen Vorarbeiten konnte die Teilzonenpläne, Gesamtüberbauungen und sehr bewährt. Sie führte erstmals eine Tren- Gemeindeversammlung 1953 einen Zonen- Quartierplanungen notwendig. In den sieb- nung zwischen Wohnbaugebiet und Indus- plan mit Zonenreglement beschliessen. Die- ziger Jahren wurde die Gesamtrevision der triebaugebiet ein, die auch für Industriean- sen umfassenden, seinerzeit pionierhaften Zonenvorschriften mit Zonenplan Siedlung siedlungen mit beachtlichem Stör- und Plan konnte der Kanton jedoch erst 1956 eingeleitet, welche erst 1987 durch den Re- Risikopotential von Vorteil war. und nicht umfassend genehmigen, da die gierungsrat in Kraft gesetzt werden konnte. übergeordneten Rechtsmittel zu seiner Durch- Als weniger lobenswert bezeichneten die setzung noch nicht so weit ausreichten. Das Leitbild der Gemeinde aus dem Jahre Gemeindebehörden damals Beschlüsse der 1980 hat sich auch auf diese siedlungspla- Gemeindeversammlung, die von der Aus- Mit vier Teilzonenplänen und Reglementen nerischen Entscheide ausgewirkt. nahmemöglichkeit im § 16 Gebrauch mach- musste sich die Gemeinde bis zur kantona- te und im Industriegebiet Mehrfamilienhäu- len Genehmigung des neuen Gesamtplanes Seit 1987 sind bis August 2002 weitere 22 ser bewilligte. behelfen. Mutationen zum Zonenplan Siedlung vom Regierungsrat genehmigt worden, darunter Diese geografische Trennung zwischen in- In dieser langen Entstehungszeit war viel zehn Quartierplanungen. Letztere haben dustriellen Arbeitsstätten und Wohnungen Spielraum für allerlei unerfreuliche Sied- den Zweck, in Abweichung der normalen ist in ihrer Grundkonzeption in den folgen- lungsentwicklungen, welche die Gemeinde Zonenvorschriften grössere Überbauungen 119 zu ermöglichen, die dann allerdings auch Ein sehr wesentliches Pendant zur Sied- mehrheiten für ein weitgehend gewünsch- besondere Qualitätsanforderungen erfüllen lungsplanung ist der vom Kanton auf Grund tes Wachstum der Gemeinde gefasst wor- müssen und zwar in städtebaulicher, archi- des Regionalplans Landschaft veranlasste, den. Jedoch mit den zwei Initiativen vom tektonischer und erschliessungstechnischer 1993 in Kraft gesetzte kommunale Land- 9. September 1987 wurden Widerstände Hinsicht. Grössere Detailhandelskomplexe, schaftsplan. Mit ihm wurden massgebende aus der Bevölkerung gegen die kontinuierli- wie zum Beispiel diejenigen im Gebiet Richtlinien für Schutz, aber auch beschränk- che Fortführung des «Auffüllens» der Bau- «Grüssen» sind grundsätzlich nur über ein te Nutzungen in der Landschaft erlassen, zonen deutlich, wie sie in dieser Stärke noch Quartierplanverfahren möglich. d.h. in den Restflächen, die noch zum in keiner basellandschaftlichen Gemeinde Gemeindebann gehören, aber nicht zur vorkamen: In diesem Zeitraum wurden auch Änderun- Bauzone. gen des Zonenreglementes angebracht, um –Die Initiative «Ja zu Pratteln» verlangte die verdichtete Bauweise durch Aufsto- Siehe auch den ersten «Aktuellen Zonenplan» die Herausnahme von 68,1 ha Land aus ckung und Erhöhung von Nutzungsziffern von 2002 separat als Anhang beigelegt im hinte- der rechtskräftigen Bauzone. Dies und zu ermöglichen oder für ergänzende Vor- ren Buchdeckel (Plan Nr. 3). Es lässt sich sagen, der Gegenvorschlag des Gemeinde- bzw. schriften zur Gestaltung. Die Zonenpläne dass heute, mit Ausnahme des Wohnquartiers des Einwohnerrates zur Auszonung von und Zonenvorschriften ebenso wie der Längi-Ost, die nördlichen Bauzonen vor allem für nur 46,7 ha wurden in der Volksabstim- Druck zu ihrer rentabelsten Anwendung Industrie und Gewerbe bestimmt sind. Im Süden mung 1992 abgelehnt. haben die entsprechenden Gebäudetypen liegen in erster Linie die Zonen für das Wohnen –Die Initiative «Denkpause» verfolgte ein entstehen lassen. und die öffentlichen Einrichtungen. Die grün anderes Ziel in der gleichen Stossrich- dargestellten Zonen für öffentliche Werke und tung. Sie forderte ein zehnjähriges Bau- Alle diese, so offiziell klingenden Vorgänge Anlagen OEWA sind keineswegs sämtlich reine verbot (Etappierung) auf allen Parzellen, zeigen, dass kein Siedlungsplan über länge- Grünflächen, sondern Standorte für öffentliche die am 1. Mai 1987 noch nicht baureife re Zeiten absolut gelten kann, zumal nicht Gebäude wie Schulen, Sportplätze, Schwimm- Grundstücke waren. einer, der in den Bauvorschriften für die ein- bad, Autobahn-Raststätte mit Tankstellen, aber Auch diese Initiative wurde vom Volk zelnen Zonenarten so weitgehend die Ein- auch Bauten für die Entsorgung oder Zonen für 1996 abgelehnt. zelheiten bestimmt, wie das hierzulande die Sicherstellung der Wasserversorgung. Die Brauch ist. Die erwähnten Quartierpläne grauen Flächen sind Bauzonen mit speziellen Diese Abstimmungsergebnisse sind wohl sind wenigstens für grössere Teilgebiete ein Vorschriften in Form von Teilzonenplänen oder teilweise auch mit Blick auf die verfassungs- sehr wichtiges Ventil in dieser Problematik. Quartierplänen. Deutlich zu sehen die West-Ost mässige Eigentumsgarantie und die damit verlaufenden weissen Verkehrsflächen für die zusammenhängende Gefahr der Zahlung von Für die Siedlungsplanung waren weitere SBB und die Nationalstrasse A2/A3, die das nörd- Entschädigungen zu Stande gekommen. Arbeiten und Erlasse von erheblicher Bedeu- liche und das südliche Pratteln von einander tren- tung: nen. Der Kanton – –Das Generelle Kanalisationsprojekt von ein wichtiger Mitspieler 1978 im Zusammenhang mit der Begren- Planungsdemokratie – zung der Bauzonen. Zustimmung und Widerstände –Der Strassennetzplan 1982. Neben den hier angeführten Planungen der –Die Felderregulierungen, die mit vorausei- Gemeinde wurde die Besiedlung in Pratteln lenden Bonitierungen spätere Bauzonen- Die zahlreichen Beschlüsse der Gemeinde auch durch den Kanton, zum Teil tiefgrei- 120 erweiterungen unausweichlich machten. zur Siedlungsplanung sind mit Stimmen- fend, beeinflusst. Quartierplan «Oberematt», Situation und Grundriss, 2000. Dieser Plan ist ein Beispiel dafür, dass sich bei einer grösseren Überbauung, hier mit 50 Woh- nungen, im Hinblick auf Wohnwert, Funktion und Gestaltung erfreuliche, überdurchschnittlich gute Lösungen finden lassen. 121 –Bauzonenerweiterungsstop in den siebzi- halb der Siedlungsgebiete gar nicht zu 12000 Plätze vorgesehen. Überdies ger Jahren als «Stillhalte-Massnahme» platzieren gewesen. Ihr Besucherverkehr waren Hotel, Restaurant usw. mit 1500 während der Arbeiten am Regionalplan aus der ganzen Region wickelt sich nun in PW-Plätzen ins Auge gefasst. Dafür war Landschaft. erster Linie am Rande oder sogar ausser- ein Grundstück 35000 m2 erforderlich. –Der Regionalplan Landschaft dann als halb der Siedlungsgebiete ab. Ihre Stand- Als Standort war ebenfalls an das Gebiet Vorläufer der später vom Bundesgesetz ortchance bestand wohl vor allem darin, «Lohag» gedacht. vorgeschriebenen Richtpläne. Er brachte dass Industrie und Gewerbe für die Flä- für Pratteln unter anderem das Festhalten chenreserven in den betreffenden Zonen an der grünen Zäsur in der Lachmatt zwi- keinen aktuellen Bedarf hatten. Heute – Startsockel für die schen den Bauzonen von Muttenz und –Weitere Infrastrukturanlagen mit erhebli- Zukunft Pratteln. chem Flächenbedarf oder ungünstigem –Erschliessungmassnahmen im Zusammen- Flächenverschnitt. hang mit dem Autobahnbau, dem später Aufs Ganze gesehen ist die Siedlung Prat- auch die Raststätte Pratteln folgte. Neben- Auch interessant zum Thema der Siedlungs- teln ein sehr vitaler eigenständiger Wohn-, bei auch kantonale Massnahmen für den planung ist wenigstens die Erwähnung eini- Industrie- und Handels-Ort von überregio- «Langsamverkehr» – u.a. Ausbau des ger grösserer Projekte, welche – zum Vorteil naler Bedeutung in der Kette der Siedlun- Rheinuferweges als durchgehende Wan- oder Nachteil für die Entwicklung von Prat- gen im Rheintal östlich von Basel auch inter- derroute im nach wie vor bedrängten teln – nicht realisiert wurden: national gut erschlossen durch Eisenbahn Ufergebiet von Pratteln und Augst. und Autobahn und damit zukunftsträchtig. –Steuerung grösserer Verkaufsflächen- –Eine Strassenverbindung in der Verlänge- komplexe durch den sog. «Shopping- rung der Salinenstrasse über den Rhein Der Dorfkern wird funktionell und baulich Center-Beschluss» des Landrates, mit nach Grenzach-Wyhlen, in dem vom behutsam weiterentwickelt. Ein Leitfaden dem das 60000 m2-Center auf der Hülf- Landrat beschlossenen Regionalen Stras- für das Bauen im Dorf (1986) und der Bau- tenschanz anfangs der siebziger Jahre sennetzplan aus den 1960er-Jahren. ausschuss helfen dabei. Das Kultur- und verhindert wurde. Damit konnte auch –Brückenstadt «Pratteln 2000», ein gros- Sportzentrum trägt zur regionalen Bedeu- eine günstige Entwicklung des Warenan- ser Gebäuderaster auf über sechs Hekta- tung Prattelns bei. gebotes in den Ortskernen und innerhalb ren mit weit über 100000 m2 Nutzfläche der Siedlungsgebiete statt an ihrem für Arbeitsstätten, Konsum und Freizeit Die grossen Wohnbauzonen weisen noch Rande gefördert werden. Dies wiederum im Gebiet «Lohag», im nördlichen Winkel Reserven für weitere Entwicklungen auf. Je stützte eine noch akzeptable Verteilung der Kreuzung von Autobahn und Eisen- mehr diese Zonen jedoch aufgefüllt wer- von Läden und Mittelzentren für die Ver- bahn-Linie, 1983. den, umso schwieriger sind natürlich umfas- sorgung der Bevölkerung mit Gütern und –Eine grosse regionale Abfallbeseitigungs- sendere Änderungen der bestehenden Pla- Dienstleistungen, vor allem des täglichen anlage ABA im Gebiet «Zurlinden» für nung und Bebauung. Bedarfs auch für nichtmotorisierte Kun- 500 Mio Franken, 1993 in einer kantona- den. Die Ansiedlung von grossen Fach- len Volksabstimmung abgelehnt. Wie an vielen anderen Orten führen Binnen- handelszentren insbesondere im Gebiet –Eine regionale Gross-Sporthalle «Regio und Durchgangsverkehr an vielen Strassen «Grüssen» liegt nur dann nicht im Sinne Arena» des Vereins «Arena Basilea», als zu Problemen für die angrenzenden Gebäu- der regionalen Aspekte, wenn gleichzei- Velodrom und für verschiedene Aktivitä- de, die nicht nur zur Verschlechterung der tig Waren des täglichen Bedarfs in grös- ten in den Bereichen Sport, Kultur, Aus- Wohnqualität, sondern auch bis zu Verän- serem Umfange angeboten werden. Im stellungen und Kongresse. Je nach Nut- derungen der Wohnnutzung, sogar ihrer 122 Übrigen wären diese Grosszentren inner- zungsart waren zwischen 6000 und Verdrängung führen können. Die Siedlung hat viel «Natur verdrängt». Ein- gen über grössere Konzepte und Projekte in zentralen Bereich zwischen Tram- und gewachsene Wohngebiete ziehen aber auch Pratteln, deren Ansätze heute bekannt sind. SBB-Linien sowie der Hohenrainstrasse wieder Natur an. So zeigt eine Untersuchung Bis zum nächsten Heimatbuch kann so vie- sollen höhere Bauten zur städtebaulichen des Geografischen Instituts der Universität les noch dazu kommen! Akzentuierung des Zentrums geprüft wer- Basel, dass in südlichen Teilen Prattelns die den. geschätzte Dichte der Igel bei immerhin um Das Entwicklungskonzept 50 Igel pro Quadratkilometer liegt (1999). «Pratteln Nord», 2001 «Salina Raurica» – Arbeiten, Wohnen, Wissen, Erleben am Rhein, 2002 Sehr grosse Reserven an rechtskräftigem Dieses Konzept, eine Strategie zur Entwick- Bauland bestehen in den Industriezonen. lung der Arbeitsgebiete Prattelns, verfolgt Dieses Planungs-Vorhaben ist gestartet und Dies sind einerseits vor allem die grossen das Ziel, planungsrechtliche Voraussetzun- geht zuerst in eine Wettbewerbsphase. Da- Gebiete nördlich der Autobahn, anderer- gen für diese Gebiete soweit vorzubereiten, zu heisst es: seits brach gefallene Industrieareale. dass die Realisierung erwünschter Baupro- jekte rasch möglich wird. Das Konzept Mit einer ganzheitlichen Planung des Sied- Leitlinien für die weitere Entwicklung hat wurde auf den etwa 50 ha grossen Bereich lungs- und Landschaftsraumes südlich des der Kanton mit dem Regionalplan Siedlung südlich der Nationalstrasse A2 sowie auf ein Rheinufers in den Gemeinden Augst und und mit einem Konzept der räumlichen Ent- Teilgebiet von Schweizerhalle beschränkt. Pratteln besteht – in Verbindung mit der Ein- wicklung «Kore» für die Gemeinden gesetzt. Das nördlich davon liegende Gebiet zwi- maligkeit der Funde aus der Römerzeit – die schen Rhein und A2 wird im Rahmen der Absicht, einen neuen Standort unter dem Planung «Salina Raurica» grundlegend neu Titel «Salina Raurica» zu definieren. Dort überarbeitet. (Siehe Abb. Seite 124.) sollen in einer Neuordnung zukunftsorien- «Heimat» Pratteln – tierte Funktionen Platz finden. Ein ganz die Zukunft Inhaltlich werden als wichtigste Konzept- neues städtisches Quartier kann diesen massnahmen genannt: Raum aufwerten und ihm eine Ausstrah- lung verleihen, die weit über die Schweiz Ein angestammter oder neu belegter Wohn- –Flächendeckende, attraktive Erschliessung hinausgeht und gleichzeitig Impulse für die ort ist für viele Menschen zugleich «Hei- der Arbeitsgebiete durch den öffentlichen Entwicklung der ganzen Region auslösen. mat», früher mehr als heute auch über Verkehr, gemeindeintern und regional. Es soll auch nicht mit dem «Rücken zum Generationen hinweg. So ist es angebracht, –Realisierung eines ökologischen Haupt- Rhein» stehen, sondern im Gegenteil von ein paar Blicke in die Zukunft dieser Heimat vernetzungskorridors entlang der Hang- der Ufersituation profitieren. zu versuchen. kante südlich der A2. –Abstimmen der baulichen Entwicklung Die noch vorhandenen Freiflächen, die Prognosen sind schwerer als je zu stellen. In auf die Kapazitäten des nationalen und bestehenden Nutzungen und die Eigen- dieser Zeit vermehrter internationaler Zu- kantonalen Strassennetzes sowie die Be- tumsverhältnisse mit einem hohen Anteil an sammenhänge und eines galoppierenden dienung durch den öffentlichen Verkehr. Eigentum der öffentlichen Hand bieten den Wertewandels mit dem Nachwachsen neu- Dazu werden die Arbeitsgebiete nach Art notwendigen Spielraum für die Neugestal- er Generationen. So wird es auch schwieri- der erwünschten Nutzungen differen- tung in einem Zeitrahmen von zehn bis 20 ger, bauliche Heimat zu erhalten. ziert. Jahren. –Grössere zusammenhängende Areale wer- Zu möglichen Veränderungen der Siedlung den auf Grund eines städtebaulichen Das gesamte zu bearbeitende Gebiet Salina sollen hier wenigstens einige Angaben fol- Konzeptes erschlossen und überbaut. Im Raurica mit 170 ha umfasst die Rheinebene 123 zwischen Schweizerhalle und Augst, abge- Das Amphibienlaichgebiet von nationaler Eine zukunftsgerichtete Arbeits-, Wohn- grenzt durch den Rhein, die Nationalstrasse Bedeutung, die Zurlindengrube, beansprucht und Ausstellungswelt mit Architektur von A2/3 sowie das Areal der Römerstadt Augus- einschliesslich sechs ha umgebender Schutz- hoher Qualität soll zu einem erlebnisreichen ta Raurica. Etwa 40 Prozent dieser Fläche zone 17 ha. Seine Verlegung steht zur Dis- Gesamtraum zusammengefügt werden. Da- liegen auf dem Gebiet der Gemeinde Augst. kussion. zu ist ein Erschliessungsnetz zu errichten,

Amt für Raumplanung Kanton Basel-Landschaft, 23. Mai 2003

Projekt «Salina Raurica». Mit einer ganzheitlichen Planung des Siedlungs- und Landschaftsraumes südlich des Rheinufers in Augst und Pratteln besteht – in Verbindung mit der Einmaligkeit der Funde aus der Römerzeit – die Absicht, einen neuen Standort unter dem Titel «Salina Raurica» zu definieren. Die- ses städtebauliche Entwicklungsvorhaben ist die grösste Siedlungs- und Infrastrukturerweiterung im Kanton Basel-Landschaft. Das vielbeachtete Projekt 124 wird auch vom Bund unterstützt. das einer nachhaltigen Boden- und Verkehrs- politik in der Agglomeration entspricht.

Die neue Autobahnbrücke A 98 / A 3 über den Rhein zwischen Kaiseraugst und Rhein- felden mit Zollanlagen wird Pratteln von einem Teil des internationalen Durchgangs- verkehrs entlasten können.

Alle diese Vorhaben, ebenso wie auch das Multiplex-Kino auf dem Areal der Buss AG, ein «Etap»-Hotel und allfällig in ihrem Sog noch folgende Projekte vergrössern Prat- telns Bedeutung in der Agglomeration und Region Basel. Sie fordern aber auch die Ge- meinde heraus. Seien es die damit verbun- denen Aufschwünge ihrer Gesamtentwick- lung, seien es Veränderungen ihrer Bevöl- kerungszahl und -struktur, ihrer Verkehrsan- lagen bis hin zu den vielen Aufgaben städte- baulicher und architektonischer Gestaltung. Projekt Raurica Nova. Anders als nach den Normen des Zonenplans dürfen hier, auch mittels eines Quartierplans, verschiedenartige Gebäude errichtet werden. Zum Komplex gehören ein Hotel, Büros «Raurica Nova» – Wasser- und und Anlagen für aktive Freizeitgestaltung; eine «Erlebniswelt», so heisst das Werbewort. Eine teils Erlebniswelt sowie Arbeitsort, 2001 begrünte, teils verglaste Grosskuppel, ein mehrgeschossiger Längsblock und ein 45 Meter hoher «Fun Auf dem Areal der Firma Henkel & Cie AG, Tower» innerhalb des schützenden Mauerrunds prägen die Silhouette. Gesamtfläche 6,2 ha, plant eine Promoti- onsgesellschaft die Errichtung eines Multi- Zu den zahlreichen Sicherheitsbestimmun- Zentrums mit vielseitigem Angebot. Im Zen- gen gehört der Bau einer bis zu neun Meter trum von «Raurica Nova» steht das Element hohen Ringmauer, die das Freizeitparadies Wasser, eingebettet in verschiedene Erleb- von den benachbarten Industrieunterneh- niswelten. Die Themen sind Sport, Freizeit, men abschirmen soll. Dieter Wronsky Lernen, Gesundheit, Schönheit, Unterhal- tung, Gastronomie, Hotellerie und Verkauf. Geplant sind zudem gegen 300 neue Büro- Arbeitsplätze.

Insgesamt sollen über 500 Arbeitsplätze entstehen. Hauptbaukörper sind ein «Fun- Tower» mit 45 Meter Höhe, eine grosse Rundhalle sowie ein Hotel- und Bürotrakt. 125 126 Die Bewohner Glücklich, wen mein Pinsel nicht nur dem Origi- nale gleich kom—t, sondern auch meiner Ehr- furcht, Hochachtung und Ergebenheit gegen meine Hohen Gutthäter, ausstrücken kan. Vorbericht zuhanden des Basler Grossen Rats, von Emanue Büchel, 1773. (Privatbesitz.) ke, hochgewachsene Person bzw. Stengel. 1789; Zeller Wilhelm, Engel-Wirt, 1795. Alte Prattler Diese Namen vererbten sich auf die Nach- Einige dieser Geschlechter waren früher in Geschlechter und kommen. Später kamen zur Unterschei- anderen Gegenden beheimatet, wie z.B. die dung der Familienstämme die sogenannten Pfirter, die aus Pfirt im Sundgau zuzogen. Dorfnamen Dorfnamen hinzu, die ebenfalls auf das aus- geführte Gewerbe oder eine Eigenschaft Vor 1648 urkundlich erwähnte usw. hinweisen. Weder die Familiennamen Prattler Geschlechter noch die Dorfnamen wurden sich von den Beteiligten selbst gegeben, sondern den Atz, Azo, Meier zu Pratteln (1277), Bielser Alte Prattler Geschlechter Betreffenden von andern beigelegt. Mit der (1572) – vor diesem Bielser gab es Bieleser Zeit starben verschiedene Geschlechter aus (1457), Bielesser (1503), Bielisser (1626), oder verliessen das Dorf. Andere Geschlech- Bülisser (1503), Byelisser (1435). – Brogli Vor dem 12. Jh. gab es in deutschsprachi- ter zogen zu. Vor allem der dreissigjährige (1532), Dalcher (1643), Dill (1621), Löliger gen Landen noch keine Familiennamen. Der Krieg (1618–1648) brachte zahlreiche (1643), Mangold (1372), Meier (1637), Vorname – Azo, Till, Kunz, Hartmann und Flüchtlinge in unser Land, von denen sich Meyer (1599), Mohler (1625), Nebiker Martin – und allenfalls die Berufsbezeich- verschiedene auch in Pratteln niederliessen. (1541), Rebmann (1625), Schneider (1600), nung – Meier/Meyer = aus dem lateinischen Die Bürger- und Hintersassen-Geschlechter, Schwob (1460), Stingelin (1597), Stohler Maiordomus, Vorsteher des mittelalterlichen die vor 1648 erwähnt werden, also aus der (1533). Weisskopf (1642). Prof. Dr. R. Laur, Dinghofes, Keller bzw. Zeller = aus dem Zeit stammen, als in Pratteln noch kein Tauf- der Ausgräber von Augst, war 1957 der lateinischen Cellerarius, Wirtschaftsverwal- buch geführt wurde, lassen wir – mit Aus- Ansicht, dass das Geschlecht der Weisskopf ter auf dem Ding- bzw. Fronhof, Sutor/Suter nahme der vor 1648 urkundlich erwähnten sich auf den alemannischen Gau-König = lateinische Berufsbezeichnung für Schuh- und heute noch bekannten Prattler Ge- Vitecapius bzw. Wittekap = Weisskopf, der macher – genügten, um den Namensträger schlechter – in der Folge ausser Acht und um 374 jenseits von Augst in Allemannien für alle zu identifizieren. Wenn die verschie- listen die heute noch bekannten, grossen herrschte und sich mit dem römischen Kai- denen Glieder einer Familie unterschieden Bürgergeschlechter von 1648 bis 1800 auf: ser Valentinian I. zahlreiche Gefechte liefer- werden mussten, wurde oft das Beiwort te, zurückführen sei. «alt» (der elter) oder «jung» (der jünger) Althaus Peter von Langnau, der Senn auf angefügt. Im 12. bis 14. Jh. entwickelte sich dem Reisen bei Läufelfingen, 1756; Bau- Dorfnamen zur Unterscheidung der Personen die Bil- mann Hans von Muttenz, 1693; Dürr Hans dung eines zweiten Namens – des eigentli- Jakob von Aarau, der Beck, 1663; Gysin Machen wir hier einen Sprung ins Jahr chen Familiennamens. Er bestand entweder Matthis von Läufelfingen, der Herrenkut- 1900, als rund 300 Familien in Pratteln leb- aus dem Vornamen des Trägers, wie im Falle scher, 1756; Hartmann Heinrich von Bretz- ten, und sehen, welche Geschlechter über- Azo zu Atz oder Till zu Dill, der Herkunft: wil, 1773; Hartmann Johann von Bretzwil, lebt und welche Dorfnamen die verschiede- der Pfirter aus der Grafschaft Pfirt im Elsass, 1778; Hartmann Johann von Ziefen, 1788; nen Stämme erhalten haben. Die Auflistung dem ausgeübten Handwerk oder dem Hartmann Niklaus von Bretzwil, 1777; Heg- erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Gewerbe: Stohler von Stahler = Stahl- gendorn Johann von Langenbruck, 1699; zumal man auch nicht immer weiss, welcher schmied, Schneider aus dessen früherem Honegger Hans Jakob von Läufelfingen, Dorfname welchem Stamme der Dills, der Beruf, der Stiere zu Ochsen «verschnitt», 1661; Martin Franz, 1771; Oberer Ambrosi Hartmanns oder der Meyers zuzuordnen ist. einer Amtshandlung: Vogt aus dem mittel- von Sissach, 1684; Pfirter Jakob von Mut- alterlichen Vogt, oder aber aus einer Eigen- tenz, Schuhmacher, 1774; Schweighauser Samuel Baumann = Kaisersämi; August schaft des ersten Trägers: Stingelin = schlan- Matthis von Binningen, 1786; Zeller Johann, Weisskopf = der Coiffeur; Jakob Schneider 129 = Schämbärgerhänsis (auch der 1999 ver- nebiker; Friedrich Stingeln = Sattlerfried; Edi Beckeniggis; Jakob Dürr, Metzger, = Chrüt- storbene Ruedi Bielser gehörte zu dieser Weisskopf-Honegger = Frieds Edi; Dürr-Dal- zerhänsisschaggi; Fritz Dürr, Schmied = Sippe), Samuel Stingelin = Schärersämmi; cher = Chrützerjokebs; Rebmann = Gross- Chrützerhänsisfritz; Jakob Dill = Zusijoggeli; Rebmann = Schnäggliheiris; Niklaus Bielser räbma; Jakob Dill = Murerjoggeli; Dürr- Jakob Rebmann-Dill = Ressjokeb; J. Dürr- = Wäberwilliniggi; Hans Dill = Dillemartis- Schweighauser = Chrützerjokebsjokeb; Tschudin = Chrützerhönsisschang; J. Dill- hänsis; Adolf Dill = Chusidölfis; Heinrich Dill-Imhof = Dilleadams; Stohler = Marti- Vögtlin = Cusihans Wächter; Jakob Schnei- Weisskopf = Cheesheiris; Niklaus Dill = Dil- frieds; Meier-Schäfer = Meierchüfer; Zeller- der = Rächemacherheirishansjokeb; Heinrich leniggisreini; Niklaus Meyer = Zimmernig- Nebiker = Ochseschang; Walter Bielser- Schwob = Walmeheiris; Jean Schwob = Leu- gis; Friedrich Sutter = Ziegelfried; Edi Bielser Tschudin = Tschudiwalter; Walter Pfirter-Moh- senadis; Niklaus Meier = Bäreniggi; Hans = Dreyeredis; Meyer = Rüblimeyer; Hans ler = Pfirterhänsiswalter; Jakob Löliger = Mohler-Schneider = Schämbärgerhänsi; Nik- Nebiker = Dürrehansethephil; Althaus = Chüblerschaggis; Emil Löliger = Chübler- laus Honegger-Seiler = Seilerniggis; Heinrich Peterheiris; Hans Stingelin = Baslerhanse; gottisemil; Schwestern Dalcher = Dalcher- Stingelin = Brosiheiri; Emil Atz-Mann = Hans Stingelin = Baslerhanseschnider; Biel- ruedis (Schwestern des Ruedi Dalchers; Schulopisemil; Wilhelm Dürr-Wüthrich = ser = Grossbielser; Hans Schwob = Wagner- Hans Schwob-Dürr = Nocherthanse; Tschu- Chrützerwilli Förschter; Margrit Schwob = opishanse, dann Wagneropishansehans; din = Tschudidreyers; Hans Althaus-Weiss- Höfligritti; Schwob-Heizelmann = Heizelis; Rudolf Weisskopf = Schniderrudis Senior; kopf = Althushanse; Niklaus Dill-Dill = Dille- Hans Dill = Settihans; Jakob Stingelin = Niklaus Gass = Gasseniggis; Werner Weiss- niggis; Rebmann = Räbma Wüsch; Schliffsteijoggeli; Jakob Bielser = Wagner- kopf = Cheeswerners; Karl Schwob = Pfirter-Kellerhals = Pfirter Chübler; Jonas schaggis; Emil Bielser-Buess = Wäberwillis- Oppelis; Pfirter-Schneider = Rächestiel; Meier = Hämmelijonise; Werner Bielser- emil; Jakob Meier-Stohler = Baschifriedschag- Niklaus Weisskopf = Bossiniggis; Rudolf Meier = Luegiwerner; Joh. Bielser-Buess = gi; Emanuel Althaus-Dill = Peterheirimänni; Weisskopf = Schniderrudishansjokeb; Hel- Wäberwillihans; Emanuel Weisskopf-Stoh- Jean Althaus = Peterheirischang; Gottlieb fenberger = Siegriste; Helfenberger = Esel- ler = Bahnwächtersmänni; Eduard Stingelin- Löliger = Chüblergotti; Schwestern Begle = meier; Helfenberger = Schnider; Emanuel Urech = Wäberedi; Stingelin = Trinibäsi; Emil Wiggle; Niklaus Meyer = Zimpelniggis. Dill = Dillemännis; Hans Stingelin = Schärer- Pfirter-Bielser = Pfirter Mälcher; Adam Zel- Emmy Honegger hans; Schwob-Urech = Lachmeieli; Schwob ler-Häring = Zällerhansadi; Schaub-Dill = = Sibillemathise; Adam Dill = Dilleadams- Schaub Rächemacher; Jakob Weisskopf = männi und Dilleadamsemil; August Schnei- Höchjoggi; Arnold Weisskopf = Mohlernol- QUELLEN: der = Molerguschti; Wehren = Wartebär- di; Heinrich Weisskopf-Baumann = Bossli- Zeugin, Ernst: Die Flurnamen von Pratteln, Prattler gerjoggi; Dill-Sutter = Denweg; Stohler = heiri; Eduard Weisskopf-Hänger = Bossliedi; Heimatschriften Nr.1, 2. Auflage 1960. Hodelniggis; Babette Mohler = Mohlerba- Heinrich Althaus-Weiss = Althusheiri; Wil- Meier-Dill, Susi: Liste der alten Dorfnamen von bet; Emanuel Schweighauser = Ängelwirts; helm Bielser-Gogel = Chüferwilli; Jean Biel- 1900. Jean Rebmann = Räbmesattler; Bielser-Reb- ser-Handschin = Bamertschang; Frau Weiss- mann = Chüferschaggis; Jean Pfirter-Dal- kopf = Bahnwächtere; Walter Bielser-Häf- cher = Zuckerbäcker; Niklaus Schwob = liger = Pöschtliwalter; J. Atz-Dürr = Schul- Wächterniggis; Tschudin = Ochsewirts; Emil opisschaggi; Bielser-Dill=Chüfermänni; Hans Stingelin = Presidänte Emil; Stingelin = Geis- Baumann-Olloz = Dämmerhans; Jakob Weiss- sestingelis; Hans Pfirter-Bielser = Pfirterhän- kopf = Bottinejoggeli; Fritz Stohler = Ho- sene; Schwob-Hägler = Schwob Sattlers; delfritze; Ed. Schwob-Stingelin = Wagner- Jean Mohler-Meier = Mohlerschang; Stohler opis Edi; Jonas Bielser = Wäberhänsis Joniss; (Präsident) = Stromidunnerwätter; Schwob- Marie Weisskopf = Höpperliniggi; Hans 130 Stohler = Wagneropisjokeb; Nebiker=Bieler- Weisskopf = Putzhans; Niklaus Zeller = Ursprünglich wurden die hergestellten Pro- Gewachsener Geist dukte noch mit grossen schweren Pferde- der Schicksals- fuhrwerken bergan durch das sogenannte «Bitterlis-Gässli» zum Bahnhof Pratteln ge- verbundenheit in der karrt. Bespannt waren die Wagen mit gross- gewachsenen, imposanten Rossen, wie man Schweizerhalle ... sie von den Fuhrwerken der Bierbrauereien her kennt. Mit dem Geleiseanschluss zum Bahnhof Pratteln verschwand dieses schöne ... so war die Berichterstattung über das idyllische und altvertraute Strassenbild. Da- letzte Treffen der ehemaligen Bewohner der mit fielen aber auch die so begehrten Pferde- Die Arbeiterwohnungen zeugen noch heute Schweizerhalle übertitelt, das letztmals im Nebenprodukte dahin, die für die Garten- vom sozialen Engagement der Saline. Jahre 1998 stattfand und erstmals im Jahre düngung eifrig gesammelt wurden. 1968 durchgeführt wurde. Essensträger, meist Kinder, aus der nähern Das Dampfross löste eine neue Epoche aus. Umgebung empfunden haben, die täglich Mit der Entdeckung der grossen Salzvor- Aber auch die schnaubende und rauchende ihren Angehörigen das Mittagessen an ihre kommen in Schweizerhalle und dem Bau Dampflokomotive vermochte einen beson- Arbeitsorte gebracht haben, denn andere der Saline im Jahre 1837 wurden gleichzei- deren Reiz auszulösen. Allerdings fanden es Verpflegungsmöglichkeit gab es nicht. tig auch Dienstwohnungen erstellt. Was lag die Hausfrauen, je nach Wind, oftmals we- da näher, als dass man diese Bewohner als niger reizvoll, wenn die Rauchschwaden Durch die Abgeschiedenheit hat sich in der «Salinler» bezeichnete, die wegen ihrer Dis- über ihre Wäscheleinen strichen und sie des- Schweizerhalle eine verschworene Gemein- tanz und Abgeschiedenheit zum «Mutter- halb ihre russgeschwängerte Wäsche erneut schaft herausgebildet, die durch die ärmli- dorf» Pratteln bald ein Eigenleben aufbau- waschen mussten. Gewaschen wurde übri- chen Verhältnisse aus der Krisen- und ten. gens noch im «Buchhuus», das nur mit Kriegszeit geprägt war. Man war halt auf einem Holzwaschofen, Holzzubern, Wasch- sich selbst angewiesen und durfte kaum auf Als Folge des Salzabbaus siedelten sich bald brett und einem Stössel ausgerüstet war. Hilfe von der Gemeinde hoffen. Die Wohn- Chemieunternehmen an. Das erste war die Liebevoll wurde die Dampflok, die die gelegenheiten in den Dienstwohnungen wa- Säurefabrik als Zulieferwerk von Grundstof- schwer beladenen Güterwagen pustend ren denkbar einfach. Sie bestanden aus fen für die aufstrebenden «Chemischen» im bergan zog, «Salinepfupfer» genannt. Und Küche mit Holzherd, unbeheizbaren kleinen Raume Basel. Später übernahm die Säurefa- somit war auch der scherzhafte Übername Zimmern und einem Plumpsklosett. Die täg- brik auch die verwaisten, auf Muttenzer für die «Schwyzerhälleler» geprägt, insbe- liche Toilette erfolgte am Schüttstein. Später Boden liegenden Solbad-Liegenschaften, die sondere für die Kinder, die ab der fünften erhielt man dann allerdings Gelegenheit, zur Blütezeit der Heilbäder erstellt worden Klasse die Schule in Pratteln oder Muttenz einmal wöchentlich die Duschen des Wohl- waren, und baute sie zu weiteren Dienst- besuchen mussten. Übrigens war auch die fahrtsgebäudes der Saline zu benützen wohnungen aus. Auch diese Bewohner er- in den Nachkriegsjahren gegründete Gug- hielten ihren Übernamen und wurden als gemuusig unter dem Namen «Salinepfup- Der Speisezettel wurde mit den Erträgnissen «Sürihüsler» bezeichnet. Den Reigen der fer» ein Begriff und gehörte neben dem aus dem Pflanzplätz bereichert, auf den jede damaligen Neu-Ansiedler schloss die Che- Singchörli Schweizerhalle zur Kultur der von Familie angewiesen war. Auch wurde jede mische Fabrik Schweizerhalle mit ihrer Dün- Pratteln und Muttenz abgesonderten Wohn- Möglichkeit ausgenutzt, um ein paar Batzen gerfabrik ab. Auch sie erstellte Dienstwoh- gemeinschaft. Dass die Schweizerhalle abge- verdienen zu können. So beispielsweise beim nungen. legen war, das mussten wohl auch die vielen Kartoffelnauflesen beim Rothausbauer Ger- 131 lichkeiten in ungeahnter Weise. Diese Frei- die Ausläufer aus Pratteln eingestellt wer- heiten liessen es vergessen, dass man in den mussten. Ebenso verschwand der Milch- bescheidenen Verhältnissen lebte und auf ausschank mit dem Pferdewagen durch den so vieles verzichten musste. All das hat das legendären Milchmann Georges Pfirter. Zusammengehörigkeitsgefühl bestärkt und gleichsam zu einer grossen Familie zusam- Das gemeinsame Erleben in Not und Leid, men geschweisst. Gross war diese Familie das einander Verstehen und Helfen, wann allerdings schon! Vor allem auch kinder- immer sich das als notwendig erwies, hat reich. So gab es doch einzelne «Sippen» mit ein einmaliges Zusammengehörigkeits-Ge- elf und 18 Kindern, und solche mit drei bis fühl geschaffen, das nach Jahrzehnten noch Bis in die fünfziger Jahre verfügte die Schweizer- fünf Kindern waren die Regel. Das hat dann Bestand hat. Das beweist die jeweilige gros- halle über eine Primarschule. im Jahre 1932 dazu geführt, dass man für se Teilnehmerzahl bei den legendären Zu- Pratteln und Muttenz eine gemeinsame sammenkünften, an denen sich jeweils bis ber. So anstrengend dies war, so beliebt war Gesamtschule für die erste bis und mit fünf- zu vier Generationen einfinden! es auch, weil auch das Vergnügen mit dabei te Klasse einführte. Einmalig war wohl, dass war und man auch reichlich verköstigt sich dieser Schulraum, in dem bis zu 20 Es herrschte eben ein «gewachsener Geist der wurde – sehr zur Schonung der damaligen Schüler unterrichtet wurden, im Fabrikareal Schicksalsgemeinschaft in Schweizerhalle». Rationierungskarten. Fast ein gesellschaftli- der Saline befand. Das hatte aber einen spe- ches Ereignis war das Garbenbändli knüp- ziellen und für alle folgenden schulpflichti- Als Bestätigung dieser Schicksalgemein- fen, bei welcher Gelegenheit man sich aus- gen Kinder glücklichen Grund, denn der schaft wäre noch anzufügen, dass die Salin- giebig unterhalten konnte und viel ge- damalige Salinendirektor Leutholdt hatte sei- ler, wie sich die Schweizerhaller mit Vorliebe sungen wurde. Zur Verständigung sei präzi- ner Tochter den langen Weg nach Pratteln nennen, zum Prattlerlied eine Schlusstrophe siert, dass die Seilerei Suter jeweils ganze nicht zugemutet und die Errichtung einer zugedichtet haben, die diese verschworene Fuder unfertige Garbenbändli für die Getrei- Schule in Schweizerhalle bewerkstelligt. Als Gemeinschaft dokumentiert: deernte brachte, die geknüpft und mit Holz- erster Lehrer und nur für ein Jahr unterrich- rädli versehen werden mussten. Eine wenig tete Lehrer Werner Imhof. Sein Nachfolger, «Mir hei nit numme Landwirtschaft, einträgliche, dafür aber eine gesellschaftlich Edwin Tschan, der im Februar 2003 über Mer hei au Industrie. wertvolle Beschäftigung. neunzigjährig in Pratteln verstorben ist, ver- Go’sch dur’s Bitterli’s Gässli ab sah den Schuldienst in Schweizerhalle mit An euse liebe Rhy. Abgeschieden war man, dafür hatte man es grosser Aufopferung und Freude bis 1941. Gseh’sch die höche Bohrtürm stoh paradiesisch schön, was die Freizeitgestal- Edwin Tschan folgten die Lehrer Reinhard Bi’sch in dr Schwizerhalle scho. tung anbelangte. Da war der Rhein, der Urban, Kurt Rickenbacher und René D’Salinler sy vo guetem Holz, zum Baden und Spielen einlud. Mit der Schmid. Druff si d’Prattler stolz. –» Rheinfähre Schweizerhalle– Wyhlen konnte man bis Kriegsanfang den Duft der weiten Mit der Erweiterung und Vergrösserung der Welche Fülle von Heimatverbundenheit ver- Welt geniessen. Der nahe Hardwald liess ansässigen Unternehmen erhielt Schweizer- einigt diese Schlussstrophe der Salinler! dem Spieltrieb unendlich viel Raum und war halle eine eigene Poststelle. Damit und mit Neben dem Rhein und den früheren charak- gleichzeitig Holzlieferant für die Kochherde der Eröffnung eines ACV-Ladens anfangs teristischen Bohrtürmen kommt sogar das und Heizöfeli. Schliesslich ergänzten die bei- der dreissiger Jahre hatte die Neuzeit «Bitterli’s Gässli», eine alte Bezeichnung der den Kiesgruben der Firma Frey und der begonnen. Die Folge war, dass die Hauslie- Salinenstrasse, zu Ehren. 132 Gebrüder Aymonod die spielerischen Mög- ferungen von Brot und Fleischwaren durch Mathias Baumann Das Längiquartier

Pratteln ist trotz seiner Grösse ein typisches Dorf. So findet das kulturelle, wie auch das politische Leben fast nur im Dorfkern statt. Aussenquartiere bleiben von diesem Leben grösstenteils ausgeschlossen. Dies trifft be- sonders auf das Längiquartier zu. Seine geo- graphische Abgeschiedenheit von der Mut- tergemeinde beruht auf einer planerischen Fehleinschätzung. Dadurch nimmt das Quar- tier in Pratteln von Beginn an eine Sonder- stellung ein. Viele Einwohnerinnen und Ein- Skyline des Längiquartiers von Süden gesehen. wohner des Längiquartieres kommen selten einmal nach Pratteln. Sie kennen das Dorf die vielen Vorteile und Schönheiten der tiereinwohnern ein wichtiger Impuls, sich kaum und haben auch fast keine Beziehun- Längi durchaus erwähnen. Es ist ein in sich um das Wohlergehen ihres Lebensraumes gen zu Menschen aus dem Dorf oder Orts- geschlossenes Quartier und deshalb beson- einzusetzen. Oft glauben diese Leute auch, vereinen. 20 Minuten Fussweg trennt das ders für Kinder ein Paradies mit dem kurzen sie dürften sich selbst einem Quartierverein Quartier von der Muttergemeinde, und oft Schulweg und den vielen Spielplätzen. Für nicht anschliessen. fühlen sich die Menschen im Aussenquartier die Erwachsenen und Jugendlichen fehlt lei- nicht verstanden oder ernstgenommen. der ein geeigneter Quartiertreff, welcher Ein Hoffnungsschimmer für viele im Quar- Auch von Seiten des Dorfes herrschen viele der Längi nochmals ein markantes Plus an tier aufgewachsene AusländerInnen ist die Vorurteile und so wird geringschätzig auch Wohnqualität geben könnte. Möglichkeit einer Einbürgerung. Sie be- von «Klein-Istanbul» geredet. Deshalb tauch- trachten das Quartier, in dem sie geboren te immer wieder die Frage auf, weshalb Zum schlechten Ruf der Längi ausserhalb und aufgewachsen sind, als Heimat. Viele man an das Dorf Steuern bezahlen solle, des Quartieres trägt auch die hohe Zahl an sind auch bereit, sich für ihren Wohnort ein- «da die doch nichts für das Quartier tun». Menschen bei, die keinen Schweizerpass zusetzen. Zu ihrer im Pass eingetragenen Einzelne fragten auch ernsthaft, ob man haben. Schon zu Beginn der siebziger Jahre Heimat haben sie keine persönlichen Bezie- nicht eine eigene Gemeinde gründen solle. war der Ausländeranteil hoch. Er hat sich in hungen mehr, zu stark sind sie schon als 1975 hätte das immerhin eine Gemeinde der Zwischenzeit aber noch weiter erhöht, «Prattler» geprägt! Leider wurden in den mit fast 3000 Einwohnern gegeben. und das verursacht einige Probleme. Die neunziger Jahren des 20. Jh. einige dieser Menschen haben zum politischen Gesche- Menschen arg vor den Kopf gestossen, als Über die Qualität des Längiquartieres wird hen in ihrer Wohngemeinde keine Mitbe- sie trotz Bestehens der für eine Einbürge- leider kaum gesprochen. Dabei dürfte man stimmung und deshalb fehlt diesen Quar- rung notwendigen Prüfungen von einer 133 Bürgergemeindeversammlung abgewiesen volle Kontakte und dem Verein manches dert Meter breiten Grüngürtel zwischen wurden. Neumitglied. Die Umfrage offenbarte viele Wyhlenstrasse und Gewerbe- und Industrie- Wünsche der EinwohnerInnen und diente gebiet. Heute trennt ein schöner Park von dem Vorstand des Vereins auch als Legitima- dreissig Meter das Quartier von dem Bau- Quartierverein Längi tion für alle Forderungen gegenüber den land. 1971, nach dem grossen Erfolg des ersten Behörden. Längifestes, welches von Frauen und Män- Öffentlicher Verkehr nern aus dem Quartier zur Einweihung des Seit August 1975 gibt der QVL mit dem Längischulhauses durchgeführt wurde, be- «Längiberichter», welcher sich bis heute Der Verein musste über all die Jahre immer schlossen die Organisatoren, dass man die zum dreisprachigen «Längiblatt» entwickelt für die Anbindung an den öffentlichen Ver- vor und am Fest geknüpften und bewährten hat, eine eigene Informationsschrift heraus, kehr (ÖV) kämpfen. Von der Gemeinde Kontakte aufrecht erhalten sollte. Die Folge welche mit einer Auflage von 1000 Exem- Pratteln meistens im Stich gelassen, war es war, dass schon am 21. Oktober 1971 der plaren alle Haushaltungen des Quartiers ein einsamer Kampf des QVL. Der aber min- Quartierverein Längi (QVL) als erster Quar- erreicht. destens zu Teilerfolgen führte. So ist die tierverein im Kanton Basel-Landschaft ge- Längi seit vielen Jahren mit dem 70er Bus gründet wurde. Was der QVL in seiner Geschichte bisher gut mit Liestal und Basel vernetzt. Hingegen erreicht hat, mögen ein paar Einzelprojekte fehlt eine gute Abendverbindung mit dem Der Zweck des Vereins ist in Artikel 2 unter zeigen. Dorf, die einer Integration der Längi ins anderem wie folgt beschrieben: «Er sieht Dorfleben förderlich sein könnte. Immerhin seine Hauptaufgabe in der Verbesserung fahren dank Unterstützung durch den Kan- Robinsonspielplatz Lohag, der infrastrukturellen Einrichtungen zur Er- ton seit dem Fahrplanwechsel 2001 auch Familiengärten Widen langung einer höchstmöglichen Lebens- und nach 20 Uhr noch ein paar Busse zwischen Wohnqualität.» Diesen beiden Institutionen sind besondere Dorf und Quartier. Kapitel gewidmet. In den ersten Jahren setzte sich der Vorstand Leitbild Längi des Vereins dafür ein, dass die Quartierstras- Grüngürtel Längi sen endlich fertiggestellt und die Umge- Im Dezember 1981 veröffentlichte der QVL bungsarbeiten um die Hochhäuser kinder- Die Trennung zwischen Wohnquartier und sein «Leitbild Längi», in welchem er den Ist- gerecht gestaltet wurden. Man diskutierte Gewerbe- und Industriegebiet sahen die Zustand mit den beiden Möglichkeiten: über eine bessere Verkehrsanbindung mit Planer ursprünglich mit einer Baumreihe «laufen lassen» und «verbessern» darstell- dem öffentlichen Verkehr und trat mit den Platanen erfüllt. Der Erschliessungsverkehr te. Eine wichtige, leider nie erfüllte Forde- zuständigen Behörden in Pratteln und Lies- für beide Zonen sollte über die Wyhlenstras- rung ist ein Quartiertreffpunkt. Dieser Treff- tal in Verbindung. se erfolgen. Dass Gewerbebauten enorme punkt wird als Ort der Begegnung ver- Lärm- und Schadstoffemissionen verursa- standen. Einerseits könnte ein Kinderhüte- Mit einer Umfrage in allen Haushaltungen chen können, zeigte der Werkhof einer dienst, ein Aufgabenhort, ein Mittagstisch des Quartiers unternahm der Vorstand des Prattler Baufirma. Wurden hier doch gleich angeboten werden; anderseits würden sich QVL von November 1974 bis Januar 1975 neben schönen Familienwohnungen tag- soziale Kontakte der verschiedenen Kultu- eine gewaltige Aufgabe. Manche Stunden täglich Lastwagen be- und entladen, Silos ren leichter entwickeln. waren die Frauen und Männer des Vorstan- gestapelt, sowie gesägt und gezimmert wie des in Zweiergruppen unterwegs, und viele auf einem Bauplatz! Das schaffte dauernd Die Behörden bezeichneten die Verbesse- 134 fruchtbringende Gespräch brachten wert- Konflikte. 1981 fordert der QVL einen hun- rungsvorschläge des Leitbildes Längi als gut, konnten aber die für die Realisierung not- wenigen Gelder nicht aufbringen! Die Frauen

Entwicklung Auch 30 Jahre nach seiner Gründung ist der Quartierverein Längi immer noch sehr aktiv. Der Vorstand ist zum Teil mit alten Themen beschäftigt; es zeigt sich aber, dass die Zu- sammenarbeit des Vereins mit dem Ge- In einer Betrachtung über die Frauen im mit- meinderat und der Verwaltung deutlich bes- telalterlichen Pratteln nennt der Ortshistori- ser geworden ist. Vorurteile haben sich auf ker Fritz Sutter vier Frauen: Agnes von Rat- beiden Seiten abgebaut. Doch es bleibt viel samhausen († 1474), die aus elsässischem zu tun. Manche Probleme haben sich ver- Adel stammende erste Gemahlin des Pratt- schärft und es zeigt sich, dass die Gemeinde ler Dorfherrn Hans Bernhard von Eptingen; Pratteln in einer komfortablen Situation ist, dann Elisabeth Haespir (von Speyr) († 1635 weil über all die Jahre immer ein Quartier- im Alter von 28 Jahren im Kindbett), die verein als Ansprechpartner und Bindeglied erste Gattin des Prattler Pfarrers Christoph vorhanden war und ist. Hagenbach, der das Hagenbächli als «Stu- dierstube» erbaut hat, und als weitere im Die Präsidenten des QVL: Walter Biegger Bunde die geheimnisumwitterte Katharina (1971–1973); Uwe Klein (1973–1976); Wer- von Eptingen, geborene Freiin von Schauen- ner Henschel (1976–1983); Rolf Ackermann burg, die der Sage nach Schuld daran trägt, (1983–1986); Walter Ritschard (1986–1992); dass Gottfried vom Madlen, genannt Bitter- Seltener Kupferstich von Matthäus Merian dem Olga Aeberhard (1992–1997); Peter Hand- li, als Madle-Jäger noch heute im Madle- Ältern, (1593–1650) im alchemistischen Werk schin (1997–1999); René Facerias (seit 1999). Gebiet auf seinem Schimmel, begleitet von «Von den Geheimnissen der Natur», Oppenheim Rolf Ackermann zwölf weissen Hunden, herumirren muss. 1617. Dargestellt ist, wie eine Frau am Herdfeu- Die «Schauenburgerin» war sehr wahr- er stehend, Blei siedet und es in Gold zu verwan- scheinlich auch Meisterin einer Beginen- deln trachtet. Im Vordergrund sind die Bleibarren Hausgemeinschaft in Basel, wie Fritz Sutter zu sehen, im Hintergrund, unter dem geöffneten in Urkunden um 1360 herausgefunden hat. Fenster, der Schüttstein. In einem Zuber schwim- Damit sind wir bei den Beginen. Sie waren men zwei Fische und auf dem Küchenboden im Mittelalter die ersten Frauen-Gemein- schläft die Katze. So hat man sich die Iflingerin im schaften, eine Emanzipations-Bewegung, Prattler Schloss vorzustellen, die dort ihren alche- die von den Niederlanden ausging und sich mistischen Künsten nachging. sehr rasch dem Rhein entlang bis Basel aus- breitete. Hier hatten sich, wie der Basler sen. Obwohl die Beginen keine klösterlichen Peter Ochs in seiner Basler Chronik berich- Gemeinschaften führten und vorwiegend in tet, um 1400 bereits 1500 Frauen oder 15 der Sozialarbeit tätig waren, wurden sie Prozent der Basler Gesamtbevölkerung zu dem Basler Klerus doch zu mächtig. Deshalb Wohngemeinschaften zusammengeschlos- exkommunizierte Bischof Humbert die Begi- 135 nen im Jahre 1411 und beschlagnahmte viele sind berufstätig, haben sich Männer- finden sein, sie bleiben namenlos. Das soll deren Häuser. So trafen sich die «Emanzen» Domänen erobert und nicht wenige haben aber nicht heissen, dass sie nicht in der Erin- im Versteckten, bis ihnen der Prattler Dorf- den Wunsch nach Selbstverwirklichung in nerung der älteren Generation und durch herr Hans Bernhard von Eptingen 1480 das die Tat umgesetzt. Und die Scheidungsrate Überlieferung vielleicht in den jüngeren Klösterchen Schauenburg öffnete. Die Begi- ist auch nicht höher als anderswo. Generationen weiter leben werden: Die Dia- nen bewohnten ihr «Frauenhaus» 40 Jahre konissinnen Schwester Bertha und Schwes- lang, bevor sie, 1520, nach dem Verkauf Frauen wirken in den verschiedensten Insti- ter Marie, die während Jahrzehnten die Prattelns an die Stadt Basel, ins «Rote Haus» tutionen, Organisationen und Gremien auf «Häfelischüler» im Vereinshaus betreuten, nach Muttenz zogen. An diese Frauen erin- kommunaler und kantonaler Ebene mit. Sie sowie die Diakonissinnen, die sanfte Schwes- nert noch heute das «Beginenwegli», das engagieren sich in Vereinen, in der Politik ter Hulda und die forsche Schwester Rosa, vom «Süss-Winkel» zum Hagenbächli und und in der Kirche. Im Gemeinderat sitzen die als Krankenschwestern tätig waren; die weiter zum Kloster Schauenburg (Neu- zur Zeit zwei Frauen (bis zu den Gemeinde- Lehrerinnen Spinnler, Scholer, Schaub und Schauenburg) führt. Neuwahlen 2000 waren es deren vier), im Baumann, die, als in Pratteln vier Primarleh- Einwohnerrat haben zehn Frauen Einsitz, rerinnen genügten, unzähligen Schülern Als vierte und weitere Power-Frau kann man wobei zu bemerken ist, dass die «Linke» die und Schülerinnen das ABC und das Einmal- die geborene Freifrau von Rosenfels, Helena meisten Frauen in ihren Reihen hat. (Woran eins beigebracht haben; die beliebte Pfarre- Iflingerin von und zu Granek, bezeichnen. das liegt, wäre eine spezielle Untersuchung rin Hanni Wartenweiler, die sich stark in der Die leidenschaftliche Anhängerin der Schwar- wert.) Seit den Wahlen 2000 ist mit Elsbeth Kirchgemeinde, insbesondere in der Alters- zen Künste erwarb das Prattler Schloss 1592 Bielser auch eine Frau im bis dahin rein arbeit, engagierte und z.B. das «Nit allei si um 10000 Gulden und liess darin einen männlichen Bürgerrat vertreten. Und eine am Heiligobe» ins Leben gerufen hatte; Elsy Alchemie-Betrieb mit grossem Schmelzofen Frau, Elisabeth Folay, führt als Bürgerge- Nyffenegger-Atz, die Stifterin der Bronzefi- einrichten, um aus Blei Gold zu machen. Ein meinde-Verwalterin die Bürgergeschäfte. gur «Mnemosyne» auf dem Friedhof Blö- Traum, den damals viele Alchemisten träum- Sie hat nach der Pensionierung der ersten zen; Elise Nägelin, die, zusammen mit ihrem ten. Dem damaligen Dorf-Pfarrer war dieses Verwalterin, Nelly Bretscher, deren Platz ein- Bruder, die Nägelin-Stiftung zum Zwecke Treiben jedoch ein Dorn im Auge, zumal die genommen. Beide Frauen sind als starke der Errichtung eines Altersheims errichtete Freifrau die obligatorische Sonntagspredigt und kulturell aufgeschlossene Persönlich- und Susi Meyer-Dill, die zur Fasnachtszeit nie besuchte und als Begründung ihrer Ab- keiten zu bezeichnen. Eine Frau präsidiert über Jahre den «Butz» in Schwung gehalten senz angab, sie besuche ihre Base im Kloster die Kirchenpflege der ref. Kirchgemeinde hat. So gäbe es noch einige Namen von Olsberg. Der Pfarrer berichtete 1593 der Pratteln-Augst; zwei Frauen wirken als Pfar- Frauen zu nennen, die sich für die Öffent- Basler Obrigkeit von diesem Missstand, wo- rerinnen. Auf Initiative von Frauen entstan- lichkeit engagiert haben. Zwei Prattler Bür- rauf der Grosse Rat der Iflingerin bei Strafe den z.B. Gemeindebibliothek, Ludothek und gerinnen aus der Neuzeit, denen in diesem von 100 Gulden verbot, sich weiterhin mit Robinson-Spielplatz. Frauen waren eben- Buch spezielle Kapitel gewidmet sind, sind Alchemie zu beschäftigen und die Gold- falls an der Errichtung des Tagesheims jedoch nicht nur Erinnerung, sie leben Öfen weiter zu betreiben. Sie ignorierte je- «Chäferhuus» und insbesondere beim Auf- namentlich weiter: Päuli Schürch-Pfirter, die doch dieses Verbot; stellte aber, als der bau der AGFF massgeblich beteiligt oder Stifterin der Päuli Pfirter-Stiftung, und Helene Gold-Segen ausblieb, den Betrieb 1597 ein waren Gründungsmitglieder. Nebiker, deren Name und Wirken auch im und verkaufte das Schloss. Baselbieter Personenlexikon verewigt wurde. Leider werden die wenigsten all der enga- Ja, was gibt es über Prattler Frauen in der gierten Frauen namentliche Spuren in der Zu diesen Frauen, die namentlich in Erinne- Neuzeit zu berichten? Sie sind nicht anders Öffentlichkeit hinterlassen; ihre Namen rung bleiben, gehört in erster Linie Liesel 136 als andere Frauen. Sie sind emanzipiert, werden in keinem «Personenlexikon» zu Berger-Bielser. Sie veröffentlichte unter dem Pseudonym «Barbara» im damaligen Lokal- anzeiger ihre von der Bevölkerung hochge- Die Jugend schätzten Gedichte. Ihr Name ist auch mit dem im Verlag des Prattler Anzeigers er- schienenen Gedichtband «Barbara» ver- ewigt, zu dem Fritz Frey Illustrationen bei- steuerte. Denken wir bei der Erwähnung der Dichterin «Barbara» aber auch an Lorli Tschirky-Dill, ebenfalls ein grosses Dichterta- lent, an die verschiedentlich ausgezeichnete Etwas über die Jugend in Pratteln zu Papier Dichterin Elvira Wolf-Stohler und an die in zu bringen und dabei nicht in nutzloses Phi- Prattler aufgewachsene Helen Stohler- losophieren zu verfallen, ist sicher ein Das Prattler Jugendhaus an bester Lage vis-à-vis Schwarzenbach. Sie schilderte, ebenfalls im schwieriges Unterfangen. Dennoch soll an- des Kuspo gelegen. Prattler Anzeiger, in spannender Art und hand der wissenschaftlichen Studie des Büro Weise das frühere Leben in Prattler. WeST von Luzern, das der Gemeinde anno gen. Man entzieht sich dem kleinräumigen Emmy Honegger 1992 ein jugendpolitisches Konzept abge- verreglementierten Angebot des Dorfes und liefert hat und von dem leider, abgesehen weicht in die anonyme Stadt aus. von der Umstrukturierung des Jugendhau- ses, nichts realisiert wurde, der Versuch ge- Die Jungen, die altersgemäss in einer wagt werden. Auf den Seiten 31 bis 34 im schwierigen Zeit der Selbstfindung und Ori- Kapitel «Jugend der 90er Jahre» wird eine entierung stehen, reagieren ganz verschie- einleuchtende Jugendanalyse erstellt. den auf diese Stress-Situation. Während sich die einen ins Private zurückziehen, geben Die Jugend Prattelns, wie immer man die sich die andern betont «cool» und scheinen Altersgrenzen setzen mag, ist sicher nicht alles im Griff zu haben. Andere wiederum mehr, wie das früher der Fall war, in gesell- leben ihre Unsicherheit in Aggressivität aus schaftlichen Institutionen (Familie, Kirche, und machen sich und andere im wahrsten Nachbarschaft, Vereinen etc.) gestützt und Sinne des Wortes kaputt, und die Nächsten gehalten. Es ist anzunehmen, dass es auch geniessen ganz das Hier und Jetzt im Sinn hier löbliche, «altmodische» Ausnahmen «après moi le déluge». Vieles macht nach gibt. Im Allgemeinen ist die Prattler Jugend kurzer Zeit nicht mehr Spass, neuer Nerven- nicht gross zu unterscheiden von derjenigen kitzel muss her. Etwas, das wir Älteren und anderer Vorortsgemeinden mit analogen die Massenmedien der zukünftigen Genera- Verhältnissen. tion vielleicht vorgelebt und vorgemacht haben? Oft finden sich die Jugendlichen in den zum Teil dicht überbauten Quartieren nicht zu- Auch die Arbeitswelt, in die die Jungen recht, sie entwickeln kein «Heimatgefühl». heute eintreten, hat sich grundlegend ver- Mobilität wird gross geschrieben, die Stadt ändert. Ein Beruf wird nicht mehr gelernt, Basel mit ihren vielfältigen kulturellen Insti- um ihn lebenslang auszuüben; es gilt in alle tutionen ist verkehrsmässig optimal gele- Richtungen flexibel zu sein. Viele Jugendli- 137 che bezeichnen nicht mehr den Arbeitsplatz was es heute ist: Eine der grössten Industrie- als den Ort der befriedigenden Erfüllung, Das Leben gemeinden des Baselbiets, mit all ihren Vor- sondern für sie findet das eigentliche Leben in früheren Zeiten und Nachteilen – und einem erstaunlich in der Freizeit statt. Die Clique, die Gleich- intakten Dorfleben. altrigen sind Heimat, Ort des Austausches, der Information und der Orientierung. Die Eine wichtige Arbeitgeberin waren natürlich Selbstinszenierung ist wichtig und die Welt auch die SBB, insbesondere für die so wird als Bühne erlebt, auf der man seine genannten Rucksäckli-Buure, Kleinbauern Auftritte hat, die man möglichst gut beste- vor allem aus dem Fricktal, die mit dem hen muss. Eine Tendenz des Rückzugs der Wie war es früher in unserem schönen Rucksack, in dem Znüni und Mittagessen Jungen vom öffentlichen Geschehen ist Dorf? Welchen Stellenwert hatten Gewerbe mitgeführt wurden, zur Arbeit kamen. Vor ebenfalls auszumachen. Gegenüber gros- und Industrie? Wodurch war der Alltag Arbeitsbeginn und nach Arbeitsschluss sen Institutionen wie dem Staat, den Partei- geprägt? Dies und noch vieles mehr wollten kehrten sie meist noch kurz im «Ziegelhof» en, den Verbänden wird Skepsis an den Tag wir von älteren Prattler und Prattlerinnen – oder im «Hardeck» ein, um sich mit einem gelegt; mangelnde Transparenz und Vertre- Liesel und Arnold Berger-Bielser, Emmy Hart- kräftigen Schluck zu stärken. Für die Prattler tung von Eigeninteressen wird diesen attes- mann, Dr. Viktor Martin, Susi Meyer-Dill, war auch das «Höfli» eine bekannte Anlauf- tiert, Vielleicht nicht ganz zu Unrecht? Anneli Ramseier-Zimmermann, Adolf Rei- stelle, wo der «Klare» jeweils schon bereit chenstein-Dill, Paul Schwob-Burri sowie von stand. Diese Kleinbauern, auch die Prattler, be- In der Heimatkunde von 1968 wird im Kapi- den alt Gemeinderäten Chasper Cadonau, trieben dank ihrer unregelmässigen Arbeits- tel 10. «Die Freizeit» erzählt, wie die Jungen Ernst Gasser und Kurt Gysler – wissen. Bei zeit die Landwirtschaft als Nebenerwerb, aus vor 30 Jahren Feste steigen liessen und ihren einem gemütlichen Hock im Restaurant dessen Erlös auch Landbesitz erworben Partys den verruchten Touch der Existentiali- zum Park standen sie uns Red und Antwort. wurde. sten-Keller von St. Germain-des-Prés in Paris verpassten. Am Schluss des Artikels wird der Prattler arbeiteten auch auswärts. Denjeni- Veränderungen im Dorf, wirtschaftlich Hoffnung Ausdruck gegeben, dass dies gen Prattlern, die in der Schweizerhalle oder und gesellschaftlich keine Auswüchse zeitigen werde! Alles auswärts, z. B. in der Florettspinnerei «Peanuts» und «kalter Kaffee» für die heu- In früheren Zeiten war Pratteln geprägt von Schönthal, arbeiteten, hatten die Kinder tige Jugend! Wie wird wohl das Urteil der der Landwirtschaft und in deren Gefolge über Mittag das Mittagessen zu bringen, zu jungen Leute in dreissig Jahren über die jet- von Handwerksbetrieben, also Kleingewer- Fuss, nota bene. zige junge Generation lauten? Käthi Furler be. Ebenfalls die SBB und insbesondere die Industrie haben Pratteln geprägt. Arbeit gab Schon für den Kraftwerk-Bau in Augst anno den Prattlern insbesondere die Industrie – 1903 kamen erste Fremdarbeiter zu uns. QUELLE: Buss, Persil, Verzinkerei, VSK (heute Coop), Der Zuzug setzte sich in den zwanziger Jah- Jugendpolitisches Konzept für die Gemeinde Saline, Säurefabrik, Rohner usw. Der damals ren fort, als sich hier etliche Deutsche und Pratteln, Büro WeST Luzern 1992 gängige Spruch «Wenn’s z Prattele nümm einige Italiener niederliessen. Einige gründe- stinkt, denn stinkts» sagt wohl alles über die ten Betriebe, die zum Teil heute noch beste- Bedeutung der in unserem Dorf angesiedel- hen. Die massive Zuwanderung begann ten Industrie. Als Arbeitgeber war natürlich jedoch erst in den fünfziger/sechziger Jah- auch das Gewerbe von grosser Bedeutung. ren, mit dem Anlaufen der Hochkonjunktur. Ohne Industrie und die günstige Verkehrsla- Damals wurden die Gastarbeiter unmittel- 138 ge wäre Pratteln kaum zu dem geworden, bar nach der Einreise in die Schweiz auf «Herz und Nieren» geprüft und medizinisch Hart gekämpft wurde jeweils um das Fas- man zerschnitt einfach Zeitungen in handli- untersucht. nachtsfeuer. Die Kampfhähne waren die che Zettel. Rümpeler und die Aussendörfler, die sich Anders als heute, wo Strassen und Plätze gegenseitig das zusammengetragene Holz Mietwohnungen gab es im Vergleich zu trotz der vielen öffentlichen Abfallkörben klauten. heute wenige. Und praktisch keine Mehrfa- als Abfall-Deponie für Papiertaschentücher, milienhäuser. Die Leute sparten, legten Rap- Papiersäcke, leere Zigarettenpackungen, Pet- Nachtbubenstreiche wurden vom Gemein- pen auf Rappen für den Erwerb eines Häu- fläschli, Getränkedosen usw. missbraucht derat geahndet. Falls die Nachtbuben er- schens. Usus waren Bürgschaften, bei denen werden, war das öffentliche Areal sauber, wischt wurden, kamen sie nicht ohne emp- der Bürge nicht selten sein ganzes Erspartes wenn die Kuhfladen und Rossbollen nicht findliche Geldbusse oder eine andere Strafe verlor. gewesen wären … Allerdings war der Dorf- davon. Was geblieben ist: Heute wie früher kern voller Staub, was vom Dreschen des «vertöffeln» sich Kinder und Jugendliche. Gewerbe und Häuser ade Strohs herrührte. Das änderte sich erst, nach- Nur kämpften sie früher bloss mit den Fäus- dem die Landi (Milch- und landwirtschaftli- ten und nicht mit Baseballschläger, Messer Viele Gewerbebetriebe und Handwerksbe- che Genossenschaft, die ihre Pforten in den und Schlagring wie heute. rufe sind verschwunden: Wagner, Küfer, Huf- Mitte der neunziger Jahre geschlossen hat) schmied, Schmied, Schneider, Schuhmacher, diese Arbeit übernommen hatte. Im Som- Die Wohnungen waren sehr einfach einge- Besenbinder, Schärmauser (ein Mann, der mer und Herbst war es das Vieh, das die richtet. Man lebte meist in der Küche, was Feldmäuse fing), Rechenmacher usw. Scha- Strassen belebte und seine Spuren hinter- vor allem im Winter praktisch war, da die de, dass die Jungen keine Ahnung mehr von liess; morgens wurde es auf die Weide Küche meist der einzige warme Raum im diesen Berufen haben. Auch gehören heute getrieben und abends in den Stall zurück. Hause war. Die «gute» Stube wurde höchs- kleinere und grössere Unternehmen der Wenn der Störmetzger im Spätherbst zu tens an Sonn- und Feiertagen beheizt, mit Vergangenheit an, wie z.B. die Pilz- und den Bauern kam, war im Freien aufgehäng- Holz und Kohle, wobei die Briketts aus Spar- Fischkonservenfabrik Stofer, das Kaltwalz- tes Fleisch keine Seltenheit, denn es wurde gründen dick in Zeitungspapier eingewi- werk Wyss etc. Die grössten Prattler Arbeit- draussen geschlachtet. In den Gärten und ckelt wurden. Badezimmer kannte man geber, die Firestone und das Persil, sind auch auf Äckern sah man vor allem im Herbst noch nicht. Ganz früher badete man nach nicht mehr, und die Buss AG (auch «Chno- allenthalben Rauch in den Himmel steigen; dem Grosswaschtag im «Buchhüsli», das an chestampfi» genannt) ist nur noch ein Tor- Gartenabfälle und Kartoffelstauden wurden einem Bächlein stand, z.B. am Talbächli, das so. Insbesondere verarmt ist Pratteln in in lustigen Feuern entsorgt, aus denen oft damals noch offen durch Pratteln plätscher- Sachen Läden. Noch in den sechziger/siebzi- auch der anmächelige Duft von gebratenen te. Der Name «Buchhüsli» stammt von der ger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es, Äpfeln und «Härdöpfel» stieg. Die Trauben- früheren Waschpraxis, als man die über nebst Coop-Läden und Migros, sechs Metz- lese im Rebberg war streng geregelt: Wenn Nacht eingeweichte Wäsche mit Buchen- gereien (inkl. ACV-Metzgerei), acht Bäcke- die Trauben reiften, wurde der Rebberg asche bestreute. Später fand die Leibesreini- reien, fünf «Tante Emma-Lädeli» und drei geschlossen. Die Rebstückli-Besitzer durften gung in der Waschküche statt oder im Milchläden. nur an bestimmten Tagen herbsten. Der Volksbad, das im Keller des Grossmatt- Rebberg war noch nicht so gut bzw. anders Schulhauses untergebracht war. Badezim- Aus dem Strassenbild verschwunden sind gepflegt wie heute, und Quantität ging vor mer wurden erst nach dem Zweiten Welt- übrigens auch der Milchmann mit seinem Qualität. Entsprechend war denn auch der krieg zur Norm. Die Toiletten, man nannte Handkarren (heute gibt’s nicht einmal mehr Ruf des «Prattlers»! Reben und Gemüse- sie «Plumpsklo», waren öfters draussen in den motorisierten «Milcher», wie man den pflanzungen waren oft grün – vom gespritz- einem separaten Häuschen untergebracht. Milchmann nannte), der Bäcker und der ten Kupfervitriol! Ebenfalls war Toilettenpapier unbekannt; Metzger mit ihren Hutten, der Scheren- 139 schleifer aus Hochwald, das Schabzieger- Männli aus dem Glarnerland, der Glaser aus dem Tessin, die Hausiererin mit ihrer Hutte, der Hausierer mit seinem Koffer. Ver- schwunden sind in den letzten 40 Jahren auch viele schöne, alte Häuser. Um nur eini- ge zu nennen: An der Bahnhofstrasse das Gelpke-Haus, das nach dem Tode von Pro- fessor Gelpke für einige Jahre Pfarrhaus war; die Bieri-Villa (jetzt Coop/Kantonal- bank-Überbauung inkl. Parkplatz); das Jugendstilhaus Buess (heute Post); am Schmiedeplatz das Bauernhaus Dietler (gegenwärtig leer stehend) und der ACV- Hauptladen mit Metzgerei und Textilladen (jetzt Kaffi Schmittiplatz); an der Haupt- strasse Bauernhäuser, der alte Engel und der Ochsen; an der Güterstrasse die Martin-Villa und das schlösschenähnliche Postgebäude (jetzt Rest. Salmen); an der Burggartenstras- Das Team der Seniorinnen und Senioren, das die Vergangenheit Prattelns Revue passieren lässt. Von se die Höfler-Villa (jetzt Mehrfamilienhäu- links: Willy Stohler, gew. Bürgerrat und Waldchef, Mitglied der Arbeitsgruppe Heimatkunde Pratteln ser). Die Aufzählung liesse sich fortsetzen. 2003; Ernst Gasser, gew. Gemeinderat; Dr. med. Viktor Martin; Susi Meyer, gew. Butz-Betreuerin; Adolf Reichenstein, gew. Coiffeurmeister; Barbara Berger, Poetin; Kurt Gysler, gew. Gemeinderat; Mit der Eröffnung des Friedhofs Blözen Chasper Cadonau, gew. Gemeinderat; Paul Schwob, Freizeitkünstler; Arnold Berger, gew. Gemeinde- hatte auch der Leichenwagen ausgedient, rat, und Emmy Honegger, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Heimatkunde Pratteln 2003. hinter dem die Trauerfamilie und Anteilneh- menden herschritten. Und Hochzeiten mit tag. Die Fünf-Tage-Woche wurde nur schritt- war jedes Mal ein Freudentag, wenn der Kutschen sieht man heute nur noch selten. weise eingeführt, wobei die «Chemischen» Pöstler die paar AHV-Franken ins Haus die Schrittmacher waren. Die Nebenerwerbs- brachte. Viele meinten: «Soviel Gäld wie jetz Und noch etwas gibt’s nicht oder kaum Bauern arbeiteten allerdings oft zwölf Stun- heimer no nie gha.» Man war damals halt mehr: Dorf-Originale. den und mehr. Und Ferien waren, mit weni- sehr bescheiden. gen Ausnahmen, ein Fremdwort. Als eine Ferienwoche pro Jahr eingeführt wurde, Der eigene Garten als Pflanzplätz, die Allgemeiner Lebensstandard war man glücklich, obwohl an Verreisen «Bünte» oder die Burgerstückli waren für Das Leben war hart, aber man war weit nicht zu denken war. die Bevölkerung von grosser Bedeutung. Sie zufriedener als heute. wurden nicht als Hobby betrieben, man war Ein Pensionsalter kannte man nicht. Jeder Selbstversorger aus rein finanziellen Grün- Die Wochenarbeitszeit in Gewerbe und arbeitete so lange er konnte. Dies änderte den. Es wurden vor allem Kohl, Kabis, Rü- Industrie betrug 48 bis 52 Stunden und die sich dank den Gewerkschaften und der Vor- ben, Kartoffeln, Bohnen, Erbsen und Salat Tagesarbeitszeit in der Regel neun Stunden. reiterrolle der Chemischen Industrie – und gepflanzt und verwertet. Kohl z.B. schlug 140 Gearbeitet wurde auch am Samstagvormit- vor allem mit der Einführung der AHV. Es man ein und konservierte ihn draussen in einem Erdhügel. Aus Kabis machte man ken Stempelgeld pro Tag waren zu wenig Kleider für ihre Kinder, stopften Löcher in Sauerkraut. Rüben und Kartoffeln wurden ein- zum Leben und zu viel zum Sterben. Oft den Socken, strickten mit «aufgezogener» gelagert, Bohnen sterilisiert oder gedörrt, musste der Weg zur Armenpflege angetre- Wolle neue Pullis. Und sie sparten auch bei Früchte entweder sterilisiert oder heiss ein- ten werden. Arme Leute wurden in der Tisch. So bekam der Vater z.B. eine Wurst, gefüllt. Beeren wurden zu Konfitüre verar- Regel per Schub in ihre Bürgergemeinde Mutter und Kinder teilten sich eine oder beitet. Aus altem Brot, so es denn welches gebracht, denn die hatte für ihre «armen- höchstens zwei Würste. Oder nur der Vater überhaupt gab, machte man ein schmack- genössigen» Bürger aufzukommen. Des- bekam ein Stückchen Fleisch auf den Teller. haftes Essen: Vogelheu, Fotzelschnitten oder halb hatten die Bürger auch die Bürgersteu- Der Rest der Familie durfte «gluschten». Die Brotauflauf usw. Es wurde eben alles ver- er (Armen-Steuer) zu entrichten. Damals Hauptnahrungsmittel waren Kartoffeln, Ge- wertet, was zu verwerten war. Das bezog diente übrigens das Schloss als eine Art müse, Milch und Brot sowie Haferbrei. sich nicht nur auf Lebensmittel; man zau- «Armenhaus». berte aus alten Kleidern neue, flickte, stopf- Den Tagesablauf bestimmte die Arbeit – die te und «blätzte». Übrigens: Man war konfliktfähiger und man ausserhäusliche Arbeit des Vaters, die Haus- war auch gläubiger. Man betete vor dem arbeit der Mutter. Und der Tagesablauf der Der Lebensstandard war also sehr beschei- Zu-Bett-Gehen, viele pflegten das Tischge- Kinder, die praktisch alle ihre «Huusämtli» den. Wobei es natürlich auch schon damals bet, und man ging am Sonntag im Sonn- hatten, wurde von der Schule bestimmt. In besser Verdienende gab. Die «gut Betuch- tagsgewand zur Predigt. Damals waren der Landwirtschaft bestimmten naturge- ten» waren wohl die Bauern und natürlich «Sunntigschleider» üblich. Die Werktags- mäss das Wetter und die Jahreszeiten die die Unternehmer. Als wohlhabend bis reich kleider schonten die Frauen mit einer Schür- Arbeit. galten der Filialeiter der Kantonalbank, Büro- ze oder sie trugen eine Ärmelschürze und Vorsteher, dann Zahnärzte, von denen es zur Schonung der Frisur ein buntes Kopf- Die Freizeitbeschäftigungen spielten sich im deren zwei gab: Dr. Motsch und Dr. Weber, tuch. Zum Posten wurde natürlich eine spe- wesentlichen in den Vereinen ab – Musik-, und die drei Ärzte: Dr. René Bastian, Dr. Vik- ziell schöne Schürze umgebunden. Die Kin- Turn-, Gesangs-, Schützenverein usw. Die tor Martin sowie der legendäre Dr. Eglin, der der und Büro-Angestellten schützten die meisten Vereine führten bunte Abende im zugleich auch ein exzellenter Zahnzieher Ärmel ihrer Kleider mit Ärmelschonern. Und Engel oder Ochsen und «Chilbene» im war. Knaben trugen im Kindergarten und bis zur Geisswald durch, die in der Bevölkerung zweiten Primarklassen Ärmelschürzen sowie sehr beliebt waren. Für die Kinder gab es die Nachbarhilfe wurde gross geschrieben. Man kurze Hosen und im Winter (wie auch die Jugendriegen, den Fip-Fop-Club, den Hoff- half einander, wo man und so gut man Mädchen) handgestrickte, oft «bissigi» nungsbund oder die Sonntagsschule. Einen konnte. Man half sich bei der Land- und Strümpfe, die mit dem «Strumpfbändel» am grossen Stellenwert hatte natürlich die Fas- Hausarbeit. Und man half sich, wenn irgend- meist blau-weiss gestreiften «Gstältli» befe- nacht, die auf den Strassen und in den Bei- wie möglich, auch materiell. «Plastikgeld», stigt wurden. Grössere Buben kamen in zen stattfand. Das Intrigieren war gross ge- Kreditkarten, kannte man nicht, aber die «Knickebocker» daher. schrieben. Damals rissen sich die Konfir- privaten Ladenbesitzer kamen ihren Kunden manden auch noch um das Mitmachen entgegen, indem sie «aufschrieben», d.h. beim «Butz»! Auf jeden Fall war man früher Im Tageslauf sie stundeten den Kaufbetrag bis zum Zahl- mit Freizeitangeboten nicht überflutet. Man tag oder auch darüber hinaus... Das Sagen hatte der Vater, es sei denn, die hätte dafür auch gar nicht die Musse und Mutter war eine starke Persönlichkeit. Meist das Geld gehabt wie heute. Man «produ- Eine ganz schlimme Zeit waren die Krisen- verwalteten die Frauen das Geld. Sie waren zierte» selbst. Man strickte und stickte. Die jahre zwischen den beiden Weltkriegen. auch die grossen Sparerinnen. Sie flickten Älteren sassen an schönen Sommeraben- Arbeit war rar und die höchstens fünf Fran- zerrissene Kleider, nähten aus alten neue den gerne vor dem Haus auf der Bank, 141 erzählten und sangen. Die Kinder besassen zei und insbesondere dem Ortspolizisten der Maulkorb empfunden, den sich das Volk kaum Spielsachen. Sie liessen ihrer Fantasie zollte man Respekt. in jüngerer Zeit mit dem Ja zum Antirassis- freien Lauf und lernten so, aus nichts etwas mus-Gesetz selbst umgehängt hat. zu machen. Auch waren die Pflanzlandgär- Also, das Amt oder die Position machten die Grossbrände (Bauernhäuser, Scheunen und ten eine Art Freizeitbeschäftigung, wenn Personen wichtig. Diese Personen, die denn der Brand bei der Schindler Waggon) sowie bei den Kindern auch nicht eine heiss ge- auch das Sagen im Dorf hatten, stammten das grosse Zugsunglück bei der Passarelle liebte! Beliebter war das Füttern der «Chün- vielfach aus so genannt «besseren Kreisen» oder das Unglück bei der grossen Barriere, geli», die an Festtagen einen herrlichen Bra- und hatten schon von ihrer Wohlhabenheit als ein Zug in ein Pferdegespann donnerte, ten abgaben. her, auch wenn diese relativ bescheiden war, waren Sensationen. Bei solchen Ereignissen ein grosses Ansehen. Zu den «mehr Besse- war das ganze Dorf auf den Beinen. Des- ren» und damit zu den Respektpersonen gleichen bei Beerdigungen, als die Toten Alt/Jung und Respektpersonen gehörten selbstverständlich auch karitativ tä- noch mit dem Totenwagen, begleitet von Im Prinzip unterschied sich die Erziehung tige, oder im heutigen Slang spendenfreudi- den schwarz gekleideten Leidleuten, zum von Knaben und Mädchen relativ wenig. ge Leute, vor denen das Volk «buckelte». Friedhof geführt wurden. Man rannte hin Notfalls mussten auch die Knaben beim und schaute, weil sonst ja wenig los war im Abwaschen helfen. Es war aber schon so, dass Dorf. Noch viele Erinnerungen die Mädchen auf ihr späteres Hausfrauen- und Mutterleben und die Knaben auf ihre Die Weltwirtschaftskrise in den Dreissiger- Ebenfalls ist die Erinnerung an die Hebam- Rolle als Ernährer vorbereitet wurden. Stu- jahren ist noch in wacher Erinnerung. Die me noch lebendig. Damals waren Schwan- dentinnen waren die grosse Ausnahme, Arbeitslosigkeit und damit die Not war gerschaft und Geburt etwas ganz Normales, sicher auch aus finanziellen Gründen und gross. Wer eine Arbeit, und war es auch nur um die, wie auch um die Erziehung der Kin- überhaupt: «Wofür sölle Meitli studiere, sie eine Notstandsarbeit, ergattern konnte, der, kein Aufhebens gemacht wurde. Die hürote jo doch.» Die Mädchen, wenn sie schätzte sich überglücklich. Denn Arbeit werdenden Mütter arbeiteten bis zur letz- eine Lehre absolvieren durften, erlernten schützte vor dem Gang zur «Armenpflege». ten Stunde und nach der Geburt gingen sie Berufe wie Verkäuferin, Schneiderin, Weis- meist sofort wieder ihrer Arbeit nach. Man snäherin, Glätterin. Der heute typische Frau- Während dem Zweiten Weltkrieg waren die bekam einfach ein Buschi, basta. Übrigens: enberuf Coiffeuse war damals weitgehend meisten Männer im Militärdienst, ihre Ar- Die Mütter durften an der Taufe ihres Kindes eine Männer-Domäne. Vielen Mädchen blieb beit verrichteten die Frauen. nicht teilnehmen, denn sie hatten Zuhause meist nichts anderes übrig als in der Fabrik am Kochtopf zu stehen und für das leibliche zu arbeiten, in einer «Beiz» zu servieren oder Zum Besseren gewendet nach dem Zweiten Wohl der Taufgäste zu sorgen – es sei denn, in einem Herrschaftshaushalt zu dienen. Weltkrieg hat sich sehr vieles, sowohl auf die Familie war begütert und konnte sich die technischem, wirtschaftlichem als auch auf Tauffeier im Restaurant leisten. Das Verhältnis zwischen Jung und Alt war sozialem und medizinischem Gebiet. Gene- gut. Die Älteren – Eltern und Grosseltern, rell kann man sagen, dass alle vom Fort- In Erinnerung sind auch noch das Konsum- die in der Regel im Familienverband wohn- schritt profitierten und noch profitieren. geld, das vom Konsumbüchli und später ten – wurden respektiert: Allerdings getrau- Jedoch sind mit dem Wohlstand auch die von den Coop-Marken abgelöst wurde. ten sich die Jungen nicht offen zu sein. Ansprüche gestiegen. Man begehrt heute Auch in den dem damaligen Rabattverein nur das Beste. Alles strebt nach Grösse. Man Pratteln angeschlossenen Läden gab es Absolute Respektpersonen waren Pfarrer, wurde egoistisch, das dörfliche Leben, die «Märkli» – ein kleines Sackgeld für die Doktor, Lehrer, Gemeinderäte und natürlich Nachbarnhilfe litten. Man wurde bequem Hausfrau und beliebte Möglichkeit für eine 142 der Gemeindepräsident. Aber auch der Poli- und empfindlich. Als schmerzlich wird heute Extra-Ausgabe. Man erinnert sich aber auch an die Kinder- zuführen war. Damals gaben die Banken spiele, «Versteckis», «Chlukere», «Poli und S Träffyse Liesel ohne Bürgschaft kein Geld. Und Vater Tref- Dieb» usw., und an die tollen Schlittelbah- verzellt feisen konnte nicht Nein sagen, wenn ihn nen, auf denen die Mädchen noch bis jemand um eine Bürgschaft anging. So ver- gegen den Zweiten Weltkrieg im Rock und lor er immer wieder viel Geld. Das bekam in ein als Jacke dienendes grosses Wolltuch auch Liesel zu spüren. Nicht nur dass sie gewickelt, hinunter sausten. Wintersport- schon früh mit anpacken musste, sie musste Bekleidung war unbekannt. Praktisch unbe- auch ihren sehnlichsten Wunsch, Klavier kannt in jenen Jahren waren auch Badeklei- spielen zu lernen, begraben. Fast hätte es der für Mädchen. Die weibliche Jugend Die älteren Prattler erinnern sich noch gut einmal geklappt und sie hätte ihr Klavier stieg in langen, meist in der Handarbeits- ans Träffyse Liesel, das nach seiner Heirat bekommen – wenn der Vater nicht kurz vor schule genähten Hemden in die Augster nach zog. Dort, in ihrem kuscheli- Weihnachten für eine geplatzte Bürgschaft «Glungge», ins Rossbad an der Ergolz oder gen Heim, erzählte uns Frau Schmid-Treffei- hätte geradestehen müssen. Auch ein ande- in den Rhein bei der Fischerhütte. Damit die sen über «alti Zyte». res Instrument lag nicht drin und Kunstpfei- Hemden sich im Wasser nicht blähten, wur- ferin, wie es ihr der Dirigent der Prattler den sie unten in der Mitte mit einer Sicher- Leider ist es aus Platzgründen unmöglich, all Musik vorgeschlagen hatte, wollte sie nicht heitsnadel zusammen gehalten. Auch das das Erfahrene wiederzugeben. werden. Die Gutmütigkeit hatte auch Liesel «starke Geschlecht» bot in seinen schwar- geerbt. Ihr Herz für sozial Benachteiligte war zen oder gestreiften ganzen Badeanzügen Also: Liesel Treffeisen bediente die grosse gross. Immer wieder steckte sie einem keinen besonders erhebenden Anblick! Kundschaft in der elterlichen Bäckerei Treff- «arme Tüfel» etwas zu. Sie liess z.B. Salz- eisen (heute Finkbeiner) und übernahm und Kümmelbrötli mit sechs «Abteilen» zu Es gäbe noch viel zu berichten aus der nach dem Tode ihres Vaters die Geschäfts- zehn Rappen backen und fünfräppige spezi- «guten, alten Zeit», die so gut aber gar führung, während ihr Bruder Karl in der ell für Kinder. nicht war … Backstube wirkte. Es waren, mit wenigen Emmy Honegger und Willy Stohler Ausnahmen, Kunden aus der Mittelschicht Schon damals gab es Ladendiebstähle, aller- und arme Leute, die in dieser Bäckerei ein- dings aus tiefer Not. Einmal sah Liesel, wie kauften. Die ärmeren Leute schämten sich, eine mausarme Frau zwei Halbmonde in wenn sie sich einmal ein Zehner-Stückli lei- ihre Tasche steckte. Liesel sprach die Diebin steten. Wie jene Frau, die Liesel bat, das auf ihre Tat an und gab ihr zu verstehen, sie Stückli in Zeitungspapier einzupacken, da- würde ihr gern ab und zu etwas Süsses gra- mit niemand sehe, dass sie sich ein süsses tis zustecken. Die Frau bekam einen scham- Zobe gegönnt hat. Die Gutbetuchten oder roten Kopf und ward nie mehr im Laden deren schlecht bezahlten Dienstmädchen gesehen. holten das Brot und die Patisserie beim «Pfirter Beck» (heute Hobby-House). Es war an einem Samstag, als eine Frau die Bäckerei betrat und fragte, ob sie im Laden Im Dorf galten die Treffeisens als reich und warten dürfe. Natürlich durfte sie. Sie stellte entsprechend gross war der Neid. Der Neid sich hinter den Schaufenster-Vorhang und indes wäre nicht nötig gewesen, denn Vater schaute traurig auf die Strasse. Ein Hoch- Treffeisen hatte sehr zu «knorzen», was ins- zeitszug näherte sich (damals gingen die besondere auf seine Gutmütigkeit zurück- ärmeren Hochzeiter zu Fuss zur Kirche) und 143 Tränen strömten über das Gesicht der Frau. zu viel. Wahrscheinlich kam ihm sein Verhal- Eiern beschäftigt waren. Die aussortierten Wie Liesel dann erfuhr, war der Hochzeiter ten vor den Augen der in der Bäckerei an- faulen Eier «entsorgten» sie in Nachbars der Sohn der weinenden Frau. Sie konnte an wesenden Schüler doch als einer «Respekt- Wohnung, deren Fenster weit offen stan- der Hochzeit nicht teilnehmen, weil sie sich person» unwürdig vor, denn er warf die 25 den! Der Nachbar hat diese Rache still- weder ein hübsches Kleid noch neue Schu- Rappen Liesel vor die Füsse – was den schweigend geschluckt! Emmy Honegger he leisten konnte. So musste sie schweren Respekt der Kinder vor diesem Lehrer kaum Herzens auf die Teilnahme am «schönsten erhöht haben dürfte! Wie geschätzt s Träffyse Liesel bei den Tag des Lebens» ihres Sohnes verzichten. während des Zweiten Weltkrieges in Prat- Frau Schmids Gütmütigkeit zeigte sich auch teln einquartierten Soldaten war, illustriert Kinder aus armen Familien hatten es in der darin, dass sie mitten in der Nacht aufstand, folgendes Gedicht, verfasst vom Schützen Schule nicht leicht. Sie wurden vom Lehrer wenn das Dorforiginal, der «Höfli Ruedi», Oscar Türkauf: oft gemobbt. Das Mobbing ging zum Bei- von einer Fête heimkehrend vor dem Haus spiel bei einem sehr intelligenten Schüler so stand und rief: «Liesel stand uf, i muess «S Bäckers Lieseli» weit, dass er sich das Leben nahm. Suizid zweu Pärli heisse Schwyzerchees ha.» Sie kam damals öfters vor, wenn die Menschen, stand auch auf, als ein Offizier mitten in der Z Prattele n’am Schloss e Bäckerhus stoht vor allem Männer, keinen anderen Ausweg Nacht an die Tür klopfte und um Tee für Wo viel Soldatevolk i- und usgoht. aus ihrer Not mehr sahen. Die Frauen waren seine Soldaten bat. Sämtliche Soldaten lit- Nit nur sind d Kueche und Torte gar guet, stärker, mussten in ihrer Verantwortung für ten unter der tags zuvor erhaltenen Imp- Was die Soldatehärz inezieh tuet. die Familie stärker sein. Sie weinten ihre Trä- fung und waren unfähig, selbst Tee zu S Lieseli isch es mit sim Härzli vo Gold nen nach innen. Es kam auch öfters vor, kochen. Also kochte Liesel Tee und half den Und fründlige Äugli, wo luege so hold. dass sich Väter aus Verzweiflung dem Trun- Kranken sogar beim Trinken. Wie erschrak ke ergaben, besonders in den Krisenjahren, sie dann, als der General Henri Guisan eines Lieseli, wie schloht doch di Härz so warm als viele stempeln mussten und nur ein paar Tages plötzlich im Laden stand. Er habe von Für uns Soldate, ob rich oder arm. Batzen erhielten. Das Stempellokal befand ihrer guten Tat an seinen Soldaten gehört Wer scho isch chrank gsi oder uf der Wacht, sich damals neben der Bäckerei Treffeisen und möchte ihr dafür herzlich danken, er- De hesch mit Chüechli und Torte bedacht. und im Winter kehrten die Stempelnden klärte er und versprach Liesel Hilfe in jeder Du bisch halt es liebs und härzigguets Chind, gerne im Laden ein – um sich nach ihren Lebenslage und zu jeder Zeit. Dies war Und mir Soldate rächt dankbar dir sind. heftigen Diskussionen vor dem Stempello- während des Zweiten Weltkrieges, als auch kal aufzuwärmen. hier Soldaten in Schulhäusern und Turnhal- Isch der Chrieg umme und Friede im Land len einquartiert waren. Und mir zum Abschied gänn unseri Hand. Frau Schmid-Treffeisen berichtete auch von Wirdsch du no lang nit vergässe vo uns rabiaten Lehrern, wie jenem, der in einem Und «Nachtbuebe-Streich»? Auch das und Und mir Soldate hän für di der Wunsch: Wutanfall einem Schüler ein Auge aus- Racheakte gab’s, wie die Rache, die von Lie- Der lieb Gott mög schicke dir e liebe Gspan, schlug. Stockschläge waren damals an der sel und seinen zwei Brüdern, Ernst und Karl, Dä die Goldhärzli findet und bhüetet fortan. Tagesordnung, strengste Zucht und Ord- ausgeheckt worden war. Sie rächten sich nung waren Trumpf. Die Lehrer selbst nah- am Pleite gegangenen Nachbarn, für den men es jedoch nicht so genau mit diesem Vater Treffeisen gebürgt hatte und eben Trumpf, wie jener, der sich ein Chaponnais kurz vor Weihnachten das für Liesels Klavier schnappte, hinein biss, dann nach dem Preis reservierte Geld hingeben musste. Es war in fragte und es alsdann wütend auf den einem heissen Sommertag, als die Treffei- 144 Ladentisch schmiss. 25 Rappen waren ihm sen-Kinder mit dem Durchleuchten von Der bis in die frühen sechziger Jahre unge- Mussolini in Pratteln Ausländer in Pratteln bremste Zustrom ausländischer Fach- und Hilfskräfte führte im Februar 1963 zu Mass- nahmen des Bundes zur Ausländerbegren- zung, aber auch zur Gründung von Institu- tionen zur Betreuung und Integration der ausländischen Arbeitskräfte. Kirchen, Ge- werkschaften und auch Arbeitgeberverbän- de begannen, sich der Ausländer anzu- War dieser Mussolini einst in Pratteln? Ja, Der Zweite Weltkrieg war 1945 zu Ende, nehmen. Die Bundesbehörden hatten eine Benito Mussolini, der Verbündete Adolf Hit- Europa lag in Trümmern, die Schweiz aber Studie unter der Leitung von Herrn Biga- lers und als «Duce» in die Geschichtsbücher verfügte über eine intakte, leistungsfähige Direktor Prof. Dr. M. Holzer zum Problem eingegangene, arbeitete in Pratteln als Wirtschaft. Der Wiederaufbau Europas führ- der ausländischen Arbeitskräfte in Auftrag Muratore. Er, der lieber revolutionäre Artikel te zu einer grossen Nachfrage nach Gütern, gegeben. Max Frisch brachte das Problem verfasste als manuell zu arbeiten, half seiner- was in der Schweiz zu einer vorher nie gese- auf den Punkt, als er feststellte: «Wir holten zeit beim Bau der «Klemme» mit. Bei wel- henen Hochkonjunktur und damit zu einem Arbeitskräfte, aber es kamen Menschen». chem Bauunternehmen und wie lange er Mangel an Arbeitskräften führte. Während Nachdem sich anfänglich vorwiegend die hier gearbeitet hat, weiss man nicht mehr. das Baugewerbe schon vor dem Krieg tradi- Männer hier aufgehalten, in den Betrieben Es muss jedoch zwischen 1902 und 1904 tionell ausländische Arbeitskräfte beschäf- gearbeitet und oft in Kollektiv-Unterkünf- gewesen sein und seine hiesige Anwesen- tigt hatte, verlangte nun auch die übrige ten gewohnt haben, sind mit den Jahren heit war sicher von nur sehr kurzer Dauer. Wirtschaft nach Arbeitskräften aus dem vermehrt ganze ausländische Familien zu- 1902 in die Schweiz eingereist, debütierte Ausland (allen voran die Metall- und Ma- gezogen, die Wohnraum benötigten. Mit der er bereits am 24. August 1902 als Redner in schinenindustrie, gefolgt vom Gastgewerbe Lockerung der Bestimmungen über den Fa- Montreux und am 30. August wurde er und von den Dienstleistungsbetrieben bis miliennachzug sind im Laufe der siebziger Sekretär der italienischen Gewerkschaft der hin zu den Banken und Versicherungen). und achtziger Jahre immer mehr Familien zu Maurer und Hilfsarbeiter in . Er uns gekommen, also auch Frauen und Kin- blieb, mit kurzen Unterbrechungen, bis Dazu einige Zahlen über die Entwicklung der. Aus einer vermeintlich vorübergehen- 1904, als er aus dem Kanton Genf ausge- der Ausländerzahlen im Baselbiet: den Erscheinung ist ein Dauerzustand ge- wiesen wurde, in unserem Land. In Bern worden. Die AusländerInnen wurden länger- lernte er sogar ein Gefängnis von innen Jahr Einwohner Ausländer % fristig benötigt und kehrten nicht nach kennen. Der Haftgrund war sein Mitwirken total kurzem Aufenthalt in ihre Heimat zurück. an einem lokalen Tischlerstreik. 1960 148282 18869 12,72 Mehr und mehr sind im Ausland oder in der Emmy Honegger 1965 177929 31498 17,70 Schweiz geborene Kinder in unseren Schu- 1970 206125 39909 19,36 len erschienen, was oft zu sprachlichen QUELLEN: 1975 221832 40294 18,16 Schwierigkeiten geführt hat. Die Italiener Mündliche Überlieferung; «Mussolini» von Gio- 1980 221475 31744 14,33 haben sprachlich noch einfache Probleme vanni de Luna, erschienen im rororo-Verlag. 1985 227733 31677 13,90 geboten: Italienisch ist unsere dritte Landes- 1990 235708 36120 15,32 sprache, wir haben den Leitenden in den 1995 254950 42507 16.67 Betrieben Italienisch-Grundkenntnisse bei- 1998 258768 44037 17,02 gebracht, so dass in den Betrieben das Zahlen gemäss Statistischem Jahrbuch BL Sprachproblem gelöst werden konnte. Dies 145 hat aber dazu geführt, dass die Italiener dass wir heute dort Mehrfamilienhäuser mit führt oft zu Aggressionen und Äusserungen nicht Deutsch gelernt haben! Als dann mehrheitlich ausländischen Bewohnern ha- von Gewalt, um sich Gehör und Beachtung wegen der immer grösser werdenden Nach- ben. Wo Ausländer die Mehrheit haben, zu verschaffen. In unserem Dorf sind diese frage Arbeitskräfte aus Spanien, Portugal, entstehen auch besondere soziale Struktu- Probleme des überdurchschnittlich hohen später aus Jugoslawien und der Türkei ge- ren, die oft Schweizer daran hindern, dort Ausländeranteils wegen besonders augen- holt werden mussten, sind die Sprach- zu bleiben bzw. dorthin zu ziehen. Die Ent- fällig. Hier die Zahlen dazu: schwierigkeiten grösser geworden und es wicklung hat vor allem in der Überbauung entstand das Problem der fremden Kulturen Längi dazu geführt, dass es im dortigen Mit einem Anteil von 33,69 Prozent (Ende und Religionen. Insbesondere der Islam hat Schulhaus Klassen mit vorwiegend Auslän- 1998) an der gesamten Wohnbevölkerung bei uns Einzug gehalten mit seinen ihm derkindern gibt, was diese Klassen ganz der Gemeinde liegt Pratteln ganz deutlich eigenen Erscheinungsformen (besondere besonders prägt und die Lehrkräfte oft vor über dem kantonalen Durchschnitt (17,02 Stellung der Männer, Schleier der Frauen beinahe unlösbare (nicht nur sprachliche) %). Es versteht sich von selbst, dass diese und Mädchen usw.). Einheimische und Aus- Probleme stellt. Zwar sind die Integrations- Verhältnisse bei der Schweizer Bevölkerung länder sind sich immer fremder geworden, bestrebungen in den letzten Jahren im Unbehagen, ja Ängste hervorrufen. Die so dass die Integration der ausländischen Sprachbereich und auf anderen Gebieten grossen Ausländer-Gruppierungen bewir- Wohnbevölkerung trotz intensiver Anstren- massiv verstärkt worden; alle Unterschiede, ken auch, dass sich diese nicht zwingend gungen verschiedener Kreise und der Koor- vor allem muslimische Weltanschauungen integrieren müssen, sondern «unter sich» dination der Bemühungen durch den Aus- und Bräuche, konnten nicht aufgehoben bleiben, ihre Kultur und ihre gesellschaftli- länderdienst Baselland immer schwieriger werden. Allerdings kann der Kontakt zu an- chen Auffassungen durchaus beibehalten wurde. Zwar sprechen die Ausländer der deren Kulturen durchaus bereichernd sein, und leben können. Dies führt bei den zwin- zweiten und dritten Generation heute unse- aber das Gefühl der Ausländer, gesellschaft- genden Kontakten (Arbeitsplatz, Schule, re Sprache, doch ist dies noch keine Garan- lich benachteiligt und unverstanden zu sein, Einkäufe usf.) mit den Einheimischen zu tie für deren vollständige Integration; denn der Einfluss der Eltern und deren Kultur ist Kommunale Bevölkerungsbewegungen 1960–1985 nach wie vor beträchtlich. Blicken wir nach diesen eher allgemeinen Betrachtungen Jahr Wohnbe-. alle %Italiener Spanier Jugo- Türken Deutsche übr.1 speziell nach Pratteln. Pratteln verfügt über völkerung Ausländer slawen beachtlich viele Arbeitsplätze in der Metall- und Maschinenindustrie, in der Chemie so- 1960 9492 1705 17,96 Details nicht verfügbar wie im Dienstleistungssektor. Die Arbeitge- 1965 11613 2829 24,36 1888 203 75 –381 282 ber sind verpflichtet, für die ausländischen 1970 14893 4053 27,21 2321 327 174 90 649 492 Arbeitskräfte Wohnraum zur Verfügung zu 1975 16521 4816 29,15 2608 442 387 272 554 553 stellen und der Familiennachzug wird nur be- 1980 15641 3713 23,74 1844 294 278 434 335 528 willigt, wenn eine angemessene Wohnung 1985 15613 3957 25,34 1761 296 422 776 255 447 vorhanden ist, was in Pratteln zu einer gros- 1990 15433 4409 28,56 1584 253 732 1139 221 480 sen Nachfrage nach Wohnungen geführt 1994 15483 4887 31,56 1488 227 865 1277 240 790 hat. Die Grossüberbauungen, z.B. Rank- 1998 15065 50751 33,69 1336 185 1457 1332 215 550 acker, Gehrenacker und Längi sind entstan- den, zum Teil im Rahmen des sozialen Woh- 1 Ausländer/innen aus insgesamt 68 Nationen. Zahlen gemäss Einwohnerkontrolle Pratteln. (1960 nungsbaues. In die Wohnungen sind zuneh- gem. Statistischem Jahrbuch BL). Bei der Betrachtung dieser Zahlen muss berücksichtigt werden dass 146 mend ausländische Familien gezogen, so Einbürgerungen diese stark beeinflussen Konflikten. SchweizerInnen empfinden eine gewisse Bedrohung unserer Eigenart. Die grosse Zahl bewirkt auch, dass die ausländi- schen Staatsangehörigen in unserem Dorf stark auffallen und oft Unverständnis her- vorrufen. Dem gegenüber kann aber deren südländische Fröhlichkeit auch «ansteckend» und ihre Lebensart bereichernd wirken! Inte- gration ist keine Einbahnstrasse: beide Part- ner (Einheimische und AusländerInnen) müs- sen bereit sein, aufeinander zuzugehen. Oft ist der erste Schritt entscheidend.

Auf dem Arbeitsmarkt sind die AusländerIn- nen wegen ihrer oft weniger guten Ausbil- dung und der Sprachschwierigkeiten stär- ker von Arbeitslosigkeit bedroht und bei eingetretener Arbeitslosigkeit bereitet ihre Wiedereingliederung grössere Mühe. Ande- rerseits darf nicht ausser Acht gelassen wer- den, dass alle ausländischen Arbeitnehme- rInnen Beiträge an unsere Sozialwerke, wie AHV, IV und Arbeitslosenversicherung be- zahlen und darum auch Anspruch auf Leis- tungen haben.

Über alles gesehen wird die ausländische Wohnbevölkerung in Pratteln noch lange ein Thema sein. Die aus dem grossen Anteil sich ergebenden Probleme lassen sich weder durch Gesetze und Vorschriften noch auf finanziellem Weg lösen. Wichtig ist der – nicht immer einfache – Kontakt von Mensch zu Mensch, der gegenseitiges Ver- stehen bewirkt. Heinrich Schwob

147 148 Bemerkenswerte Gebäude und Anlagen ... Von Alter sehr verblichen. Elegische und zugleich poetische Gedanken Doch zeigt er noch gantz deutlich an Emanuel Büchels (1705–1770) beim Betrachten das menschliche Verderben. des Basler Totentanzes im Jahre 1768. (Auto- Niemand dem Tod entrinnen kan, graph des Malers in Privatbesitz.) Es müssen alle sterben ... Aus der Geschichte des Prattler Schlosses

Das Prattler Schloss – ehemals Weiher- schloss auf freiem Gelände 200 m nördlich des Kirchenberings – wurde zusammen mit der Madlenburg im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts durch die Adelsfamilie von Eptingen erbaut. Während das Prattler Schloss als so genannte Niederungsburg wahr- scheinlich an der Stelle des murbachischen Herrenhofes bzw. Dinghofes – einer curtis – erbaut wurde und auch den Namen des Dorfes – Pratteln – annahm, übernahm die Madlenburg, die auf dem höchsten Punkt des «Madlen», einer Anhöhe südlich von Pratteln erbaut wurde, den Namen «Mad- len». Das Weiherschloss bewohnte der Fa- milienzweig der Eptinger von Pratteln; auf dem «Madlen» siedelten dagegen bis zum Erdbeben von 1356 die Eptinger vom Madlen.

Das Adelsgeschlecht, das sich später in zahl- reiche Familien aufspaltete, nannte sich nach dem Ort, wo es seine Stammburgen im 12. Jahrhundert erbaut hatte, nämlich nach Ep- tingen. Urkundlich treten die Eptinger erst- mals im Jahre 1189 ins Licht der Geschichte, als ein Gottfried von Eptingen als Zeuge eine Urkunde des Klosters Schönthal unter- zeichnet. Woher und wieso die Adelsfami- lie, die sich nach dem Ort ihrer Stammbur- gen an einem alten Passübergang ins Die älteste Abbildung des Weiherschlosses Pratteln mit der Madlenburg im Hintergrund und dem Dorf Aaretal nannte, nach Eptingen gezogen ist, mit der Kirche. Das Bild stammt aus dem Familienbuch der Eptinger von Pratteln, das 1622 nach einem ist bis heute ungewiss. Gewisse Mittelalter- verloren gegangenen Original des 15. Jahrhunderts kopiert wurde. 151 me, der in der Zeit des 12. Jahrhunderts hier nicht gebräuchlich war und der nach Loth- ringen weisen könnte.

Aber bereits in den Folgegenerationen teil- ten sich die Adelsfamilie der Eptinger in die Hauptfamilie der Eptinger von Blochmont, die das Schloss bei Kiffis im Elsass, und die- jenige der Eptinger von Pratteln, die die Madlenburg und das Weiherschloss um 1275 erbauten. Alle Eptinger Familien führ- ten den nach links fliegenden schwarzen Adler mit rotem Schnabel und Zunge sowie Krallen auf goldenem Grund im Wappen- schild, der mit einem roten Schildrand verse- hen war. Nur durch den Kreiger – den Helm- aufsatz – unterschieden sich die zahlrei- chen Eptinger Familien voneinander. Die Ep- tinger von Pratteln führten als Kreiger den Ansicht des Prattler Schlosses von 1678 des Geometers Georg Friedrich Meyer. aufrechtstehenden Adlerrumpf mit einer goldenen Krone und gespreizten Krallen als Forscher nehmen an, dass die Eptinger im des Gottfrieds von Eptingen vom Madlen, Kennzeichen und dokumentierten damit, Zuge der Herzöge von Zähringen, die das der Erbauer der Madlenburg, Rudolf von dass sie den vornehmsten und bedeutend- Erbe des Königs Rudolf von Rheinfelden Rheinfelden genannt hat. Andere Gelehrte sten Familienzweig der Eptinger repräsen- nach dessem Tod angetreten und auch wiederum bringen die Eptinger mit der tierten. Rheinfelden gegründet hatten, aus dem alten alamannischen Kriegeroberschicht, Lothringischen an den Passübergang ins die in Eptingen Wohnsitz hatte, in Verbin- Wie die erste Niederungsburg ausgesehen Aaretal gesetzt worden seien und später als dung. Wieder andere sind der Meinung, hat, wissen wir nicht, weil bei der Sanierung Lehensnehmer der habsburgischen Herzöge dass die Eptinger von den Herren von Stau- und Renovierung des Schlosses in den sech- nach Pratteln und nach Blochmont im Elsass fen im Breisgau abstammen würden und ziger Jahren keine archäologischen Grabun- gezogen seien. Dafür würde auch sprechen, dass diese über die Gemahlin des Habsbur- gen stattfanden. Wir wissen nur, dass sich dass sich altes Eptinger Hausgut im Raume gers Rudolf II., † 1231, einer Agnes von Pratteln als früheres Lehen des Klosters südlich von Rheinfelden, nämlich in Giebe- Staufen, mit den Habsburgern verschwä- Murbach im Besitz der Landgrafen im nach–Olsberg–Maisprach nachweisen lässt, gert gewesen seien. Diese Theorie wird Elsass, der Habsburger, befand und dass die das nach dem Tode des Gegenkönigs erhärtet durch die Tatsache, dass zum alten Habsburger, die auch als Kastvögte des Klo- Rudolfs von Rheinfelden im Jahre 1080, mit Familiengut der Eptinger auch Besitzungen sters Murbach amteten, das Lehen wahr- Duldung des Königs Heinrich IV. und des im breisgauischen Minseln und Lörrach scheinlich im 13. Jahrhundert an die Eptin- Basler Bischofs Burkhard von Fenis, von den namhaft gemacht werden können. Tatsa- ger, parallel zu deren Landeinsitznahme in Eptingern annektiert worden sein könnte. che bleibt auch, dass die männlichen Vertre- Pratteln, weiter verliehen. Gestützt auf das Ein Hinweis dafür könnte auch der urkund- ter der Eptinger der ersten Generationen am 27. April des Jahres 1259 ausgefertigte 152 liche Beleg bilden, dass sich 1246 der Vater den Vornamen Gottfried trugen; ein Vorna- älteste Lehensverzeichnis des Klosters Mur- bach über die Lehen der Habsburger wer- den diese im Sis- und Frickgau, die ihnen vom Kloster Murbach übertragen worden waren, wie folgt festgehalten: «... Roeteln- hein (Rötteln) et unam curtim (ein Ding- bzw. Herrenhof) in Bratellen (Pratteln) sowie Ogest (Augst), Mely (Möhlin), Schuphart (Schupfart), Witnowe (Wittnau) und Cubibe (Gipf-Oberfrick).» Diese murbachischen Gü- ter – darunter Pratteln – erwarben die Habs- burger, die als Landgrafen grossen Besitz im Elsass hatten, im Jahre 1259 im Tausch ge- gen die Vogtei des St. Amarintales im Elsass, das dem späteren, 1273 zum deutschen Kö- nig gekürten Rudolf von Habsburg gehörte. Gestützt auf diesen murbachischen Lehens- beschrieb, der als Folge dieses Tausches auf- gesetzt wurde, kann man auch feststellen, dass sich das Kloster Murbach in den Besitz der «Kopfstationen» sowohl des Hauen- stein- wie auch des Bözberg-Passes gesetzt hatte, um diese beiden wichtigsten Jura- Pass-Übergänge vom Oberelsass und dem Oberrhein nach dem Mittelland zu kontrol- Das Prattler Weiherschloss um 1735, Ausschnitt aus der Gouache von Emanuel Büchel. lieren. Ein weiterer wichtiger Besitz Mur- bachs war neben Luzern als Ausgangspunkt Niederungsburg, das Prattler Weiherschloss Möhlin in der Urkunde von 1259 genannten zum Gotthardpass das abgegangene Onolds- nämlich, die den Namen des Dorfes über- Ortschaften – Pratteln und Augst – sich wil an der Hauenstein-Passstrasse, das be- nahm, im letzten Viertel des 13. Jahrhun- bereits im 8. Jahrhundert im Besitz des Klo- reits im Jahre 835 als Klosterbesitz ausge- derts abgelöst wurde und dessen Platz ein- sters Murbach befanden. wiesen wird und das später, nach einem nahm. Seit wann sich Pratteln im Besitz des Bergsturz, der das alte Onoldswil begrub, in Klosters Murbach befand, kann aufgrund Tatsache ist, dass das verheerende Erdbeben die Dörfer Oberdorf und Niederdorf aufge- einer Urkunde ermittelt werden, die im vom 18. Oktober 1356 sowohl die Madlen- teilt wurde. damaligen Dinghof des Klosters Murbach in burg wie auch das Weiherschloss zerstörte, Möhlin ausgestellt wurde. Diese Urkunde wie uns das Familienbuch der Herren von Mit dieser Urkunde von 1259 wird auch trägt das Datum des 25. August des Jahres Eptingen berichtet. Nur das Weiherschloss belegt, dass das im Jahre 728 gegründete 794 und in diesem Dokument wird erstmals wurde wieder aufgebaut; die Madlenburg Kloster Murbach bereits vor der Jahrtau- auch der Name unserer Nachbargemeinde blieb Ruine. Aber auch die wieder aufge- send-Wende in Pratteln einen Ding- bzw. Muttenz mit Methimise genannt. Gestützt baute Burg wurde im Zuge der Auseinan- Herrenhof besass, der später – wie der be- auf diese Urkunde, die im Dinghof Melina, dersetzungen der habsburgtreuen Eptinger kannte Basler Mittelalter-Forscher, Prof. W. dem heutigen Möhlin, ausgestellt wurde, mit den Baslern 1384 zerstört und anschlies- Meyer, annimmt – durch eine sogenannte kann man ableiten, dass die zusammen mit send wieder aufgebaut. Im Sempacher Krieg 153 neu realisierten Wohnbauten zu tragen hat- te. Diese baulichen Modifikationen als Folge der Brandschatzung und Plünderung der Schlosskapelle der aus dem Sundgauerkrieg zurückkehrenden Solothurner im Jahre 1468, waren in der Mitte des 16. Jahrhunderts ab- geschlossen. Dies war auch der Zeitpunkt, als die verarmten Eptinger im Jahre 1521 das Schloss mitsamt dem Dorf Pratteln und dessen Bewohner an die Stadt Basel ver- kauften.

Pratteln wurde von der Stadt Basel aber nicht zum Amtssitz aufgewertet, obwohl das Eptinger Wappen auf den Basler Talern des 17. und 18. Jahrhunderts dies sugge- riert, sondern Pratteln wurde dem Amt und damit dem Amtsvogt von Münchenstein unterstellt. Das war ein absoluter Glücksfall Das Prattler Schloss nach der Renovation von 1967. für das Schloss, denn damit entging dieses der Zerstörung durch die aufgebrachten vom 9. Juli 1386 zog eine habsburgtreue rings wurden durch eine eichene Wendel- Bewohner der Landschaft, die im Zuge der Delegation von sieben Eptinger Rittern mit treppe erschlossen, die bis zum Schloss- Französischen Revolution 1798 sämtliche Herzog Leopold von Österreich in die estrich führte. In der Mitte des 15. bis ins 16. Landvogtei-Schlösser der Basler Landschaft Schlacht. Nur einer der Eptinger überlebte Jahrhundert hinein wurden diejenigen brandschatzten und zerstörten. die kriegerische Auseinandersetzung am Schlosserweiterungen realisiert, die sich heissesten Tag des Jahres. Der Prattler Dorf- heute durch die Riegelbau-Technik kennt- Das Schloss Pratteln wurde nach dem Er- herr, Thüring von Eptingen, blieb mit seiner lich machen. Der Torturm mit der Zugbrücke werb durch die Stadt Basel nur an Basler Reiterfahne auf der Wallstatt. wurde gebaut und auch der so genannte Bürger mit der Auflage verkauft, das Schloss Treppenturm westlich des Torturmes. Auch weiterhin als militärisches Bauwerk zu unter- Am ehemaligen Weiherschloss von Pratteln der Innenhof des Schlosses wurde verän- halten. Die letzte Basler Besitzerfamilie, die kann die Wandlung von der Burg des 13. dert. Die ehemalige Küche mit dem gotisch Familie Burckhardt, baute im 17. Jahrhun- Jahrhunderts zum Schloss im 15. Jahrhun- getreppten dreiteiligen Fenster, die an die derts das Schloss im Stil des Barock zu einem dert und zum Aristokratensitz reicher Basler nördliche Umfassungsmauer angebaut war, Aristrokratensitz aus und erschloss die ein- Bürgerfamilien im 17. und 18. Jahrhundert wurde aufgelassen und als Anbau östlich zelnen Stockwerke anstelle der Wendeltrep- aufgezeigt werden. Der Kern der Anlage des Schlosses nach einem Mauerdurch- pe mittels Laubengängen und Treppenauf- besteht aus einem rechteckigen vierstöcki- bruch in Riegelbau-Technik aufgebaut. Par- gängen und stellte damit die Verbindung gen Bering aus Bruchsteinen und gerunde- allel dazu wurde auch ein Anbau in Riegel- zwischen dem Südtrakt und Nordtrakt her. tem Eckverband, an den sich eine Umfas- bau-Technik an der südlichen Umfassungs- An diese Umbauphase erinnern die Holz- sungsmauer mit Zinnen anschloss, die einen mauer realisiert, der mittels einer mächtigen pfeiler des Treppenaufgangs im Schlosshof, 154 Hof umschloss. Die vier Geschosse des Be- Eichenstütze und Schwellbalken die Last der die die Jahreszahlen 1698 und 1746 sowie das Burckhardt-Wappen, das verschlungene Renaissancekasten aus dem Lilienhof befin- ST, tragen. Zudem wurden die Holzdecken det. Im vierten Stock befindet sich ein Aus- Die reformierte und mit prächtigen Malereien versehen. stellungssaal, in dem Künstler der Region die katholische Kirche ihre Objekte präsentieren können, zudem Im Jahre 1773 verkaufte die Familie Burck- finden im Schlosshof periodisch Konzerte hardt das Schloss samt Schlossgut an die Bür- und Theatervorstellungen statt. gergemeinde Pratteln, die unverzüglich den Fritz Sutter Schlossweiher auffüllen liess und 1774 die Schlossgüter parzellenweise an die Bürger QUELLEN: des Dorfes verkaufte sowie das Schloss als Bruckner, Daniel: Versuch einer Beschreibung Die reformierte Kirche Armenhaus bis zu seiner Aufhebung 1908 in historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten Betrieb nahm. Damit verlor das Schloss wohl der Landschaft Basel. Faszikel 3: Pratteln. Basel, die amtliche Funktion eines Armenhauses, 1749. in das verarmte Ortsbürger einquartiert wur- Christ, Dorothea A.: Das Familienbuch der Her- Die reformierte Kirche wurde wahrschein- den, nicht aber den Status, als Wohnstätte ren von Eptingen. Liestal, 1992. lich bereits im achten Jahrhundert auf dem armer Prattler Familien. Degen, Peter: Die Grottenburg Riedfluh Eptingen Territorium eines römischen Landwirtschafts- BL. Bericht über die Ausgrabungen 1981–1983. betriebes – einer römischen Villa rustica –, Als 1963 endlich die Renovation des Schlos- Zürich, 1988. deren luxuriös ausgestattetes und mit Säu- ses an die Hand genommen werden konn- Gatrio, A.: Die Abtei Murbach im Elsass. Nach len versehenes Herrenhaus an der Stelle des te, erwies es sich als absoluter Glücksfall, Quellen bearbeitet. Strassburg, 1895. «Höchen Huus» stand, erbaut. Es ist nicht dass das Schloss 190 Jahre als Armenhaus Glauser Fritz: Ein Herrschaftswechsel und seine gedient hatte und dass, weil für ein soziales Vorgeschichte seit dem 11. Jahrhundert, in Jahr- Objekt sowieso keine finanziellen Mittel auf- buch der Historischen Gesellschaft Luzern, 1991. gewendet wurden, weitgehend der Ori- Heyer, Hans-Rudolf: Die Kunstdenkmäler des ginalzustand von 1774 erhalten blieb. Das Kantons Basel-Landschaft. Bezirk Liestal. Basel, Schloss wurde, gestützt auf die Gouache, 1974. die der berühmteste Topograph des 18. Merz, Walter: Die Burgen des Sisgaus. Band 1–3. Jahrhunderts, Emanuel Büchel, im Jahre 1735 Aarau, 1909–1915. vom Kirchturm aus erstellt hatte, saniert Meyer, Werner: Burgen von A bis Z. Burgenlexi- und die geglückte Aussenrenovation an- kon der Regio. Basel, 1981. lässlich des ersten Prattler Dorffestes 1966 Meyer, Werner: Burgenbau, Siedlungsentwick- der Öffentlichkeit übergeben. Das Prattler lung und Herrschaftsbildung im Jura in der Zeit Schloss, heute eines der schönsten spätgoti- um 1000. La donation de 999 et l’histoire schen Schlösser der Schweiz, steht nach médiévale de l’ancien Evêché de Bâle. Porrentruy, dem erfolgreichen Abschluss der Renovati- 2002. on von 1968 heute unter dem Schutz der Schulte, Aloys: Geschichte der Habsburger in Eidgenossenschaft und wird durch den Ge- den ersten drei Jahrhunderten mit instruktiver meinderat und Bürgerrat sowie verschiede- Besitzkarte der Habsburger. Innsbruck, 1887. ne Gemeinde-Institutionen genutzt. Im Ober- Trouillat, J.: Monuments de l’histoire de l’ancien geschoss des Torturmes befindet sich das Evêché de Bâle. Porrentruy, 1852 Trauzimmer, in dem sich ein prachtvoller Die reformierte Dorfkirche. 155 über Basel und den Oberen Hauenstein sowie den Bözberg in die Innerschweiz zu sichern. Neben Pratteln gehörte auch die Gemarkung Onoldswil am Oberen Hauen- stein – das heutige Waldenburg samt Ober- und Niederdorf – , das damals bis nach Lan- genbruck reichte, mitsamt Luzern zum Klo- sterbesitz.

Der vorreformatorische Kirchenpatron der Prattler Kirche ist St. Leodegar, der am 2. Oktober des Jahres 678 ermordete Bischof von Autun im Burgund. Dieser Leodegar wurde auf der im Jahre 691 durch König Theuderich III. einberufenen Synode heilig gesprochen, weil Leodegar, obwohl er der königlichen Familie der Merowinger nahe stand, vergeblich versucht hatte, die hand- Auch dieser, im letzten Viertel des 15. Jahrhun- lungsunfähig gewordenen Merowinger-Kö- ders, meisterhaft gemalte Kopf eines Engels mit Gruppenbild mit Dame: Rechts der heilige Leo- nige abzusetzen und die Dynastie der Karo- den fragenden Augen, wurde 1952 ein Opfer degar, links dessen Schwager, Etticho I., Herzog linger, die Hausmeier der Merowinger, an des Prattler Bildersturms. des Elsass’. In der Mitte die heilige Odilie, Tochter die Macht zu bringen. Leodegar scheiterte von Etticho I. und Nichte des Prattler Kirchen- mit seinem politisch motivierten Versuch erst die Murbacher Mönche den Patronats- patrons und wurde zusammen mit seinem Bruder wechsel durchsetzten. Gairinus vom damaligen, mit den Karolin- anzunehmen, dass es sich bei der vorrefor- gern rivalisierenden Hausmeier des Mero- Leider sind anlässlich der Kirchenrenovation matorischen Kirche um eine sogenannte winger-Königs, Ebroin, zuerst geblendet von 1952 keine archäologischen Grabun- Eigenkirche gehandelt hat, die von einem und dann enthauptet. gen durchgeführt worden, die über die Adelsgeschlecht auf Eigengut errichtet und ersten Strukturen der Kirche Auskunft als Grablege dieser Adelsfamilie diente. Viel- Das im Jahre 728 gegründete Benediktiner- geben könnten. Der heutige architektoni- mehr lassen die Fakten den Schluss zu, dass kloster Murbach erhielt auf Weisung von sche Status entspricht der Spätgotik aus die Kirche erst im achten Jahrhundert durch Karl Martell und des Gründerbischofs Pirmin dem Jahre 1475, als der Prattler Dorfherr die das 728 vom Wanderbischof Pirmin gegrün- den Heiligen Leodegar als Kirchenpatron. Da- Kirche nach der Brandschatzung durch die dete Kloster Murbach erbaut worden ist. Im mit wäre auch belegt, dass die Mönche auf Solothurner im Jahre 1468 wieder aufbauen achten Jahrhundert besass das Kloster Mur- ihrer Expansionstour die Kirche in Pratteln liess und der Kirche anstelle eines romani- bach eine Curtis – einen Herrenhof – und gegründet und den Kirchenpatron ihres Klo- schen Chorabschlusses einen filigranen den so genannten «Herrenzehnten» in Prat- sters in Pratteln inthronisiert haben. Der be- spätgotischen Chor anfügen liess. Diesen teln und war faktisch Eigentümer des Dor- kannte Liestaler Historiker, Dr. h.c. K. Gauss, Chor liess der Prattler Dorfherr durch einen fes. Damit wird auch das politische Pro- spricht sogar die Vermutung aus, dass die bedeutenden oberrheinischen Maler des gramm des Klosters Murbach sichtbar: Prattler Kirche, wie alle frühen Kirchen, ur- späten 15. Jahrhunderts ausmalen. Diese 156 Nämlich die Transportachsen vom Elsass sprünglich St. Peter geweiht war und dass anlässlich der Kirchenrenovation freigeleg- ten hochbedeutenden Wandmalereien wur- ler Dorfherr, zusammen mit der ganzen den aber in einer Nacht und Nebel-Aktion Prattler Gemeinde, die Osanna-Glocke in durch fehlgeleitete Jugendliche vollständig den Prattler Kirchturm. Diese Glocke, die zerstört. An der Aussenseite des Chors hat grösste der drei vorhandenen, erinnert noch sich der Prattler Dorfherr mit seinem und heute an den politisch weitsichtigen und dem Wappen seiner 1474 verstorbenen kunstsinnigen Prattler Dorfherrn. Gattin, Agnes von Ratsamhausen, verewigt. Der Wappenschild des Prattler Dorfherrn ist Urkundlich wird die Prattler Kirche erst im mit der goldenen Kette des Ordens der Rit- Jahre 1250 erwähnt, als der Leutpriester ter von Zypern, der auch Orden der Ritter von Pratteln, Burchardus, in seiner Eigen- vom Schweigen genannt wird, geschmückt, schaft als Stadtschreiber von Basel, eine Bas- der an Hans Bernhard von Eptingen vom ler Urkunde verfasst. Diese Ämterkumulati- König von Zypern anlässlich seiner Pilgerrei- on zeigt, dass damals vom Zölibat noch se nach Jerusalem am 16. Juli 1460 für die keine Rede war, denn der Stadtschreiber Dienste, die dieser dem Mitpilger, dem Her- von Basel, der neben seiner amtlichen Funk- zog Otto von Bayern, während der Pilgerrei- tion auch noch das Amt und damit die se geleistet hatte, verliehen wurde. Diesen Pfründe des Leutpriesters in der Kirche von wertvollen Hinweis bezüglich des «verlore- Pratteln ausübte, war Familienoberhaupt Der Wappenschild, umgeben von der goldenen nen» Ordens-Kleinods an der heute noch und Vater mehrerer Kinder. Die Erwähnung Ordenskette, des Prattler Dorfherrn, Hans Bern- sichtbaren Kette um den Eptinger-Schild an von Pratteln mit Bratelle zeigt im weiteren, hard von Eptingen, dokumentiert den Wieder- der Chor-Aussenmauer verdanke ich Herrn dass die Entwicklung des Ortsnamens be- aufbau der Kirche nach 1475. Prof. Dr. Karl E. Trefzer aus Basel. Bereits im reits im 13. Jahrhundert abgeschlossen war. Jahre 1484 starb Ritter Hans Bernhard von Eptingen, und, weil der Papst das Interdikt Ein wichtiger Hinweis auf das Patrozinium über die Stadt Basel verhängt hatte und die der Prattler Kirche liefert auch das Privileg, Bestattungen in den Basler Kirchen unter- das Kaiser Friedrich III. im Jahre 1476 dem sagte, konnte dieser nicht bei seinen Vor- Prattler Dorfherrn ausgestellt hatte. Dieses fahren in der Barfüsser-Kirche in Basel beer- Privileg erlaubte dem Prattler Dorfherrn, das digt werden. Im Hausbuch der Adelsfamilie jeweils gefeierte Kirchweihfest am 2. Okto- der Eptinger, das im späten 15. Jahrhundert ber in einen vom 1. bis 3. Oktober dauern- im Prattler Schloss entstand, und das nur in den Jahrmarkt umzuwandeln und eine späteren Abschriften auf uns gekommen Fähre über den Rhein zu errichten, damit die ist, wird vermerkt, dass der Prattler Dorfherr Kaufleute aus dem deutschen Reich direkt Hans Bernhard von Eptingen am 6. Dezem- von Grenzach/Wylen – dem früheren Bertli- ber 1484 vor dem Frauen-Altar – das ist der kon – nach Pratteln fahren und damit den Marien-Altar der Prattler Kirche – bestattet Zoll über die Basler Rheinbrücke umgehen wurde. Gestützt auf dieses Faktum und die konnten. urkundliche Nennung eines Theobald-Altars Das verlorengegangene Kleinod der Ordenskette kann man folgern, dass in der Prattler Kirche Im Februar des Jahres 1529 hielt die Refor- der Ritter vom Schweigen, die der Prattler Dorf- mehrere Altäre aufgestellt waren. Noch in mation in Basel und auf der Landschaft herr am 16. Juli 1460 vom König von Zypern an- seinem letzten Lebensjahr stiftete der Pratt- gewaltsam Einzug. Die Altäre, die Heiligen- lässlich seiner Pilgerreise nach Jerusalem erhielt. 157 Dies war ein früher und einmaliger Akt der Ökumene.

Die katholische Kirche ist ein typisches Bei- spiel nüchterner, nicht experimentierfreudi- Am 25. Mai des Jahres 1250 verfasste der Basler Stadtschreiber Burchardus in seiner Eigenschaft als ger zeitgenössischer Architektur der dreissi- Leutpriester der Kirche von Pratteln (Plebanus de Bratelle) eine Urkunde über einen Güterverkauf. ger Jahre, die sich an die Palastarchitektur des frühchristlichen Architekturstils anlehnt figuren, die Bilder der Kirchen und Kapellen Die katholische Kirche und nicht einen mystischen Versammlungs- und die heiligen Schriften wurden verbrannt raum im Stile der heutigen Postmoderne und die Wandbilder wurden übertüncht. suggeriert. Die Kirche wurde dem Heiligen Leider hat sich von der kirchlichen Ausstat- Der Bau der katholische Kirche wurde, Antonius von Padua geweiht, der am 15. tung der Prattler Kirche aus den Tagen der gestützt auf einen Landratsbeschluss von August 1195 in Lissabon geboren wurde Vorreformation ausser den drei Glocken 1835, der den Prattler Katholiken die Ausü- und am 13. Juni 1213 starb. Antonius war nichts mehr erhalten. bung ihrer Konfession in der Pfarrgemeinde ein Weggefährte des Heiligen Franz von Liestal ermöglichte, zu der auch Pratteln Assisi und dazu ein grossartiger Prediger Das vorreformatorische Jahrzeitenbuch, das gehörte, erlaubt. Aber erst am 16. Dezem- und ausgezeichneter Bibelkenner, ein Dog- «Zeitbuch», wie dies der damalige Prattler ber 1934 konnte die neue Pfarrkirche, aber matiker also. Wegen seiner Wunder, die er Pfarrer Niclaus Ryhiner, der von 1692–1731 vorerst noch ohne Glockenturm, durch den bereits zu Lebzeiten vollbrachte, wurde als Pfarrer amtete, auf seinem Totenbett am damaligen Bischof von Basel geweiht wer- Antonius im Jahre 1232 heilig gesprochen. 1. Juni 1743 beklagte, sei vor ungefähr den. Der Glockenturm konnte wegen feh- Der Todestag des Heiligen, der 13. Juni, ist fünfzig Jahren aus der Sakristei der Prattler lender Finanzen erst zwei Jahrzehnte später, deshalb auch der Patroziniumstag der Pratt- Kirche entwendet worden und sei nie wie- nämlich im Jahre 1959, errichtet werden. In ler Kirche. Die im Altar verehrte Reliquie des der aufgetaucht. Pfarrer Ryhiner berichtet den Glockenturm wurden unmittelbar nach Heiligen, dem die Kirche geweiht wurde, ist auf dem Totenbett, dass im Jahrzeitenbuch der Vollendung des Kirchturms fünf neue, der Prattler Kirche durch die Pfarrei Passau nicht nur die Jahrzeitenstiftungen – also die 1959 durch Spenden finanzierte Glocken geschenkt worden, die Reliquien des Heili- vorreformatorischen jahreszeitlichen Toten- durch die Prattler Schuljugend aufgezogen. gen besass. Neben dem Antonius-Altar mess-Lesungen – zuhanden Verstorbener besitzt die Kirche auch einen Marien-Altar. sondern auch Informationen über den Kir- Fritz Sutter chenpatron, den Heiligen Leodegar, wie auch über die Güter des Klosters St. Alban QUELLEN: und des Klosters St. Gallen in Pratteln auf- Gatrio, A.: Die Abtei Murbach im Elsass. Nach gezeichnet gewesen seien. Pfarrer Ryhiner Quellen bearbeitet. Strassburg, 1895. sollte leider recht behalten: eines der kost- Heyer, Hans-Rudolf: Die Kunstdenkmäler des barsten Dokumente zur Prattler Dorf- und Kantons Basel-Landschaft. Bezirk Liestal. Basel, Kirchengeschichte bleibt weiterhin ver- 1974. schollen. Sutter Fritz: 700 Jahre Prattler Dorfkirche und Legende St. Leodegars. Beilage zum Prattler An- zeiger, September 1981. Wackernagel, Rudolf et al.: Urkundenbuch der 158 Die 1934 erbaute katholische Kirche. Stadt Basel, 11 Bände. Basel, 1890–1910. C ein schützenswertes Objekt kennzeich- Inventar der unter net. Diese kommunale Einstufung sichert Schutz gestellten zudem, dass solche Objekte nur behutsam und in Absprache mit der kantonalen Denk- Baudenkmäler malpflege verändert aber nicht abgebro- chen werden dürfen.

