Offizielles Organ für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 4/2011 Juli/August

WM-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus und ihre Assistentinnen Marina Wozniak (links) und Katrin Rafalski.

Titelthema Interview Analyse Porträt Bibiana & Co: und Gute Szenen – Einer von uns: Unser Team bei die neue Kommission: schlechte Szenen: Carsten Kadach – der Frauen-WM Bilanz und Ausblick Das lehrt uns Abschied nach in Deutschland nach dem ersten Jahr die 18 Jahren „Linie“ Editorial Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser, ten. Bibiana Steinhaus und ihrem Team wünsche ich viel Glück für die bevorstehende Aufgabe. selten zuvor war die Tabellen-Konstellation in der Bundesliga über Wochen und Monate so *** ungewöhnlich, ja fast schon verworren wie in Um einen oft zitierten Ausspruch unseres ehe- der abgelaufenen Saison. Bis zu den letzten maligen Bundestrainers Sepp Herberger abzu- Spieltagen rangen etablierte Klubs um den Klas- wandeln, heißt es für uns alle: Nach der Saison senerhalt, die niemand dort „unten“ erwartet ist vor der Saison! In den Schiedsrichter-Aus- hatte, am wenigsten sie selbst. Entsprechend schüssen der Verbände wurden und werden die schwierig war diese Saison deshalb auch für Entscheidungen über Auf- und Abstieg in den unsere Schiedsrichter-Teams. einzelnen Spielklassen und Vorbereitungen für Die Wellen der Emotion schlugen bei allen Betei- die Spielzeit 2011/2012 getroffen. Ziel muss es weiterhin sein, starke, unabhängige Schiedsrich- ligten – auch aufgrund der persönlichen Betrof- ter in die Spitze unseres Fußballs zu bringen. fenheit – sehr hoch, und die Medien nutzten natürlich diese aufgeladene Stimmung für ihre Das von mir ausgegebene Motto „Wir wollen eigenen Zwecke. Verdenken kann man es ihnen nicht die Jüngsten, wir wollen auch nicht die Titelthema Hier fing für „Bibi“ alles an Bibiana Steinhaus und ihr Team vor der Frauen-WM 4 Was für Panorama 8 eine Saison! Interview „Offen sein, aber unabhängig Herbert Fandel, bleiben – das funktioniert“ Vorsitzender Die neue Schiedsrichter-Kommission nicht unbedingt, denn jede Zeitung will verkauft der DFB- nach ihrem ersten Amtsjahr 10 und jede Fernsehsendung gesehen werden. Schiedsrichter- Ärgerlich finde ich es allerdings, wenn mangelnde Kommission. Fachkenntnis durch „Marktschreierei“ überdeckt Aktion wird. Schnellsten, sondern wir wollen die Besten und Viele tolle Leistungen die stärksten Persönlichkeiten“, wird weiterhin Informationen zur DFB-Aktion „Danke Schiri“ 14 Umso bemerkenswerter ist deshalb die Feststel- unsere Arbeit bestimmen. Eine Schablone für lung, dass unsere Schiedsrichter zusammen mit erfolgreiche Schiedsrichter kann es nicht geben. ihren Assistenten die Bundesliga-Saison Regel-Test Fitness und Regelsicherheit bleiben notwendige 2010/2011 unter schwierigen Umständen souve- Trikot-Ausziehen ohne „Gelb“? 15 Selbstverständlichkeiten und nicht mehr. Die rän und geräuschlos zu Ende gebracht haben. Stärkung der individuellen Persönlichkeit muss Dafür spreche ich unseren Top-Schiedsrichtern Lehrwesen weiterhin im Mittelpunkt stehen. Denn der Fuß- an dieser Stelle ein großes Kompliment aus. ball ist doch immer dann am schönsten, wenn Das Unerwartete erwarten *** zwei großartig aufspielende Mannschaften und Im Lehrbrief 37 geht es um Wurfvergehen 16 eine starke Schiedsrichter-Persönlichkeit Wenn diese Ausgabe der Schiedsrichter-Zeitung zusammenkommen. Regeln erscheint, sind es nur noch wenige Tage bis zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in unse- Trotz der Vorbereitungen für die kommende Sai- Auch auf die Hose achten rem Land. Nicht nur die Spielerinnen, sondern son sollten alle Aktiven, aber auch alle Verant- Was die Regeländerungen 2011 auch die Schiedsrichterinnen werden in dieser wortlichen die Sommerpause nutzen, um neue in der Praxis bedeuten 19 Zeit im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Unsere Kräfte zu sammeln. Die Regeneration spielt Top-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus wird nicht nur für einen Top-Schiedsrichter eine Analyse zusammen mit Marina Wozniak und Katrin immer wichtigere Rolle. Der Anspannung und Die Bremse in der Not Rafalski das Schiedsrichterwesen der Frauen in dem Druck des Geschehens auf dem Platz und Was wir aus den letzten Spieltagen Deutschland vertreten, das in den vergangenen drumherum kann ein Unparteiischer nur dann der Saison 2010/2011 lernen sollten 20 Jahren einen enormen Aufschwung genommen über Jahre erfolgreich standhalten, wenn er die hat. Schön zu sehen, dass mittlerweile viele Ruhephasen zu einer bewussten und sinnvollen Report junge und erfolgsorientierte Sportlerinnen in Regeneration nutzt. unserem Kader sind, die eine gute Perspektive Körpersprache hilft immer In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen im Frauen-Schiedsrichterbereich haben. Schiedsrichter aus 6 Ländern beim Norhalne-Cup 25 und Lesern eine erholsame Sommerpause und Mit Kompetenz, Durchsetzungsvermögen und viel Freude an der bevorstehenden Frauen-Fuß- Porträt enormem persönlichen Einsatz präsentieren ball-Weltmeisterschaft. sich unsere Schiedsrichterinnen in den einzel- Abschied für einen Dino nen Ligen und stehen zu jeder Zeit auf Augen- Ihr Assistent Carsten Kadach winkte zum letzten Mal 26 höhe mit dem hohen Niveau des Frauenfußballs in unserem Land. Die Weltmeisterschaft soll Aus den Verbänden 29 dazu beitragen, eine weitere Professionalisie- rung im Frauen-Schiedsrichterbereich einzulei- Herbert Fandel Vorschau 30

Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen. SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 3 Titelthema Hier fing für„Bibi“all „Schiedsrichterin: Steinhaus (Hannover)“, so steht es in den Spielberichten der Presse. Stimmt ja auch, tet Deutschlands WM-Schiedsrichterin in Niedersachsens Landeshauptstadt. Aber ihre Wurzeln hat sie ort Bad Lauterberg. Dort leben auch die Menschen, die Bibiana Steinhaus zur Schiedsrichterin geformt (Text) und Susanne Hübner (Fotos) schlagen für die Schiedsrichter-Zeitung den Bogen von den Anfängen erfolgreichen Karriere.

eimat schmeckt süß. Wenn Bibi- Hana Steinhaus nach Bad Lauter- berg kommt, führt sie ihr erster Weg immer ins „Café Mangold“. Ein paar Tüten „Lauterberger Lehm“ kauft sie dort, Schokoladenstücke mit Mandeln, Rosinen, Krokant und Nüssen. Natürlich auch diesmal, bei ihrem letzten Abstecher kurz vor Beginn der Frauen-Weltmeister- schaft. „Mitbringsel für meine Freunde in Hannover“, erzählt die Schiedsrichterin.

Der Zwischenstopp gehört zu ihrem festen Heimkehr-Ritual – wie die Runde durchs Zentrum des 12.000-Einwohner-Städtchens. „Einmal um den Pudding und schauen, ob noch alles da ist“, sagt sie und fährt langsam durch die verkehrsberuhigte Zone, vorbei an der gelb getünchten St.-Andreas- Kirche, in der sie konfirmiert wurde, die steile Straße am Wein- berg hoch, ihre frühere Jogging- Idyllische Lage: Bibiana Steinhaus am Sportplatz „Augenquelle“ ihres Vereins SV Bad Lauterberg. Strecke. Es ist noch alles da. des SV Bad Lauterberg. Klaus Hen- und im Polizeidienst arbeitet, eine ter mittlerweile herzlich lachen, Bibiana Steinhaus hat viel um die kel leitet den Klub mit seinen etwa von ihnen ist – und natürlich noch sorgte ihr „Schwimmerkreuz“ Ohren, sie schafft es aus ihrem 500 Mitgliedern. 16 Fußball-Mann- immer Mitglied des SV. dafür, dass sie das Kleid für den Wohnort Hannover nur noch zwei-, schaften laufen hier auf, darunter Abschlussball der Tanzschule nicht dreimal im Jahr in ihre Geburts- zwei Frauen- und drei Mädchen- Auf dem idyllischen Platz am Wal- mehr schließen konnte. Sie war 14 – stadt. Dann aber kommt Sentimen- teams, und seit sich das Nieder- desrand, gleich neben Bratwurst- und hörte mit dem Schwimmen talität auf; die Harzer Berge bedeu- sachsenstadion in eine schmucke stand und einem plätschernden auf. „Das gab Ärger damals“, ten ein Stück Heimat. „Hier habe ich WM-Arena gewandelt hat, steht Bach namens Lutter, begann ihr erinnert sich die 32-Jährige heute, meine Wurzeln, hier bin ich geer- gleich neben der Seitenlinie eine Fußball-Leben. Sehr früh, weil sie während ihr Vater vorgibt, sich det“, sagt die 32-Jährige, „das ausrangierte Sitzreihe mit Klapp- ihren Vater oft begleitete. „Sie kam nicht mehr so recht erinnern zu hängt natürlich mit den Menschen sitzen aus Hannover. Auch auf sein immer mit zum Training“, erzählt können. zusammen, die mir nahe sind.“ In prominentes Mitglied aus der Lan- Horst-Dieter Steinhaus, „dabei hat Bad Lauterberg ist sie nicht „Bibi“, deshauptstadt ist der Verein „sehr sie ihre Liebe zum Fußball entdeckt.“ Wahrscheinlich auch deshalb, weil Deutschlands bekannteste Fußball- stolz“, wie Henkel betont, Der Vater fand’s gut, die Tochter ihn die Tochter anschließend noch Schiedsrichterin, in Bad Lauterberg „besonders, weil sie den Bezug zu zog zu dieser Zeit allerdings noch häufiger zum Fußballplatz beglei- ist sie „die kleine Rien“, nach dem ihrer Heimat nie verloren hat“. das Schwimmen vor. Mit achtbaren tete. Die 14-Jährige begann selbst Mädchennamen ihrer Mutter. Deshalb legen die Bad Lauterber- Erfolgen, bis zu den Deutschen zu kicken, als Verteidigerin. „Wo ger viel Wert darauf, dass Stein- Meisterschaften schaffte es die sonst sollte man die schnellen Gro- Einer dieser nahen Menschen haus, die meist als Hannoveranerin Blondine. Doch dann, über diese ßen hinstellen, die nicht mit dem erwartet sie auf dem Sportplatz bezeichnet wird, weil sie dort lebt Geschichte können Vater und Toch- Ball umgehen können?“, fragt sie

4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Die Liste der WM-Schiedsrichterinnen

Sechs von 16 aus Europa gen, die man nach der Prüfung das erste Mal machen muss, ob Platz Mehrere Lehrgänge, ständige Theorieschulungen über ein abnehmen oder Spielerpässe kon- spezielles Portal im FIFA-Intranet, Überprüfung der Fitness- trollieren.“ Auf dem Platz stand sie werte und individuelle Trainingspläne – so intensiv wie noch es an allein, einsam war sie nie. Die nie wurden die Schiedsrichterinnen und Assistentinnen von Manöverkritik folgte auf dem der FIFA-Schiedsrichter-Kommission auf die WM in Deutsch- Heimweg; schlimm kann sie nicht land vorbereitet. Bibiana Steinhaus weiß warum: „Das wird schließlich lebt und arbei- gewesen sein. „Bibi ist von Anfang ein intensives Turnier mit hohen Ansprüchen an uns.“ im Harz, in ihrem Geburts- an mit guten Leistungen aufgefal- Außer ihr wurden noch 15 Unparteiische nominiert, die wir len, und sie konnte sich immer gut in der Liste unten aufführen, sowie vier Schiedsrichterin- haben. Tatjana Riegler einschätzen“, sagt „Mampfer“. Und nen, die als Vierte Offizielle zum Einsatz kommen. Dazu zum Höhepunkt einer noch lieber erzählt er die kommen neben Marina Wozniak und Katrin Rafalski 30 Geschichte von Steinhaus’ erstem weitere Assistentinnen. Spiel in der Bezirksklasse, nach Konföderation Name Land Alter* dem der Beobachter sagte, die 16- lachend und nennt sich „ziemlich Jährige müsse raus aus der Klasse: UEFA Dagmar DAMKOVA Tschechien 36 talentfrei“. Ihr Vater würde das nie „Da wäre ich fast in Ohnmacht UEFA Gyongyi GAAL Ungarn 35 so hart ausdrücken; doch irgend- gefallen! Eine Woche später hat sie UEFA Kirsi HEIKKINEN Finnland 32 wie muss sich Horst-Dieter Stein- schon Bezirksliga gepfiffen.“ UEFA Jenny PALMQVIST Schweden 41 haus in seiner Tochter erkannt UEFA Christina PEDERSEN Norwegen 30 haben: Nachdem er erst mit Es ging rasant voran. Zunächst UEFA Bibiana STEINHAUS Deutschland 32 Anfang 40 das Fußballspielen kam die Jugendliche bei Ziehvater begonnen hatte, wechselte er „Mampfer“ und Vater Horst-Dieter Asien Sung Mi CHA Südkorea 35 mangels Talent schnell auf die an der Linie zum Einsatz, eine Asien Etsuko FUKANO Japan 39 Schiedsrichterseite – diesen Rat- besondere Erfahrung. „Es gab häu- Asien Jacqui MELKSHAM Australien 32 schlag gab er nun weiter. Unter- fig mal Abseits-Diskussionen am Nord-/Mittelamerika Quetzalli ALVARADO Mexiko 36 stützt von „Mampfer“, dem Frühstückstisch“, sagt die Tochter. Nord-/Mittelamerika Carol Anne CHENARD Kanada 34 Schiedsrichter-Obmann des Ver- Wenige Monate später begleitete Nord-/Mittelamerika Kari SEITZ USA 40 eins. sie die damalige FIFA-Schiedsrich- terin Antje Witteweg aus Herzberg Südamerika Estela ALVAREZ Argentinien 33 „Mampfer“ heißt eigentlich Wolf- als Assistentin in der Frauen- Südamerika Silvia REYES Peru 30 gang Illhardt, doch in Bad Lauter- Bundesliga. Begegnungen als Afrika Therese NEGUEL Kamerun 29 berg nennt ihn niemand so. Wenn Schiedsrichterin im Männerspiel- Ozeanien Finau VULIVULI Fidschi-Inseln 28 Bibiana bei ihm vorbeischaut, gibt betrieb folgten. Der Rollenwechsel es Waffeln, auch dies ein festes war eingeleitet; fortan kamen * bei Turnierbeginn (26. Juni 2011) Heimkehrritual. „Mampfer“ hat „Mampfer“ und Vater Horst-Dieter einmal eine Partie mit der Fußball- als Assistenten mit. „Das war für spielerin Steinhaus gepfiffen, uns eine neue Situation: Bislang am Vater, kann sie nicht sagen, ein Hosenmädchen.“ Eines, das „danach habe ich ihr gesagt, werd’ hatte Papa das letzte Wort, und ich „das würde weder dem einen noch Sport zum Lieblingsfach erkoren lieber Schiri.“ Er schickte sie 1995 habe mich untergeordnet. Jetzt dem anderen gerecht, sie haben hatte, besonders dann, wenn ein in den Anfänger-Lehrgang und war es andersrum, und ich musste beide großen Anteil.“ Ihr Vater war Ball im Spiel war. Ob die Jungs das unterstützte sie intensiv. „Er war ihm sagen, wo’s langgeht“, sagt und ist ihr größter Kritiker. toll fanden, mit einem Mädchen immer für mich da“, beschreibt es Steinhaus. An wem sie sich mehr Fußball zu spielen? „Weiß ich nicht sein Schützling, „bei all den Din- orientiert hat, an „Mampfer“ oder Auf dem Schulhof hatte sich die mehr – aber ich hätte es bestimmt Schiedsrichter-Laufbahn Mitte der schon damals ignoriert.“ 80er-Jahre noch nicht angedeutet. Ein Abstecher zum roten Back- So wie sie die Zwischenrufe über- steinbau der Grundschule am hört, wenn sie auf dem Platz steht. Hausberg gehört ebenfalls zur Ihr Vater erinnert sich an ein Spiel Heimkehrrunde durch Bad Lauter- der Männer-Oberliga in Hamburg, berg; Frau Vollmann, ihrer Klassen- das er und Mutter Renate auf der lehrerin, schickt Steinhaus noch Rückreise vom Nordseeurlaub heute jedes Jahr eine Geburtstags- besuchten. Über die Schiedsrichte- karte. „Damals gab’s hier keine rin hätten die Zuschauer Schaukeln“, sagt sie und schwingt geschimpft, erzählt Horst-Dieter sich lachend auf. Damals gab’s Steinhaus, „da war meine Frau allerdings eine Ecke auf dem sehr erschrocken“. Die Eltern lie- Schulhof, in der die Kinder ihre ßen sich dennoch nichts anmerken – Jacken als Torpfosten ablegten und fingen umgehend an, die und loskickten, bis der Gong sie Schiedsrichterin zu loben. Weil sie Ein ganz besonderes Team: Bibiana mit Vater Horst-Dieter zurück in den Unterricht rief. Schü- ihre Tochter ist, logisch, und weil (rechts) und Wolfgang „Mampfer“ Illhardt. lerin Bibi mittendrin, „ich war eben sie ihre Sache gut machte, wie

