Elemente Des Stylus Phantasticus Im Orgelwerk Juan Cabanilles‘

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Elemente Des Stylus Phantasticus Im Orgelwerk Juan Cabanilles‘ Gerhard Raab Matrikelnummer: 61800392 Elemente des Stylus Phantasticus im Orgelwerk Juan Cabanilles‘ Masterarbeit Schriftlicher Teil der Lecture Performance KMA-Studiengänge Musik zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts des Studiums KMA Orgel Studienkennzahl: RA 066 712 an der Anton Bruckner Privatuniversität Betreut durch: Ao. Univ. Prof. Mag. Brett Leighton Zweitleser: Prof. Mag. Dr. Wolfgang Kreuzhuber Linz, im April 2021 Abstract Die Orgelmusik Juan Cabanilles‘ (1644–1712) stellt für die Musikwissenschaft nicht zuletzt ob des Fehlens von Autographen und der unübersichtlichen Quellenlage nach wie vor ein umfangreiches Forschungsfeld dar. Noch immer verbleiben einige Werke des valencianischen Komponisten unveröffentlicht. Aufschluss über mögliche stilistische Einflüsse von außerhalb der iberischen Halbinsel geben daher morphologische Untersuchungen seiner Werke sowie seines näheren musikalischen Umfelds. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob Elemente des Stylus Phantasticus in den Kompositionen Cabanilles‘ nachweisbar sind. Im Besonderen werden die Verbindungen zum süddeutschen und italienischen Raum sowie aufführungspraktische Aspekte der Musik um 1700 erörtert. Danksagung Die Idee zur vorliegenden Arbeit entstand in der Folge eines Kurses an den historischen Orgeln von Julian de la Orden in der Kathedrale von Cuenca im Jahr 2017. Für die inspirierenden Ideen und Ausführungen zur iberischen Orgelmusik sowie für die weiterführenden musikalischen und wissenschaftlichen Anregungen in privater Korrespondenz bin ich Andrés Cea Galán zu großem Dank verpflichtet. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank auch an ao. Univ. Prof. Mag. Brett Leighton sowie Prof. Mag. Dr. Wolfgang Kreuzhuber aussprechen. Ihre außerordentlich wertvollen Impulse im Unterricht wie auch der konstruktive fachliche und persönliche Austausch über die Betreuungstätigkeit hinaus haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ein besonderer Dank gilt zudem Marianne und Michaela Bäck sowie Gabriele Käferböck für das Korrektorat. 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................................. 1 2 Biografische Daten ............................................................................................... 3 3 Werke und Quellen............................................................................................... 3 4 Die Vernetzung der europäischen Musikwelt im 17. Jahrhundert ........................ 7 5 Stylus Phantasticus ............................................................................................ 12 6 Ausgewählte Beispiele ....................................................................................... 19 7 Conclusio ........................................................................................................... 24 8 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 26 9 Noteneditionen ................................................................................................... 29 10 Quellenverzeichnis ............................................................................................. 30 11 Anhang ............................................................................................................... 31 1 Einleitung Das Schaffen des valencianischen Komponisten Juan Cabanilles bildet nach Agustí Bruach neben den Werken von Antonio de Cabezón und Francisco Correa de Arauxo „eine dritte Blüte der Orgelmusik auf der iberischen Halbinsel.“1 In Bezug auf die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Repertoires konstatiert Jürgen Trinkewitz: „Insgesamt besteht bezüglich Geschichte, Analyse und Aufführungspraxis der iberischen Tastenmusik noch großer Forschungsbedarf, damit das vielschichtige Repertoire erschlossen werden kann und in Zukunft nicht nur wenigen Spezialisten vertraut ist.“2 Stellvertretend für die aktuellen Forschungsergebnisse sind an dieser Stelle die Dissertationen und die davon abgeleiteten Artikel von Miguel Bernal Ripoll3, die Erkenntnisse Andrés Cea Galáns4 sowie die Arbeiten von Águeda Pedrero Encabo5 genannt. In der deutschsprachigen Sekundärliteratur finden sich nur wenige Beiträge zu diesem umfangreichen Thema. Ein wesentlicher Punkt für die Erschließung der Orgelwerke Cabanilles‘ ist die Kenntnis über das Instrumentarium im valencianischen Raum im 17. Jahrhundert. Diesbezüglich sei auf die Forschung zu den Orgeln der Kathedrale von Valencia durch Pablo Márquez Caraballo6 verwiesen. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob sich im Schaffen Cabanilles‘ Elemente des Stylus Phantasticus – ein sich im 17. Jahrhundert über nahezu ganz Europa ausbreitendes musikalisches Phänomen – nachweisen lassen. Daraus gewonnene Erkenntnisse können einen Beitrag zum Wissen über die Interpretation iberischer Tastenmusik im ausgehenden 17. Jahrhundert liefern. Nach einer Darstellung des aktuellen Forschungsstands zur biografischen und kompositorischen Quellenlage soll eine historiografische Analyse die europaweite Vernetzung von Musikschaffenden im besprochenen Zeitraum mit Blick auf die iberische Halbinsel erörtern. David J. Smith hebt hierzu die Relevanz von Wissen um 1 Bruach 2000, Art. „Würdigung“ 2 Trinkewitz 2009, S.252 3 Ripoll 2004, 2012 und 2018 4 Cea Galán 2007, 2011 sowie zwei Editionen von zweimanualigen Tientos bzw. Trios aus dem Œuvre Cabanilles‘ 2016 und 2018 5 Pedrero Encabo 1995 6 Márquez Caraballo, Pablo: Los órganos de la catedral de Valencia durante los siglos XVI-XXI. Historia y evolución. Tesis doctoral, Universidad de València 2017 1 das soziale, gesellschaftliche und politische Umfeld für das Verständnis musikalischer Werke hervor: „Composers and musicians did not live in a cultural vacuum; a better appreciation of their work is achieved in a broader context. This comprises a complex web of interrelated networks involving patronage and employment, religion and politics, […].”7 Der Bezug auf die Verbindungen zum italienischen und süddeutschen Raum erfordert einen Exkurs in die Entwicklung und Ausbreitung des Stylus Phantasticus. Anhand ausgewählter Beispiele aus dem Orgelwerk Cabanilles‘ sollen schließlich Gemeinsamkeiten mit der Musik außerhalb der iberischen Halbinsel dargestellt werden. Das Ziel der Arbeit besteht darin, ein über größere Teile nur fragmentarisches Bild des valencianischen Komponisten und dessen musikalischen Bezugsfelds zu erweitern und dieses in den Kontext der Entwicklungen in der (Tasten-)Musik zu setzen. Aufgrund eines fehlenden Werkverzeichnisses werden die Werke Cabanilles‘, dem musikwissenschaftlichen Usus der Sekundärliteratur folgend, mit ihrer Verortung in der Gesamtausgabe von Higinio Anglés angegeben, z.B. OO-II-26 (Opera Omnia, Band zwei, Tiento Nr. 26). Da das Berufsbild des Musikers im 17. und 18. Jahrhundert fast ausschließlich männlichen Personen vorbehalten war, wird in der vorliegenden Arbeit bei Verweisen auf Quellen aus jener Zeit die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts. 7 Smith 2013, S.3 2 2 Biografische Daten Juan Bautiste José Cabanilles Barberà8 wurde am 6. September 1644 als Sohn des Bauern Barthomeu Cabanilles und dessen Frau Catherina Barberá geboren. Das Fehlen von Berichten oder Dokumenten zur Kindheit und Jugend lässt nur Vermutungen über die musikalische Ausbildung Cabanilles‘ zu.9 Belegt ist, dass er im Jahr 1665 als Nachfolger von Jerónimo de la Torre zum zweiten Organisten des Doms zu Valencia ernannt wurde, sowie nach dem Tod von Andrés Pérez im Jahr 1666 die Aufgaben und Verpflichtungen des Hauptorganisten ausführte. Erst im Jahr 1703 wurde wieder ein zweiter Organist am Dom ernannt – wohl zur Unterstützung des alternden Domorganisten. Die überlieferten Aussagen des Cabanilles-Schülers Josep Elías über Reisen des Komponisten nach Südfrankreich und Vertretungen durch französische Organisten lassen sich nicht bestätigen.10 Einerseits müssten diese nach 1703 erfolgt sein, da erst in dieser Zeit Abwesenheiten in den Kapitelakten vermerkt wurden, andererseits hätten die Reisen mit fortgeschrittenem Alter zusätzliche Strapazen bedeutet.11 Juan Cabanilles starb am 29. April 1712 in Valencia.12 3 Werke und Quellen Neben wenigen Vokalwerken sind ausschließlich Orgelwerke des valencianischen Komponisten in Abschriften überliefert. Nach Bruach zählen zu den letztgenannten 231 Tientos, 6 Gallardas, 4 Paseos, 1 Corrente italiana13, 1 Gaitilla, 1 Diferencias de folías, 1 Xàcara, 1 Pedazo de música, 5 Pasacalles, 6 Tocatas, 2 Batallas, 56 Himnos, sowie rund 990 Versos.14 Die Vielzahl der Werke mit liturgischem Kontext, wie Himnos und Versos, ist auf die umfangreichen kirchenmusikalischen Verpflichtungen als 8 Die unterschiedlichen Schreibweisen des Vor- und Nachnamens gehen auf die unterschiedlichen Überlieferungen in kastillischer bzw. valencianischer Sprache zurück. (Vgl. Bernal Ripoll 2004, S.19 und Garcia-Ferreras 1973, S.9). 9 Vgl. Garcia-Ferreras 1973, S.8f. 10 Vgl. Bernal Ripoll 2004, S.18f. 11 Vgl. Garcia-Ferreras 1973, S.30 Garcia-Ferreras und Bernal Ripoll merken zu diesem Punkt an, dass mit dem valencianischen Wort estrangers in den Akten fremde Vertretungsorganisten von außerhalb der Stadt gemeint waren und in der Sekundärliteratur mit dem kastillischen Wort extranjero (= Ausländer) verwechselt wurden (Vgl. Bernal Ripoll 2004, S.18). 12 Vgl. ebd. S.17f. 13 Bernal Ripoll zählt dieses Werk nicht zum Œuvre Cabanilles‘. Er sieht
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