Das Schloss und die dazugehörenden Bauten Mit 33 Objekten verfügt Pratteln über eine repräsentative Zahl von Baudenkmälern, die Zum Schlossbereich zählen sieben Objekte, dem kantonalen Denkmalschutz unterstellt nämlich sind und bei denen inskünftig die Gewähr –Das Schloss, Oberemattstrasse 11 Das 1913 im Jugendstil errichtete Pumpwerk Löli. besteht, dass diese weder in ihrem äusseren –Die ehemalige «Hexenburg» bzw. das Erscheinungsbild und auch in ihrer Verbin- heutige «Central» als Ökonomieteil des –Sogenannte «Alte Wacht», erbaut 1692, dung mit ihrer Umgebung ohne Zustim- Schlosses, Oberemattstrasse 1 Hauptstrasse 37 mung der Kantonalen Denkmalpflege nicht –Die ehemalige Schloss-Scheune, Obere- –Sogenannte «Alte Schule», erbaut 1853, verändert werden dürfen. mattstrasse 3 Schlossstrasse 61 –Die zum Schloss gehörenden Diensten- Das Inventar der dem Denkmalschutz unter- wohnungen, Burggartenstrasse 39–43 Gast- und Wirtshäuser stellten Objekte führt vom Prattler Schloss, als ältestem Objekt, zum Grundwasserpump- Zwei Gasthäuser, nämlich das «Central», Die Kirche und die dazugehörenden werk Löli, einem Dokument der Industrie- die frühere «Hexenburg», das unter den Bauten Archäologie des beginnenden 20. Jahrhun- Objekten des Schlossbereiches aufgeführt derts. Zum Kirchenbereich gehören drei Objekte ist, sowie das «Rössli», das frühere «Weisse –Die Kirche, die sich in der Gestalt der Kreuz», figurieren im Inventar des kantona- In Ergänzung zum kantonalen Inventar der Spätgotik präsentiert, die aber wahr- len Denkmalschutzes. Denkmalpflege hat der Gemeinderat Prat- scheinlich bereits im 8. Jahrhundert er- –Restaurant «Central», mit mächtigem teln, initiiert durch die Bauverwaltung, ein baut wurde, Schauenburgerstrasse 3 gotischem Strebepfeiler auf der Ostseite, Inventar derjenigen Bauten erstellt, die nicht –Das barocke Pfarrhaus von 1692, Haupt- Oberemattstrasse 1 im Inventar der denkmalgeschützten Objek- strasse 36 –Ehemaliges Wirtshaus «Weisses Kreuz» te verzeichnet sind, denen aber ein be- –Das sogenannte Sigristenhaus mit dem bzw. «Rössli», Hauptstrasse 30 sonderer schützenswerter Status zugebilligt gotischen getreppten Fenster und Holz- wird. schopf, Schützenweg 1 Alte Basler Landsitze Die Gemeinde hat diese schützenwerten Drei ehemalige Basler Landsitze, die im 18. Schulhäuser Objekte mit den Kategoriebezeichnungen Jahrhundert erbaut wurden, sind in das In- A, B und C versehen, die beinhalten, dass Von den Schulhäusern sind die beiden älte- ventar des Denkmalschutzes aufgenommen der Status A einem denkmalgeschützten sten, die «Alte Wacht» sowie die «Alte Schu- worden. Objekt entspricht, der Status B ein beson- le» in das Inventar der denkmalgeschützten –Das ehemalige Burckhardtsche und spä- ders schützenswertes Objekt und der Status Bauten aufgenommen worden. tere Joerin-Gut, Hauptstrasse 5 159 –Der Lilienhof, Hauptstrasse 74a und dazu ein Wagenschopf ist in das Inven- –Bauernhaus, sog. Ray Coniff-Haus, –Der Mayenfels tar der Denkmalpflege aufgenommen wor- Steinenweg 1 den. Weitere ähnliche und als kommunale Baudenkmäler qualifizierte Objekte finden Repräsentative Bauernhäuser mit Industrielle Bauten bzw. Zeugen der sich noch am Schützenweg. Ökonomie- und Wohnteil Industrie-Archäologie –Buch-, bzw. Waschhäuschen, Hauptstras- Zwei repräsentative und für Pratteln typi- se 82A In Pratteln ist das ehemalige Grundwasser- sche Bauernhäuser sind ebenfalls und stell- –Ehemaliger Wagenschopf, Schützenweg Pumpwerk Löli, das in den zwanziger Jahren vertretend für die andern Bauernhäuser in 8A im Stil des Spätjugendstils erbaut wurde, das Inventar des Denkmalschutzes aufge- unter Schutz gestellt. nommen worden. –Pumpwerk Löli, Giebenacherstrasse 21 Tauner- bzw. Kleinbauernhäuser –Das Bürgerhaus, früher «Zeller-Scheune», Fritz Sutter mit kleinem Wohn- und grossem Ökono- Als Tauner bezeichnete man Bauern, die mieteil, das noch aus dem frühen 17. kein Zug-, aber Kleinvieh besassen und des- QUELLEN: Jahrhundert stammen dürfte und somit halb immer wieder die Dienste der Gross- Heyer, Hans-Rudolf: Die Kunstdenkmäler des eine Frühform eines Bauernhauses reprä- bauern in Anspruch nehmen mussten. Die Kantons Basel-Landschaft. Bezirk Liestal. Basel, sentiert, Hauptstrasse 29 Ansiedlung im «Rumpel», beidseits der 1974. –Das «Höche Huus», das 1747 auf den Schauenburgerstrasse, bestand zur Mehr- Aktualisiertes Verzeichnis der denkmalgeschütz- Ruinen eines römischen Gutshauses er- heit aus Taunerhäusern. ten Objekte Prattelns. richtet wurde, Schauenburgerstrasse 17 –Taunerhaus, Mayenfelserstrasse 19 –Kleinbauernhaus, Liestalerstrasse 7 Rebhäuschen Bauernhäuser Die beiden noch erhaltenen Rebhäuschen, das sogenannte «Hagenbächli» und das Reb- Die Wandlung des früheren Bauern- und häuschen in den Bergreben, sind im Inven- Rebbauerndorfes zum bedeutendsten Indu- tar des Denkmalschutzes aufgeführt. strie-Ort des Kantons Basel-Landschaft doku- –Das «Hagenbächli», erbaut im 17. Jahr- mentieren die neun Bauernhäuser, die in hundert das Inventar der Denkmalpflege aufgenom- –Das Rebhäuschen, erbaut im frühen 19. men wurden. Weitere, dem Denkmalschutz Jahrhundert, mit der von zwei Freiheits- unterstellten Objekte sind gemäss ihrem bäumen flankierten Inschrift: «Die Zusammenhang bereits andernorts aufge- erkenfte Freiheit im Jahr 1832 HST = führt worden. Hans Stohler», in den Bergreben südlich –Bauernhaus, Hauptstrasse 33 des Hagenbächli –Bauernhaus, Hauptstrasse 34 –Bauernhaus, Hauptstrasse 39 –Bauernhaus, Hauptstrasse 58 Buch- bzw. Waschhäuschen –Bauernhaus, Hauptstrasse 79 Nur eines der früher zahlreichen Buch- oder –Bauernhaus, Hauptstrasse 90 Waschhäuschen, die an den durch das Dorf –Bauernhaus, Mayenfelserstrasse 14 160 führenden Bächen angelegt worden sind, –Bauernhaus, Schützenweg 4 Das «Schloss» Mayenfels

Spannend ist übrigens auch die Geschichte des Schlosses Mayenfels, errichtet 1726 durch Johann Rudolf Faesch, Oberst in fran- zösischen Diensten und später Ratsherr, Ober- zunftmeister und Bürgermeister der Stadt Basel. Der symmetrische Hauptbau ist zwei- geschossig und mit ausgebautem Mansar- dendach versehen.Die talwärts gerichtete Aus- sichtsterrasse zieht sich auch westlich um das Gebäude. Östlich schliessen sich Lehens- haus, Stallungen und Kutscherhaus an. Im Süden befindet sich der Lustgarten nach französischem Muster und bergwärts an- Blick vom Mayenfels über Pratteln. Kupferstich nach einer Vorzeichnung Emanuel Büchels, 1749. schliessend der grosse Obstgarten. Nach Osten liegen Pflanzgarten und Rebgelände. sohn Forcarts ist Peter Burckhardt, ein rei- dessen Initialen (LB) noch heute an dem zur Das Bild von 1735 des berühmten Basler cher und unzimperlicher Geschäftsmann. Er Terrasse führenden Gittertor zu sehen sind. Malers und Zeichners und Freund des Fae- übernimmt 1774, noch zu Lebzeiten seines Unter «LB» entstehen ein neues Lehens- schen Schwiegersohns und Prattler Pfarrers Schwiegervaters und nachdem seine Mutter sowie Wagenhaus. Nach mehrmaligem Be- August Johann Buxtorf, Emanuel Büchel, den Familienbesitz, das Prattler Schloss samt sitzerwechsel wird der Besitz im Laufe des zeigt zusätzlich einen eingeschossigen west- zahlreichen Liegenschaften an die Bürger- 18. Jh. aufgeteilt. Ab 1905 dienen die Ge- lichen Anbau und östlich gelegene Klein- gemeinde Pratteln verkauft hat, den May- bäude Schulzwecken und 1911 richtet bauten an Lehenshaus und Garten ange- enfels und lässt am Gebäude markante Ver- Theodor Jacobs-Tanner ein Knabeninstitut fügt. Nach Faeschs Tod übernimmt sein änderungen vornehmen. So wird der Haupt- ein und lässt 1938 den Südflügel mit Kut- zweiter Schwiegersohn und Stadtschreiber bau beidseitig in voller Höhe um zwei Ach- scherwohnung und 1957 den Ostflügel mit des «minderen Basel», Dietrich Forcart, das sen verlängert und das Dach erhält einen der Gärtnerwohnung entfernen. An Stelle Landgut und vergrössert den Umschwung Dachreiter mit Windfahne und Glocke, die des alten Ostflügels entsteht 1958 ein ähn- durch zahlreiche Ankäufe. Von besonderer heute noch als Schulglocke dient. Neu licher Bau. Nach der Schliessung des Kna- Bedeutung ist Forcarts Schwiegersohn und erstellt werden u.a. eine erweiterte Trotte beninstituts 1966 und bis zum Einzug der Freund Johann H. Pestalozzis, Isaac Iselin. mit Brennerei, aus der die Baselbieter Spe- Rudolf Steiner Schule 1974 war der Mayen- Ihm sind die schriftlichen Werke Pestalozzis zialität «Burgermeisterli» hervorgeht. 1817 fels das Lehrlingsheim der Firma Ciba-Geigy, und dessen Rettung vor dem finanziellen veräussern Peter Burckhardts Erben das aus der die «Novartis» entstanden ist. Ruin zu verdanken. Der zweite Schwieger- Gut, das 1827 an Lukas Burckhardt fällt, Emmy Honegger 161 Die Vergrösserung der Landfläche pro Be- des 19. Jh., liessen in den oberen Teilen der Das Bauernhaus trieb hatte logischerweise eine Reduktion Wohnhäuser Raum frei werden für Schlaf- im Wandel der Anzahl Betriebe zur Folge. Die freiwer- räume und Kammern. Einige Beispiele denden Bauernhäuser wurden zur Vergrös- mögen das Gesagte illustrieren. serung der Wohnflächen und zu gewerbli- cher Aktivität umgenutzt. Hauptstrasse 33 Die Wohnbedürfnisse waren früher viel Das stattliche Haus mit dem dreigeschossi- bescheidener als heute. Der typische Stock- gen Wohnteil und der deutlich niedrigeren Im Verlaufe der Zeit wandelte sich das Bau- werksgrundriss bestand aus Stube und Ökonomie markiert den Zugang zur Haupt- ernhaus sowohl aus wirtschaftlichen wie Küche, allenfalls noch ergänzt durch einen strasse und zur Vereinhausstrasse vom auch aus Gründen der Steigerung menschli- Gang und einen Keller, seltener noch durch «Schmittiplatz» her. Das Haus wurde an cher Bedürfnisse. Noch bis vor hundert, eine Kammer. In diesen Räumen wohnte eine Stelle eines Schopfes 1742 gebaut, wie die hundertfünfzig Jahren wurden die landwirt- Familie mit der damals gegenüber heute Giebelinschrift auf der Südseite bezeugt. schaftlichen Güter zur Versorgung des eige- weit grösseren Kinderschar. Der Grundriss Der Wirtschaftsteil wurde 1824 erneuert, nen Haushalts und allenfalls noch des hand- des oberen Stockwerks war der gleiche und wie dies auf dem Torbogen der Scheune zu werklich tätigen Nachbarn produziert. Der hier wohnte ebenfalls eine Familie. Viel- ersehen ist. Das schmale zweiachsige Wohn- durchschnittliche Viehbestand eines Voll- leicht war es eine Handwerkersfamilie oder haus ist dreigeschossig und ruht unter bauern im 18. Jh. umfasste zwei Pferde, aber Bauern, die sich mit dem Hausgenos- einem steilen Satteldach. Die Fenster auf der zwei bis drei Ochsen und zwei Kühe. Die sen im untern Stockwerk in die nebenanlie- Traufseite sind in den beiden untern Ge- Ochsen – verschnittene Stiere – wurden als genden Betriebsräume teilten. Daher sind schossen beinahe quadratisch und weisen Zugtiere beim Bearbeiten der Äcker und für nicht selten Wirtschaftsteile mit zwei Stal- noch gotische Kehlprofile auf. Die Fenster Transporte verschiedener Art eingesetzt. lungen und dazwischen liegender Scheune des obersten Geschosses sind etwas kleiner. Selbstverständlich gehörten auch Schweine, anzutreffen. So verfügte jede Partei über Den mächtigen Südgiebel nimmt beinahe Schafe, Ziegen und Hühner zum Tierbe- einen eigenen Stall und über diesem die vollständig eine zweigeschossige, auf Stüt- stand. Diese waren in Nebenstallungen eigene Heubühne. Das Tenn wurde gemein- zen ruhende Laube ein. Die mit einem meist im hintern Hausteil untergebracht. sam benutzt. Wenn wir uns vergegenwärti- gewalmten Dach bedeckte Laube ist in ba- Heute dagegen werden die weitgehend gen, dass heute, nach Erhebungen der Volks- rocker Holzkonstruktion aufgeführt und fällt standardisierten Produkte an den Handel zählung von 1990, im Kanton Basel-Land- auf durch die langgezogenen Stichbogen und die Grossverteiler geliefert. Der Land- schaft ca. 40 m2 Wohnfläche pro Person über den Öffnungen. Am östlichen Lauben- wirt beschafft den weitaus grössten Teil sei- beansprucht werden, fällt es schwer, sich teil fügt sich ein freistehendes, eingeschos- nes Bedarfs im Lebensmittelverkaufsge- vorzustellen, wie damals eine fünf- und mehr- siges Buuchhus, ein Waschhäuslein, an. Un- schäft. Die Produktion war früher sehr köpfige Familie in einer Stube und einer ter der Laube betritt man durch den Haus- vielseitig, heute ist sie zumeist auf wenige Küche hauste. Der Dachraum und bei drei- eingang direkt die ehemalige Küche. Diese Arten spezialisiert. geschossigen Wohnteilen das oberste Ge- ist auch vom Stall her zugänglich. Von dieser schoss mit den viel kleineren Fenstern dien- ehemaligen Küche aus führt eine gut re- Es sei hier auch festgehalten, dass die von te der Vorratshaltung. Hier wurde das Ge- staurierte Wendeltreppe ins Obergeschoss. einem Bewirtschafter bearbeitete Boden- treide und das Dörrobst aufbewahrt. Erst Hier findet sich eine getäfelte Stube. Der fläche in den letzten knapp 100 Jahren, die immer häufiger werdende Erwerbsarbeit Ökonomieteil enthielt ursprünglich einen dank der Mechanisierung, gut um das Drei- ausserhalb der Landwirtschaft und die Auf- Stall, eine Scheune und einen etwas tiefer 162 fache zugenommen hat. gabe der Selbstversorgung der Bauern Ende liegenden Keller. Der Bau veranschaulicht sehr schön die Tatsache, dass gotische Bau- Gegen Ende des 19. Jh. wurde im Erdge- Schlossstrasse 61 traditionen bis weit ins 18. Jh. weiterlebten. schoss des Wohnteils ein Verkaufsgeschäft für Kolonialwaren eingerichtet. Kolonialwa- Den vielleicht merkwürdigsten Wandel 1885 wurde das Haus von F. Stingelin an ren, wie Zucker, Kaffee, Tee, Kakao, Gewür- machte in Pratteln das Haus Schlossstrasse E. Lüdin, Uhrmacher, verkauft. Damit war ze etc., waren Importprodukte aus den Kolo- 61 durch. H. J. Bielser (1806–96) war Küfer das Bauernhaus zum Geschäftshaus mit Woh- nien Über dem sehr bescheiden gestalteten mit einer eigenen Werkstatt. Er wohnte und nung geworden. Verkaufslokal und Werk- Schaufenster mit Ladeneingang war die In- arbeitete im Haus Nr. 11 an der Schauen- statt waren zusammen in der ehemaligen schrift «Handlung C. Dalcher» angebracht. burgerstrasse. Mit dem Grösserwerden der Stube im Erdgeschoss untergebracht. Hier Offenbar wurde die Landwirtschaft weiter- drei Kinder der Bielsers wurde der Wohn- waren bedächtig tickende Standuhren, eher betrieben; eine Fotografie vom Anfang des raum im kleinen Häuschen knapp und auch etwas nervös klingende Wanduhren und in letzten Jh. zeigt einen mit dem entsprechen- die kleine Küferwerkstatt wurde zu eng. Auf gläsernen Kästen Taschen- und Armband- den Material beschickten Miststock. eigenem Land zwischen Kirche und Schloss, uhren zu sehen. Zum Stundenschlag hob dort wo heute der Kindergarten «Alte Schu- dann jeweils zur Freude der anwesenden Im Jahre 1923 kaufte der Hutmacher Buss- le» beheimatet ist, liess Bielser ein geräumi- Kunden ein vielstimmiges Geläute und Ge- mann die Liegenschaft. Da seine Frau Modi- ges Bauernhaus mit separater Küferwerk- bimmel an. Und auf Emil Lüdins Arbeitstisch stin war, wurde ein Verkaufsgeschäft mit statt erstellen. Im Brandlagerbuch 1830–1852 gab es die merkwürdigsten Instrumente nebst Atelier für Herren- und Damenhüte sowie ist das Objekt des Jakob Bielser wie folgt zerlegten Uhren aller Art zu bewundern. Schirme eröffnet. In der Folge wurden durch aufgeführt:«Neuerbaute Behausung mit Lau- Heute ist im Erdgeschoss ein Modegeschäft das Diktat der Mode immer weniger Hüte ben und Kieferwerkstätte von Stein mit Zie- und darüber eine Wohnung untergebracht. getragen, so dass sich die Bussmanns nach geldach samt Lauben; unausgebaut laut Den Ökonomieteil nutzt eine Bodenbelags- andern Geschäftszweigen umsahen. So ent- Schatzungstabelle von 1836.» Sein Häus- firma. Bei Uhren läufts fast nur noch digital. stand im Verlaufe der Jahre ein blühender chen an der Schauenburgerstrasse verkauf- Handel mit Landesprodukten. Früchte und te er an J. Atz. 1837 zügelte die Familie in Gemüse wurden auf dem Land und in der das neue Heim. In den kommenden Jahren Hauptstrasse 39 Basler Markthalle eingekauft und hier in erfreuten sich die Bielsers an der Geburt Das im 18. Jh. erbaute Bauernhaus hat eine Pratteln wieder abgesetzt. Eine Spezialität weiterer fünf Knaben. Da das Rebgelände relativ niedrige Ökonomie mit steilem Sat- war das Brennen von Früchten; Bussmanns «Feldreben» stark vergrössert wurde, war teldach. Der Wohnteil ist dreigeschossig mit Kirsch war und ist weitherum sehr ge- der Bedarf an neuen Weinfässern gross und einem viel flacheren Dach. Dies deutet dar- schätzt. Ein an der Seite der Vereinshaus- das Küfereigeschäft lief gut. Ein Küferlehr- auf hin, dass dieser Hausteil im 19. Jh. auf- strasse stehender Holzschopf wurde 1956 ling wohnte im Haus und gehörte zur Fami- gestockt wurde. Auffällig ist, dass der abgerissen und an dessen Stelle ein Brenne- lie. Die Kinder arbeiteten in Haus und Werk- Wohnteil keinen direkten Eingang an der reigebäude errichtet. 1981 erwarb U. Amsler statt tüchtig mit. Strassenseite aufweist; man betrat die Woh- die Liegenschaft und betreibt hier seither nung von der Scheune aus. Als die Basler eine Sanitär- und Heizungs-Installationsfir- Die Gemeinde Pratteln hatte mit ihrem Truppen bei den Trennungswirren am 3. ma. Fünf Jahre später baute er das Haus mus- damaligen Schulhaus, der heutigen «Alten August 1833 brandschatzend durch Prat- tergültig um. Dabei wurde das Schaufenster Wacht», Hauptstrasse 37, grosse Sorgen; es teln zogen, blieb das Haus als letztes in die- im Erdgeschoss des Wohnteils entfernt und war zu klein geworden. Die Gemeindever- ser Häuserzeile der Hauptstrasse verschont. der ursprüngliche Zustand mit zwei Fen- sammlung vom 15. April 1849 beschloss Alle östlich davon liegenden Häuser brann- stern wieder hergestellt. Im Haus sind heute daher auf Antrag des Gemeinderates ein ten ab und wurden 1833/34 meist dreige- nebst der Firma Amsler drei kleine Dienstlei- neues Schulhaus zu bauen mit dem zentral schossig wieder aufgebaut. stungsbetriebe und zwei Wohnungen. gelegenen Standort zwischen dem Schloss 163 ben an Raum gewannen. Nach beendetem Umbau wurde die heutige «Alte Schule» am 2. Mai 1853 der Öffentlichkeit überge- ben. In der Zwischenzeit wurden die Lehrer- wohnungen aufgehoben und Schulzwe- cken zugeführt. 1986 ist das Haus gründlich renoviert worden. Die nordseitige Laube wur- de dabei neu erstellt und auf dem Dach Dachaufbauten angebracht. Heute sind in der Alten Schule ein Kindergarten mit Ne- benräumen, ein Gymnastikraum und vier Musikzimmer untergebracht. Es interessiert hier sicher noch, wie und wo die Familie Bielser nach dem Verkauf ihres Hauses unterkam. Der unternehmungsfreudige J. Bielser erbaute an der Hauptstrasse 90 ein sehr geräumiges Bauernhaus mit Küfer- werkstatt. Das Haus wurde schon 1851 be- zogen. Der behäbige Wohnteil und die bei- Das Haus Schlosstrasse 61. den grossen Scheunentore des Wirtschafts- teils beeindrucken noch heute. Die Jahres- und der Witwe Nebikers Garten. Die Ge- Ökonomieteil umgebaut und in den beiden zahl 1850 und die Initialen J*B weisen über meinde selbst besass hier kein eigenes Land, Stockwerken je eine Schulstube vorgesehen der Hauseingangstüre auf Entstehung und weshalb bald Verhandlungen mit H. J. Biel- war. Bauinspektor Stehle und Schulinspek- Erbauer hin. Nebst der Küferei wurde in die- ser aufgenommen wurden über die Abtre- tor Kettiger wurden vom Regierungsrat zur sem Haus auch eine Fuhrhalterei betrieben. tung seines Hauses an dieser Stelle. Bauin- Stellungnahme zum Baugesuch aufgefor- Später war hier das Prattler Kehrichtabfuhr- spektor Stehle von Liestal bestärkte die Ge- dert. Beide Herren befanden den Schulstu- unternehmen Pfirter AG untergebracht. Heu- meinde in ihrer Ansicht, dass sich dieses benteil als gute Lösung, die beiden Lehrer- te findet sich hier ein Fitness-Studio und ein Haus gut eigne zur Unterbringung der Schule. wohnungen jedoch als zu knapp. Zwischen Architekturbüro. Auch dieses Haus hat also Nach begreiflichem Zögern entschloss sich dem sich für den Umbau energisch einset- einen bemerkenswerten Wandel mitge- die Familie Bielser, ihr erst 14jähriges Haus zenden Gemeinderat und den kantonalen macht. Werner Rohner an die Gemeinde abzutreten. Die Gemein- Behörden fand nun fast ein volles Jahr lang deversammlung vom 14. April 1850 be- ein stetiges Hin und Her statt. Im Herbst QUELLEN: schloss dann den Kauf. Schon anderntags 1851 erteilte dann der Kanton die Baube- Bielser A.: Eine alteingesessene Prattler-Familie. wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Die willigung mit der Auflage, dass im Dach- Heyer H. R.: Kunstdenkmäler des Kantons Basel- Kaufsumme ist darin mit 9500 Schweizer- stock für jede Lehrerwohnung ein heizbares Landschaft Auszüge aus Protokollen des Regie- franken beziffert. Bereits im darauffolgen- Zimmer eingerichtet werde. Der Umbau rungsrates des Kantons Basel-Landschaft. den Monat reichte die Gemeinde das Um- wurde nun sofort an die Hand genommen. Furter M.: Die Bauernhäuser der Kantone Basel- baugesuch ein. Im Wohnteil sollte im Erd- Der östliche Giebel wurde abgetragen und Landschaft und Basel-Stadt. und im Obergeschoss je eine Lehrerwoh- ein neuer 1,80 Meter weiter aussen erstellt, Tanner K. M.: Augen-Blicke. 164 nung untergebracht werden, während der wodurch der Mittelgang und die Schulstu- Zeugin E.: Aus frühern Zeiten. so geglückt wie die Gestaltung der übrigen Geglückte strassenseitigen Fassadenteile. Renovationen und An der Schauenburgerstrasse 1 lädt ein Wirts- Neubauten haus zum Verweilen ein. Ehemals waren hier Kleinbauern zu Hause. Laut Baube- schrieb von 1807 enthielt das Haus «Behau- sung, Scheune, Stallungen und Wasch- haus». Die Besitzer wechselten oft, und es Ein schwieriges Unterfangen ist jeweilen das wurde im Waschhaus nach einer Brennerei Erstellen eines Neubaues im Dorfkern. Sei eine Küferei und später eine Schmiede es, dass eine bestehende Baulücke gefüllt betrieben. Erst 1913 entstand hier eine Das «Höfli» ganz rechts im Bild, heute vorbildlich werden soll, oder dass die Bausubstanz Pinte oder Schenke. 1995/96 wurde dann renoviert und als exquisites Restaurant bekannt, eines Hauses derart schlecht ist, dass eine das Haus in ein Wirtshaus gehobeneren auf einem Linolschnitt von Karl Schwob †, 1930. Rekonstruktion unmöglich erscheint. Wie Standards umgebaut, wobei die alte Bau- soll hier gebaut werden, ohne das umge- substanz so weit als möglich erhalten blieb. wegen seiner stattlichen Höhe. Das Gebäu- bende Ensemble zu stören? Das Äussere des Hauptbaues wurde nicht de entstand, gemäss der heute kaum mehr verändert. Die an die Kirchhofmauern an- lesbaren Jahreszahl auf dem Sturz des An der Mayenfelserstrasse 6 stand inmitten stossenden Nebengebäude konnten ent- Oblichts beim Eingang, im Jahre 1747. Stil- einer malerischen Häuserzeile ein Kleinbau- fernt werden, da sie durch die vielen Um- merkmale wie die Fensterbänke sowie das ernhäuschen, dem man an der Strassenseite bauten keinerlei historischen Wert auf- Oblicht über dem Eingang weisen eindeutig seinen schlechten Bauzustand kaum ansah. wiesen. Es entstand hier ein sauber gestalte- in diese Zeit. Früher im Besitz zweier Famili- ter Neubau, der die Küche und die Neben- en im Stockwerkeigentum nach altem Recht, Der hofseitige Hausteil jedoch war einge- räume enthält. Im Hauptbau betritt man die gehört das Haus heute einem Architekten stürzt, das Haus unbewohnbar und auch der Gaststube, die in ihrer Ausgestaltung an das und seiner Frau. Im Erdgeschoss findet sich scheinbar unversehrte Teil in sehr schlech- alte «Höfli» erinnert. Ein paar Stufen tiefer das Architekturbüro, die beiden oberen tem Zustand. Ein handwerklicher Familien- liegt dann im ehemaligen Keller der Speise- Geschosse und das unterste Dachgeschoss betrieb übernahm das Häuschen, liess es ab- raum mit gewölbter Decke. Die Stimmung bergen die Wohnung. Der bedeutend nied- reissen und richtete es als Wohn- und Ge- in diesen Gästeräumen ist sehr gemütlich. In rigere Ökonomieteil mit dem grossen Scheu- schäftshaus her. Ohne sich altertümlichen der Gaststube tragen hiezu die mit altem nentor ist bis heute nicht ausgebaut und ist Elementen anzubiedern, wurde die Lücke Holz getäfelten Wände und die Holzdecke ungenutzt. Aufgrund archäologischer Unter- mit einem Bau gefüllt, der sich unauffällig bei, im Speiseraum das Raumerlebnis des suchungen sind die Mauern des Kellers teil- den umgebenden Häusern anpasst. Die Aus- Gewölbekellers. Wo früher Schnaps ge- weise römischen Ursprungs. Auf Funde masse und die Dachform wurden vom Vor- brannt, Fässer bereift und Pferde beschla- römischer Bauten stiess man bereits 1961 gängerbau übernommen. Noch sehr gut gen wurden, brutzelt es heute in den Pfan- im «Rumpel». Angesichts der Nähe von erkennbar ist die Zweiteilung des ehemali- nen und duftet es aus den Töpfen. Augusta Raurica wäre eine römische Villa an gen Wohn- und Ökonomieteils. Dies alles diesem Ort durchaus möglich. Das Herrich- wurde mit schlichten baulichen Details Am Eingang zum Rumpel, an der Schauen- ten des Hauses im Jahre 1988 verlangte ein erreicht. Die geschickte Nutzung des frühe- burgerstrasse 17, steht das «Höch Huus». gehöriges Stück Arbeit und finanziellen ren Scheunentores als Schaufenster mit Ein- Diese Bezeichnung ist sehr treffend wegen Aufwand. Ein Beispiel: Die Balkenköpfe des blick in einen Ausstellungsraum scheint eben- seiner erhöhten Lage im Gelände wie auch Stockwerksgebälks und des Dachstuhls 165 putz. Die steinernen Tür- und Fenstereinfas- sungen aus den früheren Prattler Steinbrü- Brunnen im Dorf und chen am Adler und im Zunftacher wurden auf den Nebenhöfen saniert. Die alte Türe mit den breiten Holz- brettern konnte gerettet werden. Das mit Biberschwanzziegeln gedeckte Dach ist gie- belseitig bündig und in Pflaster gelegt, ein sehr typisches Merkmal damaliger Bau- weise. Die Farbgebung ist sehr ansprechend. Nur schade, dass wir von den wohl auf- Die Prattler Brunnen sind durch die Heimat- schlussreichen Gesprächen der damaligen kunde Pratteln, die von Daniel Bruckner im Waschfrauen nichts mitbekommen können. Jahre 1749 als 3. Stück der 23 Faszikel um- s Höch Huus an der Schauenburgerstrasse. Linol- Wenn dieses Häuschen auch relativ un- fassenden «Versuch einer Beschreibung his- schnitt von Karl Schwob† (Karollus). scheinbar an der Hauptstrasse steht, so ist torischer und natürlicher Merkwürdigkeiten es doch ein kulturhistorisches Relikt aus der Landschaft Basel» publiziert wurde, waren grösstenteils abgefault. Dank ge- einer Zeit, in der die elektronisch gesteuerte bekannt geworden. Daniel Bruckner, der schickter Massnahmen konnten praktisch Waschmaschine noch nicht zur Verfügung frühere Basler Staatsarchivar, der die Land- alle alten Balken erhalten bleiben, nur Weni- stand. schaft wie kein anderer kannte, informiert ges musste durch neue handbearbeitete auf Seite 230: «Es hat dieses Dorf – nämlich Eichenbalken ersetzt werden. Die völlig ver- Es wären noch viele andere geglückte Reno- Pratteln – sieben aufgestellte Brunnen des faulte mächtige Laube an der östlichen Gie- vationen zu erwähnen; es konnten hier reinsten und köstlichsten laufenden Was- belseite wurde handwerklich einwandfrei jedoch nur einige typische Beispiele behan- sers, ohne die Brunnen des Schlosses, dar- nachgebaut. Dank der fachkundigen und delt werden. Dank dem Verständnis, ver- unter der so genannte Katzenbrunnen für sorgfältigen Restaurierung hat das «Höch bunden mit teilweise beträchtlichem finan- den besten gehalten wird.» Huus» nach vielen Jahren des Zerfalls seine ziellen Aufwand seitens der Bauherren und ursprüngliche Bedeutung wieder erhalten. dem sorgfältigen Planen der jeweiligen Archi- Gestützt auf diese Information Daniel Bruck- Im Innern strahlen die Räume den beschau- tekten, konnten der Öffentlichkeit viele ners darf man annehmen, dass sich damals lichen Zauber längst vergangener Zeiten Gebäude erhalten bleiben, die ästhetisch zu im Prattler Schloss mehrere, aber mindestens aus, obwohl sowohl die Raumeinteilung wie erfreuen und baugeschichtlich zu fesseln zwei Brunnen, befunden haben, was eine auch die Einrichtung keine Wünsche an vermögen. Werner Rohner Brunnen-Gesamtzahl von neun bis zehn modernes Wohnen offen lassen. Brunnen in einem relativ kleinen Bauerndorf QUELLEN: von kaum 600 Einwohnern mit 160 Haus- Dem Motto «klein, aber fein» oder auf Gut- Schauenburgerstrasse 1: Fritz Sutter und Rudolf haltungen ergibt. Dieser Brunnen-Reichtum deutsch «small is beautiful» ist ein besonde- Weisskopf im Prattler Anzeiger vom 26.11.96; hängt auch damit zusammen, dass an den res Häuschen gewidmet. Vorgelagert dem Schauenburgerstrasse 17: Protokoll des Regie- Nord- und Nordwesthängen des Madlens, Meierhof an der Hauptstrasse 82 steht frisch rungsrates vom 24.1.95; den Osthängen des Ebnet und der Bergre- herausgeputzt ein «Buchhüsli». Heute wür- Hauptstrasse 82 A: Protokoll des Regierungsrates ben sowie des Nordhangs des Zunftackers de man es banal Waschhaus nennen. Schon vom 14.4.99. zahlreiche Quellen austraten, die gefasst 1830 im Brandlagerbuch erwähnt, stand es und mittels Teuchelleitungen – ausgebohr- am damals noch offen fliessenden Erlibach. ten Föhrenstämmen – zu den so genannten 166 Das Mauerwerk trägt einen passenden Ver- laufenden Brunnen im Dorf geleitet wurden. Diese laufenden Brunnen dienten, weil da- mals eine eigentliche Wasserversorgung zu den Haushaltungen noch nicht existierte, als Trinkwasser-Reservoire und vor allem als Tränkestelle für das Vieh. Vom Brunnen wur- de das benötigte Trinkwasser in die Haus- halte geholt; das nicht gebrauchte Brunnen- wasser versickerte in eigens angelegten «Ag- den», so genannten Schächten, die bis auf den Kies- oder Mergeluntergrund abgeteuft waren, oder wurde in den Talbach geleitet. Anlässlich der Renovation des Bürgerhauses und des Aushubs der Landi-Baugrube hat man solche «Agden» aufgedeckt, die an ihrer tiefsten Stelle mit grossen Rhein-Wa- cken ausgefüllt waren, um das nicht ge- nutzte Wasser in den Untergrund abzuleiten.

Die von Daniel Bruckner überlieferten Pratt- ler Brunnen waren wahrscheinlich noch aus Holz erbaut; erst zu Beginn des 19. Jahrhun- 1987 wurde im Zuge der Neugestaltung des Dorfplatzes der Dorfbrunnen vor das Bügerhaus versetzt. derts wurden steinerne Brunntröge und Brunnstöcke erstellt. Die Brunnen wurden in zernen «Bückti» zu erfolgen, um jegliche Ver- Der Brunnstock wird in der Regel durch eine der Regel mit einem grossen Brunnentrog unreinigung des Wassers zu verunmöglichen. Eichel-Frucht, einem alten Fruchtbarkeits- und einem kleinen Überlaufbecken in Form Symbol, oder eine Kugel bekrönt. eines kleinen Trogs aus heimischem Kalk- Eine grosse Mehrheit der alten Prattler Dorf- stein erstellt. Der grosse Trog war für die brunnen basiert auf der Grundform von Die Prattler des 19. Jahrhunderts schrieben Viehtränke und als Trinkwasser-Reservoir Brunnenstock, Brunnenröhre, grossem und dem Wasser des Jungfernloch-Brunnen, dem konzipiert; aus dem kleineren Trog durfte nachfolgend kleinem Brunnentrog. Ausnah- Brunnen beim Lilienhof, besondere Heil- das Wasser für die Wäsche entnommen men sind der «Nägelin-Brunnen» vor dem kraft zu und verwendeten das mineralhalti- werden. Aber aufgrund eines Gemeinde- Altersheim der «Nägelin»-Stiftung an der ge und kalte Quellwasser, wie Susi Meier- rats-Erlasses war es bereits zu Beginn des Bahnhofstrasse, der Burggartenbrunnen, vis- Dill berichtet, als Medizin bei Kopf- und 19. Jahrhunderts verboten, direkt am und à-vis des Restaurant «Central» an der Burg- Gliederschmerzen sowie bei Übelkeit. Auch im Brunnen zu waschen und diesen zu ver- gartenstrasse und der im Stil des Empire der frühere Bürgerrat Andreas Maurer- unreinigen. Zu wiederholten Malen hatten schalenförmig gestaltete Brunnen im Joe- Weisskopf erinnert sich noch sehr gut der sich Waschfrauen, die dieses Verbot miss- rinpark. Ausser dem Engel-Brunnen, der vier vierziger Jahre, als er auf Geheiss seiner Mut- achteten, vor dem Prattler Verhörgericht zu Brunnenrohre, und dem Schmiedeplatz- ter Wasser vom Jungfernlochbrunnen im Beginn des 19. Jahrhunderts zu verantwor- Brunnen, der zwei Brunnenrohre aufweist, Milchkesseli zu holen hatte. Die Quelle des ten und wurden mit empfindlichen Geld- verfügen alle Dorf-Brunnen nur über eine Brunnens oberhalb des heutigen Standorts strafen belegt. Das Waschen der Wäsche Brunnenröhre, die das Wasser in den gros- auf Käppelimatt macht wahrscheinlich, dass hatte ausserhalb des Brunnens in einer höl- sen Trog leitet. die Kapelle, die durch den Prattler Dorfherr 167 im 15. Jahrhundert erbaut worden war, Katzenbrunnen direkt neben der Quelle am Weg von der Schauenburgerstrasse/Steinenweg, vis-à-vis Hohlen Gass zum Erli errichtet wurde. Leider «Höches Huus» ist diese Kapelle bereits 1529 abgebrochen Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit worden. Aus ihren Bausteinen errichtete man Eichel. Gemäss Daniel Bruckner lieferte die- das heutige Pfarrhaus bei der reformierten ser Brunnen das beste Wasser. Kirche. Kirschgarten-Brunnen Mayenfelserstrasse 28 Inventar der Prattler Dorfbrunnen in Grosser Brunntrog, aufgeteilt in Brunn- und alfabetischer Reihenfolge Überlauftrog, Brunnstock mit Eichel. Errich- Burggarten-Brunnen tet von Johannes Martin, früherer Oberleh- Vis-à-vis Restaurant «Central», an Joerin- rer, Gemeinderat und Gemeindepräsident park grenzend um 1850 vor dessen Bauernbetrieb an der Brunntrog ohne Überlauftrog, massiver quer- Mayenfelserstrasse 29. rechteckiger Brunnstock, mit Eichel. Lindli-Brunnen Engel-Brunnen Hauptstrasse 95 Vor dem Hotel «Engel», Hauptstrasse Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit Achteckiger Trog, Brunnstock mit figürli- Eichel. chem Kapitell, bestehend aus vier Enten und vier Röhren. Das frühere kleine Über- Nägelin-Brunnen laufbecken wurde leider bei der Brunnen- Bahnhofstrasse, vor dem Altersheim Näge- Renovation entfernt. lin-Stiftung Fernab vom Dorf wurde 1995, in unmittelbarer Brunn- ohne Überlauftrog, markanter Brunn- Nähe des Schwimmbads, nach abgeschlossener Hessenbrunnen stock mit Kugel. Feldregulierung, der Lölibrunnen errichtet. Mayenfelserstrasse 13 Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit Ochsen-Brunnen Schmiedeplatz- bzw. Dorfplatz-Brunnen Kugel. Hauptstrasse 54 Der Schmiedeplatz-Brunnen wurde vom Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock ohne alten Standort schräg vis-à-vis des Dietler- Joerin-Brunnen Bekrönung. Hauses im Zuge der Neugestaltung des Restaurant «Zum Park», Hauptstrasse 5 Prattler Dorfplatzes im Jahre 1987 an den Eleganter gerippter, schalenförmiger Trog Rumpel-Brunnen heutigen Standort vor der «Alten Schule» ohne Überlaufbecken, Brunnstock mit Urne Schauenburgerstrasse 27 und dem «Bürgerhaus» versetzt. bekrönt. Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit Brunn- mit poligonem Überlauftrog, Brunn- Eichel. stock mit zwei Röhren, bekrönt mit Eichel. Jungferloch-Brunnen (auch Lilienhof- Brunnen) Schloss-Brunnen Schmiedestrasse-Brunnen Hauptstrasse 76, beim Lilienhof Im Schlosshof, Oberemattstrasse 1 Schmiedestrasse 16 Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit Wandbrunnen im Schlosshof, anlässlich der Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock ohne 168 Kugel. Schloss-Renovation 1966 erstellt. Bekrönung. Schützenweg-Brunnen Hofgut Mayenfels-Brunnen Ecke Viaduktstrasse/Mittlerefeldstrasse: Schützenweg 8 Beim Hofgut Mayenfels Wandbrunnen Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock in Pyra- Halbrund-Schale aus gelbem Kalk mit halb- Eichel. mide auslaufend. runder Wandbrunnen-Verkleidung mit einer Brunnenröhre. Wahrscheinlich ebenfalls ein Vereinshausstrasse-Brunnen Höchenrain-Brunnen Werk des Prattler Bildhauers Carl Bielser aus Vereinshausstrasse 21 Beim Herrschaftshaus Höchenrain den vierziger Jahren. Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit Konvexer Brunn- ohne Überlauftrog, Brunn- Eichel. stock mit geschweiftem und profiliertem Zunftackerrain-Waldung. Waldbrunnen Aufsatz mit Kugelbekrönung. Zuleitung aus Quelle des Zunftackerrains. An- gelegt aus Abschluss der Feldregulierung. Lindenhof-Brunnen (oberer Talhof) Fritz Sutter Beim Lindenhof wurde 1974 der ehemals Brunnen auf den vor dem Wirtshaus zum Schloss und vor der QUELLEN: Prattler Nebenhöfen Metzgerei Atz stehende und 1967 entfern- Bruckner, Daniel: Versuch einer Beschreibung his- Ebnet-Brunnen te Brunnen wieder aufgestellt. Dieser Brun- torischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Beim Hofgut Ebnet nen wurde 1896 errichtet. Landschaft Basel. Faszikel 3: Prattelen. Basel, 1749. Brunn- mit ovalem Überlauftrog, Brunnstock Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock mit in Obelisk auslaufend. Eichel, auf dem Brunnstock die Jahreszahl 1974, die Jahrzahl der Wiederaufstellung. Herrschaftsgut Mayenfels-Brunnen Beim Herrschaftsgut Mayenfels Brunnen und Brünnlein im Dorf Brunn- mit Überlauftrog an der Längsseite, Brunnstock in Obelisk auslaufend. Bahnhofplatz Brunnen in Form eines Pokals auf rundem Hofbrunnen im Tal Standfuss. Gelber Kalkstein, Durchmesser der Der ehemalige Haupttrog des Talhof-Brun- Brunnenschale ca. 1 m. Aus der Brunnenröh- nens dient heute als Rinder-Tränke des re aus der Schale ergiesst sich das Wasser in Lindenhof-Jungviehs. Der Überlaufbrunnen die Schale. Werk des Prattler Bildhauers Carl und der Brunnstock werden nicht mehr ge- Bielser aus den vierziger Jahren. Auf dem braucht, sind aber noch vorhanden. Fuss vier sechsblättrige Blumen.

Hofbrunnen Neu-Schauenburg Tram-Endhaltestelle: Traugott Sutter-Brunnen Hofgut Neu-Schauenburg Quadratischer Brunnen aus Kalkstein mit Brunn- mit Überlauftrog, Brunnstock in vier Röhren, die aus dem Brunntrog erwach- Obelisk auslaufend, von Kugel bekrönt. sen. Inschrift: 1947 / Traugott Sutter / Brun- nen der Schuljugend gew. vom VVPA. Auf Hofbrunnen Schönenberg drei Seiten figürliche Reliefs, darstellend Hofgut Schönenberg Knabe mit Vogel, «Böckli-Gumper», Mäd- Brunn- ohne Überlauftrog, Brunnstock von chen mit Blume. Über Inschriftfeld links oben Kugel bekrönt. bezeichnet mit C(arl) Bielser. 169 und hätten die kostbare Weinfracht in blu- Jahrhunderts einsetzte, sind vielfältig. Einer- Der Rebberg mengeschmückten Fässern heimgefahren. seits machte den Rebbauern das Aufkom- So habe man 1727 und 1757 nicht weniger men des echten und falschen Mehltaus als 4000 Saum gekeltert, was 60000 Liter sowie die durch den Bahnbau geförderte entspricht. Angesichts dieser lockenden Ein- Einfuhr billigen ausländischem Weins zu nahmequelle gab es natürlich auch Tenden- schaffen, anderseits liess die vor allem nach zen, den Weinberg zu vergrössern, d.h. dem Zweiten Weltkrieg einsetzende Nach- neue Rebstöcke zu pflanzen, wie das der frage nach schönem Bauland das Interesse Flurname Neusatz festhält. Doch die Obrig- am Weinbau versiegen. Die Statistik macht «Z Rieche im Schlipf keit wusste das unkontrollierte Wachstum es deutlich: 1807 umfasste das Prattler Reb- z Gränzach am Horn zu bremsen: Um den ebenfalls lebenswichti- gelände 47 ha (36 ha Feldreben, 11 ha Berg- und z Prattele im Fäld gen Getreideanbau nicht zu beeinträchti- reben), im Juni 2002 dagegen nur noch 7,5 wachst der beschti Wy gen, erliess sie verschiedentlich sowohl im ha Bergreben. Der Verlust der Feldreben ist uf der ganze Wält.»1 17. wie auch im 18. Jahrhundert Verbote umso bedauerlicher, als die Qualität des gegen das Einschlagen, d.h. das Umwan- Feldrebenweins um einiges besser gewesen deln der Äcker in Matten oder Rebland. sein soll als jene der Bergreben. Die Ausdehnung des Prattler Rebbergs – früher und heute Zur Zeit Bruckners und bis weit ins 19. Jahr- hundert hinein pflegte Pratteln wie auch andere Baselbieter Weinorte den Weinbau Das Herbsten Pratteln hat verschiedene Wahrzeichen: das nicht nur am Berg, sondern auch in der Schloss, die Bohrtürme der Saline, die Auto- Ebene. Die Feldreben reichten nördlich der bahnraststätte und – last but not least – den Bahnlinie vom Gallenweg bis zum Wannen- «Der Herbst war ... der Höhepunkt alles Rebberg. Er gehört schon immer ganz boden und südlich der Bahn vom Zweien bis Vergnügens im Jahr», schreibt Johann Mar- selbstverständlich zur Identität des Dorfes. ins Habertürli gegen den Bahnübergang tin-Heggendorn in seinen Prattler Erinne- Die erste schriftliche Erwähnung des Reb- beim Buholz.3 Heute erinnern nur noch Flur- rungen 1867, und auch heute noch ist das baus in Pratteln wurde in einem Zinsbuch namen an diese «gute alte Zeit». Die ehe- Herbsten Höhepunkt des arbeitsintensiven des Klosters St. Alban aus dem Jahre 1284 maligen flachen Parzellen der Feldreben Traubenjahres. Vor der Französischen Revo- nachgewiesen. Das Kloster besass damals sind in ihrer grossen Mehrzahl überbaut lution war die Festlegung ihres Beginns nebst anderem Landbesitz eine Jucharte (= worden. Eingeleitet wurde diese Entwick- Sache der Zehntherren, im 19. Jahrhundert 28 Aren) Reben. Literarisch fassbar wird der lung 1875 mit dem Bau der Bözbergbahn, legte dann die Gemeindeversammlung den Prattler Rebbau dann wieder 1749; damals die das Rebgelände an verschiedenen Stel- Beginn fest und heute entscheidet jeder ein- rühmte Daniel Bruckner in seinen «Histori- len durchschnitt. Eine Arealverkleinerung er- zelne Rebbauer individuell. So wie früher schen und natürlichen Merkwürdigkeiten fuhren auch die Bergreben: Nicht nur wur- die Gemeindeversammlung den Beginn des der Landschaft Basel» 1749: «Der Wein von den die Reben 1923 beim Schauenburger Herbstens mit der Grossen Glocke einläuten diesem Weinberge, insonderheit der rote, Gut gereutet, auch im Essig und auf dem liess, so war damals auch das Herbsten eine kan gar wol unter die guten und kräftigen Chäferberg gehört heute der Rebbau weit- Angelegenheit der Dorfgemeinschaft. «Wenn unserer Land- und Nachbarschaft gezählet gehend der Vergangenheit an. ein ‹Bückti› mit Trauben gefüllt war, ertönte werden.»2 In guten Jahren, so berichtet ein Schuss. Am Abend läutete es mit der Bruckner weiter, seien darum jeweils die Die Gründe für die Arealverkleinerung der Betzeitglocke ‹aus den Reben› und in lan- 170 Wirte aus dem ganzen Baselbiet gekommen Rebfläche, die in der zweiten Hälfte des 19. gen Zügen fuhren die Wagen ins Dorf. Im Burggarten ertönte der schwere Mörser. Bei ist, so wird er heute in der Regel professio- Licht wurde abgeladen, und Knaben zer- neller betreut als früher, indem sich der stampften barfuss im Trottgeschirr, als noch 1930 gegründete Weinbauverein der Sor- keine Mühlen vorhanden waren, die Trau- gen und Nöte der 29 Winzer annimmt und ben ... Um 1800 standen im Trottgebäude sie in allen wichtigen Fragen des Weinbau- sechs grosse Baumtrotten. Die ‹Bäume› wa- jahres berät und ihnen unter der Leitung des ren ungefähr 40 Fuss lang, am äussern Ende Rebbauwärters auch rebbautechnische Kur- hing ein Stein von 20 Zentnern Gewicht. Die se anbietet. In die 75 071 m2 des Rebbergs schweren Eichstämme von dreieinhalb Fuss teilen sich zwei Berufswinzer mit 33983 m2 Dicke zog man mittels einer hölzernen Spin- und 27 Freizeitwinzer mit 41088 m2. Ent- del auf und ab; während es abwärts allein sprechend differiert auch die Parzellengrös- ging, mussten aufwärts drei Männer die se; die kleinste zählt 191, die grösste 4484 Spindel herumtreiben...»4 Im April 1877 m2.5 Dass die meisten Winzer den Weinbau musste das Gebäude mit den Gemeinde- nicht als eigentlichen Beruf, sondern als trotten dem Burggartenschulhaus weichen. Nebenbeschäftigung betreiben, hat in Prat- teln eine lange Tradition. Denn im Dorf des späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sahen sich viele alteingesesse- Der Rebberg zu Beginn ne Prattler aus ökonomischen Gründen des dritten Jahrtausends und genötigt, die schmale Haushaltkasse eines Salinen- oder Bahnarbeiters mittels Wein- der Weinbauverein produktion etwas aufzubessern. Im Prattler Lied heisst es nicht zufällig, «E rächte Pratt- Stickel-Rebpflanzung (Blauburgunder) im Prattler Wie sieht der Prattler Rebberg zu Beginn ler het dernäbe / aber no ne Stückli Räbe...». Rebberg. des dritten Jahrtausends aus? Zunächst eine Diese ökonomische Seite des Weinbaus hat nicht unwichtige juristische Feststellung: Sie sich natürlich heute weitgehend verloren. nach der alten Methode des Stickelbaus bezieht sich auf den Prattler Zonenplan, wo bewirtschaftet. Seit der Mechanisierung des seit 1960 festgehalten wird, dass die im Und wie steht es mit der Ernte? Der Kanton Rebbaus, die nach dem Zweiten Weltkrieg «geschlossenen Rebberg» liegenden Parzel- Basel-Landschaft kennt die Ertragsbeschrän- in den sechziger Jahren einsetzte, wurden len ihrem ursprünglichen Zweck nicht ent- kung – sie beträgt beim roten Gewächs die Rebbergböden von Jahr zu Jahr grüner, fremdet werden dürfen und damit der Bau- 1000 g/m2 und beim weissen 1200 g/m2, was die Gefahr der Erosion bei starken Nie- Spekulation entzogen sind. Es ist diese öf- doch ist der Weinbauverein darüber hinaus derschlägen reduzierte. Dank der Begrü- fentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung bestrebt, die Qualität durch rigorose Men- nung kann heute auch das während des – sie wurde vom Rebbauverein am 15. genreduktion zu steigern. Gegenwärtig wer- Rebjahres anfallende Schnittgut besser ver- Dezember 1946 gutgeheissen – die letztlich den auf 49034 m2 roter und auf 26037 m2 rotten. dafür gesorgt hat, dass der Rebberg in sei- weisser Wein angebaut. Es zeugt von der nem heutigen Umfang auch kommenden Experimentierfreudigkeit der Winzer, dass Eine der primären Aufgaben des Weinbau- Generationen erhalten bleibt. mehr als 20 Sorten angepflanzt werden. vereins, der gegenwärtig 129 Mitglieder zählt, ist es, im Rebberg für Ordnung zu sor- Wenn auch der Prattler Rebberg seit den Die Prattler Reben werden zu 99 Prozent am gen und ihn zu schützen, was besonders im Zeiten Bruckners sehr viel kleiner geworden Drahtbau gezogen, ca. ein Prozent wird Spätherbst Not tut, wenn die Beeren reifen. 171 In diesem Sinn wurde der Rebberg bis 2000 und dazu einfache Speisen auftischen kann, Butz, der jeweilen am Fasnachtsmontag statt- zur Zeit der Traubenernte für ein weiteres soll auf Karl den Grossen (768–814) zurück- findet und 1852 folgendermassen ablief: Publikum gänzlich geschlossen, ein Relikt gehen, der auch bestimmte, dass diese Wirt- aus der Zeit, da ökonomische Knappheit schaften mit einem Kranz, Blumenstrauss «Wir bettelten bei einem Bauern einen klei- herrschte und es galt, Traubendieben zuvor- oder Meien zu kennzeichnen wären – daher nen Leiterwagen und stellten in jede Ecke zukommen. Auch heute noch obliegt den der Name Straussen- oder im Baselbiet Mei- ein Tännlein, das mit zusammengebunde- Mitgliedern des Weinbauvereins in der Rei- enwirtschaft. Im Baselbiet sind Eigenge- nen farbigen Bändern geschmückt war. Im fezeit die Traubenhut; es gilt den Rebberg wächswirtschaften seit dem Mittelalter be- Wagen lag ein Fässlein, das von einem grös- auf Kreuz- und Querwanderungen mittels kannt. Noch im 19. Jahrhundert erfreuten seren Knaben, dem ‹Bacchus› gehütet Pistolenschüssen zu schützen – nicht gegen sie sich grosser Beliebtheit, sie boten damals wurde. Er trug ein grosses weisses Männer- den Menschen, sondern gegen die gefrässi- Wein- und Kleinbauern eine wichtige Ab- hemd, unter das viel Stroh gestossen wurde, gen Stare. satzmöglichkeit. Da gab es Sauser und Wein damit der Bacchus eine üppige Figur dar- in offenem Ausschank, Obst, selbstgeba- stellte: Während einige Buben den Wagen ckenes Bauernbrot mit Nüssen aus eigener durch das Dorf zogen, rief der Bacchus Ernte, sowie Speck, Blut- und Leberwürste. immerfort: Durst, Durst. Zwei Knaben im Eine Prattler Doch ab 1950 wurde dieses verbriefte Recht Blüüsli und Sennenkäppli und mit Stytzen Eigengewächswirtschaft – es hat auch im Gastwirtschaftsgesetz von (Küferkübel oder Krug) ausgerüstet, amte- 1959 Eingang gefunden – während 40 Jah- ten als Küfer und pumpten in allen Häusern ren im ganzen Kanton nie mehr in Anspruch Wein für das Fass des Bacchus. Ein anderer Wer die Prattler Wirtshausnamen durchgeht, genommen. 1990 zeichnete sich eine Wende Knabe, der ‹Tell› mit der Armbrust, führte wird unschwer feststellen, dass es gewisser- ab: Der Klushof bei Aesch liess erstmals die das ‹Weibchen› am Arm, das einen Korb massen zwei Schichten gibt – altvertraute, alte Tradition wiederaufleben, 1993 folgte trug. Ich spielte auch einmal das Weibchen traditionelle und zeitgenössische. Während der von der Familie Fritz Schneider bewirt- und bettelte Eier zusammen… Zum Perso- Bistro-Tante Schuggi, Dario Da Pippo, Gale- schaftete Hof Leuengrund mit seinem Reb- nal des ‹Butz› gehörte auch der ‹Doktor› im ria GmbH, Grotto Gianini, Kentucky Saloon, berg: «Die Menschen suchen heute das Frack und Zylinder, der in einem umgehäng- Merkur espresso, Pub Fourteen, Swiss Cha- Ursprüngliche und Einfache, als Gegenpol ten Kistchen Fläschchen hatte und die darin let zur Krummen Eich unverkennbar «neu- zur täglichen Nahrung, welche oft sehr weit enthaltene ‹Medizin› den Erwachsenen zu modischen» Ursprungs sind, haben Bahn- transportiert wird und anonym ist. Es wird verkaufen suchte... Auch der ‹Kärtlimann› in hofbuffet, Burggarten, Egglisgraben, Engel, geschätzt, den Wein direkt beim Erzeuger, seinem mit Jasskarten benähten Kleid und Höfli, Landhof, Linde, zum Park, Saline, dem Rebbauer, zu geniessen.»6 der über und über mit Tannzweigen ausstaf- Schlossgarten, Schützenstube, Solbad, Tram- fierte ‹wilde Mann› pumpten Geld in jedem stübli, Weiermatt, Ziegelhof Tradition im Hause, erhielten aber meistens nur Rappen. Rücken. Zu Mittag wurde abgebrochen. Eine alte Der Prattler Butz, Frau buk einen Eiertätsch. Aus dem Geld Merkwürdigerweise gibt es aber auch ein ein alter Heischebrauch wurde noch etwas zum Mittagessen ge- Restaurant, das sich im Telefonbuch unter kauft und der Wein dazu getrunken.»7 dieser Rubrik nicht finden lässt. Die Rede ist von der Eigengewächswirtschaft Leuengrund. Dem Rebberg verdankt in einem gewissen Auch wenn der Butz seit 1852 kleinere Der Rechtsbrauch, dass der Weinbauer wäh- Sinn die grösste und älteste Industriege- Modifikationen erfahren hat, so ist er doch rend einer Dauer von wenigen Wochen den meinde des Kantons auch einen alten, eigen- im Baselbiet noch immer «der einzige alte 172 eigenen Wein im eigenen Haus verwirten artigen Heischegang, den so genannten und ohne Unterbruch geübte grössere Hei- schebrauch»8. Seine zentrale Figur des rö- Das Rebhäuschen mischen Weingottes Bacchus erinnert an den Prattler Rebberg. und das Hagenbächli

Im Kapitel «Rund um den Rebberg» ver- diente eigentlich auch die Flora des Reb- bergs – erinnert sei insbesondere an die Traubenhyazinthe und die Wildtulpe – eine Erwähnung; sie bleibt aber dem Botaniker vorbehalten. Dr. René Salathé «Zweifelt etwann noch jemand an der Er- götzung, an der Lust, welche die Betrach- QUELLEN: tung natürlicher Merkwürdigkeiten beglei- Die Inschrift am Rebhäuschen erinnert an die 1, .2, 3, 4, 5 Die im Folgenden aufgeführten statisti- ten, der trete mit uns in die angeneme und Basler Trennungswirren der Jahre 1831–33. schen Angaben verdanken wir dem Rebwärter gesunde Gegend Prattelen... Er betrachte Jörg Bielser. allhier in einer grossen Ebene die weitläufi- berg zu entdeckende «historische Merk- 6 Baselbieter Wein, Liestal 2002, S. 32. gen und futterreichen Wiesen. Voll frucht- würdigkeit» ergänzt worden, den Hinweis 7 Strübin Eduard: Jahresbrauch im Zeitenlauf. Kul- barer Bäume, sonderlich in der Nähe des nämlich auf das älteste in Pratteln noch turbilder aus der Landschaft Basel, Liestal 1991. Dorfes, von allerlei Gattungen und Arten erhaltene Rebhäuschen. An der Peripherie S. 128 ff. B. ebd. S. 138. des niedlichsten Obstes. In den an diesen des Weinbergs gelegen, diente es noch bis Wiesen gelegenen Weinbergen kan er durch in die fünfziger Jahre dem «Bamert», dem bedächtliches Anschauen der Weinstöcke in Feld- und Rebenwart, als «Bamerthäuschen». ihrem Wachsen, Grünen, Blühen, Verblühen, Heute verwendet es der Rebbauernverein Zunehmen, Reifen und andere Verände- für Besprechungen und Sitzungen. Entspre- rungen mehr, versuchen, ob daher keine chend ist das Häuschen in den achtziger Freude und Vergnügen in seinem Gemüte Jahren einer gründlichen Renovation unter- entstehen mag. Der Wein von disem Wein- zogen worden und so vermag an kühleren berge, insonderheit der rote, kan gar wol Abenden ein neu eingebauter Cheminée- unter die guten und kräftigen unserer Land- Ofen behagliche Wärme auszustrahlen. und Nachbarschaft gezählet werden.»1 Noch ist aber das Geheimnis, warum dieses So hat Daniel Bruckner 1749 seinen Lesern Häuschen den Anspruch stellen kann, unter den Rebberg von Pratteln im «Versuch einer die «historischen Merkwürdigkeiten» unse- Beschreibung historischer und natürlicher res Kantons eingeordnet zu werden, nicht Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel» gelüftet. Eine Inschrift auf der dorfwärts mit viel Sinn für Schönheit, Wachsen und gerichteten Nordseite verrät es: «Die er- Gedeihen der Reben vor Augen geführt. kenfte Freiheit im Jahre 1832 HST» heisst es Wäre sein Natur- und Geschichtsführer 100 da sehr selbstbewusst. Und wer es nicht nur Jahre später entstanden, dann wäre zwei- mit Buchstaben und Jahreszahlen halten fellos die Beschreibung der «natürlichen möchte, wird auch graphisch darin bestärkt, Merkwürdigkeiten» durch einen Hinweis dass das «Bamerthäuschen» zur Zeit der auf eine seit 1832 ebenfalls im Prattler Reb- Trennungswirren erbaut worden sein muss. 173 Dem Freiheitsbaum als revolutionärem Sym- Mauerwerk, sein Obergeschoss in vorkra- bol hielt das Baselbiet über die Franzosen- gendem Fachwerk aufgeführt. Das Sattel- zeit Treue. Im Zeichen der Pariser Juli-Revo- dach steht giebelständig zum Hang.2 Vom lution von 1830 und der liberalen Volksbe- schmucken Häuschen aus geniesst man wegung trat er zur Zeit der Trennungswirren einen weiten Blick über das Dorf und seine gehäuft auf, aber auch später blieb er un- Umgebung. Dr. René Salathé vergessen. Als man 1844 in Basel gleichzei- tig das Jubiläum der Schlacht von St. Jakob 1 Bruckner S. 2671 und das eidgenössische Schützenfest feier- 2 Beschreibung nach Heyer Hans Rudolf: Die te, da sprudelte beispielsweise aus einem Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Landschaft, wohl nicht ganz zufällig vor den Toren Band 11, Bezirk Liestal, Basel 1974, S. 371. Basels in Pratteln errichteten Freiheitsbaum «in starkem Born reines, geistiges Schwei- QUELLEN: zerblut».1932 feierte Liestal das 100jährige Strübin Eduard: Die Baselbieter Freiheitsbäume, Bestehen des Kantons mit einer 26 m hohen in Baselbieter Heimatblätter, 1974, S. 385-401. Freiheitstanne. Am Ende der Feier wurde Trümpy Hans: Der Freiheitsbaum, in: Schweiz. der Baum zerlegt: Bessere Stücke dienten Archiv für Volkskunde, 1961, S. 103-122. zur Erneuerung des Rathaussaals, kleinere Scheiben wurden als Erinnerungsstücke ver- schenkt. Den vorläufig letzten Freiheitsbaum sah Liestal 1975 vor dem Regierungsgebäu- Das älteste Prattler Rebhäuschen, das vom Pfar- de: Er war Symbol des Widerstandes gegen rer Hagenbach im 17. Jahrhundert erbaut und das Atomkraftwerk Kaiseraugst und ver- 1952 total neu aufgebaut wurde. Foto vor 1952. deutlichte die von 13 000 Bürgern und Bür- gerinnen unterschriebene Anti-AKW-Petition. Zwei schlanke, den Schriftzug beidseitig flankierende Tannen-Freiheitsbäume bewei- Pratteln besitzt noch ein zweites, im Riegel- sen es. baustil erbautes Rebhäuschen; es steht hart auf der Kante des Hügelzuges südlich über Auf Kantonsgebiet gibt es kein anderes Ge- dem Dorf. Sein Erbauer, Pfarrer Hagenbach bäude, das mit einer bildlichen Darstellung (1596–1668) hat ihm den Namen gegeben; von Freiheitsbäumen aufwarten könnte. Da- ihm soll es auch als Studierstube gedient bei spielen doch Freiheitsbäume in der Basel- haben. Sein Sohn liess das Lust- und Reb- bieter Tradition mindestens seit Januar 1798, haus samt dazu gehörigen Matten und als unmittelbar vor dem Einmarsch der Fran- Reben 1712 testamentarisch dem Prattler zosen in Liestal, ein «Tännlin» am Spitalbrun- Pfrund- oder Pfarrgut einverleiben. 1926 nen angebunden wurde, eine grosse Rolle. übertrug das Kirchen- und Schulgut das Le- Mit seinem aufgesetzten «Freyheits-Käpplin», gat der Einwohnergemeinde Pratteln, die es einer Jakobinermütze, verriet das aus Frank- 1952 in Folge Baufälligkeit abtragen und reich importierte Symbol unmissverständ- durch freiwillige Helfer rekonstruieren liess. 174 lich seine politische Herkunft und Botschaft. Das Untergeschoss des Hagenbächli ist in Die Friedhöfe

Die Geschichte der Friedhöfe in Pratteln reicht weit in das Mittelalter zurück und hängt mit der Errichtung der Dorfkirche im Ruinenfeld eines römischen Landwirtschafts- betriebes – einer sogenannten Villa rustica – zusammen, deren luxuriöses und mit Säulen ausgestattetes Herrenhaus dort stand, wo sich heute das «Höche Huus» erhebt, das 1747 auf römischen Grundmauern errichtet wurde. Gestützt auf das Patrozinium der vorreformatorischen Kirche, die St. Leode- Der Friedhof bei der Kirche wurde im Jahre 1826 aufgehoben. Die Toten wurden ohne Kennzeich- gar, dem am 2. Oktober des Jahres 678 er- nung der Grablege bestattet; es gab also keine Grab- oder Gedenksteine. Ausschnitt aus einer Goua- mordeten Bischof von Autun im Burgund che von Emanuel Büchel 1735. geweiht wurde, erfolgte die Errichtung wahrscheinlich im achten Jahrhundert und der heiligen Odilie, gilt heute nach allgemei- verbunden war. Der mit dem Bau der Kirche zwar durch das Kloster Murbach im Elsass, ner Ansicht als der Stammvater der Habs- errichtete Friedhof wurde mit einer Umfas- das in Pratteln den Herrenzehnten und burger, die sehr früh bereits grossen Besitz sungsmauer umgeben, an die an der Ost- einen Dinghof besass und dem Murbach im Elsass besassen und als Landgrafen und und Nordseite Häuser angebaut wurden, faktisch gehörte. Wie die Kirchenpatronate Kastvögte des Klosters Murbach amteten. die heute den typischen Kirchenbering, den der umliegenden Gemeinden verraten, die Weil der im Jahre 691 heiliggesprochene ältesten Teil Prattelns auf dem Weg zur ebenfalls Patrone aus dem fränkischen Leodegar zum Kirchenpatron des im Jahre Dorfwerdung, repräsentieren. Zur Kirche und Raum führen, gehörte Pratteln damals mit 728 durch den Wanderbischof Pirmin ge- dem Friedhof gehörte auch ein Beinhaus, Muttenz und Arlesheim zur fränkischen Ein- gründeten Benediktinerklosters Murbach er- das dem Erzengel Michael geweiht war, und flusssphäre. Während in Muttenz St. Arbo- wählt wurde, ist es wahrscheinlich, dass die auch in Pratteln urkundlich bezeugt ist. Im gast, ein Strassburger Bischof des 7. Jahr- Murbacher Mönche die Prattler Kirche er- Beinhaus wurden die Gebeine der Bestatte- hunderts als Patron eingesetzt wurde, wählte baut und auf diese auch den Namenpatron ten aufbewahrt, wenn diese einer Nachbe- man in Arlesheim die Nichte des Prattler Kir- St. Leodegar übertragen haben. stattung weichen mussten. Die Trennung des chenpatrons Leodegars und Tochter des Friedhofs von der Kirche erfolgte im Jahre ersten Herzogs des Elsass’, Etticho I., die hei- Gestützt auf die erste Kirchengründung im 1826, als der Friedhof bei der Kirche aufge- lige Odilie, zur Patronin. Leodegar war näm- achten Jahrhundert kann man davon ausge- geben und ein neuer Gottesacker östlich des lich der Bruder der Bereswinda, der Ehegat- hen, dass seit dem Zeitpunkt der Kirchen- Schlosses – an der Stelle des heutigen Feuer- tin von Etticho I. Herzog Etticho I., der Vater gründung immer ein Friedhof mit der Kirche wehrmagazins – errichtet wurde. 175 Der Friedhof bei der Kirche

Bis zum Jahre 1826 wurde der Friedhof bei der Kirche als Grablege benutzt. Die Goua- che von Emanuel Büchel, die dieser 1735 mit Blick vom Pfarrhaus in den Kirchhof er- stellte, zeigt, dass es damals noch keine ordentlichen Grabanlagen gab, sondern dass die Toten meist nur in ein Leichentuch gewickelt, der Erde übergeben wurden. Die Verstorbenen wurden durch die Angehöri- gen oder Nachbarn vom Trauerhaus zu Grabe getragen. Kein Schmuck, keine Be- pflanzung und schon gar keine Grabkreuze oder Gedenksteine kennzeichneten den Ort, wo die Toten ihre letzte Ruhe fanden. Eine Ausnahme bildeten die Pfarrer, die bis ins 17. Jahrhundert in der Kirche bestattet wer- den durften und deren Grablege mit einer Im Jahre 1826 wurde der Friedhof östlich des Schlosses errichtet, auf welchem bis zum Jahre 1881 Steintafel markiert wurde. Bei den noch Bestattungen vorgenommen wurden. Einzige erhaltene Abbildung des Schloss-Friedhofs. heute an der Kirchenmauer oder im Schutz- gebäude des Kirchhofs untergebrachten pflegte, die im Kindsbett verstorben waren. Im Zuge der Errichtung des neuen Friedhofs Steintafeln verstorbener Würdeträger, Pfarr- Weil sich aber in den Jahrhunderten der östllich des Schlosses im Jahre 1826 muss- herren und deren Ehefrauen handelt es sich Benutzung zahlreiche Nachbestattungen auf ten deshalb über hundert Wagen mit Ge- aber nicht um Grabtafeln sondern um soge- engstem Raum des Friedhofs ergaben, wuchs beinen vom Kirchen-Friedhof auf diesen nannte Epitaphien, also Gedenktafeln, die das Gehniveau des Friedhofs immer höher. überführt und bestattet werden. an den Verstorbenen erinnern sollten aber Immer wieder musste Erde zugeführt wer- nicht dessen Begräbnisstätte markierten. Auf den, damit die Toten zur Ruhe bestattet dem Bild Büchels tummeln sich drei Hunde werden konnten. Der Niveaunterschied lässt und ein Dutzend Hühner auf dem Friedhof. sich noch heute beim nördlichen Kirchenzu- Der Friedhof Mit der Totenruhe war es also nicht weit her, gang vom Schmiedeplatz her ablesen, wo östlich des Schlosses denn bereits wenige Jahre zuvor wurde ein dieser fast zwei Meter beträgt. Nach dem Verbot ausgesprochen, Schweine im Fried- Abgang des mittelalterlichen Beinhauses hofareal weiden zu lassen. Als im Jahre und der Verpflichtung, auch die Toten aus Im Jahre 1826 wurde der neue Friedhof 40 1826 der Friedhof bei der Kirche aufgeho- der Gemeinde Augst, mit der Pratteln seit Schritte = 28 m östlich des Schlosses – dem ben wurde, war Wilhelm Zeller, Alt-Ochsen- der Reformation von 1529 ein Kirchen- heutigen Standort des Feuerwehrmagazins wirt, der letzte Verstorbene, der bestattet sprengel bildete, zu bestatten, konnten die – im Ausmass von 27 m in der Länge und 24 wurde. Wegen Platzmangels begrub man entnommenen Gebeine auch nicht mehr ge- m in der Breite, mit einer Fläche von 648 m2 diesen in der Remise, also im Wagenschopf, mäss kirchlicher Weisung aufgehoben wer- angelegt und mit einer Mauer eingefasst. 176 in dem man auch Frauen zu beerdigen den und verschärften damit den Platzmangel. Die Belegungskapazität war limitiert, denn bei einer doppelten Belegung konnten kaum Nachbargemeinde, einen eigenen Friedhof 700 Tote beerdigt werden. Bezüglich der Art hart an der Gemeindegrenze auf der Flur der Bestattung änderte sich nur wenig, aber «Stundglas» zu errichten und diesen 1868 die Toten wurden jetzt in Holzsärgen beer- seiner Bestimmung zu übergeben. digt. Immer noch wurden die Verstorbenen von den Angehörigen oder Nachbarn vom Die letzte Beerdigung erwachsener Perso- Trauerhaus zu Grabe getragen. Grabdenk- nen auf dem Schloss-Friedhof erfolgte am mäler aus Stein gab es nur wenige; die mei- 23. Januar 1881, als Jakob Seiler, mit Alters sten Gräber wurden mit einem einfachen 41 Jahren, dort seine letzte Ruhe fand. Die Holzkreuz gekennzeichnet. Für die anläss- Kinder und Totgeborenen wurden aber lich des Brandes von Pratteln und der krie- noch bis zum 17. August 1881 auf dem gerischen Auseinandersetzung bei der Hülf- Schloss-Friedhof beerdigt. tenschanz am 3. August 1833 gefallenen vier Prattler und 13 Basler fand am 5. Au- Aufgrund des Gräberbuches, das am 1. Ja- gust 1833 eine gemeinsame Trauerfeier statt. nuar 1858 angelegt und durch den damali- 1889 wurde von der Gemeinde ein Totenwagen Die 17 Toten wurden nur mit Stroh bedeckt gen Sigristen geführt wurde, wurden im Jahr angeschafft, der bis zum Jahre 1960 in Gebrauch in einem Massengrab an der Südostecke des 1865 56 Bestattungen durchgeführt. Diese stand. Der letzte Totenwagenführer war Albert Friedhofs beigesetzt, das mit einem Holun- verteilen sich auf Rieder. derstrauch geschmückt wurde, der bis zur Errichtung des Feuerwehrmagazins im Jahre Erwachsene ab 16 Jahren 24 Bezug des neuen Friedhofs auf Blözen im 1925 an den blutigen Bruderzwist erinner- Jahre 1962 den Anforderungen genügen te. Ab dem 1. Januar 1858 sind wir dank der Kinder 32 konnte, obwohl Nachbestattungen wegen vom früheren Gemeindegärtner Paul Gass davon des ungeeigneten Bodens in den beiden anlässlich einer Archiventsorgung gerette- 6 bis 16 Jahre4südlichen Gräberfeldern kaum mehr zu ver- ten zwei Gräberbücher zuverlässig über die bis 6 Jahre21treten waren. Im Jahre 1880 wurde der Bestattungen auf dem Schlossfriedhof un- Totgeborene 7 Friedhof mit einem eisernen Stabgitter-Zaun terrichtet. Gemäss Sanitätsgesetz vom 26. eingefasst und mit drei monumentalen Por- November 1856 hatte der Siegrist die Pflicht talen im Sinne des damaligen Zeitgeistes das Gräberbuch zu führen und zweimal pro versehen. Jahr durch den Pfarrer kontrollieren und visie- Der Grossmatt-Friedhof ren zu lassen. Dank dieser Gräberbücher Der Grossmatt-Friedhof wurde aber erst am sind wir nun auch in der Lage, eine Untersu- 8. März 1881 seiner Bestimmung überge- chung über die Sterblichkeit bezüglich Er- Bereits im Jahre 1878, also nach 52 Jahren, ben; an diesem Tag wurde Amalia Martin, wachsener, Männer und Frauen, sowie Kin- musste Pratteln ein neues Friedhofgelände geborene Brodbeck, die erste Frau des Dr. der und Totgeborener zu erstellen. Gestützt evaluieren und fand dieses nordöstlich des Johannes Martin, als erste Person auf dem auf diese Gräberbücher können wir errech- Schloss-Friedhofs in der Grossmatt, das durch Friedhof beerdigt. Amalia Martin erreichte nen, dass auf dem Schloss-Friedhof tatsäch- die Gottesackerstrasse erschlossen werden ein Alter von 43 Jahren. Das Gräberbuch lich an die 700 Beerdigungen vorgenom- konnte. Der Grossmatt-Friedhof wurde so bestätigt damit auch den Lebenslauf, den men worden sind. Ab dem Jahre 1863 ver- dimensioniert, dass dieser in Etappen von der Prattler Gemeindepräsident und Ober- weigerte Pratteln die Bestattung der in einem auf vier Grabfelder bzw. von 1672 m2 lehrer Johannes Martin (1807–1890) zu- Augst Verstorbenen und zwang dadurch die auf 6691 m2 erweitert werden und bis zum handen seiner Angehörigen verfasst hatte 177 Die aus pietäts- und kulturhistorischen Gründen zu Handen der Nachwelt erhaltenen Familien-Grab- Das imposanteste Familiengrab-Denkmal ist das- denkmäler auf dem nicht mehr benutzten Grossmatt-Friedhof. jenige der Salinen-Direktoren von Glenck.

und in dem dieser informierte, dass die erste ber errichtet, die von der Wiederbelegung sten Jahrhunderts, dass deren Andenken in Person, die auf dem Grossmatt-Friedhof ausgenommen waren. 1891 wurde der Fami- der Prattler Bevölkerung weiter lebt. bestattet worden sei, seine Schwiegertoch- lie des Salzprospektors und Salinendirektors ter Amalia Martin, die Frau des Dr. Johannes Otto von Glenck ein solches Privileg zuer- Auf dem Friedhof Grossmatt, der leider seit Martin, gewesen sei. Ab dem Mai 1889 wur- kannt, nachdem die Familie 1000 Franken der Inbetriebnahme des Friedhofs Blözen den die Verstorbenen mit einem von einem in die Armenkasse gespendet hatte. Weite- aufgehoben und abgeräumt wurde und wo Pferd gezogenen Totenwagen, der den Lei- re Familiengräber wurden den Familien Dr. nur noch die von der Einebnung ausgenom- chenzug anführte, vom Trauerhaus auf den Johannes Martin, Joerin, Knapp und Pfarrer menen Familiengräber an die Vergangen- Friedhof gefahren. Der erste Verstorbene, Bovet zuerkannt. Diese Familiengräber sind heit dieser Stätte erinnern, lässt sich auf dem dies widerfuhr, war der am 9. Mai nicht nur Zeugnisse der Pietät und Ausdruck Grund der Beerdigungsakten der Wandel in 1889 beerdigte Prattler Gemeinderat und der Wertschätzung der Verstorbenen weit den Beerdigungsriten verfolgen. Bezüglich Gescheidsmitglied Johann Jakob Dürr-Dal- über deren Tod hinaus, sondern auch Doku- der Grabanlage galten bereits seit dem Jah- cher, der im Alter von 50 Jahren verstarb. mente der Zeitepoche des Historismus, und re 1927 verbindliche Vorgaben betreffend Auf dem Grossmatt-Friedhof wurden auch sie belegen zum Teil noch heute auf dem die Einheitlichkeit der Bepflanzung, der Gra- an zentraler Stelle, in der hinteren Mitte des Friedhof Grossmatt, nach dessen Auflas- beinfassungen und der Grabsteine, die nur 178 zweiten Grabfeldes, die ersten Familiengrä- sung in den neunziger Jahren des zwanzig- eine Höhe von 1,50 m aufweisen und nicht aus poliertem Steinmaterial bestehen durf- Der Friedhof Blözen ten. Diese sollten auch visuell sichtbar ma- chen, dass der Tod keine Unterschiede zwi- schen arm und reich und jung und alt Gestützt auf die im Jahre 1950 eingeleiteten macht. Parallel zu den Erdbestattungen fan- Evaluationen für die Errichtung eines neuen den seit den vierziger Jahren des zwanzig- Friedhofs in Pratteln, wurde aus den drei sten Jahrhunderts und nach dem Bau des Standorten «Winterhalde» (Kästeli), «Unte- Krematoriums am Hörnli, auch Feuerbestat- rer Krummacker» (im Tal) und der östlich tungen mit anschliessender Urnenbeiset- über Pratteln gelegenen Hochebene «Blö- zung statt. Eine der ersten Feuerbestattun- zen» der Standort «Blözen» als der geeig- gen war diejenige von Dr. Eglin, einem hoch- netste bestimmt und die 33708 m2 durch geachteten Prattler Arzt. Diese Feuerbestat- die von der Gemeinde eingesetzte Land- tungen, die bis in die fünfziger Jahre kaum kaufkommission erworben. 1962 konnte der praktiziert wurden, nahmen aber Jahr für Friedhof Blözen weit ausserhalb des Dorfes, Jahr zu und erreichten schliesslich in den auf der östlichen Hochebene über Pratteln, sechziger Jahren ein Viertel der Bestattun- seiner Bestimmung übergeben und damit gen. Familiengräber bildeten die Ausnahme nochmals ein Wandel in den Beerdigungsri- und wurden im zentralen Teil des Friedhofs ten eingeleitet werden, indem die Verstor- angelegt. Fast jedes Grab erinnerte mit einer benen nicht mehr zu Hause aufgebahrt und Die im Auftrag von Elsy Nyffenegger-Atz durch Gedenktafel oder einem Stein an die hier dann mit dem Leichenzug zum Friedhof be- die Bildhauerin Bettina Eichin geschaffene Bron- bestattete Person. Gestützt auf das Gräber- gleitet werden, sondern unmittelbar nach zefigur der «Mnemosyne» ziert seit 1997 das Ge- buch und die Akten der Bauverwaltung sind dem Eintreten des Todes durch den von der meinschaftsgrab auf dem Friedhof Blözen. auf dem Grossmatt-Friedhof ca. 4650 Erd- Gemeinde beauftragten Leichenbestatter in und 40 Urnenbestattungen vorgenommen die Leichenhalle auf den Friedhof zur Beer- stossen wird. Der Trend zur Feuerbestattung worden. digung oder ins Krematorium zur anschlies- hat sich aber mit der Eröffnung des Fried- senden Urnenbestattung auf dem Friedhof hofs Blözen weiter akzentuiert, indem aus Aufgrund der Gräberbücher, die bis zum überführt werden. Auf dem Friedhof bzw. einem Anteil von einem Viertel bei der Inbe- Jahr 1917 geführt wurden, präsentieren in der Abdankungshalle aber auch in der triebnahme jetzt zwei Drittel geworden sind sich die Bestattungen für die Jahre 1885 Dorfkirche wird von den Verstorbenen Ab- und sich mittelfristig ein Anteil von drei Vier- und 1915 wie folgt. schied genommen und diese dann zur letz- teln abzeichnet. Zudem hat sich noch ein ten Ruhe begleitet. weiterer Ritus fest etabliert, nämlich die Bei- 1885 1915 setzung der Urne im namenlosen Gemein- Bestattungen total 39 49 Der Friedhof Blözen ist für eine Dreifachbe- schaftsgrab bzw. die Urnenbestattung in Erwachsene ab 16 Jahren 20 29 legung der Bestattungen ausgerichtet, in- einem nur mit einer Namenstafel bezeich- Kinder 19 20 dem die erste Beerdigung auf 1,8 m und die neten Graburnen-Rund oder in einer Urnen- davon zweite – nach zwanzig Jahren – auf 1,5 m wand. Ein Grossteil der Verstorbenen, die 6 bis 16 Jahre0 1abgetieft wird. Die Kapazität ist, aufgrund sich für die Feuerbestattung entschieden bis 6 Jahre1611der bei der Evaluation aufgestellten Kriteri- hatten, wählt diese Art der Bestattung, die Totgeborene 38en, mit ca. 6000 Bestattungen vorgegeben. den Hinterbliebenen den Grabunterhalt wäh- Das beinhaltet, dass der Friedhof erst im rend der gesetzlich vorgegebenen zwanzig 22. Jahrhundert an seine Kapazitätsgrenzen Jahren der Totenruhe erspart. Dieser Ritus- 179 wechsel ist auch ein Ausfluss der Mobilität, Erdbestattungen total 1192 die unser Leben bestimmt. Was früher für In Reihengräber 1044 Der Joerin-Park die Nachfahren eine selbstverständliche Ver- In Familiengräber 73 pflichtung bedeutete, hat sich zur Last ge- In Kindergräber bis 6 Jahre60 wandelt. Auch die Anlage von Familiengrä- In Kindergräber ab 6 Jahre15 bern hat, bezogen auf die Zunahme der Bevölkerung in den letzten dreissig Jahren, Urnenbeisetzungentotal 1546 nicht überproportional zugenommen, son- In neue Urnenreihengräber 732 dern diese bilden wie früher die Ausnahme. In bestehende Urnenreihengräber 197 Die Weiterführung der Reglementierung be- In bestehende Sargreihengräber 239 Als der Basler Handelsherr Johann Wern- züglich der Grabdenkmäler in bezug Dimen- In neue Familiengräber 19 hard Wegner-Preiswerk 1776 auf der Augst- sionierung und Steinmaterial sowie die Art In bestehende Familiengräber 48 matt ein Landhaus erbaute, markierte die- der Bepflanzung hat sich als richtig erwie- In neue Urnenplattengräber 89 ses den westlichen Rand des Dorfes auf dem sen und vermittelt und bestärkt den Ein- In bestehende Urnenplattengräber 20 Weg Richtung Basel. Heute liegt der Joerin- druck der Besuchern, dass der Tod sämtliche In Gemeinschaftsgrab 200 Park mitten im Dorfkern und ist ein Prunk- Unterschiede bezüglich Person und Stand In Kindergräber bis 6 Jahre2stück von Pratteln, das von Jung und Alt als gegenstandslos macht. In Kindergräber ab 6 Jahre0Erholungsraum geschätzt wird.

Der Friedhof wird damit in seiner Gesamtan- Total Bestattungen auf dem Der Bau eines Landsitzes für die städtische lage und mit der von Bettina Eichin geschaf- Friedhof Blözen seit 1962 2738 Herrschaft – oft Seidenbandfabrikanten oder fenen Bronzefigur der «Mnemosyne», der Kaufleute – war im 18. Jahrhundert im Mutter der Musen, selbst zu einem «Me- Baselbiet keine Seltenheit. So sind damals mento mori», – einem Mahnmal mit dem QUELLEN: allein in Pratteln neben dem Sitz auf der Inhalt «Gedenke des Todes» – das den Besu- Antrag zuhanden der Gemeindeversammlung vom Augstmatt jene am Hohenrain (Ende 17. Jh.), chern die Endlichkeit alles Lebens einsehbar 28. April 1960 betreffend Friedhofanlage auf auf Mayenfels (1726), der Lilienhof (1728) macht. dem «Blözen». und Schönenberg (1769) errichtet worden. Gemeinderarchiv Pratteln (Frau Chr. Niederber- Zudem wurden der Talhof und Neu Schau- Statistische Daten bezüglich der Bestattun- ger, Bauverwaltung). enburg ausgebaut. Dieser Ausbau und der gen auf dem Friedhof Blözen, bezogen seit Grabbücher des Schloss- und Grossmatt-Friedhofs. Zukauf von Land waren der Dorfbevölke- der Eröffnung im Jahre 1962 bis zum 31. Paul Gass, gew. Gemeindegärtner, und K. Bärtschi, rung ein Dorn im Auge. So beklagte sich Dezember 2000: Fritz Sutter Grundbuchverwalterin, mündliche Auskünfte. 1793 der Prattler Gemeinderat in Basel, dass ein Viertel des Prattler Bannes den Her- ren der Stadt gehöre. Was damals einen unerwünschten Einbruch in die Bewirt- schaftung der Gemeindefluren darstellte, erwies sich im Fall des Landguts auf der Augstmatt langfristig als Vorteil. Denn die grosse Parkanlage wurde, während das Dorf weit über sie hinaus gewachsen ist, kaum angetastet und stellt so heute eine zentral 180 gelegene, grüne Oase dar. Familie – die einen Teil des Erlöses durch die Joerin-Stiftung wiederum der Allgemeinheit Das Kultur- und zugute kommen liess – den Verkauf mit der Sportzentrum Auflage, dass die gesamte Anlage weder veräussert noch parzelliert werden darf. 1956 wurde zudem im Grundbuch einge- tragen, dass die Parzelle «allezeit als Grün- fläche erhalten» bleiben soll.

In das Herrschaftshaus zog 1944 der 1926 Die Geschichte des Kultur- und Sportzen- gegründete gemeinnützige Gemeindestu- trums beim Schloss reicht zurück in die fünf- ben-Verein ein, der bis 1995 dort ein alko- ziger/sechziger Jahre des vorigen Jahrhun- holfreies Restaurant führte. Seither heisst derts, als die Säle Engel (1959), der mit der von der Gemeinde verpachtete Gasthof relativ wenig Mitteln hätte saniert werden Restaurant zum Park. Die grosse Gartenan- können, und Ochsen (1960) abgebrochen lage wurde 1959 und 1967 in zwei Etappen wurden. Während die Lücke des Engels bald zu einem öffentlichen Park mit Plansch- wieder mit Wohnblocks inkl. Hotel/Restau- becken und Spielgeräten ausgebaut und rant geschlossen wurde, blieb die «Och- mit einer Ruheecke für ältere Menschen ver- sen»-Lücke bis 1997 unüberbaut und dien- Der «Sonnenvogel», die farbenfrohe von Claire sehen. In den frühen 1990er-Jahren ent- te während Jahren als Parkplatz. So war bis Ochsner geschaffene Skulptur. stand ein «Komitee für e läbige Joerin- zur Einweihung des reformierten Kirchge- Park», das mit Sponsorengeldern und meindehauses im Jahre 1970 Pratteln ohne 1817 liess der auf Wegner folgende Besit- Erträgen des Joerin-Park-Fests einen Aus- Saal; die Vereine mussten, wollten sie ihre zer, Dietrich Preiswerk, an der Stelle eines bau des Spielgeräteangebots und vor allem beliebten «Bunten Abende» weiterführen, dazugekauften Bauernhauses eine Kut- die Anschaffung des farbenfrohen Sonnen- in auswärtige Säle ausweichen. scherwohnung mit Stall, Scheune und vogels der Künstlerin Claire Ochsner ermög- Remise errichten. Über Carl Geigy-Preiswerk lichte. Diese Skulptur zum Klettern und Rut- Es war im März 1960, als – nachdem die (1825) gelangte das Gut 1844 an die Witwe schen ist neben dem alten Baumbestand damalige Gemeindeversammlung dem Kauf Helene Burckhardt-Bachofen und deren zum Wahrzeichen des Joerin-Parks gewor- der Liegenschaft «Ochsen» zwecks Bau Familie. Diese veranlasste 1890 den charak- den. Dr. Ruedi Brassel eines Saales beschlossen und am 12. No- teristischen Laubenanbau am Hauptgebäu- vember 1963 sowohl der Gesellschaftsform, de, verkaufte das Gut dann 1922 an den eine Saalbau-Genossenschaft, als auch dem Kaufmann Jean Joerin-Suter. Nach dessen inzwischen ausgearbeiteten Projekt zuge- Tod boten es seine Erben der Gemeinde stimmt hatte – das grosse Hickhack begann, Pratteln an. Am 18. Februar 1944 stimmte bei dem einige hunderttausend Franken für die Gemeindeversammlung dem Kauf zu Vorprojekte, Planungen, Projekte und wie- einem Preis von 170000 Franken zu. der Vorprojekte verschleudert wurden. Denn Obwohl die Familie Joerin «nur» etwa im Februar 1967 verlangten elf Ortsvereine zwanzig Jahre Besitzerin des Gutes gewe- die Suspendierung der Planungs- und Pro- sen ist, trägt der Park heute deren Namen jektierungsarbeiten für den Saalbau Ochsen zurecht. Denn glücklicherweise verband die und zugleich die Ausarbeitung eines Ge- 181 Saalbauten und der dringend nötigen Sanie- 15 Mio teure Projekt abstimmen – und lehn- rung des Werkhofes und des Feuerwehrma- te es mit einer hauchdünnen Nein-Mehrheit gazins sowie Turnhallen mit ins Spiel. Also von 35 Stimmen ab. Nun forderten einige wurde wieder geprüft und geplant, was Einwohnerräte die Exekutive auf, zügig eine 1974 zur gemeinderätlichen Vorlage «Sport- neue Projektierungskredit-Vorlage auszuar- und Festhalle Hexmatt» führte. Die Vorlage beiten mit folgenden Rahmenbedingungen: genügte dem Einwohnerrat jedoch nicht, er Mehrzweckhalle (Dreifachturnhalle)für Sport- wollte weitere Abklärungen infrastrukturel- anlässe und kulturelle Grossveranstaltun- ler und finanzieller Art. Also klärte die Exe- gen, Standort im Gebiet Sandgruben, Kon- kutive ab und kam zum Schluss, auf den zept für die Sanierung der gemeindeeige- Bau der Sport- und Festhalle Hexmatt mit nen Objekte im Dorfkern, Koordination mit Werkhof zu verzichten. Als Alternative wur- dem Kirchgemeindehaus und Einbezug der de der Bau einer Werkhalle auf dem beste- Bedürfnisse der Aussenquartiere – eine For- henden Werkhofareal hinter dem Schloss derung, mit der teilweise wieder bei «Adam vorgeschlagen. Das Feuerwehrmagazin ne- und Eva» hätte begonnen werden müssen. ben dem Schloss sollte bestehen bleiben Der Gemeinderat indes überarbeitete das und die «Schweighauser»-Parzelle für einen Mehrjahresprogramm 1985–1989 mit dem allfällig späteren Bau in der Art einer Mehr- Ziel, den Investitionsbetrag für das «Kultur- zweckhalle als Ersatz für ein Gemeindezen- und Sportzentrum» unter Verzicht auf das trum reserviert werden. Die im Februar 1981 Kleintheater und den Schiesskeller auf zwölf eingesetzte Studienkommission «Mehrzweck- Mio Franken zu reduzieren. Erneute Ab- Die vom Bildhauer Kersten Käfer geschaffene halle/Saalbau» empfahl dann aufgrund ihrer klärungen – und dann, am 14. Mai 1985, Skulptur «Unversetzte Grenzsteine» markiert den Abklärungen und Erkenntnisse die Errich- die Vorlage für ein auf 10,6 Mio Franken Eingang zum Kuspo beim Prattler Schloss. tung eines Kultur- und Sportzentrums auf abgespecktes Projekt. Der Einwohnerrat dem «Schweighauser-Areal», bestehend aus stimmte zu, ebenso die Stimmbürgerinnen genprojekts in Form einer Mehrzweckhalle. einem oberirdischen Saalbau und einer un- und Stimmbürger. Sie stimmten am 22. Sep- Dieser Forderung gab die Gemeindever- terirdischen Dreifachturnhalle. Ein entspre- tember 1985 mit 2559 Ja gegen 1908 und sammlung vom 7. Februar 1967 statt. Nach chendes Projekt, hervorgegangen aus ei- 46 Leerstimmen dem Projekt zu. Dass die Vorliegen des Projekts Mehrzweckhalle stell- nem Vorprojekt-Wettbewerb, wurde vom Legislative im November 1989, als das te sich heraus, dass mit diesem Bau allein Wettbewerbs-Sieger, dem Liestaler Archi- Kuspo schon zwei Jahre alt war, einen Nach- das Raumproblem nicht gelöst werden kann. tekturbüro Otto+Partner, weiter bearbeitet. tragskredit von 317594 Franken sowie Eine allseits befriedigende Lösung würde Dies nachdem der Einwohnerrat von der einen Bruttokredit von 55000 Franken zur sich nur ergeben, wenn sowohl für Sport, Kommissions-Empfehlung in zustimmendem Verbesserung der Ausstattung bewilligen Spiel und Kultur getrennte Räumlichkeiten Sinne Kenntnis genommen und im März musste, sei nur nebenbei erwähnt. bereitgestellt werden. Dazu kam auch die 1983 einen Projektierungskredit von 490000 Standortfrage: Hexmatt oder In den Sand- Franken bewilligt hatte. Zum Auftakt des dritten Prattler Dorfestes gruben? Alsdann kam – nachdem die Ge- 1986, das unter dem Motto «Kultur und meinde die Liegenschaft Schweighauser er- Sport an einem Ort» zu Gunsten der Ein- Zuerst ein Nein, dann ein Ja worben und mit der Methodistenkirche an- richtungs-Optimierung im künftigen Kultur- grenzendes Land abgetauscht hatte – auch Am 24. Juni 1984 war es dann endlich und Sportzentrum organisiert wurde, kam 182 ein Gemeindezentrum mit den benötigten soweit: Der Souverän konnte über das rund es zum ersten Spatenstich. Mit der Einwei- hung des Kultur- und Sportzentrums 1988 war der «reservierte» Ort für Verliebte, und hatte die Saal-Leidensgeschichte eine Das Schwimmbad die ganz «agfrässenen» Badegäste miete- Happy End gefunden. Mit dem aus dem ten sich eine Dauerkabine. Dorffest 1986 resultierenden Reingewinn konnten in den folgenden Jahren einige In den mittleren achtziger Jahren liess der Be- offen gebliebene Wünsche erfüllt und ins- sucherandrang dann allerdings stark nach, besondere die Küche «nachgerüstet» wer- wie sich dies anhand des Schlussberichtes den. Emmy Honegger und der Bauabrechnung der Schwimmbad Sanierung von 1988/89 unschwer feststel- In der Prattler Heimatkunde, die 1968 er- len lässt. Konnte man in den Jahren 1969 schienen ist, wird im Kapitel «Vom Vereins- bis 1976 noch mittlere Tagesfrequenzen wesen» lapidar erwähnt: «Die Turn- und von 1080 bis 1440 Badegästen verzeichnen, Sportvereine haben keine Sorgen; die spe- sanken diese im Jahr 1987 bis auf 462. Eine zialisierte Arbeit in den Betrieben verlangt Sanierung drängte sich auf. nach einer körperlichen Betätigung in der Freizeit. Gut ausgebaute Sportanlagen ste- Am 23. November 1987 genehmigte der hen in der Sandgrube zur Verfügung. Prat- Einwohnerrat einen Projektierungskredit in teln kann stolz sein auf sein Stadion und das der Höhe von Fr. 146400.–. Im darauf fol- Schwimmbad.» genden Jahr stimmte das Volk, bei einer Stimmbeteiligung von 16,2 Prozent, mit Ebenfalls in prägnanter Kürze wird der 1275 Ja gegen 203 Nein der Sanierung ihres Zweck des 1962 gegründeten Schwimm- Schwimmbades zu mit der Bewilligung des clubs erwähnt: Verbreitung des Schwim- Baukredites von 2,6 Mio. mens. Ein renommiertes Planungsteam unter Mit- Das in die Jahre gekommene Schwimmbad hilfe einer Baubegleitung der Gemeinde «In den Sandgruben» hat etwas mehr ver- nahm die umfangreichen Arbeiten in An- dient, nämlich einen kurzen geschichtlichen griff. Es galt Schäden am Beton und an Rückblick. Stahlrohren zu beheben, Wasserverluste zu eliminieren und die Wassertechnik auf den 1961/62 wurde das Prattler Schwimmbad neuesten Stand der SIA-Normen zu bringen. erbaut, geplant vom Prattler Architekten Ferner war – für die Bevölkerung sicher das Werner Rohner. Für die damalige Zeit ein Wichtigste – eine Attraktivitätssteigerung Riesending, das Ereignis des Jahres. Die gan- zu realisieren. Letztere wurde erreicht mit ze Bevölkerung, Jung und Alt, nahm ihr Bad dem Erstellen einer 33 Meter langen Rutsch- in Beschlag – im Sommer ein Treffpunkt par bahn, welche direkt ins kühle Nass führt. exellence. Dies belegen auch die steigenden Weitere Anziehungspunkte: Ein Strömungs- Besucherzahlen. Man genoss die grosszügige kanal sowie drei Schlünde, Wasserspiele im Anlage, das wettkampfkonforme Schwimm- Planschbecken, verschiedene Spielgeräte becken und den Sprungturm, die komforta- für Kleinkinder und ein Pflotschbereich mit blen Garderoben und Duschen. Der «Hübel» Wasser und Sand. 183 Auch im Umweltbereich ergaben sich Ver- gen Autobahnbenützer halten und tanken besserungen, z.B. durch das Installieren von Die Autobahn- in der 1978 eröffneten Raststättenbrücke Sonnenkollektoren für das Duschwasser. Raststätte Speise, Trank und Benzin (Stichjahr 2001: Ferner konnte der Wasserverbrauch um 20'598’600 Liter), die meisten aber rasen mehr als die Hälfte gesenkt werden. Von der vorbei – einem fernen Urlaubs- oder verbesserten Wasserqualität und einer nor- Arbeitsziel entgegen. malen Chlordosierung konnten und können immer noch alle Benützer profitieren. Die Raststättenbrücke hat über jeder Fahr- bahn eine Spannweite von 70 und eine Brei- Am 30. Juni 1989 konnte der damalige Ge- Pratteln hat internationalen Anschluss – te von zehn Metern; der Betrieb produziert meinderat Adrian Müller während eines nicht nur über seine Menschen und Produk- jährlich 300 Tonnen Abfall und hat erstmals rauschenden Festes das neue alte Bad der te, nicht nur über die Bahn, sondern vor im Jahr 2001 sein Outfit gewechselt: War Bevölkerung übergeben. Die Traumbesucher- allem dank der satt am Dorf vorbeiführen- die Brücke früher orange-braun, so strahlt zahlen der siebziger Jahre wurden zwar den Autobahn. Ihre Internationalität lässt sie heute in einem warmen Gelb und erin- auch mit der «Superbadi» nicht mehr sich wohl am besten mit einem geflügelten nert damit Eingeweihte daran, dass die erreicht; dennoch wird das «Schwimmbi» Wort Friedrich Schillers umschreiben: «Wer lärmgeplagte Rheinebene bis zum Bau der von allen Prattlern heiss geliebt. zählt die Völker, zählt die Namen, die gast- A2 weiten Getreidefeldern Raum bot. Wo Käthi Furler lich hier zusammenkamen?» Tatsächlich flit- früher Bauern ihrer Arbeit nachgingen, zen hier unten in der Rheinebene täglich im bemühen sich heute bei 189 Vollzeitstellen QUELLE: Durchschnitt 101300 Autos und Lastwagen über 200 Angestellte im 24-Stunden-Be- Bauabrechnung und Schlussbericht der Schwimm- vorbei (Stichjahr 2000). 6176000, davon trieb um das Wohl der Reisenden. badsanierung 1988/89, Abteilung Bau, Gemein- 20652 Busse (Stichjahr 2001) dieser flüchti- Dr. René Salathé de Pratteln

Autobahn-Raststätte-Impression, Gemälde der 184 Künstlerin Ursula Salathé, 1981, 130 x100 cm. Die wirtschaftlichen Verhältnisse ... Jacob Schwob ist verklagt das er auf wieder- holtes auf forderen das Gross St. Alban Berain zurück behalten und ist erkant soll für diesen fehler bezahlen ... Urteilsspruch vom 2. Mai 1813 im Protokollbuch des Verhörgerichts Pratteln, das 1812 angelegt wurde. Der Hinweis auf den Grossen St. Alban- Berein bestätigt die Aussage, dass der Grund- stückbesitz des Klosters St. Alban in Pratteln nie zerstückelt wurde. Die Entwicklung der Verkehrsachsen und Transportmittel

Die Geschichte der Verkehrsachsen, die Pratteln im 21. Jahrhundert einen einzigarti- gen Standortvorteil in der Region und in der Schweiz verschaffen sollten, beginnt in der Antike, als in der Region des heutigen Prat- telns zuerst die Kelten eine namentlich nicht überlieferte Siedlung anlegten und ihre To- ten am Südrand der Hard in mächtigen Hügelgräbern bestatteten. Diese um 58 v. Chr. aufgelassene Siedlung wurde von den Römern nach deren Landnahme nach der Niederlage der Rauriker bei Bibracte zum Zeitpunkt der Gründung der römischen Colonia Raurica im Jahre 44 v. Chr. wieder Die heutige überragende verkehrspolitische Bedeutung Prattelns basiert auf der Tatsache, dass bereits aktiviert und Pratellum genannt, was so viel zur Römerzeit zwei antike Verkehrsachsen durch Pratteln führten: Nämlich die Strasse aus den wie kleine Wiese, eben Matte, bedeutet. Rheinlanden und die aus dem Rhonetal. Beim Standort Augusta Ruracum ist ein antikes Motel (Man- sio) eingezeichnet. Dieses befand sich nur wenige hundert Meter von der heutigen Autobahnraststät- te «Windrose» entfernt, im Gemeindebann Augst. (Römische Strassenkarte, 4. Jh. n. Chr.)

Die antiken, vorrömischen und nach Larga (Larg) und Cambete (Kembs) zur und führte ins Mittelland und in die heutige römischen Verkehrsachsen keltischen Siedlung Arialbinnum auf dem Romandie nach Martigny zum im Jahre 25 v. Gelände der alten Gasfabrik und späteren Chr. eröffneten Pass über den Grossen St. Sandoz-Überbauung westlich von Basel und Bernhard (Summus Poeninus) nach Augusta Die damalige keltische und später römische dann auf der Höhe der heutigen Basler Au- Praetoria, dem heutigen Aosta, nach Italien Siedlung wurde durch eine alte Handels- strasse über die aktuelle Hauptstrasse von St. und nach Rom. Parallel zur Strasse Basel– strasse erschlossen, die aus dem Rhonetal Jakob nach Muttenz dem Südrand der Hard Pratteln–Liestal führte eine zweite Strasse von Marseille – einer griechischen Kolonial- entlang nach Pratteln und über die Hülften aus den Rheinlanden – aus Köln, Mainz und stadt mit Namen Massilia – herkommend in nach Liestal zum Hauenstein-Pass führte. Strassburg herkommend – von Kembs (ehe- das Tal der Saône und von dort nach dem Der Hauenstein-Pass wurde wahrscheinlich mals Cambete), dem Rhein entlang nach alten Vesontio (dem heutigen Besançon) bereits zur Zeit der Kelten mit zwei- und Augst, der um 44 v. Chr. gegründeten römi- nach dem keltischen Epamanduodurum vierrädrigen Wagen und mit Ochsenge- schen Kolonialstadt Colonia Raurica, die (dem heutigen Mandeure bei Audincourt) spannen sowie mit Saumtieren begangen wahrscheinlich auch schon in der Keltenzeit 187 Nach Pratteln führte sowohl die Handels- strasse aus dem Tal der Rhone und Saône sowie die Handelsstrasse aus den Rheinlan- den, um dann über die Strassen-Querspan- gen Kunimatt und Hülften/Wannen entwe- der zum Bözberg nach Vindonissa und weiter nach den Donaulanden oder über den Hauenstein nach dem schweizerischen Mittelland nach Aventicum (Avenches) und Octudurus (Martigny) zum Grossen St. Bernhard zu führen. Es ist deshalb nicht ver- wunderlich, dass die durch Kaiser Augustus um 15 v. Chr. in Augusta Raurica umbe- nannte Kolonialstadt im zweiten Jahrhun- dert n. Chr. 20000 Einwohner zählte und Pratteln mit den zahlreichen römischen Landwirtschaftsbetrieben – den sogenann- ten römischen Villen – sich zum wichtigen, Auch im Mittelalter führte eine wichtige Verkehrsachse durch Pratteln über die Hülftenschanze zum wenn nicht zum bedeutendsten Dienstleis- oberen Hauenstein. Auf dem Kupferstich von Emanuel Büchel aus dem 18. Jh. ist ein Transportfuhr- tungs-Standort der römischen Stadt Augus- werk, bespannt mit vier Pferden, auf der Hülftenbrücke abgebildet. Beim Pferdezug handelte es sich ta Raurica entwickelte. um ein sogenanntes Gabelfuhrwerk, d.h. die Zugtiere waren hintereinander angeschirrt.

besiedelt war. Diese Handelsstrasse führte nannten – mittels Transportschiffen rege ge- weiter über den Bözberg, den die Römer nutzt. Dabei war zwischen Basel und Augst, Zur Geschichte der Vogetius benannten, nach dem späteren wo sich an der Ergolzmündung in den Rhein Transportmittel und deren Legionslager Vindonissa (Windisch) und von ein römischer Hafen befand, der Linksver- dort nach Oberwinterthur zum Bodensee kehr verordnet, weil die stromaufwärts fah- Auswirkungen auf Pratteln und nach Augsburg (Augusta Vindelicorum) renden Schiffe mittels Ochsengespannen in die Donauländer. Von Pratteln aus führ- oder sogar mit menschlicher Kraft am rechts- Bezüglich der Benutzung des Wasserwegs ten bei der heutigen Kunimatt sowie bei der rheinischen flachen Ufer auf den künstlich des Rheins war man schon in der Antike auf heutigen «Krummen Eich» und auch bei der angelegten sogenannten Treidelpfaden strom- Schiffe mit einem relativ flachen Kiel ange- Hülften Strassenquerspangen, unter ande- aufwärts gezogen wurden. Stromabwärts wiesen. Erst die Dampfkraft und später die ren die auf einem Hochdamm errichtete folgte die Schiffsroute dem linksrheinischen Verwendung von Dieselmotoren brachte im Ergolzstrasse, auf die antike Rhein- bzw. Böz- Flusslauf und orientierte sich an der südli- 19. und 20. Jahrhundert eine entscheiden- bergstrasse, die noch heute die nördliche chen Steilböschung zur Prattler Rheinebene. de Kapazitätsvergrösserung und Leistungs- Gemeindegrenze Prattelns markiert. verbesserung, indem die stromaufwärts fah- Pratteln war deshalb, gestützt auf die antike renden Schiffe nicht mehr auf die auf den Parallel zu den beiden antiken Handels- und Topographie der keltischen und römischen Treidelpfaden agierenden Ochsen- und Pfer- späteren Heeresstrassen wurde die Wasser- Zeit, einer der wichtigsten Verkehrsknoten- degespanne angewiesen waren. Der Was- 188 strasse des Rheins – den die Römer Rhenus punkte der damaligen römischen Schweiz. serweg des Rheins wird noch in der Gegen- wart extensiv genutzt; annähernd der ge- samte Treibstoff-Import erfolgt über den Wasserweg zu den beiden in Basel und Birs- felden angelegten Rheinhäfen, die auch grosse Treibstofflager beinhalten. Von den Rheinhäfen erfolgt der Weitertransport zu den Verbrauchern entweder über den Stras- sen- oder den Schienenverkehr. Noch ein- mal machte der Schiffstransport auf dem Rhein nach Pratteln von sich reden: In den achtziger Jahren wurde die abstruse Idee vehement diskutiert, in der Prattler Rhein- ebene ein Kohlekraftwerk zu errichten und die Kohle mit Rheinschiffen direkt zum Standort des geplanten Kohlekraftwerks zu transportieren. Im 19. Jahrhundert avancierte Pratteln zum Eisenbahnknoten mit der Bözberglinie nach Zürich und Aber auch die Zugtiere und die Ausgestal- der Hauensteinlinie ins Mittelland und die Romandie. Das Bild zeigt den Prattler Bahnhof um 1875. tung der Transportmittel – der Transport- geräte – machten im Laufe der letzten 2000 – also verschnittene, kastrierte Stiere – als Last wurde bestimmt durch die Felgenbreite Jahre eine entscheidende Metamorphose Zugtiere eingesetzt, weil diese viel kräftiger der Räder und der Anzahl der Zugtiere. So durch. Bis ins späte Mittelalter hinein ver- und dazu noch ausdauernder waren als die durfte zum Beispiel ein Deichselfuhrwerk, wendete man zwei- und seltener vierrädrige Pferde, die zudem noch nicht mit Hufeisen das eine Felgenbreite von 14,3 cm aufwies Wagen in der Technik der sogenannten beschlagen waren. Das Hufeisen ist eine und sechs Pferde vorgespannt hatte, eine Gabelfuhrwerke, die ohne Deichsel aber in Erfindung des Mittelalters. Die Römer kann- Last von 5tbefördern. Sukzessive wurde einer Art zweiarmiger gabelförmiger Vor- ten nur den Hufschuh, der den Pferden an mittels Felgenbreite und Anzahl der Zugtie- richtung zur Anschirrung eines Zugtieres die Mittelhand und den Mittelfuss gebun- re die zu transportierende Wagenlast bis auf oder mehrerer hintereinander ausgestaltet den wurde und den Huf schonen sollten. 12,5 t erhöht. waren. Diese Gabelfuhrwerke waren be- Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts, im züglich der zu befördernden Lasten auf 50 Zuge der Sanierungen und des Ausbaus der Wie zur Römerzeit wurden die antiken Zentner = 2,5 Tonnen limitiert. Dies deswe- Passstrassen über den Oberen Hauenstein Strassen nach dem Ende der Römerherr- gen, weil das Gewicht der Last in der Regel und den Bözberg, lösten die Deichselfuhr- schaft um 400 n. Chr. weiter, wenn auch nur auf einer Achse ruhte und deshalb die werke die Gabelfuhrwerke ab und die Be- mit Einschränkungen, genutzt und auch beiden oder seltener vier Räder die ganze hörden verboten, dass Gabelfuhrwerke als von den Verantwortlichen der Strassen Transportlast auf die Strasse übertrugen. Strassenschäden-Verursacher, weiterhin die unterhalten. Man nimmt an, dass die alten Diese Radspuren sind heute noch auf den Passstrassen befahren durften. Die Deichsel- römischen Heeresstrassen nach dem Ende römischen und mittelalterlichen Passstras- fuhrwerke konnten nun nicht nur zwei Zug- der Römerzeit als sogenanntes Königsgut sen zu finden, wo sich diese bis zu zehn Zen- tiere sondern eine Vielzahl einspannen und ausgeschieden worden sind und nun direkt timeter in den Strassenbelag und dessen konnten, weil die Lasten auf vier Räder und den fränkischen, also Merowinger-Königen, Untergrund eingefahren hatten. Vornehm- zwei Achsen verteilt wurden, grössere Las- unterstanden. Von diesen Königen wurde lich wurden zur Zeit der Römer nur Ochsen ten transportieren. Die zu transportierende das Königsgut an deren treue Bischöfe, die 189 eröffnet. Diese Transportachse folgte wie- derum der antiken Handelsstrasse von Basel über Pratteln ins Mittelland und in die Romandie und wurde vorwiegend durch die Saline für den Salzexport alimentiert und machte die im Auftragsverhältnis agieren- den Prattler Fuhrleute weitgehend brotlos. Im Jahre 1872 wurde mit den Destinationen Pratteln–Saline Schweizerhalle die Salinen- bahn eröffnet, die den Salztransport direkt ab Produktionsort auf die Hauensteinlinie sicherstellte. Am 10. Juli 1875 schliesslich wurde die Bözberglinie Pratteln–Aarau–Zü- rich eröffnet, die ebenfalls der andern anti- ken Handelsstrasse folgte, und die der Sali- ne nun auch ermöglichte, direkt ab Produk- tionsort Schweizerhalle ihren Exportartikel Noch vor der Bözbergbahn im Jahre 1875 wurde 1872 die Salinenbahn vom Standort Schweizerhalle Salz zu allen Destinationen der Schweiz zu zum Bahnhof Pratteln realisiert. Das Bild ist typisch für einen Industriestandort des 19. Jahrhunderts, verfrachten. Durch die Inbetriebnahme der nämlich rauchende Kaminschlote. beiden Haupttransport-Eisenbahnachsen Ba- sel–Pratteln–Zürich und Basel–Pratteln–Ol- im Mittelalter als Landesherren figurierten, Viertel des 13. Jahrhunderts das Prattler ten–Bern–Romandie wurde Pratteln zu ei- als Schenkungen übereignet und von diesen Schloss als sogenannte Niederungsburg, die nem wichtigen Eisenbahn-Verkehrsknoten- an die Landgrafen, die als Vögte der Bischö- den Namen des Dorfes annahm, errichtet. punkt, dessen Bedeutung von der seit der fe amteten, als Erblehen weitergegeben. Gründerzeit um 1870 aufkommenden Indu- Nur so ist es zu erklären, dass zum Beispiel Diese auf den antiken Strassen beruhende strie sehr früh erkannt wurde. Sowohl in der das im Jahre 728 gegründete Kloster Mur- Transporttradition änderte sich erst, als im Rheinebene, im Umfeld der Saline, wo sich bach im Elsass, sogenannte Curtis (Herren- 19. Jahrhundert das Eisenbahn-Zeitalter an- kurz nach deren Produktionsaufnahme die höfe) in Pratteln, Augst, Möhlin, Wittnau brach, das viel grössere Lasten und diese erst Säurefabrik Schweizerhalle als erste chemi- und Gipf-Oberfrick auf der Bözberg-Route noch schneller vom Ausgangs- zum Bestim- sche Fabrik überhaupt und später die Far- sowie über den Besitz von Onoldswil (das mungsort zu transportieren vermochte. ben- und Tintenfabrik Dr. Finck sowie die heutige Ober- und Niederdorf) verfügte und Düngerfabrik etablierten, wie auch beim damit einen Stützpunkt auf der Hauenstein- Nur kurze Zeit nach der Betriebsaufnahme Eisenbahnknoten Pratteln siedelten sich In- Route nach Luzern, das sich ebenfalls im der Saline Schweizerhalle in der Prattler dustrien des 2. bzw. Sekundär-Sektors an: Besitz des Klosters Murbach befand, errich- Rheinebene im Jahre 1837, die den Über- 1893 errichtete die Buss AG ihre Brücken- ten konnte. Auch dabei spielte Pratteln wie- gang vom Sektor 1 – der Agrarwirtschaft bau-Werkstatt und später folgten weitere der eine bedeutende Rolle, weil Pratteln die bzw. Landwirtschaft – zum Sektor 2 – der metallverarbeitende Betriebe, wie zum Bei- Kopfstation sowohl zur Hauenstein- wie Industrieproduktion – einleitete, wurde am spiel 1897 die Verzinkerei. 1907 verlegte das auch zur Bözberg-Route repräsentierte. 19. Dezember 1854 als erste Eisenbahn- Holzverarbeitungs- und Sägereiunterneh- Wahrscheinlich wurde deshalb auch an Stel- transport-Achse die Hauensteinlinie von men Häring seinen Gruppen-Hauptstandort 190 le des murbachischen Herrenhofs im letzten Basel nach Olten durch den Hauenstein von Frenkendorf nach Pratteln. Als erstes Chemie-Unternehmen in Nähe des Bahn- die nichteingezonten Flächen repräsentie- hofs Pratteln siedelte sich 1907 die Rohner ren heute den vielgenutzten Erholungsraum AG an, der 1926 der Vorläufer der heutigen rund um Pratteln. Schenectady, die Anlagen der Schweizeri- schen Teerindustrie, westlich der Rohner AG In den fünfziger Jahren des zwanzigsten folgten. 1936 errichteten die Metallum so- Jahrhunderts war der Übertritt Prattelns in wie die Rohrbogen AG und auch die Lager- die Industrieproduktion und den zweiten häuser der Allgemeinen Konsumvereine, der Sektor der Beschäftigung weitgehend ab- heutigen Coop, die bereits zur Jahrhundert- geschlossen, aber, was niemand vorausse- wende eine Chicorienfabrik und Kaffeerös- hen konnte, die Industrie ersetzte nach und terei in Betrieb genommen hatte, in Bahn- nach die ungelernten Arbeitnehmer und hofnähe ihre Domizile. 1913 bezog der Hilfskräfte durch die Möglichkeiten der Waschmittelhersteller Persil und 1917 die Mechanisierung und der Automatisierung, AGA ihr Domizil in Pratteln und 1935 folgte die ab den siebziger Jahren die Produktions- der Reifenhersteller Firestone sowie 1945 die formen bestimmten. Die Unternehmen mit Waggonbaufirma Schindler, die ihr Domizil dem grössten Arbeitsstellen-Angebot konn- von Neuhausen am Rheinfall nach Pratteln ten im einsetzenden Marktwettbewerb nur dislozierte. In diese Zeitepoche fällt auch der bestehen, wenn diese so genannte «schlan- verhängnisvolle, weil politisch motivierte ke» Produktionslinien einführten und damit Ein Zeitdokument: Benzin-Rationierungschein aus Entscheid des damaligen Prattler Gemein- die manuelle kostenträchtige Arbeit, also dem Jahre 1940. derates, für jeden der angebotenen Arbeits- Hilfskräfte und Ungelernte, drastisch ab- plätze auf dem Territorium Prattelns eine bauten. Die noch zu Beginn der siebziger Frick und später durch den Bözberg nach Wohnung bereitzustellen. Ein aus heutiger Jahre grössten und bedeutendsten Unter- Zürich–St. Gallen eröffnet wurde, konnte Sicht unverständlicher und kaum mehr nehmen – wie die Firestone, die Buss und Pratteln erneut, bezüglich seiner Tradition begründbarer Entscheid, der kaum dreissig die Persil – verschwanden weitgehend aus als Verkehrsknoten antiker Handelsstrassen, Jahre später wegen der fortschreitenden dem Markt und die Folgen sind bekannt: die seine dominierende Stellung in die Waag- Mobilität der Arbeitnehmer zu riesigen Pro- Arbeitslosen-Rate in Pratteln liegt weit über schale werfen. Wie an keinem anderen Ort blemen bezüglich der Steuerstruktur Prat- dem kantonalen und auch schweizerischen der Schweiz kann sich Pratteln auf eine jahr- telns führen sollte. Durchschnitt. Als dann 1978 die Firestone tausend alte Kontinuität bezüglich der Ver- die gesamte Belegschaft von 600 Personen kehrsachsen berufen. An die Stelle des Mit dem Beginn der Gründerzeit im letzten freistellte und das Unternehmen die Pro- damals wahrscheinlich bereits am meisten Viertel des 19. Jahrhunderts wurde der duktion aufgab, wurde Pratteln zur Krisen- befahrenen antiken Handelsstrassen-Kno- Landwirtschaft mehr und mehr Produkti- region. Zwischenzeitlich redimensionierten tenpunktes ist der Eisenbahn-Knoten Basel– onsflächen und Boden entzogen und die auch die Persil, die Buss, der Zementwaren- Pratteln–Olten–Bern–Romandie sowie Prat- Landwirtschaft wurde schliesslich zur Be- hersteller Brodbeck sowie die Rechtsnach- teln–Aarau–Zürich–Ostschweiz getreten (mit deutungslosigkeit reduziert. Die landwirt- folgerin der Schindler, die ADtranz, ihre heute täglich 630 Zugspassagen). Die Natio- schaftlichen Freiflächen wurden, weil die Kapazitäten und damit auch ihren Personal- nalstrassen A2 mit zwei Zubringern zu Prat- euphorischen Prognosen eines Prof. Kne- bestand drastisch. teln und der A2, die auf dem Gebiet der schaurek in den Zeiten der Hochkunjunktur Nachbargemeinde Augst auf die A3 ver- als Fakten akzeptiert wurden, zum Teil ein- Als im Jahre 1970 die Nationalstrasse A2, zweigt (mit heute täglich über 110000 Fahr- gezont und zur Überbauung freigegeben; Basel–Bern–Romandie, und die A3, Augst– zeug-Passagen ist sie die am meisten befah- 191 können, um entweder ihre Dienstleistungen anzubieten oder aber die in den Lagerhäu- sern gestapelten Waren rasch und zu gün- stigen Transportkosten sowohl in die ge- samte Schweiz wie auch ins benachbarte Ausland zu verfrachten, bzw. von den Pro- duktionsstätten an den zentralen Standort nach Pratteln zu transportieren. Die Grenz- nähe zu Deutschland und Frankreich, die Möglichkeit, mit 40-Tönnern die Zielorte direkt und ohne Umlad zu erreichen, sowie die Möglichkeit, in unmittelbarer Nähe der angebotenen Dienstleistungen Kundenpark- plätze zur Verfügung zu stellen, sind des- halb unabdingbare Standortvorteile, die keine andere Gemeinde annähernd im Unfang der Gemeinde Pratteln heute anbieten kann. Fritz Sutter Die Postkutsche, 1902, der Linie Basel–Liestal bei der «Krummen Eich». Gemälde von W. Ingold, 1950. QUELLEN: rene Autobahn-Route der Schweiz), haben markt sowie anderen Unternehmen des Ter- d’Aujordhui, Rolf: Die Entwicklung Basels vom diesen Standortvorteil Prattelns bezüglich tiär-Sektors im Baurecht überlassen hat. keltischen Oppidum zur hochmittelalterlichen künftiger Logistik- und Grossverteiler-Ansied- Stadt. Basel, 1989. lungen verstärkt. Wegen seiner grossen und Im Zuge der Devestitionen bei der Transfor- Frey, Robert: Das Fuhrwesen in Basel von 1682 für die Erschliessung an die Autobahn opti- mation der Industrieproduktion aus dem bis 1848. Inaugural-Dissertation. Basel, 1932. mal prädestinierten Landreserven fernab Sektor 2 in den Dienstleistungssektor 3 hat Laur-Belart, Rudolf: Über die Colonia Raurica und der Wohnzohnen auf dem Gebiet der Rhein- sich Pratteln zu einem bevorzugten Stand- den Ursprung von Basel. Basel, 1957. ebene nördlich der Autobahn verfügt Prat- ort des Tertiär-Sektors mit Dienstleistungen, Meyer, Paul: Römische Landvermessung in der teln über hervorragende Voraussetzungen, Grossmärkten und Logistik-Unternehmen Schweiz. In Helvetia Archaelogica, 115/116. um diese Freiflächen gemäss den gesetzli- entwickelt. Unternehmen des Sektors 2, Karte 28 (Pratteln/Muttenz). Zürich, 1998. chen Vorgaben der Umweltverträglichkeit wie zum Beispiel die Persil, haben Pläne, an Mommsen, Theodor: Die Schweiz in römischer aber auch im Hinblick auf die bis heute Stelle der stillgelegten Produktionsanlagen Zeit. 3. Auflage. Zürich, 1973. unbefriedigende Steuerstruktur zu nutzen. Dienstleistungsangebote, wie zum Beispiel Stähelin, Felix: Die Schweiz in römischer Zeit. 2. Die Bürgergemeinde Pratteln hat bezüglich das Wellness-Center Raurica Nova, zu eta- Auflage. Basel, 1931. der Überbauung von nicht mehr landwirt- blieren. Grossverteiler und auf den unbehin- Stohler, Hans: Pratteln zur Römerzeit. Sonder- schaftlich genutzter aber als Gewerbezonen derten Publikumsverkehr angewiesenen druck der Neuen Basellandschaftlichen Volkszei- bereits eingezonter Flächen schon vor Jah- Unternehmen, wie zum Beispiel die IKEA, tung. Pratteln, 1952. ren Pionierarbeit geleistet, indem sie diese der Möbel-Grossverteiler Pfister, die Confo- Flächen im Bereich Grüssen, Rüti und Wan- rama und andere, siedeln sich dort an, wo nen Logistikunternehmen und Grossmärk- sie einen direkten Zugang zu den National- 192 ten wie Interio, Essers, Jumbo- und Bau- strassen A2 und A3 in Anspruch nehmen Der Beginn der wirtschaftlichen Entwicklung

Der 1833 entstandene Kanton Basel-Land- schaft hätte finanziell kaum überleben kön- nen, wenn nicht 1836 auf dem Gebiet der Rheinebene in Pratteln die riesigen und bis heute unerschöpflichen Steinsalzlager der sogenannten Anhydritgruppe des Muschel- kalks durch den deutschen Salinen-Speziali- sten und Bergrat Carl Christian Friedrich Glenck entdeckt worden wären, die noch Die heutige Bedeutung Prattels erwuchs aus der Saline und der Chemischen Fabrik Schweizerhalle. In heute durch die Schweizerischen Rheinsali- der industriellen Euphorie wurde auch die Wirtschaft zum «Schweizerbund» genannt. nen – im Aktienbesitz sämtlicher Schweizer Kantone ausser der Waadt, die die Saline dem Datum der Publikation der geologi- einer Tiefe von 116 Metern auf die riesigen Bex betreibt – ausgebeutet werden. schen Karte Peter Merians – auf dem Gebiet Steinsalzlager der Anhydritgruppe des Mu- der heutigen Schweiz auf eigene Kosten 17 schelkalkes. Die Baselbieter Regierung, als Diese Entdeckung beinhaltet eine beson- erfolglose Bohrversuche nach Salz durchge- Inhaberin des Bergbauregals, erteilte Glenck dere Tragik – nämlich eine menschliche und führt und damals über zwei Millionen die Konzession für den Betrieb einer Saline dazu noch eine wirtschaftliche – für die Schweizer Franken in das Vorhaben inve- und ebenfalls die Bewilligung, den Salinen- Stadt Basel, denn bereits auf der geologi- stiert, bis er im Dezember 1833 durch einen standort in Schweizerhalle, nach der grie- schen Karte, die der Basler Ratsherr und seiner technischen Gehilfen auf die Schrift chischen Bezeichnung für Salz = Hals, also Universitätsprofessor, Peter Merian, im Jah- und die geologische Karte Peter Merians Schweizer Salz, zu benennen. Da das erste re 1821 als Beilage zu zwei Bändchen über aufmerksam gemacht wurde. Unverzüglich Bohrloch aber auf der Gemarkung der Ge- die Geologie der näheren Umgebung der beantragte Glenck, der gerade eine weitere meinde Muttenz lag und der Grundeigentü- Stadt Basel veröffentlicht hatte, wurde dar- erfolglose Bohrung bei Oberdorf im oberen mer des «Roten Hauses», der Basler Remigius auf aufmerksam gemacht, dass in der Nähe Baselbiet niederbrachte, beim Baselbieter Merian, ein Verwandter von Peter Merian, des «Roten Hauses» am Rheinufer bei Prat- Regierungsrat eine Konzession, um in Prat- horrende finanzielle Entschädigungen be- teln, die identischen Gesteinsschichten an- teln nach Salz zu bohren. züglich des für den Bohrversuch abgetrete- stehen würden, in denen in Süddeutschland nen Landes stellte und ebenfalls für sich das und in Lothringen Salz gefunden worden 1834 wurde Glenck die Konzession durch Recht in Anspruch nahm, auf seinem Grund- war. den Regierungsrat ausgestellt, und am 14. eigentum nach Salz zu graben, verlegte Carl August 1835 begann Glenck in der näheren Christian Friedrich Glenck mit Zustimmung Der deutsche Salinenspezialist, Carl Christi- Umgebung des «Roten Hauses» mit der der Baselbieter Regierung den Prospek- an Friedrich Glenck, hatte seit 1821 – also Bohrung und stiess am 30. Mai 1836 in tionsort direkt an das Rheinbord nach Prat- 193 treiber im Zuge des Landverkaufs ausgehan- ten und wichtigsten Industriestandort des delt hatte. Das Steinsalz wurde damals Kantons aufgestiegen wäre. durch eingelassenes Grundwasser gelöst und als Sole in riesige Eisenpfannen Mit der Errichtung der Saline Schweizerhalle gepumpt, die mit Holz oder Kohle befeuert wurde die damalige Schweiz erstmals vom wurden. Dadurch verdunstete das Wasser Salzimport unabhängig, und parallel dazu und das Salz kristallisierte aus. wurden die Grundlagen der wirtschaftli- chen Entwicklung und Bedeutung Prattelns Vom Salinenbetrieb, als erstem industriellen gelegt. Bereits 1844 wurde direkt neben Betrieb Prattelns, profitierten aber auch die dem Salinenstandort die erste Chemische 1893 errichtete die Buss AG ihre Brückenbau- Prattler Handwerker, vorab die hier ansässi- Fabrik in der Schweizerhalle errichtet. Auf werkstatt direkt beim Prattler Bahnhof. gen Küfer, die Kübler und Fassmacher, die einmal waren wichtige Grundstoffe chemi- die Transportbehälter für das Salz herstell- scher Fabriken direkt vor Ort verfügbar. Es teln, und zwar dorthin, wo sich heute die im ten, sowie Schmiede, Schreiner, Holz- und ist deshalb nicht vermessen, zu folgern, dass Historismus errichtete Villa des Salinen- Kohlehändler und insbesondere die Fuhr- es ohne die Saline Schweizerhalle den heute direktors befindet. Dort teufte Carl Christian leute, die das Salz in die ganze Schweiz ver- so bedeutenden Chemie- und Pharmastand- Friedrich Glenck ein zweites und drittes frachteten. Dank der Salinegründung stieg ort Nordwestschweiz mit Roche, Novartis, Bohrloch ab, das auch auf die Steinsalz- die Bevölkerung Prattelns sprunghaft an: Clariant, Ciba Spezialitätenchemie und Roh- schichten stiess. Von 1371 Personen und 264 Haushaltun- ner sowie der Schenectady als Nachfolgerin gen im Jahre 1850 auf 2425 Personen und der Schweizerischen Teerindustrie nicht oder Die Bauten der Saline auf von der Gemeinde 476 Haushaltungen im Jahre 1900; also um nicht in der heutigen Ausprägung und Pratteln erworbenem Land und bestehend mehr als 75%. Dominanz geben würde. aus vier Siedhäusern mit je zwei Siedepfan- nen, einer Schmiede und einem Pumpen- Dank den finanziellen Erträgen aus der Sali- Aber der Kanton Basel-Stadt weigerte sich haus wurden damals in einem Jahr realisiert. ne-Konzession, die dem Kanton nach den bis 1864 hartnäckig, Salz aus der Prattler (Heute würde man in dieser Zeit kaum die zehn abgabefreien Jahren seit 1847 perma- Saline zu beziehen. Mehr noch, die Animo- Umweltverträglichkeitsprüfung geschweige nent zuflossen, konnte der neue Kanton sität der Basler gegen die Saline und den denn die Baubewilligung erhalten.) Am 7. Basel-Landschaft auch wirtschaftlich überle- Kanton Basel-Landschaft manifestierte sich Juni 1837 wurde die Salzproduktion vorerst ben. Mehr noch: Bis weit ins 19. Jahrhun- auch dadurch, dass Basler Kapitalgeber den noch aus dem Bohrloch beim «Roten Haus» dert hinein, nämlich bis im Jahre 1892, Aufbau von Konkurrenzsalinen in Kaiser- aufgenommen, aus dem man die Sole in konnte wegen der Einnahmen aus dem augst, Rheinfelden und Ryburg/Möhlin finan- Teuchelleitungen in die Saline leitete, von Konzessionsvertrag der Saline, die einen zierten, um der Saline Schweizerhalle und wo man das aus der Sole gewonnene Salz Viertel der Einnahmen repräsentierten, auf dadurch dem Kanton Basel-Landschaft finan- per Pferde-Fuhrwerke in die ganze Schweiz die Erhebung einer Staatssteuer im Kanton ziell zu schaden. Dies wahrscheinlich wegen auslieferte. Die 90 Salinenarbeiter, die Basel-Landschaft verzichtet werden. des erlittenen Frusts der Entdeckung und damals in der Saline Schweizerhalle eine der Ausbeutung der Salzvorkommen in Beschäftigung fanden, hatten mehrheitlich Retrospektiv darf man heute feststellen, Schweizerhalle durch die Baselbieter, die ein in Pratteln Wohnsitz. Dies war eine der dass ohne den Salzfund in der Schweizer- Basler prognostiziert hatte, und der Tatsa- Bedingungen, die der damalige Prattler halle der Kanton Basel-Landschaft wirt- che, dass der verhasste Anführer der Kan- Gemeinderat als Vorläufer der heutigen schaftlich kaum überlebt hätte und dass tonstrennung, Stefan Gutzwiller, zuerst zum 194 Wirtschaftsförderung mit dem Salinenbe- Pratteln nicht vom Bauerndorf zum gröss- Baselbieter Regierungsrat ernannt und spä- ter zum Salzagenten und damit zum mit Dienstleistungsaktivitäten mit den Schwer- weitreichenden Kompetenzen ausgestatte- Pratteln: punkten Grosshandel, Banken und Versi- ten Finanzdirektor der Saline Schweizerhalle Ein ökonomisches cherungen, Logistik, Forschung und Ent- berufen wurde. Basel bezog deshalb das wicklung, also Innovation, beinhaltet, wur- Salz weiterhin aus dem deutschen Heil- Fallbeispiel de in Pratteln mit der Eröffnung der beiden bronn, obwohl dieses fast doppelt soviel Nationalstrassen, an die Pratteln direkte kostete wie das Prattler Salz. Fritz Sutter Anschlüsse besitzt – der A2, die nach Bern ins Mittelland und in die Romandie und der A3, die in unmittelbarer Nähe Prattelns, in QUELLEN: Die Wende vom Sekundär- zum der Nachbargemeinde Augst, von der A2 Birkhäuser, Kaspar, et al.: Saline Schweizerhalle Tertiär-Sektor und deren abzweigt und nach Zürich und der Ost- 1837 bis 1987. Liestal, 1987. ökonomische Auswirkungen schweiz führt – in den späten siebziger Jah- Kölner, Paul: Das Basler Salzwesen seit dem 13. ren eingeleitet. Jahrhundert bis zur Neuzeit. Basel, 1920. Merian, Peter: Beiträge zur Geognosie. Übersicht Die Wende bzw. die Transformation der Diese Transformation bzw. Neuausrichtung der Beschaffenheit der Gebirgsbildungen in der Industrie-Unternehmen des zweiten bzw. hatte zur Folge, dass die auf menschliche Umgebung von Basel. Basel, 1821. Sekundär-Sektors, der auch als produzieren- Arbeitskraft ausgerichteten Produktions- Schweizerische Rheinsalinen: Informationen zu des und verarbeitendes Gewerbe bzw. als Unternehmen – wie zum Beispiel der Rei- Fördermengen. 2001. Industrie bezeichnet wird, in den Dienstlei- fenhersteller Firestone und in gewissen Tei- Meier, E. A.: 50 Jahre Säurefabrik Schweizerhalle. stungs-Sektor, den sogenannten dritten len auch der Metallbauer Buss, der Wag- Mit Beiträgen zur Industriesiedlung Schweizer- oder tertiären Sektor, der die Handels- und gonbauer Schindler, die Kranfabrik Mars- halle. Schweizerhalle, 1867. Stocker, F. A.: Drei schweizerische Salinedirekto- ren. In «Vom Jura zum Schwarzwald», Band 3. Aarau, 1893. Sutter Fritz: Magazinbeilage Basler Zeitung. 200 Millionen Jahre Salz. Basel, 1984. Sutter, Fritz: Geburt des Kantons: Am Anfang stand das Salz. In Basler Zeitung vom 30. April 1982. Basel. Wirz, Eduard: 100 Jahre Saline Schweizerhalle 1837–1937. Liestal, 1937.

«In meinem Zimmer, Fabrikluft-durchschwängert, liege ich wach in der Dämmerung». So betitelt Karollus (Karl Schwob†) seinen Linolschnitt der Industriesiedlung Teerindustrie. 195 vation betreffend der Veredelung bisheriger Materialien beziehungsweise der Kreierung neuer Baustoffe, Verbund- und Konstruk- tionssysteme eine absolute Forderung des globalen Marktes darstellt. Generell ist fest- zustellen, dass durch die Transformation aus dem Sektor 2 in den Sektor 3 zahlreiche Arbeitsstellen der damaligen Prattler Indus- trie eliminiert wurden und dass die Folgen dieser Transformation, die auch eine hohe Arbeitslosigkeit in Pratteln zur Folge hatte, bis heute noch nicht überwunden sind. Äus- serst bedenklich stimmen auch die Auswer- tungen des Bundesamtes für Statistik be- treffend der Volkszählungen von 1980 und Das Industrieunternehmen Persil, die Henkel & Cie. AG, transformiert das Firmengelände in einen Frei- 1990, bezogen auf die über 15-jährigen, zeit- und Erlebnispark mit dem Namen «Raurica Nova». dass Pratteln das tiefste Bildungsniveau der Region aufweist und von 1980 bis 1990 Uto und der Waschmittelhersteller Persil – Freizeitbereich nutzen und gedenkt, mit keine Verbesserung erkennen lässt. Der Be- entweder als Folge des Konkurrenzdruckes dem Konzept «Raurica Nova», einen auf die völkerungsanteil mit geringem Ausbildungs- anderer Anbieter am Markt oder aus Kos- Region ausstrahlenden Freizeit- und Erleb- niveau stagniert in Pratteln bei 40 Prozent. tengründen ihre Kapazitäten reduzieren nispark zu etablieren. Die Total-Liquidation Die Wissenschafter sprechen deshalb von oder liquidieren mussten. Andere Prattler des Reifenherstellers Firestone mit der Ent- einer Korrelation – einer Verknüpfung – von Traditionsunternehmen, wie das vor 125 lassung von über 600 Mitarbeitern löste in Bildungsniveau und Arbeitslosigkeit. In der Jahren gegründete und auf die Holzverar- Pratteln und in der Region damals – 1978 – Nordwestschweiz, zu der auch Pratteln ge- beitung und -konstruktion spezialisierte ein Trauma und menschliche Tragödien aus. hört, gingen allein in den Jahren zwischen Unternehmen Häring & Co. AG, Innovatives Andere Industrie-Unternehmen des zweiten 1991 und 1998 29894 Arbeitsplätze verlo- Bauen, stiess in den Forschungs- und inno- Sektors fanden ihre Zukunftschancen – wie ren, davon resultieren allein 28697 aus dem vativen Holz-Anwendungs-Bereich vor und dies das Unternehmen Häring & Co. AG, Sektor 2. Damit ist auch belegt, dass sich entwickelte neue, zukunftsweisende Ver- Innovatives Bauen, mit dessen Umwand- das Schwergewicht der industriellen Wert- fahren betreffend der Fassadenisolation, lung in ein innovatives High-Tech-Unterneh- schöpfung zunehmend von den Werkhallen der Fensterfabrikation und revolutionärer men beispielhaft vorgeführt hatte – entwe- hin zur Forschung und Entwicklung sowie Holz-Trage-Konstruktionen und setzte diese der in der Mechanisierung und Automati- zur Innovation und zur Logistik und zu den Innovationen erfolgreich in die Praxis um. So sierung bestehender Produktelinien oder Bereichen Transport und Grossverteiler so- wie das Unternehmen Buss seinen aufgeho- aber in der Begrenzung und der Selektion wie zu jenen Kreditinstituten, die aus dem benen Firmenparkplatz anderweitig mit ei- auf das Kerngeschäft oder auf Nischenpro- Wettbewerb als stärkste hervorgingen, wie nem Multiplex-Kino-Komplex nutzen will, dukte. Dass die Häring & Co. AG, Innovatives die Basellandschaftliche Kantonalbank, die wird auch das Unternehmen Persil, bzw. das Bauen, bereits in den Zukunftsmarkt Asien UBS und die CS, verlagert. Unternehmen Henkel & Cie. AG, nach dem expandiert und in Peking die Schwimmhalle Waschmittel-Produktionsverzicht seine ehe- für die Olympischen Spiele bauen wird, Insbesondere verlagerte sich der Transport- 196 malige Produktionsfläche inskünftig für den belegt, dass heute und in Zukunft die Inno- und Logistikmarkt wegen der Internationali- sierung des Transports und der Anbindung an die EU aber auch wegen des Baus der Nationalstrassen auf solche Stützpunke, wie diese in Pratteln mit den optimalen An- schlüssen an das europäische Strassen- und Schienennetz und den Landreserven in der Rheinebene garantiert werden können. Ge- rade in Pratteln profitiert das Speditions- und Logistikgewerbe von den zunehmen- den Auslagerungen durch Unternehmen, die sich auf ihr Kerngeschäft besinnen und nicht mehr Dienstleistungen erbringen wol- len, die sie kostengünstiger durch Spezial- unternehmungen der Logistikbranche aus- führen lassen können.