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 5 Titelthema

gelegt. Und in eine Schublade hat Kneipe hängen die Logos aller sie sich ohnehin nie stecken las- norddeutschen Bundesligisten an sen. Die Männer-Frauen-Diskussi- der Wand, und wer Fußball und Bier onen beim Fußball ist die attraktive live genießen will, kommt an Spiel- Blondine leid, zumal sich die Aufre- tagen hierher. Illhardt blickt gern gung um ihre Person längst gelegt zurück auf die zehn Jahre, die er hat, seit sie am 21. September 2007 ab 1999 an Steinhaus’ Seite in der ihr erstes Zweitliga-Spiel zwischen Frauen-Bundesliga und Männer- dem SC Paderborn und 1899 Hof- Oberliga winkte: „Sie hat ihre fenheim gepfiffen hat. Eltern und Sache auf dem Platz gemacht, wir Ziehvater waren live dabei. Mittler- hatten Spaß auf der Fahrt.“ Zum weile aber bricht kein Blitzlichtge- Beispiel auf dem Weg nach Bar- witter mehr los, wenn sie als Vierte singhausen, als man vor lauter Offizielle die Bundesliga-Trainer Regelabfragerei doch glatt die beruhigt. Oder mit ihren 1,81 Metern richtige Autobahnabfahrt ver- den Zweitliga-Kickern ungerührt passte. Oder im ICE von Göttingen einen farbigen Karton vor die Nase nach Frankfurt, als ein ZDF-Mitar- hält. Wie zuletzt, als sie das Duell beiter Bibiana in eine Sportsen- der Bundesliga-Aufsteiger zwi- dung einladen wollte. „Wir haben Beim Spaziergang durch die Heimatstadt… meist. „Sie tritt selbstbewusst auf, grinsen. Ein Torwart sei einmal vor konzentriert, bleibt aber nett und ihr auf dem Rasen liegengeblieben, freundlich dabei“, sagt der Vater, um sich nach eigener Aussage „da hat sie’s als Frau leichter.“ Ent- ihren „knackigen Mädchenpo“ bes- scheidend aber sei die Leistung. ser anschauen zu können, erzählt der Schiedsrichter-Obmann. „Und Das sieht auch Ziehvater Wolfgang was sagt Bibi? ,Ihrer ist aber auch Illhardt so. Klar trete Bibi char- nicht schlecht’ – das habe ich mant auf, sagt der 57-Jährige, aber bewundert.“ Den Tipp, die Spieler bei einer Frau schauten alle nun stets zu siezen, beherzigt sein mal genauer hin, damals noch Schützling bis heute. mehr als heute, „da muss die Leis- tung immer stimmen“. Und der Für Bibiana Steinhaus selbst spielt Umgangston. Bibi könne Sprüche das Geschlecht keine Rolle, auf ab und sie erwidern, sie wirke nie eine Sonderbehandlung hat die arrogant, meint „Mampfer“ und einzige Frau unter 41 Männern im …und ließ auch das „Café Mangold“ nicht aus. muss beim Kramen im Gedächtnis deutschen Profifußball nie Wert schen Hertha BSC Berlin und dem ihm gesagt, sie kommt nur, wenn FC Augsburg vor 78.000 Zuschau- wir auch kommen dürfen.“ ern im Berliner Olympiastadion lei- tete. „Eine sensationelle Atmo- Wer den beiden Männern zuhört, sphäre“, fand sie – und zückte Vater Horst-Dieter und Ziehvater nach einer „Notbremse“ selbstver- „Mampfer“, spürt ihren Stolz. Am ständlich die Rote Karte. Einer von nur zwei Feldverweisen, die sie in ihren 32 Zweitliga-Spielen verhän- gen musste.

„So souverän war Bibi schon in jungen Jahren“, sagt „Mampfer“ und schickt die Attribute „kompro- misslos und durchsetzungsstark“ hinterher. Seit 25 Jahren ist er Schiedsrichter-Obmann beim SV Bad Lauterberg, seit 13 Jahren Schiedsrichter-Lehrwart im Fuß- ball-Kreis, „doch so ein Talent wie Bibi hat man nur einmal im Leben.“ „Mampfer“ sitzt im „Klabuster“, auch ein Ort, der zum Fußball in …kam Bibiana an ihrer alten Schule vorbei… Bad Lauterberg gehört. In der Algarve Cup 2011: DreiTribünen-Besu

6 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Fernsehgerät verfolgen sie die meisten Auftritte, gelegentlich sit- Bibiana Steinhaus stellt die deutschen WM-Assistentinnen vor zen sie auch im Stadion, „anschlie- ßend gibt’s immer Diskussionen“, Die Konstante von ihren Qualitäten als Assistentin über- sagt der Vater. Das Trio pflegt und die Senkrechtstarterin zeugt. Der Lohn: Katrin wurde für ein Vier- einen frotzelnden Umgangston, telfinale angesetzt! aber es weiß auch, dass es sich Seit 2008 ist Marina Wozniak FIFA-Assisten- immer aufeinander verlassen tin, und seitdem haben wir nahezu jede Bei uns im Team ist sie der „doppelte kann. Keine Frage, wen die internationale Begegnung gemeinsam Boden“, denn Katrin hat immer alles dop- Schiedsrichterin gleich anrief, als bestritten. Ob Champions-League-Spiele pelt und dreifach dabei. Und da sie durch sie von ihrer WM-Nominierung der Frauen, die U 20-Weltmeisterschaften die hessische „Lutz-Wagner-Schule“ gegan- erfuhr: zuerst die Eltern, dann 2008 in Chile und 2010 in Deutschland, die gen ist, kann sie keine Regelfrage schre- „Mampfer“. „Sie fühlen, leben und Europameisterschaft 2009 in Finnland – cken. Eine „Regelpäpstin“ dabei zu haben, leiden mit mir“, sagt sie. So wie Marina ist für mich eine Konstante. ist immer ein gutes Gefühl. damals, als sie mit 16 Jahren auf einem Rastplatz zehn Kilometer Und das gilt für alles, was Marina tut. Immer vor Bad Lauterberg auf der Motor- wieder schafft sie es mit ihrer warmherzi- haube von „Mampfers“ Auto einen gen Art und Weise, in unserem Team eine Spielberichtsbogen auszufüllen Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle so versuchte. Jungschiedsrichterin wohlfühlen wie in einem gut temperierten Steinhaus hatte gerade ihr allerers- Entmüdungsbecken. Mama Marina eben tes Spiel überstanden, die Frauen (Sohn Maxi ist acht). Und wir genießen das des benachbarten FC Merkur Hatt- natürlich. dorf gepfiffen – „unglaublich gut“, wie „Mampfer“ sagt, „aber beim Vor dem Spiel ist Marina meist in sich Spielberichtsbogen war sie gekehrt und ein wenig angespannt. Dieses ahnungslos.“ Lampenfieber, das wir ja alle kennen, ver- schwindet mit dem Anpfiff. Was auch immer Auch das hat sich längst geändert. dann um sie herum während der 90 Minu- Wenn Bibiana Steinhaus sich in ten passiert: Marina zuckt auch in kompli- diesen Tagen zur WM begibt, ist sie zierten Situationen nicht mit der Wimper, so bestens vorbereitet. Körperlich wie stark ist sie auf die Sache fokussiert. Sie lie- theoretisch. Es wird ihre erste WM fert Top-Leistungen ab – und ist darin und der Höhepunkt ihrer Karriere. natürlich sehr konstant. Trotzdem bedauert es die 32-Jähri- ge sehr, deshalb die Hochzeit ihrer Ein kleines Geheimnis kann ich hier ruhig jüngeren Schwester Kim-Britt zu mal ausplaudern, wir sind ja unter uns: Katrin Rafalski (links) und Marina Wozniak verpassen. Trost kam von Vater Marina isst keine Schokolade, wirklich nicht, vor dem Lauftest beim FIFA-Lehrgang. Sie Horst-Dieter. Er habe ihr mit einem nicht ein einziges Stück. Eigentlich unge- hatten auch hinterher gut lachen… Augenzwinkern gesagt, heiraten wöhnlich für eine Frau, oder? Aber ich kann könne man öfter, „aber eine WM damit gut leben, denn so bleibt mehr für Katrin pfeift für den TSV Besse (Hessen) pfeifst du nur einmal.“ Dem wollte mich übrig… und wird seit 2007 in der Frauen-Bundes- die Tochter mal nicht widerspre- liga als Schiedsrichterin angesetzt. Sie hat chen, ausnahmsweise. ■ Ernsthaft: Marina pfeift für den SV Sodin- sich innerhalb kürzester Zeit in die FIFA- gen (Herne/Westfalen) und leitet seit 2005 Gruppe der Top-Assistentinnen problemlos Spiele in der Frauen-Bundesliga. 2008 ließ eingefügt, es macht Freude, mit ihr sie in ihrem Landesverband auch alle zusammenzuarbeiten. Sie führt die „Jungs“ hinter sich und wurde zu Westfa- Bezeichnung Assistentin übrigens auch lens „Schiedsrichter des Jahres“ gewählt. beruflich – da steht dann nicht FIFA- son- Unsere letzte große gemeinsame Aufgabe dern „röntgentechnische“ davor. Und apro- vor der WM war der Algarve Cup in Portu- pos „technisch“: Alles, was bei uns im Team gal, bei dem wir das Endspiel leiten durften. im weitesten Sinne mit Technik zu tun hat, Mit dabei war auch Katrin Rafalski, die dann ist Katrins Domäne. Marina und ich vertrauen ebenfalls für die WM nominiert wurde. ihr da völlig. Also, um ehrlich zu sein: Wir sind ihr da eigentlich ausgeliefert… Katrin ist unsere „Senkrechtstarterin“. Als sie im vergangenen Jahr als Ersatz- Ich freue mich jedenfalls riesig, mit den bei- Schiedsrichter-Assistentin für die U 20-WM den eine WM in Deutschland zu erleben – in Deutschland nominiert wurde, war das als Teilnehmerinnen! Das werden wir wohl allein schon eine tolle Sache. Und als sie erst so richtig kapieren, wenn wir auf dem tatsächlich zum Einsatz kam, hat sie alle Platz stehen. cherinnen, die sich bestens verstehen.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 7 nie zum Besten. Denn zwar „habe Ersten: Wenn Sie sich an die WM in Gräfe und Steinhaus ich mich genug geärgert über Südkorea und Japan erinnern, da Schiris“. Aber „in den Phasen, gab’s zwei oder drei Nasenbeinbrü- waren die Besten wenn ich arbeitslos war, hab ich es che mit dem Ellenbogen. Das ist besser gesehen: Ihr seid alles nur neun Jahre her. Aber das wird Manuel Gräfe aus Berlin und Menschen. Weshalb ich weiß, dass immer noch inkonsequent behan- Bibiana Steinhaus aus Hannover jeder Schiedsrichter ein Spiel nach delt. Zweitens: Dieses Liegenblei- sind von der DFB-Schiedsrichter- bestem Wissen angeht. Aber er ben von Spielern ist eine Unsitte Kommission zu den „Schiedsrich- kann nicht übermenschlich sein“, wie sonst nirgends. Auch wenn tern des Jahres 2010/2011“ gekürt weshalb er Fehler als menschlich 10.000 Fußball-Laien klatschen, worden. anerkenne. Und: „Wir können in weil der Ball hinterher zum Gegner Deutschland stolz auf das sein, geworfen wird. Ich halte diese Art was die Schiedsrichter in der von Unsauberkeit für unfair. Da Gesamtheit machen. Deshalb sollte man Euch was in die Hand haben wir international eine gute geben“, sprach Hans Meyer Klar- Reputation.“ text zugunsten der in dieser Situa- tion oft machtlosen Schiedsrichter.