Der Standortvorteil Prattelns zugunsten des tertiären Sektors hat aber den Nachteil, dass Die Prattler Traditionsfirma Häring & Co. AG hat sich von einem holzverarbeitenden Betrieb zu einem bestehende Landreserven für die Befriedi- innovativen Bauunternehmen entwickelt. Das Bild zeigt das durch die Häring & Co. AG, Innovatives gung der Ansprüche des dritten Sektors – Bauen, realisierte Logistikzentrum von Mc Donalds in Oensingen. also für das Segment der Grossverteiler und Supermärkte, wie IKEA und Möbel Pfister kerungsabnahme zwischen 1991 und 1998 In Pratteln haben sich 632 Arbeitsstätten – sowie Conforama, Interio, das Grüssen- ablesbar. Zählte Pratteln 1991 noch 15265 vorwiegend Klein und Mittel-Unternehmen, Center und Jumbo – für die Überbauung Einwohner, ist diese bis 1998 um 310 auf sogenannte KMU – etabliert, die von 4868 freigegeben werden. Diese Situation hat 14955 zurückgegangen. Der Wandel vom Zupendlern aus der Agglomeration sowie nun zur Folge, dass der Anteil der Sied- zweiten in den dritten Sektor zeigt sich auch von 1800 Grenzgängern aus dem be- lungsfläche bezogen auf die Gesamtfläche in der Zahl der Beschäftigen. Waren es 1995 nachbarten Ausland, vornehmlich aus St. des Gemeindebanns Pratteln bereits 42 Pro- noch 9258, sank die Zahl 1998 auf 8822, Louis, Weil am Rhein, Lörrach/Grenzach zent beträgt. Das heisst, dass in Pratteln also um 436. Die Aufgliederung in die zwei und Badisch Rheinfelden, alimentiert wer- annähernd die Hälfte der Gesamtfläche zer- Sektoren gibt das folgende Verhältnis: Im den. Dies ergibt eine Summe von 6669 siedelt wurde und dies bei steigender Ten- zweiten Sektor waren 3341 und im dritten Zupendlern. Dem gegenüber weisen die denz. Mit dem Siedlungsanteil von 42 Pro- Sektor 6481 Personen beschäftigt, dies ent- Wegpendler in die Stadt Basel oder in die zent befindet sich Pratteln im obersten sprich einem Verhältnis von 34 zu 66 Pro- Region die Gesamtzahl von 5301 Personen Segment der Agglomeration. Nur Binnin- zent, also einem Drittel zu zwei Dritteln. auf, was einen positiven Pendlersaldo von gen, Bottmingen, Birsfelden, Reinach und Dies wiederum hat zur Folge, dass diese 1367 Personen ergibt. Dank des gut ausge- Münchenstein weisen einen höheren Sied- Gemeinden, die bezogen auf das Gemein- bauten Nahverkehrs mit Eisenbahn, Tram lungsanteil auf, während die Nachbarge- degebiet einen hohen Siedlungsanteil auf- und Bus und der privaten Mobilität sowie meinde Muttenz hinter Pratteln zurückliegt. weisen, wichtige Standortvorteile einbüs- der vorhandenen Infrastruktur erfolgt dieser sen, weil mit der Zersiedlung auch deren Arbeitskräfte-Austausch problemlos. Damit Die Transformation vom zweiten in den drit- landschaftliche Attraktivität eingeschränkt etabliert sich Pratteln bezüglich des positi- ten Sektor ist in Pratteln auch aus der Bevöl- wird. ven Pendlersaldos innerhalb der Agglome- 197 Statistisches Jahrbuch Kanton Basel-Landschaft. Ausgabe 2001. Statistisches Amt, Kanton Basel- Landschaft. Liestal, 2001. Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftsdynamik der Nordwestschweiz. Stadt und Region. Heft 2. Sta- tistisches Amt Basel-Stadt, 2002.

Auch das futuristisch anmutende Paul Scherrer-Institut in Würenlingen ist eine Kreation der Häring & Co. AG, Innovatives Bauen.

ration mit positivem Saldo nach Basel, Lies- sowie die auf Holzhandel spezialisierte Sper- tal und Muttenz an vierter Stelle. Alle ande- rag AG. Diese vormaligen Handwerksbetrie- ren Agglomerationsgemeinden weisen einen be und heutigen KMU haben neben weite- negativen Pendlersaldo auf. ren hier in Pratteln domizilierten KMU nicht nur qualitätsvolle Arbeitsplätze und für Prat- Parallel zu den ihre herausragende Bedeu- teln wertvolle Dienstleistungen sondern – was tung verlierenden Industrieunternehmen des nicht nur für die Weiterentwicklung dieser zweiten Sektors haben sich in Pratteln aber hochqualifizierten Unternehmen sondern auch zahlreiche KMU – Klein- und Mittel- für Pratteln eine Existenz- und Schicksals- Unternehmen – angesiedelt, die sich aus ehe- frage bedeutet – auch Lehrstellen anzu- maligen Handwerksbetrieben entwickelt ha- bieten. Zahlreiche dieser spezialisierten KMU ben und die noch immer nicht nur die selbst sind heute zu bedeutenden Unter- wirtschaftliche sondern auch die ökonomi- nehmen aufgestiegen, die das Ortsbild und sche Basis Prattelns repräsentieren. Als Bei- die Peripherie Prattelns prägen und dank spiele sind zu nennen das Malerei-Spezial- ihrer erfolgreichen Unternehmenstätigkeit unternehmen Paul Pfirter & Co. AG, die auch die darbende Steuerkasse der Gemein- Spenglerei und das Sanitär-Unternehmen de alimentieren. Fritz Sutter Schneider Sanitär und Spenglerei AG, die auf Metallarbeiten spezialisierte Reinhard Widmer AG, das Schreinerei-Unternehmen QUELLEN: Schneider AG, das Haushaltmaschinen-Ser- Baselland in Zahlen. Ausgabe 2002. Baseland- 198 vice-Unternehmen Max Wagner & Co. AG schaftliche Kantonalbank. Liestal, 2002. kolliert. Anwesend waren 20 Mitglieder, die de Bearbeitung von Gesuchen, Steuern, Gewerbe- und den Vorstand wählten und die Vereinssat- Zugshalte in Pratteln und SBB-Fahrplan usw. Industrieverein zungen genehmigten. Bereits am 15. Juni Ebenfalls der «Amtsanzeiger» war schon fand dann die zweite Sitzung statt, in der 1927 ein Thema, wie auch das Hausieren Pratteln beschlossen wurde, an den Rabattverein zu und Betteln, «das in den Aussenquartieren gelangen mit dem Ersuchen «seine Stellung der Ortschaft in grosser Blüte steht». Nicht kund zu tun in der Salzauswägestelle». nur 1927, auch in späteren Jahren, wurden Damit wissen wir, dass erstens das «Salz die Mitglieder aufgefordert, bei Gemeinde- auswägen» ein wichtiges Amt war und versammlungen vollzählig zu erscheinen, Laut einem Eintrag im Anhang der Prattler zweitens, dass schon damals ein Rabattver- damit bei wichtigen Angelegenheiten die Heimatschrift Nr. 3 «Pratteln Beiträge zur ein bestand, der Im Herbst 1918 gegründet bürgerliche Mehrheit zustande käme, «und Kulturgeschichte eines Bauerndorfes (1525– und im Oktober 1994 aufgelöst wurde. Die dass wir nicht wieder erleben müssen, dass 1900)» von Ernst Zeugin soll am 7. Septem- Rabattmärkli-Ausgabe indes war schon die linke Opposition wegen zwei bis drei ber 1899 ein Gewerbeverein gegründet Ende Dezember 1983 aufgegeben worden. fehlenden bürgerlichen Stimmen die Mehr- worden sein. Initiant war Dr. Johann Martin- heit erlangt». Spätere Themen waren unter Burckhardt. Ob die am 15. Oktober 1899 Aus diesen alten Dokumenten geht hervor, vielen anderen die Schwarzarbeit, die Ar- eröffnete Zeichnungs- und Gewerbeschule dass sich die Tätigkeit des HGV nicht nur auf beitslosenversicherung und immer wieder in einem Zusammenhang mit dem neu gewerbespezifische Themen und auf den Beratung und Vernehmlassungen zu neuen gegründeten Verein stand, geht aus Zeugins Kampf für das einheimische Gewerbe be- Gesetzen oder Gesetzesänderungen. Anmerkungen nicht hervor. Immerhin lesen schränkte; er engagierte sich auch aktiv in wir im Protokoll der Vereinssitzung vom der Politik, insbesondere an der Gemeinde- Die Jahre des Zweiten Weltkrieges brachten 22. April 1926, dass sich ein Mitglied nach politik. Er nominierte Kandidaten für den auch dem HGV einen Einbruch. Die Vereins- dem Gewerbeschulverein erkundigt hat, Gemeinderat, für die Gemeindekommission tätigkeit kam jedoch nicht zum Erliegen, ob- und auch aus späteren Aufzeichnungen und für die verschiedenen Kommissionen. wohl die eine oder andere Sitzung ausfallen lässt sich ein Zusammenhang konstruieren. Die Gewerbler kandidierten auf der Liste der musste, da viele Mitglieder an der Grenze Demokratischen Fortschrittspartei (heute standen. Die Stimmung in den Kriegsjahren Doch der Reihe nach: Es muss davon ausge- SVP) oder allenfalls der Freisinnigen oder schwankte zwischen Angst und Hoffnung, gangen werden, dass der 1899 gegründete präsentierten dem Stimmvolk eine eigene war aber auch geprägt durch die Liebe zur Gewerbeverein keinen Bestand hatte. Denn Liste zusammen mit dem Rabattverein. Der Heimat und Durchhaltewillen, wie aus dem aufgrund der noch vorhandenen Protokolle HGV befasste sich jeweils auch mit den Trak- präsidialen Jahresbericht 1941 hervorgeht. und Jahresberichte, die uns der heutige Prä- tanden der Gemeindeversammlungen und sident des Prattler Gewerbe- und Industrie- gab Empfehlungen bei Lehrer-, Gemeinde- Mit der Revision der Statuten 1947 vollzog vereins (GIV), Ernst Ritter, zur Verfügung verwalter- und Landratswahlen ab und stell- der Verein auch eine Namensänderung und stellen konnte, lässt sich die Gründung des te eigene Leute zur Wahl in das Kantonspar- nannte sich jetzt schlicht «Gewerbeverein «Gewerbevereins Pratteln» unter dem Na- lament. Pratteln». Der Zweck des Vereins war jedoch men «Handwerker- und Gewerbeverein der gleiche geblieben: Eine politisch unab- Pratteln» (HGV) auf das Frühjahr 1922 Teilweise sind die Probleme von damals die hängige Vereinigung von Handwerkern und datieren. Denn im ersten, handgeschriebe- gleichen oder ähnliche wie heute, so die Gewerbetreibenden. nen Protokollbuch ist die «Konstituierende Höhe der Posttaxen und des Strompreises, Versammlung vom 27. März 1922 im das Submissionswesen, Vergabe von öffent- Im November 1947 tauchte die Idee einer Sekundarschulhaus, abends 8 Uhr» proto- lichen Arbeiten an Auswärtige, schleppen- Weihnachtsaktion (Ausstellung oder Wett- 199 bewerb) auf und wurde in Form eines Ja, warum, da in unserer Gemeinde altein- Schaufenster-Wettbewerbs wahrscheinlich gesessene Unternehmen von der Bildfläche Die Landwirtschaft bereits im Dezember in die Tat umgesetzt: verschwunden (Firestone, Persil, AGA, Mars Diese Aktion scheint ein Erfolg gewesen zu Uto etc.) oder zu kümmerlichen Überresten sein. 1950 wurde die Idee einer Weihnachts- verkommen sind (z.B. Buss AG)? Ganz ein- ausstellung wieder aktuell, und im Dezem- fach: Vor allem in den letzten zwei Jahr- ber 1952 zeigten im «Ochsen» 23 Gewerb- zehnten des vergangenen Jahrhunderts sie- ler, was sie zu leisten vermögen. Das Echo in delten sich in Pratteln viele neue Unter- der Bevölkerung war gross und das Interes- nehmen in den Sparten Handel, Logistik se der Gewerbler nach der Weihnachtsaus- und Dienstleistungen an und traten dem Die Zahl der Prattler Landwirtschaftsbetrie- stellung wuchs, so dass zur zweiten «Aufla- Gewerbeverein bei, in der Erkenntnis, dass be ist seit 1966 bis zum Jahre 2002 von 30 ge» und in der Folge bis 1958 zu Weih- man nur zusammen stark ist und so seine um fast zwei Drittel auf elf zurückgegan- nachtsschauen in den grösseren Engelsaal Interessen vertreten kann. So drängte sich gen. Dabei handelt es sich vor allem um eingeladen wurde. 1959, in dem Jahr, als der 1997 eine Namensänderung samt neuen Betriebe, die infolge Fehlens eines Nachfol- altehrwürdige Engel abgebrochen wurde, Statuten auf. Im Zweck-Artikel des sich nun- gers aufgegeben wurden. Der grosse Ver- fand wieder ein Schaufensterwettbewerb mehr «Gewerbe- und Industrieverein Prat- lust von Kulturland durch den Bau der Auto- und eine Weihnachtsausstellung in der Dorf- teln» nennenden Vereins heisst es nun: «Der bahn und die übrige Bautätigkeit haben turnhalle statt. Verein bezweckt den Zusammenschluss des natürlich auch eine grosse Rolle gespielt. lokalen Gewerbes, Handels, Dienstleistung Von den elf Betrieben können zehn als 1976 dann ein Neubeginn mit dem und Industrie zur gemeinsamen Wahrung Haupterwerb und einer als Nebenerwerbs- «Gwärb-Märt» im Oktober – zur Erinnerung und Förderung seiner Interessen in wirt- betrieb bezeichnet werden. Der Inhaber des an das Privileg der Prattler Eptinger, zu Leo- schaftlicher und politischer Hinsicht». Nebenerwerbsbetriebes hat eine feste An- degaris (1. bis 3. Oktober) jeweils einen stellung in einem hiesigen Industriebetrieb. Markt durchzuführen. Diese eindrücklichen Trotz manchmal hohem Wellengang gelang Aber auch die meisten anderen Landwirte Leistungsschauen unseres Gewerbes fan- es, das Vereinsschiff immer wieder auf Kurs betreiben neben ihrem traditionellen Betrieb den bis zur Eröffnung des Kultur- und zu bringen. Und man darf sagen, dass mit noch einen zusätzlichen Betriebszweig, Sportzentrums im Jahre1988 auf dem Dorf- der jüngeren Generation Gewerbetreiben- obwohl sich die Betriebsfläche bei den mei- turnhallenplatz statt. Diese Gewerbeaus- der der «Futterneid» früherer Generationen sten Betrieben – sie beträgt heute durch- stellungen unter dem Namen «GAST» mit verschwunden ist. So gedeiht der GIV, der schnittlich 25 ha – verdoppelt oder gar ver- vielen Attraktionen werden alle zwei bzw. mit Zusammenkünften, Reisen und Besichti- dreifacht hat. Die durchschnittliche Betriebs- fünf Jahre durchgeführt. Jedes Jahr hinge- gungen auch die Geselligkeit pflegt, weiter fläche beträgt in der Schweiz 18 ha, im Kan- gen sind in der Adventszeit alle Schaufens- und zählt heute rund 200 Mitglieder. ton Baselland 20 ha. ter weihnachtlich geschmückt, und die Emmy Honegger Schlossstrasse erstrahlt im Lichterglanz. Fünf der elf Betriebe betreiben noch Milch- wirtschaft. Fünf Höfe liegen im Dorf, sechs 1991 dann eine gewerbliche Premiere: Die sind Nebenhöfe. Gewerbe-Gutscheine, die zu einem belieb- ten Geschenkartikel geworden sind. Die Agrarpolitik 2002 brachte für die Land- wirtschaft tiefgreifende Änderungen. Die Warum wird dieses Kapitel mit «Gewerbe- vom Bund bis anhin garantierten Preise, vor 200 und Industrieverein Pratteln» (GIV) betitelt? allem für Milch und Brotgetreide, wurden aufgehoben. Die Bauern mussten lernen, Anbaubeiträge im Ackerbau: Raps, Soja, ihre Produkte selbst zu verkaufen und nicht, Sonnenblumen, Ackerbohnen, Eiweiss- wie bisher, nur abzugeben. Der Milchpreis Erbsen Fr. 1500.– pro ha. sank um 30 Prozent, der Getreidepreis so- gar um 50 Prozent. Diesen massiven Preis- Auf vier bis fünf Formularen werden jährlich abbau konnte die Landwirtschaft natürlich die benötigten Daten erfasst und vom Land- nicht verkraften. An Stelle der Preisstützun- wirtschaftlichen Zentrum Ebenrain ausge- gen kamen die Direktzahlungen: Allgemei- wertet. Um jedoch in den Genuss von ne Direktzahlungen und Flächenbeitrag. Direktzahlungen zu kommen, muss ein öko- logischer Leistungsausweis erbracht wer- Beitrag pro Hektar und Jahr: Landwirtschaftli- den. che Nutzfläche Fr. 1200.–; zusätzlich für offe- Eine entschwundene Idylle: Viehschau bei der nes Ackerland und Dauerkulturen Fr. 400.–. Allgemein: Definition und Ziele des ökologi- «Landi». schen Leistungsausweises (ÖLN). Dieser Beiträge für die Haltung Rohfutter verzeh- unterstützt eine umweltschonende Land- 40 Prozent, Hafer, Kartoffeln, Rüben, Raps render Nutztiere: Je RGVE und Jahr: Rind- nutzungsform zur Erzeugung hochwertiger und Sonnenblumen je 25 Prozent. vieh und Pferde Fr. 900.–; Ziegen und Scha- Nahrungsmittel und Rohstoffe. Durch die fe Fr. 400.–. weitgehende Nutzung natürlicher Ressour- 4. Bodenschutz: Zwischen dem 15. Novem- cen bei möglichst geschlossenen Nährstoff- ber und dem 15. Februar muss die offene Daneben gibt es Beiträge für Tierhaltung kreisläufen wird der Einsatz umweltbelas- Ackerfläche einen Bodenschutzindex von unter erschwerten Produktionsbedingungen. tender Betriebsmittel reduziert und die 50 Prozent aufweisen. Das heisst, die Felder Diese Beiträge werden in der Hügel- und Bodenfruchtbarkeit langfristig erhalten. müssen weitgehend bepflanzt sein. Der Bergzone ausbezahlt. Bodenindex beträgt je nach Kultur 20 bis Anforderungen an die Bewirtschafter: Der 100 Punkte. Hangbeiträge: Diese gelten für Flächen von Bewirtschafter macht regelmässig folgende 18 bis 35 und mehr als 35 Prozent Neigung. Aufzeichnungen: 5. Düngung: Der Bedarf an Phosphor und Stickstoff wird an Hand einer Nährstoffbi- Ökobeiträge: Den ökologischen Ausgleich 1. Betriebsplan mit Unterscheidung von lanz berechnet und darf maximal einen Feh- wird für extensiv genutzte Wiesen, Hecken, Dauergrünland, Ackerland, Spezialkulturen lerbereich von 10 Prozent aufweisen. Auf Feld- und Ufergehölz, wenig intensiv ge- und ökologischen Ausgleichsflächen. allen Parzellen müssen alle fünf Jahre Bo- nutzte Wiesen- und Hochstamm-Feldobst- denanalysen durchgeführt werden. bäume ausbezahlt. Daneben gibt es Beiträ- 2. Schlagkartei mit Angaben über Fläche, ge für Buntbrache, Rotationsbrache und Kultur, Vorkultur, Bodenbearbeitung, Dün- 6. Pflanzenschutz: Beim Erstellen des Kul- Ackerschonstreifen. Für den biologischen gung (gem. Bodenproben), Pflanzenschutz turplanes sind Massnahmen zu befolgen, Landbau werden zusätzliche Beiträge aus- und Erntedatum. die das Auftreten von Unkräutern, Schädlin- gerichtet. Besonders tierfreundliche Stall- gen und Krankheiten verhindern. Bei der haltungssysteme und regelmässiger Auslauf 3. Fruchtfolge: Betriebe mit mindestens drei Auswahl der Sorten müssen die Qualitäts- werden ebenfalls mit Beiträgen belohnt. ha offener Ackerfläche müssen mindestens und Resistenzeigenschaften berücksichtigt vier Kulturen aufweisen. Der jährlich maxi- werden. Direkte Pflanzenschutzmassnahmen Extensivproduktion: Für Futtergetreide, Brot- male Anteil der Hauptkulturen wird wie müssen sich am Prinzip der wirtschaftlichen getreide, Raps Fr. 400.– pro ha. folgt beschränkt: Getreide 60 Prozent, Mais Schadschwelle bei mittlerer Ertragserwartung 201 orientieren. Die Feldspritzen müssen alle vier Hansrudolf Hohermuth-Kläusler, Hohenrain, Ämter: Rudolf Schneider: Mitglied der Bür- Jahre geprüft werden. Die erlaubten Pflan- Eigentümerin Buss Immobilien. Betriebs- gerkommission, Gemeindebaumwärter; Urs zenschutzmittel sind vorgeschrieben. fläche 9 ha. Hauptbetriebszweige: Acker- Schneider: Einwohnerrat. bau (Getreide, Raps, Mais). Der Betrieb wird 7. Ökologischer Ausgleich: Die ökologische im Nebenerwerb geführt. 1984 musste die Fritz Schneider-Pfistner, Leuengrund. Betriebs- Ausgleichsfläche muss pro Betrieb minde- Viehhaltung infolge Überbauung des Ho- fläche 18,2 ha, vorwiegend Grünfläche. stens sieben Prozent der landwirtschaftli- henrain-Geländes aufgegeben werden. Hautbetriebszweige: Rebbau 1,5 ha. Tierbe- chen Nutzfläche betragen. Das sind extensiv stand: fünf Mutterkühe, ein Stier. Nebener- oder wenig intensiv genutzte Wiesen, Rudolf Nebiker-Kohli, Oberfeldstrasse 44. werb: Eigenkelterei mit Eigengewächswirt- Bund- und Rotationsbrachen, Hochstamm- Betriebsfläche 31,3 ha. Hauptbetriebszwei- schaft (Öffnungszeit: vier Monate ab Mitte Feldobstbäume, Hecken und Feldgehölz. ge: Ackerbau (Getreide, Raps, Mais). Tierbe- Oktober bis ca. Mitte Februar. In der übrigen stand: sechs Pensionspferde, sechs Mastrin- Zeit offen für Gesellschaften). Entlang von Wegen und Strassen muss ein der. Nebenerwerb: Kommunale Arbeiten, Wiesenstreifen von mindestens einem hal- Häckseldienst, Bäume schneiden. Rosmarie Cornel und Rita Schorno-Peyer, Neu Schau- ben Meter belassen werden. Entlang von Nebiker: Teilzeitangestellte als Lehrerin für enburg, Eigentümerin Frau Dr. Annemarie Oberflächengewässern, Waldrändern, Hecken Textiles Werken. Öffentliche Ämter Rudolf Willenegger. Betriebsfläche: 18,9 ha. Haupt- und Feldgehölzen müssen Wiesenstreifen Nebikers: Bürgerrat (Waldchef), Mitglied betriebszweige: Milchwirtschaft, Viehzucht, von drei Metern Breite vorhanden sein. Bei der Naturschutzkommission, Vorstandsmit- etwas Obstbau. Tierbestand: 18 Kühe, 21 einer jährlichen Kontrolle wird festgestellt, glied der Landwirtschaftlichen Bürgschafts- Rinder. Öffentliche Ämter: Viehschauexper- ob die vorgeschriebenen Massnahmen ein- genossenschaft BL, Präsident des Obstbau- te, Vizepräsident Braunviehzuchtverband, gehalten werden. vereins. Zuchtbuchführer BZVG Pratteln.

Christoph Pfirter-Straumann, Hauptstrasse Karl Urech-Stalder, Chrummacker. Betriebs- Die Prattler Bauernbetriebe 41/Krummeneichstrasse 80. Betriebsfläche fläche 15,4 ha. Hauptbetriebszweige: Milch- Stefan Bielser-Lustig, Hauptstrasse 51. Be- 40,8 ha. Hauptbetriebszweige: Ackerbau wirtschaft und Ackerbau. Tierbestand: 15 triebsfläche 25,4 ha, viehlos. Hauptbe- (Getreide, Raps, Mais). 10 ha werden in Kühe, sechs Rinder. triebszweige: Ackerbau (Getreide, Raps, Schwörstadt (D) bewirtschaftet. Nebener- Mais) und Obstbau. Daneben 0,6 ha Christ- werb: Landwirtschaftliches Lohnunterneh- Betriebsgemeinschaft Willi/Degen, Schö- baumkulturen. Als Nebenbetrieb betreibt men (Dienstleistungen für die Landwirt- nenberg, Eigentümerin Burgrain AG, Fren- die Familie Bielser im ehemaligen Kuhstall schaft, Bodenbearbeitung, Aussaat). Pfirter kendorf. Betriebsfläche 40,5 ha. Hauptbe- einen Lebensmittelladen mit Schwerpunkt Landschaft und Pflegetechnik (Landschafts- triebszweige: Milchwirtschaft und Ackerbau. Frischprodukten. Öffentliche Ämter: Stefan pflege mit Spezialmaschinen). Tierbestand: 33 Kühe, 22 Rinder, ein Stier, Bielser ist Oblt der Feuerwehr und Kdt-Stell- sechs Mastrinder. Nebenerwerb: Landwirt- vertreter. Rudolf Schneider-Schmid und Sohn Urs, schaftliches Lohnunternehmen (von der Zollmattweg 8. Betriebsfläche 24,8 ha. Saat bis zur Ernte, Kompostieren für die Lukas Heid-Heiniger, Talhof, Eigentümerin Hauptbetriebszweige: Ackerbau (Getreide Gemeinde). Öffentliche Ämter: Albert Willi: Bürgergemeinde Pratteln. Betriebsfläche 35 und Mais). Tierbestand: acht Rinder, vier Einwohnerrat, Vorstand Bauernverband BL. ha. Hauptbetriebszweige: Milchwirtschaft Pferde, davon zwei Pensionspferde), Die Jürg Degen: Vorstand Pächterverband. (31 Kühe, 29 Rinder), Ackerbau: Getreide Rinder werden für einen Kollegen im Ober- und Mais für den eigenen Viehbestand. Auf baselbiet aufgezogen. Nebenerwerb: Häck- Matthias Wüthrich, Mayenfels. Betriebs- 202 dem Talhof stehen 476 Obstbäume. seldienst für die Gemeinde: Öffentliche fläche 19,2 ha. Haupterwerbszweige: Milch- Als Emanuel Büchel im Jahre 1737 das Bild der Prattler Hauptstrasse vom Pfarrhaus aus malte, war Pratteln noch ein Bauerndorf. wirtschaft, Obstbau. Tierbestand: 25 Kühe, hen 1741 Hochstamm-Feldobstbäume. Da- tation (305 Tage). In den letzten zwei Jahren 14 Rinder. von werden ca. 400 von der Bürgergemein- ist die durchschnittliche Leistung um 466 kg de gepflegt und genutzt. gestiegen. Die höchste Leistung betrug Total werden von den Prattler Bauern 277 11 098 kg. ha Land bewirtschaftet mit hauptsächlich Landwirtschaftliche Organisationen folgenden Kulturen: Wintergerste 21,55 ha, Braunviehzuchtgenossenschaft Pratteln: Acht Winterweizen 55,56 ha, Körnermais 19 ha, Fleckviehzuchtgenossenschaft Pratteln: Sechs Mitglieder, sechs Auswärtige. Tierbestand: Raps 11 ha, Eiweisserbsen 1,7 ha, Rotati- Mitglieder, vier Auswärtige. Tierbestand: 188 Kühe, drei Stiere. Die durchschnittliche onsbrache 7,9 ha, Kunstwiesen 28,8 ha, 195 Kühe und trächtige Rinder. Durch- Milchleistung beträgt 7116 kg pro Laktati- Naturwiesen 125 ha. Auf den Feldern ste- schnittliche Milchleistung: 6791 kg pro Lak- on. Im Baselbiet steht die Genossenschaft 203 an der Spitze und ist als eine der besten der Schweiz klassiert.

Die «Landi» (Milch- und landwirtschaftliche Genossenschaft). Dieses Zentrum und der Stolz der Prattler Bauern musste im Jahre 1998 aus wirtschaftlichen Gründen ge- schlossen werden. Die Milch wird jetzt von den Höfen durch die Miba abgeführt. Der Kirschenanbau und -handel hat in Pratteln an Bedeutung verloren. Die Kirschen müs- sen nun nach Basel Dreispitz oder nach Aris- dorf geliefert werden. Dünger, Saatgut, Pflan- zenschutz- und Futtermitttel etc. werden bei den umliegenden «Landis» oder bei pri- vaten Anbietern bezogen. Die «Landi»-Lie- genschaften wurden verkauft, die Gebäude abgerissen. An ihrer Stelle steht heute eine moderne und vorbildliche Wohnsiedlung.

Zukunftsaussichten Die Landwirtschaft sieht einer ungewissen Zukunft entgegen, obwohl ihre Preise noch über dem EU-Niveau liegen. Die meisten Betriebe haben die Zeichen der Zeit erkannt und neben der Landwirtschaft ein zweites, meist mit der Landwirtschaft verwandtes Standbein aufgebaut. Die Prattler Bauern sind gut ausgebildet und haben im Kanton einen guten Ruf. Sie sind sowohl in den beruflichen als auch in politischen Organisa- tionen aktiv tätig.

Die Planung Pratteln-Nord und Salina Rauri- ca werden, wenn die geplanten Bauvorha- ben realisiert werden, gewaltige Kulturland- verluste bringen, was zu einer weiteren Re duktion der Bauernbetriebe führen wird. – Zum Glück wird keine Suppe so heiss geges- 204 sen, wie sie gekocht wird! Rudolf Pfirter Gemeinde und Politik … Auf einmal stiegen an 3 Orten schwarze Augenzeugenbericht des Prattler Oberlehrers Jo- Rauchwolken auf. Brand an Brand. Zuerst das hannes Martin (1807–1890) über den Brand von Heggendornische Haus. Das Vieh blieb im Stalle Pratteln am 3. August 1833 (Privatbesitz). und konnte sich erst losreissen, als die Krüpfe vom Feuer brach, ein Stük das die Halse abbran- te kam noch mit versengten Haren heraus und sprang hinter das Haus fiel tod nieder, ein ande- res Stük kam nur unter die Stallthür und das übri- ge blieb in den Flammen. Das zweite Haus waren die 3 Häuser hinter Dalchers ... 33 und 34) und in § 34 ist in den ersten drei hängigkeit von der Stadt Basel war Prattein Die parteipolitische Zeilen die untergeordnete Stellung gegen- seinerzeit umkämpft und sogar gebrand- Landschaft über dem Freistaat Kanton Basel-Landschaft schatzt worden. Nebst einem Denkmal bei deutlich ausgedrückt: «Die Organisation der der Hülftenschanz erinnert eine ungelenke Gemeinden, die Festsetzung ihres Wirkungs- Inschrift auf unserem oberen Rebhüsli an kreises und ihre Mithilfe bei der staatlichen diesen Bürgerkrieg: «Die erkenfte Freiheit Verwaltung ist der Gesetzgebung vorbe- 1832». halten.» Merke: Es hiess früher «Mithilfe der Gemeinden bei der staatlichen Verwal- Als es in den sechziger Jahren des 20. Jh. um Durch Interviews mit älteren und jüngeren tung» und nicht umgekehrt, Mithilfe des die Wiedervereinigung beider Basel ging, Mitbürgern versuchten wir, deren Gedanken Staates bei der Lösung schwieriger Gemein- war Pratteln ein guter Nährboden für den in unsere eigenen Überlegungen zur Prattler deaufgaben. Widerstand gegen die Aktion Kanton Basel Gemeindepolitik einfliessen zu lassen. (AKB). Im Dezember 1967 wurde eine Orts- Erst die zweite Hälfte des letzten Jahrhun- gruppe Pratteln der Volksbewegung zur Er- derts brachte mit Revisionen von Verfassung haltung des selbständigen Baselbiets ge- und Gemeindegesetz die nötige Anpassung gründet. Im Verfassungsrat für den neu zu Rahmenbedingungen an neue Verhältnisse und an die grossen schaffenden Kanton Basel sassen aus Prat- Unterschiede zwischen ländlichen Gemein- teln drei überzeugte Gegner einer Wieder- den und bevölkerungsreichen, komplizier- vereinigung. Der Ausgang dieses Kampfes Hauptvoraussetzung der Gemeindepolitik ten Stadtgemeinden und Industriesiedlun- um das Baselbiet ist bekannt. Obwohl die ist die gesetzlich vorgegebene Organisation gen. Wichtige Voraussetzungen für die Ge- Spaltung in Freunde und Gegner einer Wie- der politischen Gemeinde im Rahmen der meindepolitik haben sich besonders seit dervereinigung quer durch alle Parteien kantonalen Verfassung und des Gemeinde- dem Zweiten Weltkrieg stark verändert, ging, wurde der Kanton Basel-Landschaft gesetzes. Der Kanton Basel-Landschaft war nämlich die Zusammensetzung der Bevölke- selbstbewusster und stärker als je zuvor. von Anfang an ziemlich zentralistisch orga- rung, die wirtschaftlichen und sozialen Be- Schliesslich haben die beiden Halbkantone nisiert, und die Handlungsfreiheit der Ge- dingungen des Gemeinwesens und das den Weg zu einer guten Partnerschaft ge- meinden wird durch den Staat (sprich «Lies- Tempo all dieser Veränderungen. sucht und auf vielen Gebieten heute auch tal») spürbar eingeschränkt. In § 23, Ziff 8 gefunden. Der Kanton Basel-Landschaft der Kantonsverfassung von 1892, welche Angesichts solcher Rahmenbedingungen musste in mancher Hinsicht auch Lösungen bis 1975 gültig war (!), hiess es beispielswei- sollte man daher an die Gemeinde und die ohne Leistungen der Stadt suchen. se: «Der Regierungsrat führt die Aufsicht Gemeindepolitik nicht Ansprüche stellen und über die Verwaltung der Gemeinden und Leistungen erwarten, die sie einfach nicht deren gesamten Haushalt; wacht darüber, erbringen kann. dass das Vermögen der Gemeinden, beson- Gemeindepolitik mit dere Stiftungen mit öffentlichem Charakter Gemeindeversammlung inbegriffen, niemals unter die Gemeinde- bürger zu Eigentum verteilt und dass kein Historische Entwicklung Teil derselben ohne seine Genehmigung Dass die Gemeindepolitik vor 200 Jahren, veräussert oder verpfändet werden ... » In als Pratteln knapp 800 Einwohner zählte, dieser Verfassung beziehen sich bloss zwei Der Kanton Basel-Landschaft ist ein relativ anders «funktionierte» als heute, ist für Paragraphen direkt auf die Gemeinden (§§ junger Staat, und im Kampf um die Unab- jedermann verständlich. Die Bedeutung der 207 Institution «Gemeindeversammlung» geht derat beratende und die jeweilige Ver- druck konnte auch durch gewisse Schwä- aus der Erzählung einer geschichtlichen sammlung vorbereitende Instanz. chen der Institution Gemeindeversammlung Reminiszenz* hervor, die auch für heutige nicht tangiert werden. Zu erwähnen wäre Einwohner Prattelns bedenkenswert ist: Am Die Tagungsorte der Gemeindeversammlung hier die direkte Interessenvertretung durch 4. April 1799, fand im damaligen Wirtshaus waren früher der Engelsaal, dann lange Zeit wechselnde Gruppen (Vereine oder auch zum Kreuz eine Gemeindeversammlung die Dorfturmhalle, hernach die Aula des Erli- Unternehmungen), welche zu bestimmten statt. Sie begann am Morgen um acht Uhr mattschulhauses und ab 1970 das Kirchge- Geschäften ihre Anhänger «aufbieten» und endete abends um 17 Uhr, dauerte also meindehaus. Die Versammlungen fanden konnten. Es sei auch darauf hingewiesen, neun Stunden. Es ging um die Wahl des unter der Leitung des Gemeindepräsiden- dass die Gemeindeversammlung oft durch damaligen Prattler Gemeinderates. Zu wäh- ten und je nach Anfall der Geschäfte mehr starke Persönlichkeiten dominiert wurde, len waren fünf Gemeinderäte und drei Sup- oder weniger oft, in der Regel aber vier- bis was aber nicht zum vornherein negativ zu pleanten. Dabei fanden sich an der Gemein- sechsmal mal pro Jahr, statt. Als Unterlage bewerten ist. Die Prattler Gemeindever- deversammlung 171 Stimmbürger ein; das diente eine summarische Auflistung der sammlung war erfreulich offen und demo- waren über 80 Prozent aller Stimmberech- Geschäfte auf einem A5-Faltblatt. Mündli- kratisch, was sich zum Beispiel in der Tatsa- tigten! Dieses starke Engagement lässt sich che Erläuterungen durch den Gemeinde- che zeigte, dass als Unikum in der deut- sicherlich auch durch die Tatsache erklären, präsidenten, eventuell ergänzt durch die schen Schweiz ein erklärter Kommunist, dass erst ein Jahr zuvor, 1798, die Unterta- Stellungnahme der Gemeindekommission, Hans Jeger-Weisskopf, als Gemeindepräsi- nenschaft der Landschaft durch die Stadt gingen den bisweilen auch heftigen Diskus- dent die Versammlungen in den Jahren Basel aufgehoben worden war. sionen und der Beschlussfassung voraus. 1945 bis 1950 mit Erfolg leiten konnte. Die letzte Gemeindeversammlung fand am * Mathias Baumann und Fritz Sutter: «Vergan- Aus der zwar nicht offiziell vorgeschriebe- 20. Dezember 1971 im Kirchgemeindehaus genheitsbewältigung einmal anders!», Prattler nen aber doch meist so praktizierten Sitz- statt. Anzeiger, 2. Mai 1997 ordnung der Gemeindeversammlungs-Teil- nehmer liessen sich für die zweite Hälfte des Die Gemeindeversammlung blieb als Orga- 20. Jahrhunderts die politischen Strukturen Gemeindepolitik mit nisationsform des Souveräns (direkte Demo- in Pratteln ablesen: Links sassen Mitglieder Einwohnerrat kratie) bis zur Einführung des Einwohner- und Sympathisanten der Sozialdemokrati- rates (ER) und der Urnenabstimmung erhal- schen Partei (SP) und der Partei der Arbeit ten. Während rund 170 Jahren war sie das (PdA) sowie Gewerkschafter; in der Mitte Das neue Gemeindegesetz vom 28. Mai entscheidende Gremium der Gemeindepoli- Mitglieder und Sympathisanten der Demo- 1970 schuf die Möglichkeit einer sogenann- tik und für die Teilnehmer erlebte Gemein- kratischen Vereinigung Pratteln (sie wurde ten ausserordentlichen Gemeindeorganisa- schaft. eine Sektion der Bauern- Gewerbe- und tion: Gemeinden ab 10000 Einwohner konn- Bürgerpartei [BGB] des Kantons Basel-Land- ten an Stelle der Gemeindeversammlung Der Gemeindeversammlung war seit lan- schaft) und rechts diejenigen der Freisinnig- einen vierzigköpfigen Einwohnerrat (ER) wäh- gem eine Gemeindekommission beigesellt. Demokratischen Partei (FDP). Die grosse len. In der oben erwähnten letzten und von Diese bestand aus 15 Mitgliedern, welche Mehrheit, speziell der sogenannten bürger- Walter Kohler geleiteten Gemeindeversamm- nach dem Stärkeverhältnis der Parteien lichen Versammlungsteilnehmer, war nicht lung stimmten nach engagierter Diskussion gewählt wurden. Die oberste politische In- parteimässig organisiert. 139 Teilnehmer für und 126 gegen die Ein- stanz der Einwohnergemeinde war eindeu- führung eines Einwohnerrates. Der sehr tig die Gemeindeversammlung. Die Ge- Die Teilnahme an dieser direkten Demokra- knappe Entscheid spiegelte die Stimmung 208 meindekommission war eine den Gemein- tie war ein positives Erlebnis. Der gute Ein- im Dorf wieder. Es ist eigentlich erstaunlich, wie schnell die Einrichtung des Einwohner- Mitglieder notwendig. Um auch kleineren Dabei sind wir uns bewusst, dass unsere rates akzeptiert wurde. Ein Versuch 1978, politischen Gruppierungen eine wirkungs- Annahme Unabhängige und Grüne = Links durch eine Initiative die Gemeindeversamm- volle Beteiligung an den Ratsgeschäften zu eine grobe Vereinfachung ist. lung wieder einzuführen, misslang. ermöglichen, wurde bereits an der zweiten ER-Sitzung die Mindestzahl zur Fraktionsbil- Das oben skizzierte Bild allein genügt nicht. Die Wahl des ersten Prattler Einwohnerrates dung auf drei Mitglieder reduziert. Der blosse Vergleich der Fraktionsstärken fand am 21. November 1971 statt. Gewählt von 1972 bis 2000 wäre irreführend, denn wurden auf der Liste der SP 17 Einwohner- Man darf feststellen, dass in der ersten wesentliche Entwicklungen, besonders im räte bzw. Einwohnerrätinnen, auf der Liste Amtsperiode bald eine Polit- und Streitkul- linken Spektrum würden damit ausser Acht der FDP deren zehn, auf der Liste der Demo- tur entstand, welche sachbezogen war, dass gelassen. So war ab 1976 auch die PdA im kratischen Vereinigung (spätere BGB und Kooperationen über die Parteigrenzen keine Einwohnerrat vertreten. Des weiteren zogen heutige SVP) und Parteilosen deren neun, Seltenheit waren und in der Regel Sachlich- die Progressiven Organisationen Baselland auf der Liste der CVP deren drei und auf der keit die politischen Auseinandersetzungen (POBL) ins Prattler Parlament ein und er- Liste des Landesrings der Unabhängigen bis heute prägt. Unschöne Ausrutscher mit reichten ab 1980 Fraktionsstärke. 1988 (LdU) ein Einwohnerrat. Die konstituierende Diskussionen nach einem dummen Links/ wurde Adrian Müller, nach dem Proporz- Sitzung des Einwohnerrates fand am 16. Rechts-Schema stellen glücklicherweise die system, als progressiver Grüner in den Ge- Januar 1972 im Schulhaus Erlimatt statt und Ausnahmen dar. Mit der achten Amtsperi- meinderat gewählt. Doch die Politik verla- wurde von Gemeindepräsident Walter ode (2000–2004) blicken wir auf 30 Jahre gerte sich zu den Zielen der Grünen, die Kohler geleitet. Zum ersten Präsidenten Gemeindeparlament zurück und können, POBL verloren an Einfluss, und 1980 wurde wurde Heinz Schwob (SP) gewählt. Der ER obwohl die Parteienlandschaft verschiedene die POCH, die schweizerische Organisation organisierte sich nach dem Muster des Veränderungen erfuhr, doch eine gewisse aufgelöst. In Pratteln verbanden sich ab Landrates: Das Ratsbüro besteht aus dem Stabilität feststellen: 1996 die Grünen (3) mit dem LdU (1) zu Präsidenten, dem ersten und zweiten Vize- einer neuen Fraktion. Im Jahre 2000 wurde präsidenten und den zwei Stimmenzählern. Legislaturperiode 1972–1976 2000–2004 der LdU auf eidgenössischer Ebene aufge- Auch die Präsidien der ständigen Kommis- SP 17 13 löst. Die Ortsgruppe Pratteln änderte ihren sionen werden gemäss einem Schlüssel FDP 10 8 Namen zu «Unabhängige Pratteln» (UP) besetzt. Die Berücksichtigung der politi- SVP 99und in der Fraktion Unabhängige/Grüne schen Parteien bei der Bestellung der ver- CVP 33waren im Jahre 2000 drei Unabhängige und schiedenen Ämter und Kommissionen er- LdU 1–eine Grüne, ab 2002 sind es vier UP. folgte nach dem Proporzprinzip. Das Wahl- Unabhängige/Grüne –4 ergebnis in den Einwohnerrat ergab dafür SD –3Die CVP und die EVP gingen 1996 eine Frak- den folgenden Schlüssel: tionsgemeinschaft ein, um zusammen Frak- Darnach verfügten die bürgerlichen Partei- tionsstärke zu erreichen (zwei CVP und ein SP 17 Sitze = 42,5 Prozent en FDP, SVP und CVP im ersten Einwohner- EVP). Heute ist die EVP nicht mehr im ER ver- FDP 10 Sitze = 25,0 Prozent rat über 22 Sitze, heute noch über 20, also treten, die CVP hat aber mit drei Mitgliedern SVP 9 Sitze = 22,5 Prozent etwas weniger. Als einzige Linkspartei ver- alleine Fraktionsstärke. 1996 nahmen mit CVP 3 Sitze = 7,5 Prozent fügte die SP 1972 über 17 Sitze, war also zwei Vertretern neu die Schweizer Demo- LdU 1 Sitz = 2,5 Prozent mit Abstand grösste Fraktion. Heute verfügt kraten (SD), die seit 1990 geltende Parteibe- die SP nur noch über 13 Sitze, aber zusam- zeichnung der früheren Nationalen Aktion Laut Entwurf des Geschäftsreglementes des men mit der Fraktion «Unabhängige/Grüne» für Volk und Heimat (NA) im ER Einsitz, ER waren zu einer Fraktionsbildung fünf verfügt die Linke immer noch über 17 Sitze. heute sind es drei Vertreter. 209 Trotz grosser weltpolitischer Umwälzungen Einwohnerratspräsidenten ** Neuregelung der Legislaturperioden in Kan- – man denke nur an den Zerfall der Sowjet- ton und Gemeinden, es gilt nicht mehr das union und der damit verbundenen grossen Schwob Heinz 1972 (SP) Kalenderjahr. wirtschaftlichen Veränderungen (Globalisie- Troxler Walter 1973 (FDP) rung) – erfreuen wir uns doch relativ stabiler Stöckli Karl 1974 (SVP) politischer Verhältnisse, wie obige Betrach- Mangold Fritz 1975 (SP) Einfluss der Parteien, der tungen über die parteipolitische Zusammen- Bruderer Hans 1976 (FDP) Vereine und der Wirtschaft setzung unseres Einwohnerrates zeigen. Thommen Walter 1977 (SP) Biegger Walter 1978 (SVP) Abschliessen möchten wir unseren kleinen Gisin Walter 1979 (SP) Unser historischer Abriss zeigt, wie sich die historischen Rückblick auf das politische Knecht-Gasser Liselotte 1980 (FDP) Prattler 1799 ihrer Rechte als neu Befreite Gemeindeleben in Pratteln mit der Aufzäh- Degen Robert 1981 (SP) vom Joch der Stadtherrschaft bewusst lung der Gemeindepräsidenten seit 1918 und Dill Ulrich 1982 (SVP) waren und die Bürgerpflichten auch ausüb- der Einwohnerratspräsidenten seit 1972: Gasser Ernst 1983/84 (SP) ten. Heutige Stimmbeteiligungen von 20 bis (bis 30.6.84)** 40 Prozent zeigen, dass man gerne alle Baumann Mathias 1984/85 (FDP) demokratischen Rechte beansprucht, aber Gemeindepräsidenten Zülli Max 1985/86 (SP) Mühe hat mit der Pflichterfüllung. (Als Dürr-Schwab Fritz 1918–1923 (DFP)* Schäublin Hans 1986/87(SVP) schwacher Trost mag gelten, dass es sich Stohler-Bielser Eduard1924–1938 (DFP) Manz Matthias 1987/88 (SP) hier nicht um eine Besonderheit von Prat- Seiler-Zimmerli Emil 1939–1944 Graf Annemarie 1988/89 (FDP) teln handelt.) Pratteln ist heute nicht mehr (und 1957–1959) Ruder Gert 1989/90 (SP) eine dörfliche Gemeinschaft, in der sich die (Freie demokr. Ver.) Willi Albert 1990/91 (SVP) verantwortlichen Stimmberechtigten noch Jeger-Weisskopf Hans 1945–1950 (PdA) Stöckli Denise 1991/92 (Grüne) kennen. So drängte sich wohl der Übergang Buess-Joliat Ernst 1951–1953 (1953 Spörri Kurt 1992/93 (FDP) von der direkten Demokratie mit Gemein- verstorben) (SP) Schaub Rosmarie 1993/94 (SP) deversammlung zur repräsentativen Demo- Gysin-Schläpfer Albert 1953–1956 (war Falconnier René 1994/95 (SVP) kratie mit Einwohnerrat auf. 1953 Vizepr.) (EVP) Knöpfel Felix 1995/96 (FDP) Seiler-Zimmerli Emil 1957–1959 (und Lanz Kurt 1996/97 (SP) Bei Gemeindewahlen schwankt die Stimm- 1939–1944) (DP) Hess Urs 1997/98 (SVP) beteiligung je nach Bedeutung der zu beset- Kohler-Tschudin Walter 1960–1975 (DP) Moser Ruedi 1998/99 (FDP) zenden Stelle oder je nach Popularität der Rickenbacher-Baum- Feissli Willi 1999/2000 (SP) Kandidatinnen oder Kandidaten. Sie er- gartner Max 1976–1988 (1988 Schaub Erika 2000/2001 (SVP reicht einen Höhepunkt bei Gemeinderats- verstorben) (SP) Wittwer Maja 2001/2002 (SP) und Präsidentenwahlen, und man wünsch- Rebmann Hans 1988, 4 Monate als Löw Stefan 2002/2003 (FDP) te sich dies auch bei den heutigen periodi- Vizepräsident (SP) schen Wahlen in den Einwohnerrat. Die Hartmann-Rebmann * War Mitglied der «Demokratischen Fortschritt- Stimmbeteiligung ist auch abhängig vom Robert 1988–1996 (FDP) spartei, Sektion Pratteln» (DFP) oder stand ihr Propagandaaufwand der Parteien, dem Ein- Schneider-Simeon Willy 1996– (SVP) zumindest nahe. Die Parteimitglieder schlossen fluss grosser Vereine oder ad hoc gebildeter sich im Landrat der BGB-Fraktion an. Die DFP «Aktionen». In den letzten Jahrzehnten hat (bzw. die DP Demokratische Partei) und die BGB auch das Schreiben von Leserbriefen ver- 210 fusionierten später landesweit zur SVP. stärkt Einfluss auf die Politik genommen. Es ist bekannt, dass vor wichtigen Abstimmun- anfangs des letzten Jahrhunderts in Ge- Sorgen bereitet das zunehmende Überge- gen dieses Mittel ganz gezielt und organi- werkschaften zu organisieren. Ihnen stan- wicht unserer Wirtschaft über die Politik. siert von den interessierten Gruppen oder den die Sozialdemokraten (SP) und Kommu- Auf das Agieren der Wirtschaft kann die Parteien eingesetzt wird. Nicht jeder Leser- nisten nahe, später während ihres Beste- Gemeindepolitik oft nur noch reagieren und brief entsteht spontan! hens auch die Partei der Arbeit (PdA). meistens nur in beschränktem Masse. Die Manager der Grossunternehmen handeln Auf eidgenössischer Ebene wurde erst 1918 Die Teilung in einerseits mehr bürgerliche und entscheiden über grosse Summen und das früher allgemein geltende Mehrheits- und andererseits eher linke Tendenzen wirk- geschäftspolitische Weichenstellungen in wahlrecht (Majorz-System) für Behörden bei te sich speziell früher auch auf das Vereins- kurzer Zeit und mit einem Tempo der Abläu- der Wahl des Nationalrates durch das Ver- leben aus. Der Turnverein Pratteln spaltete fe, welches der öffentlichen Hand bei Res- hältniswahlrecht (Proporz-System) abgelöst. sich (was auch immer den Anstoss gegeben pektierung der Gesetze gar nicht möglich Wahlen nach Proporz bewirken eine besse- haben mag) in einen TV Pratteln AS = Alte ist. Das hat in Pratteln vor Jahren angefan- re Vertretung der Minderheiten. In Pratteln Sektion (eher bürgerlich) und einen TV Prat- gen mit der Schliessung der Pneufabrik gilt für die Wahlen in den Einwohnerrat und teln NS = Neue Sektion (eher links). Vereine Firestone, auf amerikanischen Konzernbe- in seine Kommissionen unbestritten der Pro- waren teilweise standespolitisch gefärbt, schluss, und ging weiter mit Übernahmen, porz; auch der Gemeinderat wurde früher wie die Aufteilung in einen Männerchor Fusionen und Verlagerungen, die besonders gemäss Gemeindeordnung im Proporz be- (eher bürgerlich, hat sich im Februar 2002 die Industrie in Pratteln-West betrafen. In stellt. Vorwiegend bürgerliche Kreise forder- nach 96 Jahren aufgelöst) und einen Arbei- Stichworten: Buss ging an Georg Fischer ten aber die Wiedereinführung des Majorz- termännerchor zeigt. So bildeten die Verei- (GF), Henkel wird zum blossen Verteilzen- Wahlverfahrens für den Gemeinderat. Dieses ne auch ein personelles Reservoir für die ver- trum (auf dem Fabrikareal ist eine «multi- Anliegen konnte sich in einer Volksabstim- schiedenen politischen Parteien. Wer im funktionale Erlebniswelt» geplant), STIA ging mung gegen linken Widerstand durchset- Vereinsleben anerkannt und prominent ist, von Sandoz an die USA-Firma Schenectady, zen und seit 1996 wird der Gemeinderat hat einen Vorteil bei Wahlen. Es sind dann Rohner an die deutsche Firma Dynamit wieder nach Majorz gewählt. Dies ist natür- oft dieselben Leute, die im Vereinsleben den Nobel, und Schindler Waggon wird schritt- lich von Vorteil für Personen mit grossem Karren ziehen und bei der Arbeit für die weise über ADtranz zu Bombardier Trans- Bekanntheitsgrad. Gemeinde nochmals gefordert werden. portation : Man plante, die Pro- duktion von Schlieren nach Pratteln zu ver- Bei den früheren dörflichen Verhältnissen Als Vereine, die auf freiwillige Mitarbeit legen, erweiterte hier, baute neue Büros, und der Durchführung von Gemeindever- angewiesen sind, haben die politischen Par- doch ABB stieg aus, und der neue «Boss», sammlungen waren organisierte politische teien daher ähnliche Sorgen und eventuell die Mercedes-Benz, disponierte kurzfristig Parteien nicht unbedingt notwendig. Bei auch Nachwuchsprobleme wie kulturelle um. Aus den 700 neuen Stellen wurde nichts. Majorzwahlen kamen Dorfgrössen als poli- und sportliche Vereine. Dies gilt besonders Wie soll so eine Gemeinde planen und für tische Führer ohnehin zum Zuge. In örtli- bei der Besetzung parteiinterner und öffent- die Infrastruktur sorgen können? Doch chen und regionalen Organisationen erga- licher Ämter. Gewerbetreibende oder Füh- Dank der Übernahme durch die kanadische ben sich Verbindungen von Wirtschaft und rungskräfte aus der Wirtschaft stellen sich Firma Bombardier ist die Existenz des Unter- Politik, z.B. in der Landwirtschaftlichen Ge- nicht oder nur kurzzeitig zur Verfügung. Der nehmens zumindest vorläufig gesichert. nossenschaft und im Gewerbeverein. Der Grund für diese Haltung liegt einerseits bei Genossenschaftsrat des Konsumvereins, des der starken Inanspruchnahme der Führungs- Da stellt sich dringend die Frage nach dem ACV beider Basel, war deutlich parteipoli- kräfte durch das Berufsleben und anderer- Primat von Wirtschaft oder Politik. Verein- tisch gefärbt und gegliedert. Auf der indu- seits füllen steigende Wohlstandsansprüche facht: Lebt der Mensch, um zu arbeiten oder striellen Seite begann sich die Arbeiterschaft das verbleibende Privatleben aus. arbeitet er, um zu leben? Wir kommen nicht 211 darum herum, auch über die Rolle des Men- Politische Parteien und Vereine decken nicht seraugst» (NWA) (Name später geändert in: schen in der Schöpfung nachzudenken und das ganze Spektrum politischer Aktivitäten «...gegen Atomkraftwerke») und die «Ge- philosophische Fragen zu stellen. Wirtschaf- in der Gemeinde ab. Grosse soziale und an- waltfreie Aktion Kaiseraugst» (GAK). ten und produzieren wir, um uns des Lebens dere wichtige Probleme rufen auch Men- zu erfreuen, oder leben wir nur als Objekte schen und Gruppen auf den Plan, die nicht Die Gründungsversammlung des NWA fand der Wirtschaft? Hetzen, krampfen, schuften in Parteien oder ähnlichen Organisationen im Mai 1970 in Rheinfelden unter dem Ta- wir, um ein grosses Sozialprodukt zu erzeu- mitmachen, aber doch im weitesten Sinne gespräsidium des damaligen freisinnigen gen und als gieriger Konsument den Ver- politisch wirken wollen. Als Beispiel sozialer Baselbieter Ständerates Werner Jauslin (Bau- brauch anzukurbeln und immer schneller Verantwortung sei hier das «Forum für offe- Ing. ETH) statt. Initiant war Architekt Ernst und immer mehr zu verbrauchen? Global, ne Jugendarbeit in Pratteln» (FOJAP) er- Egeler aus Basel, welcher ein Vize-Präsidium um an der ganzen Welt Raubbau zu betrei- wähnt, der Trägerverein des Jugendhauses übernahm. Präsident wurde Hans Schneider ben? Die Wirtschaft erhöht unter dem Vor- an der Gottsackerstrasse (siehe «Soziale In- (Techniker aus Zeiningen), zweiter Vizeprä- wand der Rentabilität und Gewinnmaximie- stitutionen»). Der Betrieb des Jugendhauses sident Alexander Euler (Ingenieur aus Basel, rung dauernd den Druck auf die Menschen gab in der Bevölkerung und im Einwohner- späterer Präsident des NWA, Grossrat in und die Gesellschaft und organisiert und rat oft Anlass zu kritischen Diskussionen. Basel und SP-Nationalrat) und als wissen- erfasst den Menschen als Konsumenten, Das Jugendhaus war und ist ein umstritte- schaftlicher Experte wurde Dr. Peter Niklaus wenn möglich mit Haut und Haar, von der nes Objekt der Gemeindepolitik. Aber des- (Physiker aus Biel-Benken) gewonnen. Wiege bis zur Bahre. Scanner an den Kassen sen Bestand über mehr als zwei Jahrzehnte, der Grossverteiler und Kreditkartensysteme also während einer Generation, ist doch ein Im Gegensatz zum NWA, welches bei seiner dienen nicht nur der Rationalisierung, son- positives Zeichen: die Gemeinde bemüht Gründung eindeutig politisch «bürgerlich» dern werden auch genutzt, um die Ver- sich um die Probleme der Jugend. dominiert war, ist die Gründung der GAK brauchs- und Lebensgewohnheiten der Be- den Jungsozialisten (Juso) zu verdanken. völkerung elektronisch zu erfassen und die Das Problem der Energieerzeugung ist ein Hauptinitiant und erster Präsident im Jahre Daten zu speichern. überparteiliches und geht alle Bewohner an. 1973 war Peter Scholer (Baumeister und Die Frage der Atomenergie (später zur späterer Stadtrat in Rheinfelden). Wie das Hat das nun etwas mit Gemeindepolitik zu Abgrenzung gegenüber der Atombombe in NWA stand auch die GAK immer unzwei- tun? Gewiss, direkt und indirekt. Direkt, Kernenergie umbenannt), bewegte in den deutig auf demokratischem Boden. Beide indem die technische Entwicklung auch von letzten Jahrzehnten das ganze Land. Dabei Organisationen haben sich mit Erfolg gegen der Gemeindeverwaltung übernommen wer- hat der Kampf gegen das Atomkraftwerk «Trittbrettfahrer» gewehrt, welche den den muss, samt der Gefahr von teuren EDV- Kaiseraugst in der Nordwestschweiz zu ei- Kampf gegen das Atomkraftwerk missbrau- Problemen. Dies führte ja bei uns zur «Aus- ner eigentlichen Volksbewegung geführt, chen wollten, um unser politisches System lagerung» der Steuereinschätzung der na- welche auch in Pratteln stark verankert war. anzugreifen. Es waren dies in jener Zeit spe- türlichen Personen nach Liestal zur kantona- Die Atomenergie war von Anfang an um- ziell die POCH (Progressive Organisationen len Verwaltung. Dies um Rückstände aufzu- stritten. Richtig entbrannt ist der Streit aber Schweiz) und die RML (Revolutionäre Marxi- arbeiten und Verluste zu vermindern. Auch eigentlich erst beim Projekt eines Atom- stische Liga). der indirekte Einfluss dieser wirtschaftlichen kraftwerkes in Kaiseraugst. Das Hauptver- und gesellschaftlichen Veränderungen auf dienst für das Entstehen einer eigentlichen NWA und GAK ergänzten sich in jeder Hin- die Gemeindepolitik ist bedeutend. Wenn Volksbewegung, welche schlussendlich zur sicht, sie haben auch in ihren Vorständen die Wirtschaft vor der Politik den Vorrang Verhinderung des geplanten Kraftwerkes gut zusammengearbeitet. Geographisch war hat, dann verlieren viele Bürgerinnen und führte, haben das «Nordwestschweizer Ak- das NWA mehr auf die Stadt Basel bezogen 212 Bürger das Interesse an der Politik. tionskomitee gegen das Atomkraftwerk Kai- und die GAK mehr auf Kaiseraugst selbst sowie die umliegenden Gebiete im Fricktal Nach verschiedenen Abstimmungsmisser- daher, den Kredit von Fr. 39000.– nur für und im Baselbiet. Bei der Aufteilung der folgen gelang es den Atomkraftwerkgeg- eine Plakataktion zur Unterstützung der bei- Arbeiten ergab es sich ferner, dass bei juri- nern am 23. September 1990 die soge- den Eidgenössischen Initiativen zu benüt- stischen und wissenschaftlichen Problemen nannte «Moratoriums-Initiative» zur Abstim- zen. Kontraproduktiv für die Arbeit der rein im NWA Schwerpunkte gesetzt wurden, die mung zu bringen, welche vom Schweizer Volk sachbezogenen Gegner der Atomindustrie Organisation von Demonstrationen und mit 54,6 Prozent aller Stimmenden befür- war am 29. Januar 1983 die Sprengung Kundgebungen jedoch eher die Stärke der wortet wurde. Diese Initiative brachte einen einer elektrischen Übertragungsleitung ober- GAK war. Die grosse Bedeutung dieser zehnjährigen Baustopp für alle AKW. Die halb von Pratteln im Geisswald. Es war wohl Demonstrationen lag darin, die Anti-AKW- gleichzeitig zur Abstimmung gelangende Aus- eine Reaktion auf die Ausbaupläne der Atel Bewegung über unsere Region hinaus in stiegsInitiative aus der Kernenergie vereinig- (Aare Tessin AG für Elektrizität). Den Bau das ganze Land zu tragen. Es gab dies- te immerhin 47,1 Prozent Ja-Stimmen auf sich. eines AKW in Kaiseraugst vorausnehmend, bezüglich auch Kontakte zu ähnlichen wurde eine grössere Übertragungsleitung Bewegungen in Deutschland und Frank- Auf Initiative von Prattler Einwohnern fand geplant. Diese Sprengung kann aber keines- reich, also sogar über die Landesgrenzen sich im Jahre 1979 im Einwohnerrat eine falls der GAK oder dem NWA angelastet hinweg. Mehrheit, welche den Gemeinderat beauf- werden. Die Täterschaft konnte nie ermit- tragte, Einwendungen gegen die Rahmen- telt werden (ebenso wenig wie die Zer- Trotz des offensichtlichen Widerstandes be- bewilligung und Einsprache gegen die Nu- störung des Info-Pavillons auf dem AKW- schloss die Kaiseraugst AG, mit dem Bau zu kleare Baubewilligung für das AKW Kaise- Gelände in Kaiseraugst). beginnen und Ende März 1975 fuhren die raugst einzureichen. Auch einzelne Bürge- Bagger auf dem Gelände auf. Die GAK rinnen und Bürger haben solche Eingaben Wie in vielen anderen Gemeinden der Nord- ihrerseits schritt am 1. April zur Besetzung in eigenem Namen gemacht. Im Jahre 1983 westschweiz bildete sich auch in Pratteln des Baugeländes in Kaiseraugst, der zwi- setzte der Gemeinderat eine Kommission eine sogenannte «Bürger-Initiative», kurz BI schen Weihnachten und Neujahr 1974 eine ein zur Erarbeitung einer Informations- genannt. Im September 1979 sammelte die «Probebesetzung» mit rund zwei Dutzend schrift über das AKW Kaiseraugst, welche BI Pratteln Unterschriften für zwei Gemein- AKW-Gegnern vorausgegangen war. Die sowohl die Standpunkte der Gegner als de-Initiativen, die aber nie zur Abstimmung Bauplatzbesetzung am 1. April löste im auch diejenigen der Befürworter enthielt. gelangten. Eine der Initiativen verlangte ganzen Lande ein ungeheures Echo aus. Als Im Juni 1984 bewilligte der Einwohnerrat eine «Demokratisierung» der Elektra Basel- sich dann eine Woche später, am Sonntag, einen Kredit von Fr. 39000.– für den Druck land, die andere hatte die Überschrift: «Für den 7. April 1975, etwa 16000 Bürgerinnen dieser Schrift sowie für eine Plakataktion zur eine vernünftige Energiepolitik der Elektra». und Bürger bei strömendem Regen und Unterstützung der Eidgenössischen Atom- – Schon Im Sommer 1975 hatten parteipoli- grosser Kälte in einer Grosskundgebung auf und Energie-Initiativen. Eine von drei Ein- tisch ungebundene, aber eher «bürgerlich» dem Kraftwerkgelände mit den Besetzern wohnerräten eingereichte Beschwerde ge- denkende Mitglieder der BI Pratteln dazu solidarisierten, war die Überraschung in der gen diesen Beschluss wurde vom Verwal- aufgerufen, Energiepolitik im Dorfe lieber politischen Schweiz perfekt. Zu dieser Kund- tungsgericht abgelehnt. Als die Schrift er- im Rahmen der GAK zu machen, da sich die gebung hatten neben der GAK auch das stellt, aber noch nicht gedruckt war, erkann- BI zunehmend nicht nur mit Energiepolitik NWA und viele andere Organisationen auf- te man, dass der gesprochene Kredit für den befasste, sondern mit «Linkspolitik». Zu die- gerufen. Hätte das NWA vorher nicht alle Druck nicht ausreichen würde. Abgesehen sem Zwecke wurde im August 1975 die zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel davon, dass nicht genügend Geld vorhan- GAK Pratteln wieder reaktiviert. ausgeschöpft, wäre diese Bauplatzbeset- den war, verloren die AKW-Gegner das zung mit friedlichem Ausgang nie möglich Interesse an der Schrift, da sie vollständig Sowohl im NWA-Vorstand als auch in der gewesen. ausgewogen war. Man entschloss sich GAK-Kerngruppe (eine Art engerer Vor- 213 stand) waren Einwohner Prattelns ganz mass- Anzahl von Personen aus nichtchristlichen Abstimmungen von 1978 und 1994 die geblich beteiligt. Da wäre in erster Linie Emil Kulturen besondere Anstrengungen. Zu be- wichtigsten, denn sie betrafen wesentliche Honegger zu erwähnen, welcher jahrelang rücksichtigen sind neben rein sachlichen Revisionen der Gemeindeordnung, also Ver- innerhalb der GAK für die Finanzen verant- Fragen auch emotionale Aspekte. Dies zeig- änderungen des Systems: Die Volksinitiative wortlich war. Bei dieser Gelegenheit muss te sich schon beim Problem der Zusammen- auf Abschaffung des Einwohnerrates von auch darauf hingewiesen werden, dass der setzung der Kommission. Die Ausländerin- 1978 wurde abgelehnt und der Einwohner- Prattler Anzeiger mit der langjährigen Ge- nen und Ausländer sollen mit ihr ein Gre- rat beibehalten. Dagegen wurde die Wie- schäftsführerin und Chefredaktorin Emmy mium erhalten, in welchem sie sich artiku- dereinführung der Majorzwahl des Gemein- Honegger (Emil Honeggers Frau) bei dieser lieren können, wenn auch ohne Kompeten- derates im Jahre 1994 bei hoher Stimm- Volksbewegung eine ganz wesentliche Rolle zen, jedoch in beratender Funktion. Sie wird beteiligung deutlich gutgeheissen. spielte und die Anliegen der GAK pointiert aufgefasst als ein erster Schritt in eine wei- und engagiert in der Lokalzeitung vertrat. tergehende Integration. Während des Kampfes gegen die Errichtung eines Atomkraftwerkes in Kaiseraugst ent- Nach einigen Jahren der Stagnation hat der stand in unserer Gemeinde eine Organisati- Gemeinderat Anfang des Jahres 2002 die on, welche sich «Bürger-Initiative» nannte. Kommission, welche sich neu «Kommission Von dieser Gruppe wurden zwei Initiativen Integration von Ausländern für die Integration und Förderung des kultu- lanciert, welche aber nicht bis zur Abstim- rellen Austausches» nennt, wiederbelebt. mung gebracht wurden (siehe «Einfluss der Unter dem Vorsitz einer Gemeinderätin wur- Parteien, der Vereine und der Wirtschaft»). Gemäss Amtsbericht waren 1988 über 26 de das alte Pflichtenheft der neuen Situa- Prozent unserer Wohnbevölkerung Auslän- tion angepasst. Bei einer Gesamtbevölke- Von 1972 bis 1999 fanden 59 kommunale derinnen und Ausländer; sie waren willkom- rung am 31. Dezember 2000 von 15016 Volksabstimmungen statt: 28 Abstimmun- mene Arbeitskräfte, Steuerzahler und Kon- Personen, machen die 5471 Ausländer aus gen waren obligatorische und 15 fakultative sumenten, aber politisch Menschen zweiter 72 Nationen einen Anteil von 36 Prozent Referenden, je siebenmal wurde das Volk Klasse. Natürlich ist dieses Problem nicht auf aus. Die aus Schweizern und Ausländern durch Behördereferenden, bzw. durch Volks- Pratteln beschränkt, sondern ein schweize- bestehende Kommission will vernetzt arbei- initiativen (Gegenvorschläge) zur Urne ge- risches. Deshalb gab die eidgenössische ten und den Austausch sowie die Zusam- rufen und sieben Volksinitiativen gelangten Konsultativkommission für Ausländerfra- menarbeit mit kantonalen und kommuna- zur Abstimmung. gen schon 1976 entsprechende Empfehlun- len Organisationen anstreben. gen an Kantone und Gemeinden ab; aber Von den 28 Vorlagen auf Grund des obliga- erst 13 Jahre später, im November 1989, torischen Referendums wurden 24 ange- beschloss der Einwohnerrat die Bildung einer nommen und nur vier abgelehnt. Man könnte Ausländerkommission. also von grosser Behördentreue sprechen. Demokratische Mitsprache des Dass dagegen von den 15 Vorlagen auf Dem Gemeinderat ging es darum, über Volkes seit Einführung des ER Grund des fakultativen Referendums nur diese Kommission vermehrt mit der auslän- fünf angenommen und zehn, also zwei Drit- dischen Bevölkerung ins Gespräch zu kom- tel, verworfen wurden, zeigt, dass das Volk men, denn nicht nur sie hat Forderungen an Wie haben sich die Prattler seit Einführung in seiner Mehrheit die Initianten der Refe- die Behörden, sondern auch umgekehrt. des Einwohnerrates im Jahre 1972 mit der renden und nicht die Mehrheit des Einwoh- Die Integration ist ein vielschichtiges Prob- neuen Situation arrangiert? Aus politologi- nerrates unterstützte. Bei sieben Behörden- 214 lem und verlangt mit der zunehmenden scher Sicht sind wahrscheinlich die zwei referenden unterstützte das Volk nur einmal die Vorlage des Einwohnerrates, also sechs- 1984 Volksinitiative «Rettet den Hohen- schwerden an den Regierungsrat und Rechts- mal die «oppositionellen» Einwohnerräte. rain!» (wurde abgelehnt) streitigkeiten zwischen Initianten und wi- Bei neun Volksinitiativen aber wurden nur 1988 «Gemeindepräsident nur noch im derwilligen Behörden in den Jahren 1992 zweimal die Initianten unterstützt. – Es Nebenamt» (wurde abgelehnt) und 1993. Schliesslich aber bekommt der braucht viel Enthusiasmus und Mut, um in 1988 «Kein Salz auf Prattler Strassen» (wur- Initiant Rolf Ackermann (LdU) im Juni 1995 der Gemeindepolitik auf dem Wege der de angenommen) vor dem Verwaltungsgericht mit einem 5:0- Volksinitiative etwas zu bewegen. Doch oft 1992 «Ja zu Pratteln» (wurde abgelehnt) Entscheid Recht. bleibt einer Minderheit nur dieser Weg of- 1996 wird eine «Denkpause» verlangt (wur- fen, um etwas zu verändern oder auch nur de abgelehnt) ein Teilziel zu erreichen. 1997 wollte man den Verkehr in den Griff bekommen: Tempo 30 in den Wohn- Mitsprache am Beispiel der Ein Gradmesser des politischen Interesses ist zonen vom ER beschlossen, aber Wasserversorgung sicherlich die Stimmbeteiligung. Die Aus- nach Behördenreferendum vom Volk wertung von fast 60 kommunalen Abstim- abgelehnt, später jedoch Tempo-30- mungen der letzten Jahrzehnte ergibt eine Zonen in einzelnen Quartieren (z.B. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war Pratteln erfreuliche durchschnittliche Stimmbeteili- im Gebiet Pratteln-West, ab Bahn- ein Bauerndorf mit verschiedenen Brunnen gung von 38 Prozent; tiefste Ergebnisse zwi- hofstrasse West und Muttenzerstras- und Wasserrechten. Erst 1891 beschloss die schen 15 und 20, beste bei 50 bis 51,5 Pro- se Nord sowie im Dorfkern) beschlos- Gemeindeversammlung, also der Souverän, zent. Verschiedenste Faktoren beeinflussen sen. die Einführung einer öffentlichen Wasser- die Stimmbeteiligung. Dabei scheint nicht versorgung. Unter dem Sachzwang des zu- etwa die Tragweite einer Sache den Aus- Aus Platzgründen können wir nicht auf alle nehmenden Verbrauchs wurden Grundwas- schlag zu geben, sondern eher die direkte Initiativen im Einzelnen eintreten. Aber we- serfassungen und Pumpwerke schrittweise Betroffenheit einer grösseren Anzahl von gen der unerfreulichen Begleiterscheinun- erweitert. Die Mitsprache der Einwohner Stimmberechtigten (z.B. bei «Tempo-30- gen und Tendenzen möchten wir die beiden bestand praktisch nur in der Genehmigung Zonen» die Einschränkung der Mobilität). Initiativen «Ja zu Pratteln» und «Denkpau- der benötigten Kredite. Unter Berücksichti- Einzelne Abstimmungen zeigen aber auch, se» näher betrachten. Das Initiativkomitee gung der gesetzlichen Regelungen wurden was für einen enorm kostspieligen und auch verlangte 1987, dass beide Initiativen gleich- die Vorentscheide durch die kantonalen und zeitraubenden Aufwand wir im Rahmen zeitig dem Volke vorgelegt würden. Aber kommunalen Behörden gefällt. Dass das unserer demokratischen Ordnung für die der Gemeinderat beantragte dem Einwoh- Pumpwerk Löli nahe an der SBB-Linie lag, Lösung technischer Probleme bei öffentli- nerrat, einen Gegenvorschlag zu diesen Ini- störte damals niemand. Der Begriff der chen Aufgaben betreiben. Unser Mit- tiativen auszuarbeiten, welcher den Initia- Schutzzonen war unbekannt. spracherecht darf aber etwas kosten! tiven gegenübergestellt werden konnte. Dies führte dazu, dass die beiden Initiativen Erst als beim Bau des Autobahnnetzes gros- Mindestens so interessant und aufschluss- an weit auseinander liegenden Terminen, se Baulandumlegungen notwendig wur- reich wäre aber die Frage nach dem Inhalt 1992 und 1996, zur Abstimmung gelang- den, wurde man sich der Gefährdung des der Initiativen und nach deren Trägern. Wer ten. Dabei gab es Probleme um die Auswer- lebenswichtigen Grundwassers bewusster. wollte was erreichen? Die Initiativen der tung der Abstimmungen mit Gegenvorschlag In den achtziger Jahren stellte man fest, letzten Jahrzehnte hatten meist die Bewah- und Stichfrage (die Auslegung erfolgte zu dass die Pumpwerke Schüracker, Siebenjur- rung der Heimat (auch der Natur) im Auge Ungunsten der Initianten), unerfreuliche Er- ten und Löli keine geeigneten Schutzzonen oder wollten zumindest das Tempo der Ver- fahrungen mit der Informationspolitik der hatten. Noch bevor der Einwohnerrat über änderungen bremsen: Behörden, Akteneinsicht erst nach Be- einen neuen Schutzzonenplan Beschluss 215 fasste, sah der Gemeinderat eine mögliche zwei Mio Franken ergäbe, hätte der Ein- sprachemöglichkeit bei der Planauflage, und Erweiterung der Pumpwerke vor. Wegen wohnerratsbeschluss dem obligatorischen erst später den Baukredit genehmigen zu des grösseren Landbedarfs beschloss er den Referendum unterstellt werden müssen. lassen. Hans Bruderer, Dr. Hans Herzog Landerwerb im Abtauschverfahren in eige- ner Kompetenz, obwohl der Wert des be- Die Opposition hatte also in einem wesent- troffenen Geländes höher war als die Ver- lichen Punkt recht bekommen, aber der kaufskompetenz der Behörde. Im Januar Gemeinderat legte Beschwerde beim Ver- 1984 unterbreitete der Gemeinderat dem waltungsgericht ein. Diese wurde im Jahre Einwohnerrat ein neues Konzept für die darauf, im März 1988, jedoch abgewiesen. kommunale Wasserversorgung. Die Pump- Dieser Gerichtsentscheid wurde selbstver- werke sollten in ein neues Gebiet verlegt ständlich respektiert. Durch diesen mühsa- werden. Das Gemeindeparlament geneh- men Streit bis vor Verwaltungsgericht war migte 1984 und 1985 zwei Projektierungs- jedoch wertvolle Zeit verloren gegangen. kredite von zusammen Fr. 450000.–, ohne 1989 konnte sich dann der Einwohnerrat dass dagegen das fakultative Finanzreferen- mit dem Sachgeschäft «Verlegung der Grund- dum ergriffen wurde. Im Juni 1986 be- wasserpumpwerke» befassen und Grund- schloss der Einwohnerrat einen Baukredit wasserschutzzonen im Gebiet Löli, Wirtslöli von Fr.1440000.– für drei neue Pumpwer- und Im Oos sowie ein Nutzungsreglement ke im Gebiet Löli-Remeli. Der Beschluss beschliessen, was 1990 vom Regierungsrat wurde nicht dem obligatorischen Referen- genehmigt wurde. Am 2. Juni 1991 konnte dum unterstellt, so dass man für das fakul- der Souverän nun endlich den Kredit von tative Referendum die Mühe der Unter- über zwölf Mio Franken, welcher sich schriften-Sammlung hätte auf sich nehmen zusammensetzte aus Fr. 9496440.–- für müssen. den Wert des Schutzzonenlandes und Fr. 2510000.– für den Pumpwerkbau, geneh- Die Ortsgruppe Pratteln des LdU, vertreten migen. Im September 1992 erfolgte der durch Rolf Ackermann, erhob im gleichen erste Spatenstich und im Mai 1994 konnte Jahre bei der Regierung Beschwerde gegen das Werk in Betrieb genommen werden. diesen Beschluss des Einwohnerrates. Die- ser sei ausser Kraft zu setzen und zuerst ein Seit dem Konzeptbeschluss des Gemeinde- komplettes «Trink- resp. Grundwasserkon- parlamentes zur Sicherung der Wasserver- zept» vorzulegen. Im März 1987 antworte- sorgung waren somit mehr als zehn Jahre te die Regierung und erwähnte im Be- vergangen. Die Demokratie in Gemeinde, schwerdeentscheid u.a., dass die Beschwer- Kanton und Bund bewegt sich immer in deführerin befugt sei, eine Missachtung der einem Spannungsfeld zwischen berechtig- Rechte der Stimmberechtigten zu rügen, ter Mitsprache des Volkes und effizienter denn die dem Kreditbeschluss zugrundelie- Erfüllung der gestellten Aufgaben durch die gende Vorlage an das Gemeindeparlament Behörden. Im vorliegenden Falle erkennt müsse mit allen für die Gemeinde resultie- man aber, dass es vermutlich besser gewe- renden Folgekosten ergänzt werden. Da sich sen wäre, bereits 1984 beim Projektierungs- 216 daraus ein höherer Totalbetrag von über kredit zuerst den Schutzzonenplan, mit Ein- politischen Gemeinden (Einwohnergemein- organisieren. Es trat am 1. Januar 1972 in Die Einwohner- den). Fortan sind die Einwohnergemeinden Kraft. gemeinde zuständig für die Ausübung der Wahlrechte sowie der Gesetzgebungs- und Verwal- Eine der wichtigsten Neuerungen war die tungsrechte. Die Güter der Bürgergemein- Möglichkeit, in Gemeinden mit mehr als de, die der Allgemeinheit dienten (Schul- 2000 Stimmberechtigten anstelle der Ge- häuser, Feuerwehrmagazine usw.) mussten meindeversammlung ein Parlament einzu- per 1. Januar 1882 gegen Ablösung der setzen und von der ordentlichen zur ausser- Schulden in das Eigentum der Einwohner- ordentlichen Gemeindeorganisation überzu- Die Entwicklung des gemeinden übergeführt werden. Gleichzei- gehen. (Die Gemeindeorganisation mit dem kantonalen Gemeindegesetzes tig fiel die Bestimmung für die Mehrheits- Gemeindeparlament wird in der deutsch- vertretung der Ortsbürger im Gemeinderat. sprachigen Schweiz allgemein als «ausser- Anderseits wurde der Ortsbürgerschaft eine ordentliche Gemeindeorganisation» bezeich- Nach der Kantonstrennung 1832/33 wurde eigene Verwaltung zugestanden. net. Die ordentliche Organisation mit der das erste spezielle Gesetz für die Gemein- Gemeindeversammlung ist eine altgermani- den am 6. Dezember 1838 vom Landrat ver- Das Gemeindegesetz aus dem Jahre 1881, sche Einrichtung, die für die deutschschwei- abschiedet. Die Stimmberechtigten nahmen als Liestal mit etwa 4600 Einwohnerinnen zerischen Gemeinden auch heute noch als ihre Rechte an der Gemeindeversammlung und Einwohnern die grösste Baselbieter Norm gilt. Abweichungen von dieser Jahr- wahr. Gemeinde war, bewährte sich bis 1970. Erst hunderte alten Ordnung werden als unge- das grosse Wachstum der Gemeinden nach wöhnlich, als «ausserordentlich» empfun- Aufgrund gemachter Erfahrungen erliess dem Zweiten Weltkrieg rief nach neuen den.) der Landrat bereits 1851 ein neues Gemein- Organisationsformen. degesetz. Weil damals die Ortsbürger über- Alle Einwohnergemeinden, ob ordentlich all noch in der Mehrzahl waren, galt die Vor- Davon überzeugt, dass ein fast 90-jähriges oder ausserordentlich organisiert, wurden schrift, dass Ortsbürger im Gemeinderat die Gemeindegesetz den tatsächlichen Verhält- mit dem neuen kantonalen Gemeindege- absolute Mehrheit stellen mussten. Doch nissen nicht mehr Rechnung tragen kann, setz verpflichtet, sich eine Gemeindeverfas- konnten jetzt alle in der Gemeinde wohnen- hat das Baselbieter Volk am 27. September sung – genannt «Gemeindeordnung» – zu den und niedergelassenen Schweizerbürger 1970 das neue Gesetz über die Organisati- geben. an den Gemeindeversammlungen teilneh- on und die Verwaltung der Gemeinden men. Über das Gemeindevermögen hinge- (Gemeindegesetz) vom 28. Mai 1970 ange- Im Jahre 1995 wurde das Gemeindegesetz gen durften nur die Bürger verfügen. Es nommen. Neben der Bevölkerungszunah- von 1970 revidiert. Bei den Gesetzesände- fanden deshalb immer wieder gesonderte me war es auch die Entwicklung auf rechtli- rungen ging es vor allem um die Umsetzung Bürgerversammlungen statt. chem Gebiet in den vergangenen neun des neuen Verfassungsauftrages, den Ge- Jahrzehnten, die eine Revision des Gemein- meinden eine möglichst grosse Handlungs- 30 Jahre später, am 1. Januar 1882, trat degesetzes notwendig machte. Das neue freiheit zu gewähren, ihnen mehr Autono- wieder ein neues Gemeindegesetz in Kraft, kantonale Gemeindegesetz, mit welchem mie und Selbstbestimmung in ihrer Orga- das «Gesetz betreffend die Organisation und übrigens auch das Frauenstimmrecht auf nisation und Verwaltung einzuräumen. So Verwaltung der Gemeinden». Das umfang- Gemeindeebene eingeführt wurde, schaffte wurde beispielsweise der Verwandtenaus- reiche Gesetz brachte wesentliche Neuerun- in rechtlicher Hinsicht klare und übersichtli- schluss aufgehoben. Die Forderung war ge- gen. Im Vordergrund der Revision stand die che Verhältnisse und ermöglichte es den wesen, Ehepaare und Konkubinatspaare be- vollständige Trennung der Bürger- und der grossen Gemeinden, sich zweckmässig zu züglich des Wählbarkeitsausschlusses gleich 217 zu behandeln. Da das Konkubinat rechtlich Wie die andern Baselbieter Gemeinden, die 6. Dezember 1987 Teilrevision für die nicht definiert werden kann, blieb nur eine, sich damals ebenfalls für die neue Organisa- Schaffung einer auf den ersten Blick etwas kühne Lösung: tionsform mit einem Gemeindeparlament besonderen Vor- Aufhebung des gesamten Verwandtenaus- entschieden hatten (Allschwil, Binningen, mundschaftsbehörde schlusses. Verwandtschaftliche oder andere Münchenstein, Liestal, Reinach und später 8. Dezember 1991 Teilrevision für eine Beziehungen lassen sich in der Regel nicht Birsfelden) musste auch Pratteln nach einer selbständige Kinder- verheimlichen, so dass bei Wahlen die Wäh- eigenen Lösung suchen und die GO 71 gartenkommission lerinnen und Wähler selber entscheiden ohne jede Erfahrung mit einem Gemeinde- 27. September 1992 Änderung von § 60 können, ob sie solche verwandtschaftlichen parlament erarbeiten. Dass unter dieser Vor- betreffend die Finanz- und andere persönlichen Verflechtungen in aussetzung kein vollkommenes Werk ent- kompetenzen des einer Behörde dulden wollen. Weiter wurde stehen konnte, ist selbstverständlich. Gemeinderates mit der Gesetzesrevision von 1995 den Ge- Änderung von § 60 meinden ermöglicht, per Gemeinderegle- Nach drei Jahren praktischer Erfahrung mit aufgrund der Wohn- ment den Beamtenstatus für ihre Gemein- der neuen Organisationsform erwiesen sich initiative debediensteten aufzuheben. verschiedene Bestimmungen als unzuläng- 4. Dezember 1994 Teilrevision für die lich, so dass die GO 71 total revidiert wer- Gleichstellung der den musste. Die Stimmbürgerschaft geneh- Geschlechter in der migte am 8. Juni 1975 die revidierte Ge- Feuerwehrdienst- Die Entwicklung der Prattler meindeordnung (GO 75) mit 1871 Ja- gegen pflicht Gemeindeordnung (GO) 794 Nein-Stimmen (Stimmbeteiligung 35,7 Teilrevision zur Ein- Prozent) und bekannte sich mit diesem Ent- führung des Majorz- scheid zum zweiten Mal, und nun recht wahlsystems für den Auf Antrag der Gemeindekommission be- deutlich, zur ausserordentlichen Gemeinde- Gemeinderat schloss die Gemeindeversammlung am 22. organisation mit Einwohnerrat. 19. Februar 1995 Teilrevision für die März 1971 mit 139 gegen 126 Stimmen, in Trennung der beiden Pratteln die ausserordentliche Gemeindeor- Mit der GO 75 wurde u.a. der definitive Ver- Schulpflegen ganisation mit Einwohnerrat einzuführen. zicht auf eine eigene Baubewilligungs- 2. März 1997 Teilrevision für die Nach diesem Grundsatzentscheid wurde behörde beschlossen, sowie die Aufhebung Übertragung der noch in der gleichen Sitzung die neue Ge- der Steuertaxations- und der Steuerrekurs- Steuerveranlagung an meindeordnung beraten und mit grossem kommission, die mit dem neuen Steuer- und den Kanton Mehr gegen einige Stimmen verabschiedet. Finanzgesetz vom 7. Februar 1974 über- Die Stimmberechtigten entschieden sich am flüssig geworden waren. Die GO 75 trat mit In den 25 Jahren seit der Inkraftsetzung der 25. April 1971 auch an der Urne für die aus- dem Beginn der neuen Legislaturperiode GO 75 hat sich ausserhalb und innerhalb serordentliche Gemeindeorganisation mit am 1. Januar 1976 in Kraft. Bis zur nächsten der Gemeinde Vieles grundsätzlich verän- Einwohnerrat und genehmigten die neue Totalrevision im Jahre 1999 hatten die dert. So hat der Kanton das Gemeindege- Gemeindeordnung mit 1041 gegen 944 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über setz und weitere für die Gemeinden wichti- Stimmen, bei einer Stimmbeteiligung von die folgenden sechs Teilrevisionen zu befin- ge Rechtserlasse revidiert. Zudem wurde mit 26,60 Prozent. Darauf wurde im Herbst der den, die ausnahmslos angenommen wur- der neuen Aufgabenteilung ein Prozess in Einwohnerrat für die erste Amtsperiode den: Gang gesetzt, der den Forderungen der Ge- vom 1. Januar 1972 bis 31. Dezember 1975 meinden nach mehr Selbständigkeit und 218 gewählt. einer besseren Abgrenzung der kommuna- len und kantonalen Aufgaben und Verant- gen zahlreiche wertvolle Anregungen und ren Beteiligung am Gemeinwesen durch wortlichkeiten Rechnung trägt. Verbesserungsvorschläge ein. Nach sorgfäl- Information sowie durch soziale und kul- tiger Vorberatung durch eine einwohnerrät- turelle Integration. Auch in der Gemeinde selbst ist in den letz- liche Spezialkommission verabschiedete der –Sie sorgt für günstige Rahmenbedingun- ten Jahren in vielen Bereichen einiges an- Einwohnerrat die Gemeindeordnung am gen für die Wirtschaft und trägt damit ders geworden. So hat sich das Bewusstsein 23. August 1999 zu Handen der Stimmbe- zur wirtschaftlichen Sicherheit der Bevöl- verstärkt, dass die öffentliche Verwaltung rechtigten. Am Abstimmungswochenende kerung bei. ein Dienstleistungsbetrieb ist, und mit der vom 24. Oktober 1999 wurde die neue Ge- Gliederung in Abteilungen und der Umset- meindeordnung mit 2404 Ja- gegen 583 zung verschiedener anderer Massnahmen Nein-Stimmen sehr deutlich angenommen, als Folge einer Leistungs- und Strukturanaly- bei einer Stimmbeteiligung von 37,9 Pro- Die heutige se hat sich die Verwaltung neu organisiert. zent. Die Inkraftsetzung erfolgte auf Beginn Organisationsstruktur Schliesslich sollten mit einer neuen Gemein- der neuen Legislaturperiode am 1. Juli 2000. deordnung auch die Voraussetzungen ge- schaffen werden, die vielfältigen Aufgaben In der heute gültigen Gemeindeordnung Der Einwohnerrat neu im Sinne von WoV (Wirkungsorientierte wurden in Paragraf 1 erstmals Zielsetzun- Verwaltungsführung) anzugehen. gen formuliert – Wertvorstellungen und Der Einwohnerrat zählt 40 Mitglieder, die Leitideen, welchen sich Parlament, Gemein- alle vier Jahre von den Stimmberechtigten Alle diese Veränderungen haben spürbare derat und Verwaltung bei ihrer Arbeit ver- nach dem Proporz-Wahlverfahren gewählt Auswirkungen auf die tägliche Arbeit von pflichtet fühlen. Sie lauten wie folgt: werden. Er ist die oberste gesetzgebende Behörden und Verwaltung. Um diese Er- und kontrollierende Behörde der Einwoh- neuerungsprozesse zu fördern und zu steu- Die Einwohnergemeinde Pratteln lässt sich nergemeinde (Legislative) und hat alle Auf- ern, war eine Überarbeitung der kommuna- bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von fol- gaben und Befugnisse, die nicht durch Vor- len Rechtserlasse erforderlich. Die Revision genden Grundgedanken leiten: schriften von Bund und Kanton oder durch des Personalrechts stand bevor und weitere die Gemeindeordnung den Stimmberech- Reglemente mussten geschaffen bzw. über- –Sie strebt eine Ordnung an, die allen Ein- tigten vorbehalten oder anderen Behörden arbeitet werden. Bevor diese Arbeit aufge- wohnerinnen und Einwohnern ein Zu- übertragen sind. Eine Änderung des Steuer- nommen wurde, war es sinnvoll, die Basis sammenleben als freie und gleichberech- fusses kann nur erfolgen, wenn zwei Drittel der gesamten kommunalen Rechtsordnung, tigte Menschen in gegenseitiger Toleranz der anwesenden Mitglieder des Einwohner- also die Gemeindeordnung, einer Revision und Achtung ermöglicht. rates zustimmen. Organisation und Form zu unterziehen. –Sie fördert die Eigenverantwortung der der Beratungen des Einwohnerrates sind in Einwohnerinnen und Einwohner, bemüht einem Geschäftsreglement geregelt. Gleichzeitig mit dem Entwurf für eine neue sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um Gemeindeordnung unterbreitete der Ge- den sozialen Ausgleich und hilft Men- Die Präsidentin oder der Präsident, die zwei meinderat dem Einwohnerrat im Oktober schen in Not. Vizepräsidentinnen oder -präsidenten und 1998 den Entwurf für ein Verwaltungs- und –Im Bewusstsein der Verantwortung ge- die beiden StimmenzählerInnen bilden das Organisationsreglement. Um diese wichti- genüber künftigen Generationen geht sie Büro des Einwohnerrates. Drei Mitglieder gen neuen Erlasse möglichst breit abzustüt- sorgfältig um mit den Ressourcen der des Rates haben das Recht, eine Fraktion zu zen, waren die Parteien sowie Behörden Natur und den finanziellen Mitteln. bilden. Die Fraktionen sind bei der Wahl der und Kommissionen zur Vernehmlassung –Sie lebt von der Mitwirkung aller Einwoh- Kommissionen und des Büros gemäss ihrer eingeladen worden. Auf diesem Weg gin- nerinnen und Einwohner und fördert de- zahlenmässigen Stärke zu berücksichtigen. 219 Der Gemeinderat lichen Bindungen entstehen können, ist nicht zulässig. Der Gemeinderat zählt sieben Mitglieder, die alle vier Jahre von den Stimmberechtig- Der Gemeinderat ist die oberste leitende ten nach dem Majorz-Wahlverfahren ge- und vollziehende Behörde der Einwohner- wählt werden. Jedes Mitglied steht einem gemeinde (Exekutive). Er übt alle in die oder mehreren Geschäftsbereichen (Depar- Bereiche der Leitung, des Vollzugs und der temente) vor. Die Übernahme eines Ge- Verwaltung fallenden Befugnisse aus, die schäftsbereiches, in dem Konflikte mit eige- nicht ausdrücklich einer anderen Behörde nen geschäftlichen Interessen und persön- zugewiesen sind. Bei seiner sehr vielseitigen

Die Gemeinderats-Mitglieder mit ihren Departementen Departements-Verteilung Departemente Amtsdauer 1. Juli 2000 bis 30. Juni 2004

Gemeindepräsident Willy Schneider Präsidium, Hochbau, Raumplanung Oberleitung Gemeindeverwaltung und Personal, EDV/Informa- tik, Kommissionen, Allgemeine Koordination, Wirtschaftsförde- rung, Hochbau, Raumplanung, Baupolizei, Energie, Vermessung Vizepräsident Rolf Wehrli Öffentliche Sicherheit, Regiebetriebe GFS, Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz, Militär, Wasser, Kanalisation, GGA Gemeinderätinnen/räte Elisabeth Schiltknecht Soziales Die Kanzleiarbeiten des Rates und der Kom- Vormundschafts- und Fürsorgewesen, Sozialdienst, Tagesheim, missionen werden von der Gemeindever- Altersheime, Spitex, Gesundheit waltung besorgt. Diese führt ein Verzeichnis Denise Stöckli Tiefbau aller erledigten und hängigen Geschäfte. In Strassen, Verkehrsplanung, öffentliche Beleuchtung, Friedhof, den 30 Jahren seit Bestehen des Einwohner- Anlagen, Werkhof rates sind 2235 Geschäfte behandelt wor- Felix Knöpfel Jugend, Kultur, Umwelt den (Wahlen, Vorlagen, Motionen, Postula- Jugendhaus, Robinsonspielplatz, Kommission für Jugendfragen, te, Interpellationen und Kleine Anfragen). Jugendmusikschule, Kultur-Kommission, Landwirtschaft, Umwelt- schutz, Abfall, Naturschutz, öffentlicher Verkehr Die Verhandlungen des Einwohnerrates sind Max Hippenmeyer Finanzen öffentlich. In der Regel findet jeden Monat, Finanzplanung, Budget, Rechnungsablage, Inkasso, Versiche- ausser in den Sommerschulferien, eine Sit- rungen, Pensionskasse, Liquiditätsbewirtschaftung, Kinder- und zung an einem Montag um 19.00 Uhr statt. Jugendzahnpflege Die Geschäftsvorlagen und die Ratsproto- Beat Stingelin Bildung, Sport kolle können im Abonnement bezogen Primar-, Real- und Sekundarschule, Kindergärten, Schulverwal- 220 werden. tung, Schulraumplanung, Betrieb KSZ, Schwimmbad, Sportplätze Tätigkeit hat er eidgenössisches und kanto- waren 314 Personen auf die Unterstützung pflege und je einem Mitglied der Gemein- nales Recht sowie die Vorschriften der durch die Sozialhilfebehörde angewiesen, den Augst und . Für die Kreisse- Gemeindereglemente zu beachten. Organi- und zwar wegen folgender Ursachen: Feh- kundarschulpflege legt der Regierungsrat sation und Form seiner Beratungen sind in len des Ernährers, Fremdplatzieren von Kin- vor jeder Neuwahl für jede Einwohnerge- einer Geschäftsordnung geregelt. Der Ge- dern, Heimplatzieren Erwachsener, Krank- meinde die Zahl der Mitglieder fest. Gegen- meinderat ist eine Kollegialbehörde. Nur ein heit, Arbeitslosigkeit, Drogen, übrige Sucht- wärtig besteht die Kreissekundarschulpfle- gutes Zusammenwirken ermöglicht es, die probleme und diverse andere Ursachen. ge aus fünf Mitgliedern der Gemeinde unzähligen grossen und kleinen Aufgaben Pratteln und je einem Mitglied der Gemein- der Gemeinde zu bewältigen. den Augst und Giebenach. Die Schulpfle- Die Vormundschaftsbehörde gen werden von den Stimmberechtigten Das Gemeindepräsidium wird im Halbamt Eine besondere Vormundschaftsbehörde nach dem Grundsatz der Verhältniswahl ausgeübt, während die anderen Gemeinde- gibt es in Pratteln erst seit dem 1. Juli 1988. (Proporz) gewählt. rats-Mitglieder ihre Departemente neben- Vorher war der Gemeinderat zugleich Vor- amtlich führen. Die Gemeinderats-Sitzun- mundschaftsbehörde. Die Vormundschafts- Die Kommissionen gen finden wöchentlich am Dienstag, in der behörde zählt sieben Mitglieder. Sechs Mit- Regel um 16.00 Uhr, im Schloss statt. Zur glieder werden vom Einwohnerrat gewählt. Wichtige Kommissionen sind die im Ge- Behandlung grösserer Geschäfte wie Bud- Das für das Vormundschaftswesen zustän- meindegesetz vorgeschriebenen Kontrollor- get, Finanzplan, usw. finden auch ganz- dige Mitglied des Gemeinderates gehört der gane, nämlich die Geschäftsprüfungskom- tägige Gemeinderats-Sitzungen statt. Vormundschaftsbehörde von Amtes wegen mission und die Rechnungsprüfungskom- an. Für die Aufgaben und Befugnisse der mission. Die Mitglieder beider Kommissio- Vormundschaftsbehörde gelten eidgenössi- nen werden aus der Mitte des Einwohner- Die Sozialhilfebehörde sche und kantonale Bestimmungen. Ihre rates gewählt. Ihre Aufgaben sind im Gesetz Die Sozialhilfebehörde hiess bis Ende 2001 Hauptaufgabe ist die Betreuung und Vertre- und in der Geschäftsordnung des Einwohn- noch Fürsorgebehörde. Ihren heutigen Na- tung von Schutzbedürftigen, die nicht in der errates klar umschrieben. Die Geschäftsprü- men erhielt sie mit der Inkraftsetzung des Lage sind, ihre persönlichen, finanziellen und fungskommission mit sieben Mitgliedern neuen Sozialhilfegesetzes am 1. Januar 2002. vermögensrechtlichen Interessen selbst wahr- überwacht die Geschäftsführung des Ge- Sie zählt sieben Mitglieder. Fünf Mitglieder zunehmen. Kinderschutzmassnahmen aller meinderates und der Verwaltung. Ihr wer- werden vom Einwohnerrat gewählt. Ein Art, Errichtung von Beistand-, Beirat- und den die jährlichen Amtsberichte des Ge- Mitglied wählt die Bürgergemeinde. Das für Vormundschaften usw. verlangen neben Ge- meinderates überwiesen. Die Rechnungs- das Sozialwesen zuständige Mitglied des setzeskenntnis vor allem ein gutes Einfüh- prüfungskommission mit neun Mitgliedern Gemeinderates gehört der Sozialhilfebehör- lungsvermögen und ein sorgfältiges Abwä- prüft den Voranschlag, die Jahresrechnung de von Amtes wegen an. Für ihre Aufgaben gen der zu treffenden Massnahmen. und das gesamte Rechnungswesen der Ein- und Befugnisse gelten die Bestimmungen wohnergemeinde und ihrer Anstalten. Sie des Sozialhilfegesetzes. Die Sozialhilfe hat kann jederzeit und unangemeldet den Kas- Die Schulpflegen zur Aufgabe, persönlicher Hilfsbedürftigkeit senbestand überprüfen. Beide Kontrollor- vorzubeugen, deren Folgen zu lindern oder Die Primarschulpflege zählt sieben Mitglie- gane sind direkt dem Einwohnerrat Rechen- zu beheben sowie die Selbständigkeit und der. Für die Realschule und die Sekundar- schaft schuldig. Eine weitere einwohnerrät- die Selbsthilfe zu erhalten und zu fördern. schule bildet Pratteln zusammen mit den liche Kommission ist die Bau- und Planungs- Verschiedene Ursachen können – auch in Gemeinden Augst und Giebenach einen kommission, die fünf Mitglieder zählt. Ihr Zeiten der Hochkonjunktur – zu persönlicher Schulkreis. Die Kreisrealschulpflege besteht kann der Einwohnerrat Vorlagen überwei- Hilfsbedürftigkeit führen. Im Jahre 2000 aus den sieben Mitgliedern der Primarschul- sen, die Bau- oder Planungsfragen oder den 221 Erwerb von Land und Liegenschaften für Wahlbüros Bauvorhaben betreffen. Die Gemeinde- Die fünf Wahlbüros mit je sieben Mitglie- verwaltung dern und die zehn Wahlbüro-Ersatzleute Kindergartenkommission und sind für den gesetzeskonformen Ablauf bei Kreis-Jugendmusikschulkommission Abstimmungen und Wahlen verantwortlich. Die Kindergartenkommission und die Kreis- Ihre Aufgaben und Befugnisse sind im Jugendmusikschulkommission Pratteln-Augst- Gesetz über die politischen Rechte geregelt. Giebenach sind Kommissionen mit behörd- Für die alle vier Jahre stattfindende Neuwahl lichen Befugnissen. Sie unterscheiden sich des Einwohnerrates, des Gemeinderates und Als noch der Landvogt regierte von den beratenden Kommissionen da- des Bürgerrates müssen zusätzliche freiwilli- durch, dass ihnen durch Gemeinderegle- ge Wahlhelferinnen und -helfer rekrutiert Im Laufe der Jahrhunderte hat sich, wie ment Exekutivbefugnisse übertragen sind, werden. andernorts, auch in Pratteln eine mehr oder die sonst dem Gemeinderat zustehen. weniger selbständige Gemeindeorganisati- Auf Beginn jeder Amtsperiode sind alle Kom- on herausgebildet. Mit dem Verkauf der Wichtige Hilfsorgane für den Gemeinderat missionen und die Wahlbüros neu zu Herrschaft Pratteln an Basel in den Jahren sind die beratenden Kommissionen, wobei wählen. Hansjörg Dill 1521 bis 1525 war die Stadt Herrin des Dor- zu unterscheiden ist zwischen ständigen fes geworden; die adelige Herrschaft der und nichtständigen Kommissionen. Zur Zeit bestehen die folgenden, vom Gemeinderat eingesetzten ständigen Kommissionen: Auf- sichtskommission Kreisjugendmusikschule Pratteln-Augst-Giebenach, Bauausschuss, Betriebskommission Jugendhaus, Betriebs- kommission Kultur- und Sportzentrum, Be- triebskommission Sport, Betriebskommissi- on Robinsonspielplatz, Betriebskommission Tagesheim, EDV-Ausschuss, Feuerwehrkom- mission, Friedhofkommission, Gemeindebi- bliotheks-Kommission, Gemeindeführungs- stab, Kommission für Jugendfragen, Kom- mission für Integration und Förderung des interkulturellen Austausches Pratteln, Kul- turkommission, Ludothekskommission, Na- turschutzkommission, Schiessplatzkommis- sion, Schulraumplanungs-Kommission, Um- weltschutzkommission und Verkehrspla- nungskommission. Für besondere Aufgaben können Einwohnerrat und Gemeinderat Bis zum Jahre 1798 hatten die Untertanen – auch nichtständige beratende Kommissionen ein- die Prattler – der Stadt Basel den Huldigungseid 222 setzen. jeweils vor dem Landvogt zu leisten. Eptinger wurde durch eine bürgerliche Ver- Trotten zu beaufsichtigen und den Mietzins hatten Personalvermehrungen zur Folge und waltung abgelöst. der Schlosswohnungen einzuziehen. bedingten weitere Büroräumlichkeiten. Ende 1938 konnte der Verwaltungsneubau an Pratteln wurde der Landvogtei München- QUELLEN: der Schlossstrasse bezogen werden. stein, zu der auch Muttenz gehörte, zuge- Zeugin, Ernst: Geschichte des Dorfes Pratteln 1. teilt. Der oberste Verwaltungsbeamte des Teil. Pratteln, 1954. Bis zum Jahre 1954 stand dem Verwal- Amtes Münchenstein war der Landvogt zu tungspersonal ein Gemeindeverwalter vor. Münchenstein. Er verwaltete im Auftrag der Dann wurden Kanzlei und Kasse voneinan- Erste Gemeindeverwaltung im Stadt die Finanzen, beaufsichtigte das Mili- der getrennt und unter die Leitungen eines Burggartenschulhaus tär- und Polizeiwesen und hatte auch rich- Gemeindeschreibers und eines Gemeinde- terliche Funktionen. Pratteln war deshalb Bis und mit 1905 wurden alle Beamtungen kassiers gestellt. Das Personal setzte sich mit Münchenstein eng verbunden. der Einwohner- und Bürgergemeinde im wie folgt zusammen: Schreiberei: drei Be- Nebenamt geführt und durch einen Ge- amte, eine Hilfskraft und zwei Gemeinde- Das Dorf hatte zahlreiche Beamte, die im meindeschreiber und einen Einwohner-, Bür- polizisten; Kasse: drei Beamte. Auftrag der Obrigkeit und der Gemeinde ger- und Armenkassier besorgt. Ab 1906 tätig waren. Diese konnten die Beamten sel- befand sich die Gemeindeverwaltung im Erd- Diese Aufteilung der Verwaltung bewährte ber aus ihrer Mitte wählen. Die Verwaltung geschoss des Burggartenschulhauses, und sich aber nicht, weshalb im Jahre 1964 die lag in den Händen von vier Geschworenen. Martin Wüthrich-Dalcher war der erste voll- beiden Bereiche wieder zusammengelegt Der Landvogt war im Dorf durch den soge- amtliche Gemeindeverwalter. Ihm wurden wurden und die Gesamtleitung dem Ge- nannten Untervogt vertreten. Als Entschädi- sämtliche Verwaltungs- und Kassengeschäf- meindeverwalter übertragen wurde. 1967 gung für seine Verrichtungen erhielt er seit te übertragen. Neben dem Gemeindever- setzte sich das Verwaltungspersonal aus alter Zeit die Bewirtschaftung des Vogtacker walter amtierte noch der Gemeindepolizist, zwölf Beamten, zwei Polizisten und zwei zur Nutzniessung. welcher ausser dem Polizeidienst als Nacht- Fürsorgerinnen zusammen. wächter den Weibeldienst versah und in Der Bannwart musste den Wald beaufsichti- dieser Eigenschaft auch auszurufen hatte, QUELLEN: gen. Die Dorfwächter mussten für die allge- wenn zum Beispiel eine Obst-, Holz-, Lie- Leupin, Alexander: Heimatkunde von Pratteln. meine Sicherheit sorgen, auf Feuer und genschaftsgant usw. stattfand oder Kuh- Pratteln, 1968. Lärm achten, die Stunde rufen und das Bet- fleisch wegen einer Notschlachtung im telgesindel aus dem Dorfe weisen. Beamte «Milchhüsli» zu kaufen war. Bald musste Vom büro-technischen Mittelalter ... der Gemeinde waren auch die Gescheids- dem Verwalter eine Bürohilfskraft und im männer. Seit Jahrhunderten hatten sie im Jahre 1913 ein weiterer Polizist beigegeben Die sechziger Jahre waren die Zeit der rasan- Frühling und im Herbst alle Grenzzeichen zu werden. Letzterem wurden namentlich die ten baulichen Entwicklung unserer Gemein- besichtigen, Fehler zu beheben und kleinere Steuer- und andere Einzüge übertragen, de. Eine Quartier-Überbauung nach der Grenzstreitigkeiten an Ort und Stelle zu und er hatte auch die Abstimmungen und anderen entstand, und die Einwohnerzahl schlichten. Kuh-, Schaf-, Schweinehirt und Wahlen zu überwachen. Mit der Erweite- stieg von 10000 am 26. Juli 1961 bis zum Schärmauser wurden von der Gemeindever- rung der Verwaltungsräume im Jahre 1928 Rekord von 17373 am 7. August 1973. Die sammlung mit offenem Mehr jeweils auf wurde der Personaldienst auf vier vollamtli- Verwaltung platzte aus allen Nähten, mit eine bestimmte Zeit gewählt. 1869 wurde che Beamte und zwei Polizisten erhöht. einem Anbau wurde sie im Jahre 1967 als erster Brunnmeister Niklaus Schwob mit erweitert, und hochtrabende Planungsstu- einer Jahresbesoldung von 150 Franken Das stetige Wachstum der Gemeinde und dien prophezeiten ein künftiges Pratteln mit gewählt. Der Schlossschaffner hatte die die ständig zunehmenden neuen Aufgaben 50000 Einwohnerinnen und Einwohnern. 223 Die zu jener Zeit modernsten Hilfsmittel für te der damalige EDV-Leiter die Programme Franken bewilligt. Die System-Installation er- das Steuerbüro waren beispielsweise eine für die Bereiche Einwohnerkontrolle, Steu- folgte im November 1995. Der mit der Lie- Rechenmaschine, eine elektrische Buchungs- ern, Debitoren, Gebühren, Lohnwesen, Fi- ferfirma vertraglich vereinbarte detaillierte maschine für die Fakturierung, das Kohlepa- nanzen, usw., bis schliesslich das Computer- Terminplan sah vor, dass das Gesamtsystem pier für die doppelseitige Ausfertigung der Zeitalter für die ganze Verwaltung ange- mit allen Verwaltungs-Applikationen an- Steuerrechnungen und die Adressplatten brochen war. fangs Oktober 1996 in die uneingeschränk- für ihre Adressierung. Die Kopie der Rech- te Produktion überführt würde. nung diente als Debitoren-Kontoblatt, auf Die stürmische Entwicklung in der Compu- welchem die Zahlungen verbucht wurden. ter-Branche brachte es mit sich, dass das Doch es kam anders: Der vereinbarte Ter- Protokolle wurden noch mit Schnapsmatri- EDV-System laufend ausgebaut und unge- minplan für die EDV-Einführung der Verwal- ze vervielfältigt. Alles in allem Arbeitsabläu- fähr im 10-Jahres-Turnus wieder durch ein tungs-Applikationen des UNIGEORG-Sys- fe, die man sich heute kaum mehr vorstellen neues, leistungsfähigeres ersetzt werden tems konnte nicht annährend eingehalten kann. musste. So folgte dem ersten Gemeinde- werden. Die Datenübernahme verlief nur Computer 1982 das IBM-System S/38 und schleppend, und die aus dem AS/400 auf diesem wiederum im Spätherbst 1990 das das neue UNIGEORG-System übernomme- … ins Computer-Zeitalter System AS/400. Anfangs 1991 wurden für nen Daten mussten mit viel Zeitaufwand Gegen Ende der sechziger Jahre kam in der die ganze Verwaltung die Textverarbei- manuell nachbearbeitet werden. In einem Schweiz immer mehr die EDV ins Gespräch, tungs-Software IBM Office-Vision und der Zwischenbericht über den aktuellen Stand und auch in Pratteln freundete man sich Systembetrieb rund um die Uhr an allen der EDV-Einführung machte der damalige vorsichtig mit EDV-Gedanken an. Zusam- Tagen eingeführt. EDV-Leiter den Gemeinderat auf die sich men mit der Gemeinde Muttenz wurden abzeichnende dramatische Situation auf- 1969 erste Abklärungen für eine mögliche merksam. Durch den mehrmonatigen Ver- Probleme noch und noch … EDV-Lösung getroffen, die jedoch ergaben, zug war auch die Schulung des Personals dass die Systeme noch zu gross und vor Dann begann ein eher trübes Kapitel in der weitgehend wertlos geworden. allem zu teuer waren. Die darauf einge- Prattler EDV-Geschichte: 1993 wurde eine schaltete Denkpause hatte sich gelohnt: externe Firma beauftragt, für die gesamte Der Gemeinderat setzte darauf ein Projekt- 1970 brachte IBM ein kleineres System auf Verwaltung eine Struktur- und Leistungs- Management Informatik (PMI) ein, mit dem den Markt, das unseren Anforderungen überprüfung durchzuführen, mit dem Ziel, Leistungsauftrag, die Einführung des neuen entsprach. im Hinblick auf Einsparungen die Führung EDV-Systems engagiert zu begleiten. und Organisation der Verwaltung zu opti- Im Februar 1971 bewilligte die Gemeinde- mieren. In ihrem Schlussbericht hielten die Auf diesem Weg – dank dem engagierten versammlung einen Kredit von 500000 Überprüfer unter anderem fest, dass die Einsatz des PMI und aller beteiligten Mitar- Franken für die Einführung der EDV. Im EDV-Lösung – die bis dahin bestens funktio- beiterinnen und Mitarbeiter – gelang es, bis November 1971 wurde der erste IBM-Com- niert hatte – nicht mehr den vorhandenen Ende 1996 alle vorgesehenen Anwendun- puter in der Gemeindeverwaltung installiert Bedürfnissen entspreche. gen, mit Ausnahme der Steuern, in die Pro- mit einer Kernspeicherkapazität von 12 duktion zu überführen, wenn auch noch Kilobyte und einer Plattenkapazität von 10 Für den Ersatz des AS/400 durch das von mit etlichen Pendenzen und Unzulänglich- Millionen Zeichen (10 MB). Die Daten- einem EDV-Ausschuss evaluierte neue keiten. In Verhandlungen mit der Lieferfir- eingabe erfolgte über Lochkarten. Fertige System UNIGEORG-windows mit Standard- ma konnte der 1995 mit ihr abgeschlossene Programm-Pakete wurden damals noch Anwendungsprogrammen wurde im Juni Generalunternehmervertrag in wesentli- 224 nicht angeboten. Nach und nach entwickel- 1995 ein Rahmenkredit von 1,5 Millionen chen Punkten zum Vorteil der Gemeinde verbessert werden. Mit einiger Verspätung mit zum Ausdruck gebracht, dass die Ge- werb zur Frage der Verwaltungs-Erweite- konnten nach und nach die Rechnungen für meinde Pratteln eine millenniumstaugliche rung hervorgegangen. Wasser, Kanalisationsgebühr, Nachtparkier- und effiziente Gemeinde-Informatik instal- gebühr und GGA-Anschluss erstellt und ver- liert hatte und betrieb. Aufgrund des Berichtes der Studienkom- sandt werden. mission liess der Gemeinderat durch ein Nach seiner letzten Sitzung am 1. Novem- Architekturbüro ein Vorprojekt ausarbeiten ber 1999 wurde das Projekt-Management für ein fünfgeschossiges Verwaltungs- Der verflixte «Millennium»-Wechsel Informatik aufgelöst. Mit den gegenwärti- Hochhaus mit einer Nutzfläche von 2778 Die Arbeit des PMI war aber damit noch gen und künftigen EDV-Fragen befasst sich m2, zusätzlich zu den 1795 m2 in den vor- nicht beendet. Im Bereich Steuern, der sich seither ein EDV-Ausschuss, dem als ständige handenen Verwaltungsgebäuden. Die von bei der EDV-Einführung als der problem- Mitglieder der Gemeindepräsident, der Ge- der Verwaltung einstweilen nicht benötig- reichste erwies – 1996 konnten keine Steu- meindeverwalter und zwei Verwaltungs- ten Räumlichkeiten sollten an interessierte errechnungen versandt werden –, waren Mitarbeiter mit Super-User-Ausbildung an- Firmen vermietet werden. noch viele produktionsverhindernde Män- gehören, sowie ein externer Berater, der bei gel zu beheben – eine mühsame Arbeit, die Bedarf konsultiert wird. Ein Jahr später, 1974, wurde zum ersten Mal alle Beteiligten bis im März 1998 beschäf- in diesem Jahrhundert eine Abnahme der tigte. Ein weiteres Problem, das vom Soft- Prattler Bevölkerung statistisch ausgewie- Immer wieder Platzmangel ware-Lieferanten wohl erkannt, aber noch sen, um 52 Personen auf 16576 per 31. nicht gelöst war, stellte die Jahrtausend- Die Verwaltungsaufgaben haben in der Ver- Dezember 1974. In Anbetracht des sich ten- Tauglichkeit dar. Verschiedene Hardware- gangenheit laufend zugenommen. Neben- denziell abzeichnenden Bevölkerungs-Rück- und Software-Komponenten erwiesen sich ämter, wie beispielsweise dasjenige des Sek- ganges entschied der Gemeinderat, auf als millenniums-untauglich und mussten tionschefs, wurden an die Verwaltung über- eine bauliche Erweiterung der Gemeinde- um- oder aufgerüstet werden. Erschwerend tragen. Ebenso delegierten Bund und Kan- verwaltung bis auf weiteres zu verzichten. kam hinzu, dass unsere Software-Lieferan- ton immer wieder neue Aufgaben an die tin im Juli 1997 durch eine andere Firma Gemeinden. Dazu kam der stetige Bevölke- Seither muss sich die Verwaltung wohl oder übernommen wurde und im Vorfeld dieser rungszuwachs in den sechziger und anfangs übel mit den räumlichen Gegebenheiten Übernahme viele verunsicherte Mitarbeite- der siebziger Jahre. Dies alles führte dazu, arrangieren, was allerdings zunehmend rinnen und Mitarbeiter die Firma verliessen, dass die Platzverhältnisse im Verwaltungs- schwieriger wird. Der Sozialdienst konnte so dass wir und auch alle anderen Gemein- gebäude an der Schlossstrasse inklusive 1987 in die Mietliegenschaft Schlossstrasse den mit dem UNIGEORG-System um die Anbau allmählich prekär wurden. Es war zu 31, gegenüber der Gemeindeverwaltung, Gewährleistung der Supportverpflichtung befürchten, dass bald keine Reserve-Räume einziehen. Im sogenannten «Altbau» an der bangen mussten. mehr für die zunehmenden Verwaltungs- Schlossstrasse, der mit der Fassadenrenova- aufgaben zur Verfügung stehen würden. tion vor zwei Jahren wieder zum Neubau Ende März 1999 konnte die Abnahme der geworden ist, sind buchstäblich bis unters neu installierten jahrtausend-tauglichen Diese Entwicklung veranlasste den Gemein- Dach alle Räume mit Büros belegt, und im Hardware- und Software-Komponenten ohne derat 1972, eine Studienkommission zu be- Anbau mussten lange Zeit Mitarbeiterinnen Pendenzen erfolgreich durchgeführt wer- auftragen, den zukünftigen Raumbedarf und Mitarbeiter mit Arbeitsplätzen im den. Im Sommer 1999 hat das Bundesamt der Verwaltung und die Realisierbarkeit eines Untergeschoss Vorlieb nehmen. Das war für Statistik die Gemeinde Pratteln zu einer allenfalls zu errichtenden Verwaltungs- wenigstens an heissen Sommertagen ein der sieben Testgemeinden der Schweiz für Hochhauses abzuklären. Die Hochhaus- Vorteil, wenn in den oberen, nicht klimati- die Volkszählung 2000 ausgewählt und da- Variante war aus einem Projekt-Wettbe- sierten Büros des Pavillon-ähnlichen Anbaus 225 die Hitze für fast unzumutbare Arbeitsbe- stimmung im Juni 1978 waren bereits fünf den Werkhallen-Neubau an der Gempen- dingungen sorgte. andere Sanierungs-Projekte ausgearbeitet strasse deutlich mit 1163 gegen 342 Stim- worden, die aber alle schon in den Beratun- men. Die Stimmbeteiligung war allerdings Nach der Neuorganisation der Verwaltung gen der politischen Instanzen durchgefallen mit 16,98 Prozent nicht viel besser als vor aufgrund der Struktur-Analyse von 1993/94 waren. Die vier ersten Projekte fielen in die drei Jahren. liess der Gemeinderat 1995 von einer Spezi- Zeit der Diskussionen um ein Gemeindezen- alfirma ein Raumbelegungskonzept ausar- trum auf dem so genannten «Schweighau- Mit einem «Tag der offenen Tür» konnte die beiten. Dieses sollte als Grundlage dienen ser-Areal», wo heute das Jugendhaus steht, neue Werkhalle am 26. Mai 1984 einge- für eine effizientere und kundenfreundli- und scheiterten zur Hauptsache an der weiht werden, zur Freude insbesondere der chere Nutzung der Räumlichkeiten in den Ungewissheit, die damals für jenes Gebiet in Aussendienst-Mitarbeiter, die damit endlich bestehenden Gebäuden. Die Finanzknapp- planerischer Hinsicht herrschte. Das fünfte zu ihrer langersehnten modernen und heit und andere Probleme, die damals drin- Projekt war eine 10-Millionen-Vorlage für zweckdienlichen Arbeitsstätte kamen. gend zu lösen waren, allen voran die eine Sport- und Festhalle mit Werkhof auf Schwierigkeiten mit der EDV, veranlassten der «Hexmatt», deren Verwirklichung un- jedoch den Gemeinderat zum Entscheid, weigerlich eine Steuererhöhung zur Folge mit der Umsetzung des Konzeptes bis auf gehabt hätte, und die namentlich aus die- Die neue Verwaltungsstruktur weiteres zuzuwarten. sem Grund vom Einwohnerrat abgelehnt wurde. Das Verständnis des Gemeinwesens hat sich Der lange Weg bis zum neuen Werkhof Nach dem ablehnenden Volksentscheid zum in den letzten Jahren und Jahrzehnten dra- Dort wo heute das Kultur- und Sportzen- Werkhallen-Projekt «Grossmatt» suchte der stisch geändert. Hatte früher die öffentliche trum steht, befand sich bis 1984 der Gemeinderat andere Standort-Möglichkei- Hand lediglich die Funktion eines Nacht- Gemeindewerkhof, und er wäre immer ten in der Gewerbe- und Industriezone. Die wächterstaates, der reine Kontroll- und noch dort, wenn in der Volksabstimmung Prüfung ergab, dass sich das Areal der still- Sicherheitsfunktionen auszuüben hatte, so vom 25. Juni 1978 die Vorlage für einen gelegten Pilzkonservenfabrik Stofer an der bestehen heute andere Ansprüche. Gefragt Werkhallen-Neubau am bisherigen Stand- Gempenstrasse für eine neue Werkhalle am sind nicht mehr Kontrolle und obrigkeitli- ort angenommen worden wäre. Mit 722 besten eignen würde. Ausschlaggebend für ches Verhalten, sondern Dienst am Kunden. Nein- gegen 582 Ja-Stimmen (Stimmbeteili- die Wahl dieses Standortes war neben der Freundlichkeit und unbürokratische Hilfsbe- gung 15,26 Prozent!) verwarfen die Stimm- verkehrsmässig günstigen Lage das Argu- reitschaft müssen die obersten Maximen bürgerinnen und Stimmbürger das 2,3-Mil- ment, dass ein Werkhof für die angrenzen- der Verwaltung sein. lionen-Kreditbegehren. Der Grund für die de Wohnzone weniger störend ist als even- Ablehnung war der Standort in Schlossnähe tuell ein Industriebetrieb, der sich vielleicht Damit dieser Dienstleistungsbetrieb funktio- und am Rand der Dorfkernzone. sonst auf diesem Areal niedergelassen hätte. nieren kann, sind zeitgemässe Strukturen Im Dezember 1979 kaufte die Gemeinde notwendig. Auch die öffentliche Hand Die Sanierung des Werkhofes war damals die Parzelle zum Preis von 1,2 Millionen kommt nicht mehr darum herum, die histo- eines der ältesten Bauvorhaben unserer Ge- Franken. risch gewachsene Organisation in Frage zu meinde. Sie stand erstmals Mitte der fünfzi- stellen und nach Verbesserungen zu su- ger Jahre zur Diskussion und wurde mit all- Diese Lösung überzeugte nun auch die chen. mählich wachsendem Personal-, Fahrzeug- Stimmbürgerinnen und Stimmbürger: Am und Maschinenbestand zu einem immer 26. September 1982 bewilligten sie den Aus dieser Erkenntnis heraus, und auch in 226 dringenderen Bedürfnis. Vor der Volksab- Baukredit von 2,78 Millionen Franken für Anbetracht der düsteren Zukunft, die der Finanzplan für die kommenden Jahre auf- tration, die Kommissionen und der Ge- teilungen hervorgegangen. Die neue Struk- zeigte, wurde 1993 die Firma Atag Ernst & meinderat. Ziel der Überprüfung war die tur ersetzt die früheren Dienstzweige. Sie Young Consulting beauftragt, eine Struktur- Optimierung der Führung und Organisation trat am 1. Januar 1995 in Kraft, zusammen und Leistungsüberprüfung durchzuführen. der Verwaltung im Hinblick auf Einsparun- mit einer neuen Kompetenzordnung, die in In diese Analyse einbezogen wurden die ge- gen. verschiedenen Bereichen eine Delegation samte Gemeinde- und Bauverwaltung, alle von Entscheidkompetenzen vom Gemein- Aussendienststellen, die Vormundschafts- Aus dieser Analyse ist die heutige Organisa- derat an die Verwaltung ermöglichte. und die Fürsorgebehörde, die Schuladminis- tion der Gemeindeverwaltung mit fünf Ab-

Die fünf Abteilungen der Gemeindeverwaltung mit ihren Aufgabenbereichen: Gemeindeverwalter Stab Leiter Gemeindeverwaltung Pratteln Sekretariat Gemeinderat/Einwohnerrat/Stab Vorgesetzte Stelle: Gemeindepräsidium Informationsstelle/Empfang/Telefonzentrale, Direkt Unterstellte: Abteilungsleitungen (organisatorisch/administrativ) Lokalitätenvermietung, Internet/E-mail-Service Stab: Leitung-Führung-Verantwortung Weibel-Dienst Direkte Verantwortung: Personaladministration, EDV/Informatik, (Fachausschuss/2 Super-User), Vertrags-/Versicherungswesen, Umsetzung neue Gemeindeordnung und Personalreglement, zentrale Personalakten

Geschäftsleitung Gemeindeverwaltung GemeindepräsidentIn / GemeindeverwalterIn / Abteilungsleitungen

Abteilung Abteilung Abteilung Abteilung Abteilung Soziales Bildung, Kultur, Sport Finanzen Bau Öffentliche Sicherheit Sekretariat Schulsekretariat/Rektorate SteuernRaumplanung GFS Vormundschaftsbehörde Jugendmusikschule Gemeindekasse Hochbau Polizei Sekretariat Sozialhilfebehörde Jugendhaus Rechnungswesen Tiefbau Feuerwehr Arbeitsamt Primar- und Finanzplanung Werkhof Zivilschutz Kreisrealschulpflege Sozialdienst inkl. Sekretariat KreissekundarschulpflegeBudget Anlagen/Bauten/Unterhalt Militär Asylwesen (Ansprechperson) Kindergärten Bestattungswesen Regiebetriebe Krippe/Tagesheim Schulärztlicher Dienst Einwohnerkontrolle Umwelt Altersheime/Spitex Bibliothek/Ludothek Grundbuch Öffentlicher Verkehr Mütter-/Väterberatung Robi-Spielplatz AHV/IV-Zweigstelle Sekretariat Abteilung Bau Tagesmütter-Verein Kultur, Freizeit und Sport Cashmanagement/ (u.a. Ferienpass, AGFF) Schuldenbewirtschaftung Jugendbeauftragte Kinder/Jugendzahnpflege Familien- und Erziehungsberatung 227 Die Gemeindeverwalter seit 1906 Am 20. Dezember findet die letzte platzes werden Studienkommissionen Gemeindeversammlung statt. beauftragt. Wüthrich-Dalcher Martin 1906–1948 1972 Der Einwohnerrat konstituiert sich an 1974 Zum ersten Mal in diesem Jahrhun- (erster vollamtlicher seiner ersten Sitzung am 10. Januar dert wird eine Abnahme der Prattler Gemeindeverwalter) in der Aula des Erlimatt-Schulhauses. Bevölkerung statistisch ausgewiesen Mohler-Albiez Jakob 1949–1962* Zum ersten Einwohnerratspräsiden- (um 52 Personen auf 16576 per 31. Meier-Müller Kurt 1962–1964* ten wird Heinz Schwob gewählt. Dezember 1974). Schneider-Mäder Hans 1964–1973 Eine Studienkommission wird mit der 1975 Mit Wirkung ab 1. Oktober wird ver- Zimmerli-Müller Walter 1973–1993 Abklärung des künftigen Raumbe- suchsweise die Gleitende Arbeitszeit Pulver Jürg 1993–1996 darfs der Verwaltung beauftragt. für das Verwaltungspersonal einge- Dill-Hofer Hansjörg 1996–1999 Dies im Hinblick auf die allfällige führt. Die Verlegung der Schalteröff- (interimistisch als Errichtung eines Verwaltungs-Hoch- nungszeiten in die Blockzeiten (08.30 Gemeindeverwalter- hauses. bis 11.00 Uhr und 14.00 bis 16.30 Stellvertreter)** 1973 Am 1. Mai tritt das Reglement über Uhr, Dienstag und Mittwoch bis Chissalé Armando 1999–2002 das nächtliche Dauerparkieren auf 18.00 Uhr) bewährt sich. Tribelhorn-Sigg Roland 2003– öffentlichem Grund in Kraft. Mit dem Die Ortspolizei wird reorganisiert und Vollzug wird die Ortspolizei beauf- entsprechend der Gemeindeordnung *von 1955 bis 1964 als Gemeindeschreiber tragt. Am 31. Dezember beträgt die in «Gemeindepolizei» umbenannt. ** von Oktober 1996 bis Juni 1999 war die Ver- Zahl der registrierten gebührenpflich- Für die Gemeindepolizisten wird eine walterstelle vakant tigen Fahrzeuge 485. Graduierung eingeführt: Korporal, Die Buchhaltung sowie die Rech- Gefreiter und Polizeimann. nungsstellung für Steuern, Wasser- Durch den Zusammenschluss der bezug, Kanalisationsgebühr und Nacht- Bibliotheken der reformierten Kirch- Ein paar Marksteine parking werden auf EDV umgestellt. gemeinde, der katholischen Kirchge- in Kurzform, herausgepickt Ende Juni tritt Gemeindeverwalter meinde sowie des Gewerkschaftskar- Hans Schneider nach 43 Dienstjahren tells entsteht die Gemeindebibliothek aus den Amtsberichten in den Ruhestand. Zum neuen Ge- Pratteln. Die Kommission «Öffentli- der vergangenen 30 Jahre meindeverwalter, mit Dienstantritt che Bibliothek im Kirchgemeinde- am 14. Mai, hat die Wahlbehörde haus» wird ersetzt durch die Gemein- 1971 Am 22. März beschliesst die Gemein- Walter Zimmerli gewählt. debibliotheks-Kommission, eine nun- deversammlung mit 139 gegen 126 Am 1. Juli tritt das neue Dienst-, mehr ständige, gemeinderätliche Kom- Stimmen, in Pratteln die ausseror- Gehalts- und Ferienreglement (DGFR) mission. dentliche Gemeindeorganisation mit für das Gemeindepersonal in Kraft. Die Verwaltungsrechnung schliesst Einwohnerrat anstelle der bisherigen Am 7. August wird die bisher höchste 1975 zum ersten Mal seit Jahrzehn- Gemeindeversammlung einzuführen. Einwohnerzahl von 17373 registriert. ten mit einem Defizit ab. Mit der Genehmigung der neuen Mit 5146 Zu- und Wegzügen beträgt 1976 Die Finanzplanung prophezeit für die Gemeindeordnung entscheiden sich die Wanderungsrate rund 30 Pro- nächsten fünf Jahre Defizite von am 25. April auch die Stimmbürge- zent. gesamthaft 16,3 Millionen und eine rinnen und Stimmbürger für den Mit der Abklärung von planerischen Neuverschuldung von 12,7 Millionen Ersatz der Gemeindeversammlung Fragen zur Errichtung eines Jugend- Franken. 228 durch einen Einwohnerrat. zentrums und eines Robinsonspiel- Aus finanzpolitischen Gründen ver- zichtet die Gemeinde auf ihr Vor- und 1977 Nebst vielen anderen Sparmassnah- Volkszählung vor zehn Jahren von Rückkaufsrecht für das Roche-Land men beschliesst der Gemeinderat 4853 um 1172 (24,15 Prozent) auf in der Rheinebene. Vom Erlös aus den Verzicht auf die temporäre 6025 zugenommen, während die dem Landverkauf im Jahre 1970 sind Anstellung eines Bannwartes. Der Anzahl Familienangehörige pro Haus- noch acht Millionen Franken vorhan- Bannwartdienst soll inskünftig durch halt von 3,16 auf 2,65 Personen den. die Gemeindepolizei im Rahmen der zurückgegangen ist. Im Zusammenhang mit dem Voran- normalen Dienstzeit ausgeübt wer- 1981 Die Gemeindekrankenpflege wech- schlag 1977 werden nebst anderen den. selt vom Fröschmatt-Schulhaus ins Sparmassnahmen ein Bau- und ein 1978 Die im Zusammenhang mit dem Bud- Alters- und Pflegeheim «Madle». Personalstopp beschlossen. get 1977 gefassten Beschlüsse be- 1982 Im Frühjahr wird der 18. Kindergar- Die Gleitende Arbeitszeit für das In- treffend Baustop, Personalstop und ten – der vierte im Längiquartier – nendienst-Personal (ausgenommen Leistungsabbau gelten auch für eröffnet. Damit kann nun unsere die Gemeindepolizei) wird mit dem 1978. Zudem verlangt ein Einwoh- Gemeinde allen Kindern den zwei- Erlass einer entsprechenden Verord- nerratsbeschluss die Beschränkung des jährigen Kindergartenbesuch anbie- nung definitiv eingeführt. budgetierten Mehraufwandes auf 1 ten. Im Mai erhält die Gemeindepolizei Million Franken. 1983 Die Umstellung auf das neue Compu- zum ersten Mal ein eigenes Dienst- 1979 Die 1977 begonnene Zuweisungspla- ter-System IBM S/38 mit Dialog-Ver- fahrzeug, einen Occasion-VW «Cara- nung des Zivilschutzes kann im Sep- arbeitung wird in allen Abteilungen van». tember abgeschlossen werden. In gut bewältigt. Die anfänglich ver- Die Rezession zeigt ihre Spuren: Ar- Pratteln steht für jede Einwohnerin ständlichen «Bildschirm-Ängste» sind beitslose melden sich in zunehmen- und jeden Einwohner ein künstlich verschwunden. Das alte System wird der Anzahl bei der Sozialberatung. belüfteter Schutzplatz zur Verfü- nach fast zwölfjähriger Einsatzdauer Auch bei der Kinderkrippe häufen gung. mit 15268 Betriebsstunden (reine sich die rezessionsbedingten Austrit- 1980 Die mittel- und langfristigen Ziele der CPU-Zeit) eliminiert. te. Gemeinde werden in einem Leitbild 1984 Mit einer Reihe verschiedenster An- Im Oktober wird die neue vollamtli- festgehalten. Das Leitbild zeigt auf, lässe feiert die Jugendmusikschule ihr che Stelle für Logopädie besetzt. Vor- wie man sich – ausgehend von einer 20-jähriges Jubiläum. Auf Beginn des her waren es ausschliesslich freibe- realistischen Entwicklung – unsere Sommersemesters tritt das neue ruflich tätige Logopädinnen, die seit Gemeinde in den neunziger Jahren JMS-Reglement in Kraft. Die JMS- 1972 ohne feste Arbeitsverpflichtung vorstellt. Zusammen mit dem Mehr- Kindergartenkurse werden abge- in Pratteln arbeiteten. jahresprogramm bildet das Leitbild schafft, d.h. die musikalische Grund- Gegen den Einwohnerratsbeschluss die Grundlage für die vom Einwohn- schulung beginnt fortan mit dem vom 23. Februar für die Errichtung errat im Dezember 1979 beschlosse- Eintritt in die Schulpflicht. eines Jugendtreffpunktes in der Lie- ne neue Finanzplanung. An der Aus- Am 21. und 22. Juni finden Tage der genschaft «Schweighauser» an der arbeitung des Leitbildes waren rund offenen Tür statt zur Information von Gottesackerstrasse wird das Referen- 70 Personen in sieben Arbeitsgrup- Behördenmitgliedern, Bevölkerung dum ergriffen. Nach einem sehr leb- pen beteiligt. und Presse über die EDV in unserer haften Abstimmungskampf wird die Für die eidgenössische Volkszählung Verwaltung. Die Aktion stösst bei Vorlage in der Volksabstimmung vom am 2. Dezember stehen 110 Zähle- Jung und Alt, EDV-Laien und -Profis 13. Juni mit 1993 gegen 1290 Stim- rinnen und Zähler im Einsatz. Die auf grosses Interesse. men angenommen. Anzahl Haushaltungen hat seit der Aufgrund der Kinderzahlen muss im 229 Quartier Hexmatt/Vogelmatt ein Kin- tonalbank-Gebäude an der Bahnhof- Die renovierte «Alte Schule» wird im dergarten geschlossen werden. Der strasse 16. Die über zehnjährige Frühjahr in Betrieb genommen. im Neusatzgebiet dringend benötigte Suche nach mehr Raum für Bücher Das dritte Prattler Dorffest wird mit Kindergarten wird provisorisch im UG und Kundschaft findet damit ein grossem Erfolg zu Gunsten des Kul- des Doppelkindergartens Zweien un- glückliches Ende. tur- und Sportzentrums durchgeführt. tergebracht. Für die Unterbringung Im Dezember sind beim Kantonalen Die Arbeiten für die Sanierung der dieses Kindergartens ab Frühjahr Arbeitsamt 221 Arbeitslose mit Bauschäden am Schloss und die In- 1985 erwirbt die Gemeinde die Lie- Wohnsitz in Pratteln registriert. Von nenrenovation werden abgeschlossen. genschaft Zehntenstrasse 86. den Baselbieter Gemeinden hat Prat- 1987 In der Volksabstimmung vom 22. Die Gemeindebibliothek wird mit der teln mit Abstand die höchste Arbeits- Februar wird der Baurechtsvertrag Genehmigung des Bibliotheksregle- losenzahl. 50 Prozent aller Ganzar- mit der Ciba-Geigy AG für den Bau mentes durch den Einwohnerrat defi- beitslosen im Bezirk Liestal wohnen eines Hochregallagers im Gebiet Sie- nitiv zu einer Institution der Gemein- in Pratteln. benjurten/Schüracker abgelehnt. de. Im September stimmt der Einwohner- Im Oktober bewilligen die Stimmbe- In der Volksabstimmung vom 26. rat der Kreditvorlage für die EDV- rechtigten einen Kredit von 2,14 Mio Februar wird die Kreditvorlage (3,7 Daten- und Objektsicherheit zu. Mit Franken für den Grüngürtel «Längi». Mio Franken) für die Errichtung einer der Inbetriebnahme der beiden Anla- Am 6. Dezember genehmigen die Gross-Gemeinschafts-Antennenanla- gen rechnet man im Frühjahr 1986. Stimmberechtigten die Teilrevision ge (GGA) angenommen. Nach der knappen Ablehnung der der Gemeindeordnung für die Schaf- Die Kreditvorlage (14,7 Millionen Kreditvorlage für den Bau eines Kul- fung einer besonderen Vormund- Franken) für den Bau eines Kultur- tur- und Sportzentrums im Juni 1984 schaftsbehörde. Bis anhin war der Ge- und Sportzentrums auf dem Areal wird das Projekt redimensioniert mit meinderat zugleich Vormundschafts- «Grossematt» wird in der Volksab- der Zielvorgabe, dass die Investitions- behörde. stimmung vom 24. Juni mit einem kosten weniger als zwölf Millionen Die Bevölkerung von Pratteln stag- Mehr von lediglich 35 Stimmen Franken betragen müssen. Die Saal- niert weiter. Am 31. Dezember be- knapp abgelehnt. baugenossenschaft Ochsen be- trägt die Einwohnerzahl 15431. Da- Die Gemeinde erwirbt die Coop-Lie- schliesst, dieses Vorhaben zu unter- von sind 3999 Ausländer/innen aus genschaft am Schmiedeplatz. stützen und nach einem positiven 44 Ländern. 1985 Das Tagesheim «Chäferhuus» feiert Entscheid ihr Kapital zu Gunsten des Der erste EDV-Finanzplan mit Mehr- mit einem Tag der offenen Tür und Saalbaues der Gemeinde zu über- jahresprogramm wird erstellt. einem Fest im Fröschmatt-Schulhaus schreiben. Anfangs Dezember bezieht die Sozi- sein 20-jähriges Bestehen. Seit der In der Volksabstimmung vom 22. alberatung ihre neuen Büros in der Eröffnung am 20. April 1965 wurden September wird das Projekt mit Kos- Mietliegenschaft Schlossstrasse 31. über 450 Kinder betreut. Rund 50 tenvoranschlag über 11,7 Mio Fran- Am 22. Mai wird das neue Bürger- Töchter haben im «Chäferhuus» ihre ken für den Bau des Kultur- und haus am «Schmittiplatz» mit dem Lehre als Kinderpflegerin (bis 1979) Sportzentrums «Beim Schloss» mit Ortsmuseum eingeweiht. Zu diesem bzw. Kleinkindererzieherin (ab 1980) 2559 gegen 1908 Stimmen ange- Anlass hat die Museumskommission absolviert. nommen. die Bau- und Besitzergeschichte der Gemeindebibliothek und Ludothek 1986 Im ersten Quartal wird auf dem vormaligen «Zäller-Schüre» verfasst. dislozieren vom Kirchgemeindehaus Sekretariat die Textverarbeitung mit Das zur Museums-Eröffnung am 27. 230 in ihre neuen Räumlichkeiten im Kan- Personal-Computer eingeführt. November herausgegebene Buch «Alt- Pratteln im Bild» von Emmy Honeg- der Schiessanlage Lachmatt einge- über zwei Änderungen der Gemein- ger mit einer ausgewählten Samm- weiht. deordnung: Die Einführung des lung historischer Aufnahmen aus Am 25. August findet die Einwei- Majorzwahl-Systems für den Ge- dem Historischen Dokumentenarchiv hung der Skulptur «Unversetzte meinderat und die Gleichstellung der stösst in der Bevölkerung auf grosses Grenzsteine» beim Kultur- und Sport- Geschlechter in der Feuerwehrdienst- Interesse. zentrum statt. pflicht. Beide Vorlagen werden ange- 1988 Die Umwandlung des Amtes des Ge- Die Jugendmusikschule feiert ihr 25- nommen. meindepräsidenten von einem Halb- Jahr-Jubiläum. Für die Steuerveranlagung wird unse- amt in ein Nebenamt wird in der Für die Kinderkrippe werden das re Computer-Anlage mit derjenigen Volksabstimmung vom 20. März ab- Reglement, die Benützungsordnung des kantonalen Rechenzentrums zu- gelehnt. und der Kostgeldtarif revidiert sowie sammengeschlossen. Die Mitarbeiter Am 1. Juli nimmt die neu geschaffene Raum- und Standortfragen zur Ent- der Steuerabteilung erledigen nun separate Vormundschaftsbehörde ihre scheidungsreife gebracht. die Taxationsarbeiten auf dem Com- Arbeit auf. 1990 Am 13. Dezember wird das EDV- puter des Kantons. Das Kultur- und Sportzentrum «Beim System IBM S/38 durch das neue 1995 Auf den 1. Januar tritt die Neustruk- Schloss» wird im September nach System IBM AS/400 abgelöst. tur der Gemeindeverwaltung mit fünf zweijähriger Bauzeit mit einem Ein- Die Kinderkrippe «Chäferhuus» fei- Abteilungen in Kraft und mit ihr auch weihungsfest eröffnet. Bis Ende Jahr ert ihr 25-jähriges Bestehen. eine neue Kompetenzordnung, die in finden 22 erfolgreiche Saalveranstal- 1991 In der Volksabstimmung vom 8. De- verschiedenen Bereichen eine Dele- tungen statt und die Sporthalle wird zember wird die Änderung der Ge- gation von Entscheidkompetenzen von den Schulen und von Sportverei- meindeordnung für eine selbständi- an die Verwaltung ermöglicht. nen täglich benützt. ge Kindergartenkommission mit 1582 In der Volksabstimmung vom 19. Im September beginnen die Bauar- gegen 413 Stimmen angenommen. Februar wird der Einwohnerratsbe- beiten für die Sanierung und Attrakti- 1992 In der Volksabstimmung vom 16. Fe- schluss über die Trennung der beiden vitätssteigerung des Schwimmbades bruar wird das Winterdienst-Regle- Schulpflegen angenommen. «In den Sandgruben». Den Brutto- ment angenommen. 1996 In der Finanzabteilung können infol- kredit hiefür von 2,6 Mio Franken 1993 Ablösung an der Verwaltungsspitze: ge Personalmangels und erheblichen haben die Stimmberechtigten in der Gemeindeverwalter Walter Zimmerli Problemen mit der neuen EDV-Anla- Volksabstimmung vom 21. August tritt im August nach 20 Dienstjahren ge nur noch die absolut notwendigs- bewilligt. in den Ruhestand und übergibt die ten Arbeiten erledigt werden. Die Im Schulsekretariat wird die Textver- Amtsführung Jürg Pulver. Folge davon sind empfindliche Ar- arbeitung mit PC eingeführt. 1994 Der Einwohnerrat nimmt Kenntnis beitsrückstände, die sich durch ver- Die Volksinitiative «Kein Salz auf vom Schlussbericht über die Struktur- spätete Rechnungsstellungen auch in Prattler Strassen» wird von den und Leistungsüberprüfung der gan- der Bevölkerung bemerkbar machen. Stimmberechtigten gutgeheissen. zen Verwaltung durch die Firma Atag Steuerrechnungen können dieses 1989 Nach Abschluss der Sanierungsarbei- Ernst & Young. Per 1. Januar 1995 Jahr keine versandt werden. Der Ge- ten kann das Schwimmbad «In den werden die bisherigen Dienstzweige meinderat überträgt die Leitung der Sandgruben» am 30. Juni feierlich er- aufgehoben. Die neue Struktur sieht Abteilung Finanzen einem externen öffnet werden. fünf Verwaltungsabteilungen vor. Berater. Am 3. Juni wird die ALST (geschützte Am 4. Dezember entscheiden die Ein neues Logo mit stilisiertem Pratt- Anlage für Luftschutztruppen) bei Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ler Adler sorgt für einigen Gesprächs- 231 stoff und verdrängt schliesslich das den Erlass eines Verwaltungsorgani- Sicherheit» sind der Gemeinde- offizielle Prattler Wappen von Brief- sations-Reglementes und für die To- führungsstab, die Gemeindepolizei, papier und Formularen. talrevision des Dienst-, Gehalts- und die Feuerwehr, der Zivilschutz und Zur Behebung des Personalmangels Ferienreglementes eingesetzt. das Militärwesen gruppiert. im Steuerbüro müssten zwei zusätzli- 1998 Die bisher interimistisch durch einen Zwei neue Stellen werden geschaf- che Veranlagungsbeamte angestellt externen Berater betreute Stelle des fen: für die/den Jugendbeauftragte/n werden. Statt dessen entschliesst sich Abteilungsleiters Finanzen kann per und für die Familien- und Erziehungs- der Gemeinderat, alle Arbeiten im 1. Februar besetzt werden. beratung. Zusammenhang mit der Steuerveran- Die Kommission für Jugendfragen Die Bereiche Einwohnerkontrolle, lagung an den Kanton zu übertra- nimmt im August ihre Tätigkeit auf AHV/IV-Zweigstelle, Grundbuch und gen. und führt eine Umfrage bei den Bestattungsamt werden in die Abtei- Am 25. November beschliesst der Prattler Schülerinnen und Schülern lung Finanzen integriert. Einwohnerrat einen Einstellungsstop sowie Lehrpersonen zum Thema 2001 «Pratteln goes online!» – Die für alle Ersatz- und Neuanstellungen «Gewalt in Pratteln» durch. Gemeinde realisiert ihren Internet- für die Dauer eines Jahres. 1999 Am 1. Juli erfolgt der Dienstantritt Auftritt und stellt diesen der Öffent- Von den Baselbieter Gemeinden hat salé. Die fast drei Jahre dauernde Ver- lichkeit vor. Pratteln mit Abstand am meisten walter-Vakanz ist damit zu Ende. Die JMS Pratteln wird zur Kreis- Arbeitslose (529 am 31. Dezember Auf Anfrage des Bundesamtes für Jugendmusikschule Pratteln–Augst– 1996). Die Arbeitslosigkeit ist der Statistik stellt sich Pratteln als Testge- Giebenach. Der entsprechende Ver- häufigste Grund für Unterstützungs- meinde für die Volkszählung 2000 trag wird von den drei Gemeinden leistungen der Fürsorgebehörde. zur Verfügung. genehmigt. 1997 Der Einwohnerrat beschliesst die Teil- Der Bereich des Asylwesens wird aus Zum ersten Mal finden kommunale revision der Gemeindeordnung für der Verwaltung ausgegliedert und Ehrungen statt für Personen, die in die Übertragung der Steuerveranla- einer auf diesem Gebiet spezialisier- den Bereichen Kultur, Sport, Jugend gungen an den Kanton. Am 2. März ten Firma übertragen. und Soziales hervorragende Leistun- wird die Vorlage auch von den Nach der Veröffentlichung des Um- gen erbracht haben. Stimmbürgerinnen und Stimmbür- frage-Ergebnisses zum Thema «Ge- Der Regierungsrat stellt in einem gern mit 1388 gegen 1134 Stimmen walt in Pratteln» findet im Kuspo eine Beschwerde-Entscheid fest, dass der angenommen. Der Kanton über- von über 600 Personen besuchte Gemeinde Pratteln die gesetzliche nimmt die Steuerveranlagungen für Podiumsdiskussion statt. Grundlage für die Erhebung von Pratteln rückwirkend per 1. Januar. 2000 Am 1. Januar tritt im Kanton Basel- Parkgebühren fehlt. Es muss ein Par- Im Juni sind alle pendenten Steuer- Landschaft die Neuordnung des Zivil- kierungsreglement erlassen werden. erklärungen aus der Periode 95/96 standswesens in Kraft. Anstelle der Bis zu dessen Inkraftsetzung werden veranlagt. Der Mitarbeiter kann sich bisher 46 Zivilstandsämter in den Ge- die Parkuhren ausser Betrieb genom- vollumfänglich den Softwareproble- meinden nehmen sechs neue kanto- men, d.h. keine Gebühren erhoben. men widmen. Mit viel Aufwand müs- nale Zivilstandsämter ihre Tätigkeit Hansjörg Dill sen die Steuerrechnungen manuell auf. Trauungen im Schloss Pratteln überprüft werden. sind auf Wunsch weiterhin möglich. Im Oktober werden gemeinderätli- Für die Beratung in EDV-Fragen wird che Spezialkommissionen für die ein EDV-Ausschuss gewählt. 232 Totalrevision der Gemeindeordnung, In der neuen Abteilung «Öffentliche Kommunale Ehrungen Die Nominierten und die 2003 Preisträger: Kultur: René Eichenberger, Hedy Lüdin und Heinz Hüper (Laienbühne), Theo Suter, Wal- 2001 ter Suter. Preisträger: Willy Stohler-Caluori. Kultur: Juan-Manuel Chavez, Emmy Honeg- Soziales: Michaela Babbi, Ursula Babbi, ger, Maya Wittwer. Preisträger: Fritz Sutter. Quartierverein Längi, Wohnheim Kästeli. Preisträger: Brockenstubenverein Pratteln. Seit 2001 werden jeweils im Frühling beson- Soziales: Vreni Kaiser, Lotty Pfirter, Peter dere Verdienste oder Leistungen in den Schweizer, Tagesmütterverein (D. Müller und Jugendbetreuung: Hans Ulrich Fischer, Bereichen Kultur, Sport, Jugendbetreuung K. Kägi). Preisträgerin: Lorli Tschirky. Hanspeter Meier. Preisträger: Karl Stöckli. und Soziales ausgezeichnet. Jugendbetreuung: Hansruedi Dill, Stephan Sport: Mario Cantaluppi (FC Basel), Fabian Alle Nominierten werden eingeladen, zu- Klaus. Preisträger: Beat Dürr. Hertner, Pascal Zuberbühler (FC Basel). sammen mit Delegationen der Vereine und Preisträger: Thomas und Christian Fäh. anderen Organisationen von Pratteln an der Sport: Dwaine Wood (American Football), Feier teilzunehmen. Dabei werden jeweils Daniel Stohler (Billard), Ernst Weisskopf Sport (Mannschaftspreis): Preisträger: Män- die Ausgezeichneten mit einem Prattler Zinn- (Tennis), Anton Zürcher mit der Hündin nerriege des Turnvereins Pratteln AS. teller beschenkt. Am abschliessenden Ape- Gwen (Agility). Preisträger: Hubert Schwab Felix Knöpfel ro finden immer wieder unterhaltsame Ge- (Radrennfahren). spräche mit den Geehrten statt. 2002 Nachdem 2001, beim ersten Mal, der Ge- meinderat alleine die Jurierung vornahm und Kultur: René Eichenberger, Fritz Sutter, für die Organisation verantwortlich zeichne- Elvira Wolf-Stohler. Preisträger: Emmy und te, wurde er 2002 vom Bürgerrat tatkräftig Emil Honegger-Dannenberger. unterstützt. Die Abteilung «Bildung, Kultur und Sport» sowie die Fussballerinnen des Soziales: Peter Schweizer, Heiner Schwob- FC Pratteln helfen jeweils in der Organisati- Stingelin, Albert Windlin. Preisträger: Verein on mit. Und zahlreiche Sponsoren ermögli- Senioren für Senioren, Robert Hartmann. chen, dass die Finanzen im Lot bleiben. Jugendbetreuung: Erika Niggli, Jörg Wink- ler. Preisträger: Hansruedi Dill.

Sport: Michelle Blättler (Tennis), Thomas und Christian Fäh (Kunstradfahren), Simon Schärer (Radrennfahren), Daniel Stohler (Bil- lard), Ken Thiele (Radrennfahren), TV Prat- teln NS (Handball). Preisträger: Fabian Hertner, Orientierungslauf. 233 Die Bürgergemeinde

Die Bürgergemeinde Pratteln ist, gemäss Paragraf 44 der Kantonsverfassung, eine öffentlich-rechtliche Körperschaft des Kan- tons Basel-Landschaft.

Aufgaben der Bürgergemeinde

Die Bürgergemeinde erfüllt insbesondere Der im Jahre 2003 amtierende Bürgerrat Pratteln (von links oben nach rechts unten): Elisabeth Foley folgende Aufgaben (Gemeindegesetz 136; (Bürgergemeindeverwalterin), Rudolf Pfirter (Bürgergemeindepräsident), die Bürgerräte Elsbeth Bielser, Gemeindeordnung Paragraf 2): Thomas Weisskopf, Olivier Bally und Rudolf Nebiker (Vizepräsident). (Foto Felix Jehle.)

1. Sie erteilt das Gemeindebürgerrecht. Entwicklung der Das Frauenstimmrecht nahm jedoch in den 2. Sie fördert die Heimatverbundenheit und Bürgergemeinde Bürgergemeinden seinen Anfang: Bereits unterstützt kulturelle Bestrebungen. 1926 waren Frauen in die damalige Armen- 3. Sie bewirtschaftet ihren Wald nach fach- pflege wählbar (passives Wahlrecht). Die männischen Grundsätzen. Das Gemeindegesetz von 1881 ordnete die sieben Mitglieder der Armenpflege (vier 4. Sie lässt ihre landwirtschaftlichen Besitze Ausscheidung von Einwohner- und Bürger- Bürger und drei Einwohner) konnten die fachmännisch bewirtschaften und ist für gemeinden an. Die Erteilung des Gemeinde- Frauen allerdings nicht wählen. den Unterhalt ihrer Liegenschaften besorgt. bürgerrechts sowie das Fürsorge- und Vor- 5. Sie stellt ihren Grundbesitz gegen Ent- mundschaftswesen waren die wichtigsten 1957 wurde der erste Bürgerrat gewählt, schädigung für öffentliche und private Aufgaben. Im Laufe der Jahre wurden die Auf- nachdem nur noch ein Bürger dem Gemein- Zwecke zur Verfügung. gaben der Bürgergemeinden beschnitten. derat, der bis anhin die Bürgergemeinde lei- 6. Sie gibt sich im Rahmen der Gesetzge- tete, angehörte. Diesem ersten Bürgerrat bung die zweckdienliche Organisation 1911, nach Einführung des ZGB (Zivilgesetz- gehörten an: Emil Seiler-Zimmerli, Präsi- und bestellt die Behörden, die Kontroll- buch), ging das Vormundschaftswesen an dent; Paul Dürr-Schwab, Vizepräsident und und Hilfsorgane. die Einwohnergemeinden über. 1974, mit Finanzchef; Emil Pfirter-Weber, Waldchef; 7. Sie führt den Gemeindehaushalt nach dem neuen Fürsorgegesetz, wurde auch das Fritz Bielser-Weisskopf, Liegenschaften; Emil den Grundsätzen einer gesunden Finanz- Fürsorgewesen an die Einwohnergemeinden Stingelin, Flurchef, und als Bürgerratsschrei- 234 verwaltung. delegiert. ber amtete Rudolf Weisskopf-Bitterli. Die Verwaltung wurde jedoch weiterhin, bis zum Jahre 1984, von der Einwohnergemein- de geführt. 1987 konnte die erste Verwalte- rin der Bürgergemeinde, Nelly Bretscher, ihr Büro im neu renovierten Bürgerhaus bezie- hen. Die Liegenschaft (Zäller-Schüüre) war bis 1986 im Besitz der Einwohnergemeinde, die sie anlässlich des Dorffestes 1986 der Bürgergemeinde schenkte und die ihrerseits das Haus renovierte und den Raum für das Museum bereit stellte.

Bürgergemeinde-Behörden 2003

Bürgergemeindepräsident Rudolf Pfirter, Verwaltung, Einbürgerungen

Bürgerräte Rudolf Nebiker, Vizepräsident, Forstwesen Olivier Bally, Liegenschaften Elsbeth Bielser, Flurwesen Thomas Weisskopf, Finanzen

Chefbeamte Elisabeth Foley, Verwalterin Auf dem «Ebnet», dem ältesten sich im Besitz der Bürgegergemeinde befindenden Nebenhof, ist Hans Schäublin, Förster heute der Werkhof der Bürgergemeinde und die Wohnung des Försters domiziliert.

Rechnungsprüfungskommission Mit der Einführung der eigenen Verwaltung Grundbesitz Adrian Bill, Präsident; Jürg Bielser, Barbara auf den 1. Januar 1985 und dem Bezug des Nebiker Bürgerhauses 1987 kam mehr Schwung in die Bürgergemeinde. Mit dem schmucken Der Prattler Gemeindebann umfasst insge- Bürgerkommission Haus mit dem Museum am Schmiedeplatz samt 1070 ha. Von den 298 ha Wald ge- Kurt Suter, Präsident; Rudolf Althaus, Karl wurde die Bürgergemeinde von der Öffent- hören 226 ha der Bürgergemeinde. Dane- Baumann, Rosmarie Dill, Markus Lampert, lichkeit besser zur Kenntnis genommen. ben besitzt sie 61,8 ha Landwirtschaftsland Urs Rebmann, Emil Schneider, Heinz Schnei- Bürgerrat und Verwaltung bemühen sich, und 5,43 ha Gewerbeland. Über ein Viertel der, Rudolf Schneider, Rudolf Weisskopf. die Mittel, die durch die Nutzung des des Gemeindebanns ist im Besitz der Bür- Grundbesitzes in die Kasse fliessen, zum gergemeinde. Der Wald wird in einem Forst- Vertreter der Bürgergemeinde in der Fürsor- Wohle der ganzen Dorfbevölkerung einzu- revier zusammen mit Frenkendorf und Mut- gebehörde: Markus Furler setzen. tenz mit Pratteln als Kopfbetrieb vom Hofgut 235 Rüti Immobilien AG, Essers & Peukert Betriebs AG, Teppich-Fachmarkt, Rütiweg 7; Sperrag Sperrholz-Zentrum, Im Wannen- boden 4; Tecton AG, Kunststoffbedachun- gen, Bauspenglerei, Rütiweg 3.

Dank den Baurechtszinsen kann die Bürger- gemeinde jährlich einen positiven Rech- nungsabschluss vorlegen.

Finanzielle Mittel, die nicht für Aufgaben der Bürgergemeinde benötigt werden, wer- den gezielt in der Gemeinde eingesetzt. Unter anderem wurde dem Alters- und Pfle- geheim Madle mit einem grösseren Betrag ein Landkauf ermöglicht. Die Abgeltung für gemeinwirtschaftliche Leistungen der Wäl- der, welche gemäss Waldgesetz die Ein- wohnergemeinde übernehmen müsste, wer- den von der Bürgergemeinde übernom- men. Die Kosten für die Restaurierung des Engel- und des Rieder-Brunnens übernahm die Bürgergemeinde. An den Betrieb des Museums im Bürgerhaus leistet die Bürger- gemeinde ebenfalls jährlich einen namhaf- Die Lage der Nebenhöfe der Bürgergemeinde: ganz links von untern nach oben, der alte Talhof, der ten Betrag. Gerne unterstützt die Bürgerge- neue Talhof, ganz oben der Ebnet. Der Landschaftsraum zwischen den Nebenhöfen und dem Prattler meinde auch kulturelle und sportliche An- Rebbberg, einem einmaligen Erholungsraum, wird von Obstbaumkulturen dominiert. lässe der Prattler Ortsvereine. So konnte Pratteln, dank einer sehr grossen Spende Ebnet aus bewirtschaftet. 25 ha des Kultur- weg 4–8; Clemessy AG, Elektro-Mess- und der Bürgergemeinde, die Turnerinnen und landes werden vom Talhof bewirtschaftet, Regeltechnik, Rütiweg 1; Frenken-Garage AG, Turner anlässlich des Eidgenössischen Turn- der Rest von den übrigen Prattler Bauern. Ford-Hauptvertretung, Carrosserie, Wan- festes 2002 im neu renovierten Stadion In Der jährliche Pachtzins beträgt für Wiesland nenweg 1; Glas Trösch AG, Isolierglas, Glas- den Sandgruben empfangen. Die Bürgerge- Fr. 3.40 und für Ackerland Fr. 4.50 pro Are. behandlung, Glasmontage, Heissgländstras- meinde hofft, die Schulen und die Jugend se 18; Glatt AG, Maschinen- und Apparate- werden von dieser prächtigen Anlage regen Seit 1999 besitzt die Bürgergemeinde 6,5 a bau AG, Kraftwerkstrasse 6; Lagerhaus Rüti Gebrauch machen. Reben. AG, Krummeneichstrasse 94; Nubag AG, Rütiweg 5; Ernst Pfirter Entsorgungs AG, Das Gewerbeland ist an folgende Bau- Wannenweg 3; Paul Pfirter & Co. AG, rechtsnehmer abgegeben: Gebr. Babbi AG, Bauindustriemalerei, Korrosionsschutz, Riss- 236 Carrosserie und Lackierwerk, Grüssenhölzli- und Betonsanierung, Im Wannenboden 2; Bürgernutzen

In der Rüti, dort, wo heute die meisten Bau- rechtsparzellen liegen, hatten die Bürger auf 700 m2 ihre «Bürgerstückli», wo sie Ge- müse und Kartoffeln pflanzten. Die andern lagen im Erli und auf dem Blözen. Schon anfangs der sechziger Jahre wurden keine Bürgerstückli mehr abgegeben. Wer ein Bür- gerstückli hatte, konnte es behalten. Neu konnten dann die verheirateten Bürger alle zwei Jahre an der Baumverlosung teilneh- men (vorwiegend Kirschbäume) und wäh- rend zwei Jahren die Früchte ernten. Für die Pflege der Bäume musste anfänglich noch etwas bezahlt werden, heute werden sie gratis abgegeben.

Die Pflege der Hochstämme ist sehr auf- wändig. Besonders wenn man in Betracht zieht, dass die Kirschen dieser Bäume gar nicht mehr besonders begehrt sind. Viel lie- ber werden die Kirschen in der Halbstamm- Anlage gepflückt. Von den ca. 400 Bäumen der Bürgergemeinde wird nur etwa die Hälf- te als Bürgernutzen abgegeben. Die ande- ren Bäume werden versteigert oder unter der Hand verkauft – und zwar vor allem an ausländische Staatsangehörige. Einen Bür- gernutzen aus dem Wald gibt es nicht mehr. Die Parzellen in den Gebieten Rüti und Wanne, links von der Strasse Pratteln–Frenkendorf, sind von der Bürgergemeinde im Baurecht abgegeben worden. Oben links die Autobahn A2.

Anlässe der Bürgergemeinde eine zu Pferd schreiten bzw. reiten die Gren- Route die «Widen-Route» zum Zuge. Sie ze ab. Jahrelang erreichten die Rotten 1 und führt durchs «Löli», der Ergolz entlang zum 2 abwechslungsweise über den Schönen- Hülftebächli und Erli in den Geisswald, wo «Um e Bann im schöne Mai, ziehe Bürger berg, Madle, Aspenrain bzw. über den May- sich alle zwei Jahre der Festplatz befindet. stolz …». Der Banntag ist der wichtigste enfels, Egglisgraben und Horn den Festplatz Dieser Änderung der Banntagsroute und kulturelle Anlass der Bürgergemeinde. Zwei im «Strittacher». Neu kommt nun alle zwei vor allem der Festplatz hat bei einigen Bür- Rotten zu Fuss – je eine A–P und R–Z – und Jahre an Stelle der Schönenberg-Madle- gern viel Staub aufgewirbelt. Bei der ersten 237 Wärmeversorgung Krummeneich Pratteln AG zu, zusammen mit der Elektra Baselland und der Bürgergemeinde Muttenz eine Holz- schnitzelheizung auf der Baurechtsparzelle «Wanne» zu errichten.

Mit einem Brennstoffsortiment, bestehend aus Waldholz-Schnitzeln sowie Sägerei- und Brennholz kann die damit erzeugte Wärme zu Konkurrenzpreisen gegenüber Öl und Gas abgegeben werden. Holz ist erneuerbar,

CO2-neutral und macht uns unabhängig von einer Ölkrise.

Ausblick Die Hochstämme der Obstbaumkulturen im Erli stehen laut Zonenplan Landschaft unter Schutz.

Durchführung wanderte eine separate Rotte nicht zu kurz – und der «Bürgerwy» zu Die vielseitigen Aufgaben und Aktivitäten aus Protest zum «Strittacher». In der Zwi- Ehren kommen. werden von der Bürgerschaft und der Bevöl- schenzeit haben sich die Wogen geglättet, kerung sehr geschätzt. Der Bürgerrat und und in einer demokratischen Abstimmung Bei der Waldbegehung im Herbst erläutert die Verwaltung sind dadurch zwar stark hat sich die Mehrheit für die Variante «ab- jeweils der Förster ein Thema aus der Wald- gefordert, sie erfüllen jedoch ihre Arbeit mit wechslungsweise Geisswald oder Strittacker» wirtschaft. Beim anschliessenden «Zobe» Freude und Begeisterung. Das Wohl der entschieden. Die BürgerInnen erhalten am wird dann gefachsimpelt und natürlich auch Bevölkerung und die positive Weiterent- Banntag Fr. 10.–. Den «Zobe»-Bon für Wurst die Geselligkeit gepflegt. Diese Anlässe tra- wicklung unseres Dorfes liegt ihnen sehr am und Brot und zwei Getränke bekommen gen dazu bei, sich in Pratteln wohl und hei- Herzen. alle TeilnehmerInnen, die Kinder kein alko- misch zu fühlen. holisches Getränk. Beim gemütlichen Bei- Die Wälder mit ihren ausgebauten Wander- sammensein werden alte Bekanntschaften wegen laden zur Naherholung ein. erneuert, neue geschlossen und manchmal sogar «einen über den Durst getrunken». Beteiligung der Bürgergemeinde Mit der Zuverfügungstellung von Bauland an privaten Unternehmen an ausgezeichneter Wohnlage auf dem Blö- Die Waldputzete im März und die Waldbe- zen ist es der Bürgergemeinde möglich, Vor- gehung im September sind zwei sehr be- aussetzungen zum gesunden Wachstum liebte Anlässe der Bürgergemeinde. Bei der WKP Wärmeversorgung Krummeneich der Gemeinde zu schaffen. Die Behörden Waldputzete werden Schlagräumungen, Pratteln AG und die Verwaltung der Bürgergemeinde Waldrandpflege und Abfallbeseitigung aus- Im Juni 1996 fällte die Bürgergemeindever- freuen sich, durch ihre engagierte Tätigkeit geführt, wobei beim «Znüni» mit Wurst sammlung einen für die Forstwirtschaft zu- auch ihren Teil für ein angenehmes Zusam- und Bauernbrot oder beim Mittagessen mit kunftsträchtigen Entscheid. Sie stimmte der menleben in und zum Wohle Prattelns leis- 238 Suppe und Spatz der gesellschaftliche Teil Beteiligung der Bürgergemeinde an der WKP ten zu dürfen. Rudolf Pfirter ziehen, und dass Ausländer staatsbürger- meinden sehr restriktiv gehandhabt. Einige Einbürgerungen rechtlich aus ihrem Herkunftsland «entlas- Gemeinden bürgerten z.B. über 10 Jahre sen» sind. Die zweite Bestimmung wurde lang oder länger keine neuen Personen 1957 aufgehoben. Seither können Auslän- mehr ein. Erst das kantonale Bürgerrechts- der ihre angestammte Nationalität beibe- gesetz vom 3. Juni 1965 setzte dieser Praxis halten. ein Ende.

Bis 1915 gab es keinen Schweizer Pass. Die 1952: Bis zum Eidg. Bürgerrechtsgesetz kantonalen Kanzleien stellten Reisenden auf vom 29. September 1952, welches am 1291: Wer zur Zeit der Gründung der Eidge- Verlangen Papiere aus, die als Pässe galten. 1. Januar 1953 in Kraft trat, verloren nossenschaft auf dem Territorium des neu- Schweizer Frauen, die einen Ausländer hei- en Staatsgebildes lebte und arbeitete, wur- 1874: Gemäss Artikel 44 der total revidier- rateten, ihre Nationalität. Ausländische de dank des Grundsatzes «Jus solis» Bürger ten Bundesverfassung wurde dem Bund Frauen hingegen, die Schweizer Männer unseres Landes. 1874 erstmals die Kompetenz erteilt, die heirateten, wurden infolge Eheschliessung Minimalbedingungen für den Erwerb und noch bis 31. Dezember 1991 automatisch Bis zur Gründung des Bundesstaats oblag Verlust des Schweizer Bürgerrechts gesetz- Schweizer Bürgerinnen. Im Zeitraum von die Regelung von bürgerrechtlichen Fragen lich zu regeln und damit in die kantonalen 1888 bis 1950 z.B. verlor die Schweiz durch ausschliesslich den souveränen Kantonen Zivilrechtsbestimmungen einzugreifen. Bis Eheschliessungen 78714 ausheiratende und autonomen Gemeinden. Mit dem Kan- dahin überliess es der Bund den Kantonen, Schweizerinnen und gewann 145143 ein- tonsbürgerrecht war man Eidgenosse. Die die Bedingungen für den Erwerb und den heiratende Ausländerinnen.B ersten Ausländer waren Kantonsfremde. Verlust des Schweizer Bürgerrechts festzule- gen. Seit dem 1. Januar 1992 können sich Ehe- Das 19. Jahrhundert brachte nebst Indu- gatten einzeln mit oder ohne ihre Kinder strialisierung und Stärkung des Bürgerstan- 1881: Die Einwohnergemeinden waren be- ordentlich und Ehegatten von Schweizer des ein neues Nationalbewusstsein, und reits eine Institution der Helvetik. Nach im- Bürgerinnen und Bürgern nach mindestens zwar gestützt auf das «Jus sanguinis», dass mer grösser werdender Durchmischung von dreijähriger Ehe und fünfjähriger Aufent- nur wer blutsmässig von einem Bürger der Bürgern und Nichtbürgern in den Gemein- haltsdauer in der Schweiz oder Nachweis Schweiz abstammt, Schweizer oder Schwei- den wurden im basellandschaftlichen Ge- einer engen Beziehung zur Schweiz erleich- zerin sein könne.A setz betreffend Organisation und Verwal- tert einbürgern. tung der Gemeinden vom 14. März 1881 die 1848: Abgesehen von der kurzen Episode der Aufgaben den Einwohner- und den Bürger- Helvetik (1798–1803) gibt es ein Schweizer gemeinden klar zugewiesen. Die Kompe- Bürgerrecht mit eigenem staatsrechtlichen tenz zur Erteilung des Gemeindebürger- Einbürgerungsverfahren Inhalt erst seit der Bundesverfassung von rechts wurde den Bürgergemeinden über- 1848. Damit wurden die Kantonsbürger zu tragen. Bundesstaats- bzw. Schweizer Bürgern und Das Gemeindebürgerrecht kann heute auf bekamen unabhängig von ihrer kantonalen Da die Bürgergemeinden nach dieser Auf- drei Arten erlangt werden: Durch Abstam- Herkunft die gleichen politischen Rechte teilung etwa vier Mal so viel Vermögen be- mung, durch Adoption und durch ordentli- und Pflichten. Bestimmung war, dass die sassen und damit zum Teil lukrative Bürger- che oder erleichterte Einbürgerung auf Ge- Kantone ihren Bürgern zur Vermeidung von nutzen verbunden waren, wurde die Ein- such hin. Ein Anspruch auf Einbürgerung Staatenlosigkeit das Bürgerrecht nicht ent- bürgerung fortan durch viele Bürgerge- besteht nicht. 239 Als Besonderheit besitzen Schweizer Bürger lust des Schweizer Bürgerrechts vom drei Jahre, sofern die eheliche Gemeinschaft drei Bürgerrechte. Sie sind: Gemeindebür- 29. September 1952 (Stand 1. Januar 1992). seit mindestens drei Jahren besteht. ger, Kantonsbürger und Staatsbürger. Kanton: Bürgerrechtsgesetz des Kantons Zusätzlich gilt für ausländische Staatsange- Die Einbürgerungskompetenz wird, gestützt Basel-Landschaft vom 21. Januar 1993, re- hörige: auf die Gemeindeautonomie, nach dem vidierte Fassung vom 22. Juni 2000, in Kraft Vertrautheit mit den örtlichen, kantonalen Prinzip «von unten nach oben» gehand- seit 1. Januar 2001. und gesamtschweizerischen Verhältnissen (po- habt. Bis heute hat sich diese Praxis schwei- litische Institutionen, soziale und kulturelle zerisch bewährt. Bestrebungen, das Einbür- Gemeinde: Reglement der Gemeinde Prat- Verhältnisse); Vertrautheit mit den schwei- gerungsverfahren zu zentralisieren und so teln vom 7. Juni 1994. zerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und vermeintlich zu vereinfachen, zielen an un- Gebräuchen sowie sprachliche Integration. seren anerkannt bewährten föderalistischen Voraussetzungen für eine Einbürgerung: Strukturen vorbei. In unserem Kanton wird Für alle Gesuchstellenden gelten: Darunter versteht man unter anderem: die Einbürgerungskompetenz mit wenigen 1. Guter Leumund (straf- und betreibungs- –Kenntnisse über den Staatsaufbau der Ausnahmen von der örtlichen Bürgerge- rechtlich); Schweiz, Aufgabenteilung zwischen Bund, meinde wahrgenommen, was in der Kan- 2. Geordnete Lebensverhältnisse. Kantonen und Gemeinden. tonsverfassung von 1984 fest verankert ist. –Bejahung der freiheitlich-demokratischen Dazu kommt die Wohnsitzerfordernis: Staatsform und der verfassungsmässigen Es gibt folgende Einbürgerungsverfahren: Für Schweizer Bürger gilt: Drei Jahre Wohn- Ordnung sowie Kenntnisse der politi- sitz im Kanton; drei Jahre ununterbrochener schen Rechte und Pflichten. Wohnsitz in Pratteln.1 –Die schweizerische Rechtsordnung be- Ordentliches Einbürgerungsverfahren achten und die innere oder äussere –Verleihung des Gemeindebürgerrechts an Ausländische Staatsangehörige müssen ins- Sicherheit der Schweiz nicht gefährden. Kantonsbürger. gesamt zwölf Jahre in der Schweiz wohnen, –Minimale Kenntnisse der Schweizer Ge- –Verleihung des Gemeinde- und Kantons- wovon drei in den letzten fünf Jahren vor schichte. bürgerrechts an Personen, die schon Einreichung des Einbürgerungsgesuches. –Bereitschaft, sich in die schweizerische ge- Schweizer Bürger sind. Für den Ehegatten genügen insgesamt fünf sellschaftliche Umwelt einzufügen, ohne des- –Verleihung des Gemeinde-, Kantons- und Jahre Wohnsitz in der Schweiz, sofern die wegen die angestammte kulturelle Ei- Staatsbürgerrechts an ausländische Staats- eheliche Gemeinschaft seit mindestens drei genart und Staatsangehörigkeit aufzugeben. angehörige. Jahren besteht. Die Aufenthaltsdauer in der –Genügend Sprachkenntnisse, um sich mit Schweiz zwischen dem zehnten und 20. der Bevölkerung der Umgebung verstän- Lebensjahr zählt doppelt. digen und beispielsweise amtliche Mittei- Erleichtertes Einbürgerungsverfahren lungen verstehen zu können. –Verleihung des Gemeinde-, Kantons- und Dazu müssen sie fünf Jahre Wohnsitz im Staatsbürgerrechts an ausländische Ehe- Kanton Basel-Landschaft nachweisen, wobei Auf die Ausbildung, Stellung und Herkunft gatten von Schweizer Bürgern oder Kin- für den Ehegatten insgesamt drei Jahre der BewerberInnen wird angemessen Rück- dern von Schweizer Müttern, die vor dem Wohnsitz im Kanton genügen, sofern die sicht genommen. 1. Juli 1985 geboren wurden. eheliche Gemeinschaft seit mindestens drei Jahren besteht. Die Gemeinde verlangt fünf Dauer einer Einbürgerung und Kosten pro Die Gesetzesgrundlagen sind: Jahre ununterbrochener Wohnsitz in Prat- Einbürgerungsgesuch: 240 Bund: Bundesgesetz über Erwerb und Ver- teln.1 Für den Ehegatten reichen insgesamt Dauer: Für Schweizer Bürger ca. sechs bis zwölf Monate; für ausländische Staatsan- Familienangehörigen über die gesetzlich nach Erhalt der kantonalen Bewilligung ent- gehörige ca. zwei bis drei Jahre. vorgeschriebene Wohnsitzdauer in der scheidet die Bürgergemeindeversammlung Schweiz. Kopie der Aufenthaltsbewilligung innert sechs Monaten über die Aufnahme in Kosten: Die nachstehend aufgeführten Kos- aller Personen, die eingebürgert werden. das Gemeindebürgerrecht. Vor der Ver- ten gelten pro Gesuch, d.h. pro Familie, Vollständige Kopie des Passes aller Perso- sammlung wird die Gemeindegebühr in Ehegatten oder Einzelpersonen, abhängig nen, die eingebürgert werden (ausgenom- Rechnung gestellt. Die Einbürgerung wird vom Einbürgerungsverfahren: men Kinder unter zehn Jahren). Unterschrie- mit dem regierungsrätlichen Beschluss rechts- bener Lebenslauf aller Personen, die einge- wirksam. Die JPMD erhebt bei ausserkanto- ABund (Bern): Zwischen Fr. 110.– (für un- bürgert werden (ausgenommen Kinder nalen Gesuchstellern die kantonale Gebühr. mündige AusländerInnen) bis Fr. 330.– unter 15 Jahren). Auszug aus dem Zentral- Die Gesuchsteller erhalten die Einbürge- (Volljährige). strafregister je volljährige Gesuchsteller. Be- rungsurkunde. Die Einbürgerung wird den BKanton (Liestal): Zwischen Fr. 400.– (für treibungsregisterauszug im Sinne der betroffenen Amtsstellen mitgeteilt4. SchweizerInnen ohne Baselbieter Kan- Schuldner-Information über die letzten fünf tonszugehörigkeit und unmündige Aus- Jahre je volljährige Gesuchsteller. Geburts- Für ausländische Staatsangehörige: Die Bür- länderInnen) bis Fr. 700.– bzw. ab 2003 schein im Original (nicht älter als sechs Mo- gergemeinde prüft die Vollständigkeit des Fr. 1000.– (Volljährige). nate) aller im Gesuch eingeschlossenen Per- Gesuchs und leitet es an die JPMD weiter. CGemeinde (Pratteln): Zwischen Fr. 200.– sonen. Sofern ausländische Gesuchsteller in Vom Kanton werden die Gesuchsteller bis 500.– (für SchweizerInnen je nach Auf- der Schweiz geheiratet haben, ist für die zwecks Abklärung des Leumunds zu einem enthaltsdauer in der Gemeinde), bzw. zwi- Ehegatten kein Geburtsschein nötig. Famili- Gespräch eingeladen. Parallel dazu erfolgt schen Fr. 500.– (unmündige Ausländer- enbüchlein und Eheschein für verheiratete, ein Eignungsgespräch durch den Bürgerrat. Innen) bis ein Zwölftel des gesamten steuer- bzw. Scheidungsurteil für geschiedene Ge- Dabei wird abgeklärt, ob die Voraussetzun- baren Jahreseinkommens (Volljährige)2. suchsteller als Bescheinigung des Zivilstan- gen für eine Einbürgerung erfüllt sind. Bei des. Erfüllung der Voraussetzungen auf Gemein- Erforderliche Unterlagen für die Einreichung de- und Kantonsebene erteilt die JPMD die des Gesuchs:3 Ablauf eines Einbürgerungsverfahrens in kantonale Bewilligung zur Fortsetzung des Für Schweizer Bürger, die das Kantonsbür- Kürze: Verfahrens und stellt dem Bund den Antrag gerrecht bereits besitzen: Familienschein und Alle Gesuchsteller beziehen das Gesuchs- auf Erteilung der eidgenössischen Bewilli- Familienbüchlein für verheiratete, Perso- formular für ihr Einbürgerungsverfahren auf gung. Die eidgenössische Bewilligung wird nenstandsausweis für ledige Personen. der Verwaltung der Bürgergemeinde, füllen dem Bewerber per Nachnahme zugestellt. es aus, und reichen es zusammen mit den Gleichzeitig erhält der Bürgerrat zusammen Für Schweizer Bürger, die das Kantonsbür- erforderlichen Unterlagen auf der Verwal- mit dem Leumundsbericht des Kantons die gerrecht noch nicht besitzen: Familienschein tung ein. Aufforderung, der Bürgergemeindeversamm- und Familienbüchlein für verheiratete, Per- lung das Gesuch innert sechs Monaten zur sonenstandsausweis für ledige Personen. Schweizer- und Kantonsbürger: Die Bürger- Abstimmung zu unterbreiten. Nach positi- Betreibungsregisterauszug je volljährige Ge- gemeinde prüft die Vollständigkeit der vem Entscheid der Bürgergemeindeversamm- suchsteller. Auszug aus dem Zentralstrafre- Unterlagen und leitet das Gesuch innert lung über die Erteilung des Gemeindebür- gister je volljährige Gesuchsteller. sechs Wochen mit Antrag auf Annahme gerrechts und sobald die eidgenössische Be- oder Ablehnung (begründet) an die Justiz-, willigung des Bundes vorliegt, erfolgt der Für ausländische Staatsangehörige: Wohn- Polizei- und Militärdirektion des Kantons Antrag an den Regierungsrat zuhanden des sitzzeugnisse der einzelnen Wohngemein- Basel-Landschaft (JPMD) in Liestal weiter. Landrats zur Erteilung des Kantonsbürger- den für alle im Gesuch eingeschlossenen Nach Genehmigung durch den Kanton bzw. rechts sowie die Zustellung der kantonalen 241 Gebührenrechnung an die BewerberInnen Gutgeheissene Eingebürgerte durch die JPMD. Bevor der Landrat das Kan- Gesuche Personen5 Gesuche %Personen % tonsbürgerrecht erteilt, wird das Gesuch Schweizer Bürger 299 731 36% 41% von der Petitionskommission geprüft. Die Nachbarstaaten 256 519 30% 29% Einbürgerung wird mit dem landrätlichen Übrige Länder 285 536 34% 30% Beschluss rechtswirksam. Die Gesuchsteller Total 840 1786 100% 100% erhalten die Einbürgerungsurkunde. Die Ein- bürgerung wird den betroffenen Amtsstel- Die zunehmende Anzahl von Einbürgerungs- Personen stellen Einbürgerungsbegehren. len mitgeteilt.4 begehren stieg seit 1961 vor allem bei aus- Die Zunahme von gutgeheissenen Gesuchen ländischen Bewerbern in etwa im Verhältnis bzw. eingebürgerten Personen im Vergleich der Wohnbevölkerung Prattelns. Immer mehr der letzten Jahrzehnte ist wie folgt: Einbürgerungen in Pratteln von 1961 bis 2002

Einbürgerungen im Vergleich über die Jahrzehnte6 Die Anzahl ausländischer Einbürgerungsge- suche überwiegt die Anzahl Schweizer Gesuche. Der prozentuale Anteil über den Zeitraum 1961 bis 2002 präsentiert sich wie folgt:

Gutgeheissene Einbürgerungsgesuche 1961 bis 2002, in Prozent

Übrige Länder 34%

Nachbarländer Schweizer Während in den siebziger Jahren im Schnitt Jahr. In den beiden Jahren 2001 und 2002 (D, F, I, A) 30% Bürger 36% 14 und in den achtziger Jahren 23 Gesuche beträgt der Schnitt bereits 42 Gesuche pro pro Jahr gutgeheissen wurden, waren es in Jahr und die Tendenz scheint zunehmend. 242 den Neunzigern bereits 33 Gesuche pro Details der vergangenen Jahre Ablehnungen von Einbürgerungsgesuchen Jahre Eingereichte Ablehnungen Eingebürgerte Eingebürgerte Gesuche total total SchweizerInnen AusländerInnen Gesuche Personen Gesuche Personen Gesuche Personen Gesuche Personen Ablehnungen an Bürgergemeindeversamm- 1961–70 51 135 1115363598lungen waren, mit der Ausnahme je eines 1971–80 141 382 1448132 92 246 Gesuches in den Jahren 1966 und 1975, vor 1981–90 235 530 0082218 153 312 allem in den Jahren 1995 bis 1999 zu ver- 1991 24 49 001537912 zeichnen. 1997 kam die Bürgergemeinde 1992 17 32 001020712 Pratteln bezüglich Einbürgerungen in nega- 1993 28 55 0012261629tive Schlagzeilen. 1994 34 60 0012272233 1995 18 30 14 4513 21 Dem Bürgerrat war es bereits Anfang 1997 1996 31 66 39 5162341bewusst, dass die hohe Anzahl von Gesu- 1997 60 89 29 47 7112431chen, die der Bürgergemeindeversammlung 1998 30 54 11 3526 48 vorgelegt werden mussten, zu Problemen 1999 97 213 26780 189 15 18 führen würde. Ein Gespräch in Liestal bei 2000 27 36 00 6921 27 der JPMD, von welcher eine Entschärfung 1991–00 366 684 36 67 154 345 176 272 der Situation erwartet wurde, brachte nichts. 2001 33 44 00 0033 44 2002 52 83 00 0052 83 Tele Basel und die Sendung «Rundschau» Total 878 1858 38 72 299 731 541 1055 des Schweizer Fernsehens SF1 nahmen die Versammlung vom 4. Dezember 1997 Die in den Jahren 1999 und 2000 auf Bun- Die vielen Einbürgerungsgesuche in Pratteln wegen der 43 anstehenden Einbürgerungs- des- und Kantonsebene liegen gebliebenen bedeuten einen nicht unwesentlichen Auf- anträge zum Anlass, die Reaktion der Pratt- Einbürgerungsgesuche zeigen in den Jahren wand für die Verwaltung und den Bürger- ler StimmbürgerInnen auf die vielen Gesu- 2000 und 2001 bei der Anzahl zu behan- rat. Alle ausländischen GesuchstellerInnen che mitzuverfolgen. Die Stimmung gegen delnden Gesuche ihre Auswirkung. Gleich- (Familien zusammen) werden zu einem per- orientalische Länder war zu diesem Zeit- zeitig wurde per 1. Januar 2001 das Einbür- sönlichen Gespräch an eine Bürgerratssit- punkt gereizt, da keine drei Wochen zuvor gerungsverfahren um ca. ein Jahr verkürzt, zung eingeladen. Die Gespräche dauern rund 30 Schweizer Touristen bei einem Mas- was eine Überlappung von «alten» und rund 30 Minuten. Für die Abklärung der In- saker in Ägypten ums Leben kamen. «neuen» Gesuchen zur Folge hatte. tegration der BewerberInnen werden Fragen zu den diversen Bereichen gestellt, welche 25 der 43 Gesuche wurden abgelehnt. Da- In den nachstehend aufgeführten Jahren unter «Voraussetzungen» aufgeführt sind. bei handelte es sich um 21 türkische, zwei wurde vom Bürgerrat folgende Anzahl von jugoslawische und je ein serbisches und Gesuchen behandelt: 1996: 38, 1997: 53 Nicht alle Einbürgerungsgesuche gelangen kroatisches Gesuch. plus 12 von Jugendlichen ohne Gespräch, an die Bürgergemeindeversammlung. Eini- 1998: 29 plus 2 von Jugendlichen ohne Ge- ge Gesuche werden im Vorfeld nach der Be- Gutgeheissen wurden sechs Schweizer, sie- spräch, 1999: 20; 2000: 12; 2001: 74; handlung durch den Kanton und den Bür- ben italienische und je ein spanisches, ma- 2002: 73. gerrat abgeschrieben, weil die Vorausset- zedonisches, jugoslawisches, tschechisches zungen nicht erfüllt werden. sowie türkisches Gesuch. 243 Sechs türkische Gesuchsteller erhoben Ein- Im Jahr 1999 wurde Pratteln zusammen mit Auswirkungen auf die sprache beim Regierungsrat, der keine Ver- weiteren Gemeinden für Erhebungen über Prattler Bevölkerung fahrensfehler feststellte. Fünf Gesuchsteller Einbürgerungen auf der Ebene der Gemein- zogen ihre Beschwerden weiter an das Ver- de vom Institut für Ethnologie der Uni Bern waltungsgericht. Dieses entschied am 29. im Auftrag der Eidgenössischen Kommissi- Die steigende Anzahl von ausländischen März 2000, dass die Gesuche nochmals der on gegen Rassismus ausgewählt. Einbürgerungsgesuchen ist einerseits auf Bürgergemeindeversammlung unterbreitet die Bevölkerungsstruktur der Gemeinde zu- werden müssen. Obwohl kein Rechtsanspruch An der Haltung und dem Vorgehen der Ein- rückzuführen und andererseits, weil ver- auf Einbürgerung besteht und die Bürger- bürgerungspraxis der Bürgergemeinde Prat- mehrt Jugendliche der zweiten Generation gemeindeversammlung für die Erteilung des teln wurde nie Kritik geübt. Die Einbürge- Gesuche einreichen. In Pratteln beträgt der Gemeindebürgerrechts zuständig ist, wird rungsquote liegt im nationalen Schnitt. Anteil der ausländischen Bevölkerung über der Einbürgerungsakt immer mehr als Ver- ein Drittel. Das Einbürgerungsbegehren ist waltungsakt interpretiert. Um einen weite- bei vielen Ausländern die logische Folge ren Medienrummel zu vermeiden, verzich- Einbürgerungsquote ihres langen Aufenthaltes. Sie werden haupt- tete der Bürgerrat darauf, das Urteil an das sächlich von den am meisten vertretenen Bundesgericht weiterzuziehen. Nationalitäten der ausländischen Wohnbe- Im schweizerischen und ausländischen Ver- völkerung eingereicht. Die JPMD aktualisierte und überprüfte die gleich ist die Einbürgerungsquote (Verhält- Gesuche der fünf Beschwerdeführer und nis ausländische Wohnbevölkerung/Einbür- (siehe Grafik Seite 245) sandte der Bürgergemeinde drei zur noch- gerungen) sowie der prozentuale Auslän- maligen Abstimmung zurück. Eines wurde deranteil wie folgt (Grundlage: Für die Jahre am 7. Dezember 1999 und die anderen bei- 1998/1999 geltende runde Zahlen, ausser den am 6. Juni 2000 gutgeheissen. Die übri- wenn anders angegeben):8 gen zwei Beschwerdeführer warteten nicht auf den Abschluss der Verfahren, sondern Land Zahl der ausländ. Ausländeranteil Zahl der Einbürge- zogen aus der Gemeinde weg. Wohnbevölkerung in %9 Einbürgerungen rungsquote Schweiz 1380000 19,3% 22000 1,6% Die Prattler Bürgerschaft ist nicht generell Kanton (2001) 45745 17,5% 739 1,6% gegen Einbürgerungen. Bei gleichmässiger Pratteln (2002) 5514 36,7% 83 1,5% Anzahl von Gesuchen aus verschiedenen Dänemark 260000 4,5% 10000 3,8% Herkunftsländern gab es nie Opposition. Ab- Deutschland 7350000 8,9% 106000 1,4% lehnungen kommen vor, wenn Gesuche in Frankreich 3600000 6,1% 120000 3,3% Überzahl aus ein und demselben Land zur Luxemburg 143000 34,1% 143 100,1% Einbürgerung anstehen. Niederlande 680000 4,4% 45000 6,6% Norwegen 165000 3,6% 8000 4,8% Die Aufmerksamkeit der Medien ist bis Österreich 700000 9,1% 25000 3,6% heute erhalten geblieben. Noch im Jahr 2001 Schweden 970000 6,0% 46000 4,7% wurden der Bürgergemeindepräsident und Europ. Union 19148358 5,1% fehlt fehlt die Verwalterin zur Polit-Sendung «Arena» (Schätzung BFS) eingeladen, als es auf Bundesebene um Er- 244 leichterungen im Einbürgerungswesen ging. Bemerkung: Die Einbürgerungsquote ist im Allgemeinen höher, je tiefer der Ausländeranteil ist. Bevölkerung in Pratteln seit 1965 Prattler Bürgergeschlechter

Durch die vielen Einbürgerungen über die letzten Jahrzehnte ist die Anzahl der Prattler Bürgergeschlechter in der Gemeinde bis zum heutigen Tag auf über 500 gestiegen. Die zur Zeit am häufigsten in Pratteln vertre- tenen Nachnamen (die Anzahl in Pratteln mit diesem Namen wohnhaften Personen ist in Klammer aufgeführt) sind folgende:

Weisskopf (135), Bielser (64), Pfirter (63), Schwob (63), Meyer (52), Schneider (51), Dill (47), Stohler (42), Hartmann (41), Dürr (32), Rebmann (28), Stingelin (28), Bau- mann (27), Suter (24), Mohler (19), Althaus (18), Dalcher (14), Löliger (12), Schaub (12), Stork (12), Reichenstein (11), Frey (10), Fur- ler (10), Maurer (10), Müller (10), Thommen (10). Anzahl der Einbürgerungen in Pratteln nach Nationen von 1961 bis 2002 Von den Geschlechtern Keller (9), Oberer Einbürgerungen/ Eingereichte Anzahl Abgelehnte Anzahl Gutgeheiss. Anzahl (9), Ramseier (9), Winkler (9), Cvijanovic (8), Land Gesuche Personen Gesuche Personen Gesuche Personen Thöni (8), Babbi (7), Bitterli (7), Fahrer (7), Schweiz 221 543 00221 543 Klotz (7), Koch (7), Löffler (7), Moretti (7), Kantonsbürger 78 188 0078 188 Nebiker (7), Pichler (7), Brunner (6), Comelli Italien 140 247 00140 247 (6), Kizilyatak (6) sind per 15. Oktober 2002 Türkei 117 190 30 51 87 139 zwischen sechs und neun Personen in Prat- Deutschland 83 189 1482 185 teln wohnhaft. Die übrigen Geschlechter Jugoslawien 53 103 2851 95 teilen sich auf 1175 Personen auf. Tschechei/ex-CS 49 108 0049 108 Ungarn26581 12557 Österreich 25 67 0025 67 Spanien 10 25 0010 25 Beibehaltung des Frankreich 9200 0920 angestammten Bürgerrechts Kroatien 9101 18 9 Bosnien 67006 7bzw.der Nationalität Mazedonien 5131 44 9 Diverse Länder11 47 90 2345 87 Nicht alle bisherigen Bürgerrechte können Total 878 1858 38 72 840 1786 beibehalten werden: 245 Schweizer dürfen seit dem 1. Januar 1992 Anmerkungen zum Jahr 2003 Bürgergemeindeversammlung auch wei- maximal zwei Schweizer Bürgerrechte besit- terhin über die Einbürgerungsgesuche ent- zen. scheiden wird. Elisabeth Foley Der Beitrag zu den Einbürgerungen in Prat- Bei folgenden Ländern ist eine doppelte teln umfasst den Zeitraum bis zum 31. De- Staatsbürgerschaft nicht möglich:12 Äthio- zember 2002. Zwei wichtige Ereignisse aus ANMERKUNGEN: pien, Andorra, Australien, Belarus (Weiss- dem Jahr 2003 sollen hier kurz erwähnt 1 Aus achtenswerten Gründen kann vom Erfor- russland), Belgien, Bolivien, Brasilien, Bu- werden. dernis des Wohnsitzes oder einer bestimmten rundi, China (Volksrepublik), Costa Rica, Wohndauer abgesehen werden. Dänemark, Deutschland13, Dom. Republik, In einem Schriftstück des im Jahre 1083 ge- 2 Bei einer Aufenthaltsdauer von ausländischen Ecuador, Elfenbeinküste, Finnland, Gabun, gründeten Klosters St. Alban in Basel wird Staatsangehörigen in der Gemeinde von über Georgien, Ghana, Haiti, Honduras, Indien, Pratteln am 23. September 1103 zusammen 15 Jahren und bei über zehnjähriger Aufent- Indonesien, Irak, Island, Japan, Kamerun, mit vier weiteren Baselbieter Gemeinden haltsdauer vor der Volljährigkeit wird ein Abzug Kapverdische Republik, Kenia, Kongo, (Gelterkinden, Hölstein, Oberwil und Thür- auf die ordentliche Gebühr gewährt. Korea (Republik), Kuba, Kuwait, Liberia, nen) erstmals urkundlich erwähnt. Auf- 3 Nebst dem Gesuchsformular. Libyen, Litauen, Luxemburg, Madagaskar, grund dieses 900-jährigen Jubiläums wur- 4 Bürger-, bzw. Gemeinderat, Zivilstandsamt, Ein- Malaysia14, Mali, Mexiko, Mosambik, Nepal, den Schweizer BürgerInnen ohne Ortsbür- wohnerkontrolle usw. Neuseeland14, Nicaragua, Niederlande, Ni- gerrecht aufgerufen, im Jubeljahr das Pratt- 5 Pro Gesuch werden oft mehr als eine Person, geria, Norwegen, Österreich13, Pakistan, Pa- ler Bürgerrecht zu erlangen. Es meldeten z.B. eine ganze Familie oder Ehegatten zusam- nama, Paraguay, Peru, Philippinen, Rwanda, sich 129 GesuchstellerInnen mit insgesamt men eingebürgert. Deshalb ist die Zahl der ein- Sambia, Schweden, Senegal, Somalia, Spa- 246 Personen, welche an der Jubiläumsver- gebürgerten Personen höher als die Zahl der nien13, Südafrika, Sri Lanka, Tansania, Thai- sammlung am 27. Februar 2003 in feierli- eingereichten Gesuche. land, Tonga, Trinidad Tobago, Tschechien, chem Rahmen für 900 Rappen pro Gesuch 6 Einbürgerungsanträge, denen die Bürgerge- Tunesien14, Uganda, Venezuela, Zaire. (kommunale Gebühr) eingebürgert wurden. meindeversammlung zugestimmt hat. 7 Vergünstigte Einbürgerung von Schweizer Bür- Bei folgenden Ländern ist eine doppelte Das per 1. Januar 2001 teilrevidierte kanto- gerInnen anlässlich des Jubiläums 200 Jahre Staatsbürgerschaft möglich:12 Afghanistan, nale Bürgerrechtsgesetz beinhaltet neu un- Helvetik, 150 Jahre Bundesverfassung (1998). Ägypten, Albanien, Algerien, Argentinien, ter § 6 Absatz 2, dass die Zuständigkeit der 8 Quelle: Schlussbericht der Arbeitsgruppe Bür- Bulgarien, Chile, China (Taiwan), Estland, El Erteilung des Gemeindebürgerrechts an aus- gerrecht, Bern, im Dezember 2000 Salvador, Frankreich, Gambia, Griechen- ländische Staatsangehörige und/oder Schwei- 9 Der Ausländeranteil entspricht z.T. Zahlen ge- land, Grossbritannien, Guatemala, Hong- zer Bürgerinnen und Bürger von der Bürger- mäss dem Bundesamt für Statistik aus dem Jahr kong, Iran, Irland, Israel, Italien, Jemen, Jor- gemeindeversammlung an den Bürgerrat 1996. danien, Kambodscha, Kanada, Kasachstan, übertragen werden kann. Auf Antrag eines 10 Diese Zahl stammt aus dem Jahr 1996 (Bun- Kolumbien, Kroatien, Laos, Lettland, Liba- Prattler Bürgers, die bisherige Praxis zu än- desamt für Statistik). Der Anteil Ausländer aus non, Liechtenstein, Malta, Marokko, Maze- dern und nach Zustimmung der Bürgerge- EU-Staaten beträgt in Luxemburg 90,4%. donien, Moldau, Nordirland, Polen, Portu- meindeversammlung vom 4. Dezember 11 Diverse Länder: Amerika, Bolivien, Bulgarien, gal, Rumänien, Russland, San Marino, Sey- 2002 mit 72 zu 50 Stimmen, fand am 18. Chile, Griechenland, Grossbritannien, Indien, chellen, Sierra Leone, Singapur, Slowakei, Mai 2003 eine Urnenabstimmung statt, die Israel, Jordanien, Kamerun, Korea, Niederlan- Slowenien, Sudan, Syrien, Togo, Tschad, das Begehren, die Einbürgerungen an den de, Norwegen, Pakistan, Polen, Portugal, Ru- Türkei, Ukraine, Ungarn, Uruguay, USA (in Bürgerrat zu delegieren, mit 676 gegen 372 mänien, Serbien, Slowakei, Slowenien, Sri Lan- 246 den meisten Staaten), Vietnam, Zypern. Stimmen ablehnte. Dies bedingt, dass die ka, Tunesien, Uruguay, Vietnam. 12 Gemäss Informationen des Schweizerischen Gemeindefinanzen Ertrag Pratteln Kanton Bundesamts für Polizeiwesen vom 28. April Steuereinnahmen 2185 2188 1997, ohne Gewähr. Verbindliche Informatio- Einst und Jetzt Regalien u. Konzessionen 31 26 nen können ausschliesslich die zuständigen Vermögenserträge 175 193 Behörden der einzelnen Staaten erteilen. Entgelte 785 659 13 Angehörige dieser Staaten können in gewis- Finanzausgleich 135 232 sen Fällen bei ihren Heimatbehörden ein Ge- Rückerst. Gemeinwesen135 184 such um Beibehaltung der bisherigen Staats- Beiträge 387 286 angehörigkeit stellen. Genauere Auskünfte er- In der letzten Ausgabe der Heimatkunde Entnahmen, int. Verrg. 156 226 teilen die entsprechenden diplomatischen oder von Pratteln wurden die Gemeindefinanzen Total Ertrag 3989 3994 konsularischen Vertretungen. bis zum Rechnungsjahr 1966 dargestellt. An 14 Die bisherige Staatsangehörigkeit geht zwar dieser Stelle wird daher die Entwicklung * In den Baselbieter Gemeinden wurde 1979 das nicht automatisch verloren, kann jedoch aber- zwischen 1967 und 2000 gezeigt. Dabei von der Finanzdirektoren-Konferenz entwickelte kannt werden. spielt natürlich die Bevölkerungsentwick- neue Rechnungsmodell eingeführt. Die Verwal- lung eine grosse Rolle. Die mittlere Wohn- tungsrechnung wurde unterteilt in eine Laufen- QUELLEN: bevölkerung betrug im Jahre 1967 12727 de Rechnung und eine Investitionsrechnung. Die A Ein einzig Volk von Immigranten: Die Geschich- und erreichte im Jahre 1973 mit 17053 den Regiebetriebe Wasser-, Kanalisations- und te der Einwanderung in der Schweiz; Willi Höhepunkt. Seit 1976 bewegt sie sich wie- Gemeinschaftsantennen-Kasse sowie die Fürsor- Wottreng, Zürich, Orell Füssli, 2000. der im Bereich 15000. gekasse wurden wie bisher in separaten Rech- B Heimatkunde Ettingen: Die Bürgergemeinde, nungskreisen erfasst. Mit dem Rechnungsjahr das (un)bekannte Wesen; Ettingen 1999. Wir beginnen unsere Ausführungen an der 2000 wurden die Regiebetriebe als Spezialfinan- Schwelle zum neuen Jahrtausend: Wie se- zierungen und die Fürsorgekasse voll in die Rech- hen Aufwand und Ertrag der Gemeinde pro nung der Einwohnergemeinde integriert. Damit Einwohner/in im Vergleich zum Durch- die Vergleichbarkeit sichergestellt ist, sind die schnitt aller Baselbieter Gemeinden aus? Zahlen für die beiden Grafiken für sämtliche Jahre nach dem für die Jahre 1979 bis 1999 gül- tigen Rechnungsmodell ermittelt worden. Laufende Rechnung 2000 in Franken pro Einwohner, nach Kontenart* Pratteln liegt ziemlich genau im kantonalen Aufwand Pratteln Kanton Durchschnitt. Für jeden der 15192 Einwoh- Personalaufwand 1727 1471 ner gab die Gemeinde im Jahr 2000 knapp Sachaufwand 519 613 4000 Fr. aus. 43 Prozent dieser Summe ent- Passivzinsen 161 114 fielen auf den Personalaufwand, der im Ver- ordentl. Abschreibungen 192 210 gleich zum Kantons-Durchschnitt höher aus- zusätzl. Abschreibungen 39 213 fällt. Auch die Passivzinsen sind überdurch- Entsch.an Gemeinwesen 171 220 schnittlich hoch (die Schulden pro Einwoh- Beiträge 850 870 ner betragen 2000 übrigens 2371 Franken, Einlagen, int. Verrechng 328 240 kantonal 2001 Franken.) Total Aufwand 3987 3951 Ertragsüberschuss 243Auf der Ertragsseite machen die Steuern Saldo 3989 3994 rund 55 Prozent der Einnahmen aus. Das ent- 247 Diagramm des erzielten Cashflows in Bezug auf die Netto- Gemeindesteuer-Einnahmen 1967–2000 (indexbereinigt) Investitionen der Jahre 1967–2000 (exkl. Fürsorgesteuern)

spricht wieder ziemlich genau dem kanto- häuser Längi, Aegelmatt, Erlimatt II und get und eine gesunde langfristige Finanzpo- nalen Schnitt. Der Finanzausgleich pro Ein- Fröschmatt. Da die Staatsbeiträge mit Ver- litik. wohner beträgt unterdurchschnittliche 135 zögerung eintrafen, war im Jahre 1977 die Franken. Nettoinvestition sogar negativ! Gemeindesteuern – Einnahmen Fazit: Die Finanzsituation Prattelns an der Zur Finanzierung dieser Investitionen wurde Die Steuern bilden die mit Abstand wichtig- Jahrtausendschwelle erweist sich als wenig 1971 in der Rheinebene Land verkauft, was ste Einnahmequelle der Gemeinde. Um die auffällig. Pratteln repräsentiert gewisser- in diesem Jahr zu einer Rekord-Selbstfinan- langfristige Entwicklung unverzerrt aufzu- massen das Kantons-Mittel. Anlass zu Eu- zierung von 13,5 Miio Franken (indexberei- zeigen, wurden die Steuern der früheren phorie besteht bei der vergleichsweise nigt 34,8 Mio Franken) führte. Trotz der ein- Jahre in der Tabelle auf den Lebenskostenin- hohen Verschuldung aber nicht. malig hohen Nettoinvestition konnte sogar dex des Jahres 2000 hochgerechnet. In der ein Finanzierungsüberschuss erreicht wer- Position «Übrige» sind enthalten: Feuer- den! Auch in den Jahren 1976–1985 war wehrpflichtersatz, Grundstücksteuern, Grund- Investionen die Selbstfinanzierung jeweils grösser als die stückgewinnsteuern, Handänderungssteu- Eine städtische Gemeinde wie Pratteln hat Nettoinvestitionen. Erst durch den Bau des ern, Erbschafts- und Schenkungssteuern, einen grossen Investitionsbedarf. Es ist da- Kultur- und Sportzentrums hat sich das Hundesteuern. Der Anstieg der Steuern der her wichtig, dass die Selbstfinanzierung aus Finanzierungsverhältnis ab 1986 wieder auf natürlichen Personen von 1967 bis 1974 ist eigenen Mitteln genügend abgesichert ist, die negative Seite gekehrt. Nur die Jahre mit der enormen Bevölkerungszunahme zu damit die Schuldenlast nicht ins Unermessli- 1994, 1998 und 1999 schlossen mit einem erklären. In dieser Periode galt noch das alte che steigt. Finanzierungsüberschuss ab. Steuergesetz; der Steuersatz war fest.

Die Tabelle zeigt massive Finanzierungsfehl- Die Jahre um die Jahrtausendwende verlie- Seit 1975 werden die progressiven Steuer- beträge in den Jahren 1969 bis 1975. In die- fen relativ ausgeglichen. Grössere Investitio- sätze angewendet. Je höher Einkommen ser Periode waren überdurchschnittliche In- nen blieben aus. Die Gemeinde bemühte und Vermögen sind, desto höher ist auch 248 vestitionen im Bereich Bildung nötig: Schul- sich erfolgreich um ein ausgeglichenes Bud- die Steuerbelastung. Die Gemeinden erhe- ben ihre Steuern in Prozenten der progressi- Weiher ven Staatsteuern. Die Steuersätze in Prat- Die Wasserversorgung teln schwanken in dieser Zeit zwischen 53 Pratteln besass auch einige Weiher. Beispiele: und 60 Prozent. Der Einbruch von 1986 ist Weiher beim Schloss, Katzen-, Lachmatt-, auf die Senkung des Steuersatzes von 58 Hard-, Tal-, Fröschmatt- und Rütscheten- auf 53 Prozent zurückzuführen. 1993 wur- Weiher sowie auf Weihermatt. Sie alle de der Steuersatz aufgrund eines neuerli- trockneten aber meistens schnell aus. Nur chen Ertrags-Rückganges vom Einwohner- bei längerer Regenperiode konnte Wasser rat wieder auf 58 Prozent erhöht. entnommen werden. Am 10. Mai 1891 beschloss die damalige Ge- Der Anteil der einzelnen «Steuergruppen» meindeversammlung das Reglement «über 1868 zeigte sich ein so grosser Wasserman- am gesamten Steuervolumen erweist sich die Wasser-Versorgung der Gemeinde Prat- gel, dass das Quellwasser des Dorfbaches über die letzten 15 Jahre als relativ kon- teln». Doch Wasser war selbstverständlich ins Dorf und zu den verschiedenen Brunnen stant. Die natürlichen Personen tragen über schon vor diesem Datum in der Gemeinde geleitet werden musste. Die Kosten betru- zwei Drittel bei. Im Jahre 2000 machte ihr verfügbar. Vor 1891 wurde im damaligen gen ungefähr 12000 Franken. 1871 stellte Anteil 72 Prozent aus (inkl. Fürsorgesteu- Bauerndorf Pratteln das Trinkwasser aus man aus dem gleichen Grund den Talweiher ern). Das entspricht knapp 24 von insge- Sodbrunnen oder aus Quellen (Erli, Aspen- wieder in Ordnung. Im Herbst 1888 be- samt 33 Mio Franken Steuereinnahmen. rain und Tal) entnommen. Sehr oft traten schloss man die Einführung einer allgemei- Der Anteil der juristischen Personen hat sich jedoch während Trockenperioden Versor- nen Wasserversorgung mit Hahnenanschluss bei rund einem Viertel eingependelt (2000: gungsengpässe ein. So musste im Jahr 1746 und klärte die rechtlichen Verhältnisse mit 23 Prozent). Gemessen am kantonalen Durch- das Wasser aus der Erli-Quelle mittels höl- dem Besitzer des Hohenrains wegen der Bu- schnitt fällt auf, dass die juristischen Perso- zerner Leitungen, genannt «Teuchel», in die holz-Quelle ab. Dieser Beschluss wurde nen, also die Firmen, in Pratteln prozentual Brunnstube in der Hohlen Gasse geleitet angefochten und führte am Sonntag, dem doppelt so viel beisteuern wie im kantona- werden. 23. April 1890, an der Gemeindeversamm- len Mittel, was die nach wie vor grosse Be- lung zu stürmischen Verhandlungen. deutung der Industrie unterstreicht. Diese Teuchel bestanden aus ausgehöhlten Föhrenstämmen, die man zur Konservie- Quellwasser In den letzten Jahren waren die Steuerein- rung in Weiher, sog. Teuchelweiher, gelegt nahmen relativ stabil – dank stabiler Wohn- hatte. Im Jahre 1757 brauchte die Gemein- Der Durchbruch zu einer öffentlichen Was- bevölkerung, gesunder Firmenstruktur und de 2800 Schuh (= alte Masseinheit ca. 30 serversorgung erfolgte dann im Jahre 1891. unverändertem Steuersatz. Paul Ramseier cm), das Schloss 780 Schuh Teuchel. Diese bestand aus der Quellfassung im Bu- holz, einem Reservoir von 100 m3, einer Haupt- leitung vom Reservoir ins Dorf und von dort Dorfbrunnen nach der Bahnstation, ferner aus den Zweig- Das Wasser wurde mittels Teuchelleitungen leitungen nach dem Hohenrain, der Krum- in die Dorfbrunnen geleitet. Die Brunnen- meneich und der Schweizerhalle. Bereits 1899 tröge bestanden damals aus Holz. Zu Be- wurden die Anlagen durch die Erli-Quelle ginn des 18. Jahrhunderts wurden sie durch und das Erli-Reservoir um 200 m3 erweitert. Stein ersetzt. Noch heute zeugen stattliche Dorfbrunnen von der damaligen Wasserver- Zu Beginn der 20. Jahrhunderts, ausgelöst sorgung. durch die eintretende Ansiedlung von Ge- 249 werbe und Industrie, stieg der Bedarf an serve von 600 m3 eingerechnet, in Betrieb lung, die Projektierung eines Gegenreser- Trinkwasser rasant an. Wohl bedienten sich genommen werden. Wegen der Feuer- voirs auf Kästeli mit einer Speicherkapazität die Schweizerischen Rheinsalinen und die löschreserve sind allerdings nur 1200 m3 für von 6000 m3. Die Gemeindeversammlung Säurefabrik mit Wasser aus dem Rhein mit- den täglichen Bedarf nutzbar. Der Pumpen- hiess das Begehren des Gemeinderates gut. tels einer Pumpenanlage beim Solbad. Bald betrieb und das Reservoir werden von einer Im Jahre 1958 konnte das damals im Kan- wurde aber klar, dass die Förderkapazitäten kleinen Betriebswarte überwacht ton grösste Reservoir mit zweimal 3000 m3 der damaligen Quellfassungen in absehba- Inhalt an das Wasserversorgungsnetz ange- rer Zeit erschöpft sein würden. Weil das Quellgebiet tiefer liegt, musste für schlossen werden. Im Zusammenhang mit das Wasser der Quellen Buholz (240 l/min.) diesem Reservoir wurden auch leistungs- Die Quellen im Buholz und Erli lieferten im und Erli (400 l/min.) am Erliweg ein Quell- fähige Zubringerleitungen erstellt. Durchschnitt 282 m3 Wasser pro Tag, in wasserpumpwerk gebaut werden. Gleich- trockenen Jahreszeiten zeitweilig gar nur zeitig wurde im Pumpwerk Löli mit dem Ein- Pumpwerk Remeli noch 68 m3 täglich. bau von zwei neuen Bohrlochpumpen die Förderleistung auf je 30 l/sek. erhöht. Die Ende der fünfziger Jahre einsetzende Hochkonjunktur wirkte sich auch beim Grundwasser Wasserverbrauch aus. Ein weiteres Pump- Weitere Grundwasserförderungen Da diese Wassermenge für den Bedarf der werk war notwendig geworden. Untersu- Gemeinde nicht mehr ausreichte, wurde im In den vierziger Jahren wuchs der Bedarf an chungen zeigten, dass nordöstlich der be- Jahre 1913, auf Vorschlag des Geologen Dr. Trinkwasser derart, dass die Erstellung einer stehenden Grundwasserpumpwerke ein riesi- Strübin aus Liestal, im Gebiet Löli ein Grund- weiteren Förderanlage geplant werden ges Grundwasservorkommen, der Ergolz- wasserpumpwerk erstellt und eine Pumpe musste. Noch während des Zweiten Welt- strom, vorhanden war. An dieser Stelle wur- von zehn Sekundenliter Förderleistung in- krieges begann die Gemeinde mit dem Bau de alsdann das Pumpwerk Remeli projek- stalliert. Daran anschliessend wurde das Re- des Pumpwerkes Schüracker, das über eine tiert und nach zweijähriger Bauzeit im Jahre servoir Erli von 200 auf 500 m3 Inhalt erwei- Förderleistung von 1800 l/min. verfügt. Die 1962 dem Betrieb übergeben. tert. Inbetriebnahme erfolgte 1944. Hochzonenreservoir Fünf Jahre später wurde bereits das dritte Reservoire Grundwasserpumpwerk Siebenjurten mit Die Erstellung von Wohnhäusern in erhöh- Der Speicherraum (Reservoir) von insgesamt einer Förderleistung von 1900 l/min. einge- ten Lagen brachte auch für die Wasserver- 600 m3 im Buholz und Erli erwies sich bald weiht. Nach Abrechnung dieses Pumpwer- sorgung neue Probleme. Der Druck der be- als zu klein im Verhältnis zur Pumpenleis- kes im Jahre 1949 hatte der Gemeinderat stehenden Reservoire reichte nicht aus. Am tung und zum gestiegenen Wasserver- das Ingenieurbüro Ed. Holinger, Liestal, mit 14. Mai 1962 beschloss daher die Gemein- brauch. Eine Löschreserve war überhaupt der Ausarbeitung eines generellen Projektes deversammlung den Bau eines Hochzonen- nicht vorhanden, was in einem Brandfall zu für die Erweiterung der Reservoiranlagen reservoirs (445 m ü.M.) im Adler mit den grössten Kalamitäten hätte führen können. beauftragt. notwendigen Leitungen und Pumpen.

Diese Umstände zwangen die Behörden, ein Neues Reservoir Regionenverbund grösseres Reservoir bauen zu lassen. Doch erst 25 Jahre später, im Jahre 1938, konnte Das generelle Projekt wurde Ende Dezem- Mit der Annahme der kantonalen Gesetze das Reservoir Geisswald mit einem Fas- ber 1950 abgeliefert. Der Gemeinderat be- betreffend Wasserversorgung und Grund- 250 sungsvermögen von 2000 m3, eine Löschre- antragte alsdann der Gemeindeversamm- wasserschutz im Jahre 1967 wurde in der Wasserversorgung die Aufgabenteilung zwi- Die Wasserversorgung Pratteln in Zahlen schen Kanton und Gemeinden geregelt und die staatliche Verfügungsgewalt über das 1946 1982 2001 Grundwasservorkommen festgelegt. Dies Wasser- Grundwasser m3 986580 2613000 2193146 führte zu einer Solidarisierung unter den Ba- Gewinnung Quellwasser m3 80234 selbieter Gemeinden, indem regionale Ver- Fremdwasser m3 240 83000 12440 bunde ausgeschieden werden mussten. Prat- Total m3 1066814 2696000 2205586 teln ist in der Region 9 zusammen mit Augst verbündet. Wasserabgabe Haushaltungen m3 113936 976000 862352 Industrie und Gewerbe m3 636470 1115000 864804 Gestützt auf die strengeren Vorschriften ge- Öffentliche Bauten und nügten die bestehenden Grundwasser- Zwecke, 143000 pumpwerke Siebenjurten, Schüracker und Brunnen und Verluste m3 316408 314000 453894 Löli 1 nicht mehr. Es begann ein langer Lei- Total Pratteln m3 1066814 2548000 2181050 densweg der Projektierungen und Abstim- Total Vertragspartner m3 24536 mungen sowohl im Einwohnerrat als auch an der Urne. Unterbrochen wurde das Einwohner Anzahl 5909 15683 14967 Ganze durch Initiativbegehren und Be- schwerden, die 1988 vor dem Verwaltungs- Kopfverbrauch Im Mittel l/Tag 503 445 399 gericht endeten. nur Haushalt l/Tag 54 170 158

1989 fuhr man mit der Projektierung weiter Werkdaten Pumpenleistung l/min 5080 11390 13400 und erhielt 1991 die Erlaubnis für den Bau Stromverbrauch KWh 528864 1394363 1196282 von drei neuen Pumpwerken im Löli mit Stromkosten Fr.18421 116986 124647 einer Bruttosumme von Fr. 12006440.–, Reservoirinhalt aufgeteilt in Wert des Schutzzonenlandes a) Normalzone m3 2600 8000 8000 von Fr. 9496440.– und Pumpwerkerstellung b) Hochzone m3 –400 400 von Fr. 2510000.–. Am 27. Mai 1994 durf- ten die unterirdisch angelegten Pumpwerke Netzdaten Leitungsnetz m38621 72149 76213 Löli 2, 4 und 6, welche eine Förderleistung Angeschlossene von total 8400 l/min aufweisen, feierlich ein- Liegenschaften Anzahl 978 2197 2462 geweiht werden. Die nicht mehr gebrauch- Schieber Anzahl 217 649 804 ten Pumpwerke Siebenjurten, Schüracker Hydranten Anzahl 190 364 406 und Löli 1 wurden abgestellt. Das Pumpwerk Brunnen Anzahl 28 32 32 Löli 1 konnte unter Denkmalschutz gestellt Rohrbrüche Anzahl 21 47 33 werden und wurde daraufhin renoviert. Wassertarif Verkaufspreis Rp./m3 60 140 Seit 1963 liefert die Gemeinde Pratteln Private Rp./m3 25 25 Wasser an die Gemeinde Augst. Gewerbe Rp./m3 22 22 Industrie Rp./m3 13 13 Abwassergebühr (ARA) Rp./m3 40 175 251 An dieses System sind auch alle Zivilschutz- Notwasserversorgung anlagen, das Alters- und Pflegeheim Madle Die Die Versorgung Prattelns mit Trink- und und das Altersheim Nägelin-Stiftung ange- Abwasserentsorgung Brauchwasser erfolgt ausschliesslich über schlossen. die Förderung von Grundwasser aus dem Ergolz-Grundwasserstrom. Doch sind auch In normalen Zeiten werden über das Notlei- diese Anlagen nicht unverletzbar. Naturka- tungsnetz neun Dorfbrunnen mit Quellwas- tastrophen, Störfälle oder kriegerische Ereig- ser gespiesen. nisse können die normale Versorgung ge- fährden oder gar zum Erliegen bringen. Es QUELLEN: Noch anfangs des 20. Jahrhunderts wurden ist daher die Pflicht des Gemeinwesens, alle Wasser us eusem Bode vom 27. Mai 1994 die Abwasser aus Haushalt und Küche so- notwendigen Vorkehrungen zu treffen, da- wie das Regenwasser in die damals noch mit der Bevölkerung auch in Katastrophen- vielfach oberirdisch verlaufenden Prattler Wasserprobenwerte des Jahres 2001 fällen ausreichend Wasser in trinkbarer Qua- Dorfbäche geleitet. Die menschlichen und lität zur Verfügung gestellt werden kann. Das Im Mittel wurden folgende Werte festgehal- tierischen Abgänge wanderten in das Notwasser-Konzept basiert auf zwei Säulen: ten: «Plumpsklo» oder Güllenloch, von wo sie sporadisch als Dünger aufs Kulturland aus- a) Regionenverbund Temperatur 9,0 –12,5 °C gebracht wurden. Damit kann bei einer anhaltenden Trocken- Gesamthärte 32,9 –33,5 franz. periode, einer Grundwasserverunreinigung Härtegrade Der Bau des heutigen Kanalisierungsnetzes oder einem Pumpenausfall über das Netz Atrazin (0,1 ug/l) 0,03– 0,06 ug/l begann 1912 mit der Erstellung der Stras- der Gemeinde Muttenz ein Kontingent aus Nitrat (40 mg/l) 20,2 –25,6 mg/l senunterführung unter der Bahnlinie an der dem Angebot der Hardwasser AG über das Chlorid (200 mg/l) 16,0 –23,9 mg/l Salinenstrasse. Hier wurde der Talbach ge- Druckerhöhungspumpwerk in der Lachmatt Sulfat 60,0 –90,0 mg/l fasst und dieser bestimmte für die folgen- eingespiesen werden. Der Regionenverbund pH-Wert 7,16– 7,38 den Jahrzehnte den tiefsten Anschluss- für die Notwasserversorgung, bestehend punkt, dem alle anderen Entwässerungs- aus den Gemeinden Muttenz, Pratteln, Fren- In Klammern = Toleranzwerte gemäss Lebens- leitungen zugeleitet wurden. Von der Bahn- kendorf und Füllinsdorf, ist im Jahre 1978 mittelgesetz Felix Knöpfel unterführung läuft der nun eingedolte Tal- entstanden. bach der heutigen Salinenstrasse entlang bis hinunter zum Rhein. b) Sekundärnetz mit Grundwasser- oder Quellwassereinspeisung Das Projekt von 1912 deckte vor allem den Einspeisung von Wasser aus den Reservoirs Dorfkern und die Gebiete Grabenmatt, oder von Quellen über ein separates, haus- Augstmatt, Fröschmatt und Zweien ab. Die anschlussfreies und energieunabhängiges äusseren Quartiere im Süden, Westen und Notleitungsnetz. Die Wasserabgabe erfolgt Osten, aber auch das Gebiet Neu-Pratteln über acht Zapfstellen, verteilt über das gan- wurden erst 1956 mit dem ersten generel- ze Siedlungsgebiet. Pro Einwohner und Tag len Kanalisationsprojekt (GKP) ans übrige stehen zehn Liter Trinkwasser zur Verfü- Netz geschlossen. Dieses GKP erhielt seinen gung, welches in geeigneten Gefässen an Ursprung aus der kantonalen Verfügung, 252 den Zapfstellen bezogen werden kann. dass Neubauten nur noch bewilligt wurden, wenn sie über einen Kanalisationsanschluss 1991 trat die Verordnung in Kraft, nach der verfügten. Sauber- und Schmutzwasser getrennt abge- Abfallentsorgung und leitet werden müssen. Im gleichen Jahr fin- Umweltschutz Dies führte u.a. zwischen 1962 und 1968 gen die Grabarbeiten an, um die ARA Prat- zum legendären Bau des Kanalstranges teln und Füllinsdorf miteinander zu verbin- «West». Dieser musste unterirdisch vorge- den. Dies ergibt die Möglichkeit, bei Revisio- trieben werden, da er unter der schon nen oder im Katastrophenfall sich gegensei- damals stark frequentierten Bahnlinie hin- tig aushelfen zu können. durchführte und die SBB für jeden langsam durch die Baustelle fahrenden Zug eine Ent- Am 17. Mai 1992 genehmigten die Stimm- 1968 betrug die eingesammelte Kehricht- schädigung verlangen wollten. In einem berechtigten das eidgenössische Gewässer- menge (Hauskehricht und Sperrgut, jedoch ausgeklügelten Stossverfahren wurden vor- schutz-Gesetz. Dieses trat am 1. November ohne Altpapier und Glas) in Pratteln ca. 115 fabrizierte Betonelemente hydraulisch in in Kraft und zog die Revision des kantonalen kg pro Kopf der Bevölkerung. Bis 1991 stieg zwölf Meter Tiefe durch die Erde gepresst. Gewässerschutz-Gesetzes nach sich. Dieses die Menge kontinuierlich auf das Dreifache, Das Aushubmaterial wurde mit Stollenbag- wurde am 25. September 1994 vom Basel- d.h. 345 kg pro Kopf an. Diese enorme Stei- gern entfernt. Diese Bauweise war ein No- bieter Stimmvolk angenommen und hatte gerung führte 1986 zur Einsetzung der Um- vum und somit eigentlicher Markstein in der vor allem Auswirkungen auf die Abwasser- weltschutzkommission. Ihre Aufgabe bestand Geschichte des Kanalisationswesens und gebühren, da die Kosten neu auf die Verur- darin, ein Abfallkonzept für die Gemeinde fand bei Baufachleuten aus der ganzen sacher überwälzt und nicht mehr über den zu erarbeiten. Nach der Einführung der Schweiz grosse Beachtung. Brandversicherungswert, sondern über den Kehrichtgebühr am 1. März 1992 begann Wasserverbrauch der Liegenschaft berech- die Kehrichtmenge stark abzunehmen. Ende Der «Kanal West» führt nun die Abwasser net werden müssen. Zudem wurde das 1998 betrug sie ca. 190 kg pro Kopf der in die Abwasserreinigungsanlage ARA-Rhein Prattler Kanalisationsreglement revidiert Bevölkerung. Bei dieser starken Abnahme AG, welche seit 1975 in Betrieb ist. Das Eid- und 1998 in Kraft gesetzt. Dies wiederum ist zu berücksichtigen, dass parallel dazu die genössische Gewässerschutzgesetz von 1971 veranlasste die Gemeinde, Zustandsberichte kostenlosen Wertstoffsammlungen für Pa- verpflichtete die Gemeinden, die Sanierung über alle kommunalen Entwässerungssyste- pier, Glas und Weissblech (Dosen) stark zu- der Abwassersysteme in die Wege zu leiten. me erstellen zu lassen, um einen möglichst nahmen und ein Teil des Gewerbes und die Dies führte zu einer regen Bautätigkeit im gerechten Verteiler zwischen Liegenschafts- Industrie ihre Abfälle nicht mehr über die Kanalisationsbereich. besitzern und der Gemeinde, respektive öffentliche Abfuhr entsorgten. Um die Gar- Kanton, zu erhalten. tenabfälle von der Kehrichtabfuhr fernzu- Am Ende der achtziger Jahre fand ein Um- halten und wieder in den Naturkreislauf ein- denken statt. Da sauberes Regen- und Brun- Heute besteht das Kanalisationsnetz von zufügen, wurde der Häckseldienst stark aus- nenwasser unnötigerweise die Kläranlagen Pratteln aus ca. 55 km öffentlichen und ca. gebaut. Mittels Quartierkompostplätzen ver- belastet, wurde aus dem GKP ein GEP (Ge- 45 km privaten Abwasserleitungen. suchte die Gemeinde auch, die organischen nereller Entwässerungsplan). Dieser sieht Felix Knöpfel Haushaltabfälle umweltfreundlich zu ver- nun vor, sauberes Abwasser versickern zu werten. Dies scheiterte jedoch am Mangel lassen, anstatt in die Kläranlage zu leiten. an freiwilligen Helferinnen und Helfern so- 1990 wurde die Erarbeitung eines Reinab- wie an der Undiszipliniertheit eines Teils der wasser-Konzeptes in Auftrag gegeben und Bevölkerung. Auch musste das Einsammeln gleichzeitig die Projektierung der Versicke- von Küchenabfällen in Mehrfamilienhaus- rungsanlage «Chästeli» vorangetrieben. quartieren mit anschliessender Kompostie- 253 rung infolge geringem Interesse und den zu fallverbrennungsanlage im Zurlindengebiet Gebiete typisch sind. Diese Spuren liegen hohen Kosten eingestellt werden. abgelehnt, wäre Pratteln beinahe zum re- aber weit unterhalb von Belastungswerten, gionalen Abfallmekka geworden. die eine Gefährdung darstellen. Da die Kosten der Gemeinde für die Abfall- entsorgung laufend stiegen, mussten auch Anhand von Laboruntersuchungen in den die Kehrichtsackgebühren angehoben wer- Der Boden Jahren 1988 bis 1993 an Gemüse aus eini- den. Die Gebührenentwicklung für den 35- gen Privatgärten bestätigte sich die Vermu- Liter Kehrichtsack war wie folgt: Ab März tung, dass im Raume Pratteln gewisse 1992 Fr. 1.20, ab Mai 1993 Fr. 1.80, ab Juni Altlastkataster Schwermetalle über die natürlichen Werte 1994 Fr. 2.30, ab März 1996 Fr. 2.50. Sor- Der durch den Kanton 1994 herausgegebe- hinaus in den Böden angereichert sind. Im gen und Ärger bereiten der Bevölkerung und ne Altlastkataster bezeichnet die Stellen in Sinne eines vorbeugenden Gesundheits- den Behörden die illegale Abfallentsorgung Pratteln, wo umweltbelastende Stoffe oder schutzes empfahl daher das kantonale auf öffentlichem Grund und Boden, im Wald Abfälle im Untergrund vermutet werden. Laboratorium, auf übermässigen Genuss und bei den Wertstoffsammelstellen. Lassen Diese Stellen befinden sich oft in ausgebeu- von Sellerie – nicht mehr als 300 Gramm pro sich in krassen Fällen die Fehlbaren ermitteln, teten Gruben, Senken, Tälchen sowie an Tag – aus Prattler Gärten zu verzichten. Hier so werden sie gebüsst. Es scheint jedoch ein Böschungen und ehemaligen Industriestand- bleibt nur noch anzumerken: «Wer hat Zeichen der Zeit zu sein, dass immer mehr orten. Solche Altlasten können, speziell wenn denn schon Sellerie gern?» Leute vom Papiertaschentuch über die Im- sie das Grundwasser gefährden oder bei Bau- bissverpackungen bis zur PET-Flasche alles vorhaben als Aushub anfallen, zur Hypo- Im Rahmen der langfristigen Bodenüberwa- achtlos hinwerfen und liegen lassen. thek werden und den Landbesitzern oder der chung im Kanton wurde auch Boden aus Allgemeinheit grosse Kosten verursachen. dem Jöringut untersucht. Dabei zeigte sich Seit 1989 wird alle zwei Jahre eine Sonder- auch hier, dass namentlich die drei Schwer- müllsammlung durchgeführt. Diese kosten- metalle Blei, Kupfer und Zink über die natür- lose Abgabemöglichkeit von Farben, Dünger, Bodenuntersuchungen lichen Spuren hinaus angereichert sind. Medikamenten, Quecksilber, Säuren, Che- mikalien aller Art, etc. wird rege benutzt. Vom Dezember 1996 bis März 1997 führte Die vom Amt für Landwirtschaft 1994 her- der Kanton eine Bodenmesskampagne ausgegebene Bodenkartierung des land- Die erste Bring-Hol-Aktion fand 1994 statt. betreffend Radon durch. Das radioaktive wirtschaflich genutzten Bodens enthält Unter dem Motto «Sie bringen Sachen, die Edelgas Radon entsteht auf natürliche wichtige Hinweise für die Beurteilung der Sie nicht mehr benötigen – Sie holen gratis Weise im Boden und kann von dort auch in Düngung, Nutzung sowie des Boden- und Sachen, die Sie noch brauchen können», Häuser und Wohnräume gelangen. Die Gewässerschutzes. Der Plan bietet somit findet seither jährlich in der Dorfturnhalle Untersuchung ergab, dass im Untergrund wertvolle Grundlagen für die Praxis einer ein reger Tauschhandel statt. Dass Händler der Gemeinde Pratteln nur unbedeutende umweltgerechten Landwirtschaft. jeweils den bringenden Personen die «wert- Mengen Radon gebildet werden. Aufgrund vollen» Stücke schon vor der Dorfturnhalle eines in einem Prattler Ackerboden vorge- aus den Händen nehmen wollen, hat schon fundenen leicht erhöhten Dioxinwertes, zu manch hitziger Diskussion geführt. wurden im Raum Pratteln an 18 Standorten Der Lärm Bodenproben entnommen und auf Dioxine Hätte das Baselbieter Volk am 26. Septem- untersucht. Erwartungsgemäss wurden über- ber 1993 in einer Referendumsabstimmung all Spuren von Dioxin gefunden, wie sie «Lärm ist das Geräusch der Andern»- so hat 254 nicht den Projektierungskredit für eine Ab- heute für dicht bebaute und industrialisierte es Kurt Tucholsky auf den Punkt gebracht. Erst spät, mit dem Inkrafttreten der Lärm- 4. Dezember 1994, in der es u.a. um die schutzverordnung (LSV) im Jahre 1987, Die öffentliche Gleichstellung der Geschlechter in der Feu- wurde der letzte wesentliche Punkt der eid- Sicherheit erwehr ging, sind auch Frauen dienstpflich- genössischen Umweltschutzgesetzgebung tig. Leistet jemand keinen Feuerwehrdienst, geregelt. Als kommunale Planungsgrundla- ist er oder sie verpflichtet, einen finanziellen ge für allfällige Lärmschutzmassnahmen bei Ersatz zu leisten. Zur Zeit hat die Feuerwehr bestehenden und geplanten Bauten gilt der einen geringen Frauenanteil; es sind nur Lärmempfindlichkeits-Stufenplan. deren vier.

Entlang von Verkehrswegen sowie zum Teil Die Feuerwehr Mit der erhöhten Mobilität der Leute und in der Nachbarschaft von Industrieanlagen mit den allgemeinen Veränderungen und sind viele Bewohnerinnen und Bewohner «Nur gemeinsam sind wir stark», so lautet Entwicklungen in Wirtschaft und Gesell- durch Lärm geplagt. Besonders ausgeprägt das Motto der heutigen Feuerwehr und der schaft, haben sich auch die Arten der Feuer- ist die Lärmbelastung entlang den Bahnlini- ganzen Abteilung «Öffentliche Sicherheit», wehreinsätze stark verändert. Das Einsatz- en und stark befahrenen Strassen. Mass- welche seit anfangs 2000 besteht und der gebiet der Feuerwehr hat sich im Vergleich nahmen zur Lärmreduktion an der Quelle die Feuerwehr, die Gemeindepolizei und der zu früher verlagert. Einst wurde nach Was- oder durch bauliche Vorkehrungen sind Zivilschutz unterstellt sind. Die Feuerwehr seranschlüssen gesucht und fast ausschliess- äusserst komplex, zeitaufwändig und teuer. zählt heute 73 Männer und Frauen zwi- lich Brände gelöscht. Heute wird die Feuer- Neueste Planungen sehen nun vor, dass bis schen 20 und 40 Jahren. Der Stab setzt sich wehr auch häufig zum Löschen von Brän- Ende 2009 Massnahmen zur Lärmvermin- aus elf Männern zusammen, daneben gibt den bei Verkehrsunfällen gerufen. Auch auf derung am Rollmaterial und erst ab dem es 17 Wachtmeister, 19 Korporäle und 26 die vielen grossen Einkaufszentren, welche Jahr 2004 bauliche Massnahmen längs den Feuerwehrangehörige. Zudem gibt es in in den letzten 30 Jahren entstanden sind, Eisenbahnstrecken realisiert werden sollen. Pratteln auch vier Betriebsfeuerwehren mit und wo immer mit einer grossen Men- Für Anwohnerinnen und Anwohner entlang einem Bestand von 140 Personen, die nach schenansammlung gerechnet werden muss, den Bahnlinien bedeutet dies weitere Jahre kantonalen Vorschriften ausgebildet wer- richtet die Feuerwehr ein besonderes Au- des Wartens in einem unerträglichen Zu- den. Auch mit ihnen pflegt die Feuerwehr genmerk. Denken wir auch an die oft ge- stand. Werner Muggli Pratteln eine gute Zusammenarbeit, denn fährlichen Güter, welche auf den Schienen sie decken einen grossen Teil der Einsätze durch Pratteln transportiert werden. Auf all ab. Seit 2000 besteht ebenfalls der Gemein- diese neuen Situationen muss die Feuer- deführungsstab (GFS), welcher den Ge- wehr Pratteln gut vorbereitet und eingerich- meinderat bei der Bewältigung von ausser- tet sein. Vergessen dürfen wir auch die lei- ordentlichen Lagen unterstützt. Der GFS der immer häufiger auftretenden Brände kam im Sommer 2001 bei einem Zwischen- und Unfälle in Tunnels nicht. Da wichtige fall in der Novartis erstmals zum Einsatz. Die Strassenteile durch Pratteln führen, ist die Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz, dem Feuerwehr Pratteln auch Stützpunktfeuer- Samariterverein und den örtlichen Notfallor- wehr für die Autobahnabschnitte Pratteln– ganisationen wird in der Feuerwehr gross Hagnau–Basel–Rheinfelden bis zum Arisdör- geschrieben und stets gefördert. Diese Zu- fer-Tunnel, wodurch sie auch vermehrt Ein- sammenarbeit ist als Ergänzung gedacht, so sätze auf den Strassen leistet. Die Feuerwehr dass eine optimale Hilfestellung gewährleis- besitzt zur Zeit sieben Fahrzeuge (je ein Vor- tet wird. Seit der Volksabstimmung vom ausrettungsfahrzeug, Tanklöschfahrzeug, Pio- 255 nierfahrzeug, Universallöschfahrzeug, Atem- –Scheunenbrand an der Hauptstrasse, schiedene Übungsanlagen, die elektronisch schutzfahrzeug, Mannschaftsfahrzeug und 2001 (Schadensumme 480000 Franken); gesteuert werden und die Einsätze der eine Autodrehleiter). Weiter verfügt sie über –Explosion bei Novartis, 2001 (Schaden- Mannschaft analysiert werden können. Bald 48 Atemschutzgeräte und sechs Langzeit- summe Gebäude 6,6 Mio Franken). soll auch ein Ausbildungszentrum für Tun- atemschutzgeräte, die es den Feuerwehran- nelbrände errichtet werden, welches inter- gehörigen ermöglichen, bis zu zwei Stun- Nach dem Sandoz-Brand im Jahre 1986 national genutzt werden soll. Bereits seit den (z.B. bei einem Tunnelbrand) im Einsatz wurde die Störfallverordnung verabschie- dem 9. November 1997 ist die Feuerwehr stehen zu können. Pro Jahr steht die Feuer- det. Betriebe, welche gefährliche Stoffe ge- Pratteln offiziell online. Am 27. Oktober wehr 200 bis 250 Mal im Einsatz. Die Einsät- lagert haben und Schwellenmengen von 2001 wurde die Homepage komplett über- ze in den Jahren 1999 und 2000 waren bestimmten Stoffen überschreiten, mussten arbeitet. Es sind dort wichtige Informatio- gekennzeichnet durch den Sturm Lothar: eine Risikoanalyse erstellen. Diese Unterla- nen über aktuelle Einsätze, über das Material, Innerhalb von eineinhalb Tagen trafen 194 gen helfen der Feuerwehr, bereits im Voraus die Struktur etc. zu finden. Schadenmeldungen bei der Feuerwehr ein! Gefahren zu erkennen und richtig einzu- Um bei einem nötigen Feuerwehreinsatz schätzen. Seit 2000 verlangt die Gebäude- optimale Hilfe leisten zu können, ist die Aus- versicherung, dass von denjenigen Gebäu- und Weiterbildung gross geschrieben. Es den, welcher der Störfallverordnung unter- Der Zivilschutz finden dafür jährlich 21 Übungen, zwölf stellt sind, Einsätzpläne erstellt werden. Offiziersrapporte (Treffen des Kaders, um Auch von Gebäuden mit hohen Menschenan- Übungen, Projekte und Anlässe zu planen, sammlungen, für Hochhäuser, Lagerhäuser, Der Zivilschutz, der ebenfalls der Abteilung aufgetretene Probleme zu besprechen) und Aussenhöfe und Schulhäuser werden Ein- «Öffentliche Sicherheit» unterstellt ist, er- 58 Mal Fahrschule statt. Im Falle einer Alar- satzpläne gezeichnet, denn bei einem allfäl- füllt heute folgende Aufgaben: mierung der Feuerwehr, wird diese nun in ligen Brand ist der Einsatzplan ein wichtiges –Schutz und Betreuung der Bevölkerung Liestal zentral über den Kanton gesteuert. Arbeitsinstrument. Darauf sind Anfahrtswe- –Schutz von Kulturgütern Dort werden die wichtigsten Notrufe (112, ge für die Feuerwehren, genaue Pläne eines –Unterstützung der anderen Partnerorga- 117, 118) empfangen, bearbeitet und wei- Gebäudes mit Situationsplan, Gefahrenzo- nisationen ter geleitet. nen und allfällige Risiken eingezeichnet. –Betreuung obdachloser/schutzsuchender Diese vorbereiteten Unterlagen sollen einen Personen Zu den grösseren Ereignissen in den letzten möglichst reibungslosen Ablauf eines Ein- –Verstärkung und Sicherstellung der Füh- Jahren zählen: satzes gewähren. Im Gesamten stehen der rungsunterstützung –Brand bei Rohner AG, 20. August 1982 Feuerwehr Pratteln ca. 200 Einsatzpläne zu –Verstärkung und Sicherstellung der Logis- –Brand bei Sandoz Schweizerhalle, 1. No- Verfügung. tik vember 1986 –Instandstellungsarbeiten –Zwei Brände bei Coop Verteilerzentrale, Das Feuerwehrmagazin im Zentrum des –Einsätze zu Gunsten der Gemeinschaft 10. August 1989/19. Februar 1990 Dorfes besteht nun schon seit 1925. In –Brand Kesselwagen in Stein-Säckingen naher Zukunft wird wohl ein Neubau bevor- Vom «Blauen» Luftschutz (Nachbarhilfe), 18. November 1991 stehen, da das Gebäude massive Schäden zum Bevölkerungsschutz –Explosion bei Novartis, 2001 aufweist. Die Kantone Baselland und Solo- –Brand bei Thommen, Kaiseraugst, 1995 thurn sind die beiden ersten Kantone der Mit dem Bundesgesetz über den Zivilschutz –Brand Kantonalbank Liestal, 19. Juni 1996 Schweiz, welche in Balsthal (SO) ein Ausbil- vom 23. März 1962 wurde der «Blaue Luft- –Sturmschäden Lothar, 1999 (Schaden ge- dungszentrum für Feuerwehrleute besitzen. schutz» – ein Relikt aus dem Zweiten Welt- 256 samtschweizerisch mehrere Mia Franken) Im Ausbildungszentrum «ifa» gibt es ver- krieg – durch den Zivilschutz abgelöst. 1971 ist das Zivilschutzkonzept 71 in Kraft getre- –Führungsunterstützung für den Gemein- Die Gemeindepolizei ten, mit dem Schwerpunkt «Jedem Bewoh- deführungsstab (GFS) ner sein Schutzplatz». In jedem neuen Ge- –Kulturgüterschutz bäude und bei grösseren Umbauten musste –Planung für den Kriegsfall Die Gemeindepolizei Pratteln, welche auch fortan ein künstlich belüfteter Schutzraum –Betreuung der Abteilung «Öffentliche Sicherheit» un- eingebaut werden. Heute ist dieses Ziel er- –Unterstützung (Pionierdienst) terstellt ist, darf sich mit drei ausgebildeten reicht, Pratteln kann der gesamten Einwoh- –Logistik und bewaffneten Polizisten und einer zu 50 nerschaft einen künstlich belüfteten Schutz- Prozent angestellten kaufmännischen Sach- platz anbieten. In den nächsten Jahren wird Der Ausbildungs- und Einsatzaufwand im bearbeiterin zu den grossen Korps der im auch in Pratteln die Zahl der Zivilschutzan- Jahre 2001 setzt sich aus folgenden Stun- Kanton Basel-Landschaft tätigen 18 Ge- gehörigen durch die Umstrukturierung Zivil- denzahlen zusammen: meinde- respektive Stadtpolizeien zählen. schutz XXI massiv reduziert. Von einem Dies ermöglicht der Gemeindepolizei, einen Bestand von 2400 Personen in den siebziger Grundausbildung 1752 Std. grossen Teil der polizeilichen Aufgaben auf Jahren wird die Bestandeszahl bis im Jahre Weiterbildung 2720 Std. dem Gemeindegebiet selbst zu überneh- 2003 auf ca. 250 Personen gesenkt. Das Rapporte 408 Std. men. Um die Verkehrssicherheit zu gewähr- neue Leitbild XXI wird das Bild des künftigen Leistungen zu Gunsten leisten, führt die Gemeindepolizei ständig Zivilschutzes radikal ändern. Vermehrt wird Gemeinschaft (Pflege- 2200 Std. Verkehrspatrouillen und Geschwindigkeits- das Schwergewicht auf die Hilfe bei Kata- heim Madle, Jodlerfest, messungen durch. Bei regelmässigen Kon- strophen gelegt. Für einen allfälligen Krieg Prattler Wald) trollen wird das Einhalten der Verkehrsre- wird mit einer Vorwarnzeit von mehreren Nothilfeeinsatz im Wallis 1904 Std. geln im ruhenden und rollenden Verkehr Jahren gerechnet. Deshalb können viele Total geleistete Stunden 8984 Std. überwacht. Zudem übernimmt sie auch ver- Aufgaben organisatorischer und baulicher kehrspolizeiliche Einsätze bei Grossanlässen Natur auf die sogenannte Aufwuchszeit Während den in den letzten Jahren im Wal- und das Ausarbeiten von Signalisations- (Vorwarn- und Vorbereitungszeit) verscho- lis geleisteten 1904 Arbeitsstunden wurden und Markierungskonzepten. Einen grossen ben werden. Dem Bevölkerungsschutz ge- in verschiedenen Dörfern Aufräumarbeiten Teil der Zeit investiert die Gemeindepolizei hören die folgenden Bereiche an: Polizei, geleistet. in die polizeiliche Betreuung der Bevölke- Feuerwehr, Gesundheitswesen, Technische rung, indem sie ihr mit fachkundiger Bera- Betriebe und der Zivilschutz. In Zukunft gibt Die Zivilschutzorganisation der Gemeinde tung beisteht und gemeinsam nach Lösun- es nur noch eine gemeinsame Aushebung Pratteln wurde von folgenden Komman- gen sucht. Während verschobenen Dienst- für das Militär und den Zivilschutz. Wer danten geführt: zeiten führt die Gemeindepolizei schwer- Militärdienst leistet, wird mit 30 Jahren aus punktmässig Kontrollen an exponierten der Dienstpflicht entlassen, danach muss Heinrich Tschudi (1953–1956) Stellen durch, wie z.B. am Bahnhof, in Park- kein Zivilschutz mehr geleistet werden. An- Alfred Damm (1956–1961) anlagen, auf Schulhausplätzen und an der ders sieht es hingegen beim Zivilschutz aus: Fritz Mangold (1961–1979) Tramendstation. Die Gemeinde Pratteln ist Personen, welche in den Zivilschutz einge- Eduard Häring (1980–1983) eine von wenigen Gemeinden im Kanton teilt werden, sind vom 20. bis zum 40. Al- Willi Wehrli (1984–1988) Basel-Landschaft, welche in der Lage ist, tersjahr dienstpflichtig. Sie absolvieren als Max Schaub (1989–1996) den kaufmännischen Lehrlingen der Ge- erstes eine fünfwöchige Rekrutenschule im Hans-Peter Gerber (1997–1999) meindeverwaltung während dreier Mona- Zivilschutz. Der Zivilschutz wird mit den glei- Walter Wehren (2000) ten im administrativen Bereich der Gemein- chen Strukturen wie die Feuerwehr aufge- Marcel Schaub (ab 2001) depolizei einen Ausbildungsplatz anbieten baut: zu können. 257 Wussten Sie zudem, dass Ihre Gemeindepo- zur Erreichung der Luftreinhalteziele beur- lizei trotz reduziertem Bestand im Monat Lufthygiene und teilen zu können, sind laufend Luftschad- November 2000: Umweltschutz stoff-Messungen erforderlich. Als Industrie- –je vier Allgemeinbewilligungen, Aufgra- gemeinde mit grossem Verkehrsaufkom- bungsgesuche men hat Pratteln eine relativ schlechte Luft- –je fünf Verzeigungen wegen Übertretung qualität. Daher betreibt das Lufthygieneamt des Abfallreglements, Leumundszeugnis- beider Basel bei der Hardwasser AG auch se, Schadenrapporte, Verkehrsanträge, eine der neun permanenten Messstationen Nachtparkkontrollen, im Kanton. Auch wurden im Rahmen von –je zwei Familiennachzugsgesuche, Rap- 1972, das heisst vier Jahre nach der letzten spezifischen Luftschadstoff-Messungen Wer- porte betreffend abgestellter Fahrzeuge, Ausgabe der «Heimatkunde Pratteln» ver- te für z.B. Staubniederschlag (1983 bis 1986) Gastwirtschaftsgesuche, Verzeigungen öffentlichte der Club of Rome den Bericht oder Stickstoffdioxid (1994) auf dem Ge- wegen Übertretung des Hunderegle- «Die Grenzen des Wachstums». Ohne die meindegebiet erhoben. ments, vor dem Jahre 1972 in der Umweltschutzbe- –ein Einvernahmerapport wegung gesetzten Meilensteine vernachläs- Die teilweise enge Nachbarschaft von Indu- –420 Unterschriften zur Kontrollen sigen zu wollen, kann doch gesagt werden, strie- und Wohngebiet führte oft zu starken –179 bearbeitete Zahlungsbefehle und dass der Bericht weltweit die Classe poli- Geruchsbelästigungen der Bevölkerung. –233 Kunden und Kundinnen am Schalter tique und grosse Bevölkerungsteile für den Daher wurde 1985 die Geruchsmeldestelle oder Telefon bediente? Umweltschutz sensibilisiert hatten. Speziell Pratteln geschaffen. Bewohnerinnen und –Zusätzlich eine Abstimmung vorbereitete in der Deutschschweiz gewannen die grü- Bewohner konnten ihre Geruchswahrneh- und an neun Augenscheinen vor Ort und nen Parteien in der Folge zunehmend an mungen der Securitas melden, welche dann an fünf Sitzungen bezüglich Verkehrs- Einfluss. 1988 wurde in Pratteln der erste vor Ort versuchte, den Verursacher ausfin- führung und Sicherheit teilnahm? grüne Gemeinderat des Kantons Baselland dig zu machen. Dies ist infolge der Komple- –Zudem an acht verschiedenen Standor- gewählt. xität der Sache leider nur selten möglich. ten 240 Geschwindigkeitsübertretungen Auch im Falle der Meldung, es stinke nach feststellte, bei 32 Patrouillen auf dem Die Schweizerhalle-Brandkatastrophe von Pferdeschweiss, konnten die Verursacher ganzen Gemeindegebiet 96 Bussen im 1986 in der Nachbargemeinde Muttenz eb- oder Verursacherinnen nicht ermittelt wer- ruhenden Verkehr ausstellte und während nete politisch den Weg, dass 1990 nach All- den. Ohne dass dies mit Zahlenmaterial be- drei Nachtparkkontrollen 2143 Fahrzeuge schwil auch in Muttenz und Pratteln Stellen legbar ist, bestätigen Bewohnerinnen und registrierte? für Umweltschutzbeauftragte geschaffen Bewohner, dass die Geruchsbelästigungen wurden. in den vergangenen Jahren abgenommen AUTOREN: haben. Zu verdanken ist dies der Tatsache, Marcel Schaub, Leiter Abteilung Öffentliche dass die Industrie hohe Millionenbeträge in Sicherheit Gemeindeverwaltung Pratteln; Feuer- ihre Abluftreinigungsanlagen investiert ha- wehrkommandant, Zivilschutzkommandant. Lufthygiene ben. Ariane Liebrich, Gemeindepolizei Pratteln. Walter Wehren, ehemaliger Ortschef/Zivilschutz- Geruchsbelästigungen und Luftverschmut- stellenleiter Gemeindeverwaltung Pratteln. 1985 trat die eidgenössische Luftreinhalte- zung treten jedoch auch in kleinerem Rah- Rolf Wehrli, Gemeinderat Pratteln, Departement Verordnung (LRV) in Kraft und 1990 wurde men auf. Wenn die liebe Nachbarin oder Öffentliche Sicherheit. der Luftreinhalteplan beider Basel verab- Nachbar Gartenabfälle verbrennt oder einen 258 schiedet. Um den Erfolg der Massnahmen Teil seines Hauskehrichts über das Che- minée entsorgt, um Kehrichtsackgebühren Einfacher ist dies bei Gas: Seit 1925 belie- zu sparen, klingelt auf der Gemeinde oft das Die Energie fern das «Gas- und Wasserwerk Basel» (die Telephon. Der zuständige Beamte macht heutigen Industriellen Werke Basel IWB) dann die fehlbaren Personen in einem per- Pratteln mit Gas. Während in Liestal vor der sönlichen Gespräch oder Schreiben auf das Elektrifizierung die Strassen noch durch ein gesetzeswidrige Verhalten aufmerksam. Im «Gas- und Lichtwerk» mit Gas beleuchtet Wiederholungsfall oder in krassen Fällen wurden, ist in Pratteln Gas nie zu Beleuch- werden die fehlbaren Personen verzeigt. tungszwecken eingesetzt worden. Über das Gas-Verteilnetz schloss Pratteln 1928 mit Einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqua- Die wirtschaftliche Entwicklung Prattelns dem «Gas- und Wasserwerk Basel» einen lität trägt sicher auch der konsequente Voll- und das damit verbundene Bevölkerungs- Vertrag ab, welcher 1992 mit den IWB neu zug der gesetzlich vorgeschriebenen Feue- wachstum widerspiegeln sich natürlich auch ausgehandelt wurde. Die auf öffentlichem rungskontrolle bei. Anhand dieser Kontrolle im Energieverbrauch. So hat beispielsweise Grund erstellten und betriebenen Gasver- wird überprüft, ob die Heizungen von der Erdgasverbrauch in den Haushalten von sorgungsanlagen sind Eigentum der IWB. Wohnbauten, Gewerbe und Industrie die 1970 bis 2000 um das achtfache zugenom- Die Netzlängen für die Niederdruckleitun- vorgeschriebenen eidgenössischen Grenz- men. Dabei muss man aber auch erwähnen, gen betrugen im Jahre 1970 ca. 20 und im werte verschiedener Luftschadstoffe einhal- dass es Verschiebungen zwischen den ver- Jahre 2000 ca. 30 km, die der Hochdrucklei- ten. schiedenen Energieträgern gab und immer tungen 1970 ca. 6,5 und im Jahre 2000 ca. noch gibt. 7,5 km. Bis 1970 wurde in Basel (Kleinhü- Als vorbildlich können die seit der ersten ningen) sogenanntes Stadtgas aus Kohle Ölkrise im Jahre 1973 realisierten Energie- Ein krasses Beispiel für derartige Verschie- gewonnen. Bereits seit Dezember 1967 lie- sparmassnahmen in den gemeindeeigenen bungen ist das fast vollständige Verschwin- ferte die Gasversorgung Süddeutschland Liegenschaften bezeichnet werden. Da- den der Primärenergie Kohle in unserer GmbH auch sogenanntes Ferngas, welches durch konnte der Verbrauch fossiler Brenn- Region. Bis vor wenigen Jahrzehnten war ab 1970 die Gasproduktion in Basel über- stoffe und somit parallel dazu auch der die Kohle eine sehr wichtige Energie zum flüssig machte. Das Ferngas wurde ebenfalls Schadstoffausstoss um ca. 30 Prozent redu- Heizen, Kochen und Warmwasseraufberei- aus Kohle gewonnen, aber dort wo die ziert werden. ten, für das Betreiben von Dampfmaschinen Kohle abgebaut wurde, so dass keine in der Industrie, bei Eisenbahnen und der Kohletransporte nötig waren. Zur Deckung Zur Reduzierung der Luftverschmutzung Schifffahrt sowie zur Herstellung von Gas. der Verbrauchsspitzen wurde in den Jahren durch den motorisierten Verkehr kann eine Kohle ist heute weitgehend durch Erdöl, 1967 bis 1974 in Basel eine Leichtbenzin- Gemeinde jedoch nur wenig beitragen. Erdgas und elektrische Energie ersetzt wor- Spaltanlage betrieben und 1971 begann die Notwendig sind hier regionale, nationale den. Umstellung auf Erdgas. Diese Umstellung oder sogar globale Massnahmen. wurde 1972 abgeschlossen. Unsere Erdgas- Werner Muggli Erdöl wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Lieferanten sind Deutschland, Frankreich zeitweise wichtigster Energieträger für das und die Niederlande. Der Gasabsatz für die Heizen und bei industriellen Prozessen. Im Haushaltungen betrug 1970 ca. 15300 MWh Gegensatz zur Elektrizität und zum Erdgas und im Jahre 2000 126687 MWh, also etwa ist es aber schwierig, für unser Gemeinwe- das achtfache. Im gleichen Jahr bezog die sen Verbrauchsmengen zu eruieren, da kei- Chemische Industrie Pratteln für 124567 ne zentrale Bezugsquelle existiert und keine MWh Erdgas, also ungefähr gleich viel wie Statistiken verfügbar sind. die Haushaltungen. (Für das Vergleichsjahr 259 1970 liegen für die Industrie keine Zahlen schon im September 1899 konnte in Liestal vor. Damals wurde neben Erdgas auch noch Motorenkraft abgegeben werden, alsdann viel Kohle verfeuert.) folgten Schöntal und Pratteln». Bei Schöntal waren das die Florettspinnerei Ringwald Wasserkraft und Kernbrennstoff sind heute und die Firmen Preiswerk und Merian-Preis- in der Schweiz die beiden wichtigsten Pri- werk. In Pratteln führt der Geschäftsbericht märenergien zur Gewinnung der wertvollen 20 Abnehmer auf, darunter die Firma Buss Sekundärenergie Elektrizität. Im Jahre 1840 & Cie. mit 43,5 PS, 20 Glühlampen und 15 wurden von der «Escher-Wyss» in Zürich die Bogenlampen. Bei der Anzahl Glühlampen ersten Turbinen zur Stromerzeugung aus steht die «Gemeinde Pratteln» mit deren 53 Wasserkraft hergestellt. Flusskraftwerke und an erster und «Tschudin, zum Ochsen» mit Speicher- bzw. Pumpspeicherkraftwerke lie- 28 Glühlampen an zweiter Stelle. Die meis- fern in unserem Lande immer noch die ten der übrigen Abnehmer waren Gewerbe- Hauptmenge (ca. 70 Prozent) an Primären- treibende, darunter fünf Wirte. ergie zur Erzeugung von Elektrizität. 1969 wurde in der Schweiz mit dem Bau von Interessant ist die Aufschlüsselung des Strom- Atom- bzw. Kernkraftwerken begonnen verbrauchs der Gemeinde Pratteln nach ver- (Beznau I, Mühleberg und Beznau II). In den schiedenen Verwendungsgruppen im Jahre Jahren 1979 und 1984 folgten die beiden 2001: grossen Kernkraftwerke Gösgen und Leib- kWh Fr. Der 2. Geschäftsberichts der Elektra Baselland statt. In diesem Zusammenhang sei auf die Dienstleistungs- aus dem Jahre 1901. Verhinderung des Baus eines Kernkraftwer- betriebe 10586028 1330892.66 kes in Kaiseraugst hingewiesen (s. Kapitel Gewerbe 27692117 4058684.12 ben und bei der Landwirtschaft entsprechen Einfluss der Parteien, der Vereine und der Haushalt 27800279 4963129.05 die Anteile am Stromverbrauch auch etwa Wirtschaft, Seite 210). Industrie 69434529 7420974.78 den Anteilen an den Kosten. Das Gewerbe Landwirtschaft 259293 42163.99 bezieht 20,4 Prozent der Strommenge und Pratteln gehörte 1899 zu den vier Grün- Total 135772246 17815844.60 leistet 22,8 Prozent der Kosten. dergemeinden der Elektra Baselland EBL. Zweck dieser Genossenschaft war und ist in Während die Haushalte mit etwa 20,5 Pro- Wie Pratteln zu Beginn des elektrischen erster Linie die Erstellung und der Unterhalt zent am Stromverbrauch beteiligt sind und Zeitalters bei der Gründung der EBL Pionier- eines Verteilnetzes für elektrische Energie. 27,8 Prozent der Stromkosten tragen, ist die geist gezeigt hat, so stellt sich Pratteln auch In neuerer Zeit werden aber auch neue Auf- Industrie mit 51,1 Prozent am Stromver- heute den energiepolitischen Herausforde- gaben, wie namentlich die Wärmeversor- brauch beteiligt und trägt 41,6 Prozent der rungen der Zeit. Obwohl unserem Land die gung, von der EBL wahrgenommen. Dem Kosten. Wenn auch bei der Industrie die Wasserkraft weiterhin als weitaus wichtigste ersten Geschäftsbericht der Genossenschaft Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Aus- erneuerbare Energie zur Verfügung steht, über das Bau- und Betriebsjahr 1899/1900 land berücksichtigt werden muss, so wird wird man in Zukunft vermehrt andere, neue kann entnommen werden, dass dem 13- man sicherlich bei der sich eben anbahnen- erneuerbare Energien (auch alternative Ener- köpfigen Verwaltungsrat auch zwei Prattler, den Liberalisierung des Strommarktes in gie genannt) entwickeln und zum Einsatz Hrch. Keller und J. Stohler-Löliger, angehör- einem genossenschaftlichen Unternehmen bringen müssen. Erwähnt seien hier Wind- ten. Über die Startphase der EBL liest man: auch die Interessen der Privatbezüger be- kraft, Sonnenenergie (Photovoltaik und Kol- 260 «Der Leitungsbau ging rasch vor sich und rücksichtigen. Bei den Dienstleistungsbetrie- lektoren), Biomasse und Geothermie (Erd- wärme). Die Erkenntnis, dass viele Energie- 1992 wurden die Superdigit-Radioprogram- ressourcen, wie Kohle, Erdöl, Erdgas und GGA und Internet me aufgeschalten, wegen der geringen Nach- auch Uran (zur Herstellung von Brennstäben frage 1999 aber wieder abgeschaltet. für die Kernkraftwerke) endlich sind, zwingt einerseits zu vernünftigerem und effiziente- Am 8. Juni 1997 haben die Prattler Stimm- rem Umgang mit vorhandenen Energien berechtigten dem Kredit von Fr. 2987400.– und andererseits zu ver-mehrtem Einsatz für den Ausbau und die Modernisierung der erneuerbarer Energien. Anfang der neunzi- GGA zugestimmt. Das Netz wurde mittels ger Jahre wurde in Pratteln von privater Glasfasern auf 862 MHz und Rückkanal- Seite die «Sopra-Solarenergie Pratteln» ge- Am 26. Februar 1984 bestätigte der Souve- tauglich ausgebaut. Dieser Ausbau war im gründet. Als erste Anlage wurde durch rän den Einwohnerratsbeschluss vom 24. September 1998 abgeschlossen. Diese Inves- diese Genossenschaft, teilweise in Fronar- Oktober 1983 für die Erstellung einer Gross- tition ermöglichte, das Kabelnetz für jed- beit, auf dem Dach des Erlimatt-Schulhauses gemeinschafts-Antennenanlage und bewil- welchen Datenverkehr zu nutzen. eine Photovoltaik-Anlage gebaut und in ligte einen Bruttokredit von Fr. 3700000.–. Betrieb genommen. Der so gewonnene In einer ersten Phase wurde anfangs 1999 Strom wird ins Netz der EBL eingespeist. Das Ingenieurbüro IFAC erhielt den Auftrag, ein Pilotversuch mit Internet und Telefonie Auch die EBL selbst betreibt bei verschiede- die GGA zu realisieren. Anstatt der ur- via Kabelnetz gestartet. Nach erfolgreichem nen Liegenschaften in Pratteln Photovol- sprünglich geplanten 12 TV- und 18 Radio- Abschluss erhielt die Firma Improware AG taik-Anlagen. In Zusammenarbeit mit der programme, wurden von Anbeginn 18 TV- den Zuschlag als Provider. Durch die Impro- EBL wurden in den letzten Jahren hier meh- und Radioprogramme übertragen. Die An- ware AG konnten im September 1999 die rere Blockheizkraftwerke erstellt (Stock- lage wurde so grosszügig konzipiert, dass ersten Abonnenten den Zugang aufs Inter- matt, Bahnhofstrasse, Ochsenareal, Längi), 40 TV-Programme aufgeschaltet werden net via HYPERLINK http://www.teleport.ch welche der Wärme- und gleichzeitig der konnten. benützen. Ende 1999 waren es 160 Abon- Stromerzeugung dienen. Die «Wärmeversor- nenten, im Jahr darauf 634 und Ende 2001 gung Krummeneich Pratteln AG» realisierte Auf Anschlussgebühren wurde verzichtet, bereits 1300 User. Dank der grossen Band- im Gebiet der Krummeneich mit einer Holz- womit eine sehr hohe Anschlussdichte er- breite dieser Technologie sind immer noch schnitzelfeuerung zur Wärmeerzeugung eine reicht wurde. Die monatlichen Betriebsge- Zunahmen an Benützern zu verzeichnen. zukunftsgerichtete Anlage. Betreiberin hier bühren pro Haushalt veranschlagte man mit ist ebenfalls die EBL. Dr. Hans Herzog Fr. 9.–. Ab dem 1. Januar 2001 bezieht auch die Gemeinde Birsfelden die Dienstleistungen Am 1. April 1985 erfolgte der «Spaten- der GGA Pratteln. Dank der fortschrittlichen stich» auf dem Dache des Fröschmattschul- Technologie finden immer wieder Ge- hauses. Ende 1987 wurden die letzten Lie- spräche für Signallieferungen mit weiteren genschaften erschlossen. Gemeinden statt. Auch wird ein reger Kon- takt mit der GGA Reinach gepflegt. Dieser Schon während der Bauzeit entschloss sich GGA-Verbund verfügt über ähnliche Struk- die Gemeinde Augst, das GGA-Signal von turen wie Pratteln, was die Nutzung von Pratteln zu beziehen. Bald darauf folgten Synergien erlaubt. die Gemeinden Giebenach, Kaiseraugst, Ols- berg, Rheinfelden und die Schweizerhalle Im Oktober 2001 wurde erstmals digitales (Muttenz). Fernsehen in Pratteln getestet. Seit Anfangs 261 2002 können drei digitale Pakete (26 TV- viel Wissenswertem über Politik, Geschich- und 23 Radioprogramme) mittels einer Set- te, Behörden und Verwaltung können Sen- Pratteln im Spiegel Top-Box empfangen werden. Am 1. Mai 2002 dertabellen, News und weitere Informatio- kantonaler und kam das digitale Paket vom Teleclub hinzu. nen über die GGA heruntergeladen wer- Weitere digitale Pakete werden vorbereitet, den. eidgenössischer auch ausländische, was zu einem weiteren Verschwinden von Satellitenschüsseln füh- Über den Info-Kanal sind Neuigkeiten direkt Abstimmungen ren wird. am Fernseher ersichtlich. Felix Knöpfel

Zur Zeit wird abgeklärt, ob es Sinn macht, die Kopfstation in eine neue Rechtsform zu Dass die Gemeinde Pratteln – wie jede überführen. Eine AG, welche von den ange- andere – ein besonderes politisches Profil schlossenen Gemeinden gehalten wird, soll hat, versteht sich von selbst. Doch es beruht gegründet werden. Dadurch kann schneller nicht allein auf der kommunalen Politik mit in einem sich stark verändernden Markt ihren speziellen Problemen und Institutio- agiert werden. nen. Es zeigt sich unter anderem auch darin, wie sich die Gemeinde in ihrem Abstim- Dank all dieser Investitionen ist es Pratteln mungsverhalten von anderen abhebt und gelungen, eines der modernsten Kabelnet- wo die Unterschiede zu Bund und Kanton ze zu betreiben. Stolz ist die GGA auch dar- liegen. Wenn hier also Pratteln im Spiegel auf, dass die Betriebsgebühren nie angeho- einiger kantonaler und eidgenössischer Ab- ben werden mussten. stimmungen betrachtet wird, so soll das dazu beitragen, die Stellung und den Stel- Am 31. Dezember 2001 belieferte die GGA lenwert von Pratteln genauer zu bestim- folgende sieben Gemeinden resp. 19286 men. Haushalte mit Radio- und TV-Signalen ab der Kopfstation: Um das zu tun, genügt es nicht, einfach die Prattler Resultate von wichtigen Abstim- Pratteln 6471 Teilnehmer mungsgängen aneinander zu reihen. Wenn Augst 396 Teilnehmer nach einem Profil von Pratteln gefragt wird, Giebenach 307 Teilnehmer müssen wir vielmehr die Unterschiede zu Kaiseraugst 1730 Teilnehmer den Resultaten im Kanton und im Bund eru- Olsberg 102 Teilnehmer ieren. Dies auch noch in Bezug auf die Rheinfelden 4819 Teilnehmer Nachbargemeinden zu tun, sprengt den Schweizerhalle 19 Teilnehmer Rahmen dieses Beitrags. Ich beschränke Birsfelden 5442 Teilnehmer mich darauf, die Unterschiede zwischen Total 19286 Teilnehmer dem Abstimmungsverhalten in Pratteln zu jenem auf der Kantons- und Bundesebene Seit dem 1. November 2001 betreibt die herauszuarbeiten und danach zu fragen, Gemeinde Pratteln ihre eigene Homepage welche Entwicklungen in den letzten Jahr- 262 (HYPERLINK http://www.pratteln.ch) Nebst zehnten dabei festzustellen sind. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Zustimmung noch. Ein deutlicher Ausdruck legenheiten (1968) und in den Gemeinden Unterschiede je nach Themenbereich unter- dafür, dass Pratteln mit dem wirtschaftli- (1970) komfortable Mehrheiten, die in Prat- schiedlich ausgestalten. Deshalb habe ich chen Aufschwung der Nachkriegszeit zu teln durchwegs über dem Schnitt des Kan- drei Politikfelder ausgewählt und darin über einer auf das Zentrum Basel ausgerichteten tons und des Bezirks Liestal lagen. Auf na- mehrere Jahrzehnte hinweg die lokalen Vorstadtgemeinde geworden war und sich tionaler Ebene stimmten die Prattler Män- Resultate mit denjenigen im Kanton und in dieser Frage den Unterbaselbieter Ge- ner dem Anliegen sowohl beim gescheiter- Bund verglichen.1 Es handelt sich a) um sozi- meinden des Bezirks Arlesheim anglich. Die ten Vorstoss von 1959 als auch beim endlich alpolitische Themen, b) um ökologische sechziger Jahre mit dem Ausbau der kanto- erfolgreichen von 1971 überdurchschnitt- Vorlagen und c) um Fragen der Öffnung der nalen Infrastrukturen in Spitälern und Schu- lich zu. Schweiz und des Umgangs mit Fremden. len brachten dann den Umschwung – auch Zuerst gehe ich aber auf zwei Einzelfragen in Pratteln, wo im Dezember 1969 erstmals a) Sozialpolitische Themen ein, die über Jahrzehnte hinweg die Wähler- eine knappe Mehrheit gegen die Wieder- schaft bewegt haben: die Forderung nach vereinigung stimmte. Pratteln haftet der Ruf an, eine «rote dem Frauenstimmrecht und die Frage der Gemeinde» zu sein – oder gewesen zu sein. Wiedervereinigung. Ein Blick auf die Ergebnisse bei den Gemein- Frauenstimmrecht dewahlen zeigt, dass das nur zeitweise der Abbildung 2 zeigt den «Siegeszug» des Fall war. Seit 1920 wies der Gemeinderat Wiedervereinigungsfrage Frauenstimmrechts in Pratteln, der aller- nur in 7 von 24 Amtsperioden eine linke Die Frage der Wiedervereinigung der beiden dings eher einem Schneckengang gleich- Mehrheit auf. In der Gemeindekommission Basel beschäftigte die Region in der Mitte kam. Die Zustimmung nimmt langsam zu, hatte von 1944 bis 1956 eine linke Mehrheit des 20. Jahrhunderts über Jahrzehnte. Ab- geht aber jeweils dann leicht zurück, wenn Bestand. Im Einwohnerrat erhielt die Linke bildung 1 zeigt die Ja-Stimmenanteile, wel- die Einführung des Frauenstimmrechts auf von 1979 bis 1984 Oberhand, und in der che in den Abstimmungen in Pratteln, im der nächst höheren politischen Ebene zur Amtsperiode davor und danach stand das Bezirk Liestal und im gesamten Baselbiet Debatte steht (1946 Wechsel auf die kanto- Kräfteverhältnis jeweils auf der Kippe. Meis- dabei entstanden. 1933, im Jubiläumsjahr nale, 1959 und 1971 auf die nationale tens hingegen dominierte eine bürgerliche der Kantonstrennung von 1833, war eine Ebene). Die erste Abstimmung fand 1926 Mehrheit. Doch vielleicht beruht der rote Initiative für die Wiedervereinigung lanciert statt, wobei es bloss um das Stimmrecht in Ruf von Pratteln weniger auf den tem- worden, die 1936 in beiden Halbkantonen «Schul-, Armen- und Kirchensachen» ging. porären Mehrheiten in Exekutive und Legis- angenommen wurde, obwohl der obere Mit 48,7 Prozent Ja-Stimmen scheiterte der lative als auf dem Abstimmungsverhalten in Kantonsteil sich dagegen aussprach. In Prat- Vorstoss im Kanton nur knapp. In Pratteln Sachfragen. Ein Blick auf die Ergebnisse von teln lag die Zustimmung knapp über dem wäre die Vorlage sogar mit einem Dreivier- sozialpolitischen Vorlagen kann darüber Kantonsmittel, aber deutlich über dem ab- telmehr angenommen worden. Als dann Aufschluss geben (Abbildung 3). lehnenden Votum des Bezirks Liestal. Weil 1946 das allgemeine politische Stimmrecht der 1938 in einer Volksabstimmung mit für Frauen zur Diskussion stand, hatte die Deutlich zeigt sich, dass in Pratteln sozialpo- ähnlichen Stimmenanteilen gutgeheissene Vorlage weder im Kanton noch in Pratteln litische Vorlagen stets auf grössere Zustim- Wiedervereinigungsartikel von der Bundes- eine Chance. In den folgenden Jahren folg- mung gestossen sind als im Kanton und im versammlung nicht gewährleistet wurde, ten verschiedene weitere Vorstösse. Nach- Bund. Dies setzte 1894 ein bei der Abstim- kam es in den 1950er Jahren zu einer Neu- dem im Baselbiet 1966 der Grundsatz und mung über die Initiative für ein Recht auf auflage des Vorstosses für eine Wiederverei- 1967 die Lösung durch Gesetz angenom- Arbeit, der ersten Initiative der SPS, die keiner- nigung. Bei den Abstimmungen von 1958 men worden war, erreichte die Einführung lei Chance hatte, in Pratteln aber immerhin und 1960 erhöhte sich in Pratteln die des Frauenstimmrechts in kantonalen Ange- auf einen Drittel Zustimmung stiess. Aller- 263 dings zeichnet sich seit den 1970er-Jahren 5,4 bzw. 8,4 Prozentpunkte. Bei den zwei gen das Arbeitsgesetz von 1996 gezeigt ab, dass Pratteln die sozialpolitischen Vorla- Vorlagen zur Flexibilisierung des Rentenal- haben. Doch von einem profiliert «roten» gen meist überdurchschnittlich befürwor- ters im Dezember 2000 sank die Prattler Pratteln kann deswegen heute nicht mehr tet, aber längst nicht mehr im Ausmass Zustimmung ziemlich genau auf das Bun- gesprochen werden. früherer Zeiten. Diese Entwicklung lässt sich desmittel, blieb aber noch über derjenigen sehr gut am Beispiel der Arbeitszeitvorlagen im Kanton Baselland. b) Ökologische Themen verfolgen. 1920 und 1924, als es um die Er- rungenschaft der 48-Stunden-Woche ging, Es ist also festzuhalten, dass Pratteln in den Zu einem oppositionell-fortschrittlichen Ima- übertraf die Zustimmung in Pratteln jene im letzten 20 Jahren bei Abstimmungen zu ge von Pratteln könnte aber in den letzten Bund um fast 30 und jene im Kanton um sozialpolitischen Themen sukzessive sein Jahrzehnten des 20. Jh. auch die Haltung in zehn bzw. 17 Prozentpunkte. 1958 erhielt früher ausgeprägtes Profil als «linke» Ge- ökologischen Belangen beigetragen haben. eine Initiative für die Einführung der 44- meinde eingebüsst hat und zum Durch- Betrachten wir die Abbildung 4, die auf 28 Stunden-Woche in Pratteln eine Mehrheit schnitt gerückt ist. Dies ist zum einen sicher Abstimmungen über ökologische Fragen von 57 Prozent, im Kanton lag das Ergebnis Ausdruck davon, dass sich Pratteln in seiner seit 1950 beruht. Zunächst entsteht der Ein- um 14, im Bund um 22 Prozentpunkte dar- Bevölkerungsstruktur von der Industriege- druck eines verwirrenden Auf und Ab. Zwar unter. Als 1976 über die 40-Stunden- meinde mit einem ausgeprägten sekun- lag Pratteln bei den frühen umweltpoliti- Woche abgestimmt wurde, kam selbst in dären Sektor zu einer Vorstadtgemeinde mit schen Vorlagen zum Gewässerschutz (1953), Pratteln mit 35 Prozent keine Mehrheit da- Schwergewicht im Dienstleistungsbereich zum Schutz der Rheinlandschaft bei Rhein- für zustande. Der Ja-Stimmen-Überschuss ge- gewandelt hat. Dazu kommt, dass mit dem au (1954), bei den Verfassungsartikeln über genüber dem Kanton und dem Bund sank steigenden Ausländeranteil an der Bevölke- einen Natur- und Heimatschutz (1962) und auf acht bzw. 13 Prozentpunkte. Bei der rung eine immer grösser werdende Gruppe den Umweltschutz (1971) sowie beim nächsten Vorlage für eine Arbeitszeitverkür- aus den eher unteren Einkommensschich- Raumplanungsgesetz (1976) klar über dem zung im Jahr 1988 betrug das Zustim- ten vom Stimmrecht ausgeschlossen ist.2 kantonalen und eidgenössischen Schnitt. mungsplus nur noch fünf bzw. acht Pro- Doch dann stellt sich eine Zickzacklinie ein. zentpunkte. Als schliesslich 1996 über das Bemerkenswert ist weiterhin, dass im Kan- Immerhin wird deutlich, dass die Befürwor- Referendum zum revidierten Arbeitsgesetz ton die Angleichung des Abstimmungsver- tung von ökologischen Anliegen in Pratteln abgestimmt wurde, glich sich die Stimme haltens an den Bund in sozialpolitischen Fra- bis auf wenige Ausnahmen stets grösser Prattelns derjenigen von Bund und Kanton gen schon um 1970, gut zehn Jahre vorher, war als im schweizerischen Durchschnitt. fast an – ein Ergebnis, das bei der Abstim- einsetzte. In den letzten Jahren zeigte sich mung über die 36-Stunden-Woche im März der Kanton Baselland bei sozialpolitischen Um diesen Ausnahmen auf die Spur zu 2002 ganz ähnlich ausfiel. Vorlagen sogar leicht weniger zustimmungs- kommen, müssen wir eine Aufteilung der freudig als der Durchschnitt der übrigen Vorlagen vornehmen. Ein klareres Bild er- Dieser Trend bestätigt sich vollauf in den Kantone. Die geringer werdende Distanz gibt sich nämlich, wenn wir die Abstimmun- Abstimmungen über die AHV und das Ren- zwischen den Ergebnissen in Gemeinde, gen zu Strassenverkehrsfragen ausklammern. tenalter. Der Einführung der AHV (1947b) Kanton und Bund heisst aber nicht, dass (Abbildung 5.) Bei den verbleibenden Vorla- wurde in Pratteln mit sensationellen 96,1 sozialpolitische Anliegen in Pratteln keine gen ging es dann vorwiegend um Energiefra- Prozent zugestimmt. 1977 erhielt in Pratteln Chance mehr hätten. Sie haben es zwar gen. Vor dem Hintergrund des Kampfs ge- die Initiative für die Herabsetzung des Ren- schwerer, eine Mehrheit zu finden. Doch ist gen das Atomkraftwerk in Kaiseraugst mit tenalters 8,7 Prozent mehr Zustimmung als dies nach wie vor möglich, wie die Erfolge der Besetzung von 1975 und den nachfol- im Kanton und elf Prozent mehr als im der Referenden gegen die Verschlechterung genden Verhandlungen, Demonstrationen 264 Bund. 1988 betrug dieser Vorsprung noch der Arbeitslosenversicherung 1997 und ge- und Unterschriftensammlungen überrascht es nicht, dass in Pratteln die Zustimmung zu In jüngster Zeit ist aber das Zustimmungs- keine Vorlagen zur Atomkraftnutzung mehr atomkritischen Initiativen besonders hoch plus in energiepolitischen Fragen – ein Feld zur Abstimmung gekommen sind. war. Angesichts der starken Sensibilisierung in dem sich Pratteln als ökologisch fort- der Region in diesen Fragen ist es auch nicht schrittlich etabliert hatte – geschrumpft. So c) Öffnung und Umgang mit Fremden erstaunlich, dass die Differenz vor allem ge- etwa bei der Solarinitiative (2000b) und der genüber dem schweizerischen Durchschnitt Energielenkungsabgabe (2000c). Umgekehrt Zu den Abstimmungen, welche die grösste ausgeprägt ist, weniger aber zum übrigen zeichnet sich bei Vorlagen zur Strassenver- Stimmbeteiligung bringen und die am mei- Baselbiet. Im Kanton war schon 1978 eine kan- kehrspolitik in den letzten Jahren gegen- sten Emotionen wecken, gehören Vorlagen, tonale Volksinitiative zum Schutz der Bevöl- über den gesamtschweizerischen Resultaten in denen es um die Öffnung der Schweiz kerung vor Atomkraftwerken mit 63 Prozent eine Sensibilisierung ab. Noch 1977 stimm- und um den Umgang mit Fremden geht. angenommen worden. In Pratteln hatte der ten fast 50 Prozent der im Bund mit 39 Pro- Deshalb soll auch ihr Abschneiden in Prat- Ja-Stimmen-Anteil 68,6 Prozent betragen. zent Ja-Stimmen chancenlosen Albatros-Ini- teln näher untersucht werden. tiative gegen die Luftverschmutzung durch Besonders ausgeprägt war die erhöhte Motorfahrzeuge zu. In den 1980er-Jahren Die Frage der Öffnung der Schweiz beschäf- Zustimmungsfreudigkeit Prattelns bei den sank dann die Bereitschaft, beim motorisier- tigte die Stimmbürger schon unmittelbar Abstimmungsgängen gegen die Atomener- ten Verkehr Einschränkungen oder zusätzli- nach dem Ersten Weltkrieg, als im Mai 1920 gie. Die Initiative für die Wahrung der Volks- che finanzielle Belastungen zu bewilligen, über den Beitritt zum Völkerbund abge- rechte beim Bau von Atomkraftwerken (1979) unter den Schnitt des Kantons und zeitwei- stimmt wurde. In Pratteln sprach sich da- wäre in Pratteln mit einer Zweidrittelmehr- se auch des Bundes. Die Schwerverkehrsab- mals nur ein gutes Drittel dafür aus, im heit angenommen worden. Im Bund blieb gabe (1984a) und die Autobahnvignette Baselbiet betrug die Zustimmung 40,2 Pro- sie knapp unter 50 Prozent. Gar drei Viertel (1984b) wurden in Pratteln zwar mit 57,7 zent. In der übrigen Schweiz, vor allem in stimmten in Pratteln fünf Jahre später für bzw. 51,1 Prozent angenommen, aber we- der Romandie, war die Bereitschaft zur Öff- eine «Zukunft ohne AKW’s» (1984c). Ge- niger deutlich als in Bund und Kanton. Noch nung grösser, so dass es zu einem Volks- samtschweizerisch waren es nur 45 Prozent. immer haben es diese Vorlagen in Pratteln mehr und einem äusserst knappen Stände- In der Folge sind der Elan des Widerstands etwas schwerer als im gesamten Baselbiet. mehr reichte. Obwohl schon 1920 die gegen die Atomkraft und die Mobilisie- Sie fanden aber mit Ausnahme der Alpen- Neutralitätsvorbehalte zu den wichtigsten rungsfähigkeit der Bewegung offenbar zu- initiative (1994b) und der Verkehrshalbie- Gründen der Beitrittsgegner gehörten, lässt rückgegangen. Jedenfalls sank die Stimm- rungsinitiative (2000a) eher mehr Zustim- sich die damalige Situation mit den Öff- beteiligung 1990, als zwei Anti-AKW-Vorla- mung als im Bund. Insgesamt bewegen sich nungsvorlagen in der zweiten Hälfte des 20. gen zur Abstimmung kamen, gegenüber jedoch die Prattler Abweichungen in diesem Jh. kaum vergleichen.3 Die in der Abbildung den 54 Prozent von 1984 um mehr als zehn Politikbereich innerhalb einer relativ engen 6 zusammengestellte Reihe von elf Abstim- Prozentpunkte. Immerhin votierten in Prat- Bandbreite zwischen minus vier und plus mungsgängen setzt daher 1972 ein und teln noch 57,7 Prozent für den «Ausstieg sechs Prozent. enthält Vorlagen, in denen es auf sehr un- aus der Atomenergie» (1990a), zehn Pro- terschiedliche Art um Fragen der Öffnung zent mehr als im Bund. Ein einziger Erfolg Was in Bezug auf die Sozialpolitik festzustel- der Schweiz ging. Sie reichen vom Freihan- war auf nationaler Ebene in diesen Fragen len war, zeigt sich auch hier: In den letzten delsabkommen mit der EG (1972) über ein zu verzeichnen. Im selben Urnengang (1990b) Jahren hat sich im Stimmverhalten der Pratt- Referendum gegen einen Kredit für die entschied sich auch gesamtschweizerisch ler und Prattlerinnen eine Annäherung an Internationale Entwicklungsbank (1976), die eine Mehrheit von 54,5 Prozent für ein den kantonalen und eidgenössischen Durch- UNO-Beitrittsfrage (1986) bis zum EWR-Bei- zehnjähriges Moratorium beim Bau von schnitt vollzogen. Dies dürfte allerdings tritt (1992) und den Bilateralen Abkommen Atomanlagen. auch damit zu tun haben, dass seit 1990 (2000). 265 Auch hier zeigt sich in den letzten Abstim- Während bei den Öffnungsvorlagen eine politischen Abstimmungen, auf die hier mungsgängen eine Annäherung der Kurven Abschwächung der Zustimmung festzustel- nicht weiter eingegangen werden kann, innerhalb einer relativ schmalen Bandbreite. len ist, zeigt sich bei den Vorlagen zum trifft dies zu. Dagegen ist bei Vorlagen, die Eine einzige Vorlage (1978) schert mit 9,1 Umgang mit Fremden – das heisst bei Ab- eine restriktivere Haltung im Umgang mit Prozent mehr Zustimmung als im Bund ein stimmungen zum Ausländer- und Asylrecht Fremden verlangen, das Gegenteil der Fall. wenig aus der Kurve aus – und diese war – eine Neigung zu einer restriktiveren Hal- Hier erhält das Abstimmungsprofil von Prat- doch eher unpolitischer Art: Es ging um die tung, vor allem im Verhältnis zum schweize- teln eher mehr Konturen. Im Wandel des Einführung der Sommerzeit. 1986 traten rischen Schnitt. Dies verdeutlichen die an- Abstimmungsverhaltens in Pratteln manife- 28,3 Prozent der Stimmenden in Pratteln für steigenden, gestrichelten Trendlinien in stiert sich somit die Entwicklung der Ge- den UNO-Beitritt ein, vier Prozentpunkte Abbildung 7. meinde zu einer Agglomerationsgemeinde, mehr als in der Gesamtschweiz, aber um die den Wandel vom Industrie- zum Dienst- etwa gleich viel weniger als im gesamten Die Schwarzenbach-Initiative, die eine Limi- leistungsstandort mitgemacht hat, sich aber Baselbiet. Die erfolgreiche UNO-Beitrittsab- tierung des Ausländeranteils an der Bevöl- soziologisch von anderen dadurch unter- stimmung vom 3. März 2002 zeitigte – mit kerung auf höchstens zehn Prozent verlang- scheidet, dass ihre Bevölkerung mit 35 Pro- etwas geringeren Abständen – die gleiche te, erhielt 1970 in Pratteln mit 44,1 Prozent zent einen überdurchschnittlichen Auslän- Konstellation: Pratteln stimmte dem Beitritt noch zwei Prozentpunkte weniger Ja als im deranteil aufweist. Die Analyse zeigt, dass in mit 57,4 Prozent um 1,4 Prozentpunkte schweizerischen Durchschnitt. Bei der näch- Pratteln im Vergleich zum Bund und zum weniger stark zu als das Baselbiet, lag aber sten «Überfremdungsinitiative» (1974) senk- Kanton zwar nach wie vor leicht überdurch- immer noch um 2,8 Prozentpunkte über te Pratteln den nationalen Zustimmungs- schnittlich sozial und ökologisch abge- dem schweizerischen Durchschnitt. schnitt ebenfalls noch. Seither aber lag bei stimmt wird. Doch seit den 1980er-Jahren Vorlagen, die eine Abschliessung gegen ist die Differenz so gering geworden, dass Zwei allgemeine Trends lassen sich festhal- Fremde verlangten, die Zustimmung in Prat- von einer «roten» oder «grünen» Gemein- ten. Die Differenzwerte von Pratteln zum teln stets über jener von Kanton und Bund. de nicht gesprochen werden kann. Die Ana- Bund liegen zuerst über der X-Achse, fallen Deutlich war dies der Fall bei den späteren lyse bestätigt somit, dass Pratteln in der bei der Blauhelm-Vorlage (1994) und der Überfremdungsinitiativen (1977, 1984 und Schweiz liegt – schon ziemlich nahe an Initiative EU-Beitrittsverhandlungen vor das 2000), aber auch bei den meisten Asylvorla- ihrem Durchschnitt. Dr. Ruedi Brassel Volk (1997) darunter, steigen bei der Ab- gen. Integrationsfreundliche Vorlagen wie stimmung über die Bilateralen Verhandlun- die Mitenand-Initiative (1981), das Auslän- gen (2000) wieder darüber, um sich dann dergesetz von 1982 oder Vorstösse für eine dem gesamtschweizerischen Wert wieder erleichterte Einbürgerung (1983 und 1994b) anzunähern. Das heisst: Die Bereitschaft zur hatten es in Pratteln entsprechend auch Öffnung war in Pratteln in der Regel eher meist überdurchschnittlich schwer. leicht höher als im Bund, aber mit deutlich sinkender Tendenz. Die Differenzwerte zum Zusammenfassung Kanton liegen hingegen fast durchwegs unterhalb der X-Achse. Das Baselbiet zeigt Nicht nur, wie dargestellt, in den sozialpoli- also eher mehr Öffnungsbereitschaft als tischen und den ökologischen Themen so- Pratteln. Es bestätigt sich zudem der schon wie bei den Öffnungsvorlagen nähert sich von R. Epple festgestellte Trend, dass der das Prattler Abstimmungsverhalten in den Baselbieter Ja-Stimmen-Überschuss abnimmt letzten Jahren dem schweizerischen und 266 und die offene Haltung sich abschwächt. kantonalen Schnitt an. Auch in den armee- Abbildung 1 Abbildung 2 Ja-Anteile bei den Abstimmungen über die Wiedervereinigung Ja-Anteile bei Vorlagen für das Stimmrecht für 1936–1969, in Prozent. Frauen, in Prozent.