Heinz Wraneschitz

Task Force 2014 tagte in Zürich

Die „FIFA Task Force Football 2014“ tagte am 10. Mai ohne den leider erkrankten Vorsitzenden Franz Beckenbauer in Zürich, um den Hans Meyer sprach 90 Minu- aktuellen Stand des Fußballs zu 2010/2011 war seine bisher ten vor den Nürnberger analysieren und Themenfelder für stärkste Saison: Manuel Gräfe. Schiedsrichtern. notwendige Veränderungen auszu- loten. Unter anderem wurde die Vorsitzender Herbert Fandel: Für die Ausbildung der Referees Möglichkeit einer vierten Aus- „Manuel Gräfe war in hervorragen- wünscht er sich, dass Auftreten, wechslung in der Verlängerung der Form. Trotz der hohen Belas- Umgehen mit den Spielern, Finger- angesprochen, ebenso wie die Aus- tung in schwierigen Spielen blieb Panorama spitzengefühl besser geschult legung der Abseitsregel hinsicht- er bis zum Schluss in seinen Leis- würden. Die wären „für die Schieds- lich der Beeinflussung eines Geg- tungen konstant und auf hohem richter wichtiger als die aktuellen ners. Niveau. Und Bibiana Steinhaus hat sportlichen Leistungstests“. sich auf Grund ihrer ausgezeichne- Hans Meyer und Konkrete Vorschläge sollen von ten Leistungen auch bei ihren Ein- Was Meyer nervt in der aktuellen dem Gremium im Mai 2012 beim sätzen in den internationalen Frau- seine Erkenntnisse Fußball-Berichterstattung „sind FIFA-Kongress in Budapest vorge- en-Wettbewerben die Auszeich- diese lächerlichen Dinge, wo die legt werden. Verbindliche Regel- nung als ,Schiedsrichterin des Jah- „Ihr Schiris spielt im Fußball eine Kamera draufgehalten wird. Beschlüsse, zum Beispiel zur Drei- res’ ein weiteres Mal verdient.“ ganz exponierte Rolle, die neben Einwurf-Entscheidungen an der fach-Bestrafung bei einer Not- der des Trainers immer stark kriti- Mittellinie werden dreimal gezeigt. bremse (Strafstoß, „Rot“, Sperre), Manuel Gräfe (37), der zum ersten siert wird.“ Es hatte immer wieder Wenn auf dem Platz nichts mehr könnten dann bei der jährlichen Mal den begehrten Titel errang, lei- mit Schiedsrichtern zu tun, was passiert, ist der Mann im Bild.“ Sitzung des IFAB, des höchsten tete als einziger Bundesliga- Hans Meyer, 38 Jahre Trainer im Regel-Gremiums im Weltfußball, im Schiedsrichter in der abgelaufenen Top-Bereich, vor den Nürnberger Mit einer absoluten Ausnahme, der Frühjahr 2013 gefasst werden. Saison 20 Spiele. Insgesamt wurde Referees über sein Verständnis Torkamera, würde er keine der viel- er seit 2004 zu 118 Spielen in der vom Fußball von sich gab. Fast diskutierten technischen Hilfsmit- Die „Task Force“ hat 22 Mitglieder höchsten deutschen Spielklasse zwei Stunden lang konnten die tel für Schiedsrichter akzeptieren. aus allen Bereichen des Fußballs, angesetzt. Gemeinsam mit Bibiana sich sehr amüsieren, aber auch „Ich bleibe dabei: Wenn man die darunter den aktuellen FIFA- Steinhaus, die bereits zum fünften viel nachdenken über Meyers Tatsachen-Entscheidung in Frage Schiedsrichter Mal „Schiedsrichterin des Jahres“ Erkenntnisse. stellt, würden wir viel Interessan- (Schweiz) und den ehemaligen WM- wurde, wird er am 10. August in tes im Fußball verlieren.“ Schiedsrichter Peter Mikkelsen. Stuttgart im Rahmen des Länder- „Wenn ich Trainingsspiele gepfiffen Der 61-jährige Däne gehört auch spiels gegen Brasilien vom DFB habe, war ich unfehlbar“, gab Was Meyer „im Fußball nicht ver- der FIFA-Schiedsrichter-Kommis- und dem Schiedsrichter-Sponsor Meyer mit einem Schuss Selbstiro- stehen will, sind zwei Dinge. Zum sion an. DEKRA geehrt.

8 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Die internationalen Spiele der Deutschen im März und April 2011 FIFA-Schiedsrichter unterwegs Name Wettbewerb Heim Gast Assistenten/Vierte Offizielle/Torrichter* EM-Qualifikation Slowenien Italien Schiffner, Borsch, Meyer Felix BRYCH Champions League Real Madrid Tottenham Hotspur Schiffner, Borsch, Sippel, Dingert, Seemann Manuel GRÄFE Europa League Ajax Amsterdam FC Spartak Moskau Häcker, Schiffner, Hartmann, Sippel, Welz Riem HUSSEIN UEFA U 19 -Turnier England Kroatien Jaworek EM-Qualifikation Schweden Moldawien Pickel, Lupp, Gräfe Anja KUNICK Zypern-Cup 2011 England Italien Anja KUNICK Zypern-Cup 2011 England Korea Europa League Dynamo Kiew Manchester City Henschel, Bornhorst, Rafati, Seemann, Dingert Florian MEYER Champions League Schachtjor Donezk FC Barcelona Henschel, Bornhorst, Sippel, Dingert, Seemann Bibiana STEINHAUS Frauen Champions League Olympique Lyon Zvezda Perm Wozniak, Rafalski Europa League PSV Eindhoven Benfica Lissabon Salver, Pickel, Rafati, Welz, Wingenbach Wolfgang STARK Champions League Real Madrid FC Barcelona Salver, Pickel, Kinhöfer, Rafati, Welz * Vom DFB nominiert

Regelkenntnis für das DFB-Pokalfinale – mit Unter- bringung im Hotel der Bundesliga- zahlt sich aus Schiedsrichter, die an diesem Wochenende einen Stützpunkt in Dass es nicht nur für Schiedsrich- Berlin durchführten. Ein Preis, den ter, sondern auch für Fußballer loh- es nicht zu kaufen gibt, und zu dem nenswert ist, die Regeln genau zu der Gewinner seinen Freund Marc kennen, diese Erfahrung machte einlud. „Wir konnten den Schieds- Marcus Winkler aus Wegeleben richtern jede Menge Fragen stellen, (Harzkreis). Bei einem Quiz des zum Beispiel, ob Unparteiische auch Radiosenders MDR 1 Sachsen- einen Lieblingsverein haben dürfen, Anhalt kannte er die korrekte Ant- oder ob die Schiedsrichter in wort auf eine Regelfrage. „Aus jedem Spiel die gleichen Assisten- meiner aktiven Zeit als Fußballer ten haben“, erzählte Marcus Wink- Begeistert waren die Schiedsrichter aus Antalya vom Treffen wusste ich, dass man als Auswech- ler. „Die Gespräche waren sehr mit ihrem Nationalmannschaftskapitän Tuncay Sanli. selspieler die Gelbe Karte erhält, interessant – schließlich sieht man wenn man unerlaubterweise das die Bundesliga-Schiedsrichter sonst knüpften zahlreiche Kontakte zu Doch auch die Lehrarbeit der Spielfeld betritt“, erzählt der 31- ja nur im Stadion von der Tribüne den dortigen türkischen Unpartei- Schiedsrichter kam in diesen Jährige, der einige Jahre lang für oder im Fernsehen.“ ischen. Freundschaftsspiele gehör- Tagen nicht zu kurz. Wolfgang den SV Rodersdorf in der 1. Kreis- ten ebenso zum Programm der Mierswa, der Obmann der nieder- liga spielte. Als Erinnerung an das Wochenende Aufenthalte wie gemeinsame, kul- sächsischen Schiedsrichter, orga- erhielt Marcus ein von allen Refe- turelle Veranstaltungen. nisierte einen Einblick in das Dieses Wissen zahlte sich aus: Mar- rees unterschriebenes Schieds- E-Learning als neue Arbeitsform. cus Winkler gewann zwei Tickets richter-Trikot, das wohl eher einen Im Mai kam es nun zum ersten In Sachen Persönlichkeitsschulung Platz an der Wand bekommt, als Gegenbesuch einer Delegation aus informierte Wilfried Heitmann, der dass es selbst einmal getragen Antalya in Barsinghausen. 23 Obmann der norddeutschen wird: „Für mich selbst wäre die Schiedsrichterinnen, Schiedsrich- Schiedsrichter, die Unparteiischen Schiedsrichterei nichts. Ständig für ter und Offizielle verbrachten eine vom Bosporus über aktuelle Lehr- seine Entscheidungen Prügel ein- Woche im Sporthotel „Fuchsbach- inhalte zu Fragen der Rhetorik, zustecken, das würde ich auf tal“. der Körpersprache und zu kon- Dauer nicht aushalten.“ Stattdes- struktiven Konfliktlösungen im sen wird er künftig bei Bundesliga- Zu den Highlights in diesen Tagen Fußball. Spielen auch das Schiedsrichter- gehörten Besuche bei den beiden team genau beobachten. Man Bundesligisten SV Werder Bremen Günther Thielking kennt sich schließlich jetzt. und VfL Wolfsburg, eine Werksbe- sichtigung bei VW und ein Fußball- GESAGT GEDRUCKT David Bittner spiel gegen eine Schiedsrichter- Auswahlmannschaft der Stadt Besuch aus Antalya Hannover. Begeistert zeigten sich „Wenn ihr schlecht vorberei- die Gäste aus der Türkei, als sich tet seid, seid darauf vorberei- Lutz Michael Fröhlich über- Im Januar 2000 organisierte eine nach dem Training des VfL deren tet, schlecht zu sein.“ reicht Gewinner Marco Wink- Gruppe norddeutscher Schieds- türkischer Nationalspieler Tuncay ler das Trikot mit den Auto- richter ein Trainingslager in Belek. Sanli reichlich Zeit nahm, um den UEFA-Schiedsrichter-Chef grammen der Bundesliga- In den Jahren danach führten sie Referees Antworten auf unzählige Schiedsrichter. drei weitere Camps durch und Fragen zu geben.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 9 Interview „Offen sein, aber unabhängi

Am 21. Mai 2010 übernahmen Herbert Fandel und sein Stellvertreter Lutz Michael Fröhlich die Leitung führten Lutz Lüttig und David Bittner genau ein Jahr später mit den beiden ehemaligen FIFA-Schiedsric

SRZ: Herr Fandel, Herr Fröhlich, gespielt, und die Ergebnisse sind Herr Krug, haben Sie sich am bemerkenswert. Es wurde in den 15. Mai gegenseitig gratuliert? letzten Spielen keine einzige Fehl- Herbert Fandel: Warum sollten entscheidung getroffen, bei der wir? man im Nachhinein feststellte, dass sie bei funktionierender Wenn unser Eindruck nicht Teamarbeit hätte vermieden wer- täuscht, ist Ihre erste Saison in den können. Wir haben eine Ent- verantwortlicher Position vor wicklung in die richtige Richtung allem im Profibereich geräuschlos vollzogen. In der Liga wurde außer- zu Ende gegangen. dem festgestellt, dass insbesonde- Fandel: Das stimmt. Wir sind hoch- re junge Schiedsrichter einen deut- zufrieden, dass unsere Top- lichen Aufwärtstrend zeigen. Schiedsrichter in der Bundesliga die Saison so unaufgeregt und Ist das Konzept, die Schiedsrich- souverän zu Ende gebracht haben. ter möglichst jung in die Zweite Ich behaupte, es war eine der Liga und dann nicht viel älter schwierigsten Spielzeiten der ver- schon in die Bundesliga zu brin- gangenen zehn Jahre. Trotz dieser gen, verändert worden? Schwierigkeiten während der Sai- Lutz Michael Fröhlich: Das Konzept son können wir als Verantwort- ist nicht verändert, aber relativiert liche feststellen, dass der Aus- worden. Der Aspekt „jung“ ist nicht klang ohne jeden Ärger erfolgte. mehr der zentrale Punkt, auf den Klare Haltung, klare Worte: Herbert Fandel führt seit einem wir setzen, sondern die Leistung, Gab es zwischendurch Phasen, in Jahr die DFB-Schiedsrichter-Kommission. die Entwicklung und die Qualität denen Sie eingreifen oder Dinge müssen stimmen. Dabei spielt auch verändern mussten? ihre Leistung im Winter kritisch Liga verlaufen? die Lebenserfahrung eine große Fandel: Wir waren während der hinterfragt haben, obwohl sie zum : Ich kann das bisher Rolle. Saison sehr nah dran an den Topbereich in Deutschland und Gesagte nur bestätigen: Wir haben Schiedsrichtern und haben ständig darüber hinaus gehören. Mit einer ohne Zweifel die richtigen Dinge Welchen Einfluss hat das auf das Dinge verändert. Wir haben viel etwas verbesserten Art ihres Auf- auf den Weg gebracht. Nachdem Beobachtungswesen? Die Coaches mit unseren Schiedsrichtern tretens konnten sie in der Rück- wir bei der WM 2010 gesehen hat- sollen ja nicht nur die Fehler der gesprochen und die Spiele zügig runde eine deutlich bessere Wir- ten, dass insbesondere im Bereich Schiedsrichter aufzeigen, sondern aufgearbeitet. Nach der Hinrunde – kung erzielen und wieder zu alter „Teamarbeit“ vieles nicht funktio- diese auch in ihrer Entwicklung daraus machen wir kein Geheimnis – Stärke zurückfinden. Andere nierte, stand dieses Thema bei uns unterstützen… waren die Leistungen zwar okay, Schiedsrichter sind in den Topbe- mit ganz oben auf der Agenda. Fandel: Eines der zentralen Anlie- aber wir waren längst nicht mit reich dazugestoßen, weil sie zuge- Dabei waren wir uns durchaus dar- gen in unserem ersten Jahr war es, allem zufrieden. Das haben wir den hört und ihre Art verändert haben. über im Klaren, dass eine neue diejenigen Leute zu schulen, die Schiedsrichtern klar gesagt. In der Hinzu kommt, dass die Assistenten Ausrichtung selten ohne Rück- dann anschließend unsere Schieds- Rückrunde sind sie dann auf einen und Vierten Offiziellen in die schläge abgeht. Tatsächlich gab es richter weiterbringen sollen. Wir Kurs eingeschwenkt, der wirklich Teams integriert wurden, so wie zunächst auch die eine oder ande- wollen im Spitzenbereich der von Erfolg gekrönt war. wir es uns vorstellen, indem sie re überschießende Reaktion eines Schiedsrichter nicht die Jüngsten ihre Möglichkeiten ausnutzten, mit Schiedsrichter-Assistenten – dass und Schnellsten haben, sondern Woran konkret haben Sie in der dem Schiedsrichter die richtige also Assistenten in Situationen die besten Persönlichkeiten, die Winterpause mit den Schiedsrich- Entscheidung zu treffen. Genau eingriffen, in denen sie ihre Kom- uns garantieren, ein Spiel gut zu tern gearbeitet? das waren unsere Schwerpunkte – petenz überschritten. leiten. Andere Parameter wie zum Fandel: Unsere Schwerpunkte und deshalb sind wir als Verant- Beispiel Fitness sind eine Selbst- lagen in den Bereichen Teamarbeit wortliche auch so zufrieden. Wir haben bei allen Stützpunkten verständlichkeit, aber im Zentrum sowie Körpersprache und Auftre- und Lehrgängen diese Fälle thema- stehen die fachlichen Themen: Wel- ten – da hat sich seitdem einiges Wie ist die erste Saison unter der tisiert und nachjustiert. Zuletzt che Reife bringt ein Schiedsrichter getan. Es gibt Schiedsrichter, die neuen Federführung aus Sicht der hatte sich die Sache sehr gut ein- mit? Wie kommuniziert der

10 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 g bleiben – das funktioniert“ der neu konzipierten DFB-Schiedsrichter-Kommission. Am Rande des DFB-Pokal-Endspiels in Berlin htern sowie Hellmut Krug von der DFL ein Gespräch über 365 arbeitsreiche Tage.