Abbildung 3 Sozialpolitische Themen in Pratteln 1894–2001. Differenz zwischen dem Gemeindergebnis und jenem von Bund und Kanton, in Promillen.

Wie sind die Abbildungen 3–7 zu lesen?

Diese Abbildungen zeigen, um wie viel die Abstimmungsergebnisse in Pratteln von denjeni- gen im Baselbiet und im Bund abweichen. Liegt etwa die Kurve «Pratteln im Vergleich zum Kan- ton» über der X-Achse, wie bei den sozialpoliti- schen Themen in Abb. 3, so dokumentiert das die grössere Zustimmung in Pratteln. Liegt sie unter der X-Achse, wie etwa bei den Öffnungs- Themen (Abb. 6), so drückt das aus, dass der Ja- Anteil im Kanton grösser war als in Pratteln.

Die Grafiken zeigen also nicht, wie viel Prozent der Stimmenden in Pratteln zugestimmt oder abgelehnt haben, sondern wie stark sich das Prattler Ergebnis von den anderen abhebt. Diese Differenzrechnung erlaubt es, über längere Zei- ten in ähnlichen Themenfeldern die Entwicklung von Einstellungen und Stimmverhalten zu verfol- gen und das Profil von Pratteln herauszuarbeiten. 267 Abbildung 4 Ökologische Themen in Pratteln. Differenz zwischen Gemeinde-Ergebnis und jenem in Bund und Kanton, in Promillen.

FUSSNOTEN: 1 Mein Vorgehen lehnt sich an jenes von Ruedi Epple an, dem ich für das zur Verfügung Stellen des Datenmaterials der Abstimmungen im Abbildung 5 Baselbiet herzlich danke. Vgl. Ruedi Epple, Ökologische Themen in Pratteln (ohne Strassenverkehrsvorlagen). Differenz Weltoffen oder geschlossen? Zur politischen zwischen Gemeinde-Ergebnis und jenem in Bund und Kanton, in Promillen. Kultur des Baselbiets, in: Geschichte 2001, Mit- teilungen der Forschungsstelle Baselbieter Ge- schichte Nr. 22, Liestal, Juni 1997. 2 Der Anteil der ausländischen Bevölkerung stieg in Pratteln von 6,7% 1950 auf 17.9% 1960, sank nach dem Kulminationspunkt von 28,8% im Jahr 1974 wieder, um seit den 1980er-Jah- ren erneut anzusteigen. 2000 betrug er 35,4%. 3 Vgl. dazu Carlo Moos, Ja zum Völkerbund – Nein zur UNO. Die Volksabstimmungen von 1920 und 1986 in der Schweiz, Zürich 2001 sowie: Ruedi Brassel-Moser, «Auch du, verehr- ter Eidgenoss». Die Völkerbundsdiskussion im Baselbiet, in: Geschichte 2001, Mitteilungen der Forschungsstelle Baselbieter Geschichte, 268 Nr.30, Liestal, März 2000. Abbildung 6 Öffnungs-Themen in Pratteln, 1972–2001. Differenz zwischen Gemeinde-Ergebnis und jenem in Bund und Kanton, in Promillen.

Abbildung 7 Vorlagen zum Umgang mit Fremden in Prat- teln, 1922–2000. Differenz zwischen Ge- meinde-Ergebnis und jenem in Bund und Kanton, in Promillen.

269 270 Soziale Institutionen … Was nun das Schreiben anbetrift, so gab es in Pratteln vor 1820 vielleicht nicht 10 Bürger, die ordentlich schreiben konnten; denn in den Jah- ren 1830 bis 40 kam es nicht selten vor, dass Männer nicht einmal ihren Namen schreiben konnten ... Aus den sogenannten «Papieren» des bedeu- tendsten Prattler Dorfchronisten Johannes Mar- tin (1807–1890). (Privatbesitz.) gaten ersten Spatenstich am 29. März 1979 malste. Sie betreut die Kinder, welche aus Der Robinson- begannen, gingen nur zögerlich voran. Mit den verschiedensten Milieus und Kulturen Spielplatz Lohag der Pro Juventute, als Kenner in Sachen stammen, auf eine menschlich warme Art Spielplätze, wurden Gespräche geführt. 1979 und lässt sich auch durch Unannehmlichkei- entstand der Hartplatz, 1980 die Umzäu- ten nicht davon abhalten, weitere Aktivitä- nung, das Holzlager, die Pergola und ein Teil ten für den Robi zu entwickeln. Auf Vanda- der Inneneinrichtung. 1981 wurden die Ka- lenakte an den Gebäuden, Misshandlungen nalisation, das Tiergehege, der Stall und die der Tiere und auf Einbrüche könnte der Spielgeräte eingerichtet. Am 29. August Robi, der in der heutigen Zeit einen schwe- Auf Grund einer Idee von SP-Frauen reichte 1981 konnte dann der Robinson-Spielplatz ren Stand hat, nämlich gut verzichten. Der der damalige Präsident des Quartiervereins der Prattler Jugend übergeben werden; ein Robi Lohag ist eine Prattler Einrichtung, die Längi, Walter Biegger, im Juni 1972 im Ein- ansprechendes Resultat der langen Bemü- es verdient, noch viele Jahre den verschie- wohnerrat eine Motion ein mit der Forde- hungen des Hauptinitianten Rolf Ackermann, densten Prattler Kindern Freude, Erholung rung an den Gemeinderat, im Gemeinde- der freiwilligen Arbeit (über 2000 Arbeits- und Geborgenheit zu bieten. Käthi Furler bann einen Robinson-Spielplatz zu erstel- stunden) des Quartiervereins und der Ein- len. Eine Studienkommission unterstützte wohner- und Kirchgemeinden. den Gemeinderat in seinen Bemühungen, QUELLE: eine geeignete Lösung und vor allem einen Trägerverein des Robis ist immer noch der «Wie unser Robinsonspielplatz organisiert ist» Be- geeigneten Standort zu finden. Nach eini- Quartierverein Längi, obwohl er sich derzeit triebskommission 1996, Autor Rolf Ackermann. gem Hin und Her entschied man sich dann in einer kritischen Phase befindet. Die Sub- für die gemeindeeigene Parzelle «Lohag». ventionen der Einwohnergemeinde sind ver- Im Mai 1978 genehmigte auch der Einwoh- traglich geregelt und abgesichert. Leider nerrat das Geschäft. Bei der Planung und sind die Kirchgemeinden seit der Entflech- Gestaltung nahm jetzt der Quartierverein tung Kirche–Staat aus ihrer finanziellen Ver- Längi eine sehr aktive Rolle ein. Doch schon pflichtung ausgestiegen. Eine Betriebskom- 1975 hatte der QVL ein Längifest ganz zu mission, zusammengesetzt aus vier Mitglie- Gunsten des zukünftigen Robispielplatzes dern der Einwohnergemeinde und drei Mit- durchgeführt. Aus diesem Fest resultierte gliedern des QVL, ist zuständig für die Füh- ein «Riesencheck» in Höhe von Fr. 11500.–, rung des Robispielplatzes, dessen Organisa- der dem damaligen Gemeindepräsidenten tion in speziellen Pflichtenheften und Regle- Walter Kohler für den Robi-Bau übergeben menten festgehalten ist. wurde. Der QVL steuert übrigens jährlich 3000 Franken, die er an dem traditionellen Der Robi Lohag, seit 2000 eine Gemeindeins- Längifest erwirtschaftet, an die Betriebskos- titution, bietet zur Zeit vor allem den Längi- ten bei. Neben der Einwohnergemeinde, die quartier-Kindern ein Zuhause. Die eigentli- bereits einen «Start-Beitrag» von 75000 chen Aufgaben, die verbunden sind mit der Franken (davon 45000 für die Baracke) leis- Führung eines Robis, wie Spielanimation, tete, sicherten auch die Kirchgemeinden Bei- Tierbetreuung und damit Hilfe zur Entwick- träge an die laufenden Betriebskosten zu. lung der eigenen Fähigkeiten und des Ver- Rechtmässiger Trägerverein des Robi wurde antwortungsbewusstseins im allgemeinen, der QVL. Die Bauarbeiten, die mit dem obli- erfüllt die momentane Leiterin auf das opti- 273 der Sinn des «Jugis» in Frage gestellt. Die Das Jugendhaus Ansprüche an das Jugendhaus und auch Der Tagesmütter- seine BesucherInnen haben sich verändert. Verein Pratteln-Augst Heute wird das Haus von einem Leiterteam eher in Richtung Animation und Freizeitge- staltung geführt.

In unserem Dorf mit hohem Ausländeranteil und multikulturellen Ansprüchen nimmt das Das Jugendhaus wurde im Jahre 1977 in der Jugendhaus einen nicht mehr wegzuden- Den Anstoss zur Gründung des Tagesmüt- alten Schweighauser-Liegenschaft an der kenden wichtigen Platz ein. Auch wenn das ter-Vereins Pratteln-Augst am 17. Novem- Gottesackerstrasse erstmals eröffnet. Das Jugi nicht bei allen Prattlern Begeisterungs- ber 1983 gibt das am 1. Januar 1983 in Haus war damals als autonomes Zentrum stürme auslöst, ist und bleibt es ein Ort, an Kraft getretene Pflegekindergesetz, wo- geführt worden, unterstützt durch den Trä- dem versucht wird, Integration zu leben, nach Kinder, die so genannten Tagesmüt- gerverein FOJAP (Forum für offene Jugend- den Jugendlichen ein gewisses Beziehungs- tern zur Pflege und Erziehung anvertraut arbeit Pratteln). Finanziell involviert waren netz zu bieten und auch an ihre Eigenver- werden, geschützt werden sollen. Gemäss die Einwohner- und Kirchgemeinden. Auch antwortlichkeit zu appellieren. diesem Gesetz obliegt die Aufsicht der örtli- die von ehrenamtlich tätigen Frauen geführ- chen Vormundschaftsbehörde am Ort der te Brockenstube leistete einen wesentlichen Der frühere Trägerverein ist durch die Ein- Unterbringung des Tagespflegekindes, wo- Beitrag. wohnergemeinde abgelöst worden. Eine Be- bei die Behörde die Aufsichtspflicht an eine triebskommission, bestehend aus drei vom entsprechende Organisation delegieren kann. Mit den Jahren hat sich das Konzept eines Einwohnerrat gewählten Personen, der Ab- Im Mai 1986 wird der privatrechtliche Tages- autonomen, d.h. von den Jugendlichen ge- teilungsleiterin Kultur/Schule/Sport, der zu- mütter-Verein nach Art. 60 ZGB von der führten Hauses, begleitet von Sozialpäda- ständigen Gemeinderätin bzw. dem zustän- kantonalen Erziehungs- und Kulturdirektion gogen, als überholt erwiesen. Immer wieder digen Gemeinderat und einem Vertreter der als Fachstelle für den Teilbereich Tagespfle- wurde auch das Äussere des Gebäudes, sein Jugendlichen ist für die Organisation des ge anerkannt. Am 5. September 1989 wird Betrieb und seine BenützerInnen und damit Jugis zuständig. Richtlinien sind in Pflichten- dann eine Vereinbarung mit der Vormund- heften, einem Reglement und in einem Kon- schaftsbehörde und ein Reglement mit der zept festgelegt. Noch immer kann mit der Gemeinde unterzeichnet, welche die Rech- Unterstützung der Brockenstube gerechnet te, Pflichten und Obliegenheiten des Vereins werden. regeln. Der Verein arbeitet auf der Basis von Verträgen. Die Gebäudehülle wurde kürzlich von Ju- gendlichen zusammen mit Arbeitslosen re- 1984 wird der Verein in die IGOP und 1989 noviert und an der Nordfassade mit einer in die IG (Interessengemeinschaft der Tages- Metall-Fluchttreppe versehen; dies eine Vor- müttervereine beider Basel), heute Verband aussetzung, um auch den Dachstock aus- Tagesfamilienvereine Nordwestschweiz (VTN), bauen zu können. Käthi Furler aufgenommen. Am 1. Januar 1991 schliesst Das Prattler Jugendhaus befindet sich seit dem sich die Gemeinde Augst Pratteln an, der Jahre 1977 in der Schweighauser-Liegenschaft Verein nennt sich nun Tagesmütter-Verein 274 an der Gottesackerstrasse. Pratteln-Augst. alleinerziehenden Müttern und Vätern einen Finanzielles möglichst idealen, quartierbezogenen und Das Tagesheim Pro Juventute und Kinderkrippe «Chäfer- finanziell tragbaren Tagespflegeplatz zu ver- «Chäferhuus» huus» spenden zum Start je 500 Franken. mitteln. 1986 gewährt der Gemeinderat dem Verein ein Startkapital von 3000 und spricht eine Der Vorstand trifft sich regelmässig, um Pro- Defizitgarantie von 10000 Franken. bleme bestehender Pflegeverhältnisse so- wie neue Vertragsabschlüsse zu besprechen. Anfangs deckt der Verein die Entschädigun- Die Vorstandsmitglieder besuchen auch Kur- gen an die Tagesmütter aus Elternbeiträgen, se, Tagungen des VTN und verwandter Insti- 1962 erkannte der reformierte Frauenverein Mitgliederbeiträgen, Spenden und eigenen tutionen, Sitzungen der IGOP usw. die Zeichen der Zeit. Schon immer wurden Aktivitäten (Floh- und Weihnachtsmärkte, Kinder von berufstätigen Eltern tagsüber in Mithilfe bei grossen Festen usw.). Im Laufe Bereits seit 1984 werden Einführungskurse anderen Familien betreut. Für viele Kinder der Jahre steigt die Nachfrage von finanziell für Tagesmütter und Eltern angeboten. Für liess sich aber damals kein entsprechender schwach gestellten Eltern nach Tagespflege- die Tagesmütter ist der Besuch dieser Aus- Platz finden. Das steigende Bedürfnis ent- plätzen stark an. Der Einwohnerrat be- und Weiterbildungskurse obligatorisch. stand einerseits aus der zunehmenden An- schliesst nun, mit einem jährlichen, indexier- zahl alleinerziehender Mütter und Väter, ten Gemeindebeitrag von 60000 Franken Der Tagesmütter-Verein ist, seinem Zweck andererseits war es für immer mehr Frauen (Indexstand November 1986) den Tages- entsprechend, sehr stark dem sozialen Wan- notwendig, für den Familienunterhalt mit- mütter-Verein zu unterstützen. Die Bürger- del der Zeit unterworfen. Schnelles Handeln zuverdienen. Dies betraf sowohl Schweizer- gemeinde gewährt einen einmaligen Bei- und Einstellen auf Veränderungen sind wie Ausländerfamilien. Deshalb ergriff der trag von 5000 Franken. Die Gemeinde Augst selbstverständlich. Der Tagesmütter-Verein – reformierte Frauenverein die Initiative zur beteiligt sich mit 800 Franken jährlich an er zählt 25 Tagesmütter, die rund 40 Kinder Schaffung einer Krippe mit Tagesheim. den Infrastrukturkosten. im Alter von null bis ca. zwölf Jahren betreu- en (Stand Mai 2002) – ist als berechtigte Bedürfnis und Gründung Die Tagesmütter, von denen es leider zu we- soziale Institution in einer fortschrittlichen nige gibt, erhalten eine Aufwandsentschä- Gemeinde integriert. Sonja von Rotz Am 23. Oktober 1963 stimmte die Gemein- digung, Spesen sowie die Kosten für die deversammlung der Errichtung einer Krippe Mahlzeiten. Die Eltern bezahlen nach einem mit Tagesheim für 30 bis 35 Kinder im Alter Sozialtarif. von sechs Wochen bis zu zehn Jahren zu und bewilligte den dafür nötigen Kredit. Die Einnahmen aus eigenen Aktivitäten wer- Das Haus an der Viaduktstrasse 5, welches den nun für Kinderfeste, Jubiläen und Ar- schon in Gemeindebesitz war, konnte für beitsmaterial für die Tagesmütter verwendet. diesen Zweck kostengünstig an- und umge- baut werden. Zielsetzung und Organisation Auf den 20. April 1965 kündigte der Prattler Der Verein, dessem Vorstand auch je eine Anzeiger die Eröffnung der Krippe mit Vertreterin der Vormundschaftsbehörden Tagesheim an. Zwischenzeitlich war der Pratteln und Augst angehören, setzt sich reformierte Frauenverein mit der sozialde- zum Ziel, Kindern berufstätiger Eltern sowie mokratischen Frauengruppe zusammen aktiv 275 an der Beschaffung von Wäsche und Kin- sich dieser Kreis im Laufe der Jahre auf bis Die Zielsetzung des «Chäferhuus» ist seit derausstattung beteiligt. Eine gemeinderät- zu 15 Nationalitäten. Die «Chäferhuus»- seiner Gründung dieselbe geblieben. Die liche Kommission kümmerte sich um alle Belegung mit Schweizer- und Ausländerkin- Betreuungsformen passen sich jedoch den anderen Belange, so auch um die Personal- der ist immer durch die momentane Wirt- neuesten Erkenntnissen an. Die Zusammen- rekrutierung. Das Personal bestand anfäng- schaftslage und den Zuzug von ausländi- arbeit mit Fachleuten aus dem Kleinkindbe- lich aus fünf Personen, nämlich einer Heim- schen Arbeitskräften geprägt. Oft halten reich ist deshalb unabdingbar. Das «Marie leiterin, zwei Krippengehilfinnen und zwei sich Schweizer- und Ausländerkinder die Meierhofer-Institut» in Zürich entwickelte Praktikantinnen. Waage, dann sind über längere Zeitspannen eine wertvolle Forschungs- und Informati- zwei Drittel Schweizer- und ein Drittel Aus- onstätigkeit über die seelisch-geistige Ent- Nach der Eröffnung des Hauses im April 1965 länderkinder anwesend. In Zeiten der Hoch- wicklung des Vorschulkindes sowie über zogen vorerst sechs Kinder ein und im Sep- konjunktur verschiebt sich der Anteil der günstige Formen der Fremdbetreuung. Dar- tember 1965 belebten schon 20 kleine und Ausländer nach oben. Zudem sind die Kin- aus resultierte 1979 auch die Umstellung grössere Kinder das Haus an der Viadukt- der-Anmeldungen von alleinerziehenden El- auf altersgemischte Kindergruppen. Hatte strasse. ternteilen, auch von Vätern, gestiegen. man lange Zeit gleichaltrige Kinder in auto- Damit keine Ghettosituation entsteht, ist bei nomen Gruppen betreut, erkannte man Im Herbst 1966 besuchten 48 Kinder die der Aufnahme von neuen Kindern immer nun die Vorteile der neuen Zusammenset- Krippe, davon waren 15 Kinder unter zwei die soziale Durchmischung der Kindergrup- zung, eine eigentlich familienähnliche Jahren. Damit war endgültig erwiesen, dass pen ein wichtiges Kriterium. So finden im natürlichere Form, denn das Kind kann das die Krippe einem wirklichen Bedürfnis ent- Rahmen der Aufnahmekriterien auch Kin- Zusammenleben mit Grösseren und Kleine- sprach. der von besser verdienenden Eltern einen ren lernen. Es wechselt in einer Art Ge- Platz. Da die Betreuungstarife einkommens- schwisterrolle seine eigene Position und abhängig berechnet werden, zahlen solche kann im günstigsten Fall ab ca. 18 Monaten Neuer Name Eltern den entsprechend höheren Tarif. bis zum Austritt in der selben Gruppe blei- Da der anfängliche Name «Krippe mit Tages- ben. Dies wiederum erlaubt ihm, länger heim» zu umständlich war, beschränkte dauernde und tieferwirkende Bindungen Die Zielsetzungen und die man sich in der Umgangssprache auf Krip- aufzubauen, was für die soziale Entwick- angepassten Betreuungsformen pe. 1982 wurde ein Wettbewerb ausge- lung eminent wichtig ist. Auch lernt es spie- schrieben, um der Krippe einen zeitgemäs- Auszug aus dem «Krippen»-Reglement: In lend Neues von den Grösseren und übt ein, seren Namen zu geben. Die Krippenkom- der Krippe sollen die Kinder ihrem Alter und den Kleineren zu helfen. Die neue Gruppen- mission entschied sich dann für den Namen Entwicklungsstand entsprechend betreut und einteilung, aber auch ganz allgemein die «Chäferhuus». Heute werden in Fachkrei- von geschultem Personal in geeigneter Weise notwendige gezielte Förderung des einzel- sen Institutionen, die Kleinkinder, Kinder- gefördert werden. Es wird besonders Wert nen Kindes, stellte wachsende Ansprüche gartenkinder und Schüler unter einem Dach darauf gelegt, Nachteile der Fremdbetreu- an den Ausbildungsstand des pädagogi- tagsüber betreuen, Tagesheime genannt. ung soweit als möglich zu vermeiden. Dies schen Teams. Darum lautet der offizielle Name: Tages- soll erreicht werden durch heim «Chäferhuus» Pratteln. Das «Chäferhuus» hat schon in den An- a) kinderfreundliche Atmosphäre fangsjahren immer wieder Anfragen von Eltern oder Fachstellen für die Aufnahme Herkunft der Kinder b) Förderung der Gemüts- und Intelligenz- von geistig oder leicht körperlich handica- Waren anfänglich Kinder aus ca. sechs ver- entwicklung in der prägsamen Phase des pierten Kindern entgegengenommen. Wenn 276 schiedenen Ländern vertreten, erweiterte Vorkindergarten- und Vorschulalters. die Kinder schon in heilpädagogischen The- rapie-Gruppen waren, bedeutete daneben als Ausbildungsort für Kinderpflegerinnen. pflegerinnen und dann als Kleinkinderziehe- das Zusammensein mit anderen Kindern, Der theoretische und praktische Stoffplan rinnen. Im Jahr 2000 wurde dann auch der die sich in höheren Entwicklungsphasen be- der Schweiz. Vereinigung von Schulen für erste Mann in die Ausbildung als Kleinkin- fanden, eine weitere Gelegenheit, um spie- Kinderpflege war somit verbindlich. Der dererzieher aufgenommen. lerisch und nachahmend Fortschritte zu abgegebene Fähigkeitsausweis wies zudem machen. So ergab es sich ganz natürlich, die Unterschrift des basellandschaftlichen Platzproblem und Standortfrage dass die handicapierten Kinder mit dem Sanitätsdirektors auf. Das «Chäferhuus» Schulbus die Heilpädagogischen Kindergär- war mit sechs Auszubildenden über Jahre Bald nach der Eröffnung und Vollbelegung ten oder Schulen besuchten und daneben die kleinste Kinderpflegerinnenschule der des «Chäferhuus» wurde der Platz eng. Als während der Berufstätigkeit der Mütter und deutschen Schweiz. Zu der Ausbildung ge- während der Hochkonjunktur über 60 Kin- Väter im Tagesheim sein durften. Diese Inte- hörten ein Drei-Monate-Praktikum auf einer der im Haus an der Viaduktstrasse ein- und gration ins «Chäferhuus» ist eine Bereiche- Wöchnerinnenstation im Spital Liestal oder ausgingen, konnte man sogar von einem rung im Alltag, die besonders die betroffe- Rheinfelden und ein Sechs-Monate-Prakti- Platznotstand sprechen. Jede Ecke wurde nen Eltern und Fachstellen sehr schätzen. kum in einem Kindergarten der Gemeinde für die Kinder ausgenutzt. Selbst im Trep- Um sicherzustellen, dass der zusätzliche pä- Pratteln. So nahm man im Frühling und im penhaus, Keller und Estrich wurden behelfs- dagogische Aufwand auch effizient einge- Herbst meist zwei Lehrfrauen auf, bis 1979 mässig Rückzugs- und Spiel-Ecken geschaf- setzt wird, sind Standortbestimmungen mit der «Basler Kurs für Kleinkinderpflege», fen. Die Situation war für das Betreuungs- den Verantwortlichen periodisch einge- dem wir uns für den schulischen Teil ange- personal nicht einfach und von optimalen plant. Diesbezüglich muss das «Chäfer- schlossen hatten, wegen Pensionierung der pädagogischen und kinderfreundlichen Ver- huus», trotz Toleranz und Verständnis für Schulleiterin aufgehoben wurde. hältnissen zu sprechen, geradezu verwegen. die Betroffenen, je nach Gruppensituation Nachdem verschiedene Versuche fehlge- und Belastung, auch immer wieder seine Der Schweiz. Krippenverband hatte zwi- schlagen hatten, dem «Chäferhuus» mehr Grenzen neu definieren und umsetzen. schenzeitlich auch Pilotprojekte für eine neue Platz zur Verfügung zu stellen und es mög- Ausbildung in Zürich laufen. Diese Ausbil- lichst im Dorfzentrum anzusiedeln (z.B. dung war die damals einzige Möglichkeit, «Initiative Abtausch und Anbau Jugend- Tagesheim «Chäferhuus» um in den Besitz eines Fähigkeitsausweises haus»), kann wenigstens ab 1991 der auf als Ausbildungsstätte als Kleinkinderzieherin zu kommen. So be- dem Gelände liegende Kindergarten-Pavil- Da die spezifische Ausbildung für die Be- suchten die Lehrfrauen wöchentlich einen lon zusätzlich genutzt werden. Dieser wur- treuung von Kindern in Krippen 1965 noch Tag die Berufsschule für Kleinkinderziehung de dank dem Umzug einer Kindergarten- in den Anfängen steckte, wurde der neuen in Zürich. Diese Ausbildung passte sich auch klasse ins Münchackerschulhaus frei. Somit Heimleitung der Auftrag erteilt, ein Konzept den anspruchsvolleren Gegebenheiten in ist das Raumproblem etwas entschärft, und zur Ausbildung von Krippenpersonal zu er- den Kinderkrippen an. Anfänglich war die das Gartengelände kann vollumfänglich vom arbeiten. Die vom Schweizerischen Krippen- Ausbildung 18 Monate, dann bald zwei Jah- «Chäferhuus» genutzt werden. Ab 1999 verband angebotene Ausbildung zur Krip- re und seit 1988 drei Jahre. 1998, nachdem wird der Spielplatz, zuerst dank Spenden pengehilfin war damals wenig professionell die Regierungen Basel und Baselland einen und Fronarbeit und später mit dem Einsatz aufgezogen. Nach intensiver Planung wur- Leistungsauftrag an die Frauenfachschule der Bauverwaltung, kontinuierlich umge- de 1967 mit der Ausbildung von Krippenge- Basel erteilt hatten, konnte in Basel der erste staltet. hilfinnen begonnen. Die ersten Jahre ge- Ausbildungskurs für Kleinkinderziehung in schah dies im Alleingang und, ermuntert den Unterricht aufgenommen werden. Das Die Standortfrage hat oftmals die Gemüter durch den Erfolg, bemühte sich die Heimlei- «Chäferhuus» hat von 1967 bis 2001 über bewegt. Da die Viaduktstrasse zwischen tung um die Anerkennung des «Chäferhuus» 65 Frauen ausgebildet, zuerst als Kinder- zwei stark frequentierten Eisenbahnlinien 277 liegt, Basel–Zürich und Basel–Olten, sind vor gestellt werden, ist der Standard immer zeit- Wunsch erfüllt hat, aber auch alle Einwoh- allem die Lärmemissionen erheblich, aber gemäss und dient der Allgemeinheit im pro- ner von Pratteln, die heute und morgen für auch die hygienischen Aspekte lassen zu phylaktischen Sinn, aber auch bei akuten diese soziale gesellschaftspolitische Aufga- wünschen übrig. Hilfestellungen für Kinder, die Gefahr lau- be ein offenes Ohr haben und die Zeichen fen, aus dem sozialen Netz zu fallen. Kon- der Zeit hören und dementsprechend aktiv Ein Vorstoss bei den SBB-Verantwortlichen kret betreut das «Chäferhuus» tagsüber werden. Vreni Kaiser betreffend SBB-Abfall im «Chäferhuus»- auch Kinder, die ohne diese Institution in ein Garten wurde zwar mit viel Verständnis und Kinder- oder Schulheim eingewiesen wer- einer Gratis-Fahrt mit den SBB für alle Kin- den müssten. Diese Heimkosten sind be- der und das Team ins Tessin beantwortet, kanntlich ein Mehrfaches höher als die verminderte aber die beanstandeten Stö- «Chäferhuus»-Kosten, ganz abgesehen rungen nicht. Die Gemeinde wurde dann davon, dass solche Kinder in der gewohnten 1999 aktiv. Ein bepflanzter Erdschutzwall Umgebung verbleiben können. entlang des Spielplatzes dämpft vorläufig ein wenig den SBB-Lärm und hält auch Ende 2001 wurden im «Chäferhuus» 50 einen Teil des SBB-Abfalls vor dem Spielplatz Kinder im Alter von zwölf Monaten bis zurück. zwölf Jahren betreut. Der Anteil an Auslän- derkinder betrug rund 50 Prozent. Vom Mit- tagstisch machten zeitweise bis zu zehn Funktion und Qualifikation 2002 Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren Die seit 37 Jahren bestehende soziale Insti- Gebrauch. tution «Chäferhuus» hat von Anfang an ihre Zielsetzung und ihren Auftrag für die Das Personal setzt sich zusammen aus der Fremdbetreuung von Kindern sehr ernst ge- Heimleiterin, drei Kleinkind-Erzieherinnen (z.T. nommen. Waren anfänglich noch sehr viele in Teilzeit), drei Auszubildenden, drei Prakti- kritische Stimmen zu hören im Zusammen- kantinnen und einer Hausangestellten. hang mit dieser neuen sozialen Institution, die der Steuerzahler von Pratteln zu tragen Dank hatte, nahm in Fachkreisen, bei den Sozial- behörden, in Kindergärten und Primarschu- Zum Schluss möchte ich stellvertretend der len der positive Aspekt der «Chäferhuus»- Frau danken, die zu den Initiantinnen ge- Betreuung kontinuierlich zu. hörte, die vor 40 Jahren in Pratteln die Zei- chen der Zeit erkannt haben und entspre- Da im «Chäferhuus» das Kind immer im chend aktiv geworden sind. Es ist dies Frau Mittelpunkt des Handelns steht, sind im Dora Rutz-Peter, erste Präsidentin der Krip- Laufe der Jahre eine neuzeitliche pädagogi- penkommission, welche über vier Jahrzehn- sche Sachkompetenz, Sozialkompetenz und te dem «Chäferhuus» mit Interesse und Planungskompetenz für die individuelle Be- verschiedenen Engagements immer wieder treuung entstanden. Durch die permanente ihre Verbundenheit bekundete. Dazu gehört Auseinandersetzung mit den Ansprüchen, auch der reformierte Frauenverein, der je- 278 die an die Fremdbetreuung von Kindern des Jahr den «Chäferhuus»-Kindern einen Menschen wohlfühlen, könnte für viele Hilfe 1989–1993 Die Einwohnergemeinde ist Der Prattler Träff oder Vergnügen sein. bereit, für eine Lokalität zu sorgen und pro Jahr Fr. Die Idee war geboren, sie war gut; immer 25500.– zur Verfügung mehr Leute liessen sich anstecken und für zu stellen. die Mitarbeit motivieren. Zunächst aber ver- Die beiden Kirchgemein- gingen Jahre mit Planen, Abklären, Erfol- den beteiligen sich mit je gen, Rückschlägen, doch die Zahl der Inter- Fr. 10500.–. essierten und Arbeitswilligen nahm zu. Renovation und Umzug ins Im Jahr 1982 begann eine kleine Gruppe Einige Meilensteine in Stichworten: neue Lokal mit zwei Räu- initiativer Menschen mit der Planung für men im Schloss-Schulhaus. einen Ort der Begegnung in Pratteln – einen Juni 1983 Erste Vorstellung des Pro- Streichung der Kirchge- Treffpunkt. Es sollte ein Ort sein für Men- jekts beim Gemeinderat meinde-Beiträge. schen ohne familiären Rückhalt, Alleinerzie- mit der Bitte um Unter- Der Beitrag der Einwoh- hende, Psychiatrie-Entlassene und andere, stützung (Lokalität und nergemeinde wird in meh- die es, warum auch immer, nicht so leicht Finanzen). reren Schritten gesenkt. haben im Leben. Ihnen könnte der Treff- April 1985 Öffentliche Orientierungs- Einer der beiden Räume punkt Geborgenheit, Lebens- und Orientie- versammlung. fällt weg, da er als Schul- rungshilfe bieten, die Möglichkeit Gleichge- September 1985 Gründung des Trägerver- raum gebraucht wird. sinnte zu treffen, Kontakte entstehen und eins «Prattler Träff-Verein». wachsen zu lassen, miteinander Alternati- Dezember 1986 Der Gemeinderat stellt eine Das Träff-Leben 1987 bis 1999 ven zu finden. Es gab zwar bereits ein reich- 3-Zimmer-Wohnung in ei- haltiges Angebot an attraktiven Vereinen ner Altliegenschaft am Viele ganz unterschiedliche Menschen ha- und organisierter Freizeitgestaltung, aber Dorfplatz in Aussicht. ben die zahlreichen Angebote, den gemütli- keinen Ort für «vereinsscheue» Leute; es März-Sept. 1987 Eine Freiwilligen-Gruppe re- chen Ort genützt und sich – häufig über gab keine sogenannte offene Erwachsenen- noviert die Wohnung total. Jahre – ein Stück weit zuhause gefühlt, im arbeit. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Schon während diesen Ar- alten wie im neuen Lokal. Viele haben den Sozialberatungsstellen, der Kirchgemein- beiten wird bekannt, dass «Träff» in den vergangenen Jahren begleitet den, der Externen Psychiatrischen Dienste, die Liegenschaft verkauft und unterstützt, ideell und finanziell. des Arbeitsamtes äusserten immer wieder werde, der Träff also bald den Wunsch nach einem Treffpunkt, wie es wieder zügeln muss. In den ersten finanziell günstigeren Jahren, ihn in vielen anderen Gemeinden schon Bildung von Betriebskom- war es noch möglich, zwei Teilzeitleiterin- gab. Sie stellten fest, dass die Zahl der ein- mission und Helfergrup- nen zu beschäftigen und ab und zu auch ein samen und isolierten Menschen, derer also, pen. wenig in Kultur und Unterhaltung zu inves- die offensichtlich nicht imstande waren, 19. Sept. 1987 Provisorische Eröffnung! – tieren. Es gab Lieder-, Musik-, Vortrags-, Dis- sich die schon bestehenden Angebote zu- Das gespendete und erar- kussionsabende, Ausstellungen, kleine Kurse, nutze zu machen, stetig zunahm. beitete Startkapital von Fr. die auch von den Kurs-Ängstlichen besucht 33000.– reicht zwar zur wurden. Gastköchinnen und Gastköche, Vor- Ein Treffpunkt also, ein gemütlicher, zwangs- Aufnahme des Betriebes, leser, Musizierende usw. halfen Abwechs- loser Ort ohne starre Regeln und Strukturen, aber wie wird es finanziell lung ins Träff-Programm zu bringen. Mehr- an dem sich auch andere, weniger belastete und räumlich weitergehen? mals im Jahr gab es ein Sonntagsprogramm, 279 1978 auch Giebenach stiess, und der sozu- Die Spitex sagen den Grundstein für die heutige Spitex gelegt hat.

Im Februar 1996 erfolgte die Integration der Gemeindekrankenpflege (von der Gemein- de angestellte Krankenschwestern, die die Diakonissinnen Schwester Rosa und Hulda, nach deren Pensionierung abgelöst hatten). Der Verein, mit dem die Trägergemeinden Das 1898 eingeweihte erste Sekundarschulhaus «Da in unserer Gemeinde viele Einwohner Pratteln, Augst und Giebenach Finanzver- Prattelns – das Schloss-Schulhaus – beherbergt sich aufhalten, welche daselbst gar keine träge abgeschlossen hatten und in dessen heute den Prattler Träff. Verwandtschaft besitzen, also in Notfällen Vorstand je ein Gemeinderat aus den drei auf fremde Hilfe angewiesen sind» und «da Trägergemeinden sowie je ein/e VertreterIn um die für viele Menschen einsamen Wo- heutzutage Haushaltarbeiten bei vielen aus Augst und Giebenach als BeisitzerIn Ein- chenenden zu verkürzen und zu beleben. Mädchen nicht mehr gang und gäbe sind, sitz haben, nannte sich nun Kranken- und die meisten ihren Verdienst in der Fabrik Hauspflegeverein Pratteln–Augst–Giebenach. Zur Zeit trifft sich an zwei Nachmittagen in suchen», wie im ersten Jahresbericht des Zur selben Zeit bezog der Verein sein eige- der Woche je eine Mütter/Väter/Kleinkin- Hauspflegevereins Pratteln–Augst nachzu- nes Domizil an der St. Jakobstrasse 1, im dergruppe und an einem Abend eine Ju- lesen ist, hatte sich 1920 die Gründung neu aufgestockten Trakt des Kirchgemein- gendschachgruppe. Jeden Dienstag seit sie- eines Hauspflegevereins aufgedrängt. dehauses. Per 1. Dezember 1998 fusionier- ben Jahren findet der für alle offene Mit- te der Verein dann mit der dritten Hilfeorga- tagstisch mit rund 40 Gästen zwischen zwei nisation, der 1974 gegründeten Betagten- Hilfe und Pflege zu Hause und 90 statt. Zwischen 09.00 und 15.00 und Behindertenhilfe Pratteln–Augst und Uhr wird gemeinsam geplant, gerüstet, ge- Am 1. Mai 1920 nahm der bereits 405 Mit- wurde per 1. Januar 1999 zur Spitex Prat- kocht, gegessen, geplaudert und gelacht. glieder zählende Verein mit einer festange- teln–Augst–Giebenach. Damit waren nun Die Freitagabende sind für offenes Beisam- stellten Pflegerin und einigen zeitweise be- alle drei Pflege- und Hilfebereiche unter mensein und kleinere Anlässe da. schäftigten Pflegerinnen die Arbeit auf. Sie einem Dach – und professionalisiert. Die hatten bei Krankheit und vor allem bei Pflege- und Hilfenehmenden werden durch Ansprüche und Möglichkeiten, Angebot und «Kindbett» (Geburt) die Arbeit der Hausfrau gut ausgebildetes und der steten Weiterbil- Publikum haben sich über die Jahre immer und Mutter zu übernehmen. Finanziert wur- dung verpflichteten Personal gepflegt und wieder gewandelt. Das wird wohl auch wei- de die der Aufsicht des Gemeinderates un- betreut. Dabei – und diese Bemerkung sei terhin so sein. Anke Gloor terstellte Institution durch Mitgliederbeiträ- erlaubt – kommen die zwischenmenschli- ge (Fr. 4.– jährlich!), Gemeinde-Subvention chen Beziehungen zu kurz in dem Sinne, als sowie Gönnerbeiträge. Die fest angestellte die aufzuwendende Zeit pro Einsatz vorge- Pflegerin beanspruchte ein Taggeld von Fr. schrieben ist und für Plauderstündchen, wie 4.50 (bei einem oft Zwölfstundentag!), ein sie z.B. von den Betagten- und Behinder- Wartegeld von Fr. 1.50, eine Zulage bis Fr. tenhelfenden gepflegt wurden, keine Zeit 1.50 bei ungenügender Kost sowie sechs mehr bleibt. Und gerade alte und alleinste- Freitage pro Monat ohne Wartegeld. Das hende Personen hätten mehr als nur Kör- 280 also waren die Anfänge des Vereins, zu dem perpflege und Hauspflege nötig. Ende 2000 kündigten die Trägergemeinden den Um- und Ausbau der Liegenschaft die Finanzverträge auf und neue mussten Die Alterheime ermöglichen. Die Stiftung könne durch wei- ausgehandelt werden. So erhält die Spitex Nägelin und Madle tere Geschenke, Vermächtnisse und Zuwän- in den Jahren 2002 und 2003 einen Pau- dungen geäufnet werden. Sie wurde geäuf- schalbetrag von Fr. 500000.–. Für allfällige net mit grosszügigen Legaten von Anna Defizite müsste das vorhandene Vereinsver- Strübin, Lilienhof, und der Stiftung der mögen angeknabbert werden. Diese Finanz- Familie Müller-Vonseel. Zudem stellten die lage hat den Spitex-Vorstand denn auch Einwohner- und die Bürgergemeinde Prat- bewogen, eine neue Organisationsstruktur teln, die Fürsorgekasse sowie der Kanton in Betracht zu ziehen. So soll der Verein in Das Altersheim namhafte Mittel zur Verfügung. Ein «Legat» zwei Vereine – einen Betriebsverein und der Nägelin-Stiftung in Form eines Grundstückes samt Liegen- einen Förderverein – aufgeteilt werden. Dies schaft an der Muttenzerstrasse 22 kam könnte im Jahre 2003 geschehen. gegen Mitte der achtziger Jahre vom Neffen Das Altersheim Nägelin-Stiftung ist, wie es der Geschwister Nägelin hinzu. Dieses Haus Ende Dezember 2001 zählte der Spitex-Ver- der Name besagt, eine Stiftung, die von wurde abgebrochen und ein Mehrfamilien- ein 1485 Mitglieder und beschäftigte zwölf Elise Nägelin (1880–1963) auch im Namen haus mit rollstuhlgängigen Wohnungen Mitarbeiterinnen in der Hauspflege (6,3 ihres Bruders Albert (1888 –1962). errichtet gebaut. Vollstellen), zwölf in der Haushilfe (4,9 Voll- wurde. Elise Nägelin, eines von neun Ge- stellen), neun in der Krankenpflege (5,1 schwistern, verfügte am 3. Dezember 1962, Bereits am 2. Mai 1963 fand die konstitu- Vollstellen) und eine für den Mahlzeiten- kurz vor ihrem Tode am 2. Januar 1963: ierende Sitzung des Stiftungsrates – gemäss dienst (zehn Prozent). Je zwei Mitarbeiterin- «Meine Liegenschaft Grundbuch Pratteln Bestimmung sollen ihm ein Nachkomme der nen (100/120 Prozent) waren in der Admini- Parzelle No. 89, Wohnhaus mit Ökonomie- Familie Nägelin, je ein Vertreter der protes- stration und in der Leitung tätig. gebäude, Baumgarten und Hausplatz, Mut- tantischen Kirchgemeinde, des Gemeinde- tenzerstrasse No. 2, sowie ein Barbetrag und des Bürgerrates, der «Armenpflege» Im Jahre 2001 beliefen sich die Personalko- von Fr. 500000. – soll einer Stiftung, die ich sowie zwei Frauenvertreterinnen angehö- sten inkl. Sozialleistungen auf 1,475 Mio hiernach im Sinne von Art. 80 ff des Schwei- ren – statt, bei der Paul Dürr zum Präsiden- und der Sachaufwand auf 146186 Franken zerischen Zivilgesetzbuches errichte, zufal- ten, Fritz Nägelin zum Vizepräsidenten, Pfar- und lagen damit unter dem Budget. Dem len. Diese Stiftung soll den Namen ‹Ge- rer Ruedi Hartmeier zum Aktuar und Aufwand stand ein Ertrag von insgesamt schwister Elise und Albert Nägelin-Stiftung› Elisabeth Baumann zur stellvertretenden 1,197 Mio (Ertrag aus Leistungen Fr. tragen.» Als Zweck der auf unbestimmte Aktuarin gewählt wurden. Nach der Anmel- 813269.–, Kapitalertrag Fr. 428679.– inkl. Zeit zu errichtenden Stiftung bestimmte dung zum Eintrag der Stiftung ins kantona- Bundesbeträge (seit 1985 erhält die Spitex Elise Nägelin weiter: Die Gebäulichkeiten le Handelsregister erfolgte die Prüfung des einen Beitrag der AHV) gegenüber. Das seien in ein «Armen- und Altersheim» um- Standortes. Dabei kam der Stiftungsrat, Defizit von 424140 Franken wurde (zum und auszubauen, das «gutbeleumdeten unterstützt durch viele Ortsbürger, zum letzten Mal) durch Gemeindebeiträge ge- Ortsbürgern beiderlei Geschlechts sowie Schluss, das Haus soll auf dem «geerbten», deckt. Emmy Honegger Einwohnern beiderlei Geschlechts, die seit 27 Aren umfassenden Grundstück errichtet längerer Zeit hier wohnhaft sind, gegen werden. Im März 1964 beauftragte der Stif- Bezahlung eines den finanziellen Verhältnis- tungsrat, der auch als Projekt- und Baukom- QUELLEN: sen entsprechenden Pensionspreises ein mission waltete, den Frenkendörfer Archi- Protokolle und Jahresberichte, mündliche Aus- freundliches Zuhause bietet». Der Barbe- tekten Fritz Mangold mit dem Projekt. Im künfte Brigitte Pavan trag von 500000 Franken soll der Stiftung Februar 1965 lagen das Projekt – vier Voll- 281 geschosse mit Platz für 40 Personen in Ein- Gegenwärtig (Stand Mai 2002) verbringen dem nördlich an das bestehende «Nägeli» zelzimmern, Gemeinschaftsräume inkl. Ver- 43 Personen, davon 37 Frauen und sechs angrenzende Areal zu errichten – ist nicht waltung – sowie der Kostenvoranschlag in Männer, ihren Lebensabend im Altersheim nur die Geschichte des «Madle», sie ist auch Höhe von 2,2 Mio Franken vor. Im März der Nägelin-Stiftung. Das Durchschnittsalter ein Stück Geschichte der damaligen Pla- wurde das Baugesuch eingereicht und beträgt 84,5 Jahre. Die älteste Frau ist 97 nung. Also, die Studienkommission hatte bereits im November konnte der erste Spa- und die jüngste 63 Jahre alt. Bei den Män- ihre Arbeit getan, wurde aufgelöst, die Land- tenstich getan werden. Ein Jahr später, am nern zählt der älteste 92 und der jüngste 75 kaufverhandlungen scheiterten am gefor- 25. November 1966, wurde das Richtfest Lenze. Am längsten, nämlich zehn Jahre, derten Preis. Am 13. November 1973 setzte gefeiert und am 17. Januar 1968 zogen die wohnt eine 93-jährige Pensionärin im Heim, der Gemeinderat erneut eine Studienkom- ersten Pensionäre ein. in dem 23 Personen, davon fünf in Vollzeit, mission ein. Sie hatte als Standort den Be- mitarbeiten. reich zwischen Schloss-, Vereinshaus- und Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums konnte der Oberemattstrasse abzuklären. Sie kam zum seit Mitte 1978 amtierende Stiftungsrats- Schluss, dass auf dem Areal Alte Schule, Lie- Präsident, Werner Dalcher, vermelden, dass genschaft Zeller (heutiges Bürgerhaus mit in seiner Amtszeit der Gartenpark mit dem Das Alters- und Pflegeheim Museum), einem Teil der Parzelle Seiler & Weiher und Sitzplätzen, der Speisesaal und Madle Co. (ehemaliges Baugeschäft) und Otto die Halle neu gestaltet wurden, und nun Mauch sowohl ein Alters- und Pflegeheim noch der Umbau und die Sanierung des als auch zwei Kindergärten und Gemeinde- Heims bevorstünden. Diese Arbeiten fan- Wie das «Nägeli» ist auch das Alters- und bibliothek (in der Alten Schule) realisiert den 1990, nach fast dreijähriger Bauzeit, Pflegeheim Madle eine Stiftung unter dem werden könnten. Die Teilparzellen indes während der der Heimbetrieb dank grosser Namen «Stiftung Regionales Alters- und wurden nicht verkauft, so dass dieses Gebiet Rücksichtnahme der Handwerker und viel Pflegeheim». An der am 6. Oktober 1977 im nicht mehr in Frage kam. Im April 1975 gab Verständnis seitens der Pensionäre und des Prattler Schloss verurkundeten Stiftung wa- der Gemeinderat dann eine Vorprojektstu- Personals, aufrecht erhalten werden konn- ren neben den Einwohnergemeinden Prat- die mit je einem Modell 1:200 für die Stand- te, ihren Abschluss. Das Haus hatte eine teln, Augst und Giebenach, die Hans Mar- orte Ochsen und Blözen in Auftrag. Nach neue Dachform erhalten, die Hausfassaden tin-Widmer-Stiftung, die Bürgergemeinde einer öffentlichen Orientierungsversamm- waren isoliert, auf der Ostseite der Trakt für Pratteln sowie die evang.-ref. und die röm.- lung entschied sich die Exekutive für den den Bettenlift angebaut und die Balkone kath. Kirchgemeinde beteiligt. Inzwischen sind Standort Blözen, zumal die Bürgergemein- fassadenbündig verglast worden, womit die die beiden Kirchgemeinden als Beitragsleis- de das dortige Land zum Nulltarif angebo- Zimmer vergrössert wurden. Zudem erhiel- tende ausgeschieden. ten hatte. Dieser Standort wurde in der ten alle Zimmer eigene WC-Anlagen, wo- Folge zum Glück abgelehnt und die Bürger- durch der Komfort für die Pensionäre spür- Von der Idee, in Pratteln ein Alters- und Pfle- gemeinde leistete «Geld-Ersatz». Dann noch- bar verbessert werden konnte. geheim zu errichten, bis zum ersten Spaten- mals eine Vorprojektstudie, diesmal für das stich für das «Madle» vergingen sieben Jah- Areal Heggendorn/Zimmermann an der Das «Nägeli», dem seit 1994, nach Elisa- re. Die Geschichte – sie beginnt am 2. De- Bahnhofstrasse. Diesmal klappte es: Dr. Hans beth Howald und Maria Kölla, Ingrid Fischer zember 1971, als eine Studienkommission Heggendorn verkaufte im Oktober 1976 ca. als Heimleiterin vorsteht, bietet seinen Pen- für ein neues Alters- und Pflegeheim unter 2000 m2 seines Areals zum Preise von Fr. sionärinnen und Pensionären viel Abwechs- dem Präsidium von Paul Hunziker die Arbeit 575.– pro m2 und Hans Zimmermann sein lung, sei es mit der «Bastelstube», Bazar, aufnahm und im Mai 1972 dem Gemeinde- ganzes Areal von 970 m2 zum Preise von Fr. internen Festchen, kulturellen Darbietun- rat Bericht sowie Antrag stellte, ein Alters- 550.– pro m2. Nachdem noch ein Landkauf 282 gen durch Vereine oder Ausflügen usw. und Pflegeheim für 60 PensionärInnen auf mit der Basellandschaftlichen Kantonalbank mit anschliessendem Landabtausch abge- Widmer als hauswirtschaftliche Leiterin mit Eröffnung des Madle 1980, waren im Be- wickelt worden war, konnte mit der Projek- einem 80-Prozent-Pensum. Die meisten der reich der Aktivierungsangebote (Werken und tierung begonnen werden, so wie es in der bisherigen langjährigen, freiwilligen und Spielen/Singen) ehrenamtlich, also unent- Stiftungsurkunde der Hans Martin-Widmer- hochgeschätzten Mitarbeiterinnen, die dem geltlich, tätig. Emmy Honegger Stiftung vom 8. April 1976 verlangt wurde. Heim mit ihrer Gratis-Arbeit sehr viel Geld Diese Stiftung hatte Land in Pratteln-Nord sparten, nahmen Abschied und sollen dem im Werte von rund 700000 Franken einge- Vernehmen nach durch honorierte und pro- QUELLEN: bracht. fessionelle «Fachkräfte» ersetzt werden. Jubiläumsschrift Altersheim Nägelin-Stiftung; mündliche Auskünfte Frau Fischer, Heimleiterin Im April 1977 segnete der Einwohnerrat die Auch im Madle, dessen Cafeteria öffentlich Nägelin-Stiftung; Beat Lüthy, Heimleiter Madle; Stiftungsurkunde ab und bewilligte einen zugänglich ist, wird mit Auftritten von Musik- Madle-Statistik (Stand 31. Juli 2002); Einwohner- Kredit von 1,576 Mio Franken, was damals gruppen, Vereinen, «Guggemuusige» und rats-Vorlagen. 100 Franken pro Einwohner entsprach. Das Schnitzelbänkler zur Fasnachtszeit, Mode- heisst, dass Pratteln Ende 1976 15760 Ein- schauen, Gottesdiensten, Turnen, aber auch wohner zählte. Am 20. Juni 1980 stand das mit der Ergo-Therapie (Stricken, Sticken, neue Heim mit 54 Zimmern für 57 Betten Basteln, Spielen usw.) den PensionärInnen «fest gefügt aus Beton, Stahl und Bachen- sehr viel Unterhaltung und Abwechslung stein», wie der Stiftungsratspräsident, Ge- geboten. Besonders freuten sich die Heim- meinderat Chasper Cadonau, in seiner Fest- bewohner jeweils auf den Bazar mit Floh- ansprache zur Einweihung des Madle, des- märt, den traditionellen Grillabend mit live sen Name aus einem Wettbewerb hervorge- Ländlermusik und die jährliche Reise mit gangen war, sagte. Die Eröffnung des Madle rollstuhlgängigen Cars. Erwähnt seien auch wurde mit einem Tag der offenen Tür und der «Metzgete-Samschtig» und die von der dem Pflanzen eines Ahorns rechts vor dem damaligen Pfarrerin Hanni Wartenweiler ins Eingang gefeiert. Und am 7. Juli 1980 zo- Leben gerufene öffentliche Weihnachtsfeier gen die ersten Pensionäre ein. Gegenwärtig unter dem Motto «Nit allei si am Heiligobe». (im Mai 2002) steht das Madle vor einer umfassenden Sanierung mit Umbau und Im Juli 2002 lebten insgesamt 73 Personen einer, durch die grosse Nachfrage nach ei- (60 Frauen, 13 Männer) im Madle. Das nem Heimplatz bedingten Erweiterung auf Durchschnittsalter betrug 85,3 bei den 113 Betten. Der «erste Spatenstich» wurde Frauen und 80 bei den Männern. Die älteste Ende August 2002 getan. Die Kosten sind Frau war 98 und jüngste 68 Jahre alt, der mit 3,04 Mio Franken veranschlagt, an die älteste Mann zählte 92 und der jüngste 67 auch die Stiftergemeinden Augst und Gie- Lenze. Fünf Frauen wohnten zehn und benach ihren Beitrag leisten. Ebenfalls Ende mehr Jahre im Madle, davon eine sogar August traten, nach 22 Jahren, der Heimlei- 17,5 Jahre. 2001 mussten 26 Pensionäre ter Beat Lüthy und seine Gattin Susi, die ein (20 Frauen, sechs Männer) Abschied neh- 50-Prozent Pensum als «dienstbarer Geist» men von dieser Welt. Ende 2001 standen versah, in den «Ruhestand». Lüthys Nach- insgesamt 105 Personen, zum Teil in Teilpen- folger, Walter Bont, trat am 1. Juni 2002 ins sen, auf der Gehaltsliste des Heims (exkl. Madle ein, und am 1. September Brigitte Ergo-Therapeutinnen); 13 Frauen, einige seit 283 zur Verfügung gestellt hatte, mit der Aufla- huus» sowie die vier Externen werden von Das Behinderten- ge, anschliessend ein Heim für acht Men- 62 MitarbeiterInnen, vor allem in Teilzeitan- Wohnheim Kästeli schen mit einer Behinderung zu schaffen. stellungen, betreut. Je nach Möglichkeit ar- Am 2. April 1991 konnten die Bauarbeiten beiten die BewohnerInnen auch im Haus- in Angriff genommen werden und am 10. halt mit. August 1992 fand der offizielle Einzug mit 14 BewohnerInnen ins «neue» Kästeli statt. Le Pavillon Das 1998 erarbeitete neue Strukturkonzept Der Auftrag ist, allen BewohnerInnen einen Noch in den siebziger Jahren des vorigen bedingte einen erneuten Umbau des Käste- angemessenen Arbeitsplatz anzubieten. Das Jahrhunderts war die Situation der geistig lis. Arbeits- und Wohnplatz wurden getrennt. heisst, Arbeitsgänge zu finden, die den indi- Behinderten unbefriedigend und Heimplät- Aus einer Grosswohngruppe entstanden viduellen Fähigkeiten entsprechen und Ent- ze, die den Erfordernissen und Bedürfnissen auf drei Stockwerken drei recht eigenständi- wicklungs-Möglichkeiten beinhalten. Durch dieser Menschen entsprachen, gab es ge Wohngruppen, die ihren Mitgliedern ein die Zusammenarbeit mit den Wohngruppen kaum. Die Sorgen und Nöte der Eltern, ihren heimeliges und individuelles Zuhause bie- und den Eltern wird versucht, diesen Auf- erwachsenen, geistig behinderten, Kindern ten. Gearbeitet wird im «Le Pavillon» mit trag zu optimieren. Auf diesem Weg sollen kein soziales und förderndes Umfeld bieten drei Ateliers an der Baslerstrasse 105. So Parallelen zu der in unserer Gesellschaft zu können, waren gross. Dazu kam die ermöglicht die Trennung von Arbeiten und üblichen Arbeitswelt geschaffen werden. Angst um die Zukunft der Behinderten: Was Wohnen eine sinnvolle Tagesstruktur, zu der Daneben wird die nötige Unterstützung im passiert mit ihnen nach dem Ableben der auch ein vielfältiges Angebot für anregende pflegerischen und im Alltagsbereich gege- Eltern? Diese Sorgen führten 1975 Stefan Freizeitgestaltung gehört. Nun bietet das ben, ohne die mögliche Selbständigkeit ein- Heim zur Gründung des Vereins zur Förde- Wohnheim Kästeli Wohn- und Beschäfti- zuschränken. rung geistig Behinderter BL. Dank tatkräfti- gungsplätze für 19 BewohnerInnen und vier ger Unterstützung der kantonalen Bera- Externe. Ein weiterer Platz steht für Ferien- Gegenwärtig kümmern sich in den drei tungsstelle für Behinderte konnte am 3. Mai gäste zur Verfügung. Le Pavillon-Ateliers an der Baslerstrasse sie- 1976 die «Werkstätte Muttenz» für vorerst ben MitarbeiterInnen um die 30 Bewohne- vier junge Behinderte eröffnet werden. Bald Nach einer Phase intensiver Arbeit zur Qua- rInnen. Die Arbeitszeit ist auf die Bedürfnis- zeigte es sich aber, dass die Räumlichkeiten litätssicherung erhielt das «Kästeli» Ende se des Einzelnen abgestimmt. nicht ausreichten. Ende 1979 wurde dann, September 2002 die Zertifizierung nach den Emmy Honegger dank finanzieller Hilfe des Bundesamtes für Richtlinien des BSV. Das Heim hat sich auch Sozialversicherungen, die Thomy-Villa (Villa mit weiteren Institutionen aus der Region des Senf-Fabrikanten Thomy) im Kästeli er- zusammengeschlossen, um die vom Bun- QUELLEN: worben, in die im August 1980 neun Behin- desamt für Sozialversicherungen geforder- Jahresbericht und Auskünfte des Leiters Walter derte einzogen. Rasch wuchs die Zahl der ten Massnahmen mit vernünftigem Auf- Lötscher. BewohnerInnen auf 16 Interne und zwei wand und möglichst geringen Kosten Externe an: Die Räumlichkeiten erwiesen umzusetzen, ohne den Menschen aus dem sich wiederum als zu ungenügend, ein um- Mittelpunkt zu nehmen. fangreicher Umbau drängte sich auf. Für die Umbauarbeiten musste das ganze Heim in Die drei Kästeli-Wohngruppen mit 19 Be- ein Haus an der Rothausstrasse in Muttenz wohnerInnen und die Wohngruppe mit 284 verlegt werden, das ein Gönner dem Verein acht BewohnerInnen im Muttenzer «Rot- Regierungsrat eine Privatfirma mit der Auf- –N-Ausweis, Asylentscheid ist noch hängig Das Asylanten- gabe der Betreuung von AsylbewerberIn- –F-Ausweis, vorläufig aufgenommen Durchgangszentrum nen. Ein Grund war, dass das Personal nicht –Anerkannte Flüchtlinge, welche von den beamtet werden musste und die Kosten Hilfswerken betreut werden, aber noch Schweizerhalle somit tiefer gehalten werden konnten. keine Unterkunft gefunden haben. Diese geteilte Trägerschaft wurde mittels Kompetenzverteilung klar geregelt. Die Finanzierung Koordinationsstelle für Asylsuchende des Kantons Basel-Landschaft nimmt die Auf- Der Bund finanziert sämtliche Kosten und sicht über das DZ wahr und zeichnet für die Auslagen, welche mit der Erfüllung dieser Geschichte Zuweisung der Asylsuchenden verantwort- Aufgabe entstehen und erstattet dem Kan- 1988 nahm die Zahl der Asylsuchenden lich. Zudem ist sie verantwortlich für die ton Basel-Landschaft die entstandenen Kos- stark zu. Einzelne Gemeinden des Kantons Überwachung und Prüfung der Rechnungs- ten zurück. Der Gemeinde Pratteln entstan- Basel-Landschaft begannen, sich gegen die führung und der administrativen Abläufe. den in den Jahren, als das Durchgangs- Aufnahme weiterer AsylbewerberInnen zu Die private Betreiberfirma gewährleistet eine zentrum in Betrieb war, keine zusätzlichen wehren, weil sie sich mit enormen Proble- reibungslose Unterbringung und Betreuung Kosten. men in der Unterbringung konfrontiert sa- der Asylsuchenden gemäss den gesetzli- hen. Sie forderten eine bessere Unterstüt- chen Bestimmungen und den Weisungen Zugänge neuer Asylbewerber von 1992 zung durch den Kanton. Zur Entlastung der des Kantons. bis Mai 2002 im DZ Schweizerhalle Gemeinden beschloss der Landrat, zwei Durchgangszentren (DZ) einzurichten. Für 31.12.1992 575 Herkunft und Status der die Unterbringung der Männer wurde die 31.12.1993 839 Asylbewerber/innen Turnhalle Gitterli und für Familien und Frau- 31.12.1994 693 en die Turnhalle Kriegacker in Muttenz um- Die Entwicklung seit 1992 mit etwa 20 bis 31.12.1995 628 gebaut und entsprechend eingerichtet. Im 25 Nationen aus den «klassischen Ländern» 31.12.1996 658 Jahre 1991 beantragte der Kanton die wie Türkei, Sri Lanka, Rumänien, Bulgarien 31.12.1997 506 Schaffung eines weiteren Durchgangszen- hat sich ab 1993 verschoben. Am Anfang 31.12.1998 1142 trums. 1992 wurde das DZ Schweizerhalle war Sri Lanka sehr stark vertreten, dann 31.12.1999 1332 an der Rheinstrasse in Pratteln eröffnet und kam Bosnien-Herzegowina, gefolgt ab 1998 31.12.2000 647 löste im gleichen Jahr das DZ Kriegacker vom Kosovo bzw. Ex-Jugoslawien und dem 31.12.2001 736 und 1993 das DZ Gitterli ab. Im Jahre 2001 ehemaligen Ostblock (Russland etc.). Im Jahr 31.05.2002 371 kündigte der Vermieter der Liegenschaft den 2002 sind fast 60 Nationen vertreten und Vertrag und der Kanton sah sich gezwun- seit Anfang des Jahres stellt man eine mar- Bei den Zugängen in den Jahren 1997 bis gen, eine neue Lösung zu finden. Im Mai kante Zunahme aus Schwarzafrika fest. Der 1999 (Kosovo-Krieg) kommen ca. 350 Per- 2002 wurde das DZ Schweizerhalle definitiv Zustrom aus Ex-Jugoslawien ist nach wie vor sonen pro Jahr dazu, welche jedoch direkt geschlossen und befindet sich nun in Laufen. hoch. Selbstverständlich sind auch «speziel- auf andere Wohnheime oder Auffangzen- le» Länder dabei, wie die Mongolei, Ecua- tren verteilt wurden. Bruno Helfenberger dor, Myanmar, China, Kuba oder Brasilien. Trägerschaft Als der Landrat der Schaffung von Durch- Im Durchgangszentrum werden Asylbewer- gangszentren zustimmte, beauftragte der berInnen mit folgendem Status betreut: 285 286 Die Schule … Über die älteste Geschichte unseres Dorfes herrscht wie bei andern Gegenden grosses Dun- kel. Der Name des Dorfes wird oft von Pratis latis, d.h. breite Wiesen, abgeleitet, ob mit Recht oder Unrecht kann hier nicht entschieden werden ... Johannes Buess, Oberlehrer in Pratteln von 1852–1901, in der Prattler Heimatkunde von 1864. (Manuskript im Staatsarchiv Liestal.) zeichnete man 32 Prozent ausländische Kin- der Längi wurde vom Einwohnerrat die Auf- Die Entwicklung der. stockung der Kindergärten bewilligt. Prat- der Schule teln hatte dazumal 21 Kindergärten. Die Kindergartenkommission schuf ein Kin- dergartenreglement, das im Oktober 1973 Die Kindergartenkommission als Subkom- in Kraft trat. Damals verlangte die Gemein- mission der Primarschulpflege hatte ein sehr de ein Kindergarten-Schulgeld von Fr. 42.– grosses Arbeitspensum zu bewältigen, was pro Kind. 1976 musste die Kommission von zum Antrag auf Selbständigkeit führte. Die der Schliessung der beiden Kindergärten auf eine erheblich erklärte Motion ausgear- Verschiedene private Gruppierungen be- der katholischen Kirche in der Rosenmatt beitete Vorlage zur Änderung der Gemein- mühen sich um die Kinder im Vorschulalter Kenntnis nehmen. Diese wurden von deordnung für die Selbständigkeit der Kin- von drei bis fünf Jahren. Es gibt Spielgrup- Schwestern des Immensee-Ordens geführt. dergartenkommission fand sowohl im Ein- pen, Muki (Mutter und Kind)-Turnen, manch- Gegen diese Schliessung protestierten 70 wohnerrat als auch im Dezember 1991 beim mal auch Vaki-Turnen und um die Weih- Familien beim Gemeinderat, der aber be- Volk eine grosse Mehrheit. nachtszeit herum Bastel- und Spielgruppen. weisen konnte, dass genügend gemeinde- Diese sind zwar nicht ganz gratis, aber die eigene Räume zur Verfügung stünden. Der Blockzeitenversuch mit drei verschiede- Beiträge reichen nicht, um die Leiterinnen nen Modellen mit drei unterschiedlichen und Leiter reich werden zu lassen. Auch ist Auf einen Antrag der Kindergärtnerinnen Unterrichtszeiten zeigte, dass man mehrheit- es immer wieder ein Problem, Lokalitäten beschloss die Schulpflege die versuchsweise lich Blockzeiten begrüsse, aber allzu lange für solche Tätigkeiten zu finden, die gross Einführung des Gruppenunterrichts an allen zusammenhängende Unterrichtszeiten eher genug sind und keine teuren Mieten verur- Nachmittagen. ablehne. Der freie Samstag wurde aber all- sachen. gemein begrüsst. Da die Fremdsprachen-Kinder mit wenig oder gar keinen Deutschkenntnissen zu im- Zu Beginn des Schuljahres 1993/94 galt fol- mer grösser werdenden Problemen führten, gendes Modell: Der Kindergarten dauert am Die Kindergärten reichten die Kindergärtnerinnen bei den zu- Vormittag zweieinhalb und am Nachmittag ständigen Behörden ein Begehren um Ertei- zwei Stunden. An drei Nachmittagen findet lung von Deutschstunden ein. Dieses wurde Gruppenunterricht statt, für die Kinder im Dem Amtsbericht 1972 ist zu entnehmen, bewilligt, ebenso wie die Integration des ersten Jahr einmal, für die Kinder im zwei- dass vorerst einmal alle ein Jahr vor der JMS-Kinderkurses in den Kindergärten. Ab ten Jahr an zwei Nachmittagen. Schulpflicht stehenden und – soweit Platz Frühjahr 1980 gelangten alle Kindergarten- vorhanden – auch jüngere Kinder aufge- kinder in den unentgeltlichen Genuss der Die Kindergärtnerinnen haben vermehrt mit nommen wurden. Die Einschulung erfolgte von ausschliesslich ausgebildeten JMS-Lehr- den Schwierigkeiten zu kämpfen, die das erst nach einer gründlichen ärztlichen Un- kräften erteilten Grundkurse. Sparmodell des Einwohnerrats brachte. Die- tersuchung der seelischen und körperlichen ser hatte entschieden, dass die Kindergär- Verfassung des Kindes. In Zweifelsfällen Ab 1. November 1981 können in Pratteln ten keine Extrabeiträge mehr für die An- wurde ein Kind, im Einverständnis mit den alle Kinder den Kindergarten zwei Jahre schaffung von Spielmaterialien erhalten Eltern, dem Schulpsychologen zur weiteren lang besuchen. sollten. In diversen Aktionen, wie Führen Abklärung zugewiesen. Die Zuteilung zu eines Cafés, Erstellen von Geschenklein an den einzelnen Kindergärten gestaltete sich 1988 nahm eine Vorschulheilpädagogin im Weihnachten usw., konnte den Kindergärt- recht schwierig. Schon damals (1972) ver- Kindergarten Zweien ihre Arbeit auf, und in nerinnen dennoch ein gewisser Betrag für 289 die Neuanschaffung von Materialien zur 1996 gab es eine grosse Umstellung, als die Primarschule Verfügung gestellt werden. Gemeinde Pratteln auf allen Schulstufen die Fünftagewoche einführte. An der Primarschule werden Regelklassen, All dies spielte sich in folgenden 14 Kinder- Einführungsklassen, Kleinklassen und Inte- gärten mit insgesamt 259 von 18 Kinder- Im Jahre 2002 hat die Bevölkerung der Ein- grationsklassen geführt. gärtnerinnen betreuten Kindern ab: Aegel- führung eines neuen Bildungsgesetzes zu- matt I u. II, Gehrenacker I u. II, Hexmatt 1, gestimmt, welches auf Sommer 2003 in Kraft 101 Lehrpersonen betreuen 790 Schülerin- Längi 2, 3, 4, Münchacker, Alte Schule treten soll und tiefgreifende Änderungen nen und Schüler in 44 Klassen (1. November (Schloss), Vereinshaus 2, Vogelmatt 1, Zwei- nach sich ziehen wird. So gibt es neue Lehr- 2002). Es stehen dafür sechs Schulhäuser en 1 (Stand 1. November 2002). pläne und Stundentafeln, kleinere Klassen, zur Verfügung: Aegelmatt, Burggarten, Erli- teilweise neue Schulkreise und der Kanton matt II, Grossmatt, Längi und Münchacker. übernimmt neu die Sekundarschulanlagen. Das Rektorat und das Sekretariat der Primar- Die Schulstufen Die Sekundar- und Realschule verschmelzen schule befinden sich im Grossmattschul- zur Sekundarschulstufe 1. Diese wird zu- haus. künftig durch eine gemeinsame Schullei- Nach dem Kindergarten gliedert sich heute tung teilautonom geleitet. Die neue Schul- Realschule unsere Schule in die folgenden Stufen: leitung erhält weitere Aufgaben und Kom- petenzen und trägt die Verantwortung in 1946 nimmt das Baselbietervolk ein neues Fünf Jahre Primarschule (zwei Jahre Unter- pädagogischer, personeller, organisatorischer Schulgesetz an, in dem das Mittelschulwe- stufe, drei Jahre Mittelstufe) und teilweise auch in finanzieller Hinsicht. sen durch Schaffung von Realschulen neu Ebenso berät und beurteilt die Schulleitung geregelt wird. Man hebt gleichzeitig die Be- Vier Jahre Oberschule, d.h. drei Jahre Real- die Lehrkräfte. Die «neue Schule» erarbeitet zirks- und Sekundarschulen auf. Das Doppel- schule, ein Jahr Berufswahlklasse oder vier u.a. ein Leitbild und ein Schulprogramm ziel der früheren Bezirksschulen ist beibe- Jahre allgemeine oder progymnasiale Abtei- und legt selbst fest, wie sie die Bildungszie- halten, indem die Realschule auf die Berufs- lung der Sekundarschule le erreichen will. Es werden neu interne und bildung und den Eintritt in höhere Lehran- externe Evaluationen durchgeführt. stalten vorbereitet. 1963 wurde für die Se- Entsprechend der Zunahme der Wohnbe- kundarschule ein neues Schulhaus errichtet, völkerung ist auch die Schülerzahl zuerst Die Realschule soll neu Niveau A, die Se- das Erlimatt-Schulhaus. Von da an spricht gewaltig angestiegen, doch stagniert sie jetzt kundarschule Niveau E und das Progymnasi- man von der Sekundarschule als Fortbil- seit Ende der siebziger Jahre. An der Primar- um Niveau P anbieten. dungsschule bis ins 8./9. Schuljahr und der und Sekundarschule durften die fremdspra- Realschule im obigen Sinn. chigen Schülerinnen und Schüler doppelt Aus der Schulpflege wird der Schulrat, des- gezählt werden, was vor allem bei der maxi- sen Aufgabenbereiche sich ebenfalls stark 1959 haben 18 Jünglinge, welche keine malen Schülerzahl pro Klasse seine Auswir- verändern werden. eigentliche Lehre absolvieren und nicht stu- kung hatte. dieren, ihre ergänzende Ausbildung erhal- Erst am Ende der Schulpflicht entscheidet ten. Das Schuljahr 1988/89 dauerte ein Viertel- man darüber, ob man eine Berufslehre, eine jahr länger als üblich, da ab 1989 das Schul- weiterführende Schule (Berufsmittelschule, Es sind vor allem räumliche Notlagen, die jahr im August und nicht mehr nach Ostern Diplommittelschulen und ähnliches) oder die Gemeindebehörden dazu gebracht ha- 290 begann. die gymnasiale Laufbahn ergreifen will. ben, im Erli ein neues Schulhaus für die Sekundarschule zu planen und bis 1965 fer- Sekundarschule Pratteln tigzustellen. An der Sekundarschule werden Klassen der 1965/66: Die vor vielen Jahren erstmals im allgemeinen Abteilung und der progymn- Baselbiet eingeführte Berufswahlklasse fin- asialen Abteilung geführt. det einen derartigen Zuspruch, dass sie nun- mehr mit hiesigen Schülern doppelt geführt Gegenwärtig (1. November 2002) betreuen werden muss, steht im Schulbericht dieser 45 Lehrpersonen 392 Schülerinnen und Jahre. Schüler in 20 Klassen. Es stehen dafür die Schulhäuser Fröschmatt I und II zur Verfü- Im Jahre 1966 zog die Realschule ins Erli. Es gung. 1906 wurde gegenüber dem Schloss-Schulhaus existierten damals je eine erste, zweite und die im Jugendstil gestaltete Turnhalle erbaut. dritte Klasse und zwei BWK (Berufswahl- Das Rektorat und das Sekretariat der Se- Klassen). kundarschule befinden sich im Fröschmatt- 1896 wurde neben dem 1879 eingeweih- Schulhaus. ten Burggartenschulhaus ein neues Schul- Vor dem Erli wurde auf dem Schulplatz haus, das Schlossschulhaus, erstellt und da- geturnt und der Hauswirtschaftsunterricht Die einzige Sportklasse des Kantons BL ist rin am 1. Mai 1898 die Sekundarschule in fand irgendwo in einer Holzhütte statt. Die an unserer Schule beheimatet. In dieser Betrieb genommen. Die erste Klasse, beste- Schüler besuchten während 30 Stunden pro Klasse werden sehr sportbegabte Schülerin- hend aus 25 Knaben und acht Mädchen, Woche an sechs Tagen den Unterricht. Die nen und Schüler aus dem ganzen Kanton wurde von Rudolf Senti unterrichtet. Klassengrössen bewegten sich damals um unterrichtet. rund 30 Schülerinnen und Schüler. 1906 wurde die Dorfturnhalle eingeweiht, 1908 die Lehrerwohnung im Schlossschul- An der Realschule werden Regel- und Klein- haus in ein drittes Klassenzimmer umge- klassen geführt. Abriss aus der Geschichte baut, 1913 ein zweiter Lehrer angestellt, 1919 ein dritter, 1932 ein vierter und 1936 ein Gegenwärtig (1. November 2002) betreuen fünfter. Im Laufe der Zeit besuchten auch 36 Lehrpersonen in 19 Klassen 303 Schüle- Ende des 19. Jh. besuchten in Pratteln alle Schüler aus Augst, Giebenach und Arisdorf rinnen und Schüler. Es stehen dafür die Knaben und Mädchen während sechs Jah- die Sekundarschule Pratteln. Schulhäuser Erlimatt I und II zur Verfügung. ren die Volksschule, anschliessend während zwei Jahren die Oberschule, die meistens als Ab 1947 galt ein neues Schulgesetz. Die Das Rektorat und das Sekretariat der Real- Halbtagesschule geführt wurde. Knaben mit Bezirks- und die gemeindeeigenen Sekundar- schule befinden sich im Erlimattschulhaus I. genügenden Schulleistungen stand die Be- schulen wurden zusammengelegt zu den Der Name «Erli», der die geografische Lage zirksschule in Liestal offen. Obwohl im Schul- neuen Realschulen, die vom Kanton geführt unseres Schulhauses angibt, wird im Jahr gesetz von 1881 nicht vorgesehen, wurden wurden. Sie sollten sowohl auf eine Berufs- 1387 erstmals erwähnt und bezeichnet die ab 1897 in einigen Gemeinden Sekundar- lehre als auch auf den Übertritt in eine wei- Wiesen in der Nähe des Erlenwaldes. schulen eingerichtet. Sie waren Gemeinde- terführende Schule vorbereiten. Pratteln wur- schulen, nahmen Knaben und Mädchen de zur Standortgemeinde des Realschul- Die erste Realschule (damals hiess sie noch nach der sechsten Primarklasse auf, und ihr kreises Pratteln–Augst–Giebenach. Die Schule Sekundarschule) in Pratteln war im Schloss- Lehrplan lehnte sich eng an den der Basler erlebte, parallel zur Gemeinde, in dieser Zeit und im Burggarten-Schulhaus untergebracht. Mädchensekundarschule an. ein rasantes Wachstum. Die Suche und An- 291 stellung neuer Lehrkräfte und die Bereitstel- Bereich Handarbeit und Hauswirtschaft. Im lung der benötigten Räumlichkeiten gehör- Laufe der Zeit wurde das Fächerangebot Die schulischen ten zu den Hauptaufgaben der Schulbehör- verändert, es wurden mehr Freifächer ange- Dienste den. boten und auch bei den Promotionsfächern wurden den Schülerinnen und Schülern 1955 wurde das Schulhaus Fröschmatt ein- Wahlmöglichkeiten gegeben. geweiht, 1968 der Haupttrakt vergrössert und 1973 stand daneben bereits die kom- Bis 1980 wurde in die Sekundarschule auf- plette Schulanlage Fröschmatt I. genommen, wer eine Aufnahmeprüfung bestand. Seit 1981 erfolgt die Aufnahme Legasthenie und Dyskalkulie Im Jahre 2000 besuchten 436 Schülerinnen auf Grund einer Empfehlung der Primarlehr- und Schüler in 22 Klassen die Sekundar- kraft. Marc Mundorff Einige Schülerinnen und Schüler sind bei schule Pratteln–Augst–Giebenach und wur- Schuleintritt noch sprachverzögert, andere den von 50 Lehrkräften unterrichtet. zeigen sich schwerfällig in ihren Bewegun- gen und Handlungen: Das können Hinweise Natürlich veränderten sich nicht nur Zahlen, sein auf eine verzögerte Reifung auf einem sondern auch Inhalte. 1980 wurde das bis oder mehreren Gebieten. Die Ursachen sind jetzt freiwillige neunte Schuljahr eingeführt. vielfältig, sie reichen von leichten Hirnfunk- Während einigen Jahren wurde eine fünfte tionsstörungen bis zu Erziehungsmängeln. Realklasse geführt, die vorerst Mädchen aus dem ganzen Kanton diente, die ein zehntes Die Schule berücksichtigt Entwicklungsver- Schuljahr benötigten. Später wurden auch zögerungen so gut als möglich. Knaben aufgenommen. Mit der Errichtung der DMS 2 am KV Baselland wurden diese Diese spätentwickelten Kinder benötigen Klassen aufgelöst. Ab 1968 führte die Real- mehr Zeit zum Lernen. Um dem Kind un- schule Pratteln neben einer allgemeinen nötige Frustrationserlebnisse zu ersparen, auch eine progymnasiale Abteilung als Vor- bieten die Prattler Schulen verschiedene spe- bereitung auf das Gymnasium. zielle Angebote zur Förderung an.

Mit der Einführung eines neuen Schulgeset- Diese Teilleistungsstörungen können fol- zes änderte die Schule auch wieder ihren gende Gebiete betreffen: Namen. Sie heisst seither wieder Sekundar- schule oder Sekundarstufe I (Gymnasium a. die Sprache (Wortschatz, Rechtschreibung, Sekundarstufe II), gleich wie die entspre- Grammatik) chenden Schularten in den meisten anderen b. das Lesen (verlangsamt, erschwert) Kantonen (nicht aber in Baselstadt). c. Graphomotorik (gestörtes Schriftbild) d. das Denken Das neunte Schuljahr wurde obligatorisch; e. die rechnerischen Fähigkeiten (Dyskalkulie) für Mädchen und Knaben galt das gleiche Fächerangebot. Das brachte Umstellungen An den Prattler Schulen wird seit 1970 292 in den Stundentafeln mit sich, vorab im Legasthenie-Therapie angeboten. Unterrich- tet werden die Kinder mit einer Teilleis- Therapiebedürftige mit Störungen in der Kinder in der Schulzahnklinik im «Fröschi- tungsstörung (Legastheniker) von fünf spe- gesprochenen Sprache, wie Lautbildung, Schulhaus» oder im legendären Wohnwa- ziell geschulten Legasthenie-Therapeutin- Stottern oder chronischer Heiserkeit werden gen beim eigentlichen Schulzahnarzt be- nen. Die Eltern und die Klassenlehrperson in Pratteln im Logopädischen Dienst in der treuen lassen. Einmal im Jahr kam das Zahn- beschliessen die Anmeldung zu einer fachli- «Alten Schule» und im Längi-Schulhaus be- putzfräulein in die Kindergarten- und Pri- chen Abklärung beim Schulpsychologischen treut. marschulklassen und zeigte den Kindern, Dienst des Kantons. Bei Therapiebedarf wie man die Zähne putzen sollte. Betreut stellt die dort zuständige Person Antrag an Durch die logopädische Behandlung wer- wurde das Ganze von einer Lehrperson. die Prattler Schulbehörde. Eine Therapie, den in den meisten Fällen sehr gute Fort- meistens in Gruppen, dauert ein Jahr und schritte erreicht bis hin zur völligen Sym- Seit der Revision des Basellandschaftlichen kann um ein Jahr verlängert werden. In ptomfreiheit. Eine frühe Erfassung ist sehr Schulzahnpflege-Gesetzes im Jahre 1998 schweren Fällen wird ein längerer Einzelun- wichtig, um weiteren Problemen, wie Sprech- sind die Eltern bei der Zahnarztwahl frei; der terricht angeordnet. verweigerung aus Frustration, geringem eigentliche Schulzahnarzt wurde abge- Selbstvertrauen und Lernschwierigkeiten in schafft. Als niederschwelliges Angebot, das Schwie- der Schule, vorzubeugen. rigkeiten möglichst früh erfassen will, gibt Mit dem freiwilligen Beitritt zur heutigen es seit etwa zehn Jahren die Fördergruppen. Die Kinder werden meistens durch ihre Kinder- und Jugendzahnpflege bietet die Lernbehinderte der selben Klasse werden zu Eltern oder Kinderärzte gemeldet. Es kön- Zahnärzteschaft folgende Dienstleistungen Gruppen von zwei bis fünf Kindern zusam- nen Kinder und Jugendliche ab zweitem an: Regelmässige Kontrolle der Zähne, vor- mengenommen. Ein Kurs dauert ein bis Lebensjahr bis zur Volljährigkeit behandelt beugende Massnahmen gegen Karies und zwei Jahre und findet in der Regel von der 2. werden. Die Kosten werden anteilmässig Paradontitis, Behandlung von Karies und bis 4. Klasse statt. von der Invalidenversicherung, dem Kanton Korrektur von Zahnstellungsfehlern. und der Gemeinde getragen. Die Anzahl der Therapielektionen schwankt Bei Eltern mit geringerem Einkommen ge- seit Jahren nur geringfügig. Im Moment Der Logopädische Dienst wird seit 1976 langt ein reduzierter Tarif, gemäss den ge- werden pro Woche 50 Lektionen erteilt. angeboten und beinhaltet 210 Stellenpro- setzlichen Bestimmungen, zur Anwendung. zent, verteilt auf drei Logopädinnen. Die Eher selten befinden sich auch Kinder von Zahl der Therapiebedürftigen ist seit Jahren Die ganze Administration wird auf der Ge- Augst und Giebenach darunter. ziemlich konstant, sie beträgt momentan 70 meindeverwaltung erledigt. Kinder. Eher selten werden Kinder aus Augst bei uns behandelt. Logopädie Schulärztlicher Dienst Der Name Logopädie kommt vom Griechi- Im ersten Kindergartenjahr werden alle Kin- Schulzahnpflege schen «Logos» und bedeutet «Wort» und der zum ersten Mal ärztlich untersucht. «Paidos» Kind. Die Schulzahnpflege leistete nach dem Dabei werden vor allem die Augen und das Zweiten Weltkrieg zahnpflegerische Dienste Gehör sowie die Gesamtentwicklung des In der logopädischen Therapie werden Kin- für schulpflichtige Kinder. Jahrzehntelang Kindes überprüft. der und Jugendliche mit Störungen der wurde der schulzahnärztliche Dienst in den Sprachentwicklung, des Sprechens, des Re- Praxen der drei Prattler Zahnärzten aus- In der 4. Primarklasse werden wiederum die deflusses, der Artikulation oder des Schlu- geübt. Der Gang zum Zahlarzt war damals Augen und das Gehör getestet sowie Grös- ckens behandelt. obligatorisch. Später konnten die Eltern ihre se und Gewicht des Kindes festgehalten. 293 Ebenso werden die Impfkarten kontrolliert. der Stadt Basel, dass die Pfarrer auf dem Auf speziellen Wunsch der Eltern werden Zur Geschichte der Untertanengebiet der Landschaft alle jun- auch mögliche Haltungsschäden genauer Prattler Schulhäuser gen Knaben und Töchterchen von sechs bis untersucht. 14 Jahren alle vier Wochen am Sonntag Nachmittag im christlichen Glauben zu Seit 1999 entfällt eine obligatorische Unter- unterweisen haben und diese Kinder auch suchung für die Jugendlichen der 7. Klas- zum Gebet vermahnen sollten. Neben den sen. Diese füllen, in anonymer Selbstbeur- so genannten von den Obrigkeit eingerich- teilung, einen Fragebogen aus, der, auf teten und auch finanzierten Deputaten- Wunsch, mit dem Schulärztepersonal per- In der Gedenkschrift zur Einweihung des schulen in grösseren Ortschaften der Land- sönlich besprochen wird. Realschulhauses Fröschmatt in Pratteln am schaft entstanden andernorts – wie auch in 8./9. Januar 1955 hat der damalige Prattler Pratteln – so genannte Bauern- oder Ge- Die Administration findet auf der Schulver- Dorfhistoriker Dr. h.c. Ernst Zeugin (1896– meindeschulen. waltung statt oder wird durch die Klassen- 1981) die Geschichte der Prattler Schulen lehrpersonen erledigt. Felix Knöpfel recherchiert und die Ergebnisse publiziert. Das erste Prattler Schulhaus – die «Alte Wacht» – wurde 1692 und gleichzeitig mit Nach Dr. h.c. E. Zeugin wird in einem hand- dem Neubau des Prattler Pfarrhauses und QUELLEN: schriftlichen Dokument über Heu-, Wein- zwar ausschliesslich auf Rechnung der Ge- V. Anastasiou, Leiterin Legasthenietherapie und und Kornzehnten, das sich im Staatsarchiv meinde Pratteln errichtet. Die Finanzierung R. Spani, Leiterin des Logopädischen Dienstes. Liestal befindet, erstmals um 1600 ein Pratt- des Neubaus wurde durch eine einmalige, ler Lehrer erwähnt. Dieser Eintrag lautet: «... auf Grund der Vermögensverhältnisse abge- hat Philipp ein Mass Wein in des Schulmei- stufte Schulsteuer zulasten der Einwohner sters Haus beschickt». Zeugin hat den ge- erhoben; was den Gesamtbetrag von 632 nannten Philipp mit dem Sohn des Besitzers Pfund und acht Schilling einbrachte. Das des Hofgutes Neu-Schauenburg, nämlich Bauholz der ersten Prattler Schule stammte Franz Offenburg, identifiziert und damit aus der Rodung des Hagenbuchen- und den frühesten Bezug auf eine Prattler Schu- Eichenwaldes im Löli. Die Rodung umfasste le bzw. einen Lehrer an einer Prattler Schule damals 100 Jucharten; 40 Eichenstämme namhaft gemacht. wurden nach Basel zur Verstärkung der Joche der Basler Rheinbrücke, weitere zum Einen weiteren Bezug zur Prattler Schule hat Neubau des Prattler Pfarrhauses und des Zeugin im Bericht der Kirchenvisitation vom Schulhauses verwendet. 2. Juni 1619 gefunden, wo der damalige amtierende Prattler Pfarrer Markus Keller Die «Alte Wacht» – vis-à-vis des Wirtshau- (1595–1667) die Eltern ersucht, die Kinder ses «Engel» – an der Hauptstrasse gelegen, in die Schule zu schicken. wies im ersten Stock ein Schulzimmer für sämtliche Prattler Schülerinnen und Schüler Wie Zeugin nachweist, entstand die Prattler auf; im Parterre befand sich die Lehrerwoh- Schule aus dem kirchlichen Unterricht – der nung. An das Schulhaus liess die Gemeinde Kinderlehre – und stützte sich dabei auf die eine Stallung für zwei Stück Vieh anbauen. 294 am 16. Juni 1653 erlassene Ratsordnung Lehrer an der ersten Prattler Schule war Pau- hielt jeden Nachmittag von drei bis fünf Uhr seine Lektionen.

Aber die erste Prattler Schule – eine Ge- samtschule, in der alle Stufen durch einen Lehrer unterrichtet wurden – stiess kurz nach dem Brand von Pratteln am 3. August 1833 an den Rand ihrer Kapazität, so dass ein neues Schulhaus errichtet werden mus- ste. Das zweite Prattler Schulhaus – die so- genannte «Alte Schule» am Prattler Schmie- Das erste Schulhaus wurde 1692 eröffnet. deplatz wurde bereits als Unter- und Ober- 1879 wurde das dritte Schulhaus eröffnet. schule konzipiert und besass einen Oberleh- rer und einen Lehrer für die unteren Klassen. Das Schulhaus wurde am 2. Mai 1853 ein- geweiht und beinhaltete zwei Schulzimmer, eines für die Unterschule und eines für die Oberschule, sowie zwei Lehrerwohnungen und zusätzlich einen Stall, wo die Schulleh- rer ihr Vieh unterbringen konnten. Die Besoldung bestand damals weitgehend aus Naturalien, nämlich aus Wies- und Pflanz- land, das die Lehrer neben ihrem schuli- schen Auftrag zu nutzen hatten. Im Novem- 1853 wurde das zweite Schulhaus eröffnet. ber 1857 verlangten die Schullehrer zudem, Das erste Sekundarschulhaus wurde 1897 eröffnet. dass ihnen die Gemeinde auch Schweine- lus Pfaff. Der damalige Prattler Pfarrer ställe einzurichten habe. Aber bereits im ler der Repetierschule wurden geschlechts- Niklaus Ryhiner (1692–1731 Pfarrer in Prat- Jahre 1865, also nach 12 Jahren, stiess die spezifisch aufgeteilt, so dass der Oberlehrer teln), schildert Pfaff als guten Lehrer «mit Schülerkapazität an noch vertretbare Gren- und der Mittellehrer je eine Abteilung er- gutem Wissen» und unsträflichem Lebens- zen: Ein dritter Lehrer wurde durch die Ge- hielten. wandel. Auf Pfaff folgte Johannes Tschudin meindeversammlung bewilligt und ein neues und dann vier Lehrer aus der Familie Atz, Schulkonzept wurde vorgegeben: Die Un- Das dritte Prattler Schulhaus, das Burggar- nämlich von 1728 bis und mit 1816. terschule mit 111 Schülerinnen und Schülern, ten-Schulhaus, wurde an Stelle der alten die Oberschule mit 92 Schülerinnen und Dorftrotten, die zum Schlossgut gehörten Am 5. Oktober 1851 wurde auch in der Schülern und die Repetierschule mit 62 und 1877 abgebrochen wurden, erbaut. Schweizerhalle, dem Standort der Saline, Schülerinnen und Schülern wurde neu kon- Aus dem Abbruch und aus dem Steinmate- eine Schule errichtet, in der Johann Buess – zipiert, indem die erste und zweite Klasse rial wurde der sogenannten «Munistall», genannt der «dicke Buess» – Schulunter- durch den Unterlehrer, die dritte und vierte das war die Lokalität, wo der Gemeinde- richt an 24 Kinder erteilte, deren Familien Klasse durch den Mittellehrer und die fünfte Muni – der sogenannte Wucherstier – sich in der 1837 errichteten Saline Schwei- und sechste Klasse durch den Oberlehrer untergebracht wurde, westlich des Schlosses zerhalle niedergelassen hatten. Johann Buess geführt wurden. Die Schülerinnen und Schü- erstellt. Am 27. April 1879 wurde das Schul- 295 haus festlich eingeweiht und parallel dazu haus konnten ihrer Funktion als Schulhäuser Schulpavillon Schweizerhalle eine vierte und später eine fünfte Lehrerstel- entbunden werden. Im Industriegebiet der Schweizerhalle wur- le für die über 300 Schülerinnen und Schü- de bereits am 5. Oktober 1851 und noch ler geschaffen. vor der Eröffnung der «Alten Schule» am Die Chronologie der aktuell Prattler Schmiedeplatz eine Schule eröffnet, Ende 1897, als in Pratteln die Sekundar- genutzten Schulhäuser und deren Lokal der Salinedirektor unentgeltlich schule gegründet wurde, zählte Pratteln zur Verfügung gestellt hatte. 1958 wurde ein 336 Schülerinnen und Schülerinnen, die von deren Belegung Pavillon-Schulbau mit einem Klassenzimmer sechs Lehrern unterrichtet wurden. Am 2. und einem Handarbeitszimmer durch die Mai 1897 beschloss die Gemeindeversamm- Burggarten-Schulhaus Gemeinde Pratteln errichtet. Dieser Schul- lung einen Schulhaus-Neubau auf Burggar- Primarschule, eingeweiht 1879 pavillon wurde aber bereits im Jahre 1971, ten, vis-à-vis des Prattler Schlosses. Das Belegung am Stichtag 1.11.2001: wegen geringer Schülerzahlen, aufgegeben Land hatte die Bürgergemeinde unentgelt- 82 Schülerinnen/Schüler und an die Schweizerischen Rheinsalinen lich abgetreten. Als ersten Sekundarlehrer 2 Regelklassen verkauft. wählte der Gemeinderat Rudolf Senti von 3 Kleinklassen Maienfeld, der am 1. Mai 1898 seine Lehrer- Erlimatt-Schulhaus I tätigkeit mit 25 Knaben und acht Mädchen Grossmatt-Schulhaus Realschule, eingeweiht 1966 aufnahm. Primarschule, eingeweiht 1914 Belegung am Stichtag 1.11.2001: Belegung am Stichtag 1.11.2001: 294 Schülerinnen/Schüler Das erste Sekundarschulhaus Prattelns – das 153 Schülerinnen/Schüler 16 Regelklassen Schloss-Schulhaus – wurde im festlichen 6 Regelklassen 3 Kleinklassen Rahmen am 29. Mai 1898 eingeweiht. Der 2 Kleinklassen Sekundarlehrer bezog damals ein Gehalt Erlimatt-Schulhaus II von 2400 Fr. pro Jahr plus 200 Fr. Woh- Münchacker-Schulhaus Primarschule, eingeweiht 1975 nungsentschädigung. Die Dorfturnhalle wur- Primarschule, eingeweiht am 16. April 1950 Belegung am Stichtag 1.11.2001: de 1906 als typisches Objekt des Jugendstils als erstes Schulhaus nördlich der Bözberg- 98 Schülerinnen/Schüler dem Schulbetrieb übergeben, und gestützt und Hauenstein-Bahnlinien 5 Regelklassen auf den Beschluss der Gemeindeversamm- Belegung am Stichtag 1.11.2001: lung durften auch die Mädchen der siebten 105 Schülerinnen/Schüler Schulpavillon «Längi» bzw. Längi-Schulhaus und achten Klasse die Turnstunden in der 5 Regelklassen Der Schulpavillon «Längi» musste im Zuge Dorfturnhalle besuchen. der «Längi»-Quartier-Realisierung nordöst- Fröschmatt-Schulhaus I und II lich von Pratteln und weit ausserhalb des Das Grossmattschulhaus, als fünftes Prattler Sekundarschule und Progymnasium, einge- Prattler Dorfkerns an der Peripherie der Schulhaus und disponiert als Primarschul- weiht am 8./9. Januar 1955 und 1973 Gemeindegrenze gegen Augst erstellt wer- haus, wurde am 14. Juni 1914 eingeweiht. Belegung am Stichtag 1.11.2001: den; er wurde 1971 durch das Quartier- Mit dem Bau und dem Bezug des Gross- Sekundarschule Schulhaus Längi ersetzt. mattschulhauses war Pratteln bis in die fünf- 279 Schülerinnen/Schüler Primarschule, eingeweiht 1971 ziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts 13 Regelklassen Belegung am Stichtag 1.11.2001: aller Schulraumsorgen enthoben. Mehr noch, Progymnasium 162 Schülerinnen/Schüler sowohl die «Alte Wacht», wie auch die 151 Schülerinnen/Schüler 8 Regelklassen 296 «Alte Schule» und auch das Schloss-Schul- 8 Regelklassen 3 Kleinklassen Aegelmatt-Schulhaus Innern sowie der Bau eines Pavillons als Eu- Primarschule, eingeweiht im Jahre 1971 Die Rudolf Steiner- rhythmie- und Versammlungsraum und als Belegung am Stichtag 1.11.2001: Schule Festsaal für Aufführungen. 1989, als die volle 192 Schülerinnen/Schüler Anzahl von zwölf Klassen samt Kindergar- 9 Regelklassen ten (er war provisorisch im Bauernhaus un- 1 Kleinklasse tergebracht) längst erreicht war, drängte sich die bislang aus Geldmangel aufgescho- Schülerinnen/Schüler, Regel- und Kleinklas- bene, aber dringend notwendige Renovati- sen am 1.11.2001: on des Schlosses auf. Im September 1992 Total Schülerinnen/Schüler 1506 Wenn man über die Prattler Schulen schreibt, konnte dann die gelungene Sanierung der Total Regelklassen 72 muss auch die Rudolf Steiner-Schule er- Schlossfassaden, der Terrasse mit Stützmau- Total Kleinklassen 12 wähnt werden. Sie ist eine Privatschule, für er, des Schlosshofes mit den angrenzenden deren Schulbetrieb die Eltern der Schüler Mauern und des Gartenpavillons gefeiert entsprechend ihren ökonomischen Verhält- werden. Pro Memoria nissen aufkommen. Vom Staat erhält sie, wie Der bereits geplante Bau des Schulhaus jede andere Privatschule, seit dem Jahre Anfangs 2003 wurden auf Mayenfels 250 «Halden» im Bereich der heutigen Ochsen- 2000 einen Zuschuss von 2000 Franken pro SchülerInnen in neun Klassen (Unter- und Überbauung wurde auf Antrag des damali- Jahr für ein im Kanton wohnhaftes Kind. Mittelstufe) von 30 Lehrkräften mit Voll- gen Einwohnerrates Walter Gysin durch den Benannt sind die Rudolf Steiner-Schulen und Teilpensum unterrichtet. Die Oberstufe Einwohnerrat in den achtziger Jahren nach ihrem Gründer, dem Begründer der befindet sich in Muttenz; der Kindergarten sistiert. Fritz Sutter Anthroposophie, Rudolf Steiner (1861–1925), wurde mangels Kinder geschlossen. der auch das Goetheanum in Dornach er- Emmy Honegger bauen liess. Die Rudolf Steiner-Schulen oder QUELLEN: Waldorf-Schulen – es gibt weltweit deren QUELLE: Angaben des Schulsekretariats der Gemeinde über 770 in über 50 Ländern – sind, frei von Rudolf Steiner-Schule, Pratteln. Pratteln. Wettbewerb und Zeugnisdruck, der ganz- Zeugin, Ernst: Gedenkschrift zur Einweihung des heitlichen Entwicklung der Schüler ver- Realschulhauses Fröschmatt Pratteln. Januar pflichtet. Der jährliche Bazar zeugt von den 1955. schulischen, handwerklichen und künstleri- schen Fähigkeiten der Schüler und ist zu- gleich auch eine willkommene Einnahme- quelle.

Die 1973 gegründete «Rudolf Steiner-Schu- le Baselland» zog 1974 in den Südflügel des Schlosses Mayenfels ein. Bereits drei Jahre später wurde sie Besitzerin des Schlosses und trägt von nun an den Namen «Rudolf Steiner-Schule Mayenfels». Nach dem Kauf des Gebäudes erfolgten verschiedene, auf- wändige Umbauten und Veränderungen im 297 298 Die Landeskirchen und religiösen Gemeinschaften Bei «Oppelis» – einem uralten Haus am Eingang in die Schauenburgergasse, gebaut an der Stelle einer röm. Villa, wie Säulenfunde beweisen – kommt es vor, dass den Pferden die Schwänze zu- sammengeflochten werden; wer das sieht, be- kommt den andern Tag einen geschwollenen Kopf. «Heimakunde Pratteln», Pfarrer K. Sartorius, 1904. welle, sondern auf Veränderungen der Ein- stellen zur Verfügung. Nebst Jugend- und Die evangelisch- wohnerzahl zurückzuführen. Auswertungen Altersarbeit gehört in diesen Zuständig- reformierte zeigten, dass rund 80% dieser 1476 Mitglie- keitsbereich auch die Betreuung der Rand- der aus der Kirchgemeinde weggezogen sind. gruppen. Kirchgemeinde Die neu zugezogenen Personen gehören an- deren Glaubensgemeinschaften an oder sind Im Jahre 1996 wurde der Wohntrakt des Pratteln–Augst konfessionslos. In den nächsten Jahren wer- Ende der sechziger Jahre erbauten Kirchge- den zwei Pfarrer in den Ruhestand treten. meindehauses um ein Stockwerk erhöht. Die Reduktion des Mitgliederbestandes wird Die Idee für diese Aufstockung entstand Früher war die Kirche im Zentrum des Dor- sich bei der Neubesetzung möglicherweise durch die nötig gewordene Sanierung des fes. Der Kirchturm überragte alles. Heute auch auf die Anzahl Pfarrstellen auswirken. Flachdaches. Mit dieser Aufstockung konn- sieht manches etwas anders aus. Die Kirche ten im neuen zweiten Stockwerk des Wohn- befindet sich noch immer im Dorfkern, sie Für die Betreuung der knapp 6000 Kirchen- traktes des Kirchgemeindehauses drei roll- überragt aber längst nicht mehr alles. Damit glieder sind einige Personen für verschie- stuhlgängige Zwei-Zimmerwohnungen reali- auch Auswärtige die Kirche finden, muss- dene Arbeitsgebiete täglich im Einsatz. Zur siert werden. Die Lage ist ideal für ältere Per- ten sogar Wegweiser aufgestellt werden. Zeit besteht das Pfarrteam aus 3,5 Pfarrstel- sonen. Einkaufsmöglichkeiten und die öffent- Das Dorf Pratteln hat sich entwickelt, und len. Das 100-Prozent-Pensum von Pfarrer lichen Verkehrsmittel sind in unmittelbarer somit haben sich auch die überbauten Flä- Walter Klein wird zu einem kleinen Teil Nähe. Die bestehende Wohnung im ersten chen vergrössert. Nebst den zahlreichen durch seine Ehefrau, Pfarrerin Ruth Klein, Stock wurde für die Spitexdienste umge- Hochhäusern und den riesigen Einkaufszen- abgedeckt. Diese Regelung, die schon seit baut. tren steht unsere Kirche bescheiden da. Sie Jahren so besteht, zeigt wie fortschrittlich musste sich in den letzten Jahrzehnten an die Kirchgemeinde Pratteln–Augst ist. Ein Job- Kirchliches Angebot und weitere die Bescheidenheit gewöhnen, denn der sharing war hier schon möglich, als andere Veranstaltungen Aufmarsch der Gottesdienstbesucher ist an noch nicht einmal wagten, daran zu den- gewöhnlichen Sonntagen auch bescheiden. ken. Pfarrer Paul Kohler, der in Augst wohn- Beginnen möchte ich mit den Jüngsten, also haft ist, betreut mit seinem 100-Prozent- Pen- mit den Kindern im Vorschulalter, für die Zur Kirchgemeinde Pratteln gehören die sum ganz Augst und einen Teil von Pratteln. unter dem Namen «Babuschka» von freiwil- politischen Gemeinden Pratteln und Augst. Pfarrerin Clara Moser Brassel arbeitet in ligen Helferinnen biblische Geschichten er- Darum auch der Name Kirchgemeinde Prat- einem 60- und Pfarrer Röbi Ziegler in einem zählt werden. Ab der zweiten Primarklasse teln–Augst. In den letzten Jahren wurden 90-Prozent-Pensum. Die Zuständigkeit ist wird während dem normalen Schulunter- jährlich 30 bis 60 Kinder getauft. 60 bis 80 geografisch geregelt. In einer Mehrpfarrer- richt von Katechetinnen eine Wochenstun- Jugendliche wurden konfirmiert, und kirch- gemeinde, wie sie die Kirchgemeinde Prat- de Religionsunterricht erteilt. In den höhe- lich trauen liessen sich zehn bis 30 Paare. teln–Augst darstellt, ist es wichtig, dass die ren Schulstufen wird der Religionsunterricht Die Anzahl Bestattungen schwankte zwi- verschiedenen Amtsträger sich in unter- von der Gemeindehelferin, der Jugendarbei- schen 73 und 85. Am Jahresende 2000 schiedlichen Bereichen spezialisieren kön- terin und den Pfarrerinnen und Pfarrern er- betrug die Anzahl Kirchenglieder 5836, nen. Dadurch entsteht ein vielfältigeres An- teilt. Den Abschluss findet der Religionsun- 5410 Personen aus Pratteln und 426 Perso- gebot, das für die Kirchenglieder wiederum terricht im Konfirmandenunterricht mit der nen aus Augst. Im Jahre 1990 war der Mit- eine grosse Abwechslung bedeutet. Konfirmation. gliederbestand mit total 7312 Personen wesentlich höher. Die Reduktion um 1476 Für den Bereich der sozialdiakonischen Ar- Die Kirchgemeinde Pratteln darf stolz sein, Mitglieder ist aber nicht auf eine Austritts- beiten stehen zur Zeit knapp zwei Arbeits- dass sie für die Betreuung der Jugendlichen 301 auf April 1998 eine Jugendarbeiterin anstel- Zeichen der Zeit. Es gibt aber auch viele, die orientierte Vermittlung von theologischen len konnte. Einerseits werden die Jugendli- sich ausserhalb der Sonntagsgottesdienste und musikalischen Zusammenhängen zahl- chen für spezielle Veranstaltungen in der in der Kirchgemeinde aktiv engagieren. reiche Menschen begeistert. Arthur Eglin Freizeit motiviert, andererseits werden auch Nebst den traditionellen Gottesdiensten ist hat als Komponist, Dichter und Bearbeiter während der Ferienzeit Ferienlager durch- das Angebot an Veranstaltungen sehr viel- die kleinen musikalischen Formen im Gottes- geführt. Es ist sehr wichtig, dass die Jugend- fältig. Ich möchte hier aus diesem abwechs- dienst auf hohem Niveau gefördert. lichen im Alter zwischen zehn bis zwanzig lungsreichen Angebot einiges erwähnen. Jahren auch Personen ausserhalb der eige- Die Abendbesinnung «Musik, Wort und Lied Sehr beliebt sind auch Kirchgemeinderei- nen Familie oder der Schule treffen, mit zum Feierabend», die in den letzten Jahren sen, die meist an eine Ausstellung mit einem denen sie ihre Probleme besprechen und die während den Wintermonaten jeweils am kirchlichen Thema führen. Seit zwei Jahren ihnen auch in verschiedenen Situationen Freitag durchgeführt wird, bietet für einige wird für Personen ab dem 50. Lebensjahr Hilfestellung leisten können. eine gute Gelegenheit, sich vom Arbeitsall- eine Aktivferienwoche angeboten. Das erste tag zu lösen und sich auf das Wochenende Mal hiess es «Ab uff d Insle», das zweite Mal Erwachsene kommen oft wieder im Zusam- einzustimmen. An verschiedenen Samstag- «Ab uff s Schiff». Weitere Projekte sind in menhang mit einer bevorstehenden Heirat abenden wird im Rahmen des Zyklus «Bilder Vorbereitung. in Kontakt mit der Kirche. Sobald diese am Samstagabend» den Besuchern Bild und Paare auch Kinder haben, wird im Zusam- Wort zu verschiedenen Themen näherge- Eine Alterklasse, die intensiver betreut wird, menhang mit der Taufe wieder mit der Kir- bracht. Veranstaltungen wie «Frauen lesen sind die Seniorinnen und Senioren in der che Verbindung aufgenommen. Wenn die- die Bibel», Abendgottesdienste mit sakra- Kirchgemeinde. Viele Aktive und Rüstige se Kinder dann den Religionsunterricht be- lem Tanz, Jugendgottesdienste, Bibelge- freuen sich auf die jährliche Altersferienwo- suchen, wird an Elternabenden über den sprächsabende, Altersstubete, Donnerstags- che in der Schweiz. Das Begleiterteam gibt Inhalt dieses Unterrichtes orientiert. An spe- kaffee, Frauenmorgen mit Referaten und sich grosse Mühe, mit den Gästen dieser ziellen Familiengottesdiensten, in denen die vieles mehr, werden über das ganze Jahr Ferienwoche ein attraktives, den Personen Kinder miteinbezogen werden, können die verteilt angeboten. Auch musikalische Ver- und dem Wetter angepasstes Programm Eltern mit ihren Kindern mitfeiern. Diese anstaltungen mit unseren Organistinnen und zusammenzustellen. Diese Gruppe Kirchen- Anlässe sind auch aus sozialer Sicht eine dem Singkreis sind eine Gelegenheit, sich im glieder besucht auch gerne die Altersnach- wichtige Institution. Oft kommen sich beim Umfeld der Kirche wohlzufühlen. Ein musi- mittage, welche einige Male pro Jahr statt- gemeinsamen Morgen- oder Mittagessen in kalischer Höhepunkt war das Konzert nach finden. Aber auch diejenigen, die sich nicht einem unkonventionellen Gottesdienst der Orgelrenovation im Jahre 1998. Die Or- mehr so aktiv betätigen können, weil sie aus Familien näher, die sich sonst vielleicht nur gel war damals während eines Vierteljahres verschiedenen Gründen ihren Wohnort ins flüchtig grüssen. gereinigt, repariert und ergänzt, klanglich ver- Altersheim verlegt haben, werden von den bessert, neu intoniert und gestimmt worden. Pfarrerinnen und Pfarrern an ihrem neuen Die «normalen» Sonntagsgottesdienste wer- Wohnort betreut. den für eine Kirchgemeinde mit knapp 6000 Dem langjährigen Leiter des Singkreises der Kirchenglieder eher bescheiden besucht. evangelisch-reformierten Kirche Pratteln– Damit diese Veranstaltungen überhaupt Früher musste die Empore vergrössert wer- Augst, Arthur Eglin, wurde im Jahre 2000 durchgeführt werden können braucht es den, damit alle Kirchenbesucher einen Sitz- von der theologischen Fakultät der Uni Basel eine grosse Anzahl freiwilliger Helferinnen platz hatten. Heute redet man davon, bei die Ehrendoktorwürde verliehen. Dr. theol. und Helfer. Ohne die Mithilfe dieser Freiwil- einer allfälligen Kirchen-Innenrenovation h.c. Arthur Eglin hat während 40 Jahren die ligen würde eine Gemeinschaft, wie sie eine die Empore wieder in den alten Zustand zu- Kirchenmusik von Stadt und Region Basel Kirchgemeinde darstellt, nicht funktionie- 302 rückzuversetzen. Offensichtlich sind dies massgeblich geprägt und durch die praxis- ren. Zum Dank für die freiwillig geleistete Arbeit werden diese Helferinnen und Helfer mangel wurde sie 1692 und 1712 noch gelegentlich zu einem gemütlichen Abend zweimal vergrössert. Die mit Nachtessen ins Kirchgemeindehaus ein- römisch-katholische geladen. In der heutigen Zeit ist es wichtiger Bei der Gesamtrenovation 1952/53 wurde denn je, dass sich die Gemeinschaft gegen- eine einfache Holzdecke eingezogen und Kirchgemeinde seitig trägt und solidarisiert. Nur so kann die zwischen Schiff und Chor ein neuer Rund- Gesellschaft Arbeitslosigkeit, Terroranschläge bogen eingesetzt. Als man im Chor den und kriegerische Ereignisse verkraften. Putz entfernte, kamen die gotischen Wand- malereien zum Vorschein. Während man noch über deren Restaurierung diskutierte, Mit der Reformation verschwindet 1529 die Geschichtliches wurden diese aber im sogenannten Prattler römisch-katholische Konfession aus Prat- Die reformierte Kirche St. Leodegar liegt im Bildersturm vorsätzlich zerstört. teln. Die St. Leodegar geweihte Dorfkirche Zentrum des Dorfes und bildet mit dem wird ein reformiertes Gotteshaus. Erst mit Pfarrhaus und weiteren Häusern zusammen Ein Gebäude, das im Zusammenhang mit dem Landratsbeschluss vom 10. Dezember eine ummauerte, allseits von Strassen um- der reformierten Kirche oft erwähnt wird, ist 1835 wird die katholische Pfarrgemeinde gebene Baugruppe. Die Kirche von Pratteln das Rebhaus «Hagebächli», welches zu ei- Liestal errichtet, zu der auch die Prattler wird in Urkunden erstmals 1250 und nicht nem Wahrzeichen des Dorfes geworden ist. Katholiken gehören. 1281, wie dies immer wieder kolportiert wird, Den Namen trägt es nach seinem Erbauer erwähnt, doch das Patrozinium des heiligen Christoph Hagenbach. Hagenbach wirkte von Mit dem Beginn der Industrialisierung zie- Leodegar weist auf einen älteren Bau und 1625 bis 1668 in Pratteln als Pfarrer und hen auch wieder Katholiken nach Pratteln. auf eine Stiftung des elsässischen Klosters schrieb im heimeligen Häuschen hoch über Der Gemeinderat stellt ihnen 1919 ein Schul- Murbach, das im Besitze des Herrenzehn- dem Dorf seine Sonntagspredigten. Der zimmer für die Sonntagsmesse zur Verfü- tens von Pratteln war. 1468 wurden Dorf letzte Pfarrer, der dieses «Studierhäuschen» gung, die von Priestern aus Liestal und Basel und Schloss gebrandschatzt. Kurze Zeit spä- benutzt hatte, war Pfarrer Theo Hanhart. gelesen wird. 1929 wird die Liegenschaft ter wurde die Kirche vergrössert: Ritter Hans Bernhard Kuny Muttenzerstrasse 15 gekauft und von Pfarr- Bernhard von Eptingen liess den Chor er- resignat Josef Boll als Pfarrhaus mit Notka- Chronologie weitern und mit Wandmalereien versehen, pelle eingerichtet. der Prattler Pfarrer seit 1900 die zweigeschossige Sakristei und den Turm erbauen. Dies bestätigt das Allianzwappen 1886–1906 Karl Sartorius Am 4. August 1933 beginnt Pfarrer Karl Ste- Eptingen-Ratsamhausen an der Aussen- 1907–1911 Emanuel Tischhauser phan Treier seine Arbeit in Pratteln. Vom Bi- mauer des Chors, das vor 1475 datiert wird. 1911–1948 Lukas Christ schof hat er den Auftrag erhalten, eine Kir- 1529 verlor die Kirche ihre Ausstattung und 1948–1958 Theophil Hanhart che zu errichten und eine Pfarrei aufzu- die Wandmalereien wurden übertüncht. 1948–1960 Andreas Linth bauen. Der Weihnachtstag 1933 ist die Ge- Nachdem die Gemeinde von 1629 an mehr- 1956–1971 Rudolf Hardmeier burtsstunde der Pfarrei. Durch bischöfliches mals auf den baufälligen Zustand der Kirche 1959–1967 Paul Scheibler Dekret wird Pratteln von der Pfarrei Liestal aufmerksam gemacht hatte, beschlossen 1960–1986 Kurt Alder abgetrennt und zur Pfarrei «Pratteln–Schwei- die Deputaten 1641 einen Umbau der Kir- 1969–2003 Paul Kohler zerhalle» erhoben. che. Das Schiff wurde verlängert und er- 1971–1984 Hanna Wartenweiler höht, vier breite Masswerkfenster in die 1972– Walter Klein Mit grossem Eifer macht sich Pfarrer Treier Langhauswände gesetzt und im Westen 1984– Clara Moser Brassel daran, seinen zweiten Auftrag zu erfüllen. eine neue Empore erstellt. Wegen Platz- 1986– Robert Ziegler Er verschickt Hunderte von Bettelbriefen 303 und sammelt unermüdlich Geld. Die inländi- ckenturm und eine Orgel reicht das Geld wird 1976 geschlossen, da die Schwestern sche Mission gibt ein Darlehen und auch der aber nicht. vom Mutterhaus zurückgezogen werden. Kirchenbauverein des Bistums Basel unter- stützt die junge Pfarrei, so dass am 13. Mai Ein grösseres Geschenk ermöglicht den Kauf Katholischsein vor dem Konzil besteht nicht 1934 der Spatenstich für die neue Kirche von drei Glocken (c, d, e), die am 5. Mai 1935 nur im regelmässigen Besuch des Sonntags- durch den Präsidenten der Kirchgemeinde, geweiht und am Tag darauf von der katho- gottesdienstes (nüchtern!), der speziellen Karl Sütterle-Karrer, erfolgen kann. lischen Schuljugend aufgezogen werden. Gottesdienste für die Schuljugend (Schüler- messe am Dienstagabend) oder der Gemein- Die Grundsteinlegung erfolgt am 1. Juli und Erst 1959 geht der Wunsch nach einem rich- schaftskommunion der Jugendvereine. Mut nach nur halbjähriger Bauzeit weiht der tigen Glockenturm in Erfüllung. Das Geld für verlangt am Anfang auch die Teilnahme an Bischof von Basel am 16. Dezember 1934 die fünf neuen Glocken wird zu einem gros- der öffentlichen Fronleichnamsprozession (seit die Kirche dem Heiligen Antonius von Pa- sen Teil durch Spenden zusammengebracht. 1938). Alle zehn Jahre findet in der «Volks- dua. Eine Reliquie des Heiligen erhält die Am 16. August werden die Glocken feierlich mission» eine religiöse Erneuerung statt. Pfarrei vom Bischof von Passau. Der Festtag getauft, gesalbt und geräuchert und schliess- Die erste im Jahr 1935 dauert zwei Wochen. beginnt mit der Frühmesse (5 Uhr). Es folgt lich durch die ganze Prattler Schuljugend die Kirchweihe (7 Uhr) und das Hochamt (10 (184 Katholiken und 440 Reformierte) hoch- Auch die Freizeit wird in katholischen Verei- Uhr). Anschliessend treffen sich die gelade- gezogen und vom Kirchgemeindepräsiden- nen verbracht. Die «katholische Aktion» ist nen Gäste zum Essen im Bahnhofbuffet. Pfar- ten Karl Winet persönlich montiert. Am 29. mit den Standesvereinen geistige Heimat rer Treier bedauert, dass weder der Gemein- August läuten sie zum ersten Mal. Die drei für Erwachsene und Schulentlassene. Regel- derat noch der reformierte Pfarrer der Ein- alten Glocken werden der Kirchgemeinde mässige Anlässe des katholischen Volksver- ladung zum Essen folgen. Sissach geschenkt. eins (Männer- und Frauenverein), der katho- lischen Jungmannschaft, der Marianischen Wegen der ungünstigen Lage der Parzelle Seit 1951 wird im Orgelbaufonds für den Jungfrauenkongregation und des Cäcilien- wird die Kirche mit einer Nord-Süd-Ausrich- letzten Wunsch gespart. Bis im September chors (=Kirchenchor) prägen das Pfarreile- tung und nicht mit der traditionellen Ost- 1964 bei der Firma Mathis Orgelbau, Näfels, ben. Ab 1939 kommen Blauring und Pfad- West-Ausrichtung erstellt. Sie bietet Platz für eine Orgel bestellt und am 22. Juni 1968 finder als Vereine für die Schuljugend dazu. rund 350 Gläubige. Der leicht erhöhte Chor endlich eingeweiht wird, begnügt man sich wird durch ein Kommuniongitter vom Schiff mit einer Schrankorgel. Vor dem Zweiten Weltkrieg findet regelmäs- abgetrennt. Ein grosser, schwarzer Altartisch sig eine Weihnachtsfeier mit Bescherung für steht an der Südwand unter dem riesigen 1950 kann die Kirchgemeinde die Parzelle die Kinder statt. Pfarreiwallfahrten, Pfarrei- Wandkreuz. Zwei kleine Seitenaltäre sind Rosenmattstrasse 10 hinter dem Pfarrhaus oder Familienabende (durch Kirchenchor, Maria und St. Anton geweiht. An der Ost- kaufen. Pfarrer Treier regt den Bau eines Männerverein, Jungmannschaft oder Jugend- wand befindet sich die Kanzel, von der die Kindergartens an. Schon 1951 hält eine Bal- vereine organisiert) sind Höhepunkte des Predigt in deutscher Sprache gehalten wird. degger-Schwester Kindergarten im Pfarrsaal. gesellschaftlichen Zusammenseins. Zur Wei- Der Rest der Messe wird in Latein gelesen. Nach verschiedenen Rückschlägen wird 1955 terbildung werden regelmässig Vortrags- Ueber dem Nordeingang befindet sich die ein Kindergarten für zwei Klassen gebaut abende durchgeführt, und ab 1936 ist im Empore. Unter der Kirche befindet sich ein und am 4. Dezember eröffnet. Schwester Pfarrsaal jeweils nach dem Sonntagsgottes- Saal mit Bühne und kleiner Küche. Bei Kon- Hilarina und eine zweite Baldegger-Schwe- dienst die katholische Bibliothek geöffnet. sumationsbestuhlung bietet der Saal Platz ster erteilen den Unterricht. Drei weitere für rund 240 Gäste. Das ganze Bauwerk Schwestern arbeiten in der Krankenpflege 1948 findet die erste Primiz statt. Der Pratt- 304 kostet rund Fr. 183000.–. Für einen Glo- oder der Katechese. Die Schwesternstation ler Andreas Cavelti hält in der Pfarrkirche seinen ersten Gottesdienst. Später ist er Pfar- Kneschaurek mit 50000 Einwohnern für den. Die Fenster im Chor werden entfärbt, rer von St. Anton in Basel und jahrelang Pratteln rechnet, kauft die Kirchgemeinde die ganze Kirche weiss gestrichen und das Domherr des Standes Basel. vorsorglich eine Landparzelle für den Bau Bild «Lebensfluss» an die Chorwand ge- einer zweiten Kirche. malt. Der Altar aus massiver Eiche wird ge- 1950 organisiert Vikar Cavelti die erste Feri- gen das Volk gewendet. Die Verkündigung enkolonie der Pfarrei für 25 Buben. In späte- Wegen der Zunahme der Katholiken im Längi- erfolgt vom Ambo. Auch Priestersitz und ren Kolonien reisen auch die Mädchen mit. quartier finden ab 1971 regelmässig Gottes- Tabernakel werden neu gestaltet. Eine tech- Bald werden die Kolonien durch regelmässi- dienste und auch die beliebten Pfarreiaben- nische Renovation findet 1989 unter dem ge Sommerlager des Blaurings, der Wölfli de im Längischulhaus statt. 1977 wird unter Präsidium von Walter Goerger statt. Die vor- und der Pfadi abgelöst. Ab 1995 gehen Blau- dem Präsidium von Otto Krämer an der geschlagenen neuen Glasfenster werden aber ring und Pfadi gemeinsam ins Lager. Heute Rheinstrasse 5 das Pfarreiheim Romana ge- von den Stimmberechtigten abgelehnt. Eine ist der Blauring in die Pfadi integriert. baut. Damit ist die Kirchgemeinde Pratteln– Malerrenovation wird im Jahr 2000, nach ei- Augst entstanden. Die Schweizerhalle ist nem Brand der Krippe am 23. Dezember, Nach dem Zweiten Weltkrieg verdoppelt schon 1952 der Pfarrei Muttenz abgetreten nötig. sich die Zahl der Prattler Katholiken. Den worden. Pfarrhelfer (= Vikar) Franz Egli, ein Neuzuzügern wird ein Begrüssungsschrei- Priester, wohnt im Romana und übernimmt 1970 feiert Pratteln die Primiz von Martin ben zugestellt, die Fremdsprachigen erhal- die Seelsorge in diesem Gebiet. Jäggi, der eine Woche früher von Bischof ten ein Zirkular in ihrer Muttersprache. Das Anton Hänggi in Pratteln zum Priester ge- katholische Bewusstsein wird weltweit ge- Mit dem Pontifikat von Papst Johannes weiht worden ist. Seither ist er als Immen- stärkt. Papst Pius XII. spricht den Schweizer XXIII. (1958–1963) und dem Zweiten Vati- see-Missionar in verschiedensten Gebieten Einsiedler Bruder Klaus heilig. Den Ausschlag kanischen Konzil bricht in der katholischen der Welt im Einsatz. Weitere Primizen kön- dafür gibt die Wunderheilung von Ida Jeker Kirche eine neue Zeit an. Die Sonntagsmes- nen 1966 (Abbé Dinh Vinh Son, den die aus Büsserach bei einer Wallfahrt nach Sach- se darf schon am Vorabend gefeiert wer- Pfarrei durch ein Stipendium unterstützt seln. Ida Schwarb-Jeker wohnt heute in un- den, das Nüchternheitsgebot wird ge- hat), 1995 (Alex Maier, der dritte «echte» serer Pfarrei. lockert, und die Messe wird in der Volks- Prattler und Sohn des Kirchgemeindepräsi- sprache und gegen das Volk gelesen. denten) und 1997 (Stefan Kemmler, Diakon In der Zeit der Hochkonjunktur (1960–1975) und Jugendseelsorger) gefeiert werden. steigt die Zahl der Katholiken weiter rasant Pfarrer Treier verlässt 1964 Pratteln und Pfar- an. Für die italienischen Gastarbeiter wird rer Hans Aregger bringt neuen Schwung in Nach dem Konzil lösen sich Jungmannschaft eine dritte Sonntagsmesse, in italienischer die Gemeinde. Er ist sehr beliebt, und so und Jungfrauenkongregation auf und wer- Sprache, eingeführt. Ab 1961 betreut ein wird seine Abberufung nach nur drei Jahren den von der Kaju (Katholische Jugend) ab- Missionario die Mitglieder der Missione Cat- sehr bedauert. Erst später wird bekannt, gelöst. Wichtigster Anlass ist die Durchfüh- tolica, und es entstehen das Centro Recrea- dass Hans Aregger wegen einer Vaterschaft rung der St. Niklaus-Besuche am 6. Dezem- tivo (Gallenweg) und das Asilo (Mayenfel- laiisiert worden ist. Neuer Pfarrer wird 1967 ber. Dieser Brauch wird nach der Auflösung serstrasse), eine Tagesbetreuungsstätte für Karl Mattmann, der später auch Dekan wird. der Kaju von den Pfadfindern weitergeführt. Kinder berufstätiger italienischer Eltern. Das Asilo wird bis 2000 von italienischen Schwe- Wegen der neuen Liturgie wird der Chor- Der Männerverein wird zu einer kleinen, stern geführt. raum der Kirche 1970 durch das Künstler- aktiven Impulsgruppe, die verschiedenste ehepaar José und Verena de Nève-Stöcklin Pfarreianlässe organisiert und neue Traditio- 1973 ist der Höchststand mit 7388 Katholi- völlig umgestaltet. Die drei Altäre, das Kreuz, nen wie den Schönmattbummel (seit 1964) ken erreicht. Da eine Studie von Professor die Kanzel und das Chorgitter verschwin- oder den Spaghettitag (ab 1974) schafft. 305 Auch der Frauenverein wandelt sich. Der Religionsunterricht erteilen heute zum gröss- nalwechsel abgeschlossen. Während der aktive Vorstand engagiert sich in verschie- ten Teil nebenamtlich tätige Katechetinnen. Amtszeit des Präsidenten Peter R. Füeg fin- densten karitativen Bereichen. Neben Nä- det ein Generationenwechsel statt: 23 von hen im Altersheim ist der 1967 gegründete Die Suche nach Seelsorgern wird wegen des 24 Stellen werden neu besetzt. Club 3x20 besonders beliebt. Er trifft sich immer grösseren Priestermangels im Bistum einmal monatlich und bringt Senioren aller Basel zunehmend schwierig. Bis zur Pensio- Die Mitarbeit von ehrenamtlich tätigen Laien Konfessionen zu einem gemütlichen Nach- nierung von Pfarrer Leo Amstutz (1975– wird deshalb immer wichtiger. Schon 1955 mittag im Pfarrsaal zusammen. Das Wäsch- 1994) kann mindestens die Pfarrerstelle entsteht ein erster Pfarreirat, der die Seel- pinest, eine Gruppe junger Mütter mit ihren dauernd besetzt werden. Im Jahr 1994 sorger in ihren Aufgaben unterstützt. Nach- Kindern, wird gegründet, ebenso das Muki- kommt es aber zur ersten Pfarrvakanz, bis dem dieser später einschläft, wird 1967 ein Turnen (1971) und die Gymnastikgruppe neun Monate später Pfarrer Dr. Richard Bar- Pfarreiforum gegründet, das 1971 wieder SVKT (1972). tholet nach Pratteln kommt. Diese Vakanz durch einen Pfarreirat ersetzt wird. Dieser wird zum Umbau (und zur Umnutzung) des löst sich 1996 auf. Ab 1964 wird der Religionsunterricht in den Pfarrhauses unter Präsident Luzius Maier ge- Schulstundenplan integriert. Deshalb kann nutzt. Es entstehen neben der verkleinerten Die katholischen Pfarrer in Pratteln seit 1929 der Pfarrer den Unterricht nicht mehr allein Pfarrwohnung zwei Mietwohnungen, ein Joseph Boll 1929–1933 erteilen. Zuerst unterstützen ihn dabei Vika- Studio für Aushilfspriester und Büroräum- Karl Stefan Treier 1933–1964 re wie Pater Jansen, der im Sommer 1961 lichkeiten für das Pfarreisekretariat und zwei Hans Aregger 1964–1967 nach Pratteln kommt, um Pfarrer Treier nach Seelsorger. Karl Mattmann 1967–1975 einem Schwächeanfall zu entlasten. Weite- Leo Amstutz 1975–1994 re Vikare sind Dr. Martin Simonett (1967– Beim Wegzug von Pfarrer Bartholet im Som- Dr. Richard Bartholet 1995–2001 1969), Josef Knüsel (–1971), Joseph Bau- mer 2001 entsteht eine Pfarrvakanz, die vor- Peter Messingschlager 2001– mann (–1973), Josef Hurter (–1975) und läufig nicht gefüllt werden kann. Die Ge- (Gemeindeleiter, nicht Pfarrer) Franz Egli (1977–1980). meinde wünscht zwar weiterhin einen Pfar- rer, aber auf die ausgeschriebene Stelle be- Die Kirchgemeindepräsiden seit 1928 Bald können die vielfältigen Seelsorgearbei- wirbt sich kein Priester. So wird am 16. Dr. Karl Humpert 1928–1930 ten nicht mehr allein durch geweihte Seel- Dezember 2001, zum ersten Mal in der Dr. E. Brunner 1931–1933 sorger erbracht werden. Schon 1965 wird Geschichte der Pfarrei, mit Peter Messing- Karl Sütterle 1933–1937 deshalb Frau Hedwig Hasler als hauptamtli- schlager ein Theologe als Gemeindeleiter Pfr. Karl Stefan Treier 1937–1938 che Pfarrhelferin (Katechetin) und Pfarreise- eingesetzt. Die schwierige Suche nach einem Dr. Georg Feigenwinter 1939–1942 kretärin angestellt. Später folgen Hannelore begleitenden Priester geht weiter. Karl Sütterle 1943–1948 Erzer (1969) und Schwester Thea Rogger Karl Winet 1948–1972 (1974). Mit der Anstellung von Josef Bieger Auch die Anstellung von Theologen wird Otto Krämer 1973–1984 (1971–1973) als (Laien-)Theologe betritt immer schwieriger. Schon 1973 wird wäh- Walter Goerger 1985–1993 Pratteln als eine der ersten Pfarreien Neu- rend Jahren vergebens ein Jugendseelsorger Luzius Maier 1993–1997 land. Heute sind Theologen unverzichtbar. gesucht. Nach der Pensionierung von M. Peter R. Füeg 1997–2001 Es folgen Edwin Portmann (1975–1977), Klemm dauert es über ein Jahr, bis im Emanuel Trueb 2002 Matthis Klemm (1981–2000), Rico Peter August 2001 das junge Theologenehepaar Peter R. Füeg (1991–1993), Peter Messingschlager (ab Moosbrugger-Achhammer die verwaiste 1997), Philippe Moosbrugger und Jutta Theologenstelle im Romana im Jobsharing 306 Achhammer Moosbrugger (ab 2001). Den übernimmt. Damit wird ein riesiger Perso- Chrischona bzw. Predigern des Evangelis- St. Chrischona statt, mit Namensänderung Die religiösen ten-Verbandes geleitet. Ab 1909 haben die in «Chrischona-Gemeinde Pratteln», Noch Gemeinschaften Muttenzer Prediger und ein Seminarist von rund drei Jahre wurde Pratteln als Aussen- St. Chrischona den Predigtdienst versehen. station von Muttenz geführt, ehe es 1978 ein selbständiges Arbeitsfeld und auch finan- Am 30. Januar 1876 konnte das eigene Haus ziell unabhängig von Muttenz wurde. 1986 eingeweiht werden, nach dem dann die wurde die Burckhardt’sche Stiftung aufge- Strasse – die Vereinshausstrasse – benannt löst und das Haus der Pilgermission St. Chri- Freie evang. Gemeinschaft wurde. Areal und Haus waren im Besitz der schona verkauft. Chrischona-Gemeinde Familie Daniel Burckhardt-Forcart. Nachdem das Haus 1899 an die Wasserversorgung Die Aktivitäten der Chrischona-Gemeinde be- angeschlossen und 1912 die elektrische Be- stehen heute aus Sonntagsgottesdiensten, Der Grundstein zur heutigen Chrischona- leuchtung installiert worden waren, verzich- Bibelabenden/Seminare, Hauskreisen, Gebets- Gemeinde Pratteln, der ältesten religiösen tete die Besitzerfamilie 1925 auf die Eigen- zusammenkünfte, öffentlicher Frauenarbeit, Gemeinschaft im Baselbiet, wurde 1740 ge- tumsrechte am Vereinshaus und errichtete Kinderhort, Sonntagsschule/Kids-Treff, kirch- legt, als im Pietismus gründende Versamm- eine Stiftung. Das Haus diente neben der lichem Unterricht, Jungschar, Teenager-Club, lungen abgehalten wurden. 1770 schloss sich Prattler Gemeinschaft auch der Methodi- Jugendgruppe und Seniorenarbeit. die Gemeinschaft der Brüdersozietät in Ba- sten-Gemeinschaft (sie zog 1969 aus), der sel an. Der aus einer Lehrersfamilie stam- Kleinkinderschule, dem Jünglingsverein und Die Chrischona-Gemeinde, eine der kleine- mende Schulmeister Johann Atz wurde als der Flickschule für ältere Töchter. ren Chrischona-Gemeinden in der Schweiz, Konferenzabgeordneter bestimmt. Er über- zählt heute rund 110 Mitglieder; ca. 40 ein- nahm auch die Leitung, als sich der Prattler Ab 1930 leiteten die legendären Diakonis- geschriebene und ca. 70 nicht-eingeschrie- Pfarrer Leonhard Ryhiner zurückgezogen sinnen Berta Leu und Marie Moos die bei- bene, die jedoch regelmässig an den Chri- hatte. Nach Atz und dem Basler Zäslin be- den Kindergärten im Vereinshaus. Nach schona-Aktivitäten teilnehmen. treute Johann Stingelin, Sattler, die Gemein- Schwester Bertas Pensionierung anno 1955 Emmy Honegger schaft. In den Jahren der Trennungswirren konnte das Diakonissen-Mutterhaus Non- 1831 bis 1833 löste sich die Gemeinschaft nenweier keine Schwester mehr zur Verfü- QUELLE: von der Brüdersozietät Basel. Ab 1858 nahm gung stellen, so dass eine Kindergärtnerin Jubiläumsschrift, 1740–1990, 250 Jahre Freie die Gemeinschaftsarbeit im nun selbständi- angestellt werden musste, die von der Ge- evang. Gemeinschaft Chrischona-Gemeinde Prat- gen Baselbiet neue Gestalt an; hie und da meinde Pratteln besoldet wurde. Dasselbe teln. wurden von der Basler Pilgermission St. geschah nach Schwester Maries Pensionie- Chrischona aus Versammlungen angefan- rung. 1965 gab sich der Kindergartenverein gen. Ein Jünglings- und Jungfrauenverein wur- neue Statuten und nahm den Namen Kirche Jesu Christi de gegründet und 1878 folgte der Vereins- «Evangelischer Kindergartenverein» an. 1980 der Heiligen der letzten Tage haus-Chor, der heute nicht mehr besteht. wurde er aufgelöst, die Kindergärten blie- (Mormonen) 1879 entstand aus der bisher ziemlich losen ben als Kindergärten der Einwohnergemein- Verbindung die «Freie evangelische Gemein- de bestehen und bestehen heute noch. schaft», die nun Andreas Zeller (1827–1905) Bis 1934 wurden die Prattler Geschwister betreute. Die Versammlungen wurden alter- Am 1. Juli 1974 fand der Anschluss der als (Kirchen-Mitglieder) von der Gemeinde Ba- nierend von Brüdern aus dem Basler Missi- innerkirchlich entstandenen Freien Evange- sel aus betreut. Die Gemeinde Pratteln exi- onshaus und Brüdern oder Lehrern von St. lischen Gemeinschaft an die Pilgermission stierte also als Nebengemeinde von Basel. 307 Dies änderte sich, als eine Schwester von Die Neuapostolische Kirche Weltweit bekennen sich über zehn Millio- Rheinfelden nach Pratteln zog. Anlässlich nen Menschen, in fast allen Ländern der des Gottesdienstes vom 12. November 1937 Erde, zum neuapostolischen Glauben. Die wurden die beiden Gemeinden getrennt Der Grundstein der Neuapostolischen Kir- Mitgliederzahl in der Schweiz beträgt und Pratteln wurde damit eine selbständige che in der Schweiz wurde an Pfingsten 1895 35500 in 254 Gemeinden. Eine davon ist Gemeinde der Kirche. in Zürich gelegt. In Pratteln fasste die Kirche Pratteln mit rund 100 Mitgliedern. (Stand 15 Jahre später Fuss. Ende 2000). Roland Eichenberger, Reinach Nach einigen Wechseln des Versammlungs- raumes konnten per 1. April 1939 grössere Im Jahre 1910 zog eine vierköpfige Familie Versammlungsräume im damaligen Möbel- von Basel nach Pratteln. Es waren die ersten geschäft Schwald an der Hauptstrasse ge- und einzigen neuapostolischen Gläubigen Die christ- oder mietet werden. im Dorf. Die ersten Gottesdienste fanden altkatholische Kirche denn auch in deren Wohnung an der Der Brand der Liegenschaft in der Nacht Schlossstrasse, hinter der Schreinerei Seiler vom 1. Mai 1952 war für die Gemeinde statt. Die christ- oder altkatholische Kirche der nicht von Nachteil, denn der Besitzer des Schweiz, die rund 16000 Mitglieder zählt, Hauses Hauptstrasse Nr. 10 bot der Gemein- Im Laufe der Zeit kamen weitere am neu- entstand als Protestbewegung gegen die de an, das Haus nach den Wünschen der apostolischen Glauben interessierte Prattler dem Papst vom Vatikanischen Konzil 1870 Kirche wieder aufzubauen. Im Laufe der Zeit dazu. 1918 fanden die ersten regelmässigen zugesprochene Unfehlbarkeit. Sie besteht wurden diese Räumlichkeiten jedoch zu eng; Gottesdienste in einer Wohnstube an der aus den Kirchgemeinden, die in elf Kanto- bei grösseren Anlässen musste jeweils auf Hauptstrasse 30 statt. Im Jahre 1921 konn- nen verstreut sind und ist als Bischofskirche andere Gemeindehäuser ausgewichen wer- te eine Versammlungsstätte an der Hard- demokratisch organisiert: Die Kirchgemein- den. Dies änderte sich mit dem Bezug des strasse 1 gemietet werden, die während den sind selbständig und wählen ihre Geist- eigenen Gemeindezentrums an der Warten- mehreren Jahrzehnten ausreichte. Anläss- lichkeit sowie ihre Synodaldelegierten. Die bergstrasse 31 im Jahre 1984. Seither ste- lich deren Einweihung wurde erstmals ein Synode ist das oberste Entscheidungsorgan; hen der «Mormonenkirche», die im Herbst Gemeindevorsteher eingesetzt, die Gemeinde sie wählt den Bischof sowie den Synodalrat 1978 in den Stand einer Bischofsgemeinde war damit offiziell gegründet. Sie zählte (fünf Geistliche und sechs Laien) als vollzie- erhoben worden war, neben einer Ver- damals 30 Mitglieder. hende und verwaltende Behörde. Dem Bi- sammlungskapelle mit einer hervorragen- schof fällt die oberste geistliche Leitung zu. den Orgel (Digital/Computer mit Pfeifentö- In den sechziger Jahren erfährt die Gemein- Der Gottesdienst gleicht äusserlich dem nen), ein Mehrzweckraum, 15 Klassenzim- de, parallel zur Einwohnergemeinde, einen katholischen. Der Geistlichkeit ist die Ehe er- mer sowie ein Taufraum mit Taufbecken zur Aufschwung. Die Mitgliederzahl nahm haupt- laubt. Dr. René Salathé Verfügung. sächlich durch den Zuzug junger Familien zu und die Lokalitäten an der Hardstrasse wur- Die Spielfelder um das Zentrum können den zu eng. Glücklicherweise konnte am auch von den Nachbarn benützt werden. Herrenweg ein Grundstück für einen Kir- Der Islam chenneubau erworben werden. Eine neue, Die Prattler Kirche Jesu Christi der letzten zweckmässige Kirche konnte 1971 einge- Tage zählt gegen 200 Mitglieder. weiht werden. Heute wird dort zweimal in Der Islam ist nicht eine eigentliche religiöse Emmy Honegger der Woche Gottesdienst gehalten, und auch Gemeinschaft, wie wir sie verstehen. Er ist 308 andere kirchliche Aktivitäten finden dort statt. eine ernstzunehmende Religion, die durch die in den letzten Jahren starke Zuwande- Personen, sind sich in dieser Woche näher rung von Angehörigen des aus der Die Ökumene gekommen und konnten zum Teil bleibende Türkei und vom Balkan (BR Jugoslawien, in Pratteln Kontakte knüpfen. Gelernt wurde auch sich Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und gegenseitig zu respektieren, zu schätzen und Kroatien) zur dritttstärksten Religion in Prat- tolerant zu sein. In etwas kleinerem Rahmen teln geworden ist: Im Jahre 2001 wohnten wurden dann im Januar und Februar 1993 2254 (15,06 Prozent) Mohammedaner in die ökumenischen Tage mit dem Thema Pratteln. Ihre Moschee befindet sich in Lie- «Bedrohte Heimat? Heimat in mir – Fremdes stal, im «Palazzo». Emmy Honegger in mir» durchgeführt. Dieses Thema wurde Ein Höhepunkt in der ökumenischen Zu- in Pratteln nicht zufällig gewählt. Das Ziel sammenarbeit in Pratteln waren die öku- war die Akzeptanz zum Fremden zu för- menischen Wochen im Januar 1991. Mitge- dern, mit dem wir tagtäglich konfrontiert wirkt haben die Chrischona-Gemeinde, die sind. Nebst zwei ökumenischen Gottesdiens- evangelisch-reformierte Kirchgemeinde, die ten wurden auch Bildungsveranstaltungen römisch-katholische Kirchgemeinde, die evan- zum Thema «Fremde Welten» angeboten. gelisch-methodistische Kirchgemeinde und Ein Informations- und Gesprächsabend mit die christkatholische Kirchgemeinde. Der islamischen und christlichen Geistlichen Auslöser für diese sehr gut besuchten Ver- weckte grosses Interesse. Ein Frauenmorgen anstaltungen waren die ökumenischen Ver- mit dem Thema: «Eine Frau aus dem Islam sammlungen vom Mai 1989 in Basel mit De- erzählt», Meditationen, zwei Suppentage legierten der europäischen Kirchen und und das Mitenandfest rundeten diese öku- vom Februar 1990 in Seoul mit Delegierten menischen Tage ab. aus aller Welt. Sie standen unter dem The- ma «Frieden in Gerechtigkeit und Bewah- Die Kirchgemeinde Pratteln– Augst liegt na- rung der Schöpfung». Das Ziel dieser Ver- he am Rhein. Wenn Schiffe auf dem Rhein sammlungen war, das Bewusstsein der Chris- verkehren so gibt das deutlich sichtbare ten für die Nöte unserer Zeit und deren Wellen, die bis an die Böschung schlagen. Behebung zu aktivieren, um gemeinsam Die Ökumene verhält sich ähnlich. Es sind eine Änderung in unserer Welt voranzutrei- immer wieder Wellenbewegungen feststell- ben. Dementsprechend interessant war das bar. Eigentlich liegt das nicht am Willen der Angebot, das die verschiedenen Kirchge- Vertreter der ansässigen Kirchgemeinden, meinden hier in Pratteln zusammenstellten. sondern an den personellen Kapazitäten. Bestehende ökumenische Veranstaltungen Sobald personelle Engpässe auftreten, wer- wurden in dieser Woche eingebaut. Dazu den die Arbeiten im eigenen Umfeld zuerst kamen ein Spielnachmittag für Kinder, ein erledigt. Es bleibt dann keine oder nur we- offenes Singen, ein Kindernachmittag zur nig Zeit für die Ökumene. Vertreter der Schöpfungsgeschichte, täglich eine Medita- römisch-katholischen und der evangelisch- tion, ein ökologischer Postenlauf, ein Podi- reformierten Kirchgemeinde treffen sich re- umsgespräch zum Thema «Gewalt im All- gelmässig im ökumenischen Pfarrkolleg und tag – für alle Tage Gewalt?» und vieles besprechen dort aktuelle Themen. Im weite- mehr. Viele, vor allem kirchlich interessierte ren werden dort auch Themen und Termine 309 für ökumenische Gottesdienste festgelegt. Es ist zu hoffen, dass Veranstaltungen, wie sie anfangs der 90er Jahre durchgeführt wurden, wiederholt werden.

Für die Zukunft ist vorgesehen, dass der Religionsunterricht in der Unterstufe der Pri- marschule ökumenisch durchgeführt wird. Schon jetzt arbeiten beide Kantonalkirchen mit ökumenischen Lehrmitteln.

Ein gemeinsames Projekt der römisch-katho- lischen und der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden war die Realisierung des Jugentreffs «com-in» im Keller des Kirchge- meindehauses an der St. Jakobstrasse 1 im Frühjahr 2000. Die Jugendarbeiter der bei- den Kirchen betreuen hier abwechslungs- weise die Jugendlichen bei vergnüglichen und auch ernsten Stunden. Bernhard Kuny

310 Prattler Identität … Vom Madlejäger (Madle die zerfallene Burg auf dem sog. «Adler»berg) wird erzählt, er kommt mit 12 weissen Hunden, wenn es ander Wetter giebt. Einer der Hunde ist ohne Kopf. Die Frau, die das sah, hatte am andern Tag einen geschwollenen Kopf … Aus der vom Prattler Pfarrer Karl Sartorius verfassten und bislang ungedruckten Heimat- kunde von 1904. rung zu rufen. Die damaligen Autoren, deren Pratteln und seine Namen nun der Vergessenheit entrissen Heimatkunden werden, haben, ob deren Heimatkunden nun in gedruckter Form oder nur in handschrift- licher Fassung und somit als Unikat vorlie- gen, zur Identitätsfindung Prattelns mehr beigetragen als viele damals vermeintlich zu- kunftsweisende politische Vernehmlassun- gen, Absichtserklärungen oder Aktivitäten. Es ist interessant und aufregend zugleich, den Spuren der früheren Prattler Heimat- Daniel Bruckner, 1707–1781 kunden wie durch einen dichten Nebel hin- durch nachzuspüren und deren Autoren und Als Autor und Privatverleger der ersten Werk wieder ins Bewusstsein der Bevölke- regionalen Heimatkunde der Schweiz über-

Daniel Bruckner (1707–1781), der Autor und Verleger der ersten Prattler Heimatkunde 1749.

haupt, hat Daniel Bruckner von 1748 bis 1763 über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg in 23 Faszikeln oder «Stücken», wie er die Einzelbände bezeichnete, die damali- ge Landschaft Basel – das Untertanengebiet der Stadt Basel – beschrieben und die histo- rischen Fakten, die er aus archivalischen Quellen gewann, aufgelistet. Unter dem Sammeltitel «Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkei- ten der Landschaft Basel» hat der Basler Staatsarchivar Daniel Bruckner ein Werk geschaffen, das in seiner Konzeption und seinem Inhalt und besonders in den Illustra- tionen, die der wohl bedeutendste Topo- graph des 18. Jahrhunderts, der Basler Ema- Pratteln vom Standort «Fröschmatt». Kupferstich nach einer Vorzeichnung von Emanuel Büchel, 1749. nuel Büchel (1705–1770), beisteuerte, heute Rechst unten am Bildrand steht ein sogenannter Etterstein. noch Vorbildcharakter besitzt. 313 Geschichte, zur Botanik, zu den Versteine- sten, 1755 zum Registrator und 1765 zum rungen und zur Volkskunde liefert. Der Rats-Substitut – der heutigen Funktion eines Jugendfreund Daniel Bruckners, der Hobby- Staatsarchivars vergleichbar. In der Eigen- Maler und frühere Bäckermeister Emanuel schaft als Ingrossist und Registrator ordnete Büchel, der während seines Aufenthaltes Bruckner die darniederliegenden Archive der beim Prattler Pfarrer im Jahre 1735 an die Landvogteischlösser und gewann dadurch 40 Zeichnungen von Pratteln und die sie- Akteneinsicht sowohl über das allgemeine ben, sich im Gemeinderatszimmer des Pratt- wie auch über das geheime Archiv. Zudem ler Schlosses befindenden Gouachen ge- gewann Daniel Bruckner in der Person von schaffen hat, steuerte zur Prattler Heimat- Emanuel Büchel den Illustrator, der mit sei- kunde drei Kupferstiche bei. Zu diesen drei nen Vorzeichnungen zu den Dorftopogra- Stichen hatte Büchel die Vorzeichnungen phien und mit den Abbildungen von den geschaffen und diese stellten Pratteln mit Versteinerungen und römischen Funden eine dem Blick des Betrachters westlich der optimale Bebilderung des Textes ermöglich- Fröschmatt zum Dorf und südlich begrenzt te. Dank den Illustrationen Büchels sind wir durch den Madlen und die Schauenburger- heute über die damalige Basler Landschaft fluh dar. Eine weitere Illustration gibt den ausgezeichnet dokumentiert; seine Illustra- Betrachterstandort südwestlich vom May- tionen bilden heute eine unverzichtbare enfels über das Dorf samt Schloss mit den Grundlage der Denkmalpflege. weiten Wiesen bis zum Rhein und Schwarz- wald wieder und die dritte Kupfertafel bil- Johannes Buess, Oberlehrer in Pratteln det die Versteinerungen der Lias-Formation von 1852 bis 1901 ab, deren Leitfossilien damals zuhauf in der damaligen «Zunftacker-Steingrube» beim Auf Veranlassung des damaligen Sekretärs Die erste Prattler Heimatkunde wurde auf private «Hagenbächli» oder in der «Erlimatt-Stein- der Finanzdirektion des Kantons Basel-Land- Initiative hin 1749 gedruckt. grube» gesammelt werden konnten. schaft und in dessen Eigenschaft als Präsi- dent des kantonalen und Mitbegründers des Im 3. «Stück», das 1749 in der Buchdrucke- Daniel Bruckner war als Beamter der Stadt schweizerischen Lehrervereins regte Friedrich rei Samuel Thurneysen in Basel erschienen Basel geradezu prädestiniert, dieses grossar- Nüsperli (1803–1876) im Jahre 1863 die ist, wird auf 103 Seiten Pratteln – Prattelen, tige Werk anzugehen und zu einem Ende zu Publikation kantonaler Gemeinde-Heimat- wie es von Bruckner bezeichnet wird – be- bringen, denn als Archivbeamter verfügte kunden an. Friedrich Nüsperli selbst entwarf schrieben. Die Kapitelinhalte lauten: Histori- Bruckner über die Quellenkenntnis, die Vor- das Inhaltskonzept, das mit dem Auftrag an sche Merkwürdigkeiten, Von dem Dorfe aussetzung der Publikation war. Daniel Bruck- die Gemeinden erging, Gewährspersonen – Prattelen, Von denen in dem Pratteler Bann ner wurde 1727 durch Losentscheid als in der Regel Lehrer – zu bestimmen, die ge- liegenden merkwürdigen Gebäuden oder Kanzlei-Aszendent in den Archivdienst auf- forderten Texte zuhanden der Erziehungs- Landgütern, Von Schauenburg, Von den merk- genommen und durchlief im Laufe der Be- direktion verfassen sollten. würdigen Begebenheiten, Natürliche Merk- amtung sämtliche Archivstellen. 1741 wur- würdigkeiten und Von den Versteinerun- de Bruckner Weinschreiber, was ihn vor al- In Pratteln wurde der aus Oltingen stam- gen. Mit diesem Werk hat Daniel Bruckner lem in Kontakt mit den Wirten und damit mende Oberlehrer Johannes Buess – genannt die erste Prattler Heimatkunde geschaffen, der Bevölkerung auf der Landschaft brach- der «dünne» Buess – mit dieser Aufgabe 314 die noch heute wertvolle Informationen zur te. 1744 avancierte Bruckner zum Ingrossi- betraut. In 13 Kapiteln, deren Inhalt durch Nüsperli vorgegeben worden war, infor- Johannes Martin, Oberlehrer in schreibt alles auf, was er als interessant und miert Johannes Buess über die Geschichte Pratteln von 1833–1846 mitteilenswert einstuft. Darunter insbeson- Prattelns, geht auf die Zeit der Eptinger als dere den damaligen Eid des Gescheids – der Dorfherren ein, berichtet über das Dorfle- Wie anders als der fast gleichaltrige Johan- kommunalen Grenz- und Markbehörde – ben und die kirchlichen Verhältnisse und nes Buess schildert der 1807 hier in Pratteln und das Prozedere, wie der Eid vonstatten insbesondere über den sich im 18. Jahrhun- geborene Oberlehrer und spätere Gemein- ging. Der Prattler Historiker, Dr. Hans Stoh- dert ausbreitenden Pietismus, einer beson- derat und Gemeindepräsident Johannes Mar- ler, 1884–1963, widmete dieser geheimen deren Art von Religiosität, die ausserhalb tin in seinen um 1860 entstandenen «Papie- Rechtshandlung, die nur durch Johannes des Staatskirchentums in privaten Zirkeln ren» seine Wohn- und Bürgergemeinde Martin überliefert worden ist, eine wichtige zelebriert wurde, sowie über die Dorfbevöl- Pratteln. Diese sogenannten «Papiere», die Untersuchung und wies nach, dass der ge- kerung und die Aufgaben der Gemein- bislang nur durch den Auszug einer durch sprochene und zelebrierte Eid wegen den debehörden. den damaligen Prattler Gemeindeverwalter auf den Geheimnisverrat ausgesprochenen Martin Wüthrich im Jahre 1925 erstellten Qualen des Fegefeuers auf die vorreforma- Die historischen Gegebenheiten entnimmt Fassung bekannt geworden sind, wurden in torische Zeit zurückgehen müsse. Johannes Buess der Heimatkunde Pratteln den Heimatschriften Nr. 6, «Aus früheren von Daniel Bruckner aus dem Jahre 1749, Zeiten», durch den Prattler Ortshistoriker, Johannes Martin hat all das aufgezeichnet, die auf den Prattler Oberlehrer einen gros- Dr. h.c. Ernst Zeugin, publiziert. Allgemein was damals nicht erwähnenswert weil selbst- sen Eindruck gemacht haben muss. Bezüg- wurde damals bedauert, dass sich Martin verständlich war. Er hat das Leben und die lich volkskundlicher und privater Informa- nicht zum Brauchtum geäussert hat. Dies ist Aufgaben des Schweine-, Schaf- und Kuh- tionen ist das Werk von Johannes Buess nun gegenstandslos geworden, denn die hirten geschildert. Er informiert uns minu- dürftig ausgefallen. Das mag damit zusam- Suche nach den verschollenen «Papieren» tiös über die Praxis der Zehntenablieferung, menhängen, dass Johannes Buess seine führte 1995 zum Erfolg, als man diese wohl- die eine Holschuld der Grundeigentümer Jugendjahre in Oltingen verlebt hat. Des- verwahrt aber ungeordnet auf einem Estrich war und er informiert uns – als erste Be- halb kennt er den Heischezug des Butz wieder entdeckt hat. schreibung überhaupt – über den Heische- nicht, was auch dazu geführt hat, dass man zug des Butz und dessen handelnde Perso- dem Brauch kein hohes Alter zubilligen Nach der Sichtung und der Transkription der nen. Johannes Martin lässt uns auch an dem mochte. Einzig die Beschreibung der Lage in der deutschen Schreibschrift abgefassten teilnehmen, was damals die Bevölkerung Prattelns atmet einen andern, offenen Geist. Texte wurde zur Gewissheit, was bereits bei Prattelns beschäftigte. Er ersetzt in seiner Hier kolportiert Johannes Buess keine be- deren Wiederauffindung vermutet wurde, Funktion als Gemeinderat und Gemeinde- reits vorhandenen Texte, sondern hier lässt dass nämlich mit den Papieren die wichtig- präsident die damals verwendeten Wasser- er seinem Können, das vor allem auf genau- sten Quellenschriften Prattelns des 19. Jahr- leitungsrohre, die sogenannten «Teuchel» er Beschreibung der Fakten beruht, den Lauf. hunderts aufgefunden worden sind. Der aus durchbohrten Föhrenstämmen, durch damalige Staatsarchivar des Kantons Basel- Tonröhren, die er an ein Unternehmen in Die Heimatkunde Pratteln von Johannes Landschaft, Dr. Matthias Manz, bezeichnete Aarau in Auftrag gibt. Er ist hell begeistert Buess wurde bis heute nicht gedruckt; sie diese «Papiere» gar als einen der wichtig- über die Strassenschalen aus gekappten liegt nur in der handschriftlichen Fassung sten Aktenfunde der letzten Jahre. Rheinkieseln, die er anlässlich einer Fahrt vor und befindet sich im Staatsarchiv des durch Birsfelden bemerkt und gibt nicht Kantons Basel-Landschaft in Liestal. Es ist Was Johannes Martin auszeichnet ist, dass locker, bis auch die Prattler Hauptstrasse geplant, diese mit den beiden anderen Quel- er nicht aus anderen Quellen, wie etwa der vom «Engel» bis zum Schmiedeplatz mit lenschriften zur Prattler Heimatkunde gele- Heimatkunde von Daniel Bruckner von solchen Schalen versehen ist und freut sich gentlich zu publizieren. 1749, Fakten kolportiert. Johannes Martin mit der ganzen Gemeinde darüber, wie 315 schnell das Regenwasser jetzt abläuft. An- teressierte sich der damalige Baselbieter aus Gemeindebeamten, Gemeinderäten, lässlich der Enteignung des für den Bahn- Erziehungsdirektor G. Bay für die Angele- Schulpflegern und Landräten. bau gebrauchten Lands mobilisiert er den genheit und unternahm mit dem ihm eige- Widerstand gegen die äusserst geringe nen Feuereifer für das Historische die Lei- In Pratteln gelang es dem Baselbieter Erzie- finanzielle Abgeltung und setzt durch, dass tung des Unternehmens. Bereits im Januar hungsdirektor, den damaligen Pfarrer Karl die Bahn ein Mehrfaches des angebotenen 1904 warb ein gedrucktes Zirkular für Mit- Sartorius für die Aufgabe zu gewinnen. Lei- Schätzwertes zu entschädigen hat. arbeiter in den Baselbieter Gemeinden vor der – und dies ist im Nachhinein zu bedau- allem im Kreis der damaligen Geistlichkeit, ern – blieb es in Pratteln bei der Ortschronik Eine der wertvollsten Nachrichten ist der den Lehrern und den Verwaltungsbeamten. des Jahres 1904 und diese fand keine Fort- Augenzeugenbericht, den Johannes Martin Die zu konzipierenden Gemeindechroniken setzung, weil Pfarrer Sartorius 1906 im Alter zum Brand von Pratteln am 3. August 1833 sollten einen summarischen Überblick über von fünfzig Jahren plötzlich verstarb. Dafür liefert. Er erzählt, wie er mit dem damaligen die Verwaltung der Gemeinden und deren zeichnete sich die Ortschronik von Pfarrer K. Dorfpfarrer Jakob Rahn die Kirchenkollekte Haushalt, über den Naturverlauf des Jahres Sartorius dadurch aus, dass auf den 14 Sei- unter der Sauerkrautstande im Pfarrhaus in und über ausserordentliche Ereignisse und ten eine vorzügliche Sammlung von Prattler Sicherheit brachte und schildert anschaulich Vorfälle berichten und laufend fortgeschrie- Sagen – darunter die Sage vom Madlenjä- die Verwirrung, die im Dorf herrschte. Vom ben werden. ger und der Hexmatt – erstmals zu Papier Kirchturm aus beobachten die beiden das gebracht wurden. In einem ganz persönli- Geschehen, ordneten und koordinierten den Der Ruf zur Mitarbeit verhallte nicht un- chen Schreiben gelangte der Baselbieter Löschdienst und betreuten die Geschädigten. gehört. Bis zum Herbst 1904 konnte Erzie- Erziehungsdirektor an den Verfasser K. Sar- hungsdirektor G. Bay in 68 von 74 politi- torius und dankte diesem explizit für die Auch die «Papiere» Johannes Martins har- schen Gemeinden des Baselbiets Mitarbeiter minutiöse Sammlung der Bräuche und ren noch der Veröffentlichung. Diese sollen gewinnen. Nach diesem glücklichen Start sprichwörtlichen Redensarten, die dieser in mit den andern Prattler Quellenschriften verfasste der Zürcher Prof. E. Egli und der seiner Pfarrgemeinde gesammelt und auf- gelegentlich publiziert werden. Basler Volkskundler, Prof. Dr. E. Hoffmann- geschrieben hatte. Ein Teil dieses Brauch- Krayer, eine ausführliche und heute noch tums hat der Prattler Dorfhistoriker, Dr. h.c. vorbildliche Wegleitung für die Chronisten, Ernst Zeugin, in seiner Heimatschrift Nr. 3 Karl Sartorius, Pfarrer in Pratteln von die sogar mit dem benötigten Papier im «Beiträge zur Kulturgeschichte eines Bau- 1886–1906 Folioformat und der gedruckten Broschüre erndorfes», publiziert. Noch aber fehlt der Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wur- von Prof. Egli bedient wurden. Im Oktober vollständige Druck der vierten Heimatkunde den auf Veranlassung von Prof. E. Egli in ver- 1904 waren alle potentiellen Chronisten mit von Pratteln. Deren Edition ist aber auch im schiedenen Gemeinden des Kantons Zürich den Wegleitungen versehen und konnten Zusammenhang mit den andern unpubli- Gemeindechroniken geführt. Im Jahre 1903 ihre Aufgabe, nämlich das Jahr 1904 ge- zierten Prattler Quellenschriften geplant. stellte der Initiant – Prof. E. Egli – erstmals mäss den Vorgaben zu schildern, nachge- die Ergebnisse der chronikalischen Auf- hen. Alexander Leupin und Mitarbeiter, zeichnungen von 1901 und 1902 in einer 1968 Broschüre zusammen. Diese wurde durch Zu Beginn des Jahres 1905 gingen bereits den bekannten Liestaler Pfarrer und Histori- die ersten Ortschroniken ein; bis Jahresab- Sechzig Jahre sollten vergehen, bis, gestützt ker, Karl Gauss, dem damaligen reformier- schluss wurden fünfzig Chroniken abgelie- auf die Empfehlungen der Arbeitsgemein- ten Pfarrkonvent vorgelegt, mit der Anre- fert. Von den sechzig Chronisten gehörten schaft zur Herausgabe von Baselbieter Hei- gung, auch im Kanton Basel-Landschaft 18 der Geistlichkeit und 21 dem Lehrer- matkunden, der Regierungsrat des Kantons 316 dem Zürcher Vorbild zu folgen. Hierauf in- stand an, der letzte Drittel rekrutierte sich Basel-Landschaft die Initiative ergriff, um von Kneschaurek, dass in wenigen Jahren verlandeten Lachmatt-Weihers geschaffen. hier 40000 bis 50000 Personen siedeln und Dieser Aufbruch manifestierte sich auch im dass alle Landreserven bis zum Talweiher ersten Prattler Dorffest von 1966. überbaut sein würden. Die einsetzende Bau-Euphorie, die parallel zur wirtschaftli- Auch die Heimatkunde von 1968 ist von chen Entwicklung erfolgte, wurde auch dieser Euphorie und diesem Aufbruch in durch das neue kantonale Baugesetz geför- eine neue Zeit geprägt, der sich auch die dert, das nun auch in Kernzonen der ge- Autoren, die akribisch die Fakten zusam- wachsenen Dörfer dreigeschossige Bauten mentrugen, nicht verschliessen konnten. tolerierte. Allenthalben wurde, weil ein Denk- Die damals einsetzenden Grossüberbauun- malschutz inexistent war, schützenswerte gen und vor allem die bereits geplanten Bausubstanz abgebrochen und durch cha- Überbauungen an der Gemeindeperipherie rakterlose Bauten ersetzt. In Pratteln fielen gegen Augst zu – die sogenannten «Korea- der «Engel» und der «Ochsen» mit den al- Blöcke» – wurden allgemein begrüsst. Die ten noch aus dem 17. Jahrhundert stammen- Tatsache, dass unqualifizierte Hilfskräfte den Hintergebäuden sowie das barocke und Gastarbeiter in die Wirtschaft dräng- Dietler-Bauernhaus am Schmiedeplatz der ten, wurde vermerkt aber nicht gewichtet. Bau-Euphorie zum Opfer. Während an Stelle Die Teuerungsraten wuchsen und wuchsen. des Dietler-Hauses und des «Engels» Nach- Die Gemeinderechnung präsentierte sich folgerbauten entstanden, die keinen Bezug positiv. Ein Ende der grossartigen zukunfts- auf die gewachsene Umgebung nahmen, weisenden Entwicklung war nicht abzuse- konnte die auf Vorrat geschaffene Ochsen- hen oder wollte man nicht wahrhaben. Fast 1968 wurde die erste, im Auftrag der Gemeinde Baulücke erst im Jahre 1999 – nach 39 Jah- scheint es, dass man sich der grossen Ver- editierte Heimatkunde von Pratteln durch ein ren – geschlossen werden. Diese Entwick- gangenheit Prattelns zu schämen habe, Mitarbeiterteam um Alexander Leupin realisiert. lung wurde auch durch die unheilvollen denn der Bezug zur Geschichte und zur Das Titelbild schlägt die Brücke vom mittelalter- kommunalen, weil politischen, Zielsetzun- eigenen Identität blieb weitgehend ausge- lichen Schloss zur modernen Industrie und stammt gen unterstützt, dass Pratteln für jeden klammert. Nicht Vergangenheit, sondern nur von Reinhard Urban†. Arbeitsplatz eine Wohnung bereitzustellen noch Gegenwart und Zukunft waren The- hätte. men. Diese Akzentsetzung hat wahrschein- jede Baselbieter Gemeinde zu veranlassen, lich auch dazu beigetragen, dass sich die eine kommunale Heimatkunde zu editieren. Die sechziger Jahre waren aber auch die Prattler Einwohner nie für diese – ihre – Hei- Zeit, wo sich das neue Selbstbewusstsein matkunde erwärmen konnten und dass sie Die sechziger Jahre des zwanzigsten Jahr- des Kantons Basel-Landschaft im Vorfeld weitgehend ungelesen und bis heute zu hunderts waren eine beispiellose Zeit des der Ablehnung der Wiedervereinigung zu Hunderten im Keller der Gemeindeverwal- Aufbruchs aber auch der politischen und konkretisieren und zu manifestieren be- tung gestapelt blieb. Allein schon die Tatsa- kulturellen Identitätsfindung des Baselbiets. gann: Baselland koppelte sich bezüglich der che, dass von den damals drei grössten Ar- Die Prognosen des Prof. Kneschaureks, die Gymnasien und der Spitäler von Basel ab beitgebern Prattelns, der Firestone, der Buss nie hinterfragt oder gar in Frage gestellt und ging autonome Wege. Auch in Pratteln und der Schindler mit total 2300 Arbeitneh- wurden, führten allenthalben zu einer nie war dieser neue Geist spürbar: 1964 be- mern zwei total und damit auch die Arbeits- dagewesenen Bau-Euphorie. In Pratteln gann man mit der Renovation des Schlosses plätze verschwunden sind, belegt, dass die rechnete man, gestützt auf die Prognosen und 1966 wurde der Talweiher an Stelle des damalige Euphorie sehr schnell ihr Ende 317 gefunden und schmerzliche Spuren hinter- lassen hat. Prattler Sagen

So bleibt auch die Heimatkunde von 1968 ein Prattler Zeitdokument; ein Zeitdoku- ment mit hohem wissenschaftlichem An- spruch, das von Hochkonjunktur und gren- zenloser Euphorie aber auch von ersten Ansätzen kommunaler Identitätssuche und Früher scheint es auch in Pratteln einige Gei- -findung berichtet. Fritz Sutter ster gegeben zu haben, die ihr Unwesen trieben, wenigstens nach den im Baselbieter Sagenbuch aufgezeichneten Sagen zu QUELLEN: schliessen. Wir haben hier nur einige der Er- Heimatkunden D. Bruckner, 1749, und A. Leupin, zählungen aus der Zeit der Abergläubigkeit 1968. herausgepickt. Transkriptionen der als Originalmanuskript im Staatsarchiv und im Privatbesitz erhaltenen Orts- Die Hexmatt chroniken. Im Westen von Pratteln, an der Baslerstras- Der Madlejäger nach einer Federzeichnung von se, liegt die Wiese, genannt Hexmatt oder Willy Stäheli†, 1976. Pratteler Matte, auf der heute unter ande- rem Zirkusse gastieren und die Grümpeltur- Der Madlejäger niere abgehalten werden. Im Mittelalter kamen auf dieser Wiese die Hexen auf ihren Ein Ritter auf der Burg Madlen begehrte des Besenstielen, Kunkeln oder Stühlen von weit Edlen von Schauenburgs Weib. Auf der und breit herangebraust, sogar aus dem Jagd ergab sich für den Eptinger die Gele- Schwarzwald und Elsass, um ihre Feste mit genheit, den Gatten seiner Angebetenen Tänzen zu feiern. Die Tanz-Spuren waren auszuschalten; er erschlug ihn. Darauf führ- noch am Ende des 17. Jh. zu sehen (und sie te der Mörder die schöne Witwe als Gemah- sollen heute noch unter gewissen Umstän- lin auf die Madlenburg. Nach seinem Tode den sichtbar sein). Es waren grosse weite fand der Eptinger Ritter jedoch keine Ruhe. Kreise verdorrten Grases, das unter den Füs- Von Zeit zu Zeit jagt er auf seinem Schim- sen der Hexen versengt und verbrannt ist. mel, begleitet von zwölf weissen Hunden, Selbst der Teufel liess es sich nicht nehmen, darunter ein kopfloser, durch den Wald. an diesen Festivitäten teilzunehmen. Er kam Hört man das Jagdhorn des Ritters und das meistens in einer Kutsche angefahren. Von Gebell der Hunde, so bricht bald darauf ein dieser Kutsche heisst es, dass sie sich jetzt heftiges Unwetter los, behaupten die alten noch ab und zu zeige, aber ohne den Teufel. Leute. Andere wiederum wollen wissen, Ihr Auftauchen zeige einen baldigen Todes- dass der, der den wilden Zug sieht, eine Ohr- fall an. Höre man aber nur ihr Gerassel, feige erhält und mit stark geschwollener 318 bedeute es schlechtes Wetter. Backe nach Hause kehrt. Wer aber den Jäger an seinen langen Haaren packen kann «Unghüüriger» Ort Nach einer anderen Sage sollen auf dem und ihm das Wort «Schellenprofoss» zuruft, Madle gefundene Rossbollen zu Gold wer- dem begegnet er freundlich. Er gewinnt Auf dem Weg von Muttenz nach Pratteln, den, wenn der Finder sie in seiner Tasche einen Schatz, sofern er noch ein paar an ihn beim «Chäschteli», ging jeweils in der nach Hause trägt. Emmy Honegger gestellte Fragen beantworten kann. Abenddämmerung ein Burgfräulein mit sei- nem schwarzen Hund spazieren. In der Nach glaubhaften Aussagen verschiedenster Hand hielt es einen goldenen Stab. Wenn Personen soll heute noch ein Geisterreiter ein Gespann auf dem Feldweg vorüberfuhr, im Gebiet Madle zu sehen sein. hob es den Stab und machte geheimnisvol- le Handbewegungen. Daraufhin blieben die Pferde entweder bockstill stehen und waren Der Hülftenteufel kaum mehr von der Stelle zu bewegen, oder Auf der Hülftenbrücke trieb ein Spukgeist in sie sprengten wie von Furien gehetzt davon. Gestalt eines grossen, schwarzen Mannes Aus diesem Grunde wurde dieser Feldweg mit Zylinderhut sein Unwesen. Er hielt Fuhr- immer seltener begangen. werke an, so dass sie nicht mehr weiter konnten. Einst wanderten zwei Freunde ge- Zusammengeflochtene gen Mitternacht vom Niederschönthal nach Pferdeschwänze Augst, um den Augster Fischern beim Na- senfischen zuzusehen. Einer erzählte dem Beim «Höche Huus» bei der Einmündung anderen vom Hülftenteufel – und wurde des Steinenweges in die Schauenburger- ausgelacht. Der Geist aber stand kerzenge- strasse, dort, wo einst eine römische Villa rade und pechschwarz bei der Brücke, stand, komme es vor, dass den Pferden jedoch nur für den Erzähler sichtbar. Dieser nachts die Schwänze zusammengeflochten erhielt dann beim Vorübergehen vom wurden. Wer das sah, bekam am anderen «Schwarzen» einen so heftigen Schlag in Tag einen geschwollenen Kopf. So jeden- die Kniekehlen, dass er mit einem Aufschrei falls berichtet dies der damalige Prattler in die Knie sank. Der Geist entschwand, und Pfarrer Karl Sartorius, der dem schwachen der Geschlagene musste von seinem Beglei- Geschlecht hold gewesen sein soll. ter ein Stück weit getragen werden. Als er wieder zu Kräften kam und einige Schritte Das «Goldmädchen» gegangen war, sahen beide bei der Einmün- dung des Prattler Feldweges in der Nähe der Es hat aber auch gute Geister gegeben, wie Griengrube einen grossen, schwarzen Zie- aus der Sage des «Goldmädchen» hervor- genbock, der drohend auf den Hinterbeinen geht. Ein braves Mädchen sah bei der Burg- stand. Offenbar zeigte sich hier der Teufel ruine Madle schöne, glänzende Blätter an als Ziegenbock. Der «ungläubige» Freund einem Strauch und nahm davon mit nach zog kurz entschlossen seinen Dolch und Hause. Daheim angelangt, hatten sich die drang unerschrocken auf den Geist ein. Die- Blätter in pures Gold verwandelt. Am näch- ser aber verschwand mit einem mannsho- sten Tag suchten auch seine Leute solche hen Sprung im Wäldchen nebenan. Blätter, fanden aber keine mehr. 319 von Dr. Dietegen Guggenbühl, der die Hex- Dr. Derungs ist auf die älteste Schichten der Pratteln: matt in seine wissenschaftliche Untersu- Hexmatt-Sage vorgestossen und glaubt, in Eine uralte Kultstätte? chung betreffend der wegen des Besuchs den sogenannten Hexen Priesterinnen einer der Prattler Hexmatt verurteilten «Hexen» noch unbekannten Göttin zu erkennen, die und deren Prozesse minutiös anhand der sich auf diesem sakralen Platz unweit einer Gerichtsakten untersucht hat. Sein Urteil: Es keltischen Siedlung zu jahreszeitlich festge- gibt auf Basler Gebiet – in Basel und der legten Ritualien trafen, um hier Feste abzu- gesamten damaligen Landschaft Basels – halten. Diese Ritualien – so Dr. Derungs – nirgends einen Hinweis auf einen Hexen- muss man sich eingebunden in die Land- In seinem leider bereits kurz nach der Her- prozess und auch keinen Hinweis, schaft vorstellen. Unter eingebunden ver- ausgabe vergriffenen Buch «Geheimnisvol- geschweige denn eine Verurteilung, bezüg- steht der Autor die Tatsache, dass die «Brat- les Basel – Heiligtümer und Kultstätten im lich Hexerei. Damit – so Dr. Guggenbühl – teler Matte» als Bestandteil eines vorrö- Dreiland» erwähnt der Autor, Dr. Kurt müsse man davon absehen, die «Bratteler mischen, also keltischen, Sakralsystems ge- Derungs, auch Pratteln als weit über die Re- Matte» als Hexenbesammlungs-Ort zu defi- wertet werden muss. Bei der Entschlüsse- gion ausstrahlende Sakralstätte und damit nieren. Aber – schränkt Dr. Guggenbühl ein lung der Geheimnisse eines übergeordne- als Kultort, dessen Hexmatte bzw. «Bratte- – auf der «Bratteler Matte» trafen sich Frau- ten Sakralsystems aus grauer Vorzeit be- ler Matte» seit Jahrhunderten in den en und tanzten dort; es fanden tatsächlich zieht Dr. Derungs auch die Kirche bzw. das Prozessakten der ausserbaslerischen Gerich- Tänze statt. Dieser Meinung ist auch unsere Heiligtum der Chrischona, den Forumsaltar te erscheint. Als Besammlungs- und Tanz- Mitbürgerin Madlena Amsler, die jeweils auf der Römerstadt Augusta Raurica sowie die platz der Hexen und als Treffpunkt der auf die Walpurgisnacht hin – der Nacht vom 30. «Tanzmatt» in Herten, einer Analogie zur Besen und Backmulden angereisten Besu- April auf den 1. Mai – zu Frauentänzen auf- Hexmatt, in seine Untersuchungen ein. Da- cherinnen mit dem Leibhaftigen – so geht ruft. Diesem Aufruf zur gemeinsamen Tanz- bei hat der Autor festgestellt, dass die Pratt- die Mär – ist dieser Besammlungsort be- manifestation irgendwo im Prattler Wald ler Hexmatt in Bezug zur Chrischona und rüchtigt und berühmt geworden und zu leisten jeweils bis zu achtzig Frauen Folge. dem Forumsaltar Augusta Rauricas ein Recht in die Geschichte eingegangen.

Dr. Kurt Derungs hat sich bei seinen For- schungen betreffend alter Kultstätten und Heiligtümer im Raume Basels auf den Kern der Überlieferung bezüglich der Hexmatt konzentriert und auch versucht, die Umge- bung der Hexmatt in einen früheren weibli- chen Kultbezirk einzubeziehen. Bei den ge- nannten Hexen ist Dr. Derungs überzeugt, dass es sich bei den Hexen der Überliefe- rung um Dienerinnen bzw. Priesterinnen einer unbekannten Göttin gehandelt hat und dass diese auf der Hexmatt – der «Brat- teler Matte» – ihr heiliges Ritual abgehalten haben. Diese Interpretation der Überliefe- Die «Hexmatt», auch «Pratteler Matte» genannt, könnte nach Meinung des Landschafts-Mythologi- 320 rung deckt sich in allen Teilen mit derjenigen kers Dr. Kurt Derungs, ein keltischer Kultplatz gewesen sein und wurde nie überbaut. rechtwinkliges Dreieck bildet, das seine Autor der Merkwürdigkeiten der Landschaft kongruente Entsprechung in dem Dreieck Basel, der Basler Staatsarchivar Daniel Bru- Chrischona, «Tanzmatt» Herten zum Fo- ckner, teilt uns 1749 in seinem dritten Faszi- rumsaltar von Augst besitzt. Diese Erkennt- kel mit, dass vor der Erbauung des Klosters nis und insbesondere die Tatsache, dass die dort Einsiedler – oder müsste man nicht Prattler Hexmatt auf der Basis-Geraden des eher an Einsiedlerinnen denken? – die Ein- Dreiecks zum Forumsaltar und der «Tanz- samkeit gesucht haben, um in der Wohlge- matt» in Herten liegt und zudem noch zum fälligkeit Gottes ihr Leben zu fristen. Sonnenaufgang am 21. Juni orientiert ist, erhärtet die Vermutung, dass die Prattler Anlässlich des mythologischen Flurgangs ist Hexmatt Bestandteil eines sakralen Systems auch der Standort des früheren «Jungfere- sein könnte und deshalb wohl auch nie loch-Brunnens», des heutigen Lilienhofbrun- überbaut wurde. nens, aufgesucht und das Umgelände ana- lysiert worden. Die Flur oberhalb des «Jung- Anlässlich einer flurkundlichen Begehung fereloch-Brunnens» heisst «Käppeli», was Prattelns im September 2002 mit dem Autor an die im 15. Jahrhundert durch den Prattler Dr. Derungs konnten zusätzlich überaus Dorfherrn errichtete Kapelle am ehemaligen Das Kultdreieck Hexenmatte–Chrischona–Tanz- wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, Weg von der «Hohlen Gass» zum Erli nach matt Herten. Mit freundlicher Genehmigung des die dem Buchautor bisher unbekannt wa- Frenkendorf erinnert. Die Kapelle wurde nach Autors Dr. Kurt Derungs aus «Geheimnisvolles ren. Als weitere Prattler Kultstätten ist die der Reformation 1529 abgebrochen; aus Basel – Heiligtümer und Kultstätten im Drei- «Fraumatt» erkannt worden, die sich links- den Bausteinen wurde das Pfarrhaus errich- land». ufrig vom Talbach bis zur Kirche erstreckt. tet. Allein die Tatsache, dass die Kapelle bei Von der «Fraumatt» hat sich leider nur noch bzw. oberhalb der Quelle des «Jungferen- Jahrhundert hier durchgezogen sein sollen. der Name als Strassenname erhalten. Ein loch-Brunnens» errichtet wurde, lässt auf Die älteste Heiligenlegende will nämlich wichtiger Hinweis auf einen Kultplatz aber einen Kultbezirk schliessen. Dass der «Jung- wissen, dass die Heilige Chrischona, früher könnte der Standort der reformierten Kir- fereloch-Brunnen» Heilwasser, besonders für Cristina = Christin, nachdem diese mit ihren che, die als Riegel quer zum Talbach steht Frauenleiden spendet, das war den älteren Gefährtinnen im römischen Augst und nicht und auf römischem Ruinengelände errichtet Bewohnern Prattelns wohlbekannt. Noch in Basel, wie es die Überlieferung will, das wurde, eingestuft werden. Tatsache ist auch, heute holen dort Prattlerinnen täglich ihr Schiff bestiegen hatte, krank geworden sei dass bei Aushubarbeiten am Schützenweg Heilwasser. und hier beim Mägdengraben zusammen ein alter Grenzstein mit dem Basler Bischofs- mit den heiligen drei Jungfrauen aus Eichsel stab gefunden wurde, der auf der andern Ein weiterer Hinweis auf ein landschaftsmy- – der Wibrandis, der Mechtundis und der Seite die Buchstaben FM = Fraumatt trägt. thologisches Kultsystem könnte der Flurna- Kunigundis – das Schiff verlassen hätte. Die Die Fraumatt liegt in einem Tal, das östlich me «Aettiggraben», die Flur, wo sich der drei Eichsler Jungfrauen sind rheinaufwärts durch den «Madlen» und westlich durch die Talbach in den Rhein ergoss, liefern. Im 14. nach Eichsel geflüchtet, wo sie bei einer Bergreben begrenzt wird und durch das der Jahrhundert hiess diese Flur nämlich «Mäg- Eiche, die neben einer Quelle stand, Schutz Talbach führt, dessen alter Name noch un- dengraben». Die Bezeichnung Mägde wie- fanden. Chrischona aber starb auf dem bekannt ist. Seine Quelle befindet sich in derum verweist, gestützt auf die Erkenntnis- rechten Rheinufer, gerade gegenüber dem unmittelbarer Nähe des 1465 vom Prattler se des Basler Mittelalter-Historikers Prof. Dr. «Mägdengraben». Der Sterbeort hiess Dorfherr Hans Bernhard von Eptingen er- Hans Reinhard, auf den Zug der Ursula mit «Chrischonabettli» (Letus Chrischona)! und bauten Klosters Neu-Schauenburg. Aber der den elftausend Jungfrauen, die im vierten lag an der Grenze zwischen Grenzach und 321 Dr. Kurt Derungs plant eine Neuauflage und damit eine Erweiterung seines Kultbuches; Pratteln die landschaftsmythologischen Erkenntnis- und seine Akustik se des Flurumgangs durch Pratteln vom Sep- tember 2002 werden darin gebührende Erwähnung finden. Fritz Sutter

QUELLEN: Derungs, Kurt, Dr.: Geheimnisvolles Basel – Hei- ligtümer und Kultstätten im Dreiland. Edition Räume erleben wir Menschen primär über Amalia, 1999. visuelle Merkmale und Gegebenheiten, die Der frühere «Jungfereloch-Brunnen» und heuti- Flurkundliche Begehung Prattelns mit Dr. K. klanglichen und akustischen Hörbilder neh- ge «Lilienhof-Brunnen» soll heilkräftiges Wasser Derungs im September 2002. men wir dagegen weit weniger wahr, es sei spenden. Das jedenfalls behaupten Prattler Frau- denn sie stören und beeinträchtigen unsere en, die dort täglich ihr «Heilwasser» holen. Die Befindlichkeit. So ist uns denn auch die Tat- Quelle des Brunnens befindet sich direkt ober- sache, dass jeder Ort für eine spezifische halb auf der Flur «Käppeli». «akustische Landschaft» steht, nicht immer bewusst. Mit der zunehmenden zivilisatori- Wylen und galt jahrhundertelang als heili- schen Vernichtung von natürlichen Lebens- ger Bezirk. Und weil sich die Bewohner der räumen und der gleichzeitigen Verdichtung Orte nicht über den Beerdigungsort der des Wohnens bahnte sich allerdings in die- Chrischona einigen konnten, folgte man sem Bereich in den letzten Jahrzehnten eine der damaligen Tradition: Man spannte an Änderung an: Lautstärke ist zu einem Raum- den Wagen, auf den man die Tote gebettet planungselement geworden – Lärmmessun- hatte, zwei junge Stiere, die noch nie ein gen entlang der Strassen und Eisenbahnlini- Joch getragen hatten und liess diese ihren en, in Industriezentren und Hafenanlagen Weg gehen. Diese zogen mit ihrer heiligen sind Normalität. Fracht schurgerade auf den Hügel, der heute den Namen Chrischona trägt und Selbstverständlich ist auch Pratteln von all hielten dort an. Dort wurde die Heilige diesen Problemen nicht unberührt geblie- bestattet und später über ihrem Grab eine ben: Die Bemühungen, entlang der das Dorf Kapelle errichtet. Mit Chrischona auf dem durchschneidenden SBB-Linie Lärmschutz- Chrischona-Hügel, der Odilie auf dem Tül- anlagen einzurichten, beweisen es. Und wer linger-Hügel und der Margarethe auf dem eine Wanderung auf das Hagebächli unter- Margarethen-Hügel finden wir in unserer nimmt, wird nicht nur durch das ausufernde Umgebung drei heilige Jungfrauen; auf die Häusermeer tief zu seinen Füssen in der Chrischona ist deshalb auch das Sakral-Drei- Ebene gefangen genommen, auch die eck «Hexmatt» und «Tanzmatt» ausgerich- Geräuschkulisse wird ihn beeindrucken – tet; der «Mägdengraben» wiederum liegt ein dumpfes, allgemeines Verkehrsgrollen genau auf der Geraden «Hexmatt» zur Chri- schlägt ans Ohr, ab und zu durch den 322 schona. lautstarken Eisenbahn- und Tramlärm oder die Sirene eines Polizeifahrzeuges akzen- der Bevölkerung haben die modernen Sire- licher König bringe uns Frieden. Im Jahre tuiert. nen auf den Dächern unseres Dorfes den des Herrn 1484). Am Schlagring findet sich altehrwürdigen Glocken der Kirche den Rang dagegen der auch für den Nicht-Lateiner Das war nicht immer so: Wer sich beispiels- abgelaufen, und so gehört das Sturmläuten verständliche Schriftzug: weise in das schöne Bild Emanuel Büchels der Vergangenheit an. Der Vergangenheit «Die Hauptstrasse von Pratteln, von der Kir- gehört auch das nicht-automatische Läuten + osanna heis ich che aus gesehen» hineindenkt, wird un- der alten Dorfkirchenglocken an, eine Auf- in dem namen gooz ward ich schwer nachvollziehen können, dass der gabe, die bis in die Mitte des letzten Jahr- her bernhart von eptingen riter und ganc öffentliche Raum damals in der Mitte des hunderts am Sonntagmorgen vor dem Got- gemein 18. Jahrhunderts und bis ins 20. Jahrhun- tesdienst von der männlichen Jungmann- von bratelen machten mich dert hinein mehr oder weniger geräuscharm schaft wahrgenommen wurde. Damals stritt und ludwig peiger von basel goss mich + war. Zwar wurde man vielleicht am Dorf- man sich um die Ehre, am Glockenseil mit- brunnen, wo gewaschen wurde, Zeuge frau- ziehen zu dürfen. Ein eigentlicher Wettbe- Ritter Bernhard von Eptingen, der 1460 auf licher Mitteilsamkeit, vielleicht hörte man werb war angesagt, wenn die Glocken zum einer Wallfahrt das heilige Grab in Jerusa- auch das Muhen der zur Tränke geführten Schweigen zu bringen waren; da hängten lem aufgesucht hatte, bat wohl nicht ohne Kühe, das Kläffen der abwehrenden Hunde sich nämlich die Glöckner mit ihrem ganzen Grund mit dieser Inschrift Christus, an den und das Grunzen der suhlenden Schweine – Gewicht förmlich an den Glockenstrang, am Glocken-Mantel in Form eines kleinen doch brausende Motoren gab es noch keine um auf diese Weise jede weitere Bewegung Relief-Kruzifixes erinnert wird, um Frieden. und auch quietschende Bremsen und dröh- der Glocke zu unterbinden. Es zeugte von Auch die auf D gestimmte kleinere zweite nende Radiomusik waren unbekannt. Könnerschaft, wenn es gelang, das Geläut Glocke mit einem Durchmesser von 75 cm nicht allmählich und sanft ausklingen zu las- weist an ihrem oberen Rande eine Inschrift Umso stärker dürfte in jenen Zeiten der sen, sondern ohne Nachhall zum Verstum- auf, diesmal in gotischen Grossbuchstaben: Stundenschlag und das Geläute der Kirchen- men zu bringen. Und so geschah es denn + O REX GLORIE CRISTE VENI CUM PACE +. glocken Gehör gefunden haben. Die Kir- auch immer wieder, dass bei solchem Brems- Sie dürfte aufgrund des Schriftcharakters chenuhr der alten Dorfkirche signalisierte manöver die letzte Schwingung des Seils noch älter sein als die Osanna-Glocke und jeweils um 11 und um 16 Uhr die Mittags- den oder die Glöckner bis zur Decke hinauf- im frühen 14. Jahrhundert gegossen wor- beziehungsweise die Vesperzeit, und so ist trug. den sein. Um einiges jünger ist dagegen die es auch heute noch, nur mit dem Unter- kleine Fis-Glocke mit einem Durchmesser schied, dass im grösser gewordenen Dorf Und was wussten wir damals, was wissen von 65 cm, die ebenfalls an ihrem oberen der Glockenschlag lediglich im Zentrum, wir heute von unseren Glocken? Wenig Rand die Minuskel-Inschrift + o rex glorie längst aber nicht mehr an den weitab gele- oder auch gar nichts! Dabei versehen sie criste veni cum pace amen + trägt. genen Dorfrändern vernommen wird. Be- doch ihren Dienst schon mehr als 500 Jahre. Dr. René Salathé sonders zur Geltung kam natürlich das Kir- Besonders beachtenswert ist die grosse A- chengeläute anlässlich des Gottesdienstes Glocke, die nach kriegerischer Zerstörung QUELLEN: und bei kirchlichen Feiern, bei Hochzeiten der Kirche 1484 ihren Einzug hielt. Sie weist Die Läutordnung der reformierten Kirche in Prat- und Begräbnissen. Wenn gar der Krieg oder einen Durchmesser von 98,5 cm auf und teln. wenn Brände das Dorf heimsuchten, dann wurde von Ludwig Peiger gegossen. An Die Läutordnung der katholischen Kirche in Prat- schlugen die Sturmglocken Alarm. ihrem oberen Rand überrascht sie mit einer teln. Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben:+o Seit dem Bundesbeschluss vom 29. Septem- rex glorie criste veni nobis cum pace anno ber 1934 betreffend dem passiven Luftschutz domini m cccc lxxxiv+ (O ruhmreicher christ- 323 Die «Marktfrauenbank»

Wie jede grössere Baselbieter Gemeinde, so hat natürlich auch Pratteln seinen Verkehrs- und Verschönerungsverein. Er tritt immer Die alte Prattler Marktfrauenbank befindet sich Funktion der Marktfrauenbank mit Sitz- und Ab- wieder positiv in Erscheinung; unter ande- seit 1972 in Muttenz. stellgelegenheit. (Zeichnung W. Röthlisberger.) rem ist er auch für den Unterhalt der ver- schiedenen, an aussichtsreichen Punkten des noch keine Supermärkte gab, anderseits Hauptstrassen solche Ruhebänke aufge- Gemeindebannes aufgestellten Ruhebänke aber die Marktfrauen wesentlich zur Versor- stellt worden.4 «Banc des mensonges» besorgt. Sie tragen zusätzlich zum Gemein- gung der städtischen Bevölkerung beitru- (Bank der Lügen) nannte sie dort der Volks- dewappen die Vereinsinitialen. gen. In einem auf dem Kopf ausbalancier- mund. Damit ist angedeutet, dass der ten Korb trugen sie – abgefedert durch ein Marktfrauenbank neben der kommerziellen Lange vor den Ruhe- und Aussichtsbänken Tragkissen – Eier und Gemüse in die Stadt. auch eine kommunikative Bedeutung zu- gab es in Pratteln zwei so genannte «Märt- Rund um Basel – im Elsass und im Badischen kam, hat es doch auf dem Sitzbrett für zwei leute Ruhebänke».1 Der Gemeinderat hatte – haben sich noch zahlreiche dieser Ruhe- bis drei Marktfrauen Platz. Dass sie sich sie 1864 in Auftrag gegeben; die eine stand bänke erhalten; bei uns kennen wir mit nach dem Muster von Johann Peter Hebels bei der Lachmatt zwischen Pratteln und wenig Ausnahmen nur noch gerade die «Die Marktfrauen in der Stadt» zu unterhal- Muttenz, die zweite auf Muttenzer Boden früheren Standorte. ten wussten, liegt auf der Hand. in der Saline beim östlichen Eingang der Strasse Augst–Schweizerhalle–Birsfelden in Eine Marktfrauen-Ruhebank besteht aus Die Ruhebank-Idee der französischen Kaise- die Hard. Als sie «vor etlichen Jahren» – so zwei seitlichen Steinwangen, in die auf Sitz- rin darf noch in einer anderen Hinsicht ge- berichtet 1972 der Prattler Dorfhistoriker höhe ein Brett eingelassen ist und auf denen würdigt werden: Sie ist vielleicht ein Zeichen Ernst Zeugin2 – einer Strassenerweiterung in Kopfhöhe ein zweites Brett aufliegt. Die- dafür, «dass hier eine Frau für andere Frau- zum Opfer fiel, gewährte er den steinernen, ses abschliessende Brett gab den Marktfrau- en sorgte.»5 Dr. René Salathé aus rotem Sandstein gehauenen seitlichen en Gelegenheit, ihre Last in gleicher Höhe Trägern in seinem Garten pietätvoll Asyl. Er abzustellen und sich zum Ausruhen darun- FUSSNOTEN: rettete damit altes Kulturgut. Die Rekonstruk- ter zu setzen. Der Korb konnte beim Weiter- 1 Gemeinderatsprotokoll Pratteln vom 2. April tion (mit neuen Brettern) erfolgte dann aller- gehen, ohne dass die Trägerin sich bücken 1864. dings nicht in Pratteln, sondern – dem Terri- musste, leicht wieder aufgenommen werden. 2 Zeugin Ernst: Ruhebänke in der Umgebung Ba- torialprinzip folgend – in Muttenz am Kirch- sels, in Baselbieter Heimatblätter, 1972. S. 189ff. hofweg hinter der Gemeindeverwaltung.3 Hatte sich wohl der Auftraggeber der «Mut- 3 Freundliche Mitteilung von K. Bischoff, Muttenz. tenzer» Ruhebank im Elsass inspirieren las- 4 Bruckner Auguste: Oberrheinische Ruhebänke, Die Prattler bzw. Muttenzer Ruhebank weist sen? Auf Veranlassung der Kaiserin Eugénie in: Regio Basiliensis 1977. S. 41–46. 324 in eine ferne Zeit zurück, wo es einerseits waren nämlich in Frankreich 1854 an allen 5 ebd. S. 44. Jean Pfirter: Bauer und Konditor, Erfinder des Prattler Kuchens

Auf der alten Foto, die kurz nach 1900 ent- standen sein dürfte, präsentiert sich ein Ausschnitt der südlichen Häuserzeile an der Prattler Hauptstrasse und zwar derjenige zwischen dem zu Anfang der sechziger Jahre abgebrochenen «Engel» und dem «Ochsen». Er zeigt in der Mitte einen soge- nannten «Tante Emma-Laden», der mit Con- ditorei und Spezereihandlung J. Pfirter an- geschrieben ist. Stolz präsentiert sich Jean Pfirter, mit weisser Schürze und gleichfarbe- ner Bäckermütze in der Ladentüre, die zum Ladenraum führt. Das Ladenfenster, das den Blick auf das angebotene Sortiment freigibt, ist mit zwei Werbeschildern ausstaffiert: Jean Pfirter, der Erfinder des Prattler Kuchens, vor seiner Konditorei und Spezereihandlung zwischen Chocolat Suchard und Chocolat Kohler. Die den Wirtshäusern «Engel» und «Ochsen». Foto um 1900. über dem Fenster angebrachte Firmentafel weist darauf hin, dass hier der Créateur des Linzer-Torte, abgedeckt wird. Allerdings ist und diesen dann aufgab. An den Laden Prattler Kuchens, Jean Pfirter nämlich, ein auch festzuhalten, dass neben dem Origi- Jean Pfirter, gegen den «Ochsen» zu, schloss Grossonkel des heutigen Bürgerratspräsi- nalrezept noch andere Rezepte des Prattler sich nahtlos dessen Bauernbetrieb mit denten Ruedi Pfirter, seinen Laden betrieb. Kuchens existieren. So besitzt Lorly Tschirky- Scheune und Stall an, was dem Konditor Dill ein Rezept, das gegenüber dem Original bisweilen den Ruf einbrachte, in seinem Der Prattler Kuchen, dessen Originalrezept einen «weicheren» Kuchen ergibt und das Laden rieche es und er selbst zu stark nach hier erstmals publiziert und das über die ver- ebenfalls neben dem Originalrezept abge- Landwirtschaft. Anschliessend an den La- storbene Frau Karolina Seiler-Schneider, zu druckt wird. Es ist wichtig zu wissen, dass den zum Engel hin wohnte und werkte der deren ebenfalls verstorbenen Schwieger- der Prattler Kuchen am ersten Tag seiner unter dem Dorfnamen Tschudi Luggi be- tochter Frau Margrith Seiler-Droz, wohnhaft Kreation am besten schmeckt. Später wird kannte Störmetzger, der jeweils vor Ort bei gewesen an der Mayenfelserstrasse 27, an er fader und fader. den Bauern deren Nutztiere fachgerecht Frau Annegreth Sutter-Baumann im davor- schlachtete. Anschliessend an den Tschudi liegenden Nachbarhaus gelangte, ist ein spe- Wer war nun dieser Jean Pfirter? Jean Pfirter Luggi betrieb Max Grohmann, der legendä- zieller Mandelkuchen, der mit einer Gitter- war Bauer und im Nebenberuf Konditor, der re Theater-Coiffeur und Autor des anlässlich Applikation aus Teig, ähnlich wie bei der bis 1942 seinen Laden beim «Engel» betrieb des ersten Dorffestes uraufgeführten «Madle- 325 jägers», seine Coiffeurstube, bevor er einen Zucker, 2 Eier, 50 g flüssige Butter, diese Damen/Herren-Coiffeursalon samt Wohn- etwas abgekühlt. «Ygmachte» haus unten an der Schlosstrasse erbaute. Man gebe alles zusammen in die Teigschüs- sel und mische alles und streiche das Ge- Jean Pfirter muss ein begnadeter Konditor mischte auf die mit Blätterteig belegte gewesen sein, denn die konsultierten Ge- Kuchenform. Mit den Teigresten forme man niesserinnen der Torten und Kuchen, Lotti Teigstreifen, die man als Gitterwerk, ähnlich Althaus, Emmy Hartmann, Emmy Müller-Biel- wie bei der Linzertorte, auf den Kuchen ser, Helen Seiler und Anni Weisskopf-Bielser appliziert. rühmen vor allem dessen Torten und unter Den Kuchen in den Backofen schieben und Eine weitere Prattler Spezialität, wenn auch diesen die unvergleichlichen Erdbeer- und 35–40 Minuten bei 200 Grad backen. keine süsse, ist der «Ygmacht». Ein «flüssi- Biscuit-Torten sowie die köstlichen Linzer- ger» Käse, der zu Brot und Most wunderbar und Mandel-Schnitten. Die Torten fertigte Das modifizierte Rezept schmeckt, vor allem im Sommer. Jean Pfirter jeweils auf Bestellung zu Famili- von Lorly Tschirky-Dill enfesten an. Frau Helen Seiler erinnert sich, Erkenntlich dadurch, dass es zu Zeiten des Das Rezept dass sie in den dreissiger Jahren zehn Eier zu Erfinders noch keinen Halbrahm gegeben Jean Pfirter bringen und für die Herstellung hat und die Zutaten noch nicht konfektio- Man nehme viertelfetten Tilsiter, raffle ihn des bestellten Biscuitkuchens noch zwei niert waren. auf der Röstiraffel, mische nach Belieben Franken berappen musste. Bekannt gewor- Kümmel darunter, bedecke das ganze den ist Jean Pfirter aber auch dadurch, dass Man nehme: Rundes Kuchenblech, ca. knapp mit lauwarmem Wasser und lasse es der Laden auch am Sonntag geöffnet war 26–28 cm Durchmesser. zwei bis drei Tage zugedeckt stehen bis der und dass man dort die grössten «Schuhsoh- 1 Paket Blätterteig, 1 Paket Mandeln, 150 g «Ygmacht» reif ist. D.h. bis das Wasser len», einer Art Blätterteig-Gebäck, belegt Zucker, 2 Eier, 1 Becher (1,8 dl) Halbrahm. ganz aufgesogen ist. Wichtig: Die Masse mit einer starken Schicht Puderzucker, aber Alles zusammen gut in Schüssel vermischen muss von Zeit zu Zeit immer wieder auch den Prattler Kuchen erwerben konnte. und auf das mit dem Blätterteig bedeckte umgerührt werden. Emmy Honegger Der Preis für eine der fast dreissig Zentime- Kuchenblech verstreichen. Vom rechtecki- ter langen und zehn Zetimeter breiten gen Blätterteig Teigstreifen für die Gitterde- «Schuhsohlen» betrug zwei Batzen, also koration schneiden und diese auf den zwanzig Rappen. Nur Brot war bei Jean Pfir- Kuchen applizieren. Den Kuchen auf unter- ter nicht zu kaufen; das buken die Prattler ster Ebene im Backofen bei 200–220 Grad Bauernfrauen damals noch selbst oder kauf- 25–30 Minuten backen. ten es beim Treffeisen Liesel, bei der Bäcke- rei Reumer an der Hauptstrasse oder bei «He nu so denn», würde der Prattler bzw. einer andern Dorf-Bäckerei. die Prattlerin sagen, und deshalb frisch ans Werk und en Guete! Fritz Sutter Das Original-Rezept des QUELLEN: Prattler Kuchens Mündliche Auskunft während persönlichen Ge- Man nehme: Rundes Kuchenblech, ca. sprächen 2002 durch Lotti Althaus†, Emmy Hart- 26–28 cm Durchmesser. mann†, Emmy Müller-Bielser, Helen Seiler† und 326 250 g Blätterteig, 150 g Mandeln, 150 g Anni Weisskopf-Bielser. und au fürs erschti Dorffescht igsetzt. Wieso D Prattler Chreeze het guet Holz, s Prattler Lied me in nid zum Prattler Bürger gmacht het, do druuf sy mer stolz. waiss i nid! Aber «was sölls». Tra la la – la la la – tra la la – la la la – tra – la – la la la – Die sächs Strophe vom Prattler Lied be- do druuf sy mer stolz! schryybe s Dorf: Wo me dehai isch; wie d Lüt syyge, oder besser sette syy; was me vom Wenn i uf em Madle stand Madle, vom Horn und vo dr Schämbärger- gsehn i s Dorf im Tal, Flue obenabe gseet; wo me wärchet – im s Alt und s Neu nooch binenand, Als Wettbewäärb vom Vercheers- und Ver- Räbbou, in dr Landwirtschaft, aber au in dr Giebel breit und schmal. schönerigsverain isch die nöi Versioon vom Induschtryy, die Prattele zur Stadt mit ville D Chilche, s Schloss und s Hagebächli Prattler Lied 1952 entstande. D Melodyy Problem gmacht het. Zum Buuregwäärb: und vill andri Dächli heig me emool us Hallau, em Chlettgauer- Numme none paar Buure uf de Höf hai züüge vo der alte Zyt dorf, uf Prattele mitbrocht. E Wyydorf im Milchchüe. Au dr besungeni Stäägefässli- und vo edle Lüt. Schaffhuusische, wie Prattele. E Dorf au, wo Wyy, in de alte Prattler Hüser under de Stää- me halt immer gärn au bi spooter Stund ge, in dr Chuchi oder im Stäägehuus findsch Buebe hei mer voller Chraft, gsunge het, glych wie bi ois z Prattele. Der nümm. Dä Stäägefässler isch Tradition gsi! strammri gits gar nit. Wyy macht eben au öppedie es bitzeli mit. So het me nid für jedi Stizze Wyy in Chäller Bsunders chömme si in Saft abe miesse. D Induschtryy het s Dorf jo au in der Fasnechtszyt. Der VVPA het domols, 1952, e Wettbewärb zur Stadt gmacht. Mit ville Sache, wo glööst s Dorf duruus do chönnsch se loose, für e Neufassig vom Prattler Lied usgeschri- worde syy oder wo me mit guetem Wille no wie si horne, wie si bloose. ibe und folgendi agseeni Heere als Kommis- wird lööse. Au vom Bruuchtum, dr Fasnecht «Gäbt is», tönts vor Huus und Schür, sionsmitglieder für das Wärk aagfrogt: Dr. und em Banntag, isch d Reed im Prattler «Holz für s Fasnechtfüür»! Hans Stohler, Dr. h.c. Ernst Zeugin, Eduard Lied. Im letschte Väärs haissts denn: «Zfriide Schwob, Karl Dalcher und Robert Huggel. wai mer syy»! Aber au «Bis is verloot Schnuuf Gwärchet wird, s hänkt jedes y, All die Heere hai mitenander us dem Wett- und Sprooch». E glungene, guet und au y- Tag für Tag wird gschafft. bewäärb denn die noi Versioon vom Prattler drückliche Tägscht, mit em Refrain «Tra, la, la; Arbet git is d Induschtrie, Lied-Tägscht zämmegstellt. Der Leerer Hug- Tra; la, la, la, Prattele lebe hoch». Ghööret er s Gwärb und d Landwirtschaft. gel het do derzue e zwoiti Stimm gschriibe. wie bim Refrain im Strittacher oobe d Tanne Rächti Prattler hei dernäbe rusche oder noierdings uf em Geisswald d aber no ne Stückli Räbe; De Tägscht isch denn im Prattler Blettli Aiche? Bequemer wird me halt je länger je denn der Stägefässli-Wy maischtens vor em Banndaag publiziert mee. Willy Stohler muess doch «Prattler» sy. worde. Villi hai en denn usgschnitte und am Banndaag mitgnoo, as sy nid numme die Um e Bann im schöne Mai s Prattler Lied erschti Strophe hai chönne singe. Dr domo- gönge d Bürger stolz, lig Presidänt vom VVPA, dr Walter Kohler, Zwüsche Ärgolz und Lachmatt, stecke Zwyg zu jedem Stei, het das Prattler Lied im Strittacher oobe Schämpergflue und Rhy, zeichne euser Holz. denn immer zue öppis «vorgerückter Stun- lyt mys Dorf bald wie ne Stadt, An der Spitze d Rottefahne, de» aagstimmt. Er, dr spööteri Gmeinipresi- schöner chönnts nit sy. chrache tuets, me ghörts durane. dänt, het sich fürs Dorflääbe und vor allem Was für Lüt dört zämme huuse, Wo ne Stärn stoht uf em Stei, für die alte Brüüch wie d Fasnecht, dr Butz findsch am Model sofort uuse: do sy mir dehei. 327 Nu so denn, was fehlt is no? Summerszit do schaffe d Lüt Zfriede wei mer sy! is am Obe spot – Der Prattler Anzeiger Frau und Chind das hei mer jo am Morge früe wenn's Bät-Zit lüt und sy gsund derby. und der Mond no lacht Mangel muess au keine lyde, gseht me d Mäder uf de Matte, drum so wei mer Prattler blybe, dur die Made dure watte – bis verlot is Schnuuf und Sproch – bis am Obe schaffe si – Prattele lebe hoch! und sie froh derbi.

Verkehrs- und Verschönerungs-Verein Ruckt emol dr Winter a, Die Erstausgabe, die Nummer 1 des Prattler Pratteln-Augst (VVPA) stützt me ghörig i Anzeigers, datiert aus dem Jahre 1917. Es ladt e freie Nochbersma kann aber davon ausgegangen werden, dass zum e Glesli Wy – die Prattler Dorfzeitung wesentlich älter ist. s alti Prattler Lied macht derno au no e Jässli Der Prattler Oberlehrer und Gemeindepräsi- Es gfallt mir an keim Ort so guet und derzue e lustigs Gspässli dent Johannes Martin-Heggendorn (1807– als wie in chlei Paris seit zum Nochber cher au i – 1890) berichtet nämlich in seinen 1995 wie- D Lüt si dört so gspassesvoll, oder ziehs bald i. der aufgefundenen «Papieren», dass am me gäb se um kei Pris – 13. Februar 1872 erstmals im Wachthaus am frohe Muet und lustig Läbe Nu so denn was weimer no, Schmiedeplatz ein Heft ausgehängt worden find' me z Prattele nit vergäbe z fride weimer si sei, in dem jeder Bürger, der etwas zu ver- dorum singet wacker mit – Gäld und Guet das heimer jo – kaufen oder etwas zu kaufen wünschte, sunscht glaubts mängge nit. Wyb und bravi Chind seine Anliegen eintragen konnte. Johannes Hunger weimer au nit lide, Martin nennt uns auch die ersten Eintragun- Stohni uf der Halde-n-obe, drum so weimer z Prattele blibe gen im Heft: In Haus-Nr. 78 ist ein Saugkalb, schau hinab ins Tal Frau und Chind, die läbe no – in Nr. 146 sind sechs Saum Wein und beim gsehni dört e Hüsermeer – Prattele lebe hoch! Meier Fried ist ein fetter Ochs zu verkaufen. nei es isch kei Qual – Damals gab es noch keine Strassennamen, nei es isch zum Hunger stille, sondern die Häuser wurden gemäss ihrem s duet em Wirt der Beutel fülle Baudatum einfach nummeriert. Der Chro- Wirt du machsch der beschti Schigg – nist sprach 1872 die Erwartung aus, dass drum bisch du au so dick. sich aus diesem Heft in der Wachstube ein- mal eine Prattler Zeitung entwickeln möge! Buebe hets in euserem Dorf – Aber es sollten noch 45 Jahre vergehen, schöneri gits gar nit bevor dieser Wunsch seine Erfüllung finden i säges uf mi Ehrewort, sollte. Erst am 17. Juni 1917 erscheint aus es si gar bravi Lüt der Druckerei Adolf Bopp an der Bahnhof- Bäckli hei si rot wie Rose strasse (dort wo sich heute die UBS befin- und e Stimm wie Muusigdose det) der erste Prattler Anzeiger unter dem isch au eine wüescht derbi – Namen «Anzeiger für Pratteln–Muttenz– jo, de git me dri. Augst». Zehn Jahre später übernimmt die 328 Druckerei Bühler + Mangold an der Burg- gartenstrasse (heute Laden Denner) das Verlagsrecht. 78 Tage nach der Übernahme scheidet Mangold aus; alleiniger Besitzer der Druckerei ist jetzt Hans Bühler, der ab 1928 den Anzeiger unter dem Namen «Neue Basellandschaftliche Volkszeitung» herausgibt. Sie erscheint jeweils Dienstag und Freitag in Pratteln, Schweizerhalle, Muttenz und Frenkendorf. 1951 verkauft Hans Bühler seine Druckerei inkl. Verlags- recht an Hansjörg Früh, bzw. an die Früh AG. Mit der kurzzeitigen Herausgabe eines Konkurrenzblattes durch die Buchdruckerei Seiler+Kloos an der Schmiedestrasse lebt 1956 der Name «Prattler Anzeiger» wieder auf. Er wird nur noch in Pratteln und einmal wöchentlich herausgegeben. Die Partner- schaft Seiler und Kloos hält nicht lange und 1957 tritt Alfred Zobrist-Wanner in die Druckerei Seiler ein. Auch diese Partner- schaft hat keinen Bestand: 1958 trennt sich Zobrist von Seiler, und das inzwischen von der Früh AG erworbene Verlagsrecht hat wiederum eine Umbenennung des Prattler Anzeiger zu Folge: «Volkszeitung Baselland – Prattler Anzeiger» mit dem Zusatz «Amtli- ches Publikationsorgan für Augst, Frenken- dorf, Füllinsdorf, Pratteln und Schweizerhal- le». 1960 domiziliert Alfred Zobrist seine Druckerei an der Hauptstrasse 95 und das Blatt erhält erneut den Namen «Prattler Anzeiger», der ab 1963 amtliches Publikati- onsorgan der Gemeinde Pratteln wird. Mit der Einführung des Einwohnerrates 1971 erscheint der PA ab dem 1. Januar 1972 jeden letzten Freitag im Monat als «Prattler Amtsanzeiger» mit Einwohnerrats-Protokoll und amtlichen Mitteilungen in Grossaufla- ge, d.h. er wird gratis an alle Haushalte in Pratteln und Schweizerhalle verteilt. Die Gemeinde leistet einen finanziellen Beitrag 329 an den Mehraufwand für Satz, Papier, Druck Ausdruck ihrer Verbundenheit zu Pratteln satz, Seiten-Feinumbruch usw.) installiert und Porti. dokumentierten, sorgten jeweils in der wird. Die beiden Anzeiger werden nicht nur Öffentlichkeit für vehemente Diskussionen ideell, sondern auch, aufgrund der überar- 1973 tritt Peter Hof (Basel) als Mitinhaber in und wurden in der Regel auch freitags zum beiteten Präsentationsform, materiell zu- die Offsetdruckerei Zobrist ein. Das Unter- besten mittäglichen Sendetermin im Presse- sammengelegt. Um die gewohnten Kopf- nehmen wird zur Zobrist + Hof AG, aus dem spiegel des Radio Basilisk kommentiert. Die- blätter zu erhalten, erscheint die Lokalzeitung drei Jahre später Alfred Zobrist gänzlich aus- ses von Emmy Honegger gestaltete In- in Pratteln wie gewohnt als Prattler Anzei- scheidet. Mit dem Eintritt von Emmy Hon- formationskonzept, das auch die kulturelle ger mit den Muttenzer Seiten im Anhang. In egger als Redaktorin im Jahre 1974 ändert Vielfalt Prattelns mit einbezog, bewirkte, Muttenz umgekehrt: Vorne Muttenzer An- sich das Gesicht des Prattler Anzeigers grund- dass die Abonnentenzahlen und in deren zeiger, hinten die Prattler Seiten, was von legend. Die neue Redaktorin erkannte näm- Gefolge auch die Einnahmen aus Abonnen- den Abonnenten, den Inserenten und auch lich, dass den Stimmbürgerinnen und Stimm- ten-, Inserat- und Reklameerträgen über- der Werbeindustrie begrüsst wird. Im Jahre bürgern mit der Einführung des Einwohner- proportional in die Kasse des Prattler Anzei- 2000 beginnt eine neue Aera. Nach dem rates die direkte politische Mitbestimmung gers flossen und der Prattler Anzeiger zur Ausscheiden der langjährigen Geschäfts- abhanden gekommen war und dass unbe- besten Lokalzeitung des Baselbiet gekürt führerin, Chefredaktorin und Delegierten dingt eine Mitwirkung der Einwohnerschaft wurde. des Verwaltungsrates per 31. Oktober 1999 an der politischen Willens- und Meinungs- aus der Lokalanzeiger Verlags AG Pratteln bildung garantiert werden muss. In der Fol- Per 1983 verkauft Peter Hof das Verlags- wird das Unternehmen per 1. Januar 2000 ge konzipierte sie, die sich vor ihrer Beru- recht an eine Tochtergesellschaft der dama- ganz in die Mediengruppe der Basler Zei- fung zur Redaktorin in der kommunalen ligen Nationalzeitung, die Inserate-Union tung integriert, wobei das Seitenlayout und und kantonalen Politik engagiert und vor (Baslerstab) in Basel. Der «neue» Verlag die Satz-Produktion bei den Redaktionen in allem in der Kulturförderung betätigt hatte, unter der Leitung der nun zur Chefredakto- Pratteln und Muttenz vorerst bestehen blei- eine klar strukturierte kommunale Informa- rin, Geschäftsführerin und Delegierten des ben. Der administrative Teil, der nicht zur tionsplattform, die allen Einwohnern Prat- Verwaltungsrates berufenen Emmy Honeg- Basler Zeitung transferiert wurde, bleibt telns offen stehen und die Information von ger gibt sich den Namen «Prattler Anzeiger weiterhin in Pratteln, wenn auch mit Ein- den Behörden zur Einwohnerschaft sicher- Verlags AG», der sich am 1. September schränkungen. Die Verlegertätigkeit, der stellen sollte. Emmy Honegger selbst erläu- 1983 an der Schlossstrasse 57 domiziliert. zahlreiche kulturelle Publikationen zu ver- terte und kommentierte bis zu ihrer Amts- Der Prattler Anzeiger wird nun bei der Basler danken sind – «Alt-Pratteln im Bild», «Ka- niederlegung auf den 31. Oktober 1999 sämt- Zeitung gedruckt. 1993 erwirbt die Prattler rollus – Ja, damals», «Der Prattler Rebberg», liche Einwohnervorlagen zuhanden des Anzeiger Verlags AG auf Antrag der Dele- «Barbara», ein Band mit Gedichten der immer grösser werdenden Leserkreises und gierten des Verwaltungsrates das Verlags- beliebten Prattler Dichterin Liesel Berger, liess die vom Gemeinderat zuhanden des recht des Muttenzer Anzeigers von Ernst oder die Sammlung der Leitartikel Emmy Einwohnerrates präsentierten Gemeinde- Hochuli (früherer Besitzer der Druckerei Honeggers mit dem Titel «Spiegelschriften» Budgets und -Rechnungen durch den aus- Hochuli AG in Muttenz). Parallel dazu wird – wird eliminiert. gewiesenen Fachmann und Ortshistoriker der Verlagsname geändert in «Lokalanzei- Fritz Sutter analysieren und kommentieren. ger Verlags AG Pratteln» und die Präsentati- Im September 2001 dann die grosse Um- In der Form von Kolumnen präsentierte die on der Lokalzeitungen einem Face-Lifting stellung, sowohl optisch als auch inhaltlich. Redaktorin auch ihre optisch vom Informati- unterzogen. In Muttenz bleibt die Redakti- Nachdem die Basler Mediengruppe sich onsinhalt abgetrennte persönliche Meinung on, die aus der Druckerei Hochuli AG her- schon länger mit dem Gedanken an eine zum Tagesgeschehen bzw. zu Anliegen, die ausgelöst wurde, bestehen, wo auch die Vereinheitlichung ihrer Lokalblätter All- 330 Pratteln beschäftigten. Diese Kolumnen, die Technik der beiden Lokalblätter (Inserate- schwil, Birsfelden, Muttenz, Pratteln und Reinach getragen hatte, werden an 8. Sep- schaft Basel kartografisch zu vermessen, im tember die «Siamesischen Zwillinge» Pratt- Das Bürgerhaus Detail genau aufzunehmen und eine Karte ler und Muttenzer Anzeiger getrennt. Aller- des gesamten Baselbietes zu erstellen. dings sind sie in ihrem Erscheinungsbild – Dabei zeichnete er skizzenhaft viele Dorfan- Tabloid-Format, kleinere und mühsamer zu sichten und Dorfdetails, so eben auch eine lesende Schrift, neues, vierfarbiges Kopf- Dorfansicht von Pratteln, auf der das heuti- blatt mit nur noch winzig kleinem Gemein- ge Bürgerhaus zu sehen ist. Allerdings sind dewappen – identisch. Auf eine redaktio- die Anbauten auf der Nord- und Ostseite nelle Erläuterung und Kommentierung der noch nicht vorhanden. Auf dem Platz vor Einwohnerrats-Vorlagen wird z.B. ebenso Das den Schmiedeplatz prägende Bürger- dem Haus stehen vier Bäume, die auf einer verzichtet wie auf eine Analyse der Gemein- haus stammt aus dem 17. Jh., wenn nicht aus dem Jahre 1735 stammenden Zeich- de-Rechnungen und -Budgets. gar aus dem 16. Dies geht aus den Dorf- nung des berühmten Basler Bäckermeisters Planskizzen zur Planaufnahme des Bratteler und Malers, Emanuel Büchel, als Linden er- Aus dem früheren Prattler Identifikations- Bannes des berühmten Baslers Kartografen kennbar sind. Wer das Haus mit seinem Organ ist – und dies ist zu bedauern – ein und Landvermessers, Georg Friedrich Meyer mächtigen Scheunentor und mit einem «Schnell-Lese-Blättchen» geworden. (1645–1693), hervor. Dieser Georg Frie- Rundbogen versehenen Stalleingang erbau- Emmy Honegger, Fritz Sutter drich Meyer hatte im Auftrag des Bürger- en liess, weiss man nicht. Denn bis zum meisters und Rats der Stadt Basel anno Jahre 1807, als die amtlichen Eintragungen 1678 den Auftrag erhalten, die ganze Land- in den kantonalen Brandlagerbüchern be-

Das Bürgerhaus samt Ortsmuseum , früher «Zäller-Schüre», wurde 1987 vorbildlich renoviert. 331 gannen, gab es keine Aufzeichnungen über und Renovationskredit von zwei Mio Fran- Die «Zäller-Schüüre» Erbauer und Besitzer von Häusern. ken, der dann allerdings etwas überzogen wird zum Bürgerhaus wurde. Also, 1807 wird das damalige Bauernhaus In den achtziger Jahren dann die grosse folgendermassen umschrieben: «Haus, Scheur Wende: Am 15. Dezember 1983 beschliesst Bereits 1987 kann das Bürgerhaus einge- und Stallung.» Der Besitzer Jakob Seiler die Bürgergemeindeversammlung, ab 1. weiht werden. Das vorbildlich renovierte könnte mit dem Prattler Schloss-Schaffner, Januar 1985 für die Bürgergemeinde eine und mittels Schnitzelheizung beheizte Bür- der als eine Art Gemeindeverwalter in den selbständige Verwaltung einzuführen. Dies gerhaus mit seinem Anbau auf der Ostseite Jahren 1801 bis 1804 amtete, identisch war der Zeitpunkt der Pensionierung des beherbergt heute das Museum, das von der sein. 1826 erwirbt Andreas Rebmann, Präsi- Gemeindekassiers Ruedi Weisskopf, der bis Einwohnergemeinde betrieben wird, die dent, die Liegenschaft und lässt diese erwei- anhin auch Bürgergemeindeschreiber war Bürgergemeinde-Verwaltung sowie eine tern, wie der Schluss-Stein mit den Initialen und diese Arbeit auf der Gemeindeverwal- grosse Wohnung. A R und die Jahrzahl 1829 am Abgang zum tung erledigte. An jener BG-Versammlung Gewölbekeller beweisen. Vermutlich liess er 1983 wird auch angeregt, der Bürgerrat Das Museum im Bürgerhaus auch die Anbauten auf der Nord- und Ost- solle sich um den Erwerb einer geeigneten seite erstellen. Andreas Rebmann war nicht Liegenschaft im Dorfzentrum bemühen. Das von der damaligen Museums-Kommis- nur Prattler Gemeindepräsident, er war auch Der Bürgerrat klopft darauf hin mit dem sion eingerichtete Museum im Bürgerhaus Basler Grossrat und damit ein Stadttreuer. Antrag beim Gemeinderat an, ob er, der besteht aus Küche und Stube im Altbau. Sie Da Pratteln in den Jahren der Trennungswir- Gemeinderat, gewillt sei, die «Zäller-Schüü- sind im Stile des 19. Jh. eingerichtet. In der ren (1831 bis 1833) es mit den Rebellen re» der Bürgergemeinde im Gratis-Baurecht ehemaligen Scheune wird (bzw. wurde) auf hielt, die das Land vom Joche der Stadt abzugeben. Im Gegenzug wolle sie die Lie- drei Stockwerken die Geschichte Prattelns – befreien wollten, wurde Andreas Rebmann genschaft renovieren und der Einwohnerge- von den Kelten über die Prattler Herren als Präsident samt seinen Ratskollegen 1832 meinde Räumlichkeiten für ein Ortsmuseum derer von Eptingen bis hin zur modernen In- kurzerhand abgewählt. bereitstellen, wie es schon im Dorfkernsa- dustriegemeinde – erzählt, Prattler Brauch- nierungs-Konzept vom 9. März 1982 vorge- tum (Eierläset und Butz) sowie Vereinsfotos Nach dem Tode Rebmanns 1849 geht die sehen war. Nun beginnt die Grundlagen- gezeigt und die Sage von der Hexmatt dar- Liegenschaft ein Jahr später an die Witwe Erarbeitung durch eine bürgerrätliche Bau- gestellt. Im Dachstock ist die Alder-Bahn ein Zeller, vemutlich eine Schwester Andreas kommission, der die Ausschreibung eines grosser Anziehungspunkt. Das Erdgeschoss Rebmanns, über. Es kann aber auch sein, Wettbewerbs folgt, aus dem der Prattler war Wechselausstellungen, vorwiegend hei- dass Rebmann das Haus noch zu Lebzeiten Architekt Ruedi Weisskopf als Sieger hervor- matkundlicher und historischer Richtung, seiner Schwester vermacht hat. 1870 ist Ja- geht. vorbehalten und im «Mittelgeschoss» wur- kob Zeller-Bürgin Besitzer der Liegenschaft. den kleine Konzerte veranstaltet. Das Muse- In seiner Sitzung vom 21. April 1986 um, das zur Zeit ausstellungsmässig im 1937 erwirbt die Einwohnergemeinde die beschliesst der Einwohnerrat auf Antrag des Umbruch ist, wird auch sehr gerne von Pri- Liegenschaft von der Familie Zeller zum Prei- Gemeinderates die Übertragung der ehe- vaten für Hochzeits- und Geburtstagsaperos, se von Fr. 27500.– und nutzt sie als Materi- maligen Liegenschaft Zeller (702 m2 von Klassenzusammenkünfte usw., Geschäfts- und allager und soweit möglich als Quartier für Parz. 174, Gebäude und Umgelände) der Lehrabschluss-Aperos sowie Geschäften für Mitarbeiter des Werkhofes. Zudem wird der Bürgergemeinde zu schenken – der beste Vorträge benutzt. Bis zu seinem Rücktritt Gewölbekeller als Beizlilokal benutzt. Lang- Beschluss, den der Einwohnerrat je gefasst per 31. Dezember 2001 wurden die Veran- sam aber stetig verfällt das alte Haus, das als hat! Im Juni des gleichen Jahres spricht die staltungen vom Konservator und Archivar, 332 «Zäller-Schüüre» bekannt ist. Bürgergemeindeversammlung einen Umbau- Emil Honegger, betreut. Diese Veranstaltun- gen, an denen immer viele auswärtige Besu- Bahnhof-/Baslerstrasse. Nach seinem Um- von Emil Honegger aufgebaute und bis cher teilnehmen, sind auch Imagepflege für zug in die Pfarrwohnung im neu erstellten Ende 2001 betreute Archiv rund 2000 Fotos unsere Gemeinde. Hoffen wir, dass diese Kirchgemeindehaus an der St. Jakobstrasse vom alten Pratteln, sowie über wertvolle Imagepflege noch lange genutzt wird! 1 lief die Bahn im Zivilschutzkeller der San Dokumente (z.B. von Paul Weisskopf), die Hist Esterli. Nach dem Tode des Pfarrers vertieften Einblick in die Geschehnisse in wurden die Überreste der Bahnanlage im unserer Gemeinde geben. Emmy Honegger Wesentliche Ausstellungsobjekte Jahre 1990 dem Museum angeboten und An der Südwand des Museums fällt der En- Emil Honegger mit den restlichen Abbruch- gel, das alte, vom VVPA restaurierte Wirts- arbeiten im «Esterli» und mit dem Bahn- hausschild des alten Restaurants Engel auf. Aufbau im Museum betraut. Zusammen mit Unter ihm sind zwei wertvolle gotische dem «Zug-Spezialisten», Ingenieur Willy van Altartafeln mit dem Heiligen Georg zu Eeuwijk, Dr. Hansrudolf Schwabe (Basel) und sehen. Sie sind eine Dauerleihgabe der Bür- Edy Häring, Mitglied der damaligen Kom- gergemeinde. Diesen gegenüber hängt als mission für Kultur und Heimatkunde, wurde Dauerleihgabe des Historischen Museums die grosse Arbeit in Angriff genommen. Basel das erste Wirtshausschild des Engels, Dabei erstellte Emil Honegger nicht nur die der damals noch in der Schmiedestrasse Oberleitungen und das Schaltpult, er gestal- sein Domizil hatte. tete auch die Umgebung und baute, aus Altmaterial, die Bergbahn sowie den Im Lager des Museums sind alte Gegenstän- Dampfzug mit beleuchteten Personen- und de aus Gewerbe und Haushalt sowie Samm- Speisewagen. Verschiedene Personen, dar- lungen (z.B. Weihnachtskrippen von Hugo unter auch Frau Alder sowie ihre Kinder, die Weisskopf-Stückelberger, Medaillen- und Alder-Rollmaterial in ihrem Besitz hatten, Trophäen vom Waffenläufer Heiri Meier, Bar- stellten dieses als Leihgabe zur Verfügung. bys von Emmy Honegger usw.) archiviert. Im November 1992, zum fünfjährigen Als Lager für landwirtschaftliche Gerät- Bestehen des Museums, konnte die Bahn- schaften und andere sperrige Güter dient anlage der Spur 0 eingeweiht werden. Seit- vorderhand noch die «Aerni-Schüüre» an her ist sie jeweils an den «offenen» Sonnta- der Hohlen Gasse. gen im Betrieb zu bewundern.

Die «Alderbahn» Das Historische Dokumentenarchiv der Gemeinde Pratteln Mehr als ein Ausstellungsobjekt ist die so ge- nannte «Alderbahn» im obersten Dachge- Als «Dependance» zum Museum im Bür- schoss. Der Prattler Pfarrer Kurt Alder hatte gerhaus wurde 1988 mit dem Aufbau des ein Hobby: Das «Bähnle». Nach Plänen der Historischen Dokumentenarchivs in der Schindler-Waggon baute er aus ausnahms- Alten Schule begonnen. Der Anlass dazu los Altmaterial Lokomotiven, Personenwa- war die Foto-Ausstellung «Alt Pratteln im gen, Schlafwagen, Speisewagen und Güter- Bild» im Schloss. Die Fotos waren von Paul wagen. Zuerst war seine Bahn eine Attrak- Weisskopf gesammelt und auf die Grösse tion im Garten des Pfarrhauses an der Ecke A4 kopiert worden. Inzwischen verfügt das 333 strasse – der Baselgasse – zum Schmiede- wurde in den Schildwirtschaften die Basis Die drei platz, von wo sie der Hauptstrasse entlang zur kommunalen Politik gelegt und die zum Schildwirtschaften zur «Hohlengasse», auf das «Käppeli» und Teil heute noch aktiven Dorfvereine gegrün- über das «Erli» nach Frenkendorf nach Lie- det, die sich in den Sälen des «Ochsens» «Weisses Kreuz», stal führte. und «Engels» vor ihren Mitgliedern und der ganzen Einwohnerschaft produzieren konn- «Engel» und «Ochsen» Das «Weisse Kreuz», das spätere «Rössli» ten. Schildwirtschaften waren demnach wich- befand sich am Südrand des Prattler tige Kommunikations-, Informations- und Schmiedeplatzes; dort nämlich wo heute Geselligkeits- sowie auch Integrationstreffs Schild- und Meienwirtschaften Roland Stohler mit seinem Inneneinrich- zwischen den Bürgern und den so genann- tungs-Unternehmen domiziliert ist. Der «En- ten Hintersassen, den Nichtbürgern bzw. gel» aber hatte sein Domizil sehr wahr- «Schamauchen», deren sozialer Stellenwert Als Schildwirtschaften oder Tavernen wur- scheinlich an der Schmiedegasse, wie uns nicht unterschätzt werden darf, dies auch den im Spätmittelalter und in der beginnen- der topographische Plan, den der Basler inbezug auf die Tatsache, dass zu Beginn den Neuzeit Wirtshäuser bezeichnet, denen Geometer Georg Friedrich Meyer im Jahre des 17. Jahrhunderts Pratteln keine 500 Ein- der Landesherr das Privileg verliehen hatte, 1678 erstellte, aufzeigt. Tatsächlich belegt wohner aufwies. Die relativ kleine Bevölke- einen Schild hinauszuhängen und damit das ehemalige Wirtshaus an der Schmiede- rungszunahme Prattelns vom 17. zum 18. den Durchreisenden warme Speisen, Wein gasse mit der alten, unveränderten Südfas- Jahrhundert – in hundert Jahren kaum 100 und Übernachtungen anzubieten und de- sade aus der Zeit der Spätgotik und dem Personen – hat damit zu tun, dass das Hand- ren Zug- und Reittiere zu beherbergen und getreppten dreiteiligen Fenster und dem werk und Gewerbe wegen des praktizierten zu verpflegen. Vor dem Verkauf der Herr- angebauten Ökonomieteil mit der Rundbo- Zentralismus und der zünftischen Organisa- schaft Pratteln im Jahre 1521 stand dieses gentür, dass in diesem Gebäude der «Ur- tion der Stadt Basel, sich nicht entwickeln Privileg den Dorfherren, den Eptingern, zu, Engel» zu suchen ist. konnte und die landwirtschaftlich nutzba- die aber zuhanden dem Inhaber der Land- ren Gebiete ohne langwierige Gesuche grafschaft, der Stadt Basel, die Weinsteuer – Die Schildwirtschaften waren bis in die Neu- um Ausgrenzungen gewisser unfruchtbarer das sogenannte Weinumgelt, eine Art zeit hinein immer Zentren der Kommunika- Äcker und deren Umwandlung in Wiesland Umsatzsteuer – abzuliefern hatten. Nach tion: Hier waren die neuesten Nachrichten der Zustimmung des Landvogts bedurften dem Kauf Prattelns durch Basel im Jahre durch die Fuhrleute und Reisenden zu erhal- und dass sich das Rebgelände – der Rebbau 1521 wurde dieses Privileg durch dessen ten. Hier wurden neue Ideen – auch politi- – nicht beliebig vergrössern liess. Zudem Kleinen Rat bzw. den Landvogt auf Schloss sche – unter die Leute gebracht. In den galt in Pratteln bis ins 19. Jahrhundert hin- Münchenstein verliehen. Schildwirtschaften wurden politische Be- ein die Dreifelderwirtschaft mit dem so gehren und Stellungnahmen zuhanden des genannten Flurzwang. Die Flurbezeichnun- Ursprünglich gab es in Pratteln nur zwei Landvogts vorbereitet und hier wurden zu gen «Neusatz» und «Yschlag» erinnern an Schildwirtschaften, die sich an der damali- Beginn des 19. Jahrhunderts auch die Ge- das damalige Bestreben der Prattler Bauern, gen Hauptstrasse von Basel nach Liestal meindeversammlungen abgehalten, die der schlechtes Ackerland in Wiesland, das wie- befanden, nämlich das «Weisse Kreuz», Untervogt oder der Gemeindepräsident auf derum zur Viehwirtschaft gebraucht wurde, direkt südlich am Prattler Schmiedeplatz Befehl des Landvogtes einzuberufen hatte. umzuwandeln, bzw. einzuschlagen. gelegen und den «Engel». Die damalige In den Revolutionswirren und erst recht zur Hauptstrasse führte von Muttenz dem Zeit der Kantonstrennung im Jahre 1832, als Diejenigen Gastwirtschaften, die nicht über Hardwald entlang zum Kästeli, dann durch die Stadt Basel den trennungswilligen Ge- das Privileg der Schildwirtschaft verfügten, 334 die heutige Wartenberg- zur Mayenfelser- meinden die Verwaltung entzogen hatte, werden als Meienwirtschaften (Eigenge- wächswirtschaften) bezeichnet, die nur ei- genen Wein und kalte Speisen auftischen und keine Übernachtungen anbieten sowie keine Reit- und Zugtiere beherbergen und verleihen durften. Als Wahrzeichen der Mei- enwirtschaft stellten die Gastwirte einen Tannenbaum bzw. einen «Meien» vor ihr Haus. Ein solcher Meien ist auch auf dem Bild Emanuel Büchels aus dem Jahre 1735 zu erkennen, wo ein Haus – der spätere «Ochsen» – einen Meien aufgerichtet hat und sich als Meienwirtschaft zu erkennen gibt.

Aus dem Jahre 1686 ist uns ein Rechtsstreit überliefert, in den alle drei Prattler Wirte, nämlich der Engel-, der Chrütz- und der Ochsenwirt involviert sind. In diesem Jahr gelangte nämlich der Engelwirt über den Landvogt auf Schloss Münchenstein an den Kleinen Rat der Stadt Basel, dass es ihm erlaubt werde, sein Engel-Schild in unmit- telbarer Nachbarschaft des «Weissen Kreuz» und des «Ochsens» zu platzieren und damit sein Domizil von einem ungenannten Ort – Eine äusserst seltene Aquatinta, entstanden 1832, des Basler Rudolf Huber, geb. 1770, gest. 1847. wahrscheinlich aus der Schmiedegasse – an Links sind die beiden Wirtshäuser «Ochsen» und «Engel» abgebildet. Beim Engel-Brunnen ist ein Frei- die Hauptstrasse zu dislozieren. heitsbaum aufgepflanzt, der die Trennungsabsichten der Prattler Bevölkerung von Basel dokumentiert.

Gegen diese Absicht nahmen die beiden in zweig – vor seiner Schildwirtschaft heraus. Pratteln feststellen. Obwohl die Stadt Basel ihrer Existenz sich bedroht fühlenden Wirte Dieser Engel-Schild wurde im Jahre 1904 alles unternahm, um die Eröffnung neuer vehement Stellung und gaben zu beden- durch das Historische Museum in Basel Meienwirtschaften einzudämmen, verviel- ken, dass drei Wirtschaften innerhalb eines erworben und 1988 dem Museum im Bür- fältigten sich diese nach der Kantonstren- Bereichs von kaum hundert Metern kein gerhaus als Dauerleihgabe überlassen, um nung explosionsartig. 1880 zählte man in Auskommen finden könnten. Mehr noch: die Geschichte des «Engels» zu dokumen- Pratteln bei einer Einwohnerschaft von die beiden Wirte verwiesen darauf, dass ihre tieren. Der Vollständigkeit halber ist anzu- 1860 Personen 14 Wirtshäuser. Allein vier Kinder vor Hunger sterben müssten, weil führen, dass in den Akten kein Hinweis dar- davon befanden sich bei der 1854 erstellten weder drei Wirte noch deren Familien über- auf erscheint, dass Wirte-Kinder Hungers Bahnstation. leben könnten. Der Einspruch fruchtete wegen gestorben seien. nichts: Der Engelwirt zügelte an die Haupt- Das «Weisse Chrütz» strasse und hing seinen im Jahre 1686 Die Tendenz der Rebbauern des 19. Jahr- geschaffenen und 1810 erneuerten Schild hunderts, ihre Erzeugnisse direkt in Meien- Bereits zur Zeit der Reformation im Februar – einen schreitenden Engel mit einem Palm- wirtschaften anzubieten, lässt sich auch in 1529 wird das «Weisse Chrütz» als Prattler 335 Schildwirtschaft erwähnt, das, gestützt auf Leider wurde 1960 der «Ochsen» zusam- richtsbarkeit innerhalb des Etters durchge- den Schildnamen, ein weisses Kreuz aus- men mit dem «Engel» und den zahlreichen setzt hatte, im Streit mit seinen Untertanen hängte und das sein Domizil dort hatte, wo Hinter- und Kleinbauten und mitsamt den wegen des Weinumgeltes für die Taverne – Roland Stohler heute sein Wohnungsein- Sälen, die den Prattler Ortsvereinen jeweils dem «Engel» – lag. Bereits 1635 wird der richtungs-Unternehmen betreibt. Im Jahre zur Darbietung ihrer Präsentationen zur Ver- «Engel» als Gasthaus mit einem eigenen 1792 erstellte der Kreuzwirt an Stelle einer fügung standen, sozusagen auf Vorrat ab- Schild genannt, ohne aber dessen Domizil Schmiede ein neues Gebäude mit einem gebrochen. Der prachtvolle im Stil des Bie- zu nennen. Aus dieser Zeit muss nach den Krüppelwalmdach, das unten einen Wagen- dermeiers geschmiedete eiserne Ochsen- heutigen Erkenntnissen auch die vollplasti- schopf und oben einen so genannten Tanz- schild, der kurz nach 1800 entstanden sein sche, fast lebensgrosse Holzfigur eines saal aufwies. Die Obrigkeit verlangte aber, dürfte, wurde vom zur Aufgabe gezwunge- Engels stammen, die noch vor dem Abbruch dass der bisherige Kirchweg von der Haupt- nen Ochsen-Wirt, behändigt und als An- des «Engels»1959 gerettet werden konnte. strasse direkt zum Kircheneingang nicht denken an die Wirtejahre in Pratteln an des- In dieser Holzfigur eines mit dem Palmzweig verbaut werden dürfe und dass der Wirt den sen Alterssitz mitgenommen, wo dieser bewehrten Engels hat der frühere Prattler Tanzsaal mit einer für alle Passanten offenen nach dem Tode des Besitzers an die Nach- Dorfhistoriker, Dr. h.c. Ernst Zeugin, das Unterführung zu versehen hatte. Dieses Ser- kommen fiel. Dank engagierter Recherchen, Werk des badischen Bildhauers Jodok Frie- vitut besitzt noch heute seine Gültigkeit. So die die frühere Präsidentin der Kommission drich Wilhelm aus dem Jahre 1830 zu er- kam Pratteln vor 210 Jahren zu seiner ersten für Kultur und Heimatkunde, Emmy Honeg- kennen geglaubt. Eine Täuschung, wie wir Disco. Das «Z7» lässt grüssen. ger, nach dem Verbleib dieses Kulturobjek- heute wissen, die auch in den Kunstdenk- tes angestrengt hatte, erklärten sich die mälern des Kantons Basel-Landschaft, Band Im Jahre 1830 erfolgte ein Namentausch: Erben, dank der Vermittlung des Prattler II. kolportiert wird. Die Fakten präsentieren das «Weisse Kreuz» wurde durch den Schild Landrates Uwe Klein, bereit, das Ochsen- sich heute so, dass anlässlich der Restaurie- eines Rössleins ersetzt. Aber auch diese schild in das Museum im Bürgerhaus zu rung der Figur im Historischen Museum von Massnahme scheint das Geschäft und den überführen, wo dieses nun zusammen mit Basel, die der Verkehrs- und Verschöne- Umsatz nicht gefördert zu haben; noch im den Engel-Schildern an die grosse Vergan- rungs-Verein Pratteln-Augst im Jahre 1987 19. Jahrhundert gab das Rössli den Geist auf, genheit eines Prattler Schildwirtshauses er- in Auftrag gab, festgestellt wurde, dass die und nur noch die Anschrift am klassizisti- innert. Figur aus dem 17. Jahrhundert stammt und schen und repräsentativen Gebäude, in diese wegen der unter zahlreichen Farb- dem der «Chäpseli-Peter» mit seiner Familie Die auf Vorrat geschaffene hässliche «Och- schichten aufgefundenen Lüstermalerei ehe- seinen Tante Emma-Laden betrieb, erinner- sen»-Baulücke blieb fast vierzig Jahre als mals in einer Kirche gestanden haben muss. te bis in die fünfziger Jahre an die grossen abschreckendes Denkmal der Bau-Euphorie Gestützt auf die wissenschaftliche und Zeiten des Wirtshauses. der sechziger Jahre offen und konnte erst kunsthistorische Wertung des Engels han- im Jahre 1999 endgültig durch eine anspre- delt es sich bei dieser Figur um ein äusserst chende Neuüberbauung geschlossen wer- wertvolles Bildwerk des 17. Jahrhunderts Der «Ochsen» den. von musealem Rang, das sich heute im Der «Ochsen» wird Ende des 17. Jahrhun- Museum im Bürgerhaus befindet. dert erstmals aktenkundig, als dieser als Der «Engel» Meienwirtschaft erwähnt wird. 1756 wird Vom 28. Februar 1778 bis April 1788 miete- aus der Meienwirtschaft eine Taverne, das Die Akten melden, dass bereits im Jahre te der Basler Bandfabrikant Jakob Sarasin, heisst, dass sie an Stelle eines Meiens nun 1464 der damalige Prattler Dorfherr, Hans der Erbauer des «Weissen Hauses» in Basel, ein Wirtshausschild – einen Ochsen – heraus- Bernhard von Eptingen, der 1463 seinen den «Engel» für zehn Jahre, um diesen zu 336 hängen durfte. Anspruch auf die Ausübung der Blutge- einem internationalen Literatentreff umzu- wandeln, wo sich Literaten aus Frankreich Humor. Das Höfli auch eine rustikale Dorf- und Deutschland und der Schweiz zu ange- Mitschs beiz, oft von Prominenz aus dem Dorf und regten Diskussionen trafen. Hier entstand Beizenbummel aus der Stadt Basel besucht. Heute ist es ein neben dem «Plimplamplasko», einem Werk schickes Restaurant mit sehr guter Küche der Weltliteratur, als Satire auf die damali- und erlesenen Weinen. gen literarischen Genies, auch der «Spazier- gang in Pratteln». Diese literarischen Werke Ein paar Schritte über den Schmiedeplatz in hatten ein Autoren-Trio zum Schöpfer. Näm- die Klemme. Auch eine rustikale Beiz mit lich als Hauptautor den bekannten deut- einem schönen, schattigen Garten. Auch schen Dichter der Sturm und Drang-Zeit, Voraussetzen muss ich, dass ich nicht alle hier verkehrten viele bekannten Gesichter. F. M. Klinger, und als Nebenautoren den Beizen aufzählen kann, sondern nur die, in Speziell erwähnen möchte ich den Wildhü- Zürcher Pfarrer und Begründer der Physio- denen ich irgend ein Erlebnis hatte. Die feh- ter Sepp Imhof. Natürlich immer in Grün, gnomie, Joh. Casp. Lavater, sowie den Bas- lenden Beizen beliebe man im Telefonbuch wie es sich für einen Jäger und Wildhüter ler Jacob Sarasin. Entstanden ist der «Spa- nachzulesen. gehört. Den Hut hatte er immer aufgesetzt, ziergang in Pratteln», ein bombastisches auch in der Beiz, vermutlich um seine «Flie- Werk in drei Gesängen mit dem Untertitel In meiner frühen Kindheit veranstaltete der geschliffi» zu kaschieren. «Seid fröhlich mit den Fröhlichen» 1780 im Männerchor im ehemaligen Saal des Hotels «Ehrlinwald» bei Pratteln. Engel eine Familien-Weihnachtsfeier, mit ei- Vor einigen Jahren hat sich das Restaurant nem riesigen geschmückten Tannenbaum. Schmittiplatz mit einem freundlichen Wirte- Der Engel mitsamt den Sälen wurde 1959 Von uns Kindern wurde ein kleines Theater- paar neben der Klemme angesiedelt. Die abgebrochen. An seiner Stelle erheben sich stück aufgeführt. Mit Spannung erwarteten Menuekarte bietet für jedermann etwas, nun Mehrfamilienhäuser und das neue wir den Geschenksack, gefüllt mit einem und essen kann man zu jeder Zeit. Was ich Hotel Engel, das die jahrhundertealte Tradi- «Grättimaa», Wienerli, Äpfel etc. sehr schätze: Man kann draussen sitzen. So tion des «Engels» weiterführt und dessen trifft man oft Bekannte, die zum Einkaufen schmiedeisernes Wirtshausschild durch den Die Küche des Hotels Engel ist auserlesen gehen und über den Prattler Dorfplatz fla- Prattler Grafiker Peter Schiegg† geschaffen und empfehlenswert. Bleiben wir in der nieren. wurde. Fritz Sutter Nähe, ist es nicht weit in die Schützenstube. Bei den früheren Besitzern, Willy und Lis- Weiter talabwärts auf dem zugedeckten Tal- beth Martin, war ich oft wie zu Hause. Ich bach zum Restaurant Central. Einmal hiess QUELLEN: hab mir damals gesagt: Ich habe zwei Stu- es Hexenburg, war grün angestrichen mit Sutter, Fritz: Wo nä Stärn stoht uf em Stei. Blätter ben, die zu Hause und die Schützenstube. schwarzen Wellenlinien. Dort schätzte ich aus der Prattler Ortsgeschichte. Pratteln, 1992. Ein lieber Gast war der Rieder Bärti senior, den kleinen Tisch vor dem Haus. Was da für der ja gerade gegenüber wohnte. Der Autos vorbei flitzten, zu 75 Prozent von Mauch Otti wohnte ein wenig weiter weg, Frauen zum Einkaufen benützt. an der Vereinshausstrasse. Einmal wurde ich beauftragt, ihn nach Hause zu bringen. Der Nun ein kleiner Abstecher zur Weiermatt, Empfang durch seine Frau war nicht gerade die in früheren Jahren von meinem Schul- freundlich – was leicht zu verstehen war! kollegen Niggi Pfirter geführt wurde. Ein kleines Zimmer erlaubt den Vereinen Vor- Und das Höfli mit dem unvergesslichen Höfli standssitzungen abzuhalten und dies immer Ruedi! Ein kleiner Mann mit geistreichen mit freundlicher Bedienung. 337 Jetzt geht es über den Grossmatt-Schul- Empfehlenswert ist das Tagesmenue. Ich Heute lade ich meine Tochter ein, zum hausplatz zum Restaurant Burggarten, ge- stelle fest: Ich schreibe viel vom Essen. Aber Abendessen im Schlossgarten, das auch führt von einer türkischen Familie. Die Küche ab und zu muss man den häuslichen Herd über einen hübschen Garten verfügt. Auf- kann ich sehr empfehlen. Wie alle Beizen hat verlassen und sich auswärts verköstigen. Für merksame Bedienung und vielfältige Menue- auch der «Burggarten» seine Stammgäste. heute habe ich genug Beizen besucht und karte. Hier kann ich ruhig neben dem hal- versucht, ein paar Müsterli einzufangen. ben Roten noch ein Espresso mit Grappa zu Jetzt geht es in Richtung Bahnhof, wo wir Morgen geht’s weiter und ich fange beim mir nehmen. Wir gehen zu Fuss nach beim Restaurant Ziegelhof (heute Gleis 13) Restaurant Egglisgraben an, bestens ge- Hause. beginnen. Wer kennt sie noch, die stämmi- führt durch das Wirtepaar Baumgartner. ge Wirtin, Frau Siegrist, oder ihre Nichte Lilly Hier trifft man auch Leute aus Muttenz. Die Ein Besuch des Restaurants Zum Park, ehe- Troxler? Wenn die Rohner- und Firestone- Beiz steht auf Prattler Boden, gehört aber mals Gemeindestube, verschiebe ich auf Arbeiter vom Zug aus dem Fricktal kamen, der Bürgergemeinde Muttenz. Als bekann- später. Vielleicht, wenn ich ins Altersheim standen immer ein paar Schnapsgläser tes Ausflugsziel, verbunden mit einer klei- gehen muss. Hoffentlich noch lange nicht. bereit; abends beim Heimgehen haben sie nen Wanderung zu empfehlen. Geniessen Das Restaurant ist sehr geschmackvoll reno- ihre gelben, blauen oder roten Schnäuze in Sie, liebe Leser, einmal einen Sonnenunter- viert und bietet eine feine Auswahl an Essen die Biergläser getunkt. Als der FC noch auf gang mit Sicht auf das Elsass. Man erkennt aus der grossen Küche. der Hexmatt Fussball spielte, konnten sich in der Ferne das Bauerndorf Folgensburg, die Spieler im Ziegelhof umziehen. bekannt für seine Bauern-Keramik. In den Prattler Restaurants kann man sehr gut essen, zu anständigen Preisen, dazu mit Jetzt weiter zum Bahnhof-Buffet, heute In meinem Alter muss ich schon das Auto freundlicher Bedienung. Mitsch Jehle «Tante Schuggi». Ja, das war früher die Beiz nehmen, um zum Restaurant Landhof zu der noblen Herren oder von denen, die es gelangen. Heute ein gediegenes Restaurant. Anmerkung des Redaktionsteams auch sein wollten. Der Sonntagnachmittag Früher war der FC dort zu Gast, der Fuss- war dem Schweizer Volkssport, dem Jassen, ballplatz lag ja ganz in der Nähe. Mitsch Jehle hat eingangs seines Beizen- gewidmet. Frau und Kinder mussten zu bummels empfohlen, für weitere Beizen das Hause bleiben und mit «Eile mit Weile» sich Weiter zur Krummen Eich. Das Restaurant Telefonbuch zu konsultieren. Wir haben’s ge- die Zeit vertreiben. In der Tante Schuggi ist unterteilt, für noble Gäste zum Essen, wo tan und mit Erstaunen festgestellt, wie viele sitze ich ganz gerne, sofern die Musik nicht ich früher oft mit auswärtiger Kundschaft Restaurationsbetriebe es in Pratteln gibt, be- allzu laut ist, sonst reklamiert meine Hündin gegessen hatte. Im hinteren, gemütlichen kannte und eher unbekannte. Hier seien nur Rena. Unter jungen Leuten zu verweilen, Teil ist für die Lastwagen-Chauffeure reser- die allgemein bekannten erwähnt: Pizzeria finde ich angenehm. Natürlich ist ihr Out-fit, viert. Ob aber dieser Teil heute noch fre- Dario Da Pippo, ehemals Spaini-Kantine, an Haarschnitt und Kleidung anders als früher, quentiert ist wie früher, als ein Chauffeur der Hauptstrasse; Grotto Gianini an der Bahn- dafür kommunizieren sie miteinander, was noch mehr Zeit hatte, weiss ich nicht. hofstrasse; Coop-Restaurant, das allerdings sehr erfreulich ist. nur zu den üblichen Ladenöffnungszeiten Das Restaurant Saline in der Schweizerhalle, geöffnet ist; Café Gehrenacker an der Ober- Weiter zum Restaurant Salmen, leider fehlt ehemals von meinem Schulkollegen Louis feldstrasse; Café Terrazza, bis vor noch nicht mir heute die Zeit zu einer Einkehr, dann ein Bussinger und seiner Frau Heidi geführt. langer Zeit Café Habis, an der Schlossstrasse; anderes Mal. Man traf sich dort nach einer Besichtigung Madle-Cafeteria, wo es feine Kuchen gibt, der Salzsaline oder anderen Industriewer- und Schneiders lauschiges «Besenbeizli» Nun muss ich nach Hause, aber zu einem ken. Sonst wird es von in Schweizerhalle Leuengrund, in dem leider nur von Oktober 338 «Kaffi fertig» im Tramstübli reicht es noch. Tätigen besucht. bis Februar Gäste empfangen werden. Feste und Bräuche … Vor 8 oder 10 Jahren wurde vor dem Hause Fundbericht von 1910 eines Unbekannten (bei c) eine Wasserleitung gelegt. Es kamen meh- betreffend das «Höche Huus» in der archäologi- rere römische Säulenfragmente zum Vorschein, schen Sammlung Liestal. welche von Pfarrer Sartorius erworben wurden. Nach seinem Tode sollen sie nach Basel verbracht worden sein. Schon früher war in der Nähe des Hauses ein Säulencapitäl ausgegraben worden, welches Dr. med. Martin im Garten seines Hauses beim Bahnhof aufgestellt hat … nahme der Frauen und von Mountain-Bi- ken die Vereinsabende in der Wintersaison, Brauchtum kern in jüngster Zeit der «Moderne» ange- das Larifari (eine vorfasnächtliche Veranstal- und Traditionen passt worden. Brauchtum ist natürlich auch tung), das Grümpelturnier des FCP Mitte die 1. August-Feier. Leider lodern hier heute August und das in der Regel eine Woche keine Höhenfeuer mehr, und die im Laufe später vom Turnverein Neue Sektion organi- des Jahres 18 Jahre alt, also mündig gewor- sierte Jazz-Konzert auf dem Schmiedeplatz. denen oder werdenden Schweizerinnen Die «Waldputzte» im Frühjahr und die «Wald- und Schweizer werden auch nicht mehr begehung» im Frühherbst, zu welchen je- offiziell ins Schweizer Bürgerrecht aufge- weils die Bürgergemeinde einlädt, das Was ist Brauchtum, was sind Traditionen? nommen. Diesem Akt ist schon seit einigen Weihnachtssingen unter dem Lichterbaum Brauchtum ist nicht nur Jodelgesang, Fah- Jahren eine eigene Feier gewidmet, zu der auf dem Schmiedeplatz, organisiert vom nenschwingen, Alphornblasen und Schwin- seit zwei, drei Jahren auch 18-jährige Aus- VVPA, und die VVPA-Morgen- und Abend- gen. Brauchtum sind Anlässe, die ihren Ur- länder eingeladen werden. Fast schon zum spaziergänge sind ebenso Tradition wie der sprung in einem Geschehnis in «grauer Brauchtum können das «Chlause ilüte» am Weihnachts- und Frühlingsmarkt der «Bas- Vorzeit» haben oder auf eine Legende zu- 6. Dezember und das Silvester-Treffen am tel-Frauen» auf dem Schmiedeplatz und rückzuführen sind und jedes Jahr von einer 31. Dezember gezählt werden. Letzteres ist beim Coop-Center an der Bahnhofstrasse. bestimmten Gruppen zur Rückerinnerung eine von der ehemaligen Kommission für Ebenfalls Tradition haben der Flohmarkt und an das Ereignis und zur Erbauung der Bevöl- Kultur und Heimatkunde initiierte, nicht der «Räbesunntig» des Weinbauvereins. In kerung durchgeführt werden. Beide, Brauch- organisierte Zusammenkunft auf dem weitestem Sinne könnte auch die Gewerbe- tum und Tradition, sind aber von Personen «Dorfplatz». Alle bringen Tranksame und ausstellung, eine Dienstleistungsschau des und Gruppen abhängig, die gewillt sind, Gläser von Hause mit, lassen zum Jahres- einheimischen Gewerbes, der Tradition zu- ehrenamtlich und im Dienste der Öffentlich- wechselgeläut der Kirchenglocken die Kor- geordnet werden. Sie war in den späten keit die Bürde der Organisation zu tragen. ken knallen und wünschen einander ein siebziger Jahren als «Gwärbmärt» auf dem gutes neues Jahr. Man plaudert noch ein Turnhallenplatz wieder ins Leben gerufen Zum Brauchtum in unserer Gemeinde ge- bisschen zusammen, um dann wieder heim- worden und findet seit Eröffnung des Kul- hören der auf einen vorreformatorischen wärts zu wandern. tur- und Sportzentrums im Drei- bzw. Fünf- Brauch zurückgehende «Butz» am Morgen jahres-Rhythmus dort statt. Ob sich diese des Fasnacht-Montags, das Hornblasen mit Zur Tradition – aus dem Lateinischen tradere «Tradition» hält? Naturhörnern und das in einer Legende = weitergeben – sind immer wiederkehren- wurzelnde «Eierläset» am Weissen Sonn- de Anlässe zu zählen, die von einem Verein Zwei Traditionen indes sind verschwunden. tag. Alle drei Bräuche werden heute noch oder einer Gruppe zwar organisiert und Zum einen die gemeinsam von den Prattler gepflegt, wenn auch in etwas geänderter durchgeführt werden, die aber keinen wei- Vereinen Joderklub, Musikgesellschaft und Form, wie das «Eierläset». Der lustige Wett- teren Inhalt haben, als dass sie Gesell- Weinbauverein organisierte Suserchilbi, die, kampf wird nicht mehr nur von Turnern aus- schaftsanlässe sowie Werbung und eine bevor sie vom Turnhallenplatz ins Kultur- getragen, es werden auch andere Vereine kleine Einnahmequelle für die Veranstalter und Sportzentrum verlegt worden war, miteinbezogen. Die Organisation indes liegt sind. Solche Veranstaltungen sind gerade ganze Heerscharen aus nah und fern an- nach wie vor alternierend bei den beiden für eine grosse Gemeinde wie Pratteln lockte. Zum anderen die Wartenberg-Rund- Turnvereinen Alte und Neue Sektion. Ein unverzichtbar. Sie fördern das Zusammenle- fahrt. Sie war vom verstorbenen Franco weiterer Brauch ist der Bannumgang (Erin- ben, geben ein Gefühl der Zusammen- Chiesa ins Leben gerufen und von den Ver- nerung an die Unantastbarkeit der Grenzen) gehörigkeit, ein Heimatgefühl und sind die einigten Radlern Pratteln organisiert wor- am Auffahrtstag. Auch er ist der mit der Teil- Basis des Dorflebens. In diesem Sinne wir- den. Gesponsert wurde die Rundfahrt, die 341 als eine der schwersten in der Schweiz galt, über den Schönenberg und das «Schlössli»; vorwiegend von Prattler KMU (Klein- und Der Banntag Richtung Westen über das Horn zum Mittel-Unternehmen), wie z.B. Frenken-Ga- «Höche Bannstei» und Richtung Norden rage, Max Wagner & Co. AG usw. Die Renn- über Schweizerhalle. Die Rotten A–P und fahrer wurden immer teurer und Sponsoren R–Z wechseln sich jedes Jahr in der Richtung rarer. Nachdem die damalige Schweiz. Kre- ab. Die noch relativ junge vierte Rotte, die ditanstalt (heute Credit Suisse) als grösste direkte, ist älteren Leuten vorbehalten, was Sponsorin und Mit-Organisatorin ausgestie- aber Junge nicht davon abhält, hier mitzu- gen war, sprangen die Basellandschaftliche marschieren. Im Millenniumsjahr 2000 wur- Kantonalbank und die -Versiche- Ursprünglich galt der Bannumgang der Kon- de noch eine Mountainbike-Rotte einge- rungen als Trägerinnen des Rennens in die trolle der Gemeindegrenze. Es wurde kon- richtet, die aber nur zwei Jahre lebte. Alle Bresche. 2001 fand die letzte Wartenberg- trolliert, ob nicht etwa ein Grenz- oder zusammen treffen sich alsdann im Stritta- Rundfahrt statt. Emmy Honegger Bannstein mit der achtblättrigen Blume cher, wo die Forstleute und die Fest-Organi- oder dem sechsstrahligen Stern versetzt wor- satoren – seit 1988 ausschliesslich Musikge- den war. Dabei steckten die «Kontrolleure» sellschaft, Jodlerklub Pratteln und Fas- einen Zweig zu jedem Stein, wie es im Pratt- nachts-Komitee – im Auftrag des Bürgerra- ler Lied heisst. tes den Festplatz vorbereitet haben. Seit 1998 wird der Festplatz alternierend im Der Bannumgang findet immer noch statt, Strittacher und auf dem Geisswald einge- wenn auch ohne Stecken eines Zweiges zu richtet, wobei dann eine Rotte den Weg den Bannsteinen. Jeweils am Auffahrtstag nach Nord/Ost entlang der Grenze zu treffen sich Prattler Bürger und Bürgerinnen Augst, Füllinsdorf und Frenkendorf unter und «Schamauchen», wie die Nicht-Bürger, die Füsse nimmt. Die Opposition gegen den keineswegs despektierlich gemeint, ge- Festort hatte nicht lange auf sich warten las- nannt werden, eine Stunde nach Mittag auf sen. Doch ob Strittacher oder Geisswald: dem Schmiedeplatz zum Bannumgang. Das das Fasnachtskomitee sitzt an den Kassen, war nicht immer so. In früheren Zeiten durf- Musikgesellschaft und Jodlerklub geben ten nur die «Herren der Schöpfung» und Ständchen, die Banntägler unterhalten sich Kinder an dieser Grenzbegehung teilneh- aufs Beste – und der «harte Kern» findet men. Wann der Bannumgang auch den erst nach Einbruch der Nacht den Weg nach Frauen geöffnet wurde, ist nicht genau zu Hause. Manchmal mit einem Zwischenhalt eruieren. Wahrscheinlich war es irgend- in einem «offenen» Haus, wo privat weiter wann nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich gefestet wird. die Frauen zu emanzipieren begannen. Al- so, nach der Begrüssung durch den Bürger- Seit 1988 erhalten ausnahmslos alle Teilneh- ratspräsidenten und einem flotten Marsch, mer einen Bon für ein «Waldfescht» (Wurst intoniert von der Musikgesellschaft, sam- und Brot und ein Getränk), und die Bürger meln sich die Bannumgänger in vier Rotten dürfen zudem auf halbem Wege zum Fest- – zwei Fussgänger-Rotten A–P und R–Z, die platz aus den Händen der «Säckelmeister» «direkte Rotte» sowie die Reiter-Rotte – und den «Bürgerbatzen» (zehn Franken) entge- 342 machen sich auf den Weg Richtung Osten gennehmen. Fahne der Rotte 1. Fahne der Rotte 2. Fahne der Rotte 3.