Schiedsrichter mit seinen Assis- Spiel Einzelszenen wiederfindet, in ten Art und Weise klug mit den tenten? Wie stellt sich der Schieds- denen er zu großzügig war, und er Schiedsrichtern umzugehen und richter im Spiel dar? neben dem Beobachtungsbogen ein Spiel in einer guten Analyse das nun auch in bewegten Bildern zusammenzufassen. Für die kom- Zur Entwicklung des einzelnen sieht, wird er sich umstellen – menden Jahre würden wir uns Schiedsrichters soll auch das davon sind wir überzeugt. Weil den wünschen, die Zahl geeigneter Videoportal des DFB beitragen, in Coaches in diesem Zusammenhang Coaches zu erweitern, um – wie bei dem nach jedem Spieltag die eine besondere Bedeutung den Schiedsrichtern – auch hier strittigsten Entscheidungen unter zukommt, haben wir sie in dieser einen Leistungsgedanken einzu- den Spitzenschiedsrichtern disku- Saison intensiv geschult und wer- führen. Im Moment sind wir noch tiert werden. den dies auch weiterhin tun. etwas knapp an geeignetem Perso- Fröhlich: Das System ist zwar aus- nal. gereift, aber noch nicht ausrei- Die „Ausbildung der Ausbilder“ chend für das, was wir mit unseren nimmt also eine wichtige Rolle Wo liegt eigentlich der genaue Schiedsrichtern geplant haben. Für ein. Inwieweit werden diese auch Unterschied zwischen einem das Individualcoaching wollen wir in Zukunft bei ihrer Arbeit beob- Hellmut Krug: „In der Liga Coach und einem Beobachter? zum Beispiel ein eigenes Portal für achtet? wurde festgestellt, dass insbe- Krug: Der Beobachter ist derjenige, Fröhlich: Die Auswertung der sondere junge Schiedsrichter der im Stadion vor Ort ist, während Beobachtungsberichte in Verbin- einen deutlichen Aufwärts- der Coach den Schiedsrichter indi- dung mit der Sichtung von Video- trend zeigen.“ viduell über einen längeren Zeit- material ist viel intensiver gewor- raum betreut. Der Coach hat den den. Das darf allerdings nicht dazu Welche Qualifikation muss ein Gesamtüberblick über die Leis- führen, dass wir den Videobeob- Coach in der Bundesliga haben? tungsfähigkeit des Schiedsrichters achter einführen und uns nur noch Fandel: Er muss eine Führungsper- und kanalisiert in Zusammenarbeit an TV-Bildern orientieren wollen. sönlichkeit sein. Ob er in seiner mit ihm seine Entwicklung. Dazu aktiven Zeit selbst FIFA-Schieds- gehört auch, dass der Coach jedes Welche Bedeutung hat die „Wahr- richter war, ist eher zweitrangig. Spiel mit Hilfe einer DVD gemein- heit der TV-Bilder“ bei der Beob- Wir haben hochqualifizierte Leute sam mit dem Schiedsrichter noch achtung von Schiedsrichtern? um uns herum, die zwar als einmal aufarbeitet. Mit dieser Fandel: Wir dürfen uns vor den Schiedsrichter nicht im absoluten Ergänzung der Spielbeobachtung Medien nicht verschließen, son- Topbereich waren, aber trotzdem vor Ort soll das Spiel lückenlos dern wir wollen sie nutzen, um in in der Lage sind, in einer modera- aufbereitet werden, es gehen Lutz Michael Fröhlich: „Für der Schiedsrichterei voran zu kom- die Qualität eines Schieds- men. Es ist ein großer Unterschied, richters spielt auch die ob ein Beobachter eine Strafraum- Lebenserfahrung eine große entscheidung aus 80 Metern Ent- Rolle.“ fernung bewertet, oder ob er sich zu Hause auf der DVD den Zwei- jeden Schiedsrichter einrichten, in kampf nochmal in Ruhe anschaut. dem er genau diejenigen Szenen Wenn ein Beobachter im Nachhin- abrufen kann, die ihn selbst betref- ein erkennt, dass der Schiedsrich- fen. ter einen klaren Strafstoß nicht gegeben hat, kann er es nicht ein- Krug: Der Schiedsrichter muss sich fach unter den Teppich kehren, nur selbst wiederfinden. Dadurch ist weil er es von der Tribüne aus die individuelle Betroffenheit grö- nicht erkannt hatte. Vielmehr gilt ßer, er sieht die aufgezeigte Feh- es, im Anschluss zu analysieren, lerproblematik nicht lediglich bei warum der Fehler passiert ist, und den anderen, sondern eben auch vor allem wie der Schiedsrichter bei sich selbst. Wenn ein Schieds- ihn abstellen kann. Dafür können SRZ-Redakteur Lutz Lüttig im Gespräch mit den drei ehemali- richter beispielsweise in jedem und müssen wir die Medien nutzen. gen FIFA-Schiedsrichtern.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 11 Interview keine wichtigen Informationen ver- den Schiedsrichter in dieser Hin- loren. Dennoch darf man sich nicht sicht zu gering. darauf beschränken, die Spiele nur vor dem Fernseher zu analysieren. Bisher musste man als Schieds- Der Eindruck des Beobachters im richter auch mindestens einmal Stadion ist immer noch von aller- beim Junioren-Lager in Duisburg größter Bedeutung. Spiele geleitet haben, um nach oben zu kommen. Was sind die Kompetenzen, die Fandel: Das ist Schnee von ein Coach im Spitzenbereich und gestern. Die Lehrgänge in Duisburg ein Beobachter zum Beispiel im werden weiterhin Highlights für Landesverband mitbringen müs- die Schiedsrichter sein, die dort sen? Was vereint sie? zum Einsatz kommen. Aber sie Krug: Beide müssen pädagogisch sind keine Voraussetzung mehr für in der Lage sein, mit dem Schieds- Fortbildung: Die einstigen Top-Schiedsrichter Rainer Boos, Gün- einen Schiedsrichter, der irgend- richter Ergebnisse zu erarbeiten. ter Supp, Olaf Blumenstein, Peter Müller und Jörg Toschek (von wann in der Bundesliga ankommen Sie dürfen dem Schiedsrichter rechts) bei einem DFB-Beobachter-Seminar. soll. Wir haben das Personalkon- nichts aufzwingen, nur weil sie es zept für das Turnier so umgestellt, zu ihrer aktiven Zeit selbst so Fandel: Nachdem wir in dieser Sai- ligen das Sprungbrett in den DFB. dass künftig einige unserer Coa- gemacht haben. Als Führungsper- son an Trainer-Tagungen teilge- Wer dort nicht gepfiffen hat, ches aus dem Spitzenbereich dort sönlichkeit, aber zugleich auf nommen haben, wollen wir nun die konnte bisher kaum in die Regio- teilnehmen werden, weil sie uns Augenhöhe, müssen die Beobach- Trainer bei der Vorbereitung der nalliga aufsteigen. nützliche Informationen liefern ter mit dem Schiedsrichter Mög- DVD mitarbeiten lassen, die wir vor Fandel: Wir sind dabei, ein neues können. Ihre Ergebnisse von dort lichkeiten erarbeiten, die dessen der Saison in den Vereinen bespre- Denken zu installieren. Wir haben sind relevant für die Schwerpunkt- individuellem Wesen entsprechen chen. Dabei wollen wir von ihnen gesagt, das Alter spielt für den setzung bei künftigen Lehrgangs- und seine Entwicklung sicherstel- wissen, wie sie bestimmte Spiel- Aufstieg keine Rolle mehr. Ein Auf- planungen. len. situationen aus Trainersicht stieg ist – wenn er über die Per- bewerten. Das gehört für uns zum sönlichkeit kommen soll – auf Wie kann der DFB junge Schieds- In welcher Form wurde das Lehr- Beispiel zur Öffnung des Schieds- jeden Fall nur noch über den Her- richter dabei unterstützen, den gangskonzept in dieser Saison richter-Wesens. Ich nenne es eine renbereich möglich. Diese klare richtigen Weg einzuschlagen? überarbeitet? „Kommunikationsstrategie“, nicht Botschaft haben wir von Anfang an Fandel: Wir können zwar nicht Fröhlich: Inhaltlich ist eine Menge die Türen zu verschließen, sondern auch an die Regional- und Landes- direkt eingreifen, aber hinsehen. passiert, es werden viel mehr auf die Trainer und Manager zuzu- verbände gegeben. Der Junioren- Jeder Schiedsrichter sollte sowohl Bereiche bearbeitet. Herbert Fan- gehen. Wir haben ihnen unser Kon- Bereich hingegen bleibt eine wun- ein privates als auch berufliches del befasst sich zum Beispiel mit zept offengelegt, wie wir uns eine derbare Möglichkeit für junge Fundament haben. Dort, wo Lücken der Körpersprache, Hellmut Krug moderne Schiedsrichterei in einem talentierte Leute, Erfahrungen zu sind, entstehen sehr schnell in kümmert sich um das spezielle so professionellen Fußball-Land wie sammeln. Aber die notwendige irgendeiner Form Abhängigkeiten. Thema Zusammenarbeit von Deutschland vorstellen und haben Wettkampfhärte, die persönliche Im Spitzenbereich allerdings muss Schiedsrichtern mit ihren Assisten- uns angehört, was die Trainer über Ausstrahlung und die Fähigkeit zur es eine völlige Unabhängigkeit von ten, Lutz Wagner mit der Regelaus- unsere Schiedsrichter denken. angemessenen Kommunikation mit dem Amt geben. Ein Schiedsrich- legung. Ich habe den Schwerpunkt den Spielern erfährt man nur im ter, der aus irgendeinem Grund am auf den Umgang mit Fehlern Am Ende hatten wir sogar das Herrenbereich. In den Junioren- Wochenende pfeifen „muss“, zum gelegt und wie man aus ihnen ler- Gefühl, dass wir ein wenig Wettbewerben ist der Anspruch für Beispiel, um finanziell über die nen kann. Somit sind wir bei den zusammenarbeiten können – bei Lehrgängen inhaltlich differenzier- aller Unterschiedlichkeit der Inter- ter aufgestellt, und das kommt bei essen. Es muss möglich sein, im den Schiedsrichtern gut an. In der persönlichen Gespräch – und nicht Zukunft wollen wir mit den über die Presse – normal und Schiedsrichtern noch zielgruppen- informativ zu kommunizieren. orientierter arbeiten. Das heißt: Es Damit erreicht man viel mehr, als wird künftig Lehrgänge geben, bei wenn man mit dem Kopf durch die denen alle Beteiligten einer spe- Wand geht. Die Führungsspitzen ziellen Liga zusammenkommen, der Vereine wissen, dass ich jeder- also zum Beispiel alle Bundesliga- zeit ein offenes Ohr für sie habe Schiedsrichter gemeinsam mit und für den Dialog bereit bin. allen Bundesliga-Assistenten. Meine bisherige Erfahrung ist: Offen zu sein und dennoch in jeder Immer wieder wird darüber Hinsicht unabhängig zu bleiben – gesprochen, das Schiedsrichter- das funktioniert. Wesen nach außen hin zu öffnen Beobachter, auf die im Spitzenbereich gesetzt wird: Karl-Heinz und transparenter zu machen. Zum Thema Nachwuchsförderung: Tritschler und Edgar Steinborn (links), beide als ehemalige FIFA- Wie zeigt sich das in der Praxis? Bisher sind die Junioren-Bundes- Schiedsrichter mit viel Erfahrung ausgestattet.

12 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Runden zu kommen, hat den Kopf oder im Männerfußball möglichst nicht frei. weit zu kommen?

Fröhlich: Diese Notwendigkeit gilt Fandel: Wo es im Einzelfall Sinn auch für die Beobachter. Sie müs- macht, kann eine Frau in den Profi- sen die Schiedsrichter gerecht bereich bei den Männern aufstei- beurteilen – ohne zum Beispiel von gen. Aber wenn sich der Frauenbe- regionalen oder gar persönlichen reich so weiterentwickelt wie in Interessen geleitet zu sein. Nur so den vergangenen Jahren, glaube können Dinge nach außen glaub- ich, dass man als Schiedsrichterin haft kommuniziert werden. Aus auch dort große Herausforderun- diesem Grund sind wir auch in der gen finden und sich sportliche Spitze der Schiedsrichter-Kommis- Ziele setzen kann. Wir werden den sion mit einem Führungsteam auf- Schiedsrichterinnen nicht gerecht, gestellt, das unabhängig von jeg- wenn wir von ihnen öffentlich ver- lichen regionalen Interessen ent- Die Kommission will mit den intensivierten Kontakten zu Trai- langen, dass sie im Männerbereich scheiden kann. Dies war eine nern und Managern auch Konfrontationen unmittelbar nach Karriere machen müssen. Wir ver- Grundvoraussetzung für unseren Spielschluss entgegenwirken. gleichen schließlich auch keine Amtsantritt. 100-Meter-Läuferin mit einem 100- wertet. Ohne sie wäre das, was in allerdings auch gefordert haben. Meter-Läufer – das geht einfach Ab der Saison 2012/2013 wird die der Spitze passiert, überhaupt Inzwischen vollzieht sich dort ein nicht. Die Frauen-Bundesliga- Verwaltung der Regionalligen vom nicht möglich. An der Zusammen- Generationenwechsel: Die jungen Schiedsrichterinnen sind in ihrem DFB an die Regionalverbände arbeit in der abgelaufenen Saison Schiedsrichterinnen, die nach- Bereich an der Spitze, vielleicht zurückgegeben. Welche Folgen sieht man, dass hier schon Ver- rücken, sind von Anfang an körper- sogar Weltspitze, und das muss hat das für die Schiedsrichter trauen entstanden ist. Bei den Sit- lich topfit. Es ist beeindruckend zu man deutlich machen, ohne sie in dieser Liga? zungen unserer Kommission gibt sehen, wie die jungen Frauen den eine Konkurrenz zu Männern zu Fröhlich: Einige Regionalliga- es einen neuen Umgang unterein- Fitnesstest absolvieren. Sie sind zwingen. Schiedsrichter werden weiterhin ander. Das ist sehr wichtig, gerade von Anfang an sehr leistungsorien- als Assistenten in der 2. Bundesliga wenn man Entscheidungen treffen tiert. Welche Vision möchten Sie umge- und der 3. Liga zum Einsatz kom- muss, die nicht unbedingt positiv setzt haben, wenn wir uns in men. Diese Schiedsrichter nehmen für jemanden sind. Fandel: Es ist uns wirklich ein zwölf Monaten erneut zum Inter- dann an den bereits erwähnten Anliegen, dass die Frauen einen view treffen sollten? „Liga-Lehrgängen“ des DFB teil. Fröhlich: In der Zukunft wird sich deutlichen Schritt nach vorne Fandel: Ich wünsche mir, dass wir Die reinen Regionalliga-Schieds- die Verantwortung der Regionalob- richter fallen jedoch in die Obhut leute wieder erhöhen. Hier sind der Regionalverbände. Wir werden Sachverstand und Koordinationsfä- sicherlich weiterhin unterstützend higkeit unabdingbar, weil sie inner- eingreifen, zum Beispiel in der halb der Kommission als Schnitt- Qualifizierung und zu Einzelthe- stelle in die Verbände fungieren. men bei den Lehrgängen, aber Organisation und Zuständigkeit Derzeit gibt es rund 3.000 dafür liegen ab 2012/2013 bei den Schiedsrichterinnen. Inwieweit Regionalverbänden. kann und soll dieser Bereich wei- ter ausgebaut werden? Der Aufstieg von Schiedsrichtern Fröhlich: Gerade im Zuge der Frau- in die 3. Liga wird demnach künf- en-Weltmeisterschaft gibt es eine tig wieder von den Regionalver- Menge Veranstaltungen, die zur bänden bestimmt? Schiedsrichterinnen-Gewinnung bei- Fandel: Ja, und diese Entwicklung tragen sollen. Darüber hinaus ist in halte ich auch für gesund. Dadurch diesem Jahr die „Danke, Schiri!“- rücken die Regionalverbände noch Kampagne des DFB angelaufen, bei Viele Mädchen und junge Frauen finden immer häufiger Spaß an enger an den DFB heran. Es ent- der auch die Schiedsrichterinnen dem Hobby „Schiedsrichterin“. steht eine harmonische Struktur, eine wichtige Rolle spielen. Es wäre denn eine enge Zusammenarbeit schön, wenn von der Frauen-WM machen. Wir haben mit Bibiana uns im Spitzenbereich der Schieds- zwischen DFB und Regionalverbän- auch ein Impuls zur Gewinnung Steinhaus ein tolles Aushänge- richterei von allen Baustellen der den ist an dieser Stelle unbedingt neuer Schiedsrichterinnen ausgeht. schild, aber es sind viele weitere Vergangenheit lösen können, und notwendig, um die Besten nach Schiedsrichterinnen dahinter, bei dass wir mit der Schiedsrichterar- oben zu bringen. Die tolle Arbeit Wie hat sich der Spitzenbereich denen man sieht, dass sie großes beit in Deutschland eine europa- der Regional- und Landesverbän- der Schiedsrichterinnen ent- Potenzial haben. weite Vorbildfunktion darstellen, de, die die Basis für das gesamte wickelt? weil wir die deutschen Schieds- Schiedsrichter-Wesen in Deutsch- Fröhlich: Die Leistungen haben Sollten Schiedsrichterinnen es richter unabhängig und fachbezo- land darstellt, wird dadurch aufge- sich deutlich verbessert – was wir anstreben, eher im Frauenfußball gen führen. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 13 Aktion Viele tolle Leistungen Nachdem vor rund zwei Monaten der Startschuss zu „Danke, Schiri!“ fiel, erreichen nun immer mehr Bewerbungen die Landesverbände. Ziel der DFB-Aktion ist es, Leistungen der Unpartei- ischen an der Basis zu würdigen – in den Kategorien „Schiedsrichter 20 bis 45 Jahre“, „Schieds- richterin“ und „Oldie“. David Bittner hat sich umgehört.

ass es unter den 78.000 „bisher nichts passiert ist“ DSchiedsrichtern in Deutsch- (Ömi Björn Becker), oder in land einige geben muss, die ihr Westfalen, von wo es eben- Hobby mit besonders großem falls noch „nichts zu berich- Engagement betreiben, durfte ten“ gibt, wie David Hennig man bereits vermuten. Den mitteilt: „Wir haben die Beweis hierfür liefern nun die Schiedsrichter auf das Aus- ersten Meldungen, die bei der schreibungsformular auf der Aktion „Danke, Schiri!“ eingegan- DFB-Homepage hingewiesen gen sind. „Bei uns im Verband und warten nun ab, was dort gibt es zum Beispiel einen 72-jäh- an Meldungen reinkommt.“ rigen Oldie, der seit 54 Jahren Den individuellen Bewer- Schiedsrichter ist. Ein anderer bungsweg statt den Weg über 70-Jähriger hat in seiner Lauf- die Kreise hat man auch in bahn schon 3.000 Spiele geleitet Bayern gewählt: „Bis zum und seit 40 Jahren keinen einzi- 15. September kann sich gen Schulungsabend verpasst“, jeder Schiedsrichter über die verrät Boris Guzijan, Öffentlich- DFB-Homepage melden“, keitsmitarbeiter (Ömi) im Fuß- sagt Walter Moritz. ballverband Niederrhein. Das seien nur zwei positive Beispiele Auf welchem Weg die Verbände von vielen Meldungen, die man auch immer ihre Kandidaten inzwischen erhalten habe. „Bis finden – entscheidend ist, Ende Mai konnten die Kreis- dass spätestens am 30. Sep- obleute ihre Kandidaten melden, tember alle 21 Landesverbände und die Rücklaufquote war gut. ihre Sieger in den drei Kate- Viele Kreise haben sogar in allen gorien bestimmt haben. Diese drei Kategorien einen Schieds- 63 Schiedsrichter wiederum richter gemeldet“, sagt Guzijan, werden dann zu einer zentra- der mit den Mitgliedern des Ver- len Veranstaltung des DFB bands-Schiedsrichter-Ausschus- eingeladen und dort ausge- ses in der Zwischenzeit die Sie- zeichnet. „Wir wollen weiter- ger auf Verbandsebene ausge- hin insbesondere die Kreis- wählt hat. obleute auffordern, diejeni- gen Schiedsrichter zu mel- Das Plakat zur Aktion ist wahlweise auch mit weiblichen Während beispielsweise auch im den, die besondere Leistun- FV Rheinland (acht von neun Namen zu haben. Unter der Adresse www.dfb.de/dankeschiri gen gebracht haben“, sagt Kreisen meldeten ihre Kandida- stellt der DFB kostenfrei Werbemittel zum Download zur Wolfgang Mierswa. Der ehe- ten) und in Thüringen (13 von 21 Verfügung. malige Bundesliga-Schieds- Kreisen nahmen bisher teil) die richter betreut die Aktion Bewerbungsphase nahezu abge- Lars Albert zum Stand Anfang den von ihren Obleuten teilweise „Danke, Schiri!“ seitens des DFB schlossen ist, haben andere Ver- Juni. „Wir werden die Aktion aber schon offiziell ausgezeichnet, was und hofft natürlich auf viele Teil- bände die Meldefrist nach hinten auch im Sommer weiter bewerben, eine gute Sache ist. Schließlich nehmer: „Es ist schließlich das Ziel verschoben: „Im Sächsischen Fuß- um einen noch besseren Rücklauf kann auf Landesebene am Ende der Aktion, den Scheinwerfer gerade ballverband wurde die Ausschrei- zu erhalten.“ Meldungen von „rund nur ein einziger Schiedsrichter in auf diejenigen Schiedsrichter zu bung Anfang Mai an die Kreisob- einem Drittel aller Kreise“ liegen jeder Kategorie gewinnen.“ richten, die Woche für Woche an leute verschickt – bisher haben wir bisher bei Karsten Vollmar im der Basis den Spielbetrieb auf- Meldungen aus vier von 13 Krei- Hessischen Fußball-Verband vor: Deutlich mehr Zeit lässt man sich rechterhalten und dabei nicht im sen“, berichtet der dortige Ömi „Die kreisinternen Gewinner wur- beispielsweise im Saarland, wo Rampenlicht stehen.“ ■

14 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Regel-Test Fragen Trikotausziehen ohne „Gelb“? In den 15 Regelfällen, die Lutz Wagner zusammengestellt hat, geht es vor allem um die manchmal knifflige Spielfortsetzung im Zusammenhang mit der Ausführung von Strafstößen. Aber auch eine „nackte Tatsache“ muss in dieser Ausgabe regelgerecht beurteilt werden.

Situation 1 Situation 5 Ein Spieler wurde ausgewechselt, Bevor der Ball bei der Strafstoß- und der „neue“ Spieler befindet Ausführung im Spiel ist, laufen sich bereits mit Zustimmung des Spieler beider Teams in den Straf- Schiedsrichters auf dem Feld. raum beziehungsweise den Teil- Bevor das Spiel fortgesetzt wird, kreis. Der Torwart kann den Ball sieht der Schiedsrichter, wie der abwehren, der dann zu einem zu ausgewechselte Spieler mit einer früh in den Strafraum gelaufenen grob unsportlichen Geste gegen Angreifer prallt. Dieser schießt seine Auswechslung protestiert. den Ball am Tor vorbei.

Situation 2 Situation 6 Ein Abwehrspieler und ein Angrei- Bei der Strafstoß-Ausführung fer springen an der Torraumgrenze läuft, bevor der Ball im Spiel ist, zum Ball. Trotz des sich dabei ein Angreifer klar ersichtlich zu ergebenden Körperkontakts früh in den Strafraum. Der Torwart erkennt der gut postierte Schieds- kann den Ball abwehren. Der Ball richter das erzielte Tor an. Nach gelangt dann zu diesem Angreifer, einem Fahnenzeichen des Schieds- der ein Tor erzielt. richter-Assistenten, der ein Foul des Angreifers beim „Luftkampf“ Situation 7 anzeigt, entscheidet der Schieds- Eine strafbare Abseitsposition richter nun auf Freistoß für den wird vom Schiedsrichter-Assisten- Abwehrspieler. Haben sich ten mit der Fahne signalisiert. Schiedsrichter-Assistent und Bevor der Schiedsrichter das Fah- Schiedsrichter richtig verhalten? nenzeichen erkennt, schlägt im folgenden Zweikampf der Verteidi- Situation 3 ger dem Angreifer, der sich zuvor Der Schiedsrichter gibt den Ball in strafbarer Abseitsposition zur Freistoß-Ausführung durch ein befand, die Hand ins Gesicht. Des- deutliches Handzeichen frei. halb unterbricht der Schiedsrich- Unmittelbar danach läuft ein Ver- ter das Spiel und sieht nun das teidiger klar vor dem Schuss aus Fahnenzeichen des Schiedsrich- Zlatan Ibrahimovic verlässt bei seiner Auswechslung mit nack- der „Mauer“ nach vorn und ter-Assistenten. tem Oberkörper das Spielfeld – ist das erlaubt? berührt den inzwischen geschos- senen Ball. Nach dem deshalb Situation 8 vom Torwart abgewehrt und prallt zwar danach am Ball, ist aber von erfolgten Pfiff prallt der abge- Das Spiel ist nach einem Foul an in die Richtung des Strafstoß- Abwehrspielern umgeben und fälschte Ball ins Tor. War das Ver- einem Verteidiger unterbrochen. Schützen. Bevor dieser den Ball kann den Ball nur in einem weite- halten des Schiedsrichters richtig, Nun läuft ein Auswechselspieler, völlig ungehindert und in zentraler ren Zweikampf behaupten und ihn und wie ist zu entscheiden? der sich neben dem Tor auf eine Position auf das Tor schießen dann zu einem in unmittelbarer Einwechslung vorbereitet, über kann, wird er von dem Verteidiger, Nähe stehenden weiteren Angrei- Situation 4 die Torlinie in den Strafraum. der zu früh in den Strafraum fer spielen, der ebenfalls von Geg- Ein Spieler soll ausgewechselt Anschließend spricht er in nicht gelaufen ist, festgehalten. Er kann nern umgeben ist. War die Ent- werden. Beim Verlassen des Spiel- unsportlicher Form wegen des dadurch den Torschuss nicht aus- scheidung „Vorteil“ richtig? felds zieht er sein Trikot aus, läuft Fouls auf den Angreifer ein. führen. aber, ohne die Auswechslung zu Situation 11 verzögern, zur Seitenlinie und ver- Situation 9 Situation 10 Kurz nach Spielbeginn gibt wäh- lässt das Spielfeld. Soll der Bevor der Ball bei der Strafstoß- Kurz vor dem Strafraum, in guter rend des laufenden Spiels der Schiedsrichter diesen Spieler Ausführung durch den Schützen Angriffsposition, aber nicht mit Schiedsrichter-Assistent ein Fah- wegen Trikotausziehens verwar- gespielt wird, läuft ein Verteidiger klarer Torchance, wird ein Angrei- nenzeichen. Nach der deshalb nen? in den Strafraum. Der Ball wird fer deutlich festgehalten. Er bleibt erfolgten Spielunterbrechung

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 15 Regel-Test Fragen Lehrwesen unterrichtet der Assistent den Schiedsrichter darüber, dass durch den Torwart an der Tor- raumgrenze mit dem Fuß eine deutliche Markierung vorge- Das Unerwartete nommen wurde. War das Fah- „Expect the unexpected“ lautet ein wichtiger Ratschlag der FIFA für eine gelun nenzeichen richtig? beschreibt der Lehrbrief 37 des DFB, warum auch die Randgebiete des Regelwe Situation 12 fasst die wichtigsten Gedanken zusammen. Bei einem Bezirksligaspiel wird ein Spieler des Feldes verwie- sen. Er verlässt danach die bseits-Situationen, Freistöße nähere Umgebung des Spiel- Anach Foulspiel, Einwürfe, felds. Als ein Spieler seiner Eckstöße und natürlich Tor-Ent- Mannschaft verletzt ist, betritt scheidungen gehören zum dieser zuvor ausgeschlossene Schiedsrichter-Alltag. Intensiv Spieler zusammen mit dem werden solche Entscheidungsfel- Trainer zur ersten Versorgung der aus dem Regelwerk in sämt- des Spielers das Feld. Wie muss lichen Aus- und Weiterbildungen sich der Schiedsrichter verhal- der Unparteiischen bis ins Detail ten? vermittelt und aufgearbeitet.

Situation 13 Ob Jung-Schiedsrichter, Schieds- Freistoß seitlich des Strafraums richter in den Kreisligen oder im für die Angreifer. Nachdem die bezahlten Fußball – die Spielregeln „Mauer“ korrekt steht, gibt der müssen im amtlichen Text und Schiedsrichter das Spiel frei. auch in der Umsetzung absolut Der scharf geschossene Ball sicher beherrscht werden. Denn prallt gegen den seitlich des nur gut ausgebildete Schiedsrich- Kopfs hochgehaltenen Arm ter können zum Gelingen eines eines Abwehrspielers, der Fußballspiels beitragen. Ein siche- offensichtlich dabei sein res Auftreten, eine klare Sprache Gesicht schützen wollte. Da der der Pfeife und die passende Abwehrspieler innerhalb des Ansprache fehlbarer Spieler sind Strafraums steht, entscheidet gefordert, um problemlos über die der Schiedsrichter auf Straf- (meist) 90 Spielminuten zu kom- stoß. men.

Situation 14 Bei vielen, immer wiederkehren- Da die Ausführung eines indi- den Situationen sind die Entschei- rekten Freistoßes an der Straf- dungsabläufe automatisiert. Das raumgrenze sehr schnell ist wie beim Autofahren. Nur zu erfolgt, gelingt es dem Schieds- Anfang kuppelt, schaltet und richter nicht mehr, einen Arm bremst man bewusst. Später sind sicher vielfältig und auch chem Gegenstand wird geworfen? zu heben. Deshalb schießt der gehen diese Vorgänge in Fleisch nachvollziehbar. Um aber das Wo findet das Vergehen statt? Wo Angreifer den Ball direkt auf und Blut über. Und man erkennt Augenmerk auch einmal auf diese befindet sich das „Opfer“ der Wurf- das Tor. Der Torwart kann den mit wachsender Erfahrung immer eher ungewöhnlichen Vorkomm- attacke? Daraus haben viele Lehr- Ball abwehren, der anschlie- schneller lauernde Gefahren – an nisse zu richten, befasst sich der warte Fragen für die Regel-Tests ßend über die Torlinie ins Aus einem Fußgänger-Überweg zum DFB-Lehrbrief Nr. 37 mit dem „gebastelt“, was ein weiterer rollt. Beispiel oder durch Radfahrer, die „Wurfvergehen“. Schon der Aus- Grund ist, sich mit dieser Thematik oft für eine unliebsame Über- druck wird dem Laien ungeläufig in einem Lehrbrief ausführlich zu Situation 15 raschung gut sind. Je seltener sein, umso wichtiger ist es, dass befassen. Mit einem Arbeitsblatt Der Schiedsrichter entscheidet aber eine Situation vorkommt, der Schiedsrichter weiß, wie er und einer Powerpoint-Präsentation auf indirekten Freistoß für die desto größer ist die Unfallgefahr. sich zu verhalten hat. von Bernd Domurat, Mitglied im Angreifer im Strafraum. Um Kompetenzteam der DFB-Schieds- einen Vorteil möglichst zu nut- Diese Erkenntnis lässt sich wiede- 2007 wurde ein Szenario zu die- richter-Kommission, erhalten die zen, spielt der Angreifer schnell rum auf die Spielleitung eines sem Thema ins Regelwerk aufge- Lehrwarte dazu interessante den Ball zu einem Mitspieler. Schiedsrichters anwenden. Eher nommen, das vorher nur mit weni- Arbeitshilfen. Dieser erzielt unmittelbar selten werden während der Lehr- gen Zeilen berücksichtigt worden danach ein Tor. Bei der Ausfüh- abende Randbereiche des mög- war. Detailliert wird dort jetzt eine Zum einem Wurfvergehen der rung ruhte der Ball eindeutig lichen Geschehens auf dem Platz Vielzahl von Vorgängen beschrie- besonderen Art kam es im Spiel nicht. ■ angesprochen. Die Gründe dafür ben: Wer wirft gegen wen? Mit wel- des Hamburger SV gegen