Die neuen Rottenfahnen kenörfer Seite zeigt den nach links gerichte- te Baselbieter Siebendupf-Stab mit der Jah- reszahl 1642. Und die Fahne der Rotte 3 Im Jahre 2000 hat der Bürgerrat, basierend zeigt auf blauem Grund als Applikation auf den Grundsätzen der Heraldik, drei neue einen Bannstein von der Hornebene, auf Rottenfahnen in der Grösse 80x80 Zentime- dessen Prattler Seite die Jahreszahl 1782 ter schaffen lassen, die in einem Beitrag im steht und darunter der Sechsstrahlen-Stern. Prattler Anzeiger folgendermassen beschrie- Die Frenkendorf zugewandte Seite des Bann- ben wurden: Die Fahne der Rotte 1 zeigt auf steins zeigt einen speziellen Stab des Amtes gelbem Grund das in Grau applizierte Liestal mit vier Krabben. Der Stab ist nach Abbild des ältesten Bannsteines, der auf der rechts ausgerichtet und läuft gegen den Südseite des «Madle» steht. Es ist ein so Fuss in acht Faszikeln aus. Emmy Honegger genannter St. Alban-Grenzstein mit einem A auf der Prattler Seite zusammen mit der Jahreszahl 1588. Auf der Frenkendörfer Seite steht in gotischer Schrift «S.Alb...» (St. Alban) geschrieben. Die Rottenfahne 2 zeigt auf grüner Farbe das Abbild des 31. Bann- steines vom Hohen Bannstein her gezählt. Auf der Prattler Seite des Bannsteins ist der sechsstrahlige Stern eingemeisselt, die Fren- 343 Fastnachtfeuer gemacht werden darf, was mischen Turnvereine AS und NS war an den Prattler Dorffasnacht unter der Bevölkerung Empörung hervor Nachmittagen vom Montag, Dienstag und ruft. Eine Delegation des VVPA-Vorstandes Mittwoch nicht viel los. Aber abends kamen verhandelt mit dem Gemeinderat und die Prattler Fasnächtler so richtig aus dem erklärt, dass der VVPA unter diesen Umstän- Busch! Am Samstagabend vor Fasnacht or- den auf die Durchführung des Laternen- ganisierte der Männerchor im Restaurant und Fackelumzuges verzichten müsse. In «Ochsen» einen so genannten «geschlosse- der Folge zieht der Gemeinderat seinen nen Maskenball». Weitere Fasnachtsbälle Beschluss zurück und erlaubt weiterhin zwei gabs auch am Montag-, Dienstag- und Mitt- Dass Pratteln die Fasnacht erfunden hat, Feuer, jedoch mit der Auflage, dass die wochabend in den Restaurants «Engel» und glaubt wohl niemand. Und ob Basel sie er- Holzsammelaktion erst vier bis zwei Tage(!) «Ochsen», die vom Wirt oder der Musikge- funden hat, wissen wir auch nicht. Doch vor der Fasnacht begonnen werden darf. sellschaft durchgeführt wurden. immerhin schrieb schon Sebastian Brant im Jahre 1494 über die Basler Fastnacht: «Aber Art. 3) Das Hornblasen darf nicht allzu früh Natürlich war die Fasnacht während des die narrheyt hat erdacht dass man suoch einsetzen und hat ausserhalb der Ortschaft Zweiten Weltkrieges eingestellt Doch ab freuden zuo Fasznacht.» zu erfolgen. 1946 war der Nachholbedarf gross! Aus Platzgründen zügelte der Männerchor in Doch zurück zur Prattler Fasnacht: Art. 9) Fastnachtszeitungen, fliegende Zet- den «Engel». In die drei anderen Masken- tel und dergl. dürfen nicht in beleidigender bälle teilten sich die Turnvereine AS und NS Weise abgefasst sein und müssen deutlich sowie der Wirt. Der «Cherus» wurde von und vollständig den Namen der Druckerei der Musikgesellschaft übernommen. Bis zum Wie wars früher? angeben. Ferner ist hiefür rechtzeitig die Abbruch der beiden Restaurants «Engel» gemeinderätliche Bewilligung einzuholen. und «Ochsen» Ende der fünfziger, Anfang Verkäufer von Fastnachtsliteratur müssen der sechziger Jahre waren jeweils tolle Mas- In der «Verordnung betreffend die Fast- bei der kantonalen Polizeibehörde ein Pa- kenbälle zu verzeichnen. nacht» vom 25. Januar 1928 schreibt der tent lösen und sich hierüber der Kantons- Gemeinderat u.a.: und Gemeindepolizei ausweisen können. Und nach dem Krieg gabs am Fasnachts- sonntag auf dem altehrwürdigen «Fussball- Art 1.) Die Leitung und Durchführung des In den Krisenjahren vor dem Zweiten Welt- stadion Landhof» noch die beliebten und Pechfackel- und Laternenzuges am Fast- krieg gab es in Pratteln keine organisierte zum Lachen anregenden «Chluurimatchs» nachtsonntag-Abend ist dem Verkehrs- und Strassenfasnacht. Am Abend des Fasnachts- zwischen den Dorfvereinen. Im Dorfkern Verschönerungsverein Pratteln–Augst über- sonntags zog der vom VVPA betreute Fa- «um d Schale» wurde vom Turnverein NS tragen ... usw. ckel- und Laternenumzug durch die Stras- ein Auto- oder Velorennen auf die Beine sen. Es wirkten auch Schnitzelbankgruppen gestellt. Und schliesslich erschienen am Nach- Art. 2) Es dürfen im alten Dorfteil nur zwei mit, die später in den Wirtschaften zu hören mittag auf dem Schmittiplatz noch die Fastnachtsfeuer gemacht werden. Die Plät- waren. Parallel zum Umzug loderten die Schnitzelbankgruppen aus Frenkendorf (Gül- ze hiefür wird der Gemeinderat noch be- Fasnachtsfeuer der «Rümpler», «Usserdörf- lepumpi) und Muttenz (Heuwänder) und stimmen ... usw. ler», «Mayenfelser» und «Salinler» in der gaben ihre satirischen Neuigkeiten zum be- Schweizerhalle. Auch die Neu-Prattler hat- sten. Im Jahre 1923 hat der Gemeinderat sogar ten kurze Zeit ihr Fasnachtsfeuer. Ausser 344 verordnet, dass in Zukunft nur noch ein den Schnitzelbankwagen der beiden einhei- Fasnacht der Neuzeit

Man schrieb den Oktober 1958, als Mathias Haug – der Fasnachtskomitee-Obmann der ersten Stunde – an den Gemeinderat und die interessierten Ortsvereine ein Schreiben richtete betreffs Wiederbelebung der einge- schlafenen Dorffasnacht am Fasnachts-Sonn- tagnachmittag. Leider verschloss sich der damalige Gemeinderat diesem Ansinnen. Beim zweiten Anlauf im November 1965 durch den seinerzeitigen VVPA-Präsidenten und zugleich Gemeindepräsidenten Walter Kohler hat es doch noch geklappt. Unter dem – logischen – ersten Fasnachtssujet «Es isch so wyt – s het gschlage!» zog am Nach- mittag des 27. Februars 1966 der erste Prattler Fasnachtsumzug mit 28 Gruppen al- ler Schattierungen vor den gestrengen Her- ren des Fasnachtskomitees durch die Stras- sen. Als erstes «Abzeichen» wurde das Prattler Horn aus Plastik kreiert. Die Prattler Ein historisches Fasnachts- und zugleich Zeitdokument: Der erste Fasnachtsumzug in Pratteln von Zeitung schrieb unter dem Titel «Die wun- 1966 vor dem heute verschwundenen Restaurant «zum Schloss». dervolle Prattler Fasnacht» u.a.: «Es war schön – es war sehr schön! – es war eine fer und Silber. Ab 1971 kam auch noch die Samstagabend in der alten Dorfturnhalle grossartige Demonstration des bewussten goldene dazu. Und man darf sagen, die Pratt- einen Maskenball und am Sonntagabend Gefühls der Zusammengehörigkeit einer ler Plaketten sind ein begehrtes Sammlerob- einen Tanzabend ins Leben zu rufen. 1989 Gemeinschaft!» Und weiter: «Me hätt's nit jekt geworden. Dies zeigt die Plakettenbör- wurde ins neu erstellte Kuspo gezügelt. dänkt! Hatten wir unsere Erwartungen an se, die an den beiden Samstagen vor Fasnacht Später zog der Turnverein AS mit dem die erste Prattler Fasnacht auch hoch ge- stattfindet. Übrigens: Die Träger eben dieser «Chluuriball» in der Dorfturnhalle ein, wäh- schraubt – sie wurden nicht nur erfüllt, son- Fasnachtsplakette sowie die Kinder erhalten rend der «Cherus» in den Händen der dern in jeder Hinsicht noch weit übertroffen.» nach dem Umzug auf dem Dorfturnhallen- Musikgesellschaft blieb. Auch diese beiden platz gratis einen Becher der «chüschtigen» Vereine mussten 1989 ins Kuspo auswei- Mittlerweile beteiligen sich rund 60 Grup- Mehlsuppe, die von einer Männerkochgrup- chen. Vor einigen Jahren wechselte die AS pen und Einzelmasken am Prattler Fasnachts- pe mit viel Liebe und etwas Wein in grossen von «Chluuriball» auf das «Guggekonzärt», umzug, um dem immer zahlreicher aufmar- Kochkessein, unter denen Holzfeuer glühen, welchem ein grosser Erfolg beschieden ist. schierenden Publikum ihre Ideenvielfalt zu an Ort und Stelle stundenlang gerührt wird. präsentieren. Nach dem Plastikhörnli im Wie eh und je zogen und ziehen die Schnit- ersten Jahr gab es in den folgenden vier Die flaue Fasnachtszeit hat den Turnverein zelbänkler jeweils am Sonntag- und Diens- Jahre die Prattler Fasnachtsplakette in Kup- NS bereits im Jahre 1963 veranlasst, am tagabend durch die Restaurants und die 345 immer beliebter gewordenen Fasnachtskel- alle gespannt auf die Schnitzelbänke und ler verschiedener Cliquen und streuen ihre Guggenmusiken. Mit dem traditionellen Zap- subtilen Pointen unter das zahlreiche Publi- fenstreich um Mitternacht wurde bis an- kum. Bereits seit vielen Jahren ist leider das fangs der achtziger Jahre der Fasnachts- bunte Maskentreiben und damit das früher sonntag offiziell beendet. Mit der Neu-Aus- stark gewesene Intrigieren in den Beizen richtung der Prattler Fasnacht ab 2002 dürf- verloren gegangen. Auch das ist eine Zeiter- te uns um die Zukunft des Fasnachtsgesche- scheinung – oder könnte man diese Beizen- hens nicht bange sein. Neu-Ausrichtung bereicherung nochmals aus dem Dornrös- heisst, die Prattler Fasnacht konzentriert sich chenschlaf erwecken? hauptsächlich auf Sonntag und Dienstag.

Die vor rund 20 Jahren vom VVPA ins Leben gerufene Kinderfasnacht – in den Anfängen in der Dorfturnhalle und heute im Kuspo – «Horne und chläppere» erfreut sich steigender Beliebtheit. Auch hier ist der tolle Umzug nicht mehr wegzu- denken. Nach dem Basler Vogel Gryff beginnt in Pratteln die Zeit des «Hornen» und «Chläp- Nach wie vor organisiert der VVPA am Sonn- pere». Zwei Gruppen – die «Hornbuebe alti tagabend den Laternen- und Fackelumzug Garde» und die Horngruppe «Hagebächli» für Kinder wie auch für Erwachsene. An die – pflegen diesen Brauch schon seit vielen Kinder werden Fackeln und Laternen gratis Jahren und verkünden so die kommende abgegeben. Unter den Klängen der Musik- Fasnachtszeit. Ein Meister in der Herstellung gesellschaft sowie von Pfeifer- und Tambou- von Hörnern und «Chläppere» ist unser rengruppen bewegt sich der Umzug durch Mitbürger Hans Rebmann, hat er doch den Dorfkern. Begleitet wird der Zug durch schon rund 200 wunderschöne «Chläp- Jugendliche Hornbläser bringen ein Ständchen. die Fackelträger, die vorgängig unter dem pere» geschnitzt, an die 1000 Kuhhörner Foto aus den sechziger Jahren von R. Urban†. «Mayenfels» das einzige noch verbliebene ausgekocht und davon über 400 fertigge- Fasnachtsfeuer entfacht haben. Seit gut 40 stellt. Als Meister in der Horn-Herstellung lich beim Zusammenpressen der Lippen ent- Jahren bauen die Vereinigten Radler Prat- darf auch Markus Hersberger bezeichnet scheidend. So können mit einem Horn bis teln einen riesigen Schneemann, der am werden. In früheren Zeiten wurden die zu drei verschieden hohe Töne geblasen Umzug mitgeführt und auf dem Dorfturn- rohen Kuhhörner bei Prattler Metzgern er- werden. Am Horn werden der Bast und die hallenplatz abgestellt wird. Bald wird er an- worben. Heute müssen sie aus Afrika von Unebenheiten mit Feile, Glasscherben und gezündet und unter dem Knallen der einge- Watussi-Rindern und Gazellen eingeführt Schleifpapier glatt geschliffen und poliert. bauten Sprengkörper und begleitet von werden. Die einheimischen Kuhhörner sind Dann werden das Prattler Wappen aufge- Funkenregen haucht der die Vertreibung des leider nicht mehr geeignet. Zur Entfernung malt, der Name des stolzen Besitzers und Winters symbolisierende Schneemann lang- des Hornzapfens wird das rohe Horn ausge- die Jahrzahl eingebrannt. Schliesslich wird sam sein Leben aus. Das Publikum verzieht kocht, der Ansatz für das Mundstück abge- das Horn lackiert und mit einer gelb- sich langsam in die Gaststätten und Cliquen- sägt und gebohrt. Dazu hat Rebmann einen schwarzen Kordel versehen. Die benötigte keller und versucht, noch einen der begehr- speziellen Bohrer angefertigt. Die Länge und Zeit pro Horn beträgt acht bis zehn Stun- 346 ten Sitzplätze zu ergattern. Dann warten der Durchmesser des Bohrloches sind näm- den. mannischem oder römischem Ursprung zu. Es wird wie das Hornen in die Lärmbräuche eingestuft. Im Altertum galt das «Chläp- pere» als so genanntes Arme-Leute-Trom- meln. Das heisst, es wurde als Trommeler- satz gebraucht. Das «Chläppere» diente wie das Hornen der Austreibung böser Geister und der Vertreibung des Winters.

In der Innerschweiz wird es als Begleitung zur Ländlermusik zusammen mit Holzlöffeln verwendet. Im benachbarten Schwarzwald bis nach Mainz gibt es Gruppen und Verei- ne, die diesen Brauch ebenfalls in der Fas- nachtszeit pflegen. In Pratteln führte man das «Chläppere» als Begleitung zum Hor- nen im letzten Jahrhundert ein. So können nun verschiedene Melodien gehornt und gekläppert werden, wie das Prattler Lied, der Bolero, der Ordonnanzmarsch und natürlich die alten «Rümpler», «Mohler Babett» und «Wälle vors Huus».

Am traditionellen Laternen- und Fakelumzug nehmen auch Horn-Gruppen teil. Foto aus den sechzi- ger Jahren von R. Urban †. Holzsammeln und Füürbiige

Der Brauch des Hornens schlecht von jeher gute und bedeutende Rebbauern. In den Jahren 1546, 1555, Zu diesem Kapitel passt bestimmt die dritte Dieser Brauch geht in die heidnische Zeit 1599, 1618 und noch einmal im 20. Jh. Strophe vom Prattler-Lied: zurück und diente der Austreibung böser wurden das Hornen und das damit verbun- Geister und der Vertreibung des Winters, dene fasnächtliche Treiben mehrmals von «Buebe hei mer voller Chraft, was im Zusammenhang mit dem Frühlings- der kirchlichen Obrigkeit verboten. Es hiess, strammri gits gar nit. erwachen und der Fruchtbarkeit steht. Bei dies sei ein abgöttisches, heidnisches Trei- Bsunders chömme si in Saft Katastrophen oder feindlichen Überfällen ben. Die Prattler hingegen beachteten diese in der Fasnachtszyt. diente es wie bei Feuer als Alarmzeichen. In Verbote meistens nicht, und so hat sich die- s Dorf duruus do chönnsch se loose, jüngerer Zeit wurde es in Pratteln auch bei ser Brauch bis heute erhalten. wie si horne, wie si bloose. den Rebbauern als Signal verwendet. Mit Gäbt is, tönts vor Hus und Schüür, der Melodie «Der Rümpler» oder «Mohler Holz für s Fasnachtsfüür». Der Brauch des «Chläppere» Babett» wurden die Rebbauern zum Arbei- ten in den Reben aufgefordert. Die Mohlers Die Herkunft des «Chläppere» ist nicht ein- Schon bald nach dem Jahreswechsel – je waren als alteingesessenes Prattler Ge- deutig. Forscher ordnen sie keltischem, ala- nachdem wie früh die Fasnacht ist – wird im 347 Dorf mit dem Holzsammeln für das traditio- schon von weitem mit ihrem Hornblasen an. mitgeführten Schneemann auf dem Dorf- nelle Fasnachtsfeuer begonnen. Die Kinder und erwachsenen Begleiter fah- turnhalleplatz in Brand. Das Fasnachtsfeuer ren mit zwei Traktoren und Wagen in den wird während der ganzen Nacht bewacht. Um die Jahrhundertwende 19./20. Jh. wur- entsprechenden Quartieren von Haus zu Die Aufräumarbeiten an den folgenden de der allererste Holzstoss fürs Fasnachts- Haus. Dabei ist der Erhalt von verbrennba- Tagen besorgt nebst den «Füürbiigern» die feuer auf dem «Schutthuffe» ob dem Geiss- rem Holz aus den Privathäusern von gröss- Gemeinde Pratteln wald errichtet. Gab es dann nachher zeit- ter Bedeutung, denn die holzverarbeiten- weise noch bis zu fünf Fasnachtsfeuer – für den Firmen in unserem Dorf verwerten ihre die «Rümpler», die «Usserdörfler», die Abfälle grösstenteils selbst. Die grossen Hel- «Schweizerhälleler», die «Neu-Prattler» und fer sammeln das bereitgestellte und gebün- Der Butz – für die in der «Breite» – so ist es heute noch delte Holz und die Kleinen bitten um ein ein uralter Heischebrauch ein Feuer, das unter dem «Mayenfels» un- kleines Trinkgeld. Mit diesem Geld werden terhalten wird. Verantwortlich dafür ist die die Bauern für die zur Verfügung gestellten vor einigen Jahren ins Leben gerufene Grup- Traktoren und Wagen entschädigt sowie das Der einzige heute noch in der Schweiz prak- pierung der «Füürbiiger». Essen für alle Beteiligten finanziert. Beim tizierte Heische- und Bettelzug des «Butz», Sammeln wird darauf geachtet, nur reines der in Pratteln Jahr für Jahr am frühen Mor- Damals gingen die Kinder rund einen Mo- und unbehandeltes Holz, Schnittholz und gen des Fasnachtsmontags im «Rumpel» nat vor Fasnacht mit dem Spruch: «Heit dir Weihnachtsbäume mitzunehmen. Die Zei- seinen Anfang nimmt, geht, gestützt auf Holz für's Fasnachtsfüür oder ä Batze für's ten, als vor allem auch die Industrie noch das Zeugnis des Basler Altphilologen Profes- Petrol?» jeweils am Samstag- und Mittwoch- alles nicht mehr Brauchbare mit dem Fas- sor Karl Meuli und des Historiographen nachmittag von Haustür zu Haustür. «D nachtsfeuer entsorgen konnte, sind längst Sebastian Münster aus dem 16. Jh., auf vor- Stäcklibuebe» (das waren diejenigen Bur- vorbei! An jedem Sammel-Samstag sind reformatorische Zeit zurück. Und tatsächlich schen, die sich für die kommende Rekruten- zwischen 20 und 25 Personen unterwegs, ist dieser Heischebrauch bereits im Jahre schule «stellen» mussten) griffen den Kin- wobei auch Mädchen tatkräftig mithelfen. 1525 in der Region Basel und im Elsass dern vor allem auch beim «Holzbiige» unter Das gesammelte Holz wird zum «Füürplatz» bezeugt. Nach der Version von 1927 des die Arme. (er befand sich bis vor einigen Jahren noch verstorbenen Volkskundeprofessors Karl Meuli «uf der Halde», unterhalb dem Geisswald) bedeutete der Name «Butz» in frühester Heute ist Pratteln in vier Quartiere aufge- unter dem «Mayenfels» geführt, wo es fort- Zeit einen Vermummten, den Geist eines teilt, in denen an vier Samstagnachmittagen laufend aufgeschichtet wird. Das verdiente Toten und zusammen mit den damaligen Holz gesammelt wird. Unterstützt werden «Zvieri» beendet den Sammelnachmittag. Hornbläsern soll er der Überrest eines ural- die «Füürbiiger» dabei von Prattler Bauern, ten Totenbrauches sein. Über den Ursprung die Traktor und Wagen für ein Trinkgeld zur Am Fasnachtssonntagabend wird der fein des «Butz» gibt es aber noch andere Theori- Verfügung stellen. Wurde früher das Fas- säuberlich errichtete Holzstoss mittels Stroh en als die Meulis, zum Beispiel in der Prattler nachtsfeuer tatsächlich noch mit Petrol ent- als Hilfsmittel entzündet. Die Sicherheit wird Heimatkunde wird der «Butz» mit dem Be- facht, so ist das heute wegen der strengen auch hier gross geschrieben, wird doch mit ginn des Arbeitsjahres der Weinbauern in Umweltschutzverordnungen schlicht nicht einem Feuerwehrschlauch das eventuell Zusammenhang gebracht. An der Fasnacht mehr möglich. Das heisst, der zweite Teil des benötigte Löschwasser bereitgehalten. Die werde dem Weingott (Bacchus) der Tribut einstigen Sammlerspruchs «oder ä Batze grösseren Kinder zünden ihre vom VVPA entrichtet, in der Hoffnung, dass er den für's Petrol?» ist weggefallen und der Neu- gespendeten Fackeln an, tragen sie ins Dorf Bauern wieder gnädig sei. Ebenfalls Fritz fassung «oder ä Batze für's Nachtässe?» und marschieren damit am Laternen- und Schneider bringt in seinem Büchlein «Der 348 gewichen. Die Holzsammler kündigen sich Fackelumzug mit. Danach stecken sie den Prattler Rebberg» den «Butz» mit dem Wein- er Wein zusammenbettelt. Den entleert er ins Weinfass, wobei der zusammengeschüt- tete Wein den «Bützler» ergibt. Zu Bacchus und Küfer gesellen sich der Fuhrmann und zwei bis vier zweibeinige Pferdchen, die Schellen umgehängt haben. Treue Begleiter sind weiter der Tännlibueb, der Blätzlibueb und der Chärtlibueb. Wie es die Namen be- sagen trägt der Tännlibueb ein Kostüm aus kleinen Tannästchen, der Blätzlibueb hat auf seinem Überkleid lauter aufgenähte kleine bunte Plätzchen und der Chärtlibueb auf dem Kleid aufgenähte Spielkarten. In frühe- ster Zeit trugen die beiden letzteren vermut- lich Felle und symbolisierten den «Wilden Mann». Dieses Dreigespann verkörpert den Kreislauf der Natur und ist heute mit der Sammelbüchse unterwegs. Eine ulkige Figur ist der Doktor Eisenbart, auch «Säupeter» genannt. Dieser Wunderdoktor trägt Zylin- der, Frack und Gamaschen. Er schleppt eine Bauchapotheke mit und auf seinem Rücken Der «Butz» mit seinem Gefolge repräsentiert den einzigen in der Schweiz noch praktizierten, auf das baumelt seine «Geschäftsempfehlung»: Mittelalter zurückgehenden, Heischebrauch. (Foto um 1980). Ich bin der Doktor Eisenbart, gott Bacchus, dem in heidnischer Zeit geop- machen dürfen. Das Butzwägelchen wird kurier die Leut' nach meiner Art. fert werden musste, in Verbindung. Oder im heute noch mit Tannenbäumchen und bun- Kann machen, dass die Lahmen sehn Prattler Anzeiger stellte vor 40 Jahren der ten Bändern geschmückt. Am Fasnachts- und die Blinden wieder gehn. «Schang am Gatter» gar die Theorie auf, montagmorgen zwischen 7 und 8 Uhr geht dass der «Butz» eine «Hierarchie» gewesen der «Butz» mit Gefolge auf die Route. Im Wä- Früher gehörte noch der Schnäggli-Maa zum sei, die auf dieser sündigen Erde einen Stab gelchen thront die Hauptfigur, der «Butz» Butz. Doch diese altertümliche und archai- Bediensteter haben musste. oder Bacchus, wie wir ihn heute nennen, sche Gestalt wurde schon vor Jahrzehnten mit grosser Leibesfülle und in eine weisse weggelassen. Die Herstellung des Kostüms Der «Butz» ist seit frühester Zeit der Hei- «Chutte» gehüllt. Er wacht mit Argusaugen war wahrscheinlich zu aufwendig. Schliess- sche- oder Bettelzug der Prattler Jungmann- über das Weinfass, das der Küfer zu füllen lich sind noch das Eierwybli und der Tell zu schaft. Damals durften ausschliesslich Bur- hat. Der Küfer gilt als treuester Kumpan des nennen. Der Teil tritt mit weisser «Senne- schen, die das Jahr zuvor konfirmiert wor- «Weingottes» und trägt, wie es sich für chutte» und «Holzböde» an den Füssen auf den waren oder «Stäcklibuebe» (stellungs- einen Küfer gehört, eine Lederschürze. Als und er trägt das Markenzeichen des Tell, die pflichtige Burschen), am Zug teilnehmen. Symbol seines Berufsstandes schwingt er in Armbrust. Das Eierwybli trägt das Eierkörb- Heute ist das anders, man muss die Akteure der einen Hand den Küferhammer und in chen, in dem die zusammengebettelten Eier fast suchen – weshalb auch Mädchen mit- der anderen die kupferne «Stitze», mit der sorgfältig versorgt werden. Wie diese bei- 349 selbst finanzierten. Zum diesem Zweck be- Das Chlause ilüte trieben sie an den offiziellen Fasnachtstagen ihren «Eggeblocher-Chäller» in der Liegen- schaft Schlossstrasse 57, die einst, bevor sie die Lokalanzeiger Verlags AG käuflich er- warb, im Besitz des Eggeblocher-Mentors, Heini Strübin, war. In den ersten zwei Jahren reichte der Erlös aus diesen Keller-Einnah- men jedoch nicht, und Sponsoring lehnten Das «Chlause ilüte» hat seinen Ursprung in die Eggeblocher rundweg ab. Sie griffen in einer «Grümpeli»-Mannschaft, die während die eigene Tasche. Eine weitere Devise der zehn Jahren die beliebten Prattler Grümpel- Eggeblocher war: Lieber ein Grättima zuviel, Turniere belebte: Den «Eggeblocher». Sie als ein Kind, das keinen erhält. So hatten die traten 1974 erstmals auf – und «tschutte- Eggeblocher im ersten Jahr 800 Grättimanne ten» mit schlechtem Resultat, handelten eingekauft, aber nur 730 gebraucht. In den sich Knochbrüche und diverse andere Ver- folgenden Jahren hat sich die Zahl dann bei letzungen ein. So entschlossen sich die Eg- etwa 600 Stück eingependelt. Übriggeblie- geblocher für den Plausch und konkurrier- bene Grättimanne wurden noch am Chlau- ten 1975 in der Plausch- und Tenuekate- se-Obe ins Alters- und Pflegeheim Madle gorie. Damit hatten sie einen durchschla- und ins Behindertenheim Kästeli gebracht. genden Erfolg! Jahr für Jahr begeisterten sie dann die Grümpeli-Zuschauer und trugen 1988 kaufte der VVPA die Kostüme zuhan- In der 1990 zum Jubiläum «25 Jahre Prattler Fas- jeweils ein oder sogar zwei Pokale (Plausch- den der Eggeblocher an und gab sie in nachts-Komitee» verfassten Schrift von «stauffi» und Tenue-Pokal) nach Hause. deren Obhut. So fielen wenigstens die Kos- ist alles Wissenswerte und noch viel mehr über tüm-Mietkosten weg. 1993 waren dann zehn die Prattler Dorffasnacht aufgezeichnet. 1983, nach zehn Jahren Grümpeli-Spass, Jahre wieder um und zum letzten Mal kam war dann «fertig luschtig», gemäss der Eg- der Eggeblocher-Santichlaus vom Walde den Figuren zum «Butz» kamen, ist aller- geblocher-Devise: «Öppis zäh Johr lang her. Zum Abschied durfte jedes Kind – nein, dings nicht bekannt. mache, denn neu bsinne.» Und sie sannen keinen Grättima, sondern ein von Eggeblo- und hirnten und kamen schliesslich auf die cher-Mitgliedern und ihren Frauen gepack- Gegen ein Uhr mittags kehrt der vom VVPA Idee, etwas für die Kinder zu tun. Aber was? tes Chlauseseckli mit Gutzi, Nüss, Manda- betreute «Butz» von seiner Betteltour Die Idee des «Chlause ilüte» setzte sich rinli und Schoggeli vom Santichlaus entge- zurück und lässt sich von den Butz-Betreu- durch und wurde in die Tat umgesetzt. So gennehmen. ern den Eiertätsch zubereiten. Nach dem erwarteten erstmals am Abend des 6. De- Eierschmaus werden die Gaben – vorwie- zember 1984 zwei «Santichläus» mit Seit 1994 führt der VVPA, unterstützt von gend Geld und Wein – gerecht unter allen Schmutzli und Eseli die Kinder auf dem der Guggenmusik «Rhyschränzer», diese Mitmachenden aufgeteilt. Und dann ist der Schmiedeplatz, um sie nach Anhören eines schöne Chlause-Tradition, die sich grosser Spuk wieder für ein Jahr vorbei. «Nigginäggi-Värsli» mit einem «Grättima» Beliebtheit erfreut, durch. Emmy Honegger Hanspeter Stauffacher (stauffi) zu beschenken. Besonders verdienstvoll ist, dass die Eggeblocher diesen Anlass, den man 350 sich heute nicht mehr wegdenken kann, in die Nähe gerückt. Da lag es nahe, das Tal- gartenstrasse verbunden) gedrehter Film im Die Dorffeste weiher-Fest mit der Einweihungsfeier für Besitze des VVPA und die Schrift «Erinne- das «Erlimatt I» und einer Feier für das neue rungen an das Prattler Dorf- und Jugendfest «Schloss-Kleid» zu verbinden und zu einem 1966» von Realschullehrer Alex Leupin erin- Grossanlass mit dem sinnigen Leitspruch nern noch an diesen grossartigen, bunten «Geschichte – Natur – Jugend» werden zu Anlass, der Ansporn war, in zehn Jahren lassen. Das erste Prattler Dorf- und Jugend- wieder ein Dorffest durchzuführen. fest startete dann am Freitagabend des 17. Juni 1966 mit einem Konzert der damaligen Das zweite Prattler Dorffest 1976 Pratteln war die erste Gemeinde in unserer Metallharmonie auf dem Turnhallenplatz. «Jung und Alt mitenand» Region, vielleicht sogar der Schweiz, die ein Dem OK unter dem Präsidium von Walter «zweckgebundenes» Dorffest durchgeführt Kohler (VVPA- und Gemeindepräsident) war Den Anlass zum zweiten Prattler Dorffest hat. Voraus zu schicken ist auch, dass alle es gelungen, alles und alle zu mobilisieren vom 25. bis 27. Juni 1976 gab der projek- vier Dorffeste unter dem Patronat des Ge- und zu begeistern: Die Vereine zum Betrei- tierte Bau des Alters- und Pflegeheims meinderates standen und der Verkehrs- und ben der wunderschön hergerichteten Beizli Madle, das 1980 eingeweiht werden konn- Verschönerungsverein Pratteln–Augst VVPA in Kellern, Scheunen und Zelten sowie die te. Der Zweck dieses Festes war denn wohl für die Organisation und Durchführung ver- Schulklassen und Gewerbe samt Industrie auch der Grund, weshalb sich Vereine be- antwortlich zeichnete – und dass jedes Fest zum Mitmachen am grossen Festumzug am sonders mächtig ins Zeug legten und sich für kurze oder längere Zeit eine Abkühlung Sonntag mit 47 Umzugsgruppen. Rund spontan Arbeitsgemeinschaften bildeten, um von oben bekam. 1800 SchülerInnen mit den verschiedensten auch dieses zweite Dorffest nicht so bald in Sujets zeugten bei diesem absoluten Fest- Vergessenheit geraten zu lassen. Dieser Höhepunkt von der Kreativität der Lehrer- Grossanlass war aber auch ein Zeichen der Das erste Prattler Dorf- und Jugendfest schaft und der Begeisterungsfähigkeit unse- Solidarität zwischen Jung und Alt. Anders «Geschichte – Natur – Jugend» rer Jugend, und 20 Industriewagen präsen- als 1966 gab es bereits am Donnerstag ein Ursprünglich war die Idee, eine Aktion «Pro tierten Prattelns wirtschaftliche Vielfalt. Vorfest: Es wurde der «frisch gebackene» Talweiher» zu organisieren, mit dem Ziel, Weitere Höhepunkte dieses Festes waren Landrats-Präsident Heinz Schwob-Dietziger die Öffentlichkeit für die Schaffung eines die Einweihung des Erlimatt-Schulhauses I (damaliger Chef unserer Gemeindepolizei) Naturweihers im Tal als Ersatz für den ver- am Samstag und am Sonntag der Start der gefeiert. So präsentierte sich der Dorfkern landeten Lachmattweiher, der einst den auf Brieftauben beim Talweiher, verbunden mit schon am Donnerstag in seinem Festkleid dem Kirchturm der ref. Kirche nistenden einem Gottesdienst aller Konfessionen. Als mit den prächtig bemalten, grossen Later- Störchen Futter bot, zu mobilisieren. Das Festabzeichen hatte das OK einen Trinkbe- nen. Eine Besonderheit dieses 76er-Festes Talweiher-Fest hätte 1965 «steigen» sollen, cher in Form eines Boccolino gewählt. war der Wettbewerb «Der schönste Vorgar- doch aus terminlichen Gründen unserer ten», der die Gartenbesitzer anspornte, ihre Ortsvereine musste es verschoben werden. Der Reinerlös aus den Beizli und den Unter- Gärten in noch reicherem Blumenschmuck In der Zwischenzeit waren aber auch die haltungsstätten betrug 43340 Franken. prangen zu lassen. Blumen leuchteten auch Fertigstellung des Sekundarschulhauses Erli- Dazu kamen noch einige zehntausend Fran- in den grossen Prattler Chreezen, die en matt I (heute Realschulhaus) sowie der ken aus Spenden von Gewerbe und Indu- miniatur als Festabzeichen angeboten wur- Abschluss der äusseren Renovation des strie. den. Attraktive Angebote, an denen sich Schlosses (nach Meinung einiger Politiker auch Industrie und Gewerbe beteiligten, hätte das Schloss abgebrochen werden sol- Ein vom Liestaler Paul Affolter (mit Pratteln waren Spiele für Kinder im lauschigen Jörin- len, um einem Parkplatz Platz zu machen!), war er durch sein Kino «Iris» an der Burg- park, die Ballonfahrt, die grosse Rutschbahn 351 und der Ochs am Spiess, der so durstig Schulkindern begleitete «erste Spatenstich» stil-Turnhalle angesichts der prekären finan- machte, dass es 3506 Liter Wein, 13270 Li- für das Kultur- und Sportzentrum auf «Gros- ziellen Lage der Gemeinde renoviert werden ter Bier und 13248 Flaschen Mineralwasser sematt» hinter Schloss und Feuerwehr- soll und welche Aktivitäten einst darin statt- brauchte, um all die «Durste» zu löschen. magazin. Die Vereine und Institutionen finden sollen, wusste man nicht. Trotzdem erwirtschafteten in ihren Beizli und an den war das OK voll motiviert und die Vereine Zu Gunsten des Alters- und Pflegeheims Verkaufsständen einen Reingewinn von und verschiedene Gruppen, wie z.B. die Lai- Madle konnte ein Reingewinn von stolzen 200000 Franken, der im Laufe der folgen- enbühne mit kleinen Theater-Aufführun- 235846 Franken erwirtschaftet werden. den Jahre in gewünschte «Nachrüstungen» gen, taten mit. Bei der Eröffnung des Festes im Kuspo investiert worden ist. am Abend des 29. Augusts präsentierte sich der Dorfkern fahnen- und blumenge- Das dritte Prattler Dorffest 1986 schmückt und lustige Dorffest-Männli wie- «Kultur und Sport an einem Ort» Das vierte Prattler Dorffest 1997 sen den Weg in die vielen Beizli in den noch «Vorhang uff» In den achtziger Jahren stand die Realisie- verbliebenen Kellern, Scheunen und in den rung des Kultur- und Sportzentrums bevor. Eigentlich hätte dieses vierte Dorffest 1996 Zelten. Dass das vierte Dorffest nicht so Aus Spargründen konnten nicht alle Wün- stattfinden sollen. Doch in diesem Jahr tru- schwungvoll war wie seine Vorgänger, lag sche der zukünftigen Benützer erfüllt wer- gen die Schwinger der Nordwestschweiz in nicht nur an der kühlen Witterung und am den. So fand dieses dritte Dorffest unter Pratteln ihren Wettstreit aus, so dass es zu- immer wieder fallenden Himmelsnass – bei dem Motto «Kultur und Sport an einem viel des Guten und die Vereine überfordert dem sich die Dorffest-Schirme wie «früschi Ort» bzw. «Alli ziehn am glyche Strick» zu gewesen wären, noch ein Dorffest auf die Weggli» verkaufen liessen –, sondern auch Gunsten von Einrichtungen des Kuspo statt Beine zu stellen. So wurde dieses Fest unter an der wirtschaftlich angespannten Zeit. – und tatsächlich zogen die Vereine am glei- dem Motto «Vorhang uff» eben um ein Jahr chen Strick. Mit einem Ballonflugwettbe- verschoben und fand vom 29. bis 31. Au- Der erwirtschaftete Reingewinn von 158599 werb wurde bereits im Frühling 1986 für gust 1997 statt. Das Motto deutet darauf Franken liegt bis anhin auf einer Bank und das vom 29. bis 31. August stattfindende hin, dass ein Vorhang aufgehen sollte. Lei- trägt Zinsen! Dorffest geworben. Eine besondere Attrak- der ist er heute noch zu! tion waren die Rikschas, in denen sich die Zusammenfassend darf man sagen: Das Festbesucher durch das mit vielen Blumen Obwohl es auch ein schönes Fest war, muss erste Dorffest, als Pratteln rund 12500 Ein- und Laternen mit dem Prattler Stern ge- man doch feststellen, dass die Vereine nicht wohner zählte, blieb unerreicht und wird es schmückte Festareal und von einem Beizli mehr mit einer soo grossen Begeisterung auch bleiben. Dem Zeitgeist entsprechend ins andere ziehen lassen konnten. Neben wie bei den Vorgängerfesten ans Werk gin- sind Idealismus, uneigennütziges Engage- «Ochs am Spiess» hätte auch das «Ritter- gen. Eine gewisse Unlust war spürbar, was ment und Solidarität beinah Fremdworte möhli» im Schloss, zu dem der Prattler An- verständlich ist: Man wusste anfänglich nicht geworden. Doch darf man unseren Verei- zeiger eingeladen hatte, eine Attraktion wer- so recht, zu wessen Gunsten gefestet wer- nen attestieren, dass sie, wenn’s darauf den sollen. Immerhin hat das nicht statt- den soll. Im Gespräch waren unter anderem ankommt, immer wieder zusammenstehen gefundene Ritter-Essen ein Fasnachtssujet der Erweiterungsbau des Alters- und Pflege- und gemeinsam ein Werk vollbringen. Das geliefert. Die tönernen Prattler Hörnli, als heims Madle sowie die zu renovierende ist es denn auch, was Pratteln liebenswert Souvenir gedacht, waren glücklicherweise Dorfturnhalle. Schliesslich entschlossen sich macht und die Dorfgemeinschaft lebendig nicht mit dem Dorffest-Datum versehen! Sie die Vereine anlässlich der IGOP-Versamm- erhält. Emmy Honegger waren dann 1997, gefüllt mit «Täfeli» und lung im Frühling 1996 für Einrichtungen der insgesamt fünf Goldvreneli, ein Renner! Der Dorfturnhalle. Doch wann und ob über- 352 Höhepunkt des Festes war der von 100 haupt diese im Jahre 1906 erbaute Jugend- Kultur und Freizeit … Am 14. August 1835 wurde die Bohrarbeit beim rothen Hause mit Abteufung eines Schächt- chens angefangen, womit, von der Oberfläche des Schachtkranzes gerechnet, folgende Schich- ten durchsunken worden sind: … Aus dem Bohr-Journal des Salinen-Prospektors Carl Christian Friedrich Glenck, das am 14. August 1835 begonnen wurde und minutiös, auf die Arbeitstage bezogen, den Bohrfortschritt und die durchstossenen Erdschichten bis zum Auffinden der Salzlager am 30. Mai 1836 proto- kolliert. Das Bohr-Journal repräsentiert deshalb den Beginn der wirtschaftlichen und industriellen Ent- wicklung Prattelns und der ganzen Region. Oskar Althaus (1908–1965) verbrachte zer. Zum Schluss werfen wir einen Blick auf Prattler Künstlerinnen seine Jugendzeit im Hause seines Onkels, Prattler Ausstellungstätigkeit und Prattler und Künstler der Arzt in Schüpfen war. Als Handwerks- Freizeitkunst. bursche zog er 1935/36 auf Wanderschaft in der Schweiz und in Europa. Seit 1937 in Albert Weisskopf-Schaub (1900–1983). Basel wohnhaft, erfuhr er seine künstleri- Albert Weisskopf wuchs an der Mayenfelser- sche Ausbildung an der Kunstgewerbeschu- strasse 25 in Pratteln auf. Nach der Primar- le in Basel und bei Ernst Nyffenegger in schule in Pratteln und der Bezirksschule in Bern. In seinen expressiven dunkeln Gemäl- Liestal absolvierte er in Liestal im Architek- den dominieren Figuren und Köpfe von star- turbüro Brodtbeck eine Bauzeichnerlehre. Hier geboren, hier aufgewachsen, zugezo- ker Ausdruckskraft, oft in religiöser Thema- Seine Lebensstelle fand er in Pratteln im gen, geblieben, weggezogen – deswegen tik. 60 Werke des Künstlers aus einer be- Baugeschäft Häring AG, wo er mehr als 40 oder trotzdem – Menschen und ihr Werk deutenden Liestaler Privatsammlung befin- Jahre als Bauführer und Architekt tätig war. bleiben präsent. den sich in der Stiftung BEWE im Kunsthaus Schon als Bub ein eifriger Zeichner und in Kunstverein Baselland in Muttenz. der Bezirksschule von Wilhelm Balmer ge- Emil Dill (1861–1938) gehört zu denen, die fördert, bildete er sich in Abendkursen an wegzogen. Seine künstlerische Ausbildung Joseph E. Duvanel (1933–1986) verbrach- der Kunstgewerbeschule Basel weiter aus. erfuhr er an den Akademien von Stuttgart, te seine Schulzeit in Pratteln und zog später 1925 heiratete er Elise Schaub, die ihm vier Karlsruhe, Paris und München. Er blieb aka- nach Basel. Eine schillernde Persönlichkeit, Töchter gebar. 1927 zog die Familie in das demischen Traditionen treu und schuf dun- zugleich begabter Maler und ausgebildeter nach seinen Plänen erbaute Haus an der keltonig-realistische Ölbilder. Vier Jahre ver- Konzertpianist, schuf er in seinen Bildern Gempenstrasse 50. brachte er freischaffend in Basel. 1892 eine oft rätselhafte, visionäre Welt. In erster kehrte er nach München zurück, erwarb das Ehe war er mit der Dichterin Adelheid Fei- Albert Weisskopf war primär Zeichner, und Zeichenlehrerdiplom und wirkte in der Folge genwinter aus Liestal verheiratet. als solcher ein sorgfältiger und präziser Be- 40 Jahre als Lehrer an der Kantonsschule obachter. Mit Bleistift, Farbstift, Tusche, in Zug. Dort wurde er zum (Aquarell)-Maler idyl- Den Malern Albert Weisskopf, Hans Schnei- Radierungen und Lithographien hielt er lischer Landschaften. der, Oskar Gysin sowie dem Plastiker Bruno Pflanzen, Tiere und Landschaften fest. Da- Fiechter ist ein ausführliches Porträt gewid- neben galt seine Liebe alten Dorfpartien, Adolf Weisskopf (1899–1989) ist dem met. Karl Schwob «Karollus» erfährt im Ka- deren Wiedergabe heute wertvolle Doku- Basler Bildhauerkreis zuzurechnen. Er war pitel «Prattler Persönlichkeiten» eine Würdi- mente vergangener Zeit darstellen. Neben Mitglied der Künstlervereinigung Gruppe gung. seinem umfangreichen zeichnerischen Werk 33 und der Basler Künstlergesellschaft und erlernte Albert Weisskopf weitere Techni- ab 1942 Fachlehrer an der Kunstgewerbe- Mit Maria Rolly-Bielser und Ursula Salathé- ken, schuf Mosaiken, Sgraffiti, Steinskulptu- schule Basel. Seine Steinplastiken zeigen sti- Rickenbacher stellen wir zwei Künstlerinnen ren und Reliefs, bemalte Ofenkacheln und lisierte runde Formen, wie der Wasserfrosch vor, die in Pratteln aufgewachsen sind, und Geschirr. Diese intensive nebenberufliche im Planschbecken der Claramatte (1940–41) mit Ruedi Pfirter einen Prattler, der nie in Tätigkeit war nur möglich dank dem Ver- und der Eisbär auf dem Spielplatz am Volta- Pratteln wohnte, in seiner Kunst jedoch Pratt- ständnis und der Begeisterung, die seine platz (1947–49). Um 1940 war er an der ler Themen miteinschliesst. Peter Schweizer Familie seiner Kunst entgegenbrachte. Seine Ausschmückung der Eingangszone des neu- wird im Kapitel «Kunst im öffentlichen Werke sind in Pratteln beliebt und weit ver- erbauten Kunstmuseums beteiligt und schuf Raum» gewürdigt. Als Jüngste in der Reihe breitet, und manchem Freizeitkünstler wur- dort das Vogel-Gryff-Kapitell. präsentieren wir die Malerin Nicole Schmöl- de er zum Vorbild. 355 Immer beschäftigte ihn neben der Architek- tur intensiv die Malerei. In Öl und Aquarell entstanden Landschaften, Stilleben und Dorf- partien. Eine Meisterleistung sind seine Wandmalereien von 1939 im 1938 erstell- ten Gebäude der Gemeindeverwaltung Prat- teln mit Szenen aus Gewerbe und Arbeit (1.Stock, heute Sitzungsraum der Bauver- waltung). An der Längswand ein Waldarbei- ter, ein mit zwei Pferden pflügender Bauer, ein Sämann, eine Bäuerin mit Kindern, eine Frau mit gefülltem Kirschenkorb. Zwischen den Fenstern eine Schnitterin, dann Rebbau mit Traubenernte. An der Stirnwand Bau- handwerker, Chemie- und Salinenarbeiter bei ihren jeweiligen Tätigkeiten. Die grossen Wandflächen sind souverän gegliedert in ruhigem Rhythmus, die Farben sind hell mit subtilen Übergängen und wenigen starken Akzenten1. Hans Schneider hat in Pratteln und Frenkendorf weitere Wandmalereien Albert Weisskopf: Zeichnung, Prattler Hauptstrasse am 1. August 1950, 52 x 38 cm. und Sgraffiti geschaffen2. Bilder und Zeich- nungen des Künstlers befinden sich in vielen Im Schloss Pratteln fanden zu seinem 75. der Kunstgewerbeschule. Ein Volontariat in Privatsammlungen und Institutionen, wie und 80. Geburtstag Ausstellungen statt der Prattler Zimmerei Häring folgte. Dann auch im Prattler Museum im Bürgerhaus. sowie Gedächtnisausstellungen zum 10. war er für den Schweizer Burgenverein 1978 fand im Schloss eine grosse Gedächt- Todesjahr und zum 100. Geburtstag. Im tätig, leitete Krisenarbeitslager und über- nisausstellung statt. Überblick zeigt sich das Jahrzehnt 1945 bis nahm die Renovation der Burg Ehrenfels in 1955 besonders fruchtbar. In dieser Zeit er- Graubünden. 1932 kehrte er als selbständi- 1 Teilrestauration 1969 durch Hans Schneider. lebte Albert Weisskopf den Höhepunkt sei- ger Architekt nach Pratteln zurück. Ver- Besichtigung auf Anfrage möglich. nes Schaffens. schiedene Privathäuser in Pratteln und Mut- 2 Gottesackerstr. 5, Sgraffiti «Familie», 1950; Dro- tenz entstanden, als erstes ein Haus für gerie Strübin Giebel, Sonnenuhr mit Symbolen. Hans Schneider (1906–1976). Hans Schnei- seinen Bruder Fritz. 1934 heiratete Hans Frenkendorf: Turnhalle an der Halde, 1955 (Sgraf- der wuchs am Schützenweg in Pratteln auf Schneider. 1942 baute er seiner jungen Fa- fito), und Bruggweg 2, 1973 (Mineralfarben). als ältestes von acht Geschwistern. Nach milie (bald mit Tochter und Sohn) das Haus den Schuljahren arbeitete er vier Jahre als am Breiteweg 13 mit Atelier. Viele Jahre war Oskar Gysin *1919. Oskar Gysin, geboren in Färber in der Chemischen Fabrik Rohner. Hans Schneider auch als kantonaler Gebäu- Muttenz und aufgewachsen in Schweizer- Seine Freizeit widmete er der Malerei; er deschätzer tätig. Als Architekt und Bauleiter halle, hatte das Glück, sich seit seiner Jugend hegte den innigen Wunsch, Maler zu wer- war er 1965–67 verantwortlich für die Reno- durch Zeichnen und Malen ausdrücken zu den. In Basel absolvierte er eine Lehre als vation des Prattler Schlosses. können. So war es sein Ziel, Kunstmaler zu 356 Bauzeichner und besuchte Abendkurse an werden. 1956 heiratete er Lisa Hunziker. Die Bald Mutter zweier Söhne, widmete sie sich vorerst der Familie. Ihre künstlerische Tätig- keit setzte 1965 ein, die erste Ausstellung erfolgte 1966. Als Malerin-Autodidaktin ver- bindet sie naive Kunst mit surrealistischen Elementen. Sie schöpft aus empfindsam re- gistrierten, starkhaftenden Erinnerungen und einer weitausgreifenden, präzisen Fantasie. Ihre Empfindungen kleidet sie in eine sehr persönliche Zeichen- und Bildsprache, die berührt und ihre Geheimnisse nicht leicht preisgibt.

Seit 1966 sind die Werke Maria Rollys regel- mässig zu sehen in Einzel- und Gruppenaus- Hans Schneider: Wandbild, entstanden 1939, im Sitzungssal der Bauverwaltung im ersten Stock der stellungen. Sie nahm teil an internationalen Gemeindeverwaltung, Pratteln. Ausstellungen naiver Malerei in

Familie, bald mit Tochter und Sohn, wohnte geheimnisvollen Traumlandschaften leben- bis 1986 an der Gempenstrasse in Pratteln. dig nahe bringt. 1963 entschloss sich Oskar Gysin, unter- stützt von seiner Frau und seinen Freunden, Oskar Gysins erste Ausstellung fand 1963 zum Schritt ins freiberufliche Künstlertum. an der Gempenstrasse statt. Es folgten viele Einzel- und Gruppenausstellungen, ab 1968 In seinem Werk gibt es zwei markante Berei- auch im Schloss Pratteln. Verschiedene Stu- che: Zeichnen und Aquarellieren hauptsäch- dienreisen führten ihn nach Kenia, Brasilien lich in der Natur vor den Objekten, und zum und Indonesien. Seit 1986 lebt er mit seiner andern das Gestalten einer Fabelwelt, die Frau in Kirchleerau AG. Seine Zeichnungen gänzlich seiner Fantasie entspringt. Für die und Aquarelle und seine heiteren Fabelbil- Zeichnungen hat Oskar Gysin besonders die der haben weit über Pratteln hinaus viele Rohrfedertechnik entwickelt. Das Schilfrohr Liebhaber gefunden. gibt die Tusche unterschiedlich ab, vom sat- ten Schwarz bis zum weichen Grau, was Maria Rolly-Bielser *1925. Maria Bielser malerische Effekte ermöglicht. In dieser Art wuchs in Pratteln im Hause ihrer Grosseltern entstanden Dorfansichten, Landschaftsbil- auf. Nach einem Haushaltlehrjahr in Pratteln der und figürliche Darstellungen in Pratteln besuchte sie in Basel die Handelsschule. Als und an vielen anderen Orten. In den Fabel- kaufmännische Angestellte arbeitete sie im bildern in Aquarell und Öl treten fröhlich- Büro der Milch- und Landwirtschaftlichen heitere Fantasiegeschöpfe und Wesen aus Genossenschaft in Pratteln und später bei der Insekten- und Vogelwelt auf, die uns der Roche AG. 1951 heiratete sie den Grafi- Maria Rolly: «Heiteres Erwachen», Tempera, Oskar Gysin in unzähligen Variationen in ker Hanspeter Rolly und zog nach Basel. 102x73 cm, 1992. 357 de. Dieses aktuelle Landschaftsbild ist The- ma ihrer Kunst. Es geht ihr dabei um das Erfassen von Grundphänomenen, von Rhyth- men und Strukturen. Skizzen, die vor Ort entstehen, erfahren im Atelier eine radikale Vereinfachung und Konzentration bis hin zu geometrischen Formen. Das harte Aufein- anderstossen von Gebautem und Gewach- senem, die Zerstückelung mit Autobahn- und Strassenschneisen übersetzt sie mit hef- tigem Pinselduktus und starken Helldunkel- Kontrasten in ihre eigene, dynamische Bild- sprache. Wie werden wir mit wachsenden Einschränkungen fertig? Wo bleiben Frei- räume offen? Solche Fragen an die Land- schaft münden in Lebensfragen.

In der Grafik verfolgt die Künstlerin die glei- chen Ziele mit den vielseitigen Techniken des Tiefdrucks, in kleinen Formaten, ge- druckt auf der eigenen Handdruckpresse. 1983 war sie Preisträgerin im Grafik-Wett- bewerb des Kantons Basel-Landschaft.

Ursula Salathé ist seit 1984 Vizepräsidentin der Basler Künstlergesellschaft. Einzel- und Ursula Salathé: «Gegenwelt II», Acryl auf Leinwand, 130 x 100 cm, 2001. Gruppenausstellungen in Basel und der Re- gion; 1975 waren ihre Werke im Schloss (1969, 1976), Paris (1975) und Stockholm in Pratteln aufgewachsenen Historiker René Pratteln zu sehen. 2003 erhielt Ursula Sala- (1975). Einen 16teiligen Zyklus «Mütter» Salathé und Mutter von drei Kindern gelang thé den Kulturpreis der Gemeinde Reinach. zeigte sie 1992/93 im Musée d’Art Naif Max ihr die nicht immer leichte Aufgabe, ihren Fourny in Paris und 1993 in der Kunsthalle Beruf als Künstlerin mit den Familienpflich- Ruedi Pfirter *1936. Der Prattler Bürger Basel. ten zu verbinden. In Reinach, wo sie seit Ruedi Pfirter wuchs in Thalwil auf. Ausgebil- 1966 wohnt, hat sie ihr Atelier für experi- det zum Primarlehrer am Lehrerseminar in Ursula Salathé-Rickenbacher *1936. Ur- mentelle Druckgrafik eingerichtet. Ihr Mal- Kreuzlingen und zum Kunsterzieher an der sula Rickenbacher wuchs in Pratteln auf, atelier befindet sich in Birsfelden. Schule für Gestaltung in Basel, war er 1971 besuchte das Gymnasium in Basel und erfuhr bis 1997 als Dozent für Fachdidaktik Visuel- ihre künstlerische Ausbildung an der Kunst- Seit ihrer Jugend sehr naturverbunden hat le Erziehung und Werkerziehung am Kan- gewerbeschule Basel. Weiterausbildung in sie intensiv miterlebt, wie das einst ländliche tonalen Lehrerseminar in Liestal tätig. Seit grafischen Techniken und Auslandaufent- Baselbiet in kurzer Zeit über weite Strecken 1975 wohnt er mit seiner Familie in Höl- 358 halte folgten. Verheiratet mit dem ebenfalls zur dicht bebauten Industrielandschaft wur- stein. Als Künstler ist er in den Bereichen Holz- Ruedi Pfirter: Farbholzschnitt-Zyklus Der «Butz», 1993, Blattgrösse 50 x 66 cm. schnitt, Malerei/Zeichnung und Metallpla- stik aktiv. Seine markanten Farbholzschnit- te, die er selbst auf einer imposanten Hand- druckpresse druckt, haben vielfach Sagen und Bräuche zum Thema. Den Baselbieter Sagen gewidmet sind seine Grafikmappen von 1984 und 1987, aus denen die Illustra- tionen im «Häxebäse» stammen (Baselbie- ter Sagen für die Schule, 1992). Der rasante Wirbeltanz der Hexen auf der Prattler Hex- matt gehört dazu. Für Pratteln entstanden auch Farbholzschnitte der sechs traditionel- len Heischefiguren (Butz) der Prattler Fas- nacht. Der Druck solcher Farbholzschnitte Der Fuhrmann Der «Butz» Dr. Eisenbart ist aufwändig, denn für jede Farbe wird eine separate Holzplatte geschnitten, eingefärbt und in die Presse gebracht. Disziplin ist erste Bedingung, Experimentierlust kommt hin- zu.

Einen Ausgleich zu dieser Arbeit schaffen Acrylbilder, Aquarelle und Zeichnungen. Letztere auch für Buchillustrationen.

Im plastischen Werk von Ruedi Pfirter domi- nieren Vögel, kräftig-wilde Rabenkrähen zumeist, aus Metallblech kantig geschnitten (Robert Th. Stoll/Peter Degen, sassocorvaro, Ruedi Pfirter – Arbeiten in Metall, F. Rein- «Schnäggli-Maa» «Tännli-Maa» «Chärtli-Maa» hardt-Verlag Basel, 2001). Im Prattler Schloss waren Werke des Künstlers 1978, 1987, an. Nicole Schmölzers Liebe zu Kunst und Als Malerin ist sie interessiert an Wahrneh- 1989 und 1994 zu sehen. Sprachen führte 1988 zum Studium der mungsprozessen. Ihr Thema ist die Aus- Kunstwissenschaft und der romanischen drucksfähigkeit der Farbe. In New York, in- Nicole Schmölzer *1968. Nicole Schmöl- Sprach- und Literaturwissenschaft an den spiriert vom intensiven Licht und dem pul- zer wuchs in Pratteln auf. Sie erfuhr früh Universitäten von Basel und Genf, das sie sierenden Stadtleben, begann sie gelbe Bil- schon künstlerische Förderung im Atelier 1995 mit einer Lizentiatsarbeit über Farb- der zu malen. Lasierend-transparent, in vie- Methode Martenot von Marie Hartmann in wirkung abschloss. 1993 entdeckte sie New len sich überlagernden Schichten, mit Auf- Pratteln, deren Kurse sie von 1976 bis 1987 York, die Stadt, die ihr zur zweiten Heimat hellungen und Verdunkelungen, lotet sie besuchte. Ein vertiefendes Jahr an der werden sollte. Heute lebt und arbeitet sie in die Farbe aus in immer wieder neuer An- Kunstschule Martenot in Paris schloss sich Pratteln und Brooklyn, New York. näherung und Vertiefung, auf Leinwand 359 Ausstellungstätigkeit und Freizeitkunst Die erste Kunstausstellung in Pratteln fand bereits 1951 in der Turnhalle des 1950 er- bauten Münchacker-Schulhauses statt, orga- nisiert von René Salathé, Peter Schiegg, Fritz Sutter und Ruedi Pflugshaupt. In dieser Pio- nier-Ausstellung waren die Maler Oskar Alt- haus, Guido Babbi, Oskar Gysin, Hans Schnei- der, Karl Schwob «Karollus» und Albert Weisskopf sowie der Muttenzer Keramiker Mario Mascarin vertreten.

Jahre später erhielt die Kunst im frisch reno- vierten Schloss ein geeignetes Forum. Ab 1974 fanden hier regelmässig Ausstellun- gen statt, organisiert von der Museums- kommission, der späteren Kommission für Kultur und Heimatkunde (bis Mitte 2000), unter dem Patronat des Gemeinderates. Als erste präsentierten Rosa Morof, Nelly Mo- ritz, Hedy Schneider, Fritz Ramseier, Adolf Reichenstein und Paul Schwob ihre Werke. Kurz zuvor, 1972, hatte Marie Hartmann in Pratteln die «Kunstschule Methode Marte- not» eröffnet. Rosa Morof, Hedy Schneider und Paul Schwob gehörten zu den ersten Kursteilnehmern.

Die erste Ausstellung im Schloss stiess auf reges Interesse. Es war der Beginn einer Ket- te von Veranstaltungen, die die Öffentlich- keit mit den Werken von künstlerisch Täti- Nicole Schmölzer: «Yellow 1998», Öl auf Leinwand, 127 x 127 cm, 1998. gen aus Pratteln und der Region vertraut machten. Die Kommission, mit Emmy Ho- und Papier in unterschiedlichen Formaten. Nicole Schmölzer stellte regelmässig in New negger (ab 1987 Präsidentin) und Fritz Sut- Die Farbe gewinnt dabei ein Eigenleben. York aus. In den Jahren 1999 und 2001 ter (Aktuar) und weiteren engagierten Mit- Kleine Variationsschritte können den Aus- waren ihre Werke in Basel, in der Galerie gliedern, hat mit diesen Ausstellungen Ak- druck eines Werkes spürbar ändern. Diesem Carzaniga+Ueker, zu sehen. Sie arbeitet zente gesetzt und wertvolle Impulse vermit- Phänomen geht die Künstlerin in Bildserien auch als Fotografin und gewann 1999 im vier- telt. Neben Präsentationen, in denen zwei 360 nach. ten Prattler Fotowettbewerb den ersten Preis. bis vier Aussteller zum Zug kamen, organi- sierte sie erstmals im Herbst 1982 eine Farbsinn. Fritz Ramseier hat sich auch als Überblicksschau, zu der über 60 Prattler Zierschriftenmaler einen Namen gemacht; FreizeitkünstlerInnen Proben ihres Schaffens für Vereinsanlässe hat er überdies unzählige beitrugen. Im November 1986 präsentier- grosse und kleine Plakate gemalt. ten 65 AusstellerInnen 287 Exponate, wie- derum begleitet vom lebhaften Interesse Adolf Reichenstein, geboren 1916 in Prat- der Bevölkerung. Unter den Teilnehmern teln, absolvierte eine Lehre als Sanitärmon- ragen einige durch die Konstanz ihres teur und ergriff später seinen Wunschberuf Schaffens heraus. Rosa Morof, Fritz Ramsei- Coiffeur, in dem er eine erfolgreiche Karriere er und Adolf Reichenstein haben seit 1974 durchlief. Als Autodidakt malte er schon als kontinuierlich weitergearbeitet und präsen- Lehrling. Ab 1968 besuchte er Kurse bei tierten ihre Werke zuletzt im Frühling 1998 Kurt Pauletto in Basel, später bei Marie Hart- gemeinsam mit Paul Schwob unter dem mann in Pratteln. Die Malerei ist ein fester Titel «Seniorenkunst». Bestandteil seines aktiven und vielseitigen Rosa Morof, «Stilleben», 1976. Lebens. Er legt sich nicht auf einen Stil fest, Rosa Morof, geboren 1909 in Trueb BE, sondern folgt seinen momentanen Ideen wesentlich gefördert. Ihr Ziel ist es, im ganz- lebt seit 1956 in Pratteln. Früh besuchte sie von gegenständlichen Darstellungen bis zu heitlichen Ansatz Kreativität zu wecken und Kurse und malte in ihrer Freizeit. Ihre bevor- abstrakten Arbeiten. In den 1980er-Jahren zur Entfaltung zu bringen. Marie Hartmann zugte Technik ist die Ölmalerei, ihre Motive brachte er für die Vereinigung Künstler und konnte dreimal Arbeiten der Kursteilnehmer holt sie gerne aus ihrem Garten. Genau und Kunstfreunde VKK Schweiz die VKK Regio- im Schloss präsentieren, zuletzt zum 25- liebevoll ins Detail gehend, sind ihre Blu- nalgruppe Nordwestschweiz in Schwung. Ab jährigen Jubiläum 1997. menporträts und Stilleben, ob zart oder 1985 fanden im Foyer der Sporthalle St. Ja- kräftig, immer stimmungsvoll, harmonisch kob jährlich im Herbst interkantonale Ausstel- In der Freizeitkunst steht Freude am be- und ruhig. Ihre Besonderheit sind Glasge- lungen statt, an welchen neben ihm Rosa Mo- glückenden Tun an zentraler Stelle. Eine fässe, deren Transparenz sie mit wenigen rof, Fritz Ramseier, Paul Schwob und weitere lebendige Vielfalt von Ausdrucksmöglich- hellen Strichen zu charakterisieren weiss. künstlerisch Tätige aus Pratteln teilnahmen. keiten wird genutzt: Malerei, Zeichnung, Fotografie, Skulpturen und Plastiken aus ver- Fritz Ramseier, 1913 in Bubendorf gebo- Paul Schwob, geboren 1912 in Pratteln, ist schiedensten Materialien, Mosaikarbeiten, ren, lebt seit 1925 in Pratteln. Vertraut mit vor allem als detailtreuer Maler von Dorfan- textile Werke (gewebt, genäht, geflochten, Farben und Farblehre dank seiner Malerleh- sichten bekannt, die er oft in kleinen bis gestickt), Keramik, Porzellan- und Seiden- re und der Arbeit im eigenen Malergeschäft, kleinsten Formaten ausführt. Er porträtiert malerei, Spielzeugherstellung und vieles widmete er sich nach seiner Pensionierung schöne Winkel in Alt-Pratteln, in den Nach- mehr. Oft nimmt mit wachsendem Engage- intensiv der Kunstmalerei und besuchte bardörfern und in seinem ehemaligen ment auch der künstlerische Anspruch zu. Kurse bei Kurt Pauletto in Basel. Er malt vor Arbeitsort Liestal, wo er bis zu seiner Pensio- Viele Namen wären hier zu nennen, und die allem Landschaften zu jeder Jahreszeit vor nierung im Sanitärgeschäft Rosenmund Liste könnte doch kaum vollständig sein. dem Motiv, in Pratteln und in den umliegen- tätig war. Seine künstlerische Ausbildung Pratteln scheint kein schlechter Boden zu den Dörfern, dazu oft und gerne im verdankt er der Kunstschule Martenot von sein für eine vielseitige Freizeitkunst. Freuen Emmental. Diese Landschaften sind gross- Marie Hartmann. wir uns also auf die nächste Überblicks- zügig angelegt, oft weit und lichterfüllt. schau im Schloss! Dr. Susanne Brugger Licht-Schatten-Spiele schaffen Atmosphäre, Die Kunstschule Martenot von Marie eine reiche Grünskala zeugt von seinem Hartmann hat viele Kunstinteressierte 361 Kalligraphie ins Dreidimensionale ist dem Kunst Künstler gelungen, der Stein lebt und die im öffentlichen Raum Schwere des Materials scheint überwunden.

Lorenz Balmer wuchs in Herisau auf, besuchte das Gymnasium in St. Gallen und studierte in Zürich und Paris. Seit 1946 lebt er als freischaffender Bildhauer in Basel. Er hat zahlreiche Werke für den öffentlichen Pratteln besitzt im öffentlichen Raum mehr Raum geschaffen, besonders in der Region als ein Dutzend Kunstwerke. Geschaffen von Basel, oft auch in Zusammenarbeit mit der namhaften Künstlerinnen und Künstlern, Bildhauerin Helen Balmer, seiner Frau. finanziert von der Gemeinde, vom Kanton und von privater Seite bereichern diese Bettina Eichin *1942 in Bern, Bildhauerin, Kunstwerke unseren Alltag und sind es wohnt in Basel. wert, immer wieder ganz bewusst wahrge- Mnemosyne 1997, Bronze, Friedhof Blözen, nommen zu werden. Gemeinschaftsgrab.

Lorenz Balmer *1916 in Herisau AR, Bild- Die grosse Bronzefigur, die, in ein weites hauer, wohnt in Basel. Tuch gehüllt, sinnend am Rande des Ge- Kalligraphie in Marmor 1975–82, Marmor, meinschaftsgrabes sitzt, ist Mnemosyne, in L14 m, Fröschmattschulhaus, Aula I. der antiken Mythologie die Verkörperung des Gedächtnisses und die Mutter der neun Bettina Eichin: «Mnemosyne», 1997. Kalligraphie bedeutet Schönschrift und wird Musen. Friedvoll und mütterlich, voll innerer in fernöstlicher Tradition mit Tusche und Kraft, scheint sie die Ruhe der Verstorbenen Bettina Eichin wuchs in Bern und Fribourg Pinsel leichthändig aufs Papier gebracht. und unser Erinnern zu hüten und zu schüt- auf. Mit dem Wunsch, freischaffende Künst- Lorenz Balmer übersetzt einen solchen zen. Bettina Eichin schuf die Figur 1997 im lerin zu werden, besuchte sie die Kunstge- Schriftzug in ein Marmorrelief aus mehreren Auftrag der Prattler Bürgerin Elsy Nyffeneg- werbeschule in Bern und absolvierte gleich- Teilen, die über die ganze Betonwand zu ger-Atz, die das Kunstwerk der Gemeinde zeitig eine Steinmetz- und Steinbildhauer- tanzen scheinen. Mit diesem ungewöhnli- schenkte im Andenken an ihren Gatten und lehre in Thun und später an der Münster- chen Projekt gewann er den Wettbewerb ihre Eltern. bauhütte in Bern. Aufenthalte in Griechen- von 1975 unter 62 eingereichten Entwürfen. land führten zur Auseinandersetzung mit Die Künstlerin hat für ihre Bronzefiguren antiker Plastik. 1979 bezog sie ihr Atelier in Der weisse Marmor stammt aus den Stein- eine eigene Technik entwickelt. Sie model- Basel und wandte sich ganz der Kunst im brüchen von Peccia im Maggiatal im Tessin, liert sie seit 1980 1:1 in Wachs für den direk- öffentlichen Raum, dem Ausdrucksmittel wo Lorenz Balmer die Teilstücke zurichtete. ten Bronzeguss (cire perdue = verlorene Realismus und dem Werkstoff Bronze zu. Das Werk, anspruchsvoll in künstlerischer Form), was den Unikaten eine unverwech- Ihre monumentalen Plastiken haben Denk- wie in technischer Hinsicht, kostete ihm sie- selbare Handschrift verleiht. Eine Giesserei, malcharakter und enthalten engagierte Bot- ben Jahre Arbeit. Auch die Montage gestal- die die heikle Arbeit des Gusses sorgfältig schaften. Ihre «Helvetia auf Reisen», 1979– tete sich schwierig wegen dem grossen und sensibel realisiert, hat sie in Italien, in 80 für die Kleinbasler Seite der Mittleren 362 Gewicht der Steinteile. Die Umsetzung der Pietra Santa, gefunden. Rheinbrücke geschaffen, ist weit herum bekannt und beliebt. Die Gruppe der neun statt zwischen den beiden Materialien Eisen nik ist seit der Renaissance in Italien bekannt Musen von 1982–92 wurde in Bern, Basel und Beton, zwischen den vertikalen, hori- und in der Schweiz im Engadin beliebt (An- und Berlin gezeigt und hat 1996 ihren Stand- zontalen und kreisenden Formen wie auch deer, Guarda). Die Zeichnung wird dabei mit ort in der Universität Freiburg i. Br. (D) ge- zwischen der Plastik und ihrer Umgebung. Spezialmessern aus dem noch weichen Ver- funden. Im kleinen Kreuzgang des Basler putz herausgekratzt (ital: sgraffiare = krat- Münsters stehen zwei Markttische, die Ei- Jakob Engler ist in Basel aufgewachsen. zen), bis der dunkle Unterputz sichtbar wird. chin für ein nicht ausgeführtes Brunnenpro- Nach einer Lehre als Holzbildhauer besuch- Wichtig sind sorgfältige Vorbereitung und jekt am Marktplatz schuf. Das Menschen- te er die Kunstgewerbeschule Basel und die sehr zügiges Arbeiten, denn wenn der Ver- rechts-Denkmal im Gedenken an Peter Ochs Ecole des Beaux Arts Paris. Seit 1958 ist er in putz trocken ist, ist er nicht mehr bearbeitbar. zum Helvetik-Jubiläum von 1998 befindet Therwil ansässig und seit 1988 auch im sich an der Nordwand der Predigerkirche katalanischen Ullastret tätig. Er hat zahlrei- Für das Münchacker-Schulhaus wählte die Basel. che Werke für den öffentlichen Raum ge- Künstlerin Tierbilder. Rehe, Hasen und Eich- schaffen, die oft charakterisiert sind durch hörnchen schliessen sich zur Gruppe zu- Jakob Engler *1933 in Basel, Bildhauer den Dialog verschiedener Materialien wie sammen, ein Fuchs schleicht vorbei, ein und Plastiker, wohnt in Therwil BL. Metall, Stein, Terracotta. Diese Eigenheit Storch fliegt. Dazu kommt eine strahlende Offener Kreisdialog 1988, Beton und Eisen, zeichnet auch seine Kleinplastiken aus. Sonne, die als Uhr dient. Im Schulhaus H 2,95 m, Bahnhofstrasse 32, vor KIGA. Fröschmatt steht im Foyer der Aula I ihr 1992 erhielt Jakob Engler den Kunstpreis «Lebensbaum» mit zugehörigem Brunnen. Seit das Kantonale Arbeitsamt 1960 das der Jubiläumsstiftung der Basellandschaftli- Im Kindergarten Hexmatt illustriert ein mehr- Gebäude an der Bahnhofstrasse bezog, hat chen Kantonalbank. 1996 fand in Allschwil farbiges Sgraffito mit einem Reigen von 16 es zahlreiche neue Aufgaben übernommen eine grosse retrospektive Ausstellung statt, Tieren die Fabel «Der König der Tiere» des und ist zum Kantonalen Amt für Industrie, und im selben Jahr erschien eine umfassen- französischen Dichters Jean de la Fontaine Gewerbe und Arbeit, KIGA, geworden. Die de Publikation zu seinem Werk (M.L. Borras (1621–1695). dringende Erweiterung des Gebäudes er- und H.-P. Wittwer, Jakob Engler, Plastiken folgte 1987/88 und Jakob Engler wurde ein- aus vier Jahrzehnten, Friedrich Reinhardt Nach mehrjährigem Auslandaufenthalt nahm geladen, eine Plastik für den Eingangsbe- Verlag Basel/Berlin 1996). die Familie Hegnauer im Kanton Aargau reich zu schaffen. Bereits während der Bau- Wohnsitz. Die Künstlerin blieb jedoch mit phase konnte er seine Ideen in Zusammen- Elsy Hegnauer-Denner *1917 in Zürich, Pratteln verbunden. Davon zeugt ihr hier arbeit mit Architekt und Bauherrin ent- Bildhauerin, wohnt in Zufikon AG. wohl bekanntestes Werk, das Sgraffito «Am wickeln, was als Glücksfall für die künstleri- Sgraffiti im Auftrag der Gemeinde an den Kutschenweg». Es zeigt einen vornehmen sche Arbeit im öffentlichen Raum zu Schulhäusern Münchacker 1950 und Zweispänner auf rasanter Fahrt vom Herr- bezeichnen ist. Fröschmatt I 1954, Kindergarten Hexmatt schaftshaus Mayenfels herunterkommend. 1957. Ferner Flötenspieler, Tramstrasse 16, Die dynamische Linienführung, die schon Bau und Plastik setzen markante Akzente. von 1950; Am Kutschenweg, Gempenstras- ihre früheren Werke auszeichnet, wird hier Die Plastik nimmt die Hauptrichtungen der se 52, 1962. mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten er- Architektur und des Strassenverlaufs auf gänzt. Mitarbeiter bei der Realisation dieses und schafft gleichzeitig mit der Kreisform Elsy Hegnauer-Denner, aufgewachsen in Zü- Werkes waren Albert Weisskopf und Walter einen deutlichen Kontrapunkt. Jakob Eng- rich, ausgebildet in Zürich, Genf und Paris, Eglin. 1982 fand zum 65. Geburtstag der lers Anliegen war es, die Öffnung der Insti- lebte nach ihrer Verheiratung von 1947 bis Künstlerin im Schloss Pratteln eine Ausstel- tution KIGA zur vielschichtig verzahnten 1956 in Pratteln. Sie hat hier mehrere lung mit Skulpturen, Lithographien und Arbeitswelt auszudrücken. Ein Dialog findet Wandbilder geschaffen. Die Sgraffito-Tech- Zeichnungen statt. 363 steine aus Gneis mit schönen Quarzadern stehen und liegen auf einer grossen Rondel- le. Wie für Grenzsteine üblich, ist nur ihr Kopf geschliffen, ihr Fuss jedoch roh belas- sen. Dieser Kontrast bringt den Stein gut zur Geltung. Unversetzt sind diese Grenzsteine geblieben, und so plädieren sie für durchläs- sige Grenzen. Die Rondelle, die als Basis und Drehscheibe in der Weggabelung dienen, besitzt in ihrer Mitte eine breite Fuge. Der Künstler betont damit die Achse, die vom Kultur- und Sportzentrum zurückführt zum alten Dorfkern mit Schloss und Kirche. Ver- wurzelung im Alten und Offenheit für Neues ergänzen sich sinnvoll.

Kersten Käfer wuchs in Liestal auf. Einer Lehre als Reprofotograf folgte seine Bilder- hauerausbildung an der Schule für Gestal- tung in Basel und im Atelier von Albert Schilling in Arlesheim. Seit 1981 lebt er frei- schaffend als Bildhauer und Maler in Gelter- kinden und Oltingen. Weitere Werke des Künstlers sind u.a. in Liestal zu finden, wo er ein Steinrelief für die Abdankungshalle Elsy Hegnauer, Walter Eglin und Albert Weiss- des Friedhofs und eine Freiplastik für den Kersten Käfer: «Unversetzte Grenzsteine», 1988, kopf schufen 1962 das Sgraffito mit dem Titel Pausenhof des Kaufmännischen Vereins vor dem Kultur- und Sport-Zentrum beim Schloss. «Am Kutschenweg» an der Gempenstrasse 52. gestaltete. Für das Altersheim in Ormalin- gen schuf er eine Brunnenskulptur. Bruno Leus, dass er sich genau auf die Situa- tion einlässt und eine unkonventionelle Lö- Kersten Käfer *1955 in Wieslet D, Bildhau- Bruno Leus *1943 in Basel, Plastiker, sung präsentiert. Raffiniert ahmt das Metall- er und Maler, wohnt in Oltingen BL. wohnt in Flüh SO. blech das weiche Packpapier mit seinen Unversetzte Grenzsteine 1988, Gneis aus Verschnürtes Paket 1991, Chromnickelstahl- Knitterfalten und Überschlägen und die Lodrino TI, H 3,6 m, Dm Rondelle 7 m, Blech, 2,9 x 9,5 m, Bahnhofstrasse 34. satte Verschnürung nach. Die technisch Schlosspark. schwierige Umsetzung des Papiermodells in «Hier steht die Post» signalisiert unmissver- Metall war für den experimentierfreudigen Die Skulptur steht zwischen Schloss und ständlich das silberglänzende Riesenpaket, Künstler eine Herausforderung. Kultur- und Sportzentrum in der Nachbar- das vor dem Postgebäude die Telefonkabi- schaft von acht alten Prattler Grenzsteinen. nen beherbergt. Das heitere und witzige Bruno Leus ist in Basel aufgewachsen. Nach Sie verbindet Tradition und Moderne auf Werk entstand 1991 zusammen mit dem einer Hochbauzeichnerlehre und einigen 364 spannungsvolle Weise. Fünf riesige Grenz- Neubau der Post. Es ist charakteristisch für Jahren Tätigkeit in diesem Beruf bildete er sich an der Kunstgewerbeschule Basel wei- ter aus. Seit 1976 wohnt er in Flüh SO, seit 1996 besitzt er auch ein Atelier in Winter- singen BL. Er hat in den Kantonen Solo- thurn, Basel-Landschaft und Baselstadt zahl- reiche Werke für den öffentlichen Raum ge- schaffen. U.a. entstand 1986 für die Stadt- Gärtnerei in Unter-Brüglingen eine Galerie von 50 «Bengeln» aus sechs Meter hohen Robinienstämmen. Für die Überbauung im Ziegel-Garten in Oberwil BL schuf er 1993 zehn grosse Segel aus Stahl und Glas am Durchgang der Lärmschutzwand. Das Aus- bildungszentrum SSIV in Lostorf SO besitzt zehn grosse Stahlobjekte des Künstlers von 1995.

Claire Ochsner *1948 in Zürich, Plastikerin und Malerin, wohnt in Frenkendorf. Sonnenvogel 1994, Polyester und Fiberglas, bemalt, 2,45 x 3,3 m, Jörin-Park. Stabile mit roter Kugel 1997, Aluminium- blech, bemalt, 6 x 2,2 x 2,2 m, Realschul- haus Erlimatt II.

Fröhlich leuchtet in hellem Gold-Orange der Bruno Leus: «Verschnürtes Paket», 1991. grosse Sonnenvogel im Jörin-Park. Es ist eine bespielbare Skulptur. Die Kinder kön- ter Art. Zwei ähnliche Stabiles entstanden Jahr 2000 erhielt sie den Kunstpreis der nen darauf herumklettern. Spiel und Kunst mit den Werkjahr-Klassen von Bottmingen Basellandschaftlichen Kantonalbank. Sie stellt sind verbunden. und Frenkendorf (mit Bernhard Sommerer). regelmässig im In- und Ausland aus, u.a. 1998 im Schloss Pratteln und 2001 im Park Ein zweites Werk der Künstlerin steht beim Claire Ochsner studierte Mathematik an der des St. Claraspitals Basel. Realschulhaus Erlimatt II. Claire Ochsner hat Universität Zürich und bildete sich zusätzlich hier 1997 mit den Prattler Klassen des Werk- aus an den Kunstgewerbeschulen von Zü- Jakob Probst *1880 Reigoldswil, † 1966 jahres Baselland zusammengearbeitet. Ent- rich und Amsterdam. Nach ihrer Heirat und Vira/Gambarogno TI, Bildhauer. wurf und Bemalung gehen auf die Künstle- Familiengründung begann sie Kinderbücher Elektra 1970 nach Modell von 1930–39, rin zurück, Jacqueline Kunz und ihre Schüler zu illustrieren und zu malen. Später folgten Bronze, H 2,55 m. Gartenpark Altersheim zeichnen für den Metallbau. Auf hoher Mobiles, Klein- und Grossplastiken. Strah- Nägelin-Stiftung, Bahnhofstrasse 40. Stange sind leuchtend farbige, drehbare lende Farben, spielerisch bewegte Formen Teile montiert wie Spiralen, Sicheln, eine und eine intensive Ausstrahlung von Le- Die kräftige und doch elegante weibliche rote Kugel und Windrädchen verschiedens- bensfreude charakterisieren ihre Werke. Im Figur scheint über hohem Sockel aus dem 365 Bildhaueratelier in Basel. 1923 erregte seine im Auftrag der Kunstkreditkommission Ba- sel für die Steinenschanze geschaffene Steinskulptur einer sitzenden weiblichen Figur einen öffentlichen Skandal als eines der ersten modernen Bildwerke der Stadt (heute beim Bernoullianum). Kontrovers wur- de anfänglich auch sein Wehrmannsdenk- mal in Liestal aufgenommen. Den Durch- bruch und den Höhepunkt der künstleri- schen Anerkennung erlebte Probst nach dem Zweiten Weltkrieg. Er erhielt viele öf- fentliche Aufträge für Denkmäler. 1952 nahm er an der Biennale in Venedig mit 26 Werken teil und fand internationale Aner- kennung. 1933–63 lebte er in Peney, Genf, Claire Ochsner: «Sonnenvogel», 1994. 1963–66 in Vira, Tessin. Wichtige Werke befinden sich im Kunsthaus Aarau und im Felsen herauszuwachsen. Machtvoll aus- Kunstmuseum Olten. Seinem letzten Willen schreitend mit erhobenen Armen wirkt sie gemäss wurde 1967 seine Asche im Wehr- energiegeladen und willensstark. Jakob mannsdenkmal in Liestal eingemauert. Albert Schilling: «Vas spirituale», 1970. Probst hat damit Elektra, eine Persönlichkeit aus der antiken Tragödienliteratur, monu- Albert Schilling *1904 in Zürich, †1987 Engelberg bis zur Maturität und erwarb in mental gestaltet. Arlesheim, Bildhauer. mehreren Semestern Theologiestudium um- Vas spirituale, 1970, Kalkstein, H 2,1 m. fassende religiöse und liturgische Kenntnis- Elektra wurde dreimal in Bronze gegossen. Schlossstrasse 34, Gemeindeverwaltung. se. 1930 bis 1932 erfolgte seine Ausbildung Eine Figur befindet sich in Solothurn (Be- zum Bildhauer in Berlin an der Hochschule rufsschule), eine in Olten (ATEL). Das Gips- Vas spirituale – geistiges Gefäss – ist ein für bildende Kunst. Nach Zurich (1932–39) modell wird in Reigoldswil aufbewahrt. ruhiges, in sich geschlossenes Werk von und Stans (1939–46) wählte er Arlesheim meditativer Ausstrahlung. Die Skulptur spielt als Wohn- und Arbeitsort. Er schuf zahlrei- Jakob Probst war einer der urwüchsigsten mit sorgfältig abgewogenen Konvex- und che, vorwiegend kirchliche Werke im In- Bildhauer seiner Epoche. Er entstammt einer Konkavformen. Entsprechend erhält das und Ausland und gilt als wichtigster Erneue- Bauernfamilie in Reigoldswil. Nach einer Licht Bedeutung, das mit feinen Übergän- rer der sakralen Plastik der Schweiz. 1962 Zimmermannslehre zog er als Wandergesel- gen die Wölbungen erhellt und die Höhlun- nahm Schilling an der Biennale in Venedig le durch verschiedene Länder, besuchte gen verschattet. Trotz der abstrakten For- teil, wo ihm das Liturgische Institut Rom den 1906 eine Architekturschule in München mensprache wirkt die Skulptur körperlich, Preis für Bildhauerei verlieh. 1974 erhielt er und arbeitete ab 1908 für eine Holzhäuser- und der Name, den ihr der Künstler gege- den Kulturpreis des Kantons Basel-Land- firma in Genf. Dreissigjährig kam er nach ben hat, lässt sich nachempfinden. schaft. Die monumentale Steinskulptur und Paris, wo der Bildhauer Antoine Bourdelle die Platzgestaltung vor dem Hauptsitz der seine plastische Begabung erkannte und Albert Schilling wuchs in Zürich auf. Er Kantonalbank in Liestal hat Albert Schilling 366 förderte. 1913–32 betrieb Jakob Probst ein besuchte die Klosterschulen Disentis und 1981 geschaffen. tungen. Auf jeder Seite erheben sich drei Postscript zur hohe, schlanke Stelen mit schaufelförmigen Prattler Kunstszene Abschluss. Die Schaufeln besitzen zwei kreisrunde Öffnungen und werden mit die- sen «Augen» zum Gesicht. Wie Schutzgeis- Äusserst vielfältig ist sie, die Prattler Kunst- ter scheinen die zwölf Gestalten über dem szene und dazu präsentieren sie sich facet- Verkehrsfluss zu wachen und zu Vorsicht tenreich, die Prattler Kunstschaffenden, die und Rücksicht zu mahnen. hier in Pratteln wirken. Fünf Kurzporträts runden das Inventar der Kunstszene ab. Die Idee einer Galerie im Freien beschäftigte Peter Schweizer seit langem. 1990/91 ent- Jutta Bielser-Jost standen in Jemen (Südarabien) die Fotos für den Bildband «Jemen – Begegnungen», ein Jutta Jost wurde am 10. September 1933 in Werk, das 1994 die Auszeichnung «Schönste Worb geboren, wo sie auch die Schulen Schweizer Bücher» des Bundesamtes für Kul- besuchte, um nach einer kaufmännischen tur erhielt. Dieser Erfolg half mit, die Galerie Ausbildung den Jahresvorkurs an der Kunst- zu realisieren. Sie ist in der Schweiz die erste gewerbeschule in Bern zu absolvieren. Die- ihrer Art. «Fremde Männer im Dorf» wurde ser kunstgewerbliche Jahreskurs, an dem die die erste Ausstellung betitelt. Die Porträtier- Teilnehmer mit allen Aspekten des Kunst- ten, frontal aufgenommen, konzentriert und handwerks vertraut gemacht wurden, sollte ernst, nehmen Blickkontakt auf mit den Vor- richtungsbestimmend für den künstlerischen übergehenden. Sie provozieren im guten Lebensweg Jutta Josts werden, denn sie trat Sinne, und ihr Fremdsein wird nach mehr- unmittelbar nach dem Kursabschluss und Peter Schweizer: «Visages de Pelle», 1996/97. maliger Begegnung vertraut. mit dem erforderlichen Basiswissen verse- hen, eine zehnjährige kunstgewerbliche Tä- Schilling Albert: Sakrale Kunst, Band 8 (mit Peter Schweizers Jemen-Fotos hatten im tigkeit in der mit dem Schweizerischen Hei- Werkverzeichnis), NZN Verlag Zürich 1966. Jemen selbst starken Nachhall. 1999 konnte matwerk verbundenen Hausweberei Saanen Kunz Anne: Der Bildhauer Albert Schilling, Basel- er mit grossem Erfolg «Yemen People Face an. Der Referenzbetrieb des Schweizerischen bieter Heimatbuch Nr. 16, 1987, p.221–227. to Face» als permanente Fotoausstellung im Heimatwerks beschäftigte in der Textil- und ehemaligen Imamspalast in der Nähe der Teppichproduktion damals 120 Mitarbeiter Peter Schweizer-Scolari *1945 in Rei- Hauptstadt Sana’a einrichten. und Mitarbeiterinnen, die zum Teil in Heim- goldswil. Architekt, Designer, Fotograf, Plas- arbeit auf den privaten Webstühlen die be- tiker. Wohnt in Pratteln. Peter Schweizer engagiert sich auch in der gehrten Textil- und Webprodukte nach den Visages de Pelle 1996/97, Eisenplastik Wan- Jugendarbeit und organisiert legale Graffiti- Vorgaben des Referenzbetriebes herstellten. nenkreisel. Spray-Aktionen im öffentlichen Raum. Pro- Diese mehrjährige Tätigkeit prägte Jutta Jost Outdoor-Photo-Galery 1997, Hauptstrasse 34. vokation im guten Sinn sucht er gern auch entscheidend. in der Kunst am Bau und in der Werbung. Die Plastik im Wannenkreisel nimmt mit Sein Wachhund «Bulli» als Fassade einer 1966 verheiratete sie sich mit Peter Bielser kreuzförmigem Grundriss die Situation der Sicherheitsfirma in Muttenz (Rennbahn- und verlegte den Wohnort nach Pratteln, Strassenkreuzung auf. Die vier Kreuzarme kreuzung) sorgte 1993 für erhitzte Diskus- wo sie unmittelbar nach ihrer Heirat im entsprechen den Fahrt- und Himmelsrich- sionen. Dr. Susanne Brugger eigenen Haus am Bergrebenweg sich mit 367 Bruno Fiechter Der am 28. September 1950 geborene und heute in Pratteln wohnhafte Künstler Bruno Fiechter, besser bekannt unter dem Kürzel «brufi», absolvierte eine dreieinhalbjährige Lehre als Metallbauschlosser bei der renom- mierten Werkstatt Reinhard Widmer in Prat- teln und besuchte parallel zur Lehre und nach deren Abschluss weiterführende Aus- bildungskurse an der Kunstgewerbeschule Basel, wo er Spezialkurse für Form und Farbe, gegenständliches Zeichnen und Kopf- zeichnen belegte und sich das Rüstzeug für die künstlerische Ausrichtung erwarb.

Bruno Fiechter, der auch das Schmie- Jutta Bielser: Textile Applikation. dehandwerk und die Schweisstechnik an der Schlosserfachschule erlernte, verband einer persönlichen Ausprägung des Kunst- die erlernten handwerklichen Techniken be- handwerks Richtung Tonplastik und Web- reits in den siebziger Jahren mit den erwor- technik beschäftigte und nebenbei noch benen zeichnerischen Ausdrucksmitteln, und fünf Kinder gross zog. diese fanden ihren Niederschlag in filigra- Bruno Fiechter: Die Leichtigkeit des Seins wider- nen, den Raum einspannenden Draht- und spiegelnde Standskulptur aus Stahl und Glas. Schon sehr früh nach ihrer Wohnsitznahme Metallplastiken, in die er bunte Glasapplika- in Pratteln und nach der Ausprägung eines tionen einfügte. Diese Schöpfungen, eine Meisterschaft und handwerklichem Können eigenen, unverwechselbaren Stils, der die Erfindung des Künstlers, in Form von Wand- des Künstlers künden. Fritz Sutter Sprache des Materials beinhaltete, wurde Applikationen und Standplastiken aber auch Jutta Bielser zu Ausstellungen im Prattler den Anspruch auf Monumentalität erhe- QUELLEN: Schloss, ins Kurzentrum Rheinfelden, in die bend, die den Raum und dessen Betrachter Persönliches Gespräch mit Bruno Fiechter, 2002. Galerie Marktgasse in Laufenburg und als einfangen, stellte Bruno Fiechter erstmals Gast des Kunstvereins Allschwil eingeladen, 1978 der Öffentlichkeit vor. Seit dieser ers- und ihre Objekte – Tonreliefs in Form von ten Kunstpräsentation hat Bruno Fiechter gegenständlichen Wandappliken und Ton- ein eigenes Atelier – das Atelier 35 an der plastiken sowie zwei- und dreidimensionale Grabenmattstrasse – bezogen. Von diesem Webobjekte – fanden den Weg zu begei- Atelier aus haben in den letzten Jahren zahl- sterten Kunstfreunden. Jutta Bielsers Kunst- reiche Bilder, Wandapplikationen und pilon- objekte stellen eine echte Bereicherung der hafte Standskulpturen ihren Weg zu Priva- vielfältigen Prattler Kunstszene dar und bil- ten aber auch in den öffentlichen Raum den somit auch einen Aspekt der kulturellen gefunden, wo diese farbenfrohen dynami- 368 Identität. Fritz Sutter schen Plastiken von grosser künstlerischer Emil Gisin – ein Prattler Künstler wird dem Vergessen entrissen Es ist äusserst ungewöhnlich, dass ein Kunst- maler, der die Künstler-Akademie in Mün- chen besucht und der kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland – nämlich in Dax- landen und Baden-Baden – Kirchen ausge- malt und dann in den fünfziger Jahren in Pratteln als Landschaftsmaler gewirkt hat, der Vergessenheit anheim gefallen ist.

Bei den Bildern von Emil Gisin, geb. am 11. November 1883 in Säckingen (D), gestor- ben am 16. Juni 1967 in Pratteln, ist dies aber der Fall und weder meiner Person, noch meinen kenntnisreichen Fachkollegen und kunstinteressierten Prattlern war bis vor kurzem der Kunstmaler Emil Gisin, Bürger von Rothenfluh, bekannt. Emil Gisin als Landschaftsmaler. Fotografie um 1920. Und jetzt erhebt sich, wie einst der sagen- hafte Vogel Phönix, Emil Gisin aus der Dun- ment, das wir von diesem abgegangenen Nun, nach dem glücklichen Auffinden der kelheit des Vergessens und dokumentiert Objekt besitzen. Bilder Emil Gisins, lässt sich auch die Lebens- mit einem Mal seine akademisch geschulte geschichte des Malers rekonstruieren. Aus Meisterschaft in zwei Aquarellen und drei Allein dies ist ein Glücksfall, den wir Frau den persönlichen Papieren, die Frau Zim- grossformatigen Ölbildern, die die Prattler Eva Zimmerli-Heggendorn in Arlesheim, merli aus Pietätsgründen aufbewahrt hat, Hauptstrasse mit dem alten Engel und dem verdanken, hat sie doch diese Bilder, zusam- geht hervor, dass Emil Gisin die Mal-Akade- Ochsen darstellen sowie den Blick vom Kä- men mit weiteren, aus dem ehemaligen mie in München noch vor der Jahrhundert- ferberg auf den Platz vor dem Engel mit Abstellraum der Heggendorn-Liegenschaft, wende zum 20. Jahrhundert besucht hat. dem Heggendorn-Haus und der Kirche im heute Plattner-Haus, an der Hauptstrasse, Die ersten Bilder aus den späten Neunziger- Hintergrund freigeben. Alle drei Prattler An- die einstmals auch einen «Tante Emma- jahren des 19. Jahrhunderts sind deshalb sichten sind mit grosser Meisterschaft ge- Laden» beinhaltete, in diejenige der väterli- von der typischen Münchner Schule der malt, und man stimmt dem Urteil des Bio- chen Liegenschaft an der Burggartenstrasse damaligen Malerfürsten Leibl und Lenbach graphischen Lexikons der Schweizer Künst- disloziert und sie dann, zusammen mit per- geprägt. Auch Stilleben im Zeitgeist des ler gerne zu, dass Emil Gisin ein hervorra- sönlichen Papieren Emil Gisins, nach dem Historismus zeugen vom soliden Handwerk, gender Landschaftsmaler gewesen sein muss. Tod ihres Vaters in ihr Haus nach Arlesheim das in dieser weltberühmten Akademie Emil Gisin hat aber auch den Vorgängerbau gebracht. Dort dämmerten sie in einem gelernt wurde. Die Meisterschaft des späte- des Hobby-Hauses, ein Bauernhaus, in einem Abstellraum vor sich hin, bis sie aus ihrem ren Künstlers zeigt sich aber vor allem in meisterlichen Aquarell festgehalten. Es ist jahrzehntelangen Dornröschenschlaf erlöst dessen Landschaftsbildern und vor allem dies neben einer Foto das einzige Doku- wurden. auch in den Prattler Ansichten, die ein Prat- 369 teln noch vor dem Ausbruch der Bau-Eu- Urs Hartmann phorie der fünfziger und der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts dokumentie- Der Prattler Bürger Urs Hartmann wurde am ren. Emil Gisin muss aber auch zur damali- 28. März1945 als Sohn des legendären gen Basler Kunstszene kollegiale Verbin- «Fittli» Hartmann in Pratteln geboren, wo er dungen unterhalten haben, denn in seinem auch die Schulen absolvierte. Er wuchs mit persönlichen Notizbuch finden sich die zwei älteren und einer jüngeren Schwester Namen und Adressen damals bedeutender im Grüssen auf, jener Wohnüberbauung in- Basler Künstler, wie Numa Donzé, Pflüger, mitten eines bereits definierten und von der Altherr und Stückelberger. Wohnüberbauung ausgeschiedenen Indu- strie-Areals, die aufgrund eines Ausnahme- Emil Gisin muss kurz nach dem Zweiten paragraphen möglich wurde. Auf Grund Weltkrieg in sein Heimatland gekommen seiner Neigungen und seiner kunstgewerb- Urs Hartmann, Holzintarsie aus verschiedenen sein. In seinen persönlichen Papieren finden lichen und künstlerischen Veranlagungen Hölzern: «Träsch», 1983, 26,5 x 20 cm. sich nämlich die Zollpapiere aus seiner Dislo- erlernte Urs Hartmann den Beruf des Repro- kation von Säckingen nach Pratteln, wo er Fotografen in dem damals führenden Un- beschränkte sich aber nicht auf die orna- mit der verwitweten Olga Vogelsanger, geb. ternehmen der Region, der Repro-Anstalt mentale Dekoration von Möbelstücken und Bernbach, einer Schwester der Gemahlin Fritz Schwitter AG in Basel. Parallel zu sei- Wandtäfern, sondern er suchte die Heraus- von Zahnarzt Heggendorn, eine Partner- nen Lernfächern an der Kunstgewerbeschu- forderung in der lebenswahren Darstellung schaft einging. Das Paar wohnte damals im le Basel besuchte der angehende Repro- von Stilleben, Landschaften und Porträts heutigen Plattner-Haus zwischen dem Spezialist weiterführende Kurse vor allem sowie in Gruppendarstellungen. An zahlrei- Engel-Brunnen und vor dem Prattler Pfarr- im zeichnerischen Bereich und nahm mit chen Ausstellungen – unter anderen auch haus am Platz westlich des Hotel Engel. Gleichaltrigen, wie zum Beispiel mit den im Prattler Schloss im Frühjahr 1984 – prä- Malern Bruno Schwartz und Jörg Schult- sentierte Urs Hartmann nicht nur seine Zeich- Dass diese Bilder nun posthum von einem hess, künstlerischen Kontakt auf. Als typi- nungen und Bilder, sondern auch Intarsien- Prattler Maler Zeugnis ablegen, haben wir scher 68er zog er selbstverständlich auch in bilder, wobei seine Kunstobjekte verdienten einem gütigen Schicksal zu verdanken: Ein- die weite Welt hinaus und trampte mit sei- Beifall und beglückte neue Besitzer fanden. mal der Pietät von Eva Zimmerli-Heggen- nen Ersparnissen während zwei Jahren dorn in Arlesheim und zum andern dem durch Südamerika. 1977 verheiratete er sich Urs Hartmann ist erst 57-jährig am 26. Kunst- und Kulturverständnis der Päuli Pfir- mit Brigitte Maja Gysin; das Ehepaar erwarb Dezember 2002 unerwartet und plötzlich ter-Stiftung Pratteln, die sich, gestützt auf 1981 in Häfelfingen ein altes Bauernhaus verstorben. Seine Kunst-Objekte aber wer- den von der Stifterin vorgegebenen Stif- und renovierte dieses in Absprache mit der den weiterhin von der Meisterschaft ihres tungszweck, entschlossen hat, diese hoch- kantonalen Denkmalpflege vorbildlich. Schöpfers künden. Fritz Sutter bedeutenden Zeugnisse eines verschwun- denen Prattelns zuhanden der Stiftung zu Urs Hartmann entdeckte in den beginnen- QUELLE: erwerben und diese dereinst in einer öffent- den achtziger Jahren die kunstgewerbliche Persönliche Gespräche mit Urs Hartmann 2002. lichen Institution zugänglich zu machen. Technik der Herstellung von Holz-Intarsien- Fritz Sutter bildern, einer Kunstgattung, die vor allem in QUELLEN: der Kunstepoche der Renaissance und im Persönliche Gespräche mit Frau Eva Zimmerli- Barock im 16. und 17. Jahrhundert ausser- 370 Heggendorn, 2002. ordentlich geschätzt wurde. Urs Hartmann seiner künstlerischen Tätigkeit, insbesonde- und meisterlich beherrscht, verfügt Ernst Ernst Weisskopf re aber der Metallplastik, bewähren sollten. Weisskopf auch über die Transformations- Der Prattler Plastiker, Zeichner, Aquarellist Während der «Münster-Zeit», die 14 Jahre mittel, um seine auf dem Papier als Skizze und Lithograph Ernst Weisskopf wurde am dauerte, besuchte Ernst Weisskopf Kunst- entstandenen Entwürfe in dreidimensiona- 11. September 1937 in Muttenz geboren, wo kurse an der Kunstgewerbeschule in Basel, le, vom Raum umflossene Plastiken umzu- er auch die Schulen durchlief, um anschlies- wo er sich das Basiswissen im figürlichen setzen. send, mit 16 Jahren in das Apparatebau- und Freihand-Zeichnen und in der Bildhaue- Unternehmen Robert Münster in Muttenz rei aneignete und wo er durch seine Lehrer Die Kunstobjekte Ernst Weisskopfs stellen als Hilfskraft und designierter Angelernter gefördert wurde. Erst mit 33 Jahren, also eine Bereicherung der Prattler Kunstszene einzutreten. In dieser Zeitspanne wurde der 1970, absolvierte Ernst Weisskopf eine dar. Sein Künstleratelier hat er seit seiner Prattler Bürger Ernst Weisskopf auch mit der Lehre als Offset-Andrucker und -Kopist im Wohnsitznahme in Pratteln an der Mittler- Metallbearbeitung und insbesondere mit damals führenden Repro-Unternehmen der feldstrasse 14 in Pratteln aufgebaut, wo den verschiedenen Löt- und Schweisstech- Region, der Firma Foto-Litho Sturm in Mut- periodisch auch Atelierausstellungen statt- niken vertraut, die sich später als solide Basis tenz. Parallel zu seiner Lehre fand und ent- finden. Fritz Sutter wickelte Ernst Weisskopf eine ganz persön- liche künstlerische Aussage, die vor allem QUELLEN: die Kunstkenner beeindruckte und die an Persönliches Gespräch im Januar 2003. den sich folgenden Atelier- und öffentlichen Ausstellungen grosse Beachtung fanden.

Bereits 1962 und dann wieder ab 1974 konnten die plastischen und zeichnerischen Werke in den basellandschaftlichen Kunst- ausstellungen zur Kenntnis genommen wer- den. Kurz nach der definitiven Wohnsitz- nahme 1979 in seiner Bürgergemeinde Pratteln wurden seine Objekte – Bilder und Plastiken – im Prattler Schloss präsentiert, wo diese viel Aufmerksamkeit und neue Besitzer fanden. Ausstellungen in der Gale- rie «Zum Tenn» in Muttenz, in der Galerie 58 in Bern und zweimal in der Villa Berde- rich in Bad Säckingen sowie andernorts ver- breiteten den Namen des Künstlers in der Region.

Ernst Weisskopfs Plastiken sind es, die den künstlerischen Stellenwert des Künstlers weit Eine der Metallplastiken, die den künstlerischen in die Region hinausgetragen haben. Als Ruf von Ernst Weisskopf begründen mit dem perfekter Techniker, der den Umgang und Titel «Promenadenkonzert», entstanden1985. die Verbindungen des Metalls gelernt hat 371 1985 jeweils einige wenige Flohmärtstände Der Flohmärt aufgestellt und die vorwiegend aus Eigen- beständen stammende Flohmärtware ver- kauft. Ein Jahr später, man schrieb den 5. April 1986, verlegte der Club seinen Mini- Flohmi auf den Schmiedeplatz und liess gleichzeitig «fremde» Flohmarktstände zu – der erste Prattler Flohmärt war geboren! Das Flohmi-Beizli führte der Bananas-Club Der Prattler Flohmarkt hat seine Wurzeln in noch einige Zeit selbst im ehemaligen «Kon- einem am 26. April 1982 gegründeten Ju- sum», der anfangs der achtziger Jahre ge- gendclub namens Bananas. Mitinitiantin schlossen und durch das neue Coop-Ein- und «Herzstück» dieses Clubs war Frau M. kaufscenter an der Bahnhofstrasse ersetzt Bettina Siegenthaler Svaizer, die heute noch, worden war. Die «Bananas» wurden älter, unterstützt von ihrer Tochter Gabi, den die Vorstandsmitglieder ihrer grossen Arbeit Prattler Flohmi organisiert. Ausschlagge- müde und so löste sich diese aktive Jugend- bend für die Gründung dieses Clubs war, gruppe 1988 auf. Der Flohmi, der mit 26 dass es im Jugendhaus immer wieder Pro- Ständen auf dem Schmiedeplatz begonnen bleme gab, viele Jugendliche in keinem Ver- hatte, aber blieb bestehen – und gedieh. ein waren, aber auch nicht auf der Strasse Heute ist der «Flohmärt uf em Platz» mit herumhängen wollten. Dass diese Gruppe jeweils durchschnittlich 180 Ständen (von (als Alternative zum «Jugi») nötig war, April bis Dezember jeden ersten Samstag im möge die steigende Mitgliederzahl – in kur- Monat) und integriertem Kinder-Flohmi Der Prattler Flohmärt gilt unter den Eingeweih- zer Zeit von 31 auf 230 – belegen. Die Devi- sowie zwei Gemüseständen nicht nur zu ten als der beste und schönste Flohmärt der gan- se der «Bananas» war, nicht bei der öffentli- einer nicht mehr wegzudenkenden Prattler zen Region, wo man dank der privaten Anbieter chen Hand um Geld betteln, sondern die Institution und zu einem Ort der Begegnung noch echte Trouvaillen erwerben kann. vielfältigen Unternehmungen selbst finan- für Jung und Alt geworden, sondern auch zieren. So kamen sie auf die Idee, anlässlich zu einem der grössten regelmässig stattfin- «Draihörgelimaa», dessen Einnahmen je- des damals noch auf dem Turnhallenplatz denden Flohmärkten der Schweiz. Er ist weils einer Institution zugute kommen, stattfindenden «Dorf-Märt» des Gewerbe- weit über unsere Region als interessanter ihren Abschluss. Emmy Honegger und Industrievereins (GIV) im September Markt bekannt, auf dem noch echte 1984 einen Flohmi zu organisieren. Der GIV Kleinantiquitäten und Raritäten zu günsti- hatte ein Herz für die aktiven Jugendlichen gen Preisen zu finden sind. Zur Attraktivität und erlaubte ihnen einen Stand. Dieser des Flohmis trägt auch das Flohmi-Beizli bei erste Flohmärt war ein voller Erfolg, der zu der Alten Schule bei, in dem jeweils ein weiteren Flohmis ermutigte. Deshalb anderer Verein für das leibliche Wohl der ersuchte der Club um die Bewilligung, bei «Flöhlemer» sorgt. Die Flohmi-Saison findet seinem Clublokal in einem Keller des Gross- mit dem Weihnachtsflohmi mit seinen matt-Schulhauses regelmässig an einem weihnachtlich geschmückten Ständen, den Samstag einen Flohmi durchführen zu dür- Mandarinli und Nüsse verteilenden «San- 372 fen. Sie wurde gewährt. So wurden im Jahre tichlaus» und «Schmutzli» und einem Schrebergärten, Oasen der Erholung

Pflanzlandgärten Hintererli Der erste Schub der rasanten Bevölkerungs- entwicklung war in unserer Gemeinde in den fünfziger Jahren erfolgt. Die Bevölke- rungszahl wuchs 1961 auf 10000 Einwoh- nerInnen an; Pratteln wurde zur Stadt. Diese Entwicklung hatte vor allem eine rege Bau- tätigkeit ausgelöst. Gesamtüberbauungen entstanden, und mit der Erstellung der nöti- gen Infrastruktur konnte kaum Schritt ge- halten werden. Im Zuge dieser Entwicklung mussten auch von der Gemeinde verpachte- te «Pflanzplätz» verschiedenen Bauvorha- Die Pflanzlandgärten «Hintererli» wurden 1964 errichtet. ben weichen. Zugleich trug der Kampf um kürzere Arbeitszeiten Früchte. «Wie kann ich für Schrebergärten zur Verfügung gestellt dem z.B. das Wasser vom Dorfbrunnen in meine Freizeit sinnvoll gestalten», war die werden. Frenkendorf geholt oder vom Hülftebächli Frage vieler. Diese Faktoren und die Verein- heran geschleppt werden musste und samung des Menschen infolge gegenseiti- Am 25. August 1964 fand die Gründungs- anfänglich weder WC noch Materialhütte ger Entfremdung liess den Wunsch und das versammlung der «Pflanzlandpächter-Verei- zur Verfügung standen. Letztere konnte als Bedürfnis nach neuen Pflanzplätzen entste- nigung» (PPV) statt. Die Bauarbeiten began- Occasion erworben und 1966 aufgebaut hen, auf Schrebergärten, wie sie der Leipzi- nen nach Vorliegen der Bewilligungen, des werden. Ende 1966, als auf Grund der lan- ger Mediziner und Pädagoge Dr. Daniel Erschliessungsplanes usw. im Dezember gen Warteliste die Erschliessung von 15 wei- Gottlob Moritz Schreber (1806–1861) pro- 1964 mit dem Pflügen des Areals. Ende Fe- teren Parzellen angekündigt wurde, waren pagiert hatte. Dieser Wunsch stiess bei der bruar 1965 wurden bereits die Arealwege alle 96 Gartenparzellen belegt; wobei auf Behörde auf offene Ohren, und nach inten- erstellt und am 25. Mai des gleichen Jahres 61 Parzellen auch schon Garten- und siven Abklärungen möglicher Standorte standen dank der zielstrebigen Arbeit 96 Gerätehäuschen erstellt waren. Am 14. Juni konnte im «Hinter dem Erli» ein ca. 37000 Parzellen zur Verfügung. Mit viel Mühe, Ide- 1969 war es dann soweit: Die Pflanzland- Quadratmeter umfassendes Areal, das zum alismus und Liebe verwandelten die nun- gartenanlage «Hintererli», in die die Gar- grösseren Teil im Besitz der Einwohnerge- mehrigen Pächter ihr Grundstück in un- tenbesitzer Tausende von Arbeitsstunden meinde Pratteln war und zu einem kleineren glaublich kurzer Zeit in ansehnliche Schre- investiert hatten, konnte offiziell eingeweiht Teil der Bürgergemeinde Pratteln gehörte, bergärten. Erschwert wurde die Arbeit, in- werden. Noch vor dieser Einweihung hatten 373 initiative Frauen von Pflanzlandpächtern 1967 den ersten Blumentag organisiert, der spä- ter mit knackig frischem Gemüse aus dem Hintererli ergänzt und bis in die neunziger Jahre durchgeführt wurde. Der Reinerlös kam jeweils einer gemeinnützigen Institution zu gute.

Dieser ersten Bauetappe folgten zwei Erwei- terungsetappen und 1981 der Bau des heimeligen Clubhauses. Für die erste Erwei- terung hatte der Einwohnerrat 1979 und für die zweite 1982 grünes Licht gegeben und die Beitragskredite von 70000 bzw. 45000 Franken (je eine Hälfte als à fonds perdu-Betrag und die andere Hälfte als zins- loses, innert 30 Jahren rückzahlbares Darle- hen) bewilligt. Die restlichen Kosten trug jeweils die PPV. Mit diesen Erweiterungen standen der PPV, die sich im Jubiläumsjahr 1989 in «Familiengarten-Verein Hintererli» umbenannte, 56432 m2 in 174 Parzellen aufgeteiltes Land zur Verfügung. Die Familiengärte «Widen» wurden 1982 errichtet.

sultierte schliesslich eine entsprechende ge- ken leistete die Gemeinde einen Beitrag von Familiengärten «Widen» meinderätliche Vorlage an die Legislative, 100000 Franken, hälftig aufgeteilt in einen Wenn sich Gartenfreunde und Kleintier- die das Vorhaben «Familiengärten und Klein- à fonds perdu-Betrag und ein zinsloses, Züchter zusammen tun, entsteht daraus, tierzucht-Anlage in den «Widen» 1979 innert 30 Jahren rückzahlbares Darlehen. wie in unserem Fall, eine Familiengärten- grundsätzlich genehmigte. Allerdings woll- Die restlichen Kosten trug die im Juni 1976 und Kleintierzucht-Anlage. Also: 1975 wur- te der Gemeinderat mit der Realisierung des gegründete Familiengarten-Vereinigung Wi- de im Einwohnerrat eine Motion betreffend Projektes noch fünf Jahre zuwarten. Doch den (FGV Widen). Für die Kosten für kom- Schaffung von Familiengärten in der Nähe es ging schneller voran als erwartet, denn fortable Clubhütte mit Unterkellerung und des Längiquartiers eingebracht. Der Motion 1981, nachdem die Gemeinde zwei Parzel- WC-Anlagen kam die KAGEBA (Kantonal- folgte ein Jahr später ein Postulat betreffend len im Gebiet «Husmatt» erwerben konnte, verband der Geflügelzüchter beider Basel) Landbeschaffung für Kleintierhaltung. Und die 1980 in eine spezielle Zone für Fami- auf, die zusammen mit der FGV-Widen und aus diesen beiden Vorstössen, zusammen liengärten, Tierhaltung usw. umgezont wor- der Ornithologischen Gesellschaft Pratteln mit dem Engagement des Quartiervereins den waren, legte die Exekutive der Legislati- Trägerin der Anlage ist. Am 20. Februar Längi und der Hartnäckigkeit des Prattler ve eine neue Vorlage vor. Diese sah weniger, 1982 wurde der erste Spatenstich getan Geflügelzüchters und weit über unser Land dafür grössere Parzellen sowohl für Gärten und nach emsigem Planen, Wirken und hinaus hoch geschätzt gewesenen Geflü- als auch Kleintierhaltung vor. An die budge- schier unzähligen Stunden Eigenleistungen 374 gelrichters Fritz Schneider (Bibbeli-Fritz) re- tierten Erstellungskosten von 275000 Fran- der Parzellen-Besitzer konnte die ca.15400 m2 grosse Anlage mit 36 Familiengärten und henden Spazierwege, Ruhbänken, Wegwei- zehn Kleintierzuchtanlagen am 26./27. Mai Der Verkehrs- und sern und Anlagen; Verschönerung der bei- 1984 feierlich eingeweiht werden. Verschönerungsverein den Dörfer, erstellen sanitarischer Einrich- tungen und hinwirken auf die Beseitigung Ergänzt werden die beiden grossen Famili- Pratteln–Augst (VPPA) von Übelständen. Diesen «Wegweisern» ist engärten-Anlagen mit kleinen Anlagen, die der VVPA bis auf den heutigen Tag nachge- ohne Gemeindezuschüsse und meist auf kommen. privaten Arealen angelegt wurden. So z.B. in der Schweizerhalle, nördlich der Auto- Einige Reminiszenzen aus der Zeit vor bahnbrücke, zwischen dem Sonnenweg und Unter den Vereinen verdient der Verkehrs- dem Zweiten Weltkrieg ... der Bözberg-Linie, nördlich des Bahnhofs an und Verschönerungsverein Pratteln–Augst der Industriestrasse etc. Auch bei diesen (VVPA) mit seinen heute 1400 Mitgliedern Wie vielfältig der VVPA tätig ist, geht ein- Gärtchen ist ablesbar, dass sie für ihre Besit- besondere Erwähnung. Denn er ist mehr als drücklich aus der Festschrift zum 75-jährigen zer ein Bedürfnis sind. Die Gärtchen sind lie- ein Verein, er ist eine kulturelle Institution Vereinsjubiläum hervor. Hier seien nur eini- bevoll gepflegt und teilweise mit einem und hat mit seinen Aktivitäten mehr als nur ge Höhepunkte und «Geschichten», die hübschen Gartenhäuschen bestückt. Wun- ein Stück Prattler Geschichte geschrieben. gleichzeitig einen Eindruck der damaligen dervolle Idyllen und ideale Orte zur Erho- Er hat wesentlich zum Erhalt der Dorfge- Zeit vermitteln und zum Teil auch in die heu- lung vom Alltagsstress. Emmy Honegger meinschaft und zu einem wohnlichen Prat- tige Zeit transformiert werden könnten, teln beigetragen. Er liess neue Traditionen wiedergegeben. 1920 z.B. scheitert die Er- entstehen und hauchte dem fast tot ge- richtung eines hölzernen Sicherheitsgelän- QUELLEN: glaubtem Heischenbrauch, dem «Butz», ders auf der Schauenburgerfluh aus Hei- Jubiläumsschrift «25 Jahre Pflanzlandpächter- wieder neues Leben ein. matschutzgründen. 1920 verlangt ein Vor- Vereinigung Hintererli Pratteln 1964–1989»; Ein- standsmitglied, unbedingt gegen die Auto- wohnerratsvorlagen von 1979, 1981 und 1982. Raserei und das Fahren an Sonntagen Ein- Für ein wohnliches Pratteln spruch zu erheben. Ein anderes Mitglied Im Herbst 1916 kam die Idee zur Gründung weist darauf hin, dass im verkehrsreichen eines Prattler Verkehrs- und Verschöne- Bahnhof Pratteln keine Züge «ab- und an- rungsvereins auf – und schon am 27. Au- gerufen» werden, was die Reisenden schon gust 1917 wurde er aus der Taufe gehoben. oft in grosse Verlegenheit gebracht habe. Die Bezeichnung Verkehrs- und Verschöne- 1922, im Jahre der Eröffnung der Tramlinie rungsverein Pratteln–Augst ist darauf zurück- 14, wird angeregt, eine direkte Verbindung zuführen, dass auf Wunsch eines Augsters mit Arlesheim via Schönmatt herzustellen. auch Augst in den Prattler Verein integriert Als der Gemeinderat 1923 zwei Fasnachts- worden war. Der Paragraf 1 der Statuten feuer verbietet, interveniert der VVPA und beschreibt den Zweck des Vereins: Förde- erreicht mit seiner Drohung, auf den Later- rung des Fremdenverkehrs und Pflege aller nen- und Fackelumzug zu verzichten, die den öffentlichen Verkehr betreffenden In- Zurücknahme des Verbots. 1924 scheitert der teressen; zugänglich Machen der Natur- Bau eines Aussichtsturms auf dem «Madle- schönheiten und Aussichtspunkte im Banne chopf» aus finanziellen Gründen, aber auch Pratteln und Augst sowie Umgebung; er- aus Gründen des Landschaftsschutzes, und stellen von neuen und verbessern der beste- weil es dort «bald zugehen würde wie im 375 scher schwarz gekleidet sein soll, die Pferde dunkel sein sollen und der Leichenwagen im Schritt zu fahren habe. Auch mache es sich schlecht, wenn zum Führen von Kränzen hell gefärbte Autos dem Leichenwagen voran fahren. 1936 wird reklamiert, dass die Zeitungspost in einigen Quartieren oft mit erheblicher Verspätung zugestellt wird; es werden entweder Aushilfen oder eine dritte Zustelltour gefordert. 1937 wird das Be- schmieren der Dorfstrasse mit Farbe zu poli- tischen Zwecken gerügt. Es handelte sich dabei meist um Hakenkreuze. 1938 wird eine Abdankungskapelle auf dem Friedhof ange- regt. 1939 werden anlässlich der 1. August- Feier erstmals Jünglinge öffentlich ins Aktiv- Titelblatt der Jubiläumsschrift von 1967. bürgerrecht aufgenommen.