16 Umfrage deutlich, die wir unter 146 Interessant auch die Aussage Spielern, Trainern und Schiedsrich- eines Sportrichters: „In den letzten tern durchgeführt haben. Branden- zehn Jahren musste ich nur in vier burgs Verbands-Schiedsrichter- Fällen hierzu ein Urteil fällen. Ein- e erwarten Lehrwart Oliver Mattig meinte mal hat ein Torwart seine Hand- ngene Spielleitung. Am Beispiel des Wurfvergehens dazu: „Ich kann mich in 29 Jahren schuhe dem Schiedsrichter aus als Unparteiischer nur an zwei sol- unmittelbarer Distanz ins Gesicht erks Aufmerksamkeit verdienen. Günther Thielking cher Ereignisse erinnern. Einmal geschleudert, als der auf Strafstoß warf ein Spieler auf einem schlech- entschieden hat. Der Elfmeter ten Rasenplatz eine Handvoll Sand brauchte dann nicht mehr ausge- an den Oberkörper eines Gegners. führt zu werden, denn der Unpar- Gruselkick gegen Hannover 96 (0:0) Ein anderes Mal versuchte ein Ver- teiische brach sofort das Spiel ab.“ Auch Schienbeinschoner sorgte der HSV-Star für einen Skan- teidiger einem Angreifer den Ball gehören zu den Gegen- dal! Als ihn ein Fan anbrüllte, feuerte an den Kopf zu werfen. Beide Spie- Für Spielszenen, in denen es doch ständen, mit denen man er eine Trinkflasche Richtung Tribüne ler bekamen die Rote Karte. Da das einmal zu einem Wurfvergehen nicht seiner Wut auf einen und landete einen Volltreffer: Die aber jeweils in einer Spielruhe während des laufenden Spiels kam, Gegenspieler Ausdruck gelbe Flasche traf den Fan genau am ablief, gab es als Spielfortsetzung wurden lediglich zwei Beispiele verleihen sollte. Kopf.“ Für dieses Vergehen konnte einen Freistoß, denn es war ein genannt. Einmal warf ein Spieler Schiedsrichter Peter Sippel damals Foulspiel vorher gegangen.“ bei einem Einwurf dem Gegner den allerdings keine Strafe mehr aus- Ball heftig an den Körper, ohne sprechen, weil sowohl der Spieler als Eine ähnliche Antwort kam von dass der Schiedsrichter die Ursa- auch er selbst das Spielfeld bereits Heribert Lang. Der Lehrwart des che dafür erkennen konnte. Der verlassen hatten. Dann ist nur noch Fußballverbandes Niederrhein Unparteiische zeigte dem einwer- eine Meldung im Spielbericht mög- schrieb: „Ich habe den Fragebogen fenden Spieler die Rote Karte und lich, sollte der Schiedsrichter den innerhalb des FVN-Lehrstabs ver- entschied auf direkten Freistoß. Vorgang gesehen haben. teilt. Von allen Kameraden bekam Ein anderes Mal nahm ein Torwart ich einen negativen Bescheid, also den gefangenen Ball und warf ihn Kommt es dagegen auf dem Spiel- ist nie etwas passiert. Ich selbst auf einen Angreifer, der ihn zuvor feld zu einem Wurfvergehen, muss habe auch keinerlei Erfahrung attackiert hatte. Hier erhielt der die Frage nach der Schwere der sammeln können, weder als Spiel- Keeper ebenfalls „Rot“, und es gab Persönlichen Strafe in Sekunden- leiter noch als Beobachter.“ einen Strafstoß. schnelle beantwortet werden. Und auch bei der regeltechnisch kor- Die Umfrage zeigte, dass die Mehr- In beiden Fällen hatten die rekten Entscheidung zur Spielstrafe zahl der Vergehen in einer Spiel- Schiedsrichter richtig gehandelt. sowie zum Ort der Spielfortset- unterbrechung erfolgte. Meist rea- Allerdings nicht, weil ihre Reaktion zung gibt es mehrere Möglichkei- gierten Spieler nach einem aggres- auf einen solchen Vorfall automa- ten. Lösungen hierzu bietet die siven Angriff durch einen Gegen- tisiert war, sondern weil sie „das erwähnte Powerpoint-Präsentation spieler völlig unkontrolliert. Sie Unerwartete erwarteten“. Selbst in dem Lehrbrief, bei der zunächst nahmen den Ball, ein Büschel Gras im harmlosesten Spiel die Konzen- die möglichen Ausgangs-Situati- oder eine Handvoll Schnee und tration hochzuhalten und damit zu onen eines solchen Vorfalls schleuderten ihn wütend, oft mit rechnen, dass man über etwas ent- gezeigt werden. Klar und eindeutig beleidigenden Worten, in Richtung scheiden muss, das man ganz sel- folgen danach die Antworten. ihres Gegners. Als Persönliche ten oder sogar noch nie erlebt hat, Hannover 96 im April 2010. Die Presse Strafe folgte dann die Rote Karte. ist eine der großen Anforderungen schrieb über den Flaschenwurf des Dass diese Vergehen in der Tat Das Spiel wurde entsprechend dem an einen Schiedsrichter. Spielers Paolo Guerrero: „Nach dem selten vorkommen, wurde in einer auslösenden Vorgang fortgesetzt. ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 17 Wenn der Auswechselspieler eingreift Regel-Test Antworten

Nicht alles Neue muss logisch sein

Trikotausziehen Bis vor einigen Jahren musste der Schiedsrichter bei der Verhängung von Strafen lediglich zwischen den Spielern auf dem Feld, also den aktiv tätigen Akteuren der Mannschaften A und B, und der Gruppe der ohne „Gelb“? sogenannten „dritten Personen“ (Auswechselspieler, Offizielle, Zuschauer) unterscheiden. Dies machte die Sache für den Unpartei- So werden die auf den Seiten 15 und 16 ischen recht einfach: Wenn das Spiel unterbrochen werden musste, weil jemand aus der Gruppe der „Dritten“ einen unsportlichen Einfluss auf beschriebenen Situationen richtig gelöst. den Ablauf des Spielgeschehens nahm, wurde es mit einem Schieds- richterball fortgesetzt. Situation 1 Situation 8 Verweis aus der Technischen Zone Der Auswechselspieler muss Inzwischen werden aber seit 2006 die Auswechselspieler anders als die mit Roter Karte. Die Mannschaft wegen unerlaubten Betretens des übrigen Mitglieder dieser Gruppe behandelt: Sofern sie etwas Regelwidri- darf mit elf Spielern das Spiel wei- Spielfelds verwarnt werden. Spiel- ges unternehmen, was auf dem Spielfeld stattfindet, lautet die Spielfort- ter fortsetzen. Die Auswechslung fortsetzung mit einem direkten setzung nicht mehr Schiedsrichterball, sondern indirekter Freistoß. ist mit Zustimmung des Schieds- Freistoß, da das Spiel zuvor wegen richters nach dem Betreten des des Foulspiels bereits unterbro- Für uns folgte aus dieser Auslegung logischerweise, dass in einem Spielfelds vollzogen. chen war. solchen Fall auch die Vorteilbestimmung zur Anwendung kommt. Ein konkretes Beispiel: Der Ball rollt auf das leere Tor zu. Ein Auswechsel- Situation 2 Situation 9 spieler, der sich neben dem Tor warm macht, läuft auf das Spielfeld, um das Tor gegen seine Mannschaft zu verhindern. Er berührt den Ball Der Schiedsrichter-Assistent soll Der Verteidiger wird wegen des noch, der aber trotzdem ins Tor prallt. Für uns war – und so wurde es nur klare, eindeutige Vergehen schwereren Vergehens mit einem vom DFB gelehrt und praktiziert – das Tor anzuerkennen. anzeigen. Deshalb hätte der Feldverweis bestraft, Spielfortset- Schiedsrichter das Fahnenzeichen zung ist der Strafstoß. ignorieren und das Tor anerkennen Dies hat die FIFA nun aber strikt verneint, da sie die Vorteilbestimmung müssen. bei Auswechselspielern, die massiven Einfluss auf das Spielgeschehen Situation 10 nehmen (in diesem Fall also den Ball spielen), nicht anwenden will. Dies Nein. Die richtige Entscheidung Situation 3 ist im Regeltext nicht explizit niedergeschrieben, wurde aber von der wäre gewesen, Freistoß vor dem FIFA so festgelegt. Das Spiel muss vom Schiedsrichter mit indirektem Da das Spiel unterbrochen wurde, Strafraum und „Gelb“ wegen des kann das Tor nicht anerkannt wer- Freistoß fortgesetzt werden, auch wenn das auf den ersten Blick eine Haltens. Benachteiligung der betroffenen Mannschaft darstellt. den. Der Freistoß ist zu wiederho- len und der schuldige Abwehrspie- Situation 11 Wir merken uns also: ler zu verwarnen. Richtig wäre Das Fahnenzeichen war zwar ● Ein Spielen des Balles durch einen Auswechselspieler zieht immer gewesen: Vorteil abwarten, Spiel berechtigt, aber der Zeitpunkt einen indirekten Freistoß nach sich, sofern es auf dem Spielfeld und nicht unterbrechen. nicht weisungsgerecht. Die Mel- während des laufenden Spiels stattfindet. dung darf erst in der nächsten Situation 4 Spielunterbrechung erfolgen. Den- ● Ein Auswechselspieler wird von der Spielstrafe her jetzt anders Nein, es handelt sich hierbei um noch muss der Torwart verwarnt behandelt als andere dritte Personen. Das bezieht sich aber nicht auf keine Unsportlichkeit. werden. Spielfortsetzung erfolgt die Möglichkeit, die Spielstrafe auszusetzen, indem der Schiedsrichter den Vorteil anwendet, wenn der Auswechselspieler den Ball berührt. Situation 5 mit indirektem Freistoß an der Tor- Unabhängig davon, ob ein Tor raumlinie. ● Betritt ein Auswechselspieler weit weg vom Geschehen das Spiel- erzielt wird oder nicht, muss der feld, so ist das nicht relevant für den Schiedsrichter. Er bewertet Strafstoß wiederholt werden, da Situation 12 Der des Feldes verwiesene Spieler den Eintritt als nicht störend auf den Spielablauf und unterbricht beide Parteien gegen die Ausfüh- das Spiel nicht. Ausnahme: Torerzielung der Mannschaft des Aus- darf in keiner Funktion mehr das rungsbestimmungen verstoßen. wechselspielers. Spielfeld betreten. Der Schieds- richter muss ihn vom Feld schicken Situation 6 ● Wird aber der Ball gespielt, muss er das Spiel sofort unterbrechen und auch veranlassen, dass er den Das Tor darf nicht anerkannt wer- und auf indirekten Freistoß entscheiden. den. Spielfortsetzung ist indirekter Innenraum nun endgültig verlässt. Freistoß dort, wo der Spieler den Eine nach unserer Auffassung unlogische Auslegung, da mit der Ver- Strafraum betreten hatte. Situation 13 hängung einer Spielstrafe auch die Möglichkeit der Vorteilanwendung Es handelt sich um keine natür- einhergehen sollte. Dennoch müssen wir uns natürlich in allen Spiel- Situation 7 liche Hand-/Armhaltung, daher ist klassen an diese Anweisung halten. Indirekter Freistoß am Ort der der Strafstoß berechtigt. Lutz Wagner Abseitsstellung. Feldverweis des Verteidigers. Die strafbare Abseits- Situation 14 Situation 15 der nicht korrekten Spielfortset- position ist das erste Vergehen Eckstoß. Eine Wiederholung hätte Das Spiel hätte sofort nach der zung nicht zustimmen. Das Tor und damit die Grundlage für die es nur gegeben, wenn der Ball Ausführung unterbrochen werden darf nicht anerkannt werden. regelgerechte Spielfortsetzung. direkt ins Tor gelangt wäre. müssen. Der Schiedsrichter darf Wiederholung des Freistoßes.

18 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Regeln

um den Bereich der „Team-Offizi- ellen“. In den Spielregeln wird an einigen Stellen der Begriff „Team- Offizieller“ verwendet, ohne dies näher zu definieren. Der neue Text Auch auf die gibt jetzt eine klare Definition: Der Trainer und alle anderen Offizi- ellen, die auf dem Spielbericht ste- hen, gelten als „Team-Offizielle“.

Regel 4 Hosen achten Ausrüstung der Spieler ■ Es wurde festgelegt, dass nicht In der Ausgabe 3 der Schiedsrichter-Zeitung hatten wir bereits über die nur Unterziehhosen sondern auch wichtigsten Regeländerungen zum 1. Juli 2011 berichtet. Hier stellt Lutz die sogenannten „Tights“ die glei- che Hauptfarbe wie die Hose Wagner klar, welche Neuerungen für die Praxis wichtig sind. Im Regelheft haben müssen. Wie schon in der 2010/2011, das in Kürze erscheint, werden wie immer sämtliche Änderun- Ausgabe 3 mitgeteilt, sind Schlauchschals („snoods“) verbo- gen jeweils mit einer Unterstreichung gekennzeichnet sein. ten.

Regel 1 Das Spielfeld ■ Hier wird nur klar festgelegt, dass insbesondere auf Kunstrasen- plätzen durchaus auch andere Linien zulässig sind. Sie sollen jedoch andersfarbig sein bezie- hungsweise sich von den üblichen Fußballmarkierungen unterschei- den lassen. Des Weiteren wird in dieser Regel nun deutlich gemacht, in welcher Position Tor- pfosten in die Erde eingelassen werden sollen, da es ja unter- schiedliche Formen gibt. Letztlich ist dieser Punkt zu vernachlässi- gen, da alle Spielfelder in Deutsch- land bereits abgenommen sind.

Regel 2 Der Ball ■ Eine wichtige Änderung: Wird der Ball beim Strafstoß oder beim Elfmeterschießen beschädigt oder platzt gar, während er sich nach vorne bewegt und bevor ihn ein Spieler berührt oder er gegen Querlatte oder Pfosten geht, so wird dieser Strafstoß wiederholt. Bis jetzt war es so, dass der Straf- Ton in Ton sieht doch deutlich besser aus: Arjen Robben zunächst mit dem weiß-grauen stoß als verwirkt galt und das Spiel Modell, drei Wochen später dann regelkonform. mit Schiedsrichterball fortgesetzt werden musste. Eine kleine aber Schiedsrichter die Partie nur zu Regel 3 Regel 6 sinnvolle Änderung, die für jeder- unterbrechen, wenn dieser Ball das Zahl der Spieler Beginn und Fortsetzung mann verständlich ist, da die bis- Spielgeschehen stört. Wird das ■ Hier wurde lediglich eine neue des Spiels herige Regelung in diesem beson- Spiel dadurch nicht gestört, lässt Struktur beim Aufzählen der Per- ■ Auch hier sind nur unwesentli- deren Fal unfair erschien. der Schiedsrichter den Ball so sonengruppe eingefügt. Für uns ist che und für die Praxis nicht rele- rasch wie möglich entfernen, muss dies zu vernachlässigen. Zudem vante Änderungen im Wortlaut ■ Gelangt ein zusätzlicher Spiel- aber dafür nicht extra das Spiel wurden die Personengruppen defi- aufgeführt. ball auf das Spielfeld, hat der unterbrechen. niert. Hier ging es vor allen Dingen ■

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 19 Analyse Die Bremse in der Not Die entscheidende Phase der Saison: Die Spiele werden enger, die Entscheidungen noch bedeuten- der, und die Bereitschaft, „Rot“ für das Verhindern einer klaren Torchance zu kassieren, scheint zu wachsen. Das ist einer der Aspekte, die Lutz Wagner und Lutz Lüttig bei ihrer Analyse der Spieltage 29 bis 34 auffielen.

„Eine Notbremse ist eine techni- Foto 1 Unsportlichkeit gewertet wird. In sche Vorrichtung zur Auslösung der etwas blumigeren Ausdrucks- einer sofortigen Bremsung, um weise unserer österreichischen Gefahr abzuwenden.“ So definiert Nachbarn wird so etwas übrigens das Lexikon den Eisenbahn-Begriff, auch „Tor-Raub“ genannt. Klingt von dem mancher Fußball-Fan zumindest ein wenig fußballeri- inzwischen glauben kann, dass er scher als „Notbremse“. aus seinem Sport stammt, so oft wurde er in den vergangenen ■ Hamburger SV – Borussia Dort- Wochen benutzt. mund: Und auch hier die Frage: „Notbremse“ ja oder nein? In die- Es gibt allerdings einen gravieren- sem Fall war die Position des Ham- den Unterschied: In der Bahn wird burger Stürmers Petric nicht ganz nur der Missbrauch der Notbremse so zentral wie im Spiel in Freiburg, bestraft, das berechtigte Ziehen sondern leicht nach links versetzt. am feuerroten Griff kann lebens- Rund 14 Meter vor dem Tor holte rettend sein und bleibt straffrei. Petric zum Schuss aus und wurde Im Fußball hingegen wird jede dabei von Verteidiger Hummels in „Notbremse“ bestraft, wobei es dieser aussichtsreichen Position zu sich inzwischen eingebürgert hat, Fall gebracht (Foto 3). Der Schieds- nur das gelungene Verhindern richter erkannte das Foul, pfiff zu oder Zunichtemachen einer klaren Torchance mit dem Begriff zu bele- Foto 3 gen. Wenn also die Rote Karte die unausweichliche Folge ist oder zumindest sein sollte.

Denn wie in so vielen Spielsituati- onen gibt es für den Schiedsrich- Ein Tritt mit dem Fuß, ein Schubser mit dem rechten Arm – ter allerhand Kriterien, die er für Krmas bringt den Hoffenheimer Mlapa zu Fall. Wie glänzend die Einschätzung „Notbremse ja dessen Torchance gewesen wäre, zeigt das Foto unten. oder nein“ und damit „Rot ja oder nein“, ins Kalkül ziehen muss – wie Dann wäre es wieder nebensäch- Foto 2 fast immer in unserem Sport lich, ob wirklich eine offensicht- natürlich in Sekundenschnelle. Wie liche, eindeutige, klare Torchance groß ist die Distanz zum Tor? vorlag. Also keine „Notbremse“ Könnten noch Gegenspieler ein- und doch „Rot“? Für Diskussionen greifen? Hatte der Gefoulte den ist immer gesorgt. Hummels trifft mit dem lin- Ball unter Kontrolle, oder hätte er ken Fuß das rechte Bein von ihn ohne das Foul problemlos 29. SPIELTAG Petric. Der verliert daraufhin unter Kontrolle bekommen? War er ■ SC Freiburg – 1899 Hoffenheim: das Gleichgewicht, zumal er auf direktem Weg zum Tor oder Ohne Diskussion gab es „Rot“ für in diesem Moment ohne doch eher zur Seite versetzt? den Freiburger Krmas. Mit einem „Bodenhaftung“ ist. Stoß in den Rücken und einem Fuß- Und, um es auf die Spitze zu trei- foul (Foto 1) brachte er den ein- WM-Schiedsrichter Wolfgang Stark Recht Strafstoß, ließ dann aber zu ben: War das Foul, mit dem der schussbereiten Hoffenheimer verhängte den fälligen Strafstoß Unrecht die Rote Karte stecken. Angreifer gestoppt wurde, mögli- Mlapa zu Fall. Das geschah zentral und stellte Krmas vom Platz – Auch wenn man vielleicht argu- cherweise so grob, dass es allein vor dem Tor und knapp innerhalb wegen des Zunichtemachens einer mentieren kann, dass Petric den schon für eine Rote Karte reicht? des Strafraums (Foto 2). klaren Torchance, was als grobe Ball nicht völlig unter Kontrolle

20 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Foto 5

hatte und deshalb einen technisch orientiert“ und eröffnet damit sei- nicht einfachen Schuss ausführen nem Mitspieler die Chance zum musste, so zeigt die Analyse doch, Torerfolg. dass diese nicht vollständige Kon- trolle durch die unfaire Attacke 31. SPIELTAG des Gegenspielers bedingt war. ■ 1. FC Nürnberg – FSV Mainz 05: Deshalb wäre auch hier für Hum- Beim Handspiel des Mainzers Soto mels ein Feldverweis angebracht in eigenen Strafraum (Foto 8 gewesen. auf der nächsten Seite) ging es Als Hoffenheim den Freistoß ausführt, steht Stürmer Ibisevic wie immer für den Schiedsrichter 30. SPIELTAG im Abseits (Lichtkegel) … darum, blitzschnell zu entschei- ■ 1. FC Köln – VfB Stuttgart: Zwei- den, ob hier Absicht vorlag. Auf fellos zeigt das Foto 4 ein Hand- Foto 6 dem Foto mag es sogar ein wenig spiel des Kölners Geromel. Der danach aussehen, aber Soto Schiedsrichter hat es als absicht- winkelte den linken Arm etwas an, lich bewertet und deshalb einen weil er ihn wegziehen wollte. Denn Strafstoß verhängt. Gegen diese der Ball war von seinem linken Entscheidung spricht vieles: Der Fuß nach oben gegen seine Hand Spieler wird aus kürzester Entfer- gesprungen. Ein Bewegungsablauf, nung von einem strammen Schuss der so eher selten vorkommt, mit am Unterarm getroffen. Der Arm dem man als Schiedsrichter aber liegt dabei seitlich am Körper an, immer rechnen muss. Manuel macht keine aktive Bewegung zum Gräfe hatte einen optimalen Blick Ball und befindet sich in einer für auf die Szene und zeigte sofort diese Spielsituation normalen Hal- „weiterspielen“ an. Auch wenn tung. Deshalb wäre in dieser Situ- man mit Gesten sparsam sein soll, ation „weiterspielen“ richtig gewe- … und sieht, wie der Schuss von Torwart Fährmann abprallt. in solchen Fällen macht sie allen sen, denn es ist kein Kriterium für Ibisevic rückt dann (absichtlich?) in den Laufweg des Frank- Beteiligten deutlich, dass der ein strafbares Handspiel zu finden. furter Abwehrspielers, … Schiedsrichter nichts übersehen, sondern eine Entscheidung getrof- ■ 1899 Hoffenheim – Eintracht Foto 7 fen hat. Frankfurt: Eine schwierige Abseits- Situation – wie offensichtlich öfter ■ Erzgebirge Aue – Energie bei Spielen mit Eintracht Frankfurt Cottbus: Wegen gefährlicher (siehe auch Extra-Text auf Seite 23) – Zuschauer-Ausschreitungen ergab sich in dieser Begegnung, schickte der Schiedsrichter die die wir mit Hilfe der Fotos 5, 6 und Mannschaften in der 66. Minute 7 dokumentieren. Vedad Ibisevic, für knapp zehn Minuten in die der beim Torschuss seines Kolle- Kabine. verhielt gen im Abseits steht, spielte zwar sich während des gesamten Vor- nicht den vom Frankfurter Torwart gangs (Leuchtraketen wurden in abgewehrten Ball, was eindeutig die Nähe der Spieler geschossen, strafbar gewesen wäre. Aber er Foto 9 auf der nächsten Seite) bewegte sich leicht nach links, so … wodurch der keine Chance hat, den Hoffenheimer Firmino sehr besonnen und absolut wei- dass der von hinten heranlaufende eventuell am erfolgreichen Torschuss zu hindern. sungsgerecht. Ein Vier-Punkte- Plan gibt dem Schiedsrichter in Foto 4 Abwehrspieler Schwegler nicht an derartigen Fällen zuverlässige ihm vorbei kommt, um den Tor- Orientierung: Zuerst sollte eine schützen Firmino anzugreifen. Hat Lautsprecherdurchsage über die Ibisevic damit aus seiner Abseits- Spielführer veranlasst werden. position ins Spiel eingegriffen, Dann sollte das Spiel gegebenen- was strafbar wäre und mit einem falls unterbrochen und, wenn es indirekten Freistoß geahndet wer- nötig ist, die Mannschaften in die den müsste, oder nicht? Der Kabine geschickt werden. Wenn Schiedsrichter hätte diese Frage sich die Sache beruhigt hat, kann unbeantwortet lassen können, das Spiel fortgesetzt werden. wenn er das Verhalten des Hoffen- Sollte dann allerdings noch ein heimers als Foul und damit mit weiterer Vorfall passieren, bleibt einem direkten Freistoß für Frank- dem Schiedsrichter nur die Mög- furt geahndet hätte. Denn das Ver- lichkeit, das Spiel abzubrechen. Ein absichtliches Handspiel kann man dem Kölner Geromel halten von Ibisevic ist nicht „Ball Zum Glück kam es in Aue nicht so hier nicht unterstellen. orientiert“, sondern „Gegner weit.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 21 Analyse

Foto 8 tion beeinträchtigt wurde. Beide Stürmer Rösler so zu Fall. Der Düs- Erkenntnisse per Headset seldorfer hatte den Ball schon am zusammengeführt, ergaben das Torwart vorbeigespielt und hätte Fahnenzeichen, den Abseitspfiff und problemlos aus rund zwölf Metern damit die Aberkennung des Treffers. ein Tor erzielen können (Foto 12). Dieser „Tor-Raub“ wurde zu Recht 33. SPIELTAG mit „Rot“ bestraft, denn eine Tor- ■ Fortuna Düsseldorf – Alemannia chance kann kaum klarer sein als Aachen: Gleich noch einmal Ale- in dieser Situation. mannia Aachen und auch noch ein- mal das „Notbremsen“-Thema. In Längst nicht so eindeutig war die diesem Spiel gab es für Peter Sip- Möglichkeit zum Tor in der zweiten pel sogar zwei Situationen zu Szene. Torwart Krumpen, der Nach- beurteilen, in die der Aachener folger des mit „Rot“ bedachten Von der Hacke seines linken Fußes ist dem Mainzer Soto der Torhüter verwickelt war. In beiden Hohs im Aachener Tor, traf bei sei- Ball an den Arm gesprungen. Fällen entschied der Schiedsrich- nem Sprung mit den Händen vor- aus zwar ebenfalls die Beine sei- 32. SPIELTAG Foto 9 nes Gegners, so dass Peter Sippel ■ 1. FC Kaiserslautern – FC St. zu Recht auf Strafstoß entschied. Pauli: Immer wieder nutzen Spieler Er gab dann aber lediglich „Gelb“ ihre Arme, um sich zu „verbrei- für die Intensität des Fouls und tern“. In diesem Spiel lieferte der nicht „Rot“ wegen Vereitelung St. Paulianer Lechner ein schönes einer klaren Torchance. Und auch Beispiel dafür. Bei einem Freistoß das war richtig, denn der Düssel- für Kaiserslautern sprang er in der dorfer Angreifer Beister hatte – „Mauer“ hoch, drehte sich nach sowieso schon ein wenig nach links hinten ab und hielt dabei den rechts versetzt – den Ball nach angewinkelten rechten Arm vom rechts Richtung Eckfahne am Tor- Körper weg. Der Ball flog dagegen wart vorbeigespielt. Zudem waren (Foto 10) – ein eindeutig absicht- auch noch zwei Abwehrspieler in liches Handspiel. Der fällige Straf- „Eingreif“-Nähe (Foto 13). stoßpfiff blieb dennoch aus. Der Grund war das Stellungsspiel des Dem nicht so regelkundigen Schiedsrichters, der nicht zentral Zuschauer mag es vielleicht merk- genug in die „Mauer“ hineinschau- Peter Gagelmann und seine Assistenten beobachten die Ent- würdig erschienen sein, dass nicht te, um das Handspiel zu erkennen. wicklung im Fanblock von Energie Cottbus. auch der zweite Aachener Torwart vom Feld gestellt wurde. Aber der Foto 10 ter zu Recht auf Strafstoß, in der Schiedsrichter hat hier die Diffe- ersten gab es die Rote Karte dazu, renzierung im Regelwerk genau in der zweiten nicht. richtig angewendet – Kompliment!

Beim ersten Vergehen sprang Tor- 34. SPIELTAG wart Hohs zentral vor dem Tor in ■ Borussia Dortmund – Eintracht die Beine des Gegners und brachte Frankfurt: Einen klassischen Fall von

Foto 11

Da der Schiedsrichter von links auf diese Szene schaute, ent- ging ihm das absichtliche Handspiel, weil der „Sünder“ selbst ihm die Sicht verdeckte.

■ Alemannia Aachen – Rot-Weiß Oberhausener Kapitäns Reichert Oberhausen: Ein schönes Beispiel kreuzte der unmittelbar vor Tor- für eine schnelle Abstimmung wart Hohs stehende Angreifer innerhalb des Teams lieferten König das Sichtfeld des Torwarts Schiedsrichter Christian Fischer (Foto 11). Foltyn erkannte die und sein Assistent Rafael Foltyn in Abseitsstellung, Fischer sah, dass Als der Oberhausener Reichert (rechts) schoss, stand sein diesem Spiel ab. Beim Schuss des der Torwart in seiner Abwehrreak- Mitspieler König bereits vor dem Torwart im Abseits.

22 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Foto 12 gesehen haben, dass die Entschei- Gräfe nicht. Ein direkter Freistoß dung völlig in Ordnung war. für Gladbach war die Folge. Solche Szenen verlangen vom Schieds- ■ Hamburger SV – Borussia Mön- richter sehr viel Erfahrung, ver- chengladbach: Ein rasant vorge- bunden mit dem Gespür, wann tragener Konter über die linke auch mal ein Laufduell abseits des Seite brachte dem HSV ein Tor Balles beobachtet und gewertet durch den schnellen Elia, das aber werden muss. zu Recht nicht anerkannt wurde. Was war passiert? Abseits des Das Kompliment, das man Manuel eigentlichen Spielgeschehens lief Gräfe an dieser Stelle machen der Gladbacher Jantschke in seine muss, gilt stellvertretend für fast Abwehrposition zurück. Das gelang alle seine Kollegen mit Blick auf ihm allerdings nicht, denn HSV- den Verlauf der Rückrunde. Eine Torwart Hohs kommt mit seiner Attacke gegen den Düssel- Angreifer Ben-Hatira riss ihn kurz kontinuierliche Steigerung nach dorfer Rösler zu spät. hinter der Mittellinie zu Boden einem etwas holprigen Start (Foto 15), um selbst dem Konter bescherte uns letztendlich „angeschossener Hand“, der in Millimeter Richtung Ball. Schieds- ungestört folgen und sich für ein Schiedsrichter-Leistungen, die bis jedes Lehrvideo passt, gab es kurz richter Gagelmann ließ das Spiel Abspiel von Elia anbieten zu kön- zum letzten Spieltag höchst erfreu- vor dem Dortmunder Strafraum zu also völlig zu Recht weiterlaufen. nen. Sein Pech: Das Foul entging lich waren und sehr viele positive sehen. Aus kürzester Entfernung Dass aus diesem Abpraller von den Blicken von Schiedsrichter Rückmeldungen erzeugten. schoss der Frankfurter Jung bei Hummels’ Hand der Angriff ent- einem Flankenversuch den Ball an stand, den Dortmund mit dem 2:1- Foto 15 die rechte Hand von Abwehrspieler Führungstor abschloss, führte Hummels (Foto 14). Der Dortmun- zwar zu Protesten des Frankfurter der hatte dabei seinen Arm in Trainers beim Assistenten, aber einer völlig normalen Haltung und spätestens bei Ansicht der TV-Bil- seine Hand bewegte sich keinen der wird auch Christoph Daum ein-

Foto 13

Während Elia über den linken Flügel dem Gladbacher Tor zustrebt, stößt Ben Hatira – von der ARD per Lupe vergrößert – seinen Gegenspieler zu Boden. Er hat sich dafür übrigens hinterher bei dem Gladbacher entschuldigt. Abseits immer Das Foto zeigt deutlich, warum in diesem Fall keine eindeutige Torchance vorlag.