... und nach dem Zweiten Weltkrieg Ein Jahr nach Kriegsende, am 27. April Die VVPA-Vorstandsmitglieder Walter Kohler 1946, wird der «Traugott Sutter-Brunnen» (links) und Franco Chiesa (rechts), die anlässlich bei der Tramendstation eingeweiht. Der vom des 50-Jahr-Jubiläums von 1967 für ihre kulturel- Prattler Bildhauer Carl Bielser geschaffene len Verdienste um den VVPA und Pratteln mit Brunnen ist ein Geschenk des VVPA aus einer blumengeschmückten Prattler Chreeze ge- Anlass seines 25jährigen Bestehens und ehrt wurden. gleichzeitig ein Denkmal für Traugott Sutter, dem langjährigen Vorstandsmitglied und Geisswald!» Gleichzeitig wird der Gemein- grossen Förderer des VVPA sowie des Schul- derat aufgefordert, die Strassen nicht nur wesens. Vor allem 1947 werden verschiede- werk-, sondern auch sonntags zwecks Staub- ne Forderungen gestellt: Ein Damen-WC bei bekämpfung zu besprengen. 1928 wird auf der Tramendstation, Vergrösserung der Betreiben des VVPA der Schulgarten beim Schalteranlage im Bahnhof Pratteln, Verbes- Schloss in eine öffentliche Grünanlage mit serung des Fahrplanes (dafür kämpfte der Ruhebänken umgestaltet. Dies als Ersatz für VVPA noch in jüngster Zeit), Säuberung der die nicht bewilligte Anlage im Kirchhof. Ein Strassen auch am Sonntagmorgen und Jahr später wird, ebenfalls auf Betreiben des Anbringen von Papierkörben. VVPA, die während des Ersten Weltkrieges stillgelegte Rheinfähre Schweizerhalle–Wyh- Ein Höhepunkt 1947 ist die vom VVPA-Prä- len wieder aufgenommen. 1935 verlangt sidenten und späteren Ehrenpräsidenten 376 der Verein, dass bei Begräbnissen der Kut- und Gemeindepräsidenten, Walter Kohler, Titelblatt der Jubiläumsschrift von 1992. achtziger Jahres des vorigen Jahrhunderts, Hunderte von Aktivitäten nach der Umgestaltung des Platzes). In aller Stille trafen sich beim Christbaum dann eini- In der Folge gab es noch Hunderte von Akti- ge SchülerInnen zum Singen von Weih- vitäten, die alle aufzuzählen den Rahmen nachtsliedern. Dies war der Auftakt zum in des Kapitels «Institutionen» sprengen wür- der Folge vom VVPA organisierten Weih- den. Trotzdem, trotzdem seien einige noch nachtssingen, ein Brauch, den man nicht erwähnt: 1966 Organisation des 1. Dorf- mehr missen möchte. und Jugendfestes und in der Folge der Dorf- feste 1976, 1986 und 1997, Aktion «Blue- 1954 geht das neue Prattler Lied aus einem meti Chreeze», Flurhocks, Morgen- und vom VVPA ausgeschriebenen Wettbewerb Abendspaziergänge, Erstellen der Panora- hervor. 1955 wird unter dem Patronat des matafel beim Hagebächli, Restaurierung des VVPA das von Max Gromann verfasste alten Wirtshausschildes des «Engels» als Theaterstück «Der Madlejäger» aufgeführt. Geschenk an das Museum im Bürgerhaus Der Reinerlös von Fr. 2000.– wird dem und in jüngster Zeit tatkräftige Mitarbeit Gemeinderat zwecks Äufnung eines Fonds beim Ausbau des «Ysebähnli am Rhy» für die Schloss-Renovation übergeben. Im sowie Unterstützung bei der Errichtung der gleichen Jahr bestellt der VVPA eine lokale «Ysebähnli»-Stiftung, womit diese einzigar- Heimatschutzkommission zur Wahrung des tige, auf privater Basis aufgebaute Anlage in herkömmlichen baulichen Charakters, ins- der Schweizerhalle der Öffentlichkeit erhal- besondere des Dorfkerns. 1960, nach der ten bleibt. Und in allerjüngster Zeit noch «Züglete» der Schiessanlage vom Geisswald eine grosse Tat: Auf Antrag des VVPA-Vor- in die neue Schiessanlage Lachmatt und der standes bewilligte die Generalversammlung damit leer stehenden Schützenhütte, regt vom 12. April 2002 eine sehr grosszügige der VVPA an, diese in eine Wirtschaftshütte Spende von Fr. 25000.– an die vorliegende umzubauen. Sie wird umgebaut und dem Heimatkunde Pratteln 2003. VVPA die Betreuung und Führung übertra- Emmy Honegger Die Tradition des Weihnachtsbaums beim Schloss gen. Anlässlich des Baselbieter Kantonalta- geht ebenfalls auf eine Initiative des VVPA zu- ges der Expo 1964 in Lausanne blieb die rück. Prattler Fahne infolge eines Missverständ- nisses zu Hause. Darauf hin organisiert der initiierte Gründung der Interessengemein- VVPA am 4. Oktober einen Prattler Expo-Tag schaft der Ortsvereine Pratteln (IGOP). 1949 – mit Prattler Fahne und «Chreeze»! Am 27. wird ein Heimatmuseum mit Standort im Februar 1966 ist der Geburtstag der ersten Schloss ins Auge gefasst und dem Ge- Prattler Dorffasnacht unter dem Patronat meinderat beantragt, einen jährlichen Be- des VVPA. 1967, zu seinem 50-jährigen trag von Fr. 2000.– für kulturhistorische Jubiläum, stiftet der VVPA den im Schloss- Zwecke ins Budget aufzunehmen. 1951 er- hof stehenden Brunnen und weiht sein Ver- stellt der VVPA erstmals einen Weihnachts- einsbanner ein, der die Wappentiere, den baum beim Schloss (der Weihnachtsbaum Adler für Pratteln, und den Leu für Augst, auf dem Schmiedeplatz kam erst Mitte der zeigt. 377 fand sie in einer Neustrukturierung, die logie, Tai Ji-Qi Gong, Chakrameditation usw.) Die AGFF 1993 in der Gründung eines Vereins nach sowie Sprachkurse. Zudem standen auch ZGB Art. 60/ff mit den dazu gehörigen und wieder Themenabende und Führungen auf bereits 1991 genehmigten Statuten mün- dem Programm. Feste Institutionen inner- dete. Von nun an erhielt der Verein, der Mit- halb der AGFF sind die Kinderkleider-Börse glied der Elternbildung Baselland ist, von und der «Frauenmorgen» im Kirchgemein- der Gemeinde nur noch Zuschüsse für kin- dehaus. derbezogene Aktivitäten, für das Alterstur- nen sowie für die Kosten des Programmhef- Wenn es die AGFF nicht schon gäbe, müsste Zwecks Anbieten von Kursen und anderen tes. Die Erwachsenenkurse – sie werden von man sie erfinden. Emmy Honegger Veranstaltungen für Freizeit und Weiterbil- Fachkräften erteilt – sind selbsttragend. Der dung und mit der Absicht, damit die Befrie- Vorstand arbeitete unentgeltlich und be- digung vielfältiger Bedürfnisse der Bevölke- zahlte auch die meisten anfallenden Spesen rung und die Kontaktförderung im Leben aus der eigenen Tasche. der Gemeinde zu fördern, wurde 1974 die Arbeitsgemeinschaft für Freizeit +Familie Wie reichhaltig das Freizeitangebot der AGFF AGFF gegründet. Mitbegründer und erster ist, zeigt z.B. das Jahresprogramm 2001/02. Präsident war Pfarrer Kurt Alder, der 1986, Insgesamt wurden 29 Kinderkurse angebo- ein Jahr vor seinem Tod, für seine Verdienste ten, von Basteln, Malen, Kochen, Backen um die AGFF zum Ehrenpräsidenten er- über Bewegung (Tennis, Tanzen, Judo, nannt worden war. Finanzielle Unterstüt- Jonglieren) bis hin zu Schach, Schmink- zung erhielt diese nicht gewinnorientierte und Pflegetipps für Jugendliche, Theaterluft Freizeit-Institution von der Einwohnerge- schnuppern und Ausbildung für Baby-Sit- meinde in Form einer Defizitgarantie sowie ting. Dazu kamen verschiedene Spielgrup- von der evangelisch-reformierten und der pen, Kinderhütedienst und Mütter-/Väter- katholischen Kirchgemeinde. Die AGFF ge- /Kinder-Treffpunkt. Noch vielfältiger ist das dieh prächtig, immer mehr neue Kurse und Angebot für Erwachsene. Es reicht von Ma- andere Veranstaltungen wurden angeboten len, Stricken, Nähen, Basteln (Servietten- und im Laufe der Zeit den veränderten technik, Seidenmalen, Kalligrafie, Advents- Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst. kranzbinden), Kochen auch für Männer und D.h. nicht mehr oder nicht sehr gefragte Backen über Bewegung, Gymnastik, Tanz Kurse wurden gestrichen, neue, im Trend (Selbstverteidigung für Frauen, Aerobic, der Zeit liegende, ins Programm aufgenom- Fitnesstraining, Jazzercise, Körpertraining men. 1990 drängte sich ein gründliches Über- für Frauen, gesundheitsfördernde Gymnas- denken der Organisation auf, zumal die bei- tik für Männer, Afro-Samba, orientalischer den Kirchgemeinden im Zusammenhang Tanz, argentinischer Tango) bis zu Eltern- mit dem neuen Kirchengesetz ihren Beitrag und Erwachsenenbildung (Mütter- und Vä- aufgekündigt hatten und die Einwohnerge- terberatung, Kurse für werdende Eltern, meinde in eine finanzielle Schieflage gera- Yoga für Schwangerschaft und Rückbildung, ten war. So sah sich auch die AGFF gezwun- sanfte und indische Babymassage), Gesund- 378 gen, nach Sparmöglichkeiten zu suchen. Sie heit (Beckenboden-Traning, Yoga, Kinesio- terter Frauen ans Werk und ein Jahr später 1987 konnte mit der Einführung eines Per- Die konnte im Kirchgemeindehaus mit 600 Bü- sonalcomputers die sehr zeitaufwändige Gemeindebibliothek chern die erste Freihandbibliothek (Selbst- Routinearbeit rationalisiert werden. bedienung) im Kanton eröffnet werden. Sehr schnell wurde festgestellt, dass das Ende 2001 zählte die Gemeinde-Bibliothek kleine Angebot der grossen Nachfrage nicht 1526 Leserfamilien, denen insgesamt 17540 genügt und das Nebeneinander von zwei Medien zur Verfügung standen: 12507 Bü- weiteren Bibliotheken nicht sinnvoll ist. So cher, 269 Fremdsprachen-Bücher, 1648 Kas- erfolgte 1972 die Integration der Bibliothek setten, 1628 CD, 141 CD-Rom, 121 DVD, Man darf sagen, die Prattler Bibliothek der katholischen Kirchgemeinde und 1975 1226 Videos sowie 50 Zeitschriften (Abon- nimmt eine Vorreiterrolle im Kanton ein. die des Prattler Gewerkschaftskartells. 1973 nemente). Ausgeliehen wurden die Medien Bereits 1837 bestand in Pratteln eine Schul- wurde ein Rahmenvertrag zwischen den 101233 Mal. Emmy Honegger bibliothek, die jedoch wieder einging. 1852 Bibliotheksträgern und der Gemeinde zwecks wurde eine neue Jugend- und Volksbibliothek Verwirklichung einer Gemeindebibliothek QUELLEN: mit 160 Büchern eröffnet, die aber auch abgeschlossen. Amtsberichte; Einwohnerratsvorlagen; «Aus der wieder sang- und klanglos unterging. 1887 Schulgeschichte der Gemeinde Pratteln» von Dr. erfolgte, unterstützt von Gönnern aus Basel, Die neue Gemeindebibliothek gilt im Kan- h.c. Ernst Zeugin. erneut die Gründung einer Jugend- und ton als Vorbild, dem viele Gemeinden nach- Volksbibliothek und 1888 deren Eröffnung. eifern. Die Zahl der Gemeindebibliotheken Die «Abteilung» Jugendbibliothek überleb- nahm in den Jahren 1973 bis 1983 um sie- te bis 1961, als der Kanton Schulbibliothe- ben auf 15 zu. Sie mag auch den Anstoss ken einführte und in Pratteln eigenständige gegeben haben, dass die kantonale Biblio- Klassenbibliotheken eingerichtet wurden. thekskommission zum Fach-, Beratungs- und Die «Abteilung» Volksbibliothek, die nach Koordinationsorgan der Schul- und Gemein- wechselnden Domizilen zuletzt im Schloss debibliotheken geworden ist. untergebracht war, stellte den Betrieb Mitte der sechziger Jahre ein, denn mit Renovati- 1976 war der Bücherbestand auf 6000 onsbeginn des Schlosses standen hier keine Bücher und die Ausleihe auf 18000 ange- Räumlichkeiten mehr zur Verfügung; die wachsen. Der Raum im KGH war zu klein Bücher wurden «eingemottet». 1969 ver- geworden und der Zeitpunkt einer Erweite- schwand die Volksbibliothek gänzlich von rung gekommen. Zwei Erweiterungsprojek- der Bildfläche, um in der Gemeindebiblio- te aber scheiterten und die Bibliothek musste thek weiter zu leben. Denn das Vermögen bis 1984 auf neue Räumlichkeiten warten. der Volksbibliothek in Höhe von Fr. 16174.– Diese fand sie in der Überbauung Bahnhof- inkl. einem Legat von Fr. 5000.– von J. Joe- strasse 16, wo die Gemeinde Räume für rin-Suter und dem Bücher-Restbestand wur- Bibliothek und Ludothek gemietet hat. de, anlässlich der Einweihung des neu er- Ebenfalls 1984 genehmigte der Einwohner- stellten Kirchgemeindehauses im Jahre 1969, rat das Bibliotheks-Reglement, womit die der reformierten Kirchgemeinde zwecks rechtlichen und finanziellen Grundlagen für Schaffung einer neuen Bibliothek überge- die Weiterentwicklung der Gemeindebiblio- ben. 1970 machte sich eine Gruppe begeis- thek gesichert sind. 379 meinden finanziell stark unterstützten AGFF, 1994 hielt die EDV, finanziert aus eigenen Die Ludothek Arbeitsgemeinschaft Freizeit +Familie, an- Mitteln, Einzug in der Ludothek, womit den «Gampiross» schliessen konnte, in einem kleinen Schul- Mitarbeiterinnen die administrative Arbeit zimmer im Schloss-Schulhaus untergebracht. wesentlich erleichtert wurde. Die Software Dieses Zimmer diente nicht nur der Auslei- war sogar so beispielhaft, dass sie von ande- he, sondern auch als Arbeitsraum für die ren Ludotheken im Kanton sowie in den «Hintergrundarbeit», die für den Betrieb Kantonen Bern, Uri und Thurgau übernom- der Ludothek – z.B. Spiele einfassen, regis- men wurde. Die Ludothek ist auch als ein trieren, kontrollieren, neue Spiele testen nach kaufmännischen Grundsätzen geführ- Ende der siebziger Jahre unterrichtete die und für den Verleih vorbereiten – unabding- tes Unternehmen weit herum als Muster- Lehrerin Gertrud Meyer auch Legastenie- bar ist. Schon bald wurden die Räumlichkeit beispiel bekannt. Kinder, Kinder mit einer Lese- und/oder aber zu klein und das «Gampiross» dislo- Schreibschwäche. Die zu Therapiezwecken zierte in die damals schon abbruchreife Leider ist ein abnehmendes Interesse an benötigten Spiele mussten die Eltern kau- Schaub-Liegenschaft neben dem Feuer- «konventionellen» Spielen, an welchen sich fen. Diese waren aber bald nicht mehr wehrmagazin. Die zu jener Zeit ehrenamt- früher die ganze Familie beteiligte, festzu- bereit, die teuren Spiele, die nach zwei-, lich tätigen Ludothek-Frauen richteten un- stellen. Der Trend geht hin zu Computer- dreimaligem Gebrauch nicht mehr benötigt ter Mithilfe ihrer Männer die Räume selbst Spielen, die ohne körpernahe Spielpartner wurden, selbst zu berappen. So lag es für her – und mussten auch selber heizen. gespielt werden. Ein Trend zur Vereinsa- Frau Meyer und einige interessierte Frauen mung der Menschen? Zudem schlägt sich nahe, einen Spielverleih zu eröffnen. Dies Im Februar 1985 zog die Ludothek wieder der Wegzug von Benützerfamilien im Spiel- war 1979, im Jahr des Kindes, was für die um. Diesmal in grosse, helle Räumlichkeiten ausleih nieder. Beschaffung des Startkapitals positiv war. an der Bahnhofstrasse 16, welche die BL Die Frauen fanden finanzielle Unterstüt- Kantonalbank der Gemeinde im «Multi- Ende 2001 hatten 630 beitragszahlende zung bei der Gemeinde, den beiden Kirch- pack» für Bibliothek und Ludothek vermie- BenützerInnen unter 1790 Spiele aller gemeinden (diese sind 1983 aus ihrem tet hat. Mit dem Bezug der neuen Lokalitä- Gattungen inkl. elektronischen Spielen die finanziellen Engagement ausgestiegen), der ten gleich neben der Bibliothek wurden die Qual der Wahl. Die Ausleihe betrug 6358 Pro Juventute, dem Frauenverein, den Insti- Öffnungszeiten erweitert und damit denje- Stück. Emmy Honegger tutionen Brockenstube, Kinderkleiderbörse nigen ihrer Nachbarin angepasst. und Frauenkaffee sowie bei verschiedenen Spendern. Dem eigentlichen Gründungstag Nun wurde der Status einer Gemeinde-Insti- QUELLEN: der Ludothek am 18. September 1979 vor- tution angestrebt. Es wurde ein Reglement Jubiläumsschrift, Einwohnerratsvorlagen, Jahres- ausgegangen war im Mai eine Ausstellung ausgearbeitet, das der Einwohnerrat im April berichte. von Büchern und Spielen im Kirchgemein- 1991 abgesegnet hatte. Jetzt war die Ludo- dehaus. Die Kinder durften mit ca. 180 Spie- thek eine Einrichtung der Gemeinde mit len nach Herzenslust spielen. Gleichzeitig eigener Rechnungsführung. Die Aufsicht über wurde ein Wettbewerb zwecks Namensfin- den Betrieb hat eine Ludo-Kommission, und dung durchgeführt. Der Name «Gampiross» die Mitarbeiterinnen erhalten einen be- siegte und die Ludothek hatte einen Namen. scheidenen «Lohn». Um zusätzliche finan- zielle Mittel für den Ankauf von Spielen zu Zu Beginn war die Ludothek, die sich der beschaffen, wird jährlich ein Spieltag orga- 380 von Gemeinde und den beiden Kirchge- nisiert. Lustspiel «D Hürotsvermittlere» von Thorn- te nicht entmutigen, er war eher ein An- Laienbühne Pratteln ton Wilder in der Dialektfassung von Emil sporn. Und richtig: 1981, mit «Die Freier» Bader, der noch zwei weitere, Vorstellungen von Joseph von Eichendorff – eine Frei- im KGH folgten, waren die Mühsale der Pro- lichtaufführung im Jörinpark mit Musik und benzeit vergessen. Das Debüt war gelun- vorangegangenem Grillfest – feierte die LB gen; die Laien-Schauspieler hatten sich in wieder Triumphe, wie auch 1982 mit dem die Herzen der Zuschauer gespielt. Stück «Heisses Yse» von Rud. Stalder und 1983 mit «Momo» von Michael Ende in Am 27. Oktober 1978 wurde die LB von 40 einer eigenen Fassung in der «Fröschi»- Ab und zu entspringt etwas, das Bestand Theaterbegeisterten und in Anwesenheit Aula. Ein durchschlagender Erfolg und dem hat, einer Blitzidee. So auch die Laienbühne eines Gemeinderates sowie des IGOP-Präsi- Bedürfnis der Bevölkerung entsprechend Pratteln, die gedanklich im Frühjahr 1976 denten als Verein feierlich aus der Taufe war die Silvester-Party 1984 mit der Premie- nach einer Kommissionssitzung im Gemein- gehoben, die Statuten genehmigt und der re «Bym Babbe Donnerwätter» von Moritz dehaus in einer Dreiergemeinschaft (Ge- Vorstand gewählt. Erster Präsident wurde Rückhaeberle unter der Regie des Basler meinderat Kurt Gysler, der Kabarett erfahre- Walter Biegger, der bis anhin das lose «Ge- Profi-Regisseurs Peter Oliver Haerdi im KGH. ne Walter Biegger und die Redaktorin des bilde» Laienbühne präsidiert hatte. Die fol- Prattler Anzeigers) «geboren» wurde: Pratt- gende Arbeit des Vorstandes umfasste Es würde hier zu weit führen, all die Erfolgs- ler sollten für Prattler Theater spielen und nebst vielem Anderen das Erstellen der Zu- stücke im KGH, im kath. Pfarreisaal, im zwar unter dem Namen Laienbühne Prat- ständigkeitsliste und der Pflichtenhefte für Kuspo und im Geisswald aufzulisten. Nur teln (LB). Flugs wurde beschlossen, mit Inse- die Vorstandsmitglieder und Akteure «hin- eine Aufführung sei noch erwähnt: Das Frei- raten im PA Gleichgesinnte zu suchen. Die ter den Kulissen»: Konsumations-Manage- lichtspiel 1990 im Geisswald «Der Weiber- Suche blieb nicht ohne Echo und am 16. ment, Kulissen malen, Requisiten, Kostüme, Streik», ein pentatonisches Musical, frei nach Dezember 1976 trafen sich im Kirchgemein- Schminken, Presse und Propaganda, usw. Aristophanes von Hanns Dieter Hüsch mit dehaus acht Spiel-Interessierte. Es wurde Musik von Rudolf Mors, unter der bewähr- diskutiert und gleich auch Ziele gesetzt: Am 28. April 1979 fand mit dem musikali- ten Regie von Niggi Reiniger. Dieses Stück Mindestens einmal im Jahr ein abendfüllen- schen Lustspiel «Änebach – Dänebach» von war absolute Spitze. des, gutes Volksstück aufführen; die Spieler Walter Lesch die zweite Laienbühne-Pre- spielen gratis, Kulissen mit eigenem Perso- miere statt. Sie war ebenfalls ein bombiger Wie andere Vereine erlebte auch die LB nal erstellen, Selbstfinanzierung durch Bil- Erfolg. Im gleichen Jahr schloss sich die Lai- Höhen und Tiefen. Festgehalten werden lett-Verkauf und Konsumation vor, während enbühne der IGOP sowie dem Zentralver- darf aber auch, dass die LB mit ihrer Stück- und nach den Aufführungen. Sogleich wur- band Schweizerischer Volksbühnen an. Damit wahl fast immer eine glückliche Hand hatte, de auch entschieden, in der Theater-Saison kam die LB in Kontakt zu anderen Laienbüh- die Laienspieler sich von Saison zu Saison 1977/78 mit einem Volksstück zu debütie- nen und konnte auch am Kursangebot des steigerten und der Unterschied von Laien- ren. Im März 1977 wurde das erste Theater- Zentralverbandes partizipieren. und professionellen SchauspielerInnen sich stück, das von einer Stückwahl-Kommission verwischte. Die Laienbühne ist zu einer fest- vorgeschlagen wurde, beschlossen und Her- In der Folge lud die LB jedes Jahr (und wird en und beliebten Institution im kulturellen mann Kessler aus Frenkendorf, Sekundar- es hoffentlich weiter tun) zu Aufführungen und gesellschaftlichen Leben unserer Ge- lehrer und erfahrener Theatermann, als Re- ein, wobei nicht alle gleich gut ankamen, meinde geworden. Emmy Honegger gisseur gewählt. Bald begann die Proben- wie 1980 das klassische Stück «Viel Lärm in zeit, in der alle gefordert waren. Nach der Chiozza» von Carlo Goldoni in schriftdeut- QUELLE: ersten sehr erfolgreichen Aufführung, dem scher Sprache. Doch der «Misserfolg» konn- Chronik der Laienbühne. 381 Bereits im August 1964 wurde Armin Bren- besuchten die Kurse der JMS. Ein einschnei- Die ner zum Leiter der Jugendmusikschule ge- dendes Ereignis wird der JMS zu Beginn des Jugendmusikschule wählt, Präsident war Paul J. Müller. Beide Jahres 1982 bekannt: Armin Brenner, Leiter begannen auch unverzüglich mit der Erstel- der JMS seit ihrer Gründung, gibt seine Pratteln lung eines Reglementes. Wiederum nur Demission bekannt. 1984 tritt ein neues einen Monat später wurde dieses Regle- JMS-Reglement in Kraft, das als eines der ment von der Kommission genehmigt, und fortschrittlichsten des Kantons gilt und 20 einer Aufnahme des Musikunterrichtes im Jahre nach der Gründung das bisherige er- Oktober stand nichts mehr im Wege. Über setzt. Eben dieses 20-jährige Jubiläum war Als ältestes Dokument der JMS Pratteln darf 100 Grundkursschülerinnen und -schüler denn auch Anlass zu einer aussergewöhnli- ein von Hand geschriebenes Protokoll gel- nahmen den Unterricht auf; der eigentliche chen Reihe musikalischer Veranstaltungen, ten, verfasst von einer «vorberatenden Kom- Instrumentalunterricht begann im Frühling deren Höhepunkt für alle Beteiligten die mission für JMSP», das auf zwei Seiten eines 1965 mit ungefähr 200 Schülerinnen und Aufnahme einer von der Prattler Industrie «Hüsliblockes» aufgezeichnet ist. Teilneh- Schülern, die von 15 Lehrpersonen unter- gesponserten Schallplatte war. mer dieser historischen Sitzung vom 11. richtet wurden. Juni 1964 waren Schulpflegemitglied Ernst Mitte der achtziger Jahre hat sich der Aus- Suter, Gemeinderat Max Schmid, Lehrer Mit dem horrenden Gründungstempo konn- bau der JMS stabilisiert, die Schülerzahl Paul J. Müller und Musiklehrer Armin Bren- te die ganze Entwicklung der JMS Pratteln pendelt sich bei etwa 1000 Schülerinnen ner. Laut Protokoll wurde Herrn Brenner der mühelos Schritt halten: Dem Aufbau zur und Schülern ein. In diese Zeit fällt auch die Auftrag erteilt, Lehrkräfte zu suchen. Dem Zeit der Hochkonjunktur wollte sich auch Aufnahme einer engen Partnerschaft mit Gemeinderat wurde Antrag gestellt, einen die Gemeinde Augst nicht verschliessen und der Musikschule Bonn, eine Zusammenar- Kredit von Fr. 5000.– zu sprechen, zwecks interessierte sich schon früh, die Augster beit, die bis heute andauert. Anschaffung von Schulräumen. Kinder durch die JMS unterrichten zu lassen. Es spricht für die Kulanz, dass diesem Die neunziger Jahre sind geprägt von einem Woran mag es gelegen haben, dass eine Begehren der Nachbargemeinde entspro- andauernden Sparzwang: strapazierte Ge- Woche später, anlässlich einer «Extra-Sit- chen wurde. Dem Beispiel von Augst folgte meindefinanzen lassen nur noch beschränk- zung», bereits über 400 Anmeldungen zu Giebenach, welches sich 1972 der JMS te Mittel für die JMS zu. Durch eine Petition dieser Musikschule eingegangen waren? anschloss und die JMS, die damals bereits mit zahlreichen Unterschriften wird den Sicherlich der Initiative dieser Gründungs- fast 800 Schülerinnen und Schüler zählte, Verantwortlichen der Gemeinde die Bedeu- mitglieder, die auch unverzüglich die JMS- zu einer regionalen Musikschule erweitern tung der JMS nahegelegt. Die Volksinitiative Kommisson den anderen Kommissionen liess. «Musikerziehung durch die Jugendmusik- gleichstellten. Diese fortschrittlich gesinnte schule – ein Bildungs- und Kulturauftrag der Musikschulkommission sowie das Wohlwol- Das für die JMS im Jahre 1979 bemerkens- Gemeinden und des Kantons» will die len der Behörden von Gemeinde und Kan- werteste Ereignis war der Entscheid der Jugendmusikschule als Schulart anerkannt ton und die Unterstützung durch Schulpfle- Gemeindebehörden, die Kinderkurse in den wissen (1995). ge und Ortslehrerschaft bildeten günstige Kindergarten zu integrieren. Diese Pionier- Voraussetzungen für die Gründung der tat machte es möglich, allen Kindern eine Zwei Jahre später: Sinkende Schülerzahlen JMS. Als bahnbrechend galt die Regelung, unentgeltliche musikalische Grundausbil- an den Volksschulen wirken sich auch auf dass die Eltern die Hälfte der Lektionskosten dung zu bieten. Im Jahre 1981 überstieg die die Schülerzahlen der JMS aus: erstmals seit begleichen mussten, während Gemeinde Schülerzahl erstmals die Tausendergrenze: vielen Jahren besuchen weniger als 900 382 und Kanton sich in die andere Hälfte teilten. insgesamt 1085 Schülerinnen und Schüler Schülerinnen und Schüler die Kurse der JMS. Für die Lehrpersonen verringern sich erlauben ein reges Ensemblewesen. Die zudem durch Lektionsverkürzungen (Spar- hohe Qualität des Prattler Ensembles bele- Das andere massnahmen) die Unterrichtspensen. gen diverse Preise an musikalischen Wettbe- Musikleben in Pratteln werben sowie erfolgreiche Konzerte im In- Im August 1999 wird die Musikalische und Ausland. Verschiedene Schülerinnen und Grundausbildung, bisher Voraussetzung für Schüler der JMS haben ihr ehemaliges den Instrumentalunterricht an der JMS, in Hobby zum Beruf gemacht. All dies ist für die Stundentafel der Primarschule integriert die JMS Anlass, weiterhin aktiv, ideenreich und somit sowohl obligatorisch als auch und phantasievoll in der Musikerziehung unentgeltlich. Der Unterricht wird nach wie tätig zu sein. Karl Hinnen Musik als ein spezieller Ausdruck der vor durch Lehrpersonen der JMS durchge- menschlichen Lebenskultur ist an die inne- führt. Einmal mehr unterstreicht der Kanton ren und äusseren Bedingungen von Raum Basel-Landschaft mit dieser Massnahme die und Zeit gebunden. So spiegelt sich im Vorreiterrolle in der Musikerziehung. Musikleben des Ortes Pratteln die geogra- phische Lage und soziale Zusammenset- Im selben Jahr stellen die Gemeinden Augst zung wider: eine industrielle Agglomeration und Giebenach Forderungen nach Mitspra- mit starken ländlichen Wurzeln in der direk- che und Mitbestimmung. Eine Kommission ten Nachbarschaft einer kulturellen Metro- «Kreis-Jugendmusikschule Pratteln-Augst- pole. Giebenach» beginnt mit den Vorarbeiten für ein neues Reglement. Auf diesem Hintergrund lässt sich das reich- haltige und vielfältige musikalische Leben 2001: Der Einwohnerrat Pratteln sowie die Prattelns aufschlüsseln: die traditionellen Gemeindeversammlungen von Augst und Vereine und Chöre, die Bildungs- und Kul- Giebenach genehmigen den sogenannten tur-Institutionen der Gemeinde, die Kirchen «Vertrag zwischen den Einwohnergemein- als Orte sakraler und kultureller Veranstal- den Pratteln, Augst und Giebenach über die tungen. Im Jugendbereich existiert ein Rock- Führung einer Kreisjugendmusikschule» und förderverein beider Basel, bei dem sieben stellen die Weichen neu. Die «Jugendmusik- Prattler Bands eingeschrieben sind. In der schule Pratteln» von einst wird zur «Kreis- Sekundarschule Fröschmatt gab es – abhän- jugendmusikschule Pratteln–Augst–Giebe- gig von der Initiative der Musiklehrerinnen – nach». vorübergehend einen Chor, eine Schulband und einzelne Musicalproduktionen. Die wechselvolle Geschichte durch fast 40 Jahre Musikschule belegt einerseits den ste- Eine wichtige Quelle des «anderen» Musik- ten Wandel dieser Institution, anderseits lebens sind initiative, kreative Einzelperso- aber auch deren Bedeutung. Freude an der nen: Juan Chavez, Bernhard Dittmann, Ar- Musik und das lebendige Verhältnis zur thur Eglin, Norbert Mandel, Martin Metzger. Musik bereichern das kulturelle Leben der Vertragsgemeinden. Die vielseitige Struktur Die traditionellen Vereine und Chöre sowie der JMS und ihre vielfältigen Möglichkeiten die Institutionen, die kirchlichen und schuli- 383 schen Bereiche sind in ihrer kulturellen Aus- tuierte sich der Chor als Verein. Von der Burkhalter und Pia Durandi sowie diversen richtung stark ortsgebunden und an ande- Grösse her ein Kammerchor mit rund 40 Solisten und Instrumentalisten realisiert. rer Stelle abgehandelt. Deshalb beschränkt Sängerinnen und Sängern, widmet sich der sich der vorliegende Artikel auf die letzte Cantabile Chor Pratteln der Aufführung sel- Als einen Höhepunkt besonderer Art durfte Rubrik, die initiativen Einzelpersonen – so- ten gesungener Werke aus verschiedenen der Cantabile Chor Pratteln eine Einladung weit sie nicht an anderswo besprochene Epochen von der Renaissance bis zur Ge- der Basilika St. Madeleine in Vézelay (Bur- Institutionen gebunden sind: Juan Chavez genwart sowie Unterhaltungs- und Volks- gund) empfinden. Das Konzert am 15. Sep- und Bernhard Dittmann als Lehrkräfte der musik. Zu den jährlich zwei Konzerten, mit tember 2001, dem ein mitgereister Prattler JMS und Arthur Eglin als Kirchenmusiker jeweils mindestens einer Aufführung in «Fanclub» von etwa 30 Personen beiwohn- und ehemaliger Dirigent des Singkreises. Pratteln, kommen diverse kleinere regel- te, wird allen Beteiligten aufgrund der emo- mässige Auftritte in Radiogottesdiensten, tionalen Weltlage (vier Tage nach dem Ter- Um als ein bedeutender Faktor im Kulturle- Basler Münster-Vespern, dem Prattler Dorf- roranschlag in New York und Washington), ben eines Ortes wie Pratteln wahrgenom- fest ´97, an offiziellen Anlässen und Feiern der Besonderheit des Ortes und der musika- men zu werden, bedarf es einiger Vorausset- sowie an den Lehrerkonzerten der JMS. Der lischen Leistung des Chores immer in Erin- zungen: ein klares, unverwechselbares Kon- Cantabile Chor erhält im Rahmen des Chor- nerung bleiben. zept, ein langfristiges Wirken, eine breite fördermodells vom Kanton finanzielle Un- Resonanz seitens der Öffentlichkeit sowie terstützung für seine Konzerte. Zu den Zukunftsperspektiven des Chores die Einbettung in den örtlichen Kontext. zählen die Entdeckung des Chorwerkes des Diese Voraussetzungen scheinen mir gege- Zu den musikalischen Höhepunkten der sie- brasilianischen Komponisten Heitor Villa- ben beim Cantabile Chor Pratteln, beim Z7 benjährigen Geschichte zählen: Lobos und die Gestaltung eigener Program- und bei den Arbeiten von Martin Metzger. me mit hohem Unterhaltungswert. Die «Weihnachtsgeschichte» von Heinrich Den ausgewählten Personen-Gruppen-Or- Schütz, «Lamento für Michelle», Madrigale Das Z7 ten gemeinsam ist ein eher städtisches Kul- von Claudio Monteverdi und Bearbeitungen turkonzept mit kosmopolitischer Ausprä- der Musik der Beatles und der Filmmusik Eine Kulturinstitution ganz anderer Art ist gung. Ferner ist die Existenz dieser Kultur- Walt Disney’s – die «Choralpassion» und der die Konzertfabrik Z7. Die treibende Kraft träger an einzelne initiative Personen ge- «Totentanz» von Hugo Distler, Motetten dahinter heisst Norbert Mandel. Als Inhaber bunden. Die Reihenfolge habe ich nach von Johann Sebastian Bach, das Programm eines Konzertbüros für Musik und Rockmu- dem Grad der Verbundenheit mit Pratteln «Lieder aus Küche und Kirche», «Brahms sik erhielt er 1990 die Anregung, im neu ent- festgelegt. und ungarische Volksmusik» sowie das standenen Kultur- und Sportzentrum Prat- Vézelay-Programm mit sakraler Chormusik teln Rockkonzerte durchzuführen. Daraus aus fünf Jahrhunderten. gingen zwölf Konzerte hervor und die Basis Cantabile Chor Pratteln einer guten Zusammenarbeit mit den Pratt- An den jährlich stattfindenden Lehrerkon- Bei den verschiedenen Programmen wurde ler Politikern und Behörden. zerten der JMS Pratteln trat in den Jahren die Zusammenarbeit mit dem Barockorche- 1991-94 ein eigens für diesen Anlass gebil- ster «Capriccio», dem ungarischen Instru- Im November 1994 erfolgte die Übernahme detes Chörli auf. Daraus ist, auf Initiative mentalensemble «Ökrös együettes», dem der früheren Lagerhalle an der Kraftwerk- einiger beteiligter Lehrkräfte, der Cantabile katholischen Kirchenchor Muttenz, dem re- strasse. Hier versuchte sich eine Liestaler Chor Pratteln unter der Leitung von Bern- formierten Kirchenchor St. Jakob, Sissach, Crew, die nach einem halben Jahr pleite und hard Dittmann, dem Autor dieses Artikels, einzelnen Instrumentallehrkräften der JMS ausgebrannt war. Norbert Mandel übernahm 384 hervorgegangen. Am 29. Juni 1994 konsti- Pratteln, insbesondere den Pianistinnen Evi mit seinem Team, seiner «Familie», den «Schuppen», baute um und aus und erstell- Heute schaut Norbert Mandel mit seiner Musikgruppe Oropax in den achtziger Jah- te ein Konzept, das sich zu dem entwickelte, «Familie» von 34 Mitarbeiterinnen und Mit- ren, die «Four Reggae-Songs» für grosses was heute das Z7 darstellt: die grösste und arbeitern auf eine Erfolgsgeschichte: im No- Blasorchester 1992 und die Auftritte der bekannteste Konzertfabrik der Schweiz, ein vember 2001 fand das 500. Konzert statt, «R+T RonX-the Rantis and their Tonkels «Durchlaufladen» für Musiker, die europa- im Februar/März 2002 wird der 250000. with their jazzy steil Ronk’n Toll» am Prattler weit auf Tournee sind, international ausge- Besucher erwartet und bis dahin werden Dorffest 1997. Die weitere Werkliste umfasst richtet, eine Bühne für Rock- und Popmusik, Auftritte von über 1400 Bands stattgefun- eine grosse Anzahl origineller Stücke für von der es in Europa ca. 25 vergleichbare den haben. Die musikalische Hauptströ- wechselnde Besetzungen, von der die «Ron- «Läden» gibt. Die Infrastruktur ist beein- mung ist «Heavy metal», daneben die kenade in F», Suite für Solosaxophon, vier druckend: Platz für 1500 Leute (unbestuhlt), «alten Schlachtrösser» der Rockgeschichte gemischte Stimmen und Jazzband, die mit einer Bühne von 9x14 m, zwei Misch- mit den Highlights: Alice Cooper, Manfred «Röseligarte-Suite» für gemischten Chor, pulte, die eine gleichzeitige technische Ver- Mann und Uriah Heep, Hitparadenbands «Basel-West» für Orchester und Rapstim- sorgung für vier Bands ermöglichen, kom- und Schweizer Gruppen. Das Publikum ist me, «Hinter em Minschter» für Männerchor plette Lichtanlagen, eine professionelle gesamtschweizerisch und international. und E-Gitarre die neuesten sind. Crew, welche die Musiker rundum betreut, Zum üblichen Konzertbetrieb kommen jähr- inklusive eines eigenen Kochs. Das ent- lich zwei Wettbewerbsprojekte im Heavy Zu seinem derzeitigen Musikverständnis spricht dem Konzept der «Familie», beson- Metal-Bereich und seit 2000 ein Sommerfes- schreibt Martin Metzger: «Musik ist für dere Ereignisse zu kreieren. tival hinzu. Ein Wunsch der «Familie» wäre mich etwas, das bewegen muss. Und damit die Nutzung der Konzertfabrik durch Pratt- meine ich auch Bewegung im körperlichen Aber der Weg war steinig. Wie baut man ler Vereine. Sinn. Deshalb kann ich heute gut leben mit eine Konzerthalle ohne finanzielle Mittel? einer Musik, die zum Teil von der Melodik Mit unbezahlter Arbeitskraft, Materialge- und Harmonik her aufgelöst ist, das Versan- Martin Metzger schenken und finanzieller Hilfe seitens der den des Rhythmus ertrage ich jedoch nicht. Baufirma Spaini – Eigentümerin der Lager- In der Person des Musikers Martin Metzger Als 16-jähriger begann ich, eigene Songs im halle –, privater Verschuldung und einer vereinen sich die musikalischen Strömungen Stil der Beatles zu schreiben. Obwohl ich Geschichte am Abgrund des finanziellen der sogenannten klassischen und der afro- zwei, drei Jahre später mit meiner ‹Unterba- Ruins. Nachdem der Anfangsbonus ver- amerikanischen Musik sowie der Folklore selbieter›-Mundart experimentierte und von braucht und einige Konzerte Besucherflops und aussereuropäischen Tradition. Geboren der Rockband zu einer rein akustischen For- waren, stellte sich 1995 die erste grosse in Zürich, aufgewachsen in Pratteln, erfährt mation wechselte, versuchte ich am Beat Krise ein. Mit einem neuen Konzept, einer Martin Metzger seine musikalische Ausbil- der Rock- und Popmusik meiner Zeit festzu- kommerzielleren Ausrichtung, einer neuen dung und Anregung am Konservatorium halten. Während meines Kompositionsstu- Organisationsstruktur und einem teilweise Basel (Schulmusik, Komposition und Mitar- diums an der Basler Musikakademie ent- neuen Team, wurde eine zweite Startphase beit am Elektronischen Studio) sowie bei fernte ich mich am weitesten von meiner begonnen. Und endlich, nach weiteren Hür- Auslandsaufenthalten in Mexiko, Japan, oben erwähnten Überzeugung. Ich tastete den behördlicher Auflagen, finanzieller Eng- Korea und China. Seit 1988 als Schulmusi- mich möglichst innovative Gänge entlang, pässe und Auseinandersetzungen mit der ker in Teilzeitarbeit am Gymnasium Bäum- bis ich einige Jahre später mit Kompositio- Vermieterin, erarbeitet sich die Konzertfa- lihof, realisiert er beständig eigene musikali- nen für eine Jazzband wieder zu meinen brik seit 1997 eine solidere Basis: ein selbst- sche Events und Auftrags-Kompositionen afroamerikanischen ‹Jugendwurzeln› zurück- tragender Betrieb, ständige Investitionen in für Chöre, Orchester, kleine Formationen fand. So bleibe ich heute beharrlich auf mei- Technik und Infrastruktur und ein kleiner und experimentelle Bereiche. Zu den Auf- nem Weg: Ich suche in Orchesterklängen, in Zustupf vom Kanton. tritten in Pratteln gehören die Lieder der Chorgesängen, in Kammermusiktönen den 385 ‹Groove›, der in meinen Adern fliesst, der Richtungen ist wirklich vorhanden. Zeugen mich in den Beinen juckt, und der meinen Die Vereine dafür sind sicher die vier vergangenen, er- Bauch zum Tanzen bringt.» folgreichen Dorffeste in den Jahren 1966, 1976, 1986 und 1997. Aber auch bei kan- Das Prattler Musikleben, auch in der aus- tonalen oder regionalen Anlässen ist dem schnitthaften Betrachtung, ist bunt und viel- durchführenden Verein die Unterstützung fältig. Ländlich-Traditionelles hat neben Städ- der Anderen sicher, denn alleine sind solche tisch-Interkulturellem seinen Platz, volkstüm- Anlässe nicht mehr durchzuführen. In den liche Konzerte haben ihr Publikum genauso meisten Fällen treffen Aufrufe zur Mithilfe wie Klassik-, Rock- und Popkonzerte. Die Mit den rund 70 Vereinen, die in der Interes- auch in der Bevölkerung auf offene Ohren. Nähe zu einer Musikmetropole wie Basel tut sengemeinschaft der Ortsvereine Pratteln Pratteln eher gut, da Anregungen entste- (IGOP) zusammengeschlossen sind, hat sich Die Interessengemeinschaft hen und interessante Konzerte und Projekte deren Anzahl seit 1968 fast verdoppelt. der Ortsvereine Pratteln (IGOP) Station machen. Eine Gemeinde definiert Diese Tatsache straft die Aussage lügen, sich über das Kulturleben selber. So spiegelt wonach den Vereinen keine Zukunft mehr Nicht zuletzt leistet die IGOP – von Walter sich die Vielfalt der Bevölkerung auch im vorausgesagt wird. Selbstverständlich kämp- Kohler als Präsident des VVPA im Jahre 1948 Musikleben wider, und zum Beweis des Funk- fen die meisten mit dem Problem des Mit- ins Leben gerufen – einen wertvollen Bei- tionierens einer demokratischen Gesell- gliederschwundes. Und vereinzelt müssen trag: Statutarischer Zweck dieser Organisa- schaft dient das Nebeneinander verschiede- sich Vereine auch wieder auflösen. Die tion war und ist «die Vereinigung der poli- ner Kulturen und Stile und deren gegen- Gründe dazu sind vielfältig: Hauptsächlich tisch und konfessionell neutralen örtlichen genseitige Befruchtung. Bernhard Dittmann scheint das «Verpflichtet-sein» das Problem Körperschaften». Als Ziele wurden definiert: zu sein, d.h. regelmässig im Verein aktiv zu «Die Wahrung gemeinsamer Interessen, sein. Ein weiterer Grund ist sicher auch die Erhaltung und Pflege kultureller Überliefe- Nachtrag Vielfalt des Angebotes; aber auch eine rungen, Förderung des Gemeinschaftsge- Zum «anderen Musikleben» Prattelns sind gewisse Trägheit – lieber Konsumieren als dankens durch gemeinsame Veranstaltun- auch die «Georgy’s Big Band» sowie die Produzieren – mag zum Problem beitragen. gen.» Alljährlich im Frühjahr wird der Ter- «Mikados» zu zählen. Dennoch finden immer wieder Interessierte minkalender über die geplanten Aktivitäten den Weg zu «ihrem» Verein, d.h. zu dem der einzelnen Vereine zusammengestellt und Die «Georgy’s Big Band», unter der Direk- Verein, der ihren Wünschen und Neigungen an einer gemeinsamen Sitzung koordiniert. tion des Prattlers Georg Bielser, besteht seit am besten entspricht. Und vielfach wird Es sind immerhin jeweils gegen 200 ver- über 25 Jahren und hat im ganzen Lande und dem Einzelnen erst im Laufe der Zeit der schiedene Anlässe. Erwähnenswert ist sicher über die Grenzen hinaus Triumphe gefeiert. Wert einer solchen Gemeinschaft richtig auch die seit 1980 alljährlich im Herbst statt- Ihre mitreissende Musik ist auch auf CD ver- bewusst. Die Geschichte lehrt uns, dass die findende Jubilarenfeier, an der anfänglich ewigt worden. Vereine in schlechten Zeiten den grössten im reformierten Kirchgemeindehaus und Zulauf hatten. Man wurde sich der Bedeu- später im Kultur- und Sportzentrum beim Die «Mikados» – vier Meister der Mundhar- tung derselben wieder bewusst. Und dieser Schloss die 80-jährigen und älteren Mitbür- monika – reissen bei ihren Konzerten und Gemeinschaftsgedanke darf nicht unter- gerinnen und Mitbürger, sowie auch solche Auftritten seit 18 Jahren das Publikum je- schätzt werden, wird doch erst dadurch ein die 50 oder mehr Jahre verheiratet sind, zu weils zu Begeisterungsstürmen hin. Auch ihre aktives Dorfleben möglich. Pratteln darf einem gemütlichen Nachmittag mit Produk- Melodien, von volkstümlich bis modern, darauf mit Recht stolz sein. Der Zusammen- tionen verschiedener Vereine und einem 386 sind auf CD verewigt. Emmy Honegger hang unter den Vereinen verschiedenster «Zvieri» eingeladen werden. Spontan er- klärten sich die Vereine bereit, entweder mit Zweck: Angebot von Kursen und Veran- Zweck: Jugendliche für den Breitensport einem Auftritt, durch Mithilfe bei den Vor- staltungen für Freizeit und Weiterbildung. begeistern. Aktivitäten in und für Prat- bereitungen und der Durchführung oder Eltern- und Erwachsenenbildung sowie teln, Förderung des Dorf- und Vereinsle- mit einer Spende mitzumachen. Von An- die Kontaktförderung im Leben der Ge- bens. fang an haben die Prattler Ortsvereine die- meinde. Seit 1974 existierte bereits eine sen Anlass mit jeweils rund 250 Gästen sel- Arbeitsgemeinschaft unter dem gleichen Cantabile Chor ber finanziert. In verdankenswerter Weise Namen und mit dem gleichen Ziel und Gründungsjahr: 1994, Mitglieder: 120 wird der Saal im Kultur- und Sportzentrum Zweck. Zweck: Aufführungen von selten gesun- für diesen kaum mehr wegzudenkenden genen Werken aus verschiedenen Epo- Anlass von der Gemeinde gratis überlassen. Allgemeiner Touring-Bund, Sektion Augst chen. Aber auch Unterhaltungsmusik Es ist nur zu wünschen, dass dieser gute Gründungsjahr: 1919, Mitglieder: 105 und Folklore. Geist innerhalb der Ortsvereine auch in der Zweck: Verkehr, Sport und Freizeit. Zukunft erhalten bleibt. Chraftstoff 5 Altersverein Pratteln-Augst Gründungsjahr: 1999, Mitglieder: 35 Gründungsjahr: 1931, Mitglieder: 266 Zweck: Organisieren von Partyevents in Die Vereine Zweck: Regelmässige Zusammenkünfte der Region mit Oldies-, Rock- und Pop- Nachstehend sollen die aktiven, der IGOP und Anlässe für Mitglieder. Musik. Kreative Freizeitgestaltung. angeschlossenen Vereine, Stand nach der Gemeinschaftssitzung im April 2002, in Arbeitermännerchor CVJM (Christlicher Verein junger Menschen) alphabetischer Reihenfolge kurz vorgestellt Gründungsjahr: 1922, Mitglieder: 485 Gründungsjahr: 1985, Mitglieder: 25 werden: Zweck: Pflege des Gesanges und der Zweck: Christliche Jugendarbeit und Fe- Kameradschaft und Geselligkeit. Aktive rienlager in freier Natur. Anmerkung: Die Anzahl gibt das Total aller Mitwirkung im kulturellen Bereich der Mitglieder wieder. Es wird auf eine Auftei- Öffentlichkeit, insbesondere im örtlichen Die Verirrtä, Fasnachtsclique lung in verschiedene Kategorien (Aktive, Dorfgeschehen. keine Angaben erhalten Passive etc.) verzichtet. Arbeiterschiessverein Familiengartenverein Hintererli Im Vereinszweck sind jeweils auch die Pflege Gründungsjahr: 1931, Mitglieder: 612 Gründungsjahr: 1964, Mitglieder: 548 der Kameradschaft und der Zusammenar- Zweck: Förderung des Schiesssportes, Zweck: Förderung der Familiengartenbe- beit enthalten und deshalb nicht mehr sepa- Ausbildung von Jugendlichen im Schiess- wegung, Wahrung der Interessen seiner rat erwähnt. sport. Mitglieder und Förderung der Zusam- menarbeit. Bis 1989 nannte sich der Ver- A.O. Organetto Basel/Pratteln (Associazione Badminton Club ein «Pflanzlandpächter-Vereinigung Hin- Ornitologica) Gründungsjahr: 1971, Mitglieder: 80 tererli». Gründungsjahr: 1988, Mitglieder: 34 Zweck: Förderung des Badmintonspieles Zweck: Vogelzucht, Erhaltung der Arten, durch regelmässiges Training, durch FGV Widen (Familiengärtner-Vereinigung) Ausstellung der gezüchteten Vögel. Wettkämpfe und durch Kontakte mit Gründungsjahr: 1976, Mitglieder: 40 anderen Clubs. Zweck: Förderung der Familiengartenbe- AGFF (Arbeitsgemeinschaft Freizeit und Fa- wegung, Wahrung der Interessen seiner milie) Baskettball Club Mitglieder und Förderung der Zusam- Gründungsjahr: 1993, Mitglieder 320 Gründungsjahr: 1973, Mitglieder: 240 menarbeit. 387 Fasnachtsclique Saggladärne bot der Gemeinde. Förderung des Juni- Handharmonika-Club Gründungsjahr: 1977, Mitglieder: 126 orenwesens mit dem Zweck der Integration Gründungsjahr: 1932, Mitglieder: 265 Zweck: Instruktion für Piccolopfeifer und von ausländischen Jugendlichen. Jährli- Zweck: Pflege der Akkordeon- und Hand- Trommler. Durchführung der Vor-Fas- che Durchführung des Grümpelturnieres. harmonika-Musik. nachtsveranstaltung «Larifari» und Teil- nahme an der Dorffasnacht. Seit 1985 Gewerbe- und Industrieverein Hundesport hat die Clique eine Junge Garde, die Gründungsjahr:1922. Mitglieder: 200 Gründungsjahr: 1926, Mitglieder: 205 «Fägnäschtli». Sie werden im Pfeifen und Zweck: Interessenwahrung für Gewerbe Zweck: Ausbildung von Sporthunden in Trommeln ausgebildet. und Industrie. Zusammenschluss des ört- den Klassen Begleit-, Schutz- und Sa- lichen Gewerbes und der Industrie. nitätshund. Fasnachtsgesellschaft Buure-Lümmel Gründungsjahr: 1958, Mitglieder: 87 Gladiators beider Basel Jodlerklub Pratteln Zweck: Förderung und Pflege der Fas- Gründungsjahr: 1989, Mitglieder: 150 Gründungsjahr: 1917, Mitglieder: 350 nachtsbräuche von Basel und Pratteln. Zweck: Verstärkung der Öffentlichkeits- Zweck: Ausbildung und Förderung der Durchführung von gesellschaftlichen An- arbeit für American Football. Aufbau Mitglieder im Jodelgesang, Erhaltung lässen. Bis 1957 hat der Verein unter dem einer Juniorenmannschaft. und Pflege des Jodelliedes. Namen «Sturmgwehr-Waggis» bestanden. Guggemusig CB-Schnooger Jodlerklub «Mayenfels» Feldschützengesellschaft Gründungsjahr: 1980, Mitglieder: 28 Gründungsjahr: 1959, Mitglieder: 275 Gründungsjahr: 1871, Mitglieder: 40 Zweck: Unterstützung des Fasnachtsge- Zweck: Besuch von Jodlerfesten, eigene Zweck: Förderung des Schiesssportes. schehens durch Spielen von Guggen- Aktivitäten, wie Jodlerabend, Lotto- Seit 1860 existierte der Verein unter dem musig. match und Racletteplausch. Namen Schützengesellschaft Pratteln. Guggemusig Häxeschränzer Judo & Ju-Jitsu Club Fischerverein keine Angaben erhalten. Gründungsjahr: 1959, Mitglieder: 122 Gründungsjahr: 1952, Mitglieder: ca. 300 Zweck: Ausübung und Förderung der Zweck: Unterstützung aller Bemühun- Guggemusig Nachtfalter-Schränzer Budo-Sportarten, insbesondere Judo und gen zur Förderung des Fischbestandes Gründungsjahr: 1959, Mitglieder: 155 Ju-Jitsu zur Stärkung des Selbstvertrauens. und des Gewässerschutzes, sowie der Zweck: Mit rassiger und fetziger Guggen- dazugehörenden Fauna und Flora. kunst den Menschen im In- undAusland Jugendmusik während der Fasnachtszeit Freude berei- Gründungsjahr: 1949, Mitglieder: 170 Frauenchor ten. Es wird jährlich ein Sujet ausge- Zweck: Befähigten Kindern theoreti- Gründungsjahr: 1913, Mitglieder: 291 spielt. Der Verein wurde von Mitgliedern schen und praktischen Unterricht auf Zweck: Besuch von Gesangfesten, Durch- der Musikgesellschaft Pratteln gegründet. einem Instrument zu erteilen. Sinnvolle führung von Konzerten und Reisen. Freizeitbeschäftigung. Guggemusig Rhy-Schränzer Fussballclub Gründungsjahr: 1963, Mitglieder: 155 Laienbühne Gründungsjahr: 1929, Mitglieder: ca. 1000 Zweck: Aufrechterhaltung der Fasnacht, Gründungsjahr: 1978, Mitglieder: 209 Zweck: Körperliche Ertüchtigung im Unterstützung der Kinderfasnacht und Zweck: Belebung des kulturellen Lebens Rahmen eines Mannschaftssportes. Leis- Chlause-ilüte durch verschiedene eigene durch jährliche Aufführungen von heite- 388 ten eines Beitrages an das Freizeitange- Aktivitäten wie Lottomatch und Waldfest. ren, besinnlichen und ernsteren Stücken. Läuferverein Baselland Pfadfinderabteilung Adler Schottedichter (Fasnachtsclique) Gründungsjahr: 1959, Mitglieder: 139 Gründungsjahr: 1930, Mitglieder: 75 Gründungsjahr: 1997, Mitglieder: 192 Zweck: Ausübung und Förderung des Zweck: Kindern die Möglichkeit bieten, Zweck: Pflege und Erhalt des Fasnachts- Laufsportes, Durchführung des alljährli- ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Orga- brauches. chen Augusta-Raurica-Laufes. nisation von 14-täglichen Übungen und Durchführung von Lagern für Mädchen Schützenklub Militärschiessverein und Knaben. Mitglied der Pfadi Region Gründungsjahr: 1906, Mitglieder: 37 Gründungjahr: 1897, Mitglieder: 24 Basel und der Pfadibewegung Schweiz. Zweck: Erhaltung und Förderung der Zweck: Erhaltung und Förderung der Schiessfertigkeit im Interesse der Landes- Schiessfertigkeit. Pistengolf-Club Ergolz verteidigung und als sportliche Aktivität. Gründungsjahr: 1985, Mitglieder: 91 Musikgesellschaft Zweck: Pflege des Minigolf-Sportes, Teil- Schwimmklub Gründungsjahr: 1892, Mitglieder: 600 nahme an Turnieren. Gründungsjahr: 1962, Mitglieder: 151 Zweck: Pflege der Dorfgemeinschaft und Zweck: Erlernen des Schwimmens und Förderung der guten Musik. Prattler Tanzclub die Förderung der Freude am Wasser- Gründungsjahr: 1992, Mitglieder: 60 sport. Förderung des Wettkampf- Natur- und Vogelschutzverein Zweck: Pflege und Förderung des Tan- schwimmens. Gründungsjahr: 1929, Mitglieder: 162 zens auf gesellschaftlicher und sportli- Zweck: Wecken des Interesses für die cher Grundlage. Schwingklub Natur, insbesondere für den Schutz und Gründungsjahr: 1949, Mitglieder: 226 den Erhalt der Artenvielfalt der Vogel- Quartierverein Längi Zweck: Freude am Schwingsport vermitteln welt. Gründungsjahr: 1971, Mitglieder: 210 und Förderung von guten Schwingern. Zweck: Steigerung der Wohnqualität im Naturfreunde Schweiz Quartier. Die Bevölkerung sich Näher- Segelclub Gründungsjahr: 1927, Mitglieder: 74 bringen durch Anlässe. Unterstützung Gründungsjahr: 1943, Mitglieder: 100 Zweck: Organisation von Wanderungen, des Robi Lohag. Zweck: Förderung und Pflege des Segel- Reisen, kulturellen Anlässen, Besichti- sportes, Ausbildung von Schülern, J + S- gungen und Exkursionen. Reiterkameraden (Jugend und Sport) und Erwachsenen. Gründungsjahr: 1963, Mitglieder: 60 Nautic Racing Club Zweck: Erstellung und Betrieb einer Reit- Seibukan Karate Do Gründungsjahr: 1988, Mitglieder: 73 anlage, Interessenwahrung der Mitglieder Gründungsjahr: 1983, Mitglieder: 35 Zweck: Anregungen für Jugendliche zum gegenüber Behörden und Verbänden, Or- Zweck: Förderung des Karatesportes als Modellbau. ganisation von Reitsportveranstaltungen. Schulung in Schnelligkeit, Kraft, Aus- dauer, Disziplin und Konzentration. Ornithologische Gesellschaft Samariterverein Gründungsjahr: 1907, Mitglieder: 96 Gründungsjahr: 1937, Mitglieder: 189 Senioren für Senioren Zweck: Förderung und Hebung der Zweck: Erteilung von Kursen in Erster Gründungsjahr: 1995, Mitglieder: 538 Kleintierzucht, insbesondere der Kanin- Hilfe, Krankenpflege und Samaritertätig- Zweck: Förderung der Selbsthilfe und chen-, Geflügel- und Taubenzucht. Erfah- keit. Samariterposten an Anlässen, Wei- der Solidarität unter der älteren Genera- rungsaustausch und Organisation von terbildung der Mitglieder. Alarm-Organi- tion durch Vermittlung diverser Dienst- Ausstellungen und Fachvorträgen. sation bei grossen Schaden-Ereignissen. leistungen. 389 Schweizerischer Invalidenverband, Tagesmütter Verein Vereinigte Radler Sektion Baselland Gründungsjahr: 1983, Mitglieder: 90 Gründungsjahr: 1909, Mitglieder: 230 Gründungsjahr: 1973, Mitglieder: 450 Zweck: Vermittlung, Betreuung und Auf- Zweck: Tourenfahren für Damen und Zweck: Unterstützung und Beratung von sicht von Tagespflegeplätzen. Grund- und Herren. Förderung des Nachwuchses und Behinderten durch Besucherdienst, Or- Weiterbildung von Mitgliedern. Bera- des Rennsportes. ganisation von Veranstaltungen. Bera- tung und Unterstützung von Tagesmüt- tung in sozialversicherungsrechtlichen Fra- tern und abgebenden Eltern. Verkehrs- und Verschönerungsverein (VVPA) gen. Offizielle Beratungsstelle für behin- Gründungsjahr; 1917, Mitglieder: 1400 dertengerechtes Bauen im Kanton BL. Tennisclub Zweck: Förderung und Pflege der Dorf- Gründungsjahr: 1975, Mitglieder: 324 gemeinschaft und des Blumenschmu- Skiclub Zweck: Ausübung und Förderung des ckes. Pflege und Erhaltung des Brauch- Gründungsjahr: 1967, Mitglieder: 258 Tennissportes (Breitensport, Wettkampf). tums. Wahrung und Förderung aller Zweck: Geselligkeit und gemeinsame Förderung von Juniorinnen und Junioren. dem öffentlichen Verkehr dienenden Aktivitäten im Winter und Sommer. Interessen. Unterstützung in der Erhal- Tischtennisclub tung des Dorfkernes, historischer Bau- Spitex Pratteln-Augst-Giebenach Gründungsjahr: 1975, Mitglieder: 70 ten, Objekte und Sammlungen. Gründungsjahr: 1920, Mitglieder: 1500 Zweck: Pflege und Förderung des Tisch- Zweck: Erbringen von Dienstleistungen tennis-Sportes und -Spieles. Ausbildung Weinbau-Verein an Hilfe- und Pflegebedürftige so, dass des Nachwuchses. Gründungsjahr: 1930, Mitglieder: 139 sie so lange wie möglich in ihrer ge- Zweck: Förderung eines umweltscho- wohnten Umgebung bleiben können. Trachtengruppe nenden Rebbaues, der Vinifikation und Die Spitex ging 1992 aus dem Verbund Gründungsjahr: 1948, Mitglieder: 343 des Interesses der Bevölkerung am Wein. von Hauspflegeverein, Betagten- und Zweck: Erhaltung und Pflege des Volks- Bereits seit 1927 sollen vereinsartige Behindertenhilfe sowie Gemeinde-Kran- liedes und des Volkstanzes. Aktivitäten einzelner Weinbauern be- kenschwestern hervor. standen haben. Turnverein Alte Sektion René Eichenberger Sportclub Promena Gründungsjahr: 1880, Mitglieder: 920 Gründungsjahr: 1973, Mitglieder: 100 Zweck: Übungs- und wettkampfmässi- Zweck: Förderung des Sportes in der Firma. ges Turnen und Spielen in allen Sparten Veranstaltung von Training und Spielen. und Altersstufen. Fitness für Jedermann.

Sportclub Rohner Turnverein Neue Sektion Gründungsjahr: 1947, Mitglieder: 143 Gründungsjahr: 1917, Mitglieder: 429 Zweck: Organisation von sportlichen und Zweck: Förderung und Unterstützung geselligen Anlässen für Firmen-Ange- aller Altersstufen im Leistungs- und Brei- hörige ausserhalb der Arbeitszeit. tensport. Aktivitäten im geselligen und kulturellen Bereich. Sportschützen Gründungsjahr: 1914, Mitglieder: 60 Volksgesundheit Schweiz Zweck: Förderung des Schiesssportes auf Gründungsjahr: 1967, Mitglieder: 410 390 10 m (Luftgewehr) und 50 m (Kleinkaliber). Zweck: Wellness und Geselligkeit Prattler Biografien und Prattler Personenlexikon … 4 September 1939. Bei uns im Dorf wurden Soldaten einquartiert, und Barrikaden gemacht 13 an der Zahl. Unser Dorf ist am besten verteidigt von der Umgebung. … Aus dem Tagebuch des damals 12-jährigen Pratt- ler Schülers René Salathé. Walter Kohler-Tschudin, Nach dem obligatorischen Primar-Schulbe- Gemeindepräsident such in der Schule Schweizerhalle und der Oberschule in Muttenz verpflichtete sich und Kulturförderer, Walter Kohler als Hilfskraft in das Labor der 1914–2000 Säurefabrik Schweizerhalle, wo der damali- ge Direktor des Unternehmens, Dr. Saladin, auf den aufgeweckten und strebsamen Jüngling aufmerksam wurde und diesen zu einer kaufmännischen Lehre im Unterneh- Walter Kohler wurde am 27. August 1914 men animierte. Nach der erfolgreich abge- als jüngstes Kind des Ehepaars Felix Kohler schlossenen Lehre verliess Walter Kohler 1935 und der Marie Schürmann in Aarburg gebo- die Familiengemeinschaft seiner Schwester ren, wo die Familie ein stattliches Mehrfami- Anna und bezog sein Domizil vis-à-vis des lienhaus ihr eigen nannte. Der Vater, Felix Restaurants Solbad, besuchte kaufmänni- Kohler, Bürger von Lüsslingen (SO), übte den sche Weiterbildungs- und Fortbildungskur- Beruf eines Gipsers aus. Dem Ehepaar Koh- se und stieg, dank seines umfassenden Wis- ler wurden zehn Kinder, fünf Töchter und sens, Könnens und Einsatzwillens, zum fünf Söhne geboren, von denen Walter Prokuristen der kaufmännischen Abteilung Kohler das zweitjüngste war. Aber nach der der Säurefabrik Schweizerhalle auf. Am 17. Geburt des letzten Kindes im Jahre 1916, November 1939 verehelichte sich Walter der Tochter Trudi, verstarb die Mutter, und Kohler mit Alice Tschudin, geb. am 3. Okto- Walter Kohler-Tschudin, 1914–2000, der enga- weil sich der Vater nicht wieder verheirate- ber 1915 in Augst, und das Ehepaar bezog giert die kulturellen Belange Prattelns vertrat. te, kümmerten sich die ältesten Töchter, zuerst eine Wohnung an der Adlerstrasse in vornehmlich die Töchter Marie, geb. 1900, Pratteln, bevor die Familie im Jahre 1947 das baut, das er bis zu seinem Ableben intensiv Berthi, geb. 1902, und insbesondere Anna, durch den Prattler Architekten und Kunst- nutzte. Die traditionellen Ferienaufenthalte geb. 1903, um den Zusammenhalt des maler, Hans Schneider, geplante und gebau- in Weggis gehörten ebenso zum Lebensin- Familienverbandes. Als die Schwester Anna te Haus an der Gartenstrasse in Pratteln halt Walter Kohlers wie die bis zu seinem Kohler im Jahre 1922 den Prattler Hans beziehen konnte. Der Ehe entsprossen die Tode dokumentierte Verbundenheit mit sei- Schneider, mit dem Dorfnamen Rächema- Tochter Ursula, geb. 1945, und der Sohn nem früheren Arbeitgeber, der Säurefabrik, chers Heiris Hans Jakobs «us em Rumpel», Jürg, geb. 1942, die dem über 48 Jahre im und den Bewohnern und den spezifischen heiratete und das Ehepaar seinen Wohnsitz Unternehmen Säurefabrik tätigen Familien- Vereinen und deren Vorständen in der Schwei- in der Schweizerhalle, in den Gebäulichkei- oberhaupt Walter Kohler mehrere Gross- zerhalle, den «Salinlern» und den «Süria- ten des heutigen Restaurants Solbads, aller- und Urgrosskinder schenkten. 1979 trat Wal- nern». Am 27. Dezember 2000 – in seinem dings auf Muttenzer Boden, begründete, ter Kohler in den Pensioniertenstatus über, 87. Lebensjahr – verstarb Walter Kohler- wurde Walter Kohler in deren Familienver- um aber weiterhin noch die Redaktionsver- Tschudin, der wie keine andere Prattler Per- band integriert und von seiner Schwester antwortung für die Firmenzeitschrift der sönlichkeit zuvor, sich nicht nur für die kul- von Aarburg nach der Schweizerhalle ge- Säurefabrik wahrzunehmen. Auch physisch turelle Identität sondern auch der politi- holt. Bis zum Abschluss seiner Berufslehre blieb Walter Kohler «seinem» Unternehmen schen Entwicklung Prattelns verpflichtet durfte Walter Kohler im Familienverband weiterhin verbunden, denn er hatte sich in fühlte, nach kurzem Spitalaufenthalt und seiner älteren Schwester Anna, die ihm Mut- der Schweizerhalle ein Refugium in Form wurde unter grosser Anteilnahme der Be- terersatz bot, verbleiben. eines Bastelkellers mit Cheminée aufge- völkerung zu Grabe getragen. 393 Walter Kohler engagierte sich bereits in den Dadurch wurde sichergestellt, dass der poli- In die Wirkungszeit Walter Kohlers fiel aber frühen fünfziger Jahren in der damaligen tische Wille, der durch die im Nebenamt auch die Evaluation eines neuen Friedhofes, Dorfpolitik und informierte als aufmerksa- tätigen Gemeinderäte aufgrund deren Par- der anstelle des aufgehobenen Friedhofes mer und schreibgewandter Berichterstatter teivorgaben und des Wählerauftrags postu- Grossmatt 1962 auf dem «Blözen» realisiert und Teilnehmer an den Gemeindeversamm- liert wurde, auch in die Tat umgesetzt wur- wurde, die Anlage des Talweihers als Ersatz lungen, die damals noch in der Dorfturnhal- den und der Gemeindepräsident während für den verlandeten Lachmatt-Weiher, der le stattfanden, nicht nur die Leser des dama- der Bürostunden auch persönlich angespro- Bau des Schwimmbades und des Sportplat- ligen Prattler Blettli, sondern auch die der chen werden konnte. Als kompetent ausge- zes Sandgruben, der Um- und Ausbau der Basellandschaftlichen Zeitung über die Er- wiesener Finanzchef hat Walter Kohler die Gemeindeverwaltung und, was die absolu- wägungen, Voten und Beschlüsse der Ge- während seiner Amtstätigkeit realisierten te Krönung seiner Amtszeit kennzeichnete, meindeversammlung. Als Dorfpolitiker trat gemeindeeigenen Bauten, wie Schulhäuser, die in den sechziger Jahren eingeleitete und Walter Kohler der damaligen Demokrati- Kindergärten, Reservoirs sowie die Infra- zum erfolgreichen Abschluss gebrachte Re- schen Volkspartei – der heutigen Schweize- struktur der Grossüberbauungen mit Stras- novation des Prattler Schlosses, die mit dem rischen Volks-Partei (SVP) – bei, die zeitwei- sen, Wasserleitungen und Kanalisationen be- 50-Jahr-Jubiläum des Verkehrs- und Ver- se über die Mehrheit im Gemeinderat ver- züglich deren Finanzierung begleitet und schönerungsvereins Pratteln-Augst 1967 zu- fügte, und zwar mit der Absicht, sich poli- diese auch politisch begründet. Geradezu sammenfiel. tisch an der Zukunft und Weiterentwicklung legendär erweist sich, retrospektiv betrach- Prattelns zu engagieren, dabei aber die be- tet, der mehrmalige Kauf und Verkauf des Walter Kohler war in den fünfziger bis neun- stehende Dorfgemeinschaft mit dem sprich- so genannten «Roche»-Landes in der Rhein- ziger Jahren diejenige Prattler Persönlich- wörtlichen Prattler Dorfgeist nicht aufzuge- ebene, dessen Verkauf/Wiederkauf/Wieder- keit, die sich um die kulturelle Identität Prat- ben, sondern zu festigen, einer Zielsetzung, verkauf den damaligen Finanzchef als äus- telns nicht nur die grössten Verdienste, der sich Walter Kohler bis zu seinem Tode serst klugen Vermittler und Finanz-Strate- sondern auch die Bewunderung seiner Mit- verpflichtet fühlte. gen auswies. Wegen des finanzpolitischen streiter um das kulturelle Erbe des ehemali- Taktierens im Rahmen seines Mandats und gen Bauern- und Weinbauern-Ortes Prat- Als Mitglied der Gemeindekommission und ausgestattet mit einer absoluten Loyalität teln erworben hat und sich zudem persön- seit 1954 als Mitglied des Gemeinderates zur Gemeinde Pratteln und gepaart mit per- lich als Vorstandsmitglied und als Präsident und ab 1960 bis zu seinem Rücktritt im sönlicher Integrität, fand Walter Kohler das sowie Ehrenpräsident des Verkehrs- und Ver- Jahre 1976 in der Funktion des Gemeinde- Vertrauen und die Akzeptanz seiner hoch- schönerungs-Vereins Pratteln-Augst dafür ein- präsidenten und Finanzchefs hat Walter Koh- rangigen Verhandlungspartner. Dank die- setzte, dass der noch in das Mittelalter ler die politische Zukunft Prattelns engagiert sem finanziellen Verhandlungserfolg wurde zurückreichende Heischezug des Butz am vor- und mitbestimmt. Die Amtszeit Walter Pratteln plötzlich seiner gesamten Schul- Fasnachts-Montag sowie das Hornblasen Kohlers als Gemeindepräsident, die vorwie- denlast enthoben. beim Einsammeln des Holzes für das Fas- gend in die Zeit des wirtschaftlichen Auf- nachtsfeuer nach der Zäsur der Kriegsjahre schwungs und der Hochkonjunktur und so- In die Amtszeit Walter Kohlers fiel auch der sowie der Fackelzug und das «Schneemaa»- mit eines Bevölkerungs- und Wirtschafts- Abschied von der Gemeindeversammlung Verbrennen am Sonntagabend wieder als wachstums ohnegleichen fiel, liess in Pratteln und die Einführung des Einwohnerrates, der Brauch praktiziert wurde und folglich in die bei der Ausformulierung des neuen Dienst-, die traditionelle Gemeindeversammlung ab- Zukunft weiterlebt. Im Vorstand des VVPA Gehalts- und Ferienreglements (DGFR) der löste und die Stimmbürgerinnen und den fand Walter Kohler in Franco Chiesa einen Gemeinde Pratteln die politische Erkenntnis Stimmbürger in der Ausübung der direkten engagierten Mitstreiter, dem Hörner-Be- reifen, dem Amt des Gemeindepräsidenten demokratischen Mitwirkung innerhalb Prat- schaffungs-Notstand zu begegnen, und der 394 den Status eines Halbamtes zuzuordnen. telns schmerzlich beschnitt. mittels seiner Geschäftsverbindungen den Import von Stierenhörnern aus der Toscana zum mindesten an vorderster Stelle beglei- Johannes und von Wasserbüffel-Hörnern aus Nord- tet hat. Auch forderte Walter Kohler nach Martin-Heggendorn, afrika ermöglichte und den Prattler Hornbu- dem voreiligen Abbruch der Engel- und ben die benötigten Naturinstrumente be- Ochsen-Säle in den sechziger Jahren enga- Ortschronist, schaffen konnte. Zudem verteilte Walter giert eine Begegnungsstätte für die Prattler 1807–1890 Kohler jeweils am Samstag Mittag vor dem Ortsvereine. Aus dieser immer wieder kom- Fasnachts-Sonntag persönlich die bei den munizierten Forderung, die einem jahrelang jugendlichen Umzugsteilnehmern heiss- immer wieder aufgeschobenen Bedürfnis geliebten Paraffinfackeln – die Vorläufer der entsprach, erwuchs schliesslich 1988 das Pechfackeln – die jeweils vor seinem Wohn- Kuspo, das Kultur- und Sportzentrum beim Der Prattler Oberlehrer, Gemeinderat, Ge- sitz an der Gartenstrasse gratis bezogen Schloss. Dass Walter Kohler auch noch dem meindepräsident und bedeutendste Prattler werden konnten. Turnverein Pratteln Neue Sektion als frühe- Geschichtsschreiber des 19. Jahrhunderts, rer Sektionsturner die Treue hielt und Johannes Martin-Heggendorn, wurde am Bezüglich der Schlossrenovation hatte Wal- zudem auch noch als OK-Präsident des Kan- 24. Mai 1807 als Sohn des Leinenwebers ter Kohler politisch wohl den grössten tonalen Musikfestes 1974 in Pratteln amte- Johannes Martin aus Frenkendorf und der Kampf um die Erhaltung des Schlosses zu te und 1947 die Interessengemeinschaft der Maria Änishänslin in Pratteln geboren und führen. Dabei hatte doch der Prattler Ge- Ortsvereine Pratteln (IGOP) gründete, über- verstarb am 20. Oktober 1890 in Pratteln. meinderat bereits zu Beginn der fünfziger steigt das Leistungsvermögen eines Normal- Am 21. Februar 1836 verehelichte sich Jo- Jahre und in anbetracht der anstehenden Sterblichen. Und gerade wegen dieses kul- hannes Martin mit Katharina Heggendorn Automobilisierung erwogen, einen zentral turellen Engagements für und in Pratteln aus Pratteln und erwarb im gleichen Jahr gelegenen Parkplatz für all die neuen Autos wird die Person Walter Kohlers mit Pratteln das Prattler Bürgerrecht, was ihn den Betrag zu schaffen, und diesen durch den Abbruch verbunden und unvergessen bleiben. von Fr. 600.– und einen Feuereimer kostete. des Prattler Schlosses zu realisieren. Nicht Fritz Sutter Die Ehe wurde mit den drei Söhnen, Ema- vergessen werden darf dabei, dass anläss- nuel, Johannes und Eduard, gesegnet; Jo- lich des damaligen Augenscheins die Ge- hannes studierte Medizin und liess sich als meinderäte ihre Stimme so laut erschallen Arzt in Pratteln nieder, wo er als Begründer liessen, dass die aufmerksamen Zuschauer der heute noch aktiven Ärztedynastie Mar- und Zuhörer unschwer erkennen konnten, tin eine bedeutende Rolle als Förderer der dass das letzte Stündlein des Schlosses – Schulen und des Gewerbes spielte und als dieses Schandobjekt und «Moderhaufen» einer der Mitinitianten den Prattler Gewer- Prattelns, wie dies die Mehrheit des damali- beverein im Jahre 1899 mitbegründen half. gen Gemeinderates formulierte – wohl ge- Die Gemeinde Pratteln hat dessen grosse schlagen haben dürfte. Verdienste mit der Verleihung eines Stras- sennamens – Johann Martin-Strasse – un- Die Liste des kulturellen Engagements Wal- weit seines damaligen Wohnortes an der ter Kohlers wäre nicht vollständig, wenn Mayenfelserstrasse 29 posthum geehrt. nicht auch der Wiederbelebung der Prattler Dorffasnacht und der Durchführung des Aus dem von Johannes Martin am 12. Mai ersten Prattler Dorffestes von 1966 und der 1867 eigenhändig verfassten Lebenslauf las- Neufassung des Prattler Liedtextes gedenkt sen sich die Stationen seines Lebens nach- würde, die Walter Kohler angeregt oder vollziehen, und es ist interessant und aufre- 395 gend zugleich, was er über seine Jugendjah- auch Johannes Martin, die Einladung, ins re in Pratteln mitzuteilen hat: Der erste Leh- Seminar von Pfarrer Bischof in Muttenz ein- rer war Emanuel Baumann, der aus fremden zutreten, um in zwei Jahren zum Lehrer aus- Kriegsdiensten nach Pratteln zurückkehrte gebildet zu werden. Auf den 1. Januar 1827 und als Lehrer wirkte. Nur ein halbes Jahr wurde den Absolventen Schullehrerpensen besuchte Johannes Martin diese Schule. Es auf der Landschaft zugewiesen. Johannes wurde – wie er selbst berichtet – ein wenig Martin kam für viereinhalb Jahre nach Schreiben und Lesen gelernt; von Rechnen Häfelfingen, wo er nicht nur Lehrer, sondern war keine Rede. Um mit seinem spärlichen zudem noch als Vorsinger in der Kirche Lohn durchzukommen, gab sich der Lehrer Rümlingen zu amten hatte. während der Schulzeit an der Schule mit Strumpfstricken ab. Nach Häfelfingen und Frenkendorf wurde Johannes Martin im Juli 1833 mit 99 von Der zweite Lehrer war Heinrich Schlag von 102 Stimmen zum Lehrer nach Pratteln Waldenburg, der aber fast immer kränklich gewählt, wo er ebenfalls den Sigristen- und war. Die Hälfte des unteren Lokals, wo jetzt Organistendienst zu übernehmen hatte. Als die «Alte Wacht» vis-à-vis des Hotels Engels Oberlehrer an der Prattler Schule führte steht, war damals Schulstube. «Bis zu mei- Johannes Martin auch neue Lehrmittel, wie nem 16. Altersjahr» – so schreibt 1867 Jo- zum Beispiel Lesestoff zur Schweizerge- hannes Martin in seiner Autobiographie – schichte, ein und konzipierte eigenhändig «hatte ich den Knechtendienst neben dem didaktische Lehrmittel und Rechentafeln, Foto einer Gipsbüste von Johannes Martin, die zu Schuldienst zu versehen, denn der Lehrer um den über hundert Schülern das Rechnen seinen Lebzeiten erstellt wurde. (Privatbesitz.) hatte zwei Stück Vieh zu versorgen und und Lesen beizubringen. 1846 verliess Johan- über hundert Kinder schulisch zu betreu- nes Martin den Schuldienst, um sich seinem Die grössten Verdienste hat sich Johannes en». Oft konnte Johannes Martin die Schule Bauernbetrieb an der Mayenfelserstrasse 29 Martin aber als kritischer kommunaler Ge- nicht besuchen, weil der Lehrer krank war (ehemals Bauernhaus Rebmann Schang und schichtsschreiber des 19. Jahrhunderts er- und Johannes Martin den Knechtendienst 1967 abgebrochen) zu widmen. 1851 wur- worben. In seinen erst im Sommer 1995 und der Pfarrer den Lehrerdienst zu über- de Johannes Martin in den Prattler Gemein- wieder aufgefundenen «Papieren» hat Jo- nehmen hatte. derat und 1854 sogar zum Gemeindepräsi- hannes Martin minutiös das Prattler Alltags- denten gewählt, wo er sich insbesondere leben und nicht nur das Leben des Bürger- Im September 1824 liess der Grosse Rat von dafür einsetzte, dass die Hauenstein-Bahnli- tums, wie es dem gängigen Muster ent- Basel – Pratteln gehörte damals zum Kanton nie wegen der zu erwartenden Lärmemis- sprach, zu Handen der Nachwelt festgehal- Basel – an alle Gemeindebehörden des Kan- sionen mindestens einen Kilometer vom ten. Johannes Martin berichtet anschaulich tons ein Kreisschreiben zugehen, worin Prattler Dorfzentrum, dem Schmiedeplatz, und ausführlich über die kommunalen Be- junge Leute, die sich inskünftig dem Schul- angelegt und dass die Prattler Bauern, de- amtungen und Aufgaben des damaligen fach widmen möchten, sich beim Dorfpfar- ren Land man für den Bahnbau enteignete, Prattelns: den Schweine-, Schaf- und den rer zu melden hätten. Da meldete sich auch gerecht entschädigt wurden. Bis in sein Kuhhirt, den Schermauser sowie, was für Johannes Martin, und die Bewerber hatten hohes Alter war Johannes Martin auch Mit- die Rechtsgeschichte und Volkskunde heute sich im Bischofshof in Basel den Examinato- glied der Schul- und Armenpflege und hat von unschätzbarem Wert ist, über den Eid ren zu stellen. Am 4. Oktober 1824 erhiel- sich um die Verbesserung des Schulwesens und die Prozedur der Eidablage des damali- 396 ten elf von sechzig Bewerbern, darunter hohe Verdienste erworben. gen Gescheids (Grenz- und Markbehörde) und das Prozedere bei der Zehntenabgabe, Päuli Schürch-Pfirter, sowie als erster Geschichtsschreiber über- Kultur-Förderin und -Stifterin, haupt, über den Heischezug des Butz, an dem er als Jugendlicher selbst teilnahm. 1915–1998 Johannes Martin beschreibt ebenfalls den auf seine Intervention vorgenommene Er- satz der Teuchelleitungen aus ausgehöhlten Föhrenstämmen durch Tonröhren und die Anlegung der Strassen-Schalen aus halbier- ten Rheinkieseln seitlich der Prattler Haupt- Päuli Pfirter, wie sie ledigerweise hiess, strasse sowie die zur Lastbeförderung ver- wurde am 2. April 1915 als jüngste Tochter wendeten Wagen, die damals eingesetzten des «Bahnhofbauern» Gottlieb Pfirter und Maschinen und die Kleidertracht. Johannes dessen Gemahlin Berta Schaub im ehemali- Martin hat neben den Ereignissen der Revo- gen Taunerhaus an der Hauptstrasse 60 in lutionsjahre von 1831 bis 1833 auch den Pratteln geboren, wo sie im Kreise ihrer einzigen wirklich neutralen Augenzeugen- sechs Geschwister – vier Brüder und zwei Päuli Schürch-Pfirter anlässlich der Feier ihres 75. bericht des Brandes von Pratteln durch die Schwestern – eine wohl harte und anforde- Geburtstages im Jahre 1990. Basler Standestruppen am 3. August 1833 rungsreiche, aber dennoch glückliche Kind- aufgezeichnet, als der damalige Prattler Leh- heit verlebte, bevor die Familie zuerst in ein nur die Reben, sondern auch zahlreiche rer zusammen mit dem Dorfpfarrer die Kir- grösseres Haus an die Vereinshausstrasse Obstbäume und Beeren- und Gemüsepflan- chenkollekte und die Pfarrbücher unter einer und 1929 in das neu erbaute Kleinbauern- zungen zu unterhalten, sondern auch bei Sauerkrautstande im Pfarrhaus versteckte. haus mit einem Ökonomie- und Wohnteil der Feldarbeit Hand anzulegen. Jeweils nach an die Oberfeldstrasse im Osten von Prat- Arbeitsschluss aber zog Gotti mit seinem Von diesen Papieren hat bislang nur ein teln umsiedelte. Die Eltern, Gottlieb und Kuhgespann auf die landwirtschaftlichen maschinengeschriebener Auszug existiert, Berta Pfirter, fristeten ihr Leben als so ge- Güter in der «Leimen», auf den «Rank» und den der damalige Gemeindeverwalter Mar- nannte «Bahnhofbauern», die neben eini- auf das «Flüeli», wo sich das Wiesland, die tin Wüthrich im Jahre 1925 erstellt und den gen Kühen, Ziegen, Schweinen und Hühnern Getreideanbaugebiete und die Kartoffel- der frühere Prattler Dorfhistoriker, Dr. h.c. auch einige Landstücke landwirtschaftlich äcker befanden und zu bewirtschaften Ernst Zeugin, in seiner Prattler Heimatschrift nutzten, um den Verdienst des Familien- waren. Nr. 6, «Aus früheren Zeiten»,1974 publiziert oberhaupts aufzubessern. Der Vater fand hat. Der Fund des schriftlichen Nachlasses sein gesichertes Auskommen auf dem Gü- Unmittelbar auf den Schulaustritt mit 15 von Johannes Martin im Sommer 1995 hat terbahnhof Pratteln, wo Gotti, wie er ge- Jahren fand Päuli Pfirter Arbeit als Hilfsarbei- der damalige Baselbieter Staatsarchiv Dr. nannt wurde, eine jahrzehnte lange Arbeits- terin in der Schuhfabrik Coop, dann im Matthias Manz als einen der bedeutendsten kameradschaft mit «Karollus», dem Prattler «Tinteli» in der Schweizerhalle und darauf Aktenfunde der letzten Jahrzehnte einge- Künstler und Hobby-Dichter Karl Schwob, als Küchengehilfin im Bürgerspital Basel stuft. Es ist beabsichtigt, diese «Papiere», der ebenfalls als «Bahnhofbauer» amtete, sowie andernorts und half mit ihrer Entlöh- die die bedeutendste Geschichtsquelle des pflegte. nung mit, das spärliche Bargeld des Pfirter- 19. Jahrhunderts für Pratteln repräsentieren Haushaltes aufzubessern. und den Aufstieg Prattelns vom Bauerndorf Päuli Pfirter hatte mit ihren Geschwistern in zum Industrieort anschaulich schildern, ge- dem grossen Garten, der von der Oberfeld- Kaum 19jährig traf Päuli Pfirter ihren späte- legentlich zu publizieren. Fritz Sutter strasse bis zur Zehntenstrasse reichte, nicht ren Lebenskameraden Oskar Weidmann, 397 der als Elektromeister in der Aluminiumfa- Begegnung erwuchs eine enge Freund- brik in Münchenstein beschäftigt war und schaft mit Exponenten der Kommission, die mit dem sie 1934 den Bund fürs Leben schliesslich darin mündete, dass sich Päuli schloss. Da die Ehe kinderlos blieb, ging Schürch-Pfirter entschloss, den ihr zugefal- Päuli weiterhin einer Tätigkeit nach: wäh- lenen Vermögensanteil aus der elterlichen rend Jahren stand sie als Geschäftsführerin Erbschaft, den sie immer unangetastet liess, dem Kiosk an der Trambahnhaltestelle Mün- in eine Stiftung zu überführen, die ihren chenstein vor und besserte mit dem finanzi- Namen tragen sollte und zum Gedenken ellen Zustupf aus dieser Beschäftigung das ihrer Eltern 1984 errichtet wurde, und in die Haushaltsgeld auf. 1952 ging der Wunsch 1987 auch noch das Haus der Stifterin, die des Ehepaars nach einem Eigenheim in das Wohnrecht geltend machte, einge- Erfüllung, in dem dieses die nächst der bracht wurde. Das eingebrachte Vermögen, Trambahn gelegene Liegenschaft an der so lautet der Inhalt der Stiftungsurkunde, Känelmattstrasse 15 in Münchenstein käuf- sollte primär für den Erwerb von Objekten lich erwerben konnte. Aber das Familien- und Dokumenten aus der Geschichte Prat- glück wurde durch herbe Schicksalschläge telns eingesetzt werden. Im 1984 eingesetz- Päuli Pfirter mit Geschwistern und Mutter vor erschüttert. 1968 verstarben beide Eltern- ten Stiftungsrat von drei Personen sind dem Geburtshaus, Hauptstrasse 60 in Pratteln. teile von Päuli Weidmann innerhalb weniger heute – nach dem 1998 erfolgten Ableben Foto um 1920. Tage und 1969 erlag der Ehegatte Päulis der hochherzigen Stifterin – noch zwei Per- einem Herzinfarkt. Allein auf sich gestellt sonen, nämlich Nelly Bretscher als Buchhal- Pratteln, die 1541 ausgestorben waren, durchlebte Päuli die schwersten Tage ihres tungsverantwortliche, und Fritz Sutter als wieder aufgefunden werden und gilt heute Lebens. Parallel dazu wurde der Besitz der Präsident des Stiftungsrates tätig; als drittes nicht nur als das wertvollste Dokument zur verstorbenen Eltern – Liegenschaft samt Stiftungsratmitglied amtet der mittlerweile Geschichte Prattelns, sondern auch zur Umschwung sowie Landbesitz – verkauft in den Pensioniertenstatus übergetretene Region. Als weiteres bedeutendes Objekte und der Erlös unter die sieben Kinder aufge- Gemeindeverwalter-Stellvertreter, Hansjörg ist die Kopie samt Erweiterung des Familien- teilt. Erst 1975 ging Päuli mit dem Witwer Dill, der den Gemeinderat Pratteln als Auf- buchs der Eptinger zu erwähnen, die 1776 Josef Schürch eine zweite Ehe ein, die bis sichtsorgan der Stiftung repräsentiert. Als in Bad Mergentheim (D) auf Weisung des zum Tode des Ehegatten 1995 Bestand Revisor amtet der frühere Prattler Bürgerrat dortigen Komtur des Deutschritter-Ordens hatte. Andreas Maurer. und Generalfeldmarschalls Sebastian von Eptingen, geschaffen wurde, und im Schloss 1982 erfolgte die schicksalhaft werdende Seit der Errichtung der Stiftung konnten Osthouse bei Ehrstein vor Strassburg auf- Begegnung der damaligen Kommission für wertvolle Dokumente zur Geschichte Prat- gefunden wurde. Im weiteren konnte eine Kultur und Heimatkunde mit Päuli Schürch telns durch die Stiftung käuflich erworben wertvolle illuminierte Wappen- und Fahnen- Pfirter, die zur Ausstellung «Alt-Pratteln im werden, nämlich das auf ein Original des Handschrift über die Gefallenen der Schlacht Bild», die im Ausstellungssaal des Prattler 15. Jahrhunderts zurückgehende Familien- bei Sempach (1386) erworben werden, die Schlosses aus Anlass des 150-Jahr-Jubi- buch der Adelsfamilie der Herren von Eptin- belegt, dass in dieser Schlacht sechs Eptin- läums des Kantons Basel-Landschaft arran- gen, das um 1460 im Prattler Schloss ent- ger-Mitstreiter ihr Leben verloren und auch giert wurde, bisher unbekannte Prattler Fo- standen und das in einer Kopie von 1622 die Reiterfahne, die der Prattler Dorfherr, tos aus der Frühzeit der Fotografie beisteu- erhalten geblieben ist. Dieses verschollene Thüring von Eptingen, als habsburgtreuer erte und regen Anteil am Aufbau der Aus- Geschichtsdokument konnte erst 1983 im Waffengefährte mitführte, an die Sieger 398 stellung nahm. Aus dieser schicksalhaften Besitz der Erbnachfolger der Eptinger von fiel. Diese Reiterfahne konnte 1986 im Kunsthistorischen Museum in Wien wieder Reinhard Urban-Häring, aufgefunden werden, in das diese aus dem Primarlehrer und Besitz des österreichischen Kaisers gelangt war. Von eben dieser Reiterfahne, der einzi- Fotodokumentalist, gen heute noch im Original erhaltenen Beu- 1917–1991 tefahne aus der Schlacht von Sempach, liess Päuli Schürch-Pfirter eine originalgetreue Kopie erstellen, die sie dem Museum im Bürgerhaus zu dessen Einweihung im No- vember 1987 als Geschenk persönlich über- Reinhard Urban wurde am 13. Juni 1917 als gab. Diese Reiterfahne kann man als erste Sohn des Reinhard Urban, geb. 1884, und der Prattler Fahne überhaupt bezeichnen. Elise Gisin, geb. 1893, in Maisprach geboren, wo seine Eltern die Produktions- und Kon- Im Jahre 1995, zum 80. Geburtstag von sumgenossenschaft Maisprach sowie die Päuli Schürch-Pfirter, wurden in einer Aus- «Cheesi» verwalteten. Das erforderliche stellung im Bürgerhaus die bereits erworbe- ökonomische Basiswissen hatte sich der nen Schätze der Stiftung zuhanden der in- Vater als gelernter Bankkaufmann in Echal- teressierten Öffentlichkeit ausgebreitet und lens (VD) und in Italien erworben; dieses durch den damaligen Staatsarchivar, Dr. konnte er nach der Heirat kurz vor dem Ers- Matthias Manz, als im Kanton Basel-Land- ten Weltkrieg mit dem Eintritt in die Unter- schaft einzigartige kulturelle Stiftung ge- nehmensleitung der «Landi Maisprach» mit würdigt. Engagiert und interessiert am Aus- grossem Erfolg in die Praxis umsetzen. Dem bau der Stiftung hat sich Päuli Schürch- 1917 geborenen Reinhard Urban wurde Reinhard Urban, der legendäre Lehrer an der Pri- Pfirter bis zu ihrem Ableben im 84. Lebens- aber bereits im Jahre 1922 der Vater durch marschule in der Saline Schweizerhalle. jahr am 26. September 1998 im Spital von den Tod nach einer heimtückischen Krank- Dornach mit Pratteln, insbesondere aber mit heit entrissen, was der Mutter die alleinige dann ins Evangelische Lehrerseminar Zürich deren Bürgerschaft Pratteln, identifiziert. Ihr sowohl physische wie auch psychische Last einzutreten, das er im Februar 1939 – ein Werk, die Päuli Pfirter-Stiftung, wird weit in der Unternehmensverantwortung aufbür- halbes Jahr vor der Kriegsmobilisation – aus- die Zukunft ausstrahlen und damit von einer dete. Bis 1925 führte die Mutter die florie- gestattet mit dem Lehrerpatent des Kantons aussergewöhnlichen Person und deren kul- renden, aber auch Kräfte verschleissenden Glarus, verliess. Gestützt auf seine Bewer- turellen Zielsetzungen Zeugnis ablegen. Unternehmen weiter, bis sie sich 1925 wie- bung beim Schulinspektorat des Kantons Fritz Sutter der verheiratete und mit dem Sohn Rein- Basel-Landschaft hatte der promovierte Pri- hard und ihrem zweiten Ehegatten, Otto marlehrer vor einer definitiven Lehrerwahl Imhof, den Bauernhof ihrer Eltern im Ober- zuerst Vikariate bei erfahrenen und aner- dorf von Maisprach übernahm und die Lei- kannten Lehrkräften zu versehen, bis ihm tung der «Maispracher Landi und Cheesi» attestiert werden konnte, eine Lehrerstelle in andere Hände übertrug. 1926 erblickte antreten zu können. Nach Vikariaten in Gie- der Halbbruder Reinhards, Erwin Imhof, das benach, Lampenberg und Buus und alimen- Licht der Welt. Reinhard Urban besuchte die tiert mit einer Tagesentschädigung von fünf Primarschule in Maisprach und anschlies- Franken, unterrichtete Reinhard Urban an send die Bezirksschule in Rheinfelden, um den genannten Gesamtschulen, wo er bis 399 wo der Bauernsohn aus dem Vollen schöp- durch das Erlimattschulhaus II im Jahre 1975 fen konnte, zugesprochen wurde. Die Wahl konsolidierte sich der Schulbetrieb und Rein- nach Pratteln erfolgte an der Urne und am hard Urban, nunmehr als Sekundarlehrer, 21. Oktober 1940 trat Reinhard Urban den konnte endlich auf bestehende didaktische Primarschuldienst in Pratteln an, wo er die Lehrmittel zurückgreifen, die er nicht selbst Schule in der Schweizerhalle, eine Gesamt- konzipieren musste. Die Familie fand nach schule von fünf Klassen, die erst wenige dem Wegzug aus der Schweizerhalle eben- Jahre zuvor eröffnet worden war, von sei- falls ein neues Zuhause, indem diese 1944 nem Vorgänger, Edwin Tschan, übernahm. als Genossenschafter das Haus an der Hex- mattstrasse 4, als Bauobjekt der Wohnge- Reinhard Urban erinnert sich: «Die Schul- nossenschaft Hexmatt, in Pratteln beziehen räume stellte die Saline zur Verfügung. Die- konnte, von dem aus Reinhard Urban bis se waren gar nicht ideal. Gleichwohl gefiel 1947 mit seinem legendären Velo zur Schu- es mir gut. Im Winter hatten wir schön le in die Schweizerhalle fuhr. Mit dem Ein- warm, denn die Kohlen lieferte auch die tritt in die Baugenossenschaft und der Beru- Saline. Der Pausenplatz war sehr klein. Den fung in den Vorstand der Genossenschaft Sportplatz musste man wegen der Anbau- konnte Reinhard Urban, der seit 1948 als schlacht umpflügen. An Weihnachten führ- Präsident der Genossenschaft amtete, auch ten wir meist ein Krippenspiel auf. Das Inter- im Auftrag der Genossenschafter sowie im esse der Eltern an der Schularbeit war gross. Einvernehmen mit den kantonalen Aufsichts- Mehreren Kindern gelang der Sprung in die gremien die Veräusserung der Häuser aus damalige Sekundarschule in Pratteln oder dem Genossenschaftsvermögen an die Ge- Reinhard Urban, der Prattler Fotodokumentalist Muttenz. Es war gar nicht so einfach, in nossenschafter durchsetzen. der sechziger und siebziger Jahre. Schweizerhalle Wohnsitz zu nehmen. Alle Wohnungen gehörten den Fabriken und Auf Ende des Schuljahres, am 1. Mai 1978, zu neunzig Schülerinnen und Schüler zu waren also für deren Arbeiter reserviert.» trat Reinhard Urban vorzeitig in den Pensio- betreuen hatte. Im März 1940 erhielt Rein- niertenstatus über, der ihm nun zusätzliche hard Urban unerwartet den Mobilisations- 1942 verehelichte sich Reinhard Urban mit Musse verschaffen sollte, sich der eigentli- befehl und musste mit seiner Einheit eine Frieda Häring von Giebenach und das Ehe- chen Berufung – dem Fotografieren nämlich Bewachungsaufgabe in Opfikon wahrneh- paar, dem drei Töchter, Eva, Christine und – zu widmen und dieser Berufung im Sinne men. Bereits im Mai erfolgte aber die Entlas- Sibylle, geboren wurde, nahm zuerst Wohn- eines persönlich sensibilisierten Fotodoku- sung der Einheit vom militärischen Bewa- sitz an der Salinenstrasse in der Schweizer- mentalisten bezüglich des Wandels des Bau- chungsauftrag und Reinhard Urban trat ein halle, dem heutigen Asylantenheim. Nach erndorfes zum bedeutendsten Industrie-Ort Vikariat in Lupsingen an, doch erfolgte wie- den Sommerferien 1947 wechselte Rein- des Kantons Basel-Landschaft wahrzuneh- der eine militärische Einberufung, die bis hard Urban in das Burggartenschulhaus men. zum Zusammenbruch Frankreichs dauerte. nach Pratteln, wo er die sechste Primarklas- Nach der militärischen Entlassung bewarb se übernahm. Nach Schulpensen im Schul- Als Aktuar und seit 1966 als Ehrenmitglied sich Reinhard Urban um eine Primarlehrer- haus Grossmatt und nach dem Bau und des Verkehrs- und Verschönerungs-Vereins stelle in Pratteln, die ihm nach überzeugen- dem Bezug des Erlimattschulhauses I im Pratteln-Augst (VVPA) hat sich Reinhard der Probelektion bei Robert Huggel über Jahre 1966, das bald an seine Kapazitäts- Urban als Dokumentalist im 1917 gegrün- 400 das Thema «Herbstweide», einem Thema, grenzen stiess, und nach der Erweiterung deten Verein für die kulturelle Identität Prat- telns und für den Erhalt des in Pratteln prak- fixiert und vergrössert. Den ersten Vergrös- chen Fotosequenzen festgehalten. Bei der tizierten Brauchtums, wie der Dorffasnacht, serungsapparat hatte sich Reinhard Urban Realisierung des Sgrafittos «König der den Heischezug des Butz und des Hornbla- selbst gebastelt, was ebenfalls sein techni- Tiere» im Kindergarten Hexmatt im Jahre sens während des Sammelns des Holzes für sches Geschick manifestiert. Überhaupt war 1968 begleitete er mit seiner Kamera die das Fasnachtsfeuer zusammen mit den im Reinhard Urban von der Technik fasziniert. beiden Künstler Elsy Hegnauer und Albert Verein zusammengeschlossenen Vorstands- So bastelte er sich selbst einen Radioemp- Weisskopf bei ihrer künstlerischer Tätigkeit kollegen und Mitgliedern engagiert einge- fänger und reparierte während eines Kran- und dokumentierte in Bildsequenzen die setzt. In dieser Eigenschaft sowie auch als kenlagers in der Kindheit eine auf dem Est- Entstehung des Kunstwerkes. Die ästheti- Dienstchef des Zivilschutzes, der in den Ab- rich des Bauernhofs gefundene Uhr, zu der schen Aspekte der neu entstehenden Indus- bruch der «Engel»- und «Ochsen»-Gebäu- er fehlende Teile selbst konstruierte. Viel- triebauten in der Saline mit den in den Him- lichkeiten involviert war, hat Reinhard Urban leicht – so sinnierte Reinhard Urban einst – mel aufragenden Bohrtürmen, der filigra- die schmerzliche Metamorphose des Bau- wäre noch ein guter Uhrmacher aus ihm nen Industrie- und Röhrenkompositionen bei erndorfes zum Industrie-Ort kritisch mitver- geworden. Seine bedeutende Sammlung Rohner und der Teerindustrie müssen ihn folgt und in grossartigen Fotodokumenten von Fotoapparaten, die er seinen Töchtern ebenfalls fasziniert haben. Als sein Lehrer- festgehalten. Als 1959 der «Engel» und der vererbte, umfasst alte und neue Apparate, kollege Ernst Gruber im Spätherbst 1952 «Ochsen» mitsamt den jahrhundertealten die die Geschichte der Fotoapparate ausge- die seit der Reformation von 1529 über- ineinanderverschachtelten Hinter- und Klein- zeichnet dokumentieren. Immer wieder such- tünchten gotischen Wandmalereien in der bauten dem Abbruch zum Opfer fielen, hat te Reinhard Urban nach neuen Wegen der reformierten Kirche wieder freilegte, hat Reinhard Urban die markantesten Kleinbau- fotografischen Aufzeichnung; er experi- Reinhard Urban diese zuhanden der Nach- ten in Fotodokumenten zuhanden der Nach- mentierte mit Papieren, Entwicklungs- und welt festgehalten. Es sollten die einzigen Bil- welt festgehalten. Aber diese Fotodoku- Fixier-Chemikalien sowie mit Objektiv und der sein, die von der Pracht und der Schön- mente sind mehr als Schwarz-Weiss-Fotos; Blende, suchte dem Objekt eine persönliche heit der Malereien des oberrheinischen es sind Prattler Kultur-Dokumente, die uns Aussage zu entlocken und kreierte Fotos, Meisters kündigen sollten, denn diese wur- nicht nur die verlorenen Objekte, wie die die diesen einen künstlerischen Status ver- den unmittelbar nach der Aufdeckung Kleinbauten beidseits des «Presidänte-Weg- liehen. Dies hatte zur Folge, dass Reinhard durch fehlgeleitete Jugendliche von den leins» wieder vor Augen führen, sondern es Urbans Fotos wiederholt bei Wettbewerben Wänden des Chors heruntergeschlagen. sind auch Zeitzeugen, die uns die Stimmung ausgezeichnet wurden, und als 1949 ein Nur noch die Fotos von Reinhard Urban kün- erleben lassen, die in und um diese Kultur- Aufruf an die Bevölkerung von Pratteln den heute von verlorener Pracht. Objekte zur Zeit des Abbruchs geherrscht zwecks Beschaffung von Prattler Fotos er- hat. lassen wurde, lieferte Reinhard Urban dieje- Reinhard Urban hat aber nicht nur die nigen Fotodokumente ab, die heute als damals gefährdeten Kultur-Objekte Prat- Reinhard Urban – und dies verraten seine Prattler Kultur-Dokumente der fünfziger und telns in Foto-Dokumentationen, sondern drei Töchter heute – muss von seinem selbst sechziger Jahre bezeichnet werden können. auch das alte Augster Brüggli und die alte erteilten Fotodokumentations-Auftrag der- Als einer der ersten Fotodokumentalisten Mühle vis-à-vis des Wirtshaus zum «Rössli» art fasziniert gewesen sein, dass der sonn- hat Reinhard Urban zum Beispiel das Kartof- in Augst in stimmungsvollen Fotos festge- tägliche Spaziergang durch Pratteln immer felkäfer-Ablesen durch die Schulklassen halten. Als Mitautor im Redaktionsteam der und immer wieder unterbrochen wurde, weil während der Kriegsjahre, den Heischezug Heimatkunde Pratteln 1968 hat Reinhard der Vater wieder und wieder ein Sujet aus- des Butz, das Hornblasen und die Prattler Urban die Kapitel Freizeit, dasjenige der machte, das festgehalten werden musste. Dorffasnacht mitsamt dem «Schneemaa- Gemeindefeiern und des Zivilschutzes ver- Die Fotos wurden dann im zweckentfrem- Verbrennen» sowie das unaufenthalsame fasst und die Mehrheit der Fotos beigesteu- deten Badezimmer des Hauses entwickelt, Wachsen der Industriebauten in eindrückli- ert sowie das Bild des Buchtitels – eine 401 geglückte Collage von Alt und Neu, von in Baselland nachhaltig mit. 1922 gründet Schloss und Teerindustrie-Neubauten ge- Prattler er in seiner Kirchgemeinde die erste freiwil- schaffen, die auch visuell sichtbar macht, Personenlexikon lige Kirchenpflege des Kantons. Synodalrat. dass der viel zitierte Fortschritt zuweilen Ab 1928 Vizepräsident des Baselbieter Pfar- auch schmerzliche Wunden schlägt und rerkonvents, ab 1935 deren Präsident. Vor- ohne die Vergangenheit undenkbar wäre. standsmitglied des Schweiz. Evang. Kirchen- bundes. 1931–1952 Mitarbeit in der Gesangs- Am 26. Juli 1991 ist Reinhard Urban im buchkommission. 1939 Ehrendoktor der Alter von 75 Jahren verstorben. Die von ihm Theologischen Fakultät der Universität Ba- geschaffenen Fotodokumentationen, die Alle Texte, ausser die mit einem Autoren- sel. Die aristokratische Erscheinung mit breit- noch speziell zu würdigen sind, sichern dem namen versehenen, stammen von Emmy randigem Strohhut und Regenschirm ist den Schöpfer, dank ihrer Originalität, Dokumen- Honegger. älteren Prattlern noch gut in Erinnerung. tationswert und ästhetischer Qualität, einen Platz in der Prattler Kulturgeschichte. Buss Albert, *17.1.1862 in Badenweiler, Glenck Carl Christian Friedrich, Fritz Sutter †1.10.1912 in Basel. *13.4.1779 in Schwäbisch Hall, † 21.11. Schlosserlehre. 1884 Gründung einer Werk- 1845 in Gotha. QUELLE: statt für Bau- und Kunstschlosserei in Basel. Carlsschule in Stuttgart; Studium der Rech- Eva Urban Kräuchi: Persönliche Erinnerungen an 1889 Einbürgerung in Basel. 1893 Verle- te in Erlangen, daneben Studien in Minera- den Vater, 2002. gung des grössten Teils seiner Werkstätten logie und Geologie. Abschluss als Jurist. nach Pratteln. 1901 Umwandlung des Un- Erlernen der Bohr- und Salinentechnik in der ternehmens in eine Aktiengesellschaft. Buss Praxis. Ab 1799 Privatsekretär eines deut- zeichnet als Delegierter des Verwaltungsra- schen Fürsten. 1801 Übernahme der Leitung tes mit Einzelunterschrift. Im Bahn-, Brü- der Saline Weissbach (Hohenlohe). Ent- cken- und Tunnelbau über die Landesgren- wickelt sich in den folgenden Jahrzehnten zen hinaus bekannt. 1898 Mitbegründer durch praktische Arbeit, Selbststudien, auf und erster Präsident der Elektra Baselland Reisen und durch das Ringen mit techni- sowie 1905 des Verbandes Schweiz. Brü- schen und wirtschaftlichen Problemen zu cken- und Eisenbau-Fabriken. Politische und einem Geologen, Bohr- und Salinenfach- kirchliche Tätigkeit in Basel. mann von hohem Ansehen. Entdecker und Erschliesser verschiedener Salzlager. Beginnt Christ Lukas, *30.10.1881 in Thal/SG, 1820 auch mit Bohrungen in der Schweiz †1.2.1958 in Weggis/LU, von Basel. und wird 1836 auf Prattler Boden, in der Sohn des Paul Christ, Pfarrer, und der Anna Nähe des Roten Hauses, hart an der Grenze Sieber. 1908 Heirat mit Maria Katherina Wa- zu Pratteln in Muttenz, fündig. 1837 Eröff- ckernagel von Basel. Theologiestudium in nung der Saline Schweizerhalle (= Schwei- Basel und Halle-Wittenberg. In die Schweiz zer Salz) und erste Salzlieferung nach Lies- zurückgekehrt Betreuung von zwei Pfarr- tal. In Deutschland wird Carl Christian ämter in Waldstatt/AR und an der kant. Friedrich Glenck mit dem Ritterkreuz, der Heil- und Pflegeanstalt in Herisau. Ab 1911 Ehrenbürgerschaft von Darmstadt und ho- bis 1948 Pfarrer in Pratteln. Gestaltet durch hen Ämtern geehrt. Goethe verewigt ihn im 402 sein praktisches Wirken das kirchliche Leben 2. Teil des Faust. Glenck Otto (seit 1887 von Glenck), er sich stark für Notstandsarbeiten zur Partei der Arbeit aus. Gewählt auf einer ei- *22.5.1821 in Wimpfen am Neckar, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein, unter genen, vom Gewerkschaftskartell – das er † 3.4.1891 in Schweizerhalle. anderem 1936 mit einem Aufsehen erre- jahrelang präsidierte – getragenen «Dorfli- Sohn des Carl Christian Friedrich Glenck genden Arbeitslosenmarsch von Pratteln ste», wirkte er von 1960 bis 1967 erneut in und der Charlotte Burger. 1848 Hochschule nach Liestal. Im selben Jahr rutschte er für der kommunalen Exekutive. Im Rückblick Karlsruhe, praktische Ausbildung im Berg- die KPS in den Landrat nach, musste diesen auf seine jahrzehntelange Tätigkeit im Ge- und Salinenfach auf Reisen. Salineninspek- aber nach dem Parteiverbot 1940 ebenso meinderat lobte er die konstruktive Zusam- tor in Ernsthalle bei Gotha. 1850 Direktor verlassen wie den Gemeinderat, in den er menarbeit über die Parteigrenzen hinweg der Saline Schweizerhalle und Generaldirek- 1938 gewählt worden war. Während des während jenen Jahren der Hochkonjunktur, tor der drei Glenck’schen Salinen in Thürin- Krieges blieb er politisch aktiv, wurde mehr- in denen er sich unter anderem für den gen. Führt die Saline in Baselland erfolgreich fach durch Hausdurchsuchungen belästigt sozialen Wohnungsbau stark machte. Hans durch wirtschaftlich schwierige Zeiten, er- und figurierte auch auf der Staatsschutz- Jeger verstarb am 1. Mai 1989 im 82. Alters- reicht Einigung mit den Salzwerken im Aar- Liste jener «Verdächtigen», die bei einem jahr. Dr. Ruedi Brassel gau. 1874 Ehrenbürger von Pratteln. Ab Angriff auf die Schweiz interniert worden 1878 Präsident des Vereins Schweiz. Rhein- wären. 1944 für die Partei der Arbeit wieder Keller Hans Emil, *11.2.1902 in Augst, salinen. In Basel ist er durch seinen Einsatz in den Landrat gewählt, widmete er sich † 28.11.1981 in Niederdorf, von Schloss- für das neue Stadttheater und als Präsident nach dem Krieg auch der Aufklärung über wil/BE. der Theaterkommission populär. Das im Stil die dunklen Seiten der schweizerischen An- Sohn des Johannes und der Elise Löliger. des Historismus errichtete monumentale Fa- passungsgeschichte während der Nazizeit. 1926 Heirat mit Hanna Magda Haumüller miliengrab-Denkmal befindet sich auf dem Wie wenige andere Menschen verkörperte von Arisdorf. Eine Tochter. Schulen in Augst, Grossmatt-Friedhof. er in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Pratteln und Liestal; Seminar Schiers, Pri- Aufschwung der politischen Linken. 1944 marlehrerpatent; nebenberufliches Studium Jeger Hans, Gemeindepräsident wurde er, als damals wohl einziger «Kom- der Naturwissenschaften in Basel und Bern, (1907–1989). munist» in der Deutschschweiz, zum Ge- Sekundarlehrerpatent. 1936–1967 Lehrer für Hans Lebrecht Jeger ist am 1. November meindepräsidenten gewählt. Dieses Amt naturwissenschaftliche Fächer, Mathematik, 1907 in Lyss geboren. Als Sohn eines Gies- versah er bis 1950, stets bemüht um Ge- Zeichnen und Turnen sowie Rektor der sermeisters machte er nach der Schulzeit in rechtigkeit und Gleichbehandlung Aller – Sekundarschule Pratteln. Publizistische Tä- Trimbach eine Metallgiesserlehre und arbei- unbeachtet ihrer sozialen Stellung. Seine tigkeit (auch für das Radio) auf den Gebie- tete darauf unter anderem bei der Firma Gradlinigkeit brachte ihm auch die Achtung ten der Naturkunde, Volkskunde, Belletristik Saurer in Arbon. In der Krise der dreissiger der politischen Kontrahenten ein, selbst in und Kunstgeschichte. Er erwirbt sich grosse Jahre zunächst arbeitslos geworden, fand er den heissesten Zeiten des Kalten Kriegs. Verdienste um das Turnwesen: Technischer 1931 in Pratteln beim Geleisebau eine Stel- Hans Jegers Engagement galt nicht einer Leiter und Präsident des Leichtathletikver- le. Er blieb hier wohnhaft, heiratete 1938 Ideologie oder seiner Partei, sondern den bandes und des Kantonalturnvereins, Vor- Margaretha Weisskopf und verdiente sei- einfachen Menschen: «Fortschritt», sagte er standmitglied des eidgenössischen Turnver- nen Lebensunterhalt in der Folge an ver- im Gespräch, «ist für uns Arbeiter, wenn es eins. – Als «Turnlehrer» am Radio, als es schiedenen Stellen als Bauarbeiter. Im Zen- jedem besser geht als früher». Nach dem noch «Radio Beromünster» hiess, konnte trum stand aber sein politisches Engage- Verlust des Gemeindepräsidiums blieb er bis die Bevölkerung mit Hans E. Keller ihre mor- ment. Seit 1927 war Hans Jeger als Mitglied 1956 Mitglied des Gemeinderates. Damals gendliche Gymnastik absolvieren. des SMUV aktiver Gewerkschafter. 1932 trat er zusammen mit einer Mehrheit seiner trat er der Kommunistischen Partei der Prattler Parteigenossen aus Protest gegen Knapp Johannes Martin, *23.5.1876, Schweiz bei. In den dreissiger Jahren setzte die russische Besetzung von Ungarn aus der † 28.9.1948 in Pratteln, von Basel. 403 Verheiratet mit Elfriede Refardt. Studium setz und das Gesetz über Stipendien und sich Helene Nebiker die Freude, sich am der Astronomie in Basel und Göttingen. Dr. Studiendarlehen zur Verabschiedung. 1953– Meierhofweg ein hübsches kleines Haus phil., Mathematiker bei der Schweiz. Geo- 1958 erneut Landrat, Präsident der Finanz- bauen zu lassen. Dort beherbergte sie eine dätischen Kommission, dann Lektor für kommission, Präsident der SP-Fraktion, Vize- Zeitlang einen ihren Neffen vom Lenzhof, Astronomie an der Universität Basel. Privat- präsident der Kantonalpartei. als dieser in Basel studierte. Diese verwand- gelehrter und Wissenschaftspublizist. Ken- te Familie und das schöne Bauerngut waren ner der Geschichte der Himmelskunde und Nebiker Helene, *27. August 1898 in ihre grosse Freude und boten ihr Entspan- des Kalenders, besonders der Astronomie Pratteln, † 12. April 1966 in Pratteln. nung von ihrem anstrengenden Dienst. der Babylonier. Befasst sich auch mit den Helene Nebiker wurde am 27. August 1898 Nach ihrer Pensionierung zerfielen ihre Kräf- Zusammenhängen von Mathematik und in Pratteln als zweites von vier Kindern der te leider zusehends, und am 12. April 1966 Musik. Musikkritiker der Basler Nachrichten. Eheleute Johann und der Maria Magdalena starb Helene Nebiker. Pratteln war um eine Geht auf der Suche nach Weltbild-Zusam- Nebiker-Seiler geboren. Sie wuchs in Prat- prägnante Persönlichkeit ärmer. menhängen wissenschaftlich eigene Wege. teln auf und besuchte hier die Schule. In Helen Stohler Gründer der Mathematischen Gesellschaft Basel erwarb sie das Patent als Hauswirt- Basel. Arbeitet in den Vorständen der Natur- schafts- und Mädchenhandarbeitslehrerin. Rohner-Plattner Josef, *1861 in Untereh- forschenden Gesellschaft und der Gesell- Als ihre Schwester Emma, die ebenfalls die- rendingen, †1952 in Pratteln. schaft pro Italia mit. Mitbegründer des Bach- sen Beruf ausübte, sich verheiratete und mit Der Gründer der Rohner AG in Pratteln, Jo- chors Basel. Im Alter lebt er zurückgezogen ihrem Mann Gottlieb Dill auf den Lenzhof sef Rohner-Plattner, war ein richtiger Unter- in Pratteln, in seinem Talhof, wo er ein eige- bei Diegten zog, übernahm Helene deren nehmer-Typ, mit einer bis ins hohe Alter nie nes Observatorium besitzt. Die bedeutende Stelle im Jahre 1926. Sie wurde eine sehr erlahmenden grossen Schaffenskraft. Er wur- Bibliothek des Privatgelehrten Knapp wird geschätzte Handarbeitslehrerin, die ihren de am 18. April 1861 in Unterehrendingen nach dessen Tod in alle Welt zerstreut. Schülerinnen mit Begeisterung Freude und bei Baden geboren, wo er auf dem Bauern- Geschmack an Handarbeiten beibrachte. gut seiner Eltern aufwuchs. Nach dem Mann Leo Emil, *3.1.1890 in Selzach/SO, Sie setzte sich 1946 mit ganzer Kraft für das Besuch der Volksschule in Baden und der † 11.6.1958 in Pratteln. Von Sainte- Hauswirtschafts-Obligatorium für schulent- Kantonsschule in Aarau studierte Josef Roh- Croix/VD. lassene Mädchen ein und für eine verbes- ner Chemie an der ETH Zürich. Der junge Sohn des Johann und der Rosalie Bur. 1941 serte Aus- und Weiterbildung sowie eine diplomierte Ingenieur-Chemiker fand seine Heirat mit Martha Josephine Ley geb. bessere wirtschaftliche Stellung der Arbeits- erste Stelle bei der damaligen Firma Bind- Ackermann von Mümliwil/SO. Schulen und lehrerinnen. 1949 wurde Helene Nebiker schedler & Busch in Basel. Aus dieser Firma Lehrerseminar in Solothurn. Nach Lehrjah- Expertin für Mädchenhandarbeit und Haus- entstand 1884 die Gesellschaft für Chemi- ren und dem Ersten Weltkrieg Studium in wirtschaftlichen Unterricht. Dank ihrer sche Industrie Basel, die spätere Ciba. Aber Jena, Berlin und Zurich. Dr. jur. und Rechts- Tüchtigkeit und grossen Fachkenntnis wur- wahrscheinlich schon kurz nach der Grün- anwalt. Mitarbeiter und Nachfolger von Karl de sie später Inspektorin für die Hauswirt- dung der Chemischen Fabrik Kern & Sandoz Adolf Brodbeck in Pratteln. Schwerpunkt schaftlichen Fortbildungsschulen sowie Prä- im Jahre 1886 wechselte Josef Rohner in Strafverteidigung. 1927–1945 SP-Landrat. sidentin der Arbeits- und Haushaltlehrerin- diese Firma, wo er die Leitung des Azofarb- 1936/1937 Landratspräsident. 1933–1958 nenvereins Baselland. Sie war «Erste inspek- stoff-Betriebes übernahm. Neben seiner Bankrat der BL Kantonalbank. Elf Jahre im torale Gestalterin» der Mädchenausbildung Arbeit in der Farbstoffproduktion entwickel- Ausschuss, zuletzt Vizepräsident. 1935–1951 für Handarbeit und Haushalt. Eine Pionierin! te er in seinem Laboratorium ein neues Her- Nationalrat. 1945–1950 Regierungsrat (Er- Auch war sie Mitglied des Zentralverbandes stellungsverfahren für ein damals sehr wich- ziehungsdepartement). 1947/1948 Regie- des Schweizerischen Arbeitslehrerinnenver- tiges Textilhilfsmittel (Formaldehyd-Sulfoxy- 404 rungspräsident. 1946 bringt er das Schulge- bandes. Neben all diesen Aufgaben gönnte lat). Da sein damaliger Arbeitgeber kein In- teresse zeigte, dieses Produkt in sein Sorti- Josef Rohner war aber auch ein fürsorgen- Schwob Karl (Karollus), *8.6.1905 in Prat- ment aufzunehmen – man befürchtete Pa- der Vater. Die Familie Rohner wohnte da- teln, †16.3.1994 in Sigriswil. tentschwierigkeiten – entschloss sich der mals an der Muttenzerstrasse, im jetzigen Karl Schwob besuchte die Schulen in Prat- damals 45-jährige Josef Rohner-Plattner im Pfarrhaus der katholischen Kirche. Während teln und absolvierte in Augst eine Bäcker- Jahre 1906 eine eigene Firma zu gründen. des Ersten Weltkrieges hielt der Bauernsohn lehre. In Augst lernte er auch seine spätere Er kaufte in Pratteln, an der Salinenstrasse, Josef Rohner eine Kuh, um seine Familie mit Gattin, Bertha Baumgartner, kennen, die wo bis vor wenigen Jahren die Baufirma genügend Milch versorgen zu können! ihm zwei Töchter gebar. Doch vor seiner Spaini domiziliert war, ein Stück Land und Vermählung ging der junge Prattler Bürger liess ein Gebäude zur Fabrikation des von Der älteste Sohn, der auch Chemie studiert noch auf Wanderschaft und fand 1929 eine ihm später «Hydrosulfit RF» genannten Pro- hatte, verstarb leider in jungen Jahren wäh- Anstellung bei der ACV-Bäckerei in Basel. duktes erstellen. Dieses erste Produkt der rend der grossen Grippe-Epidemie der zwan- 1929, im ersten Jahr der Weltwirtschaftskri- Firma spielte eine bedeutende Rolle in den ziger Jahre. Der zweitälteste Sohn Walter, se, verlor er als Jüngster diese Stelle, fand hochentwickelten Textildruckereien Russ- der spätere Präsident des Verwaltungsrates aber noch im selben Jahr Arbeit bei den SBB. lands, wo die junge Firma Rohner einen Pro- und «Erbauer» eines weltweiten Farbstoff- zess gewann, der von der das gleiche Pro- Verkaufsnetzes, und der um ein Jahr jünge- Seine Passion war das Malen und Zeichnen dukt herstellenden Badischen Anilin- und re Alfred traten beide in das Unternehmen und er hatte Erfolg damit. Z.B. erhielt er bei Sodafabrik (BASF) angestrengt worden war. ein und übernahmen mit der Zeit die kauf- einer internationalen Kunstausstellung für Weitere Hauptabnehmerländer waren die männische bzw. die technische Leitung. Als seinen künstlerischen Beitrag, ein Bild aus Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien, die Josef Rohner seinen 85. Geburtstag feiern der Arbeitswelt der Bahnarbeiter, den 1. USA, Südamerika und Japan. Diese Entwick- konnte, war er immer noch aktives Mitglied Preis. 1950 wandte sich Karl Schwob dem lung des Geschäfts zeigt auf, dass Josef der Geschäftsleitung. Er verstarb im hohen Linolschnitt zu. Der Impuls dazu gab ein Rohner-Plattner nicht nur ein erfolgreicher Alter von 91 Jahren; bis in die letzten Jahre Geburtstags-Gedicht, das er mit einem Chemiker, sondern auch ein sehr guter Kauf- seines Lebens war er immer noch häufig in Linolschnitt illustrierte und im Prattler mann, eben ein richtiger Unternehmer war. seiner Fabrik, seinem Lebenswerk anzutref- Anzeiger unter seinem Künstlernamen fen gewesen. Mit Vorliebe besuchte er die «Karollus» veröffentlichen liess. 1965 zog Aus Platzgründen wurde schon 1911 die Chemiker in ihren Laboratorien und disku- der erst 60jährige Karollus (mit Dorfname Verlegung der Firma an den heutigen Stand- tierte mit ihnen die gerade anstehenden Wagner Oppis Hanse Männis-Karli) mit sei- ort, südwestlich des SBB-Bahnhofes, not- Probleme. Dr. Hans Herzog ner Familie aus gesundheitlichen Gründen wendig. Als erstes Produkt am neuen Stand- ins Berner Oberland, nach Sigriswil. Doch ort wurde Ameisensäure hergestellt, die in seiner Heimatgemeinde blieb er insofern Textilfärbereien eingesetzt wurde. Die Zeit QUELLEN: treu, als er bis in die achtziger Jahre peri- des Ersten Weltkrieges war für das junge «Rohner AG, Chemische Fabrik Pratteln», Fach- odisch illustrierte Textbeiträge zu Ge- Unternehmen eine schwierige Periode. organ der Schweizerischen Vereinigung von Fär- burtstagen prominenter Prattler, zu Anläs- Doch Ideenreichtum liess auch diese Jahre bereifachleuten (SVF) Nr. 5, Mai 1946. sen sowie zum gesellschaftlichen und meistern. So wurde aus dem durch die Rohner-Firmenbroschüre 1978; Sandoz 1886– politischen Geschehen ans Lokalblatt sand- Kriegswirtschaft zugeteilten Alt-Kupfer ein 1986, Rohner-Post Nr. 16, s.5, Juli 1986. te, das diese sehr beliebten Beiträge auch Spritzmittel (Kupferoxychlorid) für den Wein- Kurt Hermann: Ein Farbenhersteller diversifiziert, veröffentlichte. Viele seiner Linolschnitte bau hergestellt. Ein entscheidender Schritt Chemische Rundschau Nr. 10, 1986. und Gedichte wurden im Band «Ja, damals wurde noch während des Krieges im Jahre Hans Herzog: Die Schweizer Farbstoffindustrie in …» verewigt. Eine grosse Freude war für 1917 gemacht: Es wurden Textilfarbstoffe den letzten 50 Jahren, Textilveredlung, Nr. 3, S. 53, Karollus 1985, als er anlässlich der Ausstel- ins Produktionssortiment aufgenommen. 1992; Mündliche Überlieferung. lung zu seinem 80. Geburtstag im Schloss 405 Pratteln mit dem silbernen Schlosstaler ein, wodurch er einige Bausünden verhin- nen, Häusern, Strassen, Landwirtschaft, Ge- geehrt wurde und 1990, als ihm die Musik- dern konnte. werbe und Industrie – und legte damit den gesellschaft Pratteln in seiner Wahlheimat Grundstein zu dem heutigen einmaligen Sigriswil mit einem Konzert zum 85. Paul Weisskopfs grösste Verdienste lagen Historischen Dokumentenarchiv der Ge- Geburtstag gratulierte. jedoch im historisch-kulturellen Bereich. meinde Pratteln. Dokumentiert hat Paul Schon früh erkannte er, dass Pratteln seine Weisskopf das alte Pratteln aber auch mit Stohler Hans, *18.8.1884 in Pratteln, Identität, die in der Geschichte liegt, in seinen gesellschaftshistorischen Beiträgen † 11.11.1963 in Basel. einem Museum darstellen sollte. So sagte im Prattler Anzeiger. Damit hat er uns mit Von Pratteln und Basel. Sohn des Martin, der Vater zweier Töchter überzeugt zu, als dem Leben in früheren Zeiten und mit Grundbuchgeometer, und der Elise Jörin. er 1967, ein Jahr nach der Totalrenovation Histörchen über frühere Prattler Einwohner 1912 Heirat mit Rosalie Pauline Perzy von unseres Schlosses, in das Dreiergremium zum bekannt gemacht. Basel. Schulen in Pratteln, Liestal und Basel; Aufbau eines Ortsmuseum berufen wurde. Studium der Mathematik in Basel, Dr. phil. II. Als dieses Gremium Anfang der siebziger Zeugin Ernst Werner, 5.6.1896 von Dug- 1908–1912 Sekundarlehrer in Muttenz. Jahre zur Museumskommission und mit gingen/BE, † 27.7.1981 in Liestal, Bürger 1912– 1950 Mathematiklehrer an der Obe- dem Lehrer Ernst Gruber sowie dem Dorfhi- von Duggingen und Pratteln (1943 Prattler ren Realschule bzw. am Mathematisch-Na- storiker Fritz Sutter erweitert wurde, über- Ehrenbürger). turwissenschaftlichen Gymnasium Basel. Be- nahm er das Präsidium. Bald machte diese Sohn des Jakob und der Maria Brodbeck. liebter Pädagoge. Verfasst mehrere Lehr- gemeinderätliche Kommission mit ihren 1920 Heirat mit Frieda Löffel von Hasle/BE. bücher über Mathematik, Geografie, Feld- erfolgreichen Ausstellungen im Schloss von Schulen in Pratteln und Liestal; Lehrersemi- messen und Wahrscheinlichkeitsrechnung. sich reden. Vorübergehend war dann auch nar Schiers, 1916 Lehrerpatent; Ausbildung Berechnet die Sterbetafeln für die Witwen- nicht mehr die Rede von einem Dorfmuse- im Klavier- und Violinspiel. 1917–43 Primar- und Waisenkasse des Basler Staatspersonals um. Doch Paul Weisskopf wäre nicht Paul lehrer in Pratteln. 1943–57 Hausvater der und schafft versicherungstechnische Grund- Weisskopf gewesen, hätte er den Mu- Erziehungsanstalt Schillingsrain Liestal. Kla- lagen für die kant. AHV. Verfasst aus Inter- seums-Gedanken aufgegeben. Immer wie- vier- und Violinlehrer, Organist und Dirigent esse für Sonnenuhren, für das römische Ver- der gab er Anstösse zum Aufbau eines Mu- des Kinderchors sowie des Jodlerklubs Prat- messungswesen und für alte Marksteine seums. Und schliesslich hatte er mit seiner teln. Autor verschiedener lokalgeschichtli- und das «Gscheid» heraus, viele Artikel, Hartnäckigkeit Erfolg: Am 27. November cher (fünf Prattler Heimatschriften), volks- u.a. für die Baselbieter Heimatblätter. 1987 durfte er «sein» Museum im Bürger- kundlicher und kirchenhistorischer Arbei- haus, an dessen baulicher Entstehung er in ten. 1966 Auszeichnung mit dem Ehren- Weisskopf Paul, *28. September 1911 in der bürgerrätlichen Baukommission enga- doktor der Theologischen Fakultät der Uni- Pratteln, †3. Oktober 1996 in Pratteln. giert mitgewirkt hatte, einweihen. Sein Her- versität Basel. Besonderes Engagement in Paul Weisskopf war Zeit seines Lebens ein zenswunsch war erfüllt und er legte das Prä- der Abstinenzbewegung, u.a. Leiter der zen- grosser Kämpfer. Als PdA-Politiker kämpfte sidium der Museums-Kommission in jünge- tralen Stelle für Trinkerfürsorge Baselland. der Prattler Bürger in den fünfziger Jahren re Hände. im Landrat für soziale Gerechtigkeit und bis QUELLEN: 1971 in der Gemeindekommission für das Dass Pratteln über ein sehr umfangreiches z.T. aus dem «Personenlexikon des Kantons Wohl der Prattler Bevölkerung. Der gelernte Historisches Dokumentenarchiv verfügt, ist Basel-Landschaft» 1997 und persönliche Recher- Baufachmann war er aber auch ein Bewah- indirekt ebenfalls das Verdienst Paul Weiss- chen. rer alter Bausubstanz und brachte seine kopfs. Denn für die erste Ausstellung «Alt Kenntnisse über das Gesicht des alten Prat- Pratteln im Bild» im Schloss sammelte er alte 406 telns im gemeinderätlichen Bauausschuss Prattler Fotos – Bilder von Personen, Verei- Prattler Originale denen die Kinder die Erwachsenen er- schreckten. Frau Peter hatte die Tendenz, ihre Kunden mit fortwährend über die Lip- Ins Prattler «Personenlexikon» gehören auch pen fahrender Zunge lispelnd zu fragen, ob Prattler Originale, die damals das ganze Dorf sie nicht noch dies und das gebrauchen kannte. An dieser Stelle seien nur die be- könnten. Dann gab’s noch den kleinen, hin- kanntesten erwähnt: S Heizeli, eine kleine kenden Gross-Bielser Karli, der auf dem Frau mit vielen Lachfältchen um die listigen Nachhauseweg vom Posten im «Konsi» im Äuglein, immer gut für einen träfen Spruch. Höfli gerne «Einen» zwitscherte und dabei Sie war oft in der «Chlemmi» anzutreffen, meinte, ein oder zwei Schnäpschen gingen war aber keine «Alki». Dr Höfli Ruedi, ein noch, aber über fünf seien zuviel. Und kleiner, sehr geselliger Mann mit leichtem schliesslich sei noch der Uhu-Joggeli er- Buckel, lustigen Augen und wie man so wähnt, der seinen Übernamen seiner holden sagt: Ein Wellensittich, der, wenn er im Mor- Gattin verdankte, die ihn mit «uhu, chumm gengrauen nach Hause fand, meinte: «I cho ässe» jeweils zu Tisch rief. chumm grad us dr Gmeinistube.» s Fisch- oder s Stohler Rösi, eine stattliche Frau, die Abschliessend sei auch noch Hans Schaub, mit lustig-bissigen Bemerkungen jeden Frei- seines Zeichens Dorfpolizist, erwähnt. Er tag ihre auf einem Handwagen aufgehäuf- war zwar kein Original in dem Sinne, wie ten frischen Fische an die Frau brachte. s wir Originale verstehen. Er war aber eine Wyberfüdle, ein massiger Mann, der fuchs- Respektperson. Die Kinder verzogen sich teufelswild wurde, wenn ihm die Kinder schleunigst nach Hause (oder ins nächste Ver- «Wyberfüdle» nachriefen. Der von Statur steck), wenn der Schaub Hans in schwarzer kleine Lüdin Emil, ein Uhrmacher, der unter Pellerine und begleitet von seinem Schäfer- der Fuchtel seiner beleibten Schwester Em- hund zur «Bättzyt-Zyt» (das war in Sommer ma stand. Wenn er einem Boten z.B. zwei abends um 20.00 und im Winter um 19.00 Rappen Trinkgeld gab, ermahnte er ihn, ja Uhr) unterwegs war, um die Kinder ener- Sorge zu tragen zu diesem Geld. Und seine gisch nach Hause zu scheuchen. Es war halt Schwester brachte einmal ein Paar Unterho- so Sitte, dass die Kinder abends nichts mehr sen in den Gemischtwarenladen vom «Chäp- auf der Strasse zu suchen hatten. seli Peter» zurück, mit dem Argument, sie Emmy Honegger hätten dem Herrn Lüdin nicht gefallen. Auch der eher mickrige «Chäpseli Peter» bzw. seine sehr rundliche Frau ist ebenfalls zu den Originalen zu zählen. Die Peters ver- kauften in ihrem muffigen und nach den zu verkaufenden Waren riechenden Laden (heute Geschäft Roland Stohler) neben Le- bensmitteln und Waschmitteln auch Textili- en, Lederwaren und eben die damals sehr be- liebten «Chäpseli», kleine Knallkörper, mit 407 408 Postscriptum … Montag, 2. Okt. 1939. Wir haben seit heute Einheitsbrot, es ist ein bis- schen heller als das Volksbrot und kostet 43 Rp. Volskbrot kostete 36 Rp. Halbweissbrot. 43. Rp. … Aus dem Tagebuch des damals 12-jährigen Pratt- ler Schülers René Salathé. turelle Leben abspielen. Nebst dem beste- denen öffentlichen und privaten Gartenan- Zukunftsvisionen henden Museum im Bürgerhaus wird sich lagen im flachen Teil von Pratteln. In diesen ins 2103 vor allem das Schloss, das in Richtung KSZ laichen die Kreuz- und andere Kröten. Der mit einem modernen Erweiterungsbau er- alte Kirchturm wurde stehen gelassen und gänzt wird, als Kulturraum hervortun. Auf dient immer noch als Nistplatz für Schleier- dem Blözen und gegen den Schönenberg eulen. werden Einfamilienhäuser vorherrschen. Den Verkehr aus diesen Quartieren wird ein Tun- Vielleicht aber kommts auch ganz anders. nel direkt zur Autobahn leiten. Ein Ortsbus- Vielleicht ist Pratteln immer noch selbstän- Wird Pratteln 2103 sein 1000-jähriges Be- System sowie die Verlängerungen der Tram- dig und immer noch so, wie wir es kennen stehen feiern können? Oder wird unser Dorf linien 14 und 3, von Birsfelden durch den und lieben. Ja, vielleicht ist es besser, man nur noch in Grossbasel-Ost als Quartier der Hardwald, werden die unterirdisch verkeh- weiss nie, wie es heraus kommt. Stadt Basel erscheinen? Wird es den Kanton renden S-Bahnen von Liestal und Rheinfel- Basel-Landschaft noch geben? Oder ge- den zu einem ÖV-Netz ergänzen. Pratteln- Nehmen Sie, liebe Leserin, werter Leser, hören wir zum Kanton Nordwestschweiz? Mitte, das Gebiet zwischen Eisenbahn und meine Visionen nicht allzu ernst, aber im- Autobahn, wird als Gewerbegebiet genutzt. merhin noch zum Anlass, sich selber Gedan- Sie liebe Leserin, Sie werter Leser im Jahre Die Einkaufshäuser, ein Multiplex-Kino, die ken zu machen, wie Pratteln anno 2103 aus- 2103, wissen es. Ich weiss es nicht! Wasserwelt, ein Technopark sowie mehrere sehen wird. Felix Knöpfel, Gemeinderat Hochhäuser rund um den Bahnhof, in de- Die Arbeitsgruppe «Neue Heimatkunde» hat nen u.a. auch die Gemeindeverwaltung mir im Jahre 2002 den Auftrag erteilt, mit beheimatet ist, werden die Industriebauten dem visionären Exekutiv-Auge in die Zukunft in die Rheinebene Richtung Schweizerhalle– zu blicken. Wie ein Hellseher quasi! Muttenz verdrängt haben. Im östlichen Teil der Rheinebene werden die vom Kanton ini- Aber wer hätte vor 100 Jahren gedacht, ziierten Fun- und Erlebnisbauten entstan- dass wir das Wasser praktisch ausschliesslich den sein. Der südliche Teil der Längi wird aus dem Grundwasserstrom in der Rhein- diesem Vorhaben geopfert werden und neu ebene und nicht mehr aus unseren Quellen zusammen mit den Bauten von Augst, das beziehen? Wer hätte es gewagt zu behaup- auch ein Quartier von Grossbasel-Ost wur- ten, Pratteln werde der bedeutendste Indu- de, am Rheinufer erbaut. Die ganze Rhein- striestandort im Kanton. Wer hätte gedacht, ebene wird mit einer Art Sesselbahn er- dass die Autobahn, die beiden Eisenbahn- schlossen, die im Westen, vor dem Industrie linien und das 14er-Tram, Pratteln zu einem quartier «Schweizerhalle», einen Abzwei- der gefragtesten Plätze für Investoren ma- ger erhält, der direkt zum Egglisgraben chen würde? führt, wo eine künstliche Skipiste und eine Rodelbahn entstanden sind. Aber auch dem Also ich probiers! Pratteln wird aus seiner Umwelt- und Naturschutz wird Rechnung Standortgunst Profit gezogen haben! Im getragen werden. Alle Bauten an den Hän- schönen, intakten Dorfkern, der auf der gen von Pratteln werden in oberirdischen Nordseite, also gleichmässiger ums Schloss Bachläufen vom Meteorwasser entwässert. herum, erweitert wurde, wird sich das kul- Diese Bächlein speisen Biotope in verschie- 411 Füeg Peter, geb. 20. Januar 1954 Jehle Emil (Mitsch), geb. 20. Januar 1925 Autorenverzeichnis Mittellehrer, gew. Präsident der kath. Kirch- Dipl. Ing. ETH, Masch.-Ing., gew. Werkleiter gemeinde Kaiser Vreni, geb. 30. Mai 1939 Furler Käthi, geb. 15. Juli 1941 Gew. Heimleiterin «Chäferhuus» Pratteln Kindergärtnerin, gew. Einwohner-, Gemeinde- und Landrätin Knöpfel Felix, geb. 18. Januar 1946 Fahrlehrer, Gemeinderat Wohnort: Wenn keine andere Nennung, Gloor Anke, geb. 2. April 1944 dann Pratteln. Med. techn. Assistentin, Träffpunkt-Leiterin Kuny Bernhard, geb. 15. Dezember 1949 Eidg. dipl. Chemielaborant beim Amt für Ackermann Rolf, geb. 25. Juli 1944 Guggenbühl Dietegen, Allschwil, Umweltschutz BL geb. 24. August 1930 Gew. Präsident der evangelisch-reformier- Baumann Mathias, geb. 4. August 1930 Dr. med., Psychiater FMH, Spezialarzt für ten Kirchgemeinde Kaufmann, gew. adm. Leiter Hochbauamt BL Psychiatrie und Psychotherapie Liebrich Ariane, geb. 5. September 1964 Brassel Ruedi, geb. 28. Juli 1955 Hauber Lukas, Zollikofen, Polizei Inspektorin I, Gemeinde Pratteln Dr. phil., Historiker geb. 25. Februar 1931 Prof. Dr. phil., gew. Kantonsgeologe BS, Muggli Werner, geb. 1. Februar 1949 Bruderer Hans, geb. 17. April 1918 Abteilungsleiter Uni Basel Bau- und Energie-Ingenieur HTL, Sach- Sekundarlehrer, gew. Rektor der Sekundar- bearbeiter Gemeinde Pratteln schule Pratteln Häusler Andreas, geb. 13. Mai 1949 Lehrer an der Sekundarstufe 1 Mundorff Marc, geb. 21. März 1940 Brugger Susanne, geb. 23. Juni 1939 Lehrer Dr. phil. I, Kunsthistorikerin, freischaffend Helfenberger Bruno, geb. 8. November 1956 Sozialarbeiter/Kaufmann, Sekretär Einwoh- Pfirter Rudolf, geb. 13. April 1937 Dill Hansjörg, geb. 5. Januar 1940 nerrat Landwirt, Präsident Bürgergemeinde Pratteln Gew. Stv. Gemeindeverwalter Herzog Hans, geb. 28. September 1923 Ramseier Markus, geb. 12. August 1955 Dittmann Bernhard, geb. 13. September 1952 Dr. phil. II, gew. Chemiker Dr. phil., Sprachwissenschafter, Musiker, Musiklehrer Leiter der Stiftung für Orts- und Flurnamen- Hinnen Karl, Lupsingen, Forschung BL Eichenberger René, geb. 7. November 1942 geb. 28. November 1948 Organisator Dipl. Musiker, Leiter JMS Pratteln 1981–2002 Ramseier Paul, geb. 23. Juni 1930 Gew. Treuhänder Eichenberger Roland, Reinach, Honegger Emmy, geb. 12. Februar 1936 geb. 24. August 1951 Redaktorin, gew. Geschäftsführerin, Del. VR Rohner Werner, geb. 6. Februar 1922 Architekt (selbständig erwerbend) Foley Elisabeth, geb. 12. November 1958 Imbeck Paul, Muttenz, Kfm. Angestellte, Verwalterin der Bürger- geb. 23. Oktober 1955 Salathé René, Reinach, geb. 2. Oktober 1927 412 gemeinde Pratteln Dipl. Biologe, Kantonaler Landschaftspfleger Dr. phil., gew. Rektor Gymnasium Oberwil Schaub Marcel, geb. 31. Dezember 1958 Abteilungsleiter öffentl. Sicherheit Gemeinde Bilderverzeichnis Pratteln

Schäublin Hans, geb. 29. November 1946 Revierförster

Schneider Roger, geb. 1. Juli 1967 Dipl. Biologe

Schwob Heinrich, geb. 22. Juli 1935 Die Ziffern in Klammern beziehen sich auf Kaufmann, gew. Stellvertreter des Vor- die Nummerierung der Bilder von links nach stehers KIGA Baselland rechts und von oben nach unten der betref- fenden Seite. Die Grafiken sind in der Regel Stauffacher Hanspeter, geb. 19. Mai 1938 integrierender Textbestandteil; Ausnahmen sind gekennzeichnet. Stohler Helen, Basel, geb. 1. Dezember 1924 Hausfrau Amt für Raumplanung Kanton Basel-Land- schaft, Liestal: 124, sowie Plan 2 und 3 der Stohler Willy, geb. 26. Juni 1927 Beilage im hinteren Buchdeckel Laborant, gew. Meister Chemie Pharma Baumann Mathias, Pratteln: 132 Suter Kurt. E., geb. 6. März 1942 Dr. phil. II, Biologe Bauverwaltung Gemeinde Pratteln: 121, Flurnamenplan, Plan 1 der Beilage im hin- Sutter Fritz, geb. 7. Juni 1932 teren Buchdeckel Typograph, gew. Direktor, Mitglied UL Medienkonzern Bielser Jutta, Pratteln: 368 (1)

Von Rotz Sonja, geb. 1. Januar 1951 Brugger Susanne, Pratteln: 357 (2), 361 Hausfrau/Kaufm. Angestellte Bürgergemeinde Pratteln: 103, 234, 235, Wronsky Dieter, geb. 4. August 1934 236, 237 Dipl. Ing., Architekt BSA/SIA, gew. Abteilungsleiter kant. Amt für Raumplanung Derungs Kurt, Bern: 321 Seit Ende 1997 freischaffender Pensionär Dill Gustav, Pratteln: 42

Fiechter Bruno, Pratteln: 368 (2)

Gemeinde-Archiv Pratteln: 17 (2), 186 413 Gemeindeverwaltung Pratteln: 220 Salathé Ursula, Reinach: 184, 358 Trefzer Karl, E., Basel: 157 (2)

Gemeinde Pratteln: 79, 87, 88, 97, 153, Schaub Markus, Ormalingen: 13 (1) Urban Kräuchi Eva, Kirchberg: 399, 400 175, 203 Schneider Roger, Pratteln: 62 Urban Reinhard (Foto-Nachlass), Pratteln: Häring & Co. AG, Pratteln: 197, 198 45 (1), 105 (1), 155, 156 (2), 174, 345, Schmölzer Nicole, Pratteln: 360 346, 347, 376 (1), 377 Häusler Andreas, Pratteln: 65 (1 und 2) Schweizer Rheinsalinen, Schweizerhalle: 2, Weisskopf Ernst, Pratteln: 371 Henkel & Cie. AG, Pratteln: 125, 196 105 (2), 106, 131, 354 Wronsky Dieter, Arlesheim: 115 Herzog Hans, Pratteln: 260 Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt: 12, 13 (2 und 3), 38, 76 (1 und 2), 77, 158 (1) Zeugin Ernst, Pratteln: 78 (1) Honegger Emmy, Pratteln: 50, 137, 171, 173, 181, 201, 238, 274, 329, 349, 366 Staatsarchiv des Kantons Basel-Landschaft, Zimmerli Eva, Arlesheim: 100, 325, 369 (1), 372 Liestal: 14 (1),16 (3), 70, 85, 96, 117, 152, 288, 300, 312 Ingold Willy, Reinach: 192 Stäheli Willy, Binningen: 318 Jehle Emil (Mitsch), Pratteln: 45 (2) Stohler Willy, Pratteln: Vorsatz 1/2, 18, 39, Kantonsmuseum Liestal: 71, 340 40, 41, 43, 52, 53 (1 und 2), 56, 63, 72

Kündig Hans, Pratteln: 15 (3), 16 (2), 17 (1), Suter Kurt. E., Pratteln: 54, 57 80, 86, 102, 133, 157 (1), 158 (2), 159, 167, 168, 178 (1), 182, 320, 322, 331, 357 (1), Sutter Fritz, Pratteln: Vorsatz 3, 14 (2), 16 364 (1 und 2), 365, 366 (2), 367, 373, 374 (1), 22, 32, 44, 59, 64, 73, 74, 78, 82, 84, 99 (1 und 2), 104, 107, 128, 135, 150, 154, Martin Viktor, Pratteln: 206, 272 156 (1), 161, 164, 165, 166, 176, 177, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 195, 222, Meyer, Martin, Basel: 29, 30/31 291, 313 (1 und 2), 314, 317, 335, 350, 356, 370, 376 (1 und 2), 393, 396, 397, Päuli Pfirter-Stiftung Pratteln: 3, 15 (1), 48, 398 81, 151 Sutter Margrith, Pratteln: 15 (2), 83, 118, Pfirter Ruedi, Hölstein: 359 140, 178 (2), 179, 280, 295 (1 bis 4), 343 (1 bis 3), 362 Röthlisberger Werner, Muttenz: 324 Sutter Martin, Pratteln: 33, 34, 316, 415 Salathé René, Reinach: 90 (1 und 2), 324 (1), und Umschlag 414 392 415 Bild Seite 415: Werner Keusen, Pratteln (21.5.1926–6.4.1998) «Pratteln: Ursprung des Universums», 1988 416 Privatbesitz Pratteln Heimatkunde Pratteln 2003 rten2003 Pratteln Heimatkunde Plan Nr.1

Pratteln: Flurnamenplan

basierend auf dem Biedermann’schen Plan von 1903, umgezeichnet von G. Müller 1935. Plan Nr.2

Pratteln: Erster Siedlungsplan von 1925

übertragen auf den Biedermann-Plan von 1903 und mit Nachtrag der Baselland- schaftlichen Überlandbahn, die 1922 eröffnet wurde.

Im Interesse einer geordneten Bauweise und eines angenehmen Wohnens sollen künftige Industriebauten nur noch in dem Gebiet nördlich der Basellandschaftlichen Überlandbahn – hier mit Gelb unterlegt – angesiedelt werden. Leider hat ein Aus- nahmeparagraph trotzdem Wohnbauten in der Industriezone ermöglicht. Plan Nr.3 Pratteln: Aktueller,2003 verbindlicher Zonenplan

Für die Siedlungsplanung waren Arbeiten und Erlasse von erheblicher Bedeutung: –Das Generelle Kanalisationsprojekt von 1978 im Zusammenhang mit der Begrenzung der Bauzonen –Der Strassennetzplan 1982 –Die Felderregulierungen, die mit vorauseilenden Bonitierungen teilweise späte- re Bauzonenerweiterungen unausweichlich machten.

Ein sehr wesentliches Pendant zur Siedlungsplanung ist der vom Kanton auf Grund des Regionalplans Landschaft veranlasste, 1993 in Kraft gesetzte kommu- nale Landschaftsplan. Mit ihm wurden massgebende Richtlinien für Schutz, aber auch beschränkte Nutzungen in der Landschaft erlassen, d. h. in den Restflächen, die noch zum Gemeindebann gehören, aber nicht zur Bauzone.