Foto 14 wieder neu Im Zusammenhang mit der Bewertung von strafbaren Abseitspositio- nen geistern immer wieder Begriffe wie „Spielsituation“ oder „Spiel- phase“ durch die Medien. Ein ebenso konkretes wie komplexes Beispiel zeigt, dass es darum gar nicht geht.

In der vorigen Ausgabe haben wir 1.FC Köln noch einmal beteiligt, als einen komplizierten Abseitsfall in es in einer verwirrenden Situation einem Spiel von Eintracht Frank- um die Einschätzung von strafba- furt beschrieben, der vom Schieds- rem Abseits ging. richter-Team ärgerlicherweise falsch bewertet wurde (siehe Foto A „Angeschossen“ im althergebrachten Sinn – aber auch nach Schiedsrichter-Zeitung Nr. 3/11, Der Frankfurter Köhler schlägt neuzeitlicher Auslegung liegt hier beim besten Willen kein Seite 16). Am 33. Spieltag waren einen Freistoß in den Kölner Straf- absichtliches Handspiel vor. die Hessen im Spiel gegen den raum. In diesem Moment steht

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 23 Analyse

Gekas im Abseits. Der Assistent Wer auch immer diesen Begriff Foto A erkennt das, wartet aber ab, ob geprägt hat, er ist hier – und nicht der Stürmer ins Spiel eingreifen nur in Bezug auf eine Abseits- wird. Beurteilung – einfach Unsinn. Von der Ausführung des Freistoßes bis Foto B zum Moment, in dem der Ball im Das ist (erstmal) nicht der Fall. Der Tor liegt, handelt es sich um eine Ball landet beim Kölner Novakovic, einzige zusammenhängende Situa- der ihn nicht voll trifft, weshalb die tion, in der alles, was geschieht, Kugel auf den Frankfurter Heller unmittelbar aufeinander aufbaut. zufliegt. Es geht beim Erkennen einer straf- Foto C baren Abseitsstellung also nicht Mit einer reflexhaften Bewegung um alte oder neue Spielsituationen Foto B des rechten Beins fälscht Heller (oder „Spielphasen“, wie auch den Ball ab. Rechts neben ihm manchmal zu hören und zu lesen befindet sich in diesem Moment ist), sondern einzig und allein der schon genannte Gekas, nun darum, ob ein Spieler „nach allerdings nicht mehr in einer Ansicht des Schiedsrichters zum Abseitsposition. Dafür befindet Zeitpunkt, zu dem der Ball von sich jetzt der Frankfurter Russ am einem Mitspieler berührt oder Torraum im Abseits, aber ohne ein- gespielt wird, aktiv am Spiel teil- zugreifen. nimmt…“ (Originaltext Regel 11).

Foto D Also: Für den Assistenten macht Gekas dreht sich um und schießt jede, wirklich jede Ballberührung den Ball aufs Tor. Der Schuss wird eines Angreifers eine neue von Geromel abgefälscht, springt Abseitsbewertung notwendig. Ob Foto C gegen den Rücken von Torwart er den Ball nur leicht touchiert Rensing, rutscht am Innenpfosten oder bewusst spielt, ist egal. Alles entlang und landet dann letztlich was vorher an Abseitspositionen im Tor. Aber der Assistent hat die vorlag, ist hinfällig und muss aus Fahne wegen einer nach seiner dem „Arbeitsspeicher“ im Gehirn Einschätzung strafbaren Abseits- des Assistenten im selben Moment position gehoben. Der Schieds- gelöscht werden! richter erkennt den Treffer nicht an. Auf die hier vorliegende Situation angewendet, heißt das: Als Heller Was sich hier in vier Fotos darstel- den Ball berührt (Foto C), ist die len und in Ruhe betrachten lässt, Abseitsstellung von Gekas beim hat im Spiel gerade mal vier Freistoß (Foto A) nicht mehr rele- Sekunden gedauert, von denen die vant. Als Gekas aufs Tor schießt, Foto D meiste Zeit der Flug des Balles ein- wird wieder neu bewertet, ob ein nahm. Eine Szene, die durchaus an Frankfurter im Abseits steht. Die den unerwartbaren Lauf einer Flip- vorherige Abseitsposition von perkugel erinnert, was dem Assis- Russ in Foto C ist durch Gekas’ tenten die Arbeit nicht gerade Ballberührung auch schon wieder leicht machte. hinfällig.

Der Kommentator im Live-TV In der gesamten Spielsituation, so schien trotz einiger Zeitlupen kompliziert sie auch in der hohen unsicher, hielt die Entscheidung Geschwindigkeit eines Bundesliga- für vertretbar und sprach von spiels erscheinen mag, hat nie- „Ermessen“ und „neuer Spielsitua- mand aus einer Abseitsposition ins tion“. Der „Sportschau“-Berichter- Spiel eingegriffen. Deshalb hätte statter, der für seine Einschätzung das Tor anerkannt werden müssen, in diesem Fall die gern ins Feld müssen ständig an unserer Kon- ja länger Zeit hat, erläuterte die eine andere Entscheidung war geführte Fußball-Weisheit, dass zentrationsfähigkeit arbeiten. Zum Szene eindeutiger („der Treffer nicht möglich. „sich im Laufe einer Saison alles Beispiel, indem wir uns genau sol- hätte zählen müssen“), meinte wieder ausgleicht“, bestätigt che Situationen wie in diesen zwei allerdings auch, dass durch Ein „falsches“ Tor für Frankfurt in wurde, ist ja ganz schön. Aber für Fällen immer wieder vor Augen Hellers Ballberührung eine „neue Wolfsburg anerkannt, ein „richti- uns Schiedsrichter darf so etwas führen – per Video und per Kopf- Spielsituation“ entstanden wäre. ges“ gegen Köln aberkannt: Dass weder Ausrede noch Trost sein. Wir Kino. ■

24 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Report Körpersprache hilft immer Eines der größten Jugendturniere Europas fand am ersten Juni-Wochenende in der Nähe von Aalborg (Dänemark) statt: Beim Norhalne Cup wurden innerhalb von drei Tagen 1.441 Spiele ausgetragen. Welchen organisatorischen Aufwand solch ein Turnier aus Schiedsrichter-Sicht bedeutet, brachte SRZ- Mitarbeiter David Bittner in Erfahrung.

er großen Zahl an Spielen Dangepasst war auch das Schiedsrichteraufgebot beim Norhalne Cup: 153 Schiedsrichter waren in diesem Jahr bei dem Tur- nier im Einsatz. Sie kamen aus vie- len Ecken Deutschlands – zum Bei- spiel aus Dresden, Berlin, Düssel- dorf, Essen, Hamburg und Hanno- ver – aber auch aus Belgien, Niederlande, Italien, Tschechien und natürlich aus Dänemark. „Das ist gerade das Interessante an die- sem Turnier, der Team-Spirit zwi- schen den Schiedsrichtern aus so verschiedenen Kreisen, Verbänden und Ländern“, erzählt Sebastian Zander aus dem FV Niederrhein. Das sind „nur“ 24 der Schiedsrichter, die beim diesjährigen Norhalne-Cup Spiele leiteten. Er nahm in diesem Jahr erstmals Insgesamt waren 153 Unparteiische im Einsatz. als Referee am Norhalne Cup teil und konnte viele neue Erfahrun- angesetzt werden, darüber hinaus zusammensitzen, ihre Erfahrungen Waren es im Gründungsjahr 2000 gen für sein Hobby sammeln: waren An- und Abreise sowie die austauschen oder einfach Spaß erst 70 Schiedsrichter, die über die „Dadurch, dass die Mannschaften Unterbringung in einer Schule und haben“, berichtet Dick. „Die Organisation vermittelt wurden, aus verschiedenen Nationen der Transport und die Verpflegung Schiedsrichterarbeit ist bei uns sind inzwischen knapp 1.000 kamen, musste man oft mit Kör- der 153 Schiedsrichter vor Ort zu allen tief im Herzen, und wir haben Unparteiische registriert. Wer als persprache arbeiten. Diese Kompe- organisieren. selbst erleben dürfen, wie stark Schiedsrichter selbst einmal inter- tenz wird mir sicherlich auch in ein solcher Auslandseinsatz die nationale Turnierluft schnuppern meinem künftigen Schiedsrichter- „Die Arbeit verteilt sich eigentlich Persönlichkeit prägen kann.“ Die möchte, erhält im Internet unter Alltag weiterhelfen.“ Die Körper- über das ganze Jahr“, sagt Oliver Refex-Mitarbeiter sind oder waren www.refex.dk weitere Informatio- sprache musste übrigens nicht nur Dick aus Hamburg. Er ist eines der alle selbst Schiedsrichter. nen. ■ auf dem Platz, sondern manchmal Gründungsmitglieder von Refex, auch in der Freizeit herhalten, bei das seinen Sitz in Ega, einem Vor- der Kommunikation mit den ort von Aarhus hat. Weltweit wer- Schiedsrichter-Kollegen aus den den die Schiedsrichter zu Jugend- anderen Nationen. turnieren vermittelt, von Däne- mark über Island bis nach Zypern, Verantwortlich für diesen interkul- sogar in die USA. „Wir möchten turellen Schiedsrichter-Austausch dafür sorgen, dass die Schiedsrich- ist bereits seit vielen Jahren die ter bei solchen Turnieren nicht nur dänische Organisation Refex, die das fünfte Rad am Wagen sind, seit zehn Jahren Schiedsrichter an sondern gut betreut werden“, Veranstalter von Jugendturnieren erklärt Oliver Dick. vermittelt. „Dansk Dommerformid- ling“ (dänische Schiedsrichterver- Vier Stunden täglich stehe jeder mittlung) nennt sie sich deshalb Schiedsrichter auf dem Platz, die auch. Insgesamt 1.441 Spiele in 30 übrige Zeit bleibt zum Erfahrungs- unterschiedlichen Turnierklassen austausch mit den Kollegen. „Spä- mussten beim Norhalne-Cup von testens ab 18 Uhr haben fast alle Warten auf das nächste Spiel – bei Traumwetter konnte man einem achtköpfigen Refex-Team Schiedsrichter frei und können es sich es auch an Spielfeld Nr. 40 gemütlich machen.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 25 Porträt Abschied für einen Dino Irgendwann ist es dann eben doch so weit - auch die längste Karriere endet spätestens an der Altersgrenze. Nicht nur bei Schiedsrichtern ist das im Top-Fußball so, sondern auch bei ihren Assis- tenten. Carsten Kadach hat 18 Jahre lang seine „Chefs“ unterstützt, in der Bundesliga und auf inter- nationaler Ebene. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke beschreibt die Karriere des Niedersachsen..

Minuten hat der Sohnemann Augen sieht, was sein Vater so Saison 2010/2011 war die seine Karriere als Schiedsrichter- 45durchgehalten, dann hatte macht, wenn er mit dem finale Gelegen- Assistent beendet. er genug von der Vorstellung sei- großen Sport-Rollkoffer heit, beim Spiel nes Vaters. Nicht, weil Carsten das Zuhause im des FC Bayern Notgedrungen, denn er hat mit 47 Kadach nicht gut gewesen wäre, niedersächsischen gegen den VfB Jahren die Altersgrenze erreicht. nicht weil dem Schiedsrichter-Assis- Suderburg verließ. Stuttgart hat Und so wurde ihm vor seinem tenten Fehler unterlaufen wären – Gemacht hat, muss Kadach nach 18 letzten Spiel nachgerufen: Danke, er war stark wie in praktisch allen man jetzt sagen. Jahren beim DFB es war schön mit dir, du wirst uns seinen Spielen – sondern weil sein Der 34. Spieltag der fehlen! „Es gibt nicht viele mit Sohn erst vier Jahre alt ist. Für dieser Qualität“, sagt Herbert den Junior war das „Legoland“ im Fandel, der Vorsitzende der Business-Bereich des Münchner Schiedsrichter-Kommission des Stadions interessanter als die DFB über Kadach. Konkret lobt er vielen Menschen und das das „ausgezeichnete Auge“, das Geschehen auf dem „Verständnis für die Situation“ und Rasen. Eine Halbzeit hat die Fähigkeit, eine Partie „mitfüh- er durchgehalten, ren zu können“. Natürlich hört mehr war nicht drin. Carsten Kadach so etwas nicht ungern, das wäre ja noch schöner. Kadach hatte Dennoch – oder gerade deswegen – seinen Sohn zum war er nach seinem letzten Spiel ersten Mal mit an eifrig bemüht, alle Hymnen auf seinen Zweitarbeits- sich zu relativieren. „Herbert ist platz genommen. gut darin, die richtigen Worte zu Zum ersten und finden“, meinte Kadach nord- letzten Mal. Er deutsch-nobel, „das will nicht viel wollte, dass der sagen“. Filius wenigstens einmal mit eigenen Will es doch! Wenn ein Assistent Carsten bei 194 Spielen in der Bundesliga Kadach: Volle an der Linie stand, wenn er zudem Konzentration 29 Partien der Champions League, auch in einer 27 Spiele des DFB-Pokals, neun Spielunterbre- Spiele der WM-Qualifikation und chung. drei Spiele einer EM-Endrunde begleitet hat, dann kann er seinen Job nicht auffallend schlecht erle- digt haben. „Er hat gelernt und sich ständig verbessert“, sagt Fandel. Und er muss es wissen, schließlich war er viele Jahre einer der Schiedsrichter, denen Kadach regelmäßig und vor allem in den ganz wichtigen Spielen assistierte. „Es gibt wohl kaum jemanden, der ihn so gut kennt wie ich“, sagt der Schiedsrichter-Chef des DFB, und schließlich: „Carsten gehört als Assistent zur Weltspitze.“

26 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 ren Schiedsrichtern, mit denen er im Laufe der Jahre zusammenge- arbeitet hat. „Der Schiedsrichter muss dem Assistenten auch und gerade bei Topspielen ein Sicher- heitsgefühl vermitteln“, sagt Kadach.

Wobei deutlich wird: Hier spricht jemand kompetent, ungeschönt, sachlich. Auch über die Enttäu- schungen seiner Karriere – etwa darüber, wie sich im Jahr 2006 die Hoffnung auf einen Einsatz bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land zerschlug. Oder das DFB- Pokalfinale im Jahr 2005 zwischen Bayern und Schalke, nach dem das Team zwar zu drastisch, aber von der Sache her zu Recht kritisiert wurde. „Das war nicht schön“, sagt Raus zum letzten Spiel: Mit Florian Meyer und Holger Henschel (verdeckt) betritt Carsten Kadach. „Am schlimmsten war, Kadach den Rasen der Allianz Arena in München. dass wir den eigenen Erwartungen nicht gerecht geworden waren.“ Eine Ahnung davon bekommt man, Er redet über Dreier-, Vierer- und einen Pulk „rudelnder“ Spieler zur wenn Kadach über die Aufgaben auch Perlenketten, humorvoll und Räson brachte. Zumeist aber hat er den eigenen, und Anforderungen an einen durchaus plastisch. So gelingt es hohen Anspruch erfüllt. Etwa bei Schiedsrichter-Assistenten refe- ihm, anschaulich zu vermitteln, wie Wie gewinnt man nun die notwen- den drei Spielen der Endrunde der riert. Dann ist ihm anzumerken, es sich anfühlt, wenn ein volles dige Überzeugung für die Richtig- Europameisterschaft in Österreich wie sehr dem ehemaligen Zweit- Stadion und 22 Spieler lautstark, keit der eigenen Entscheidungen? und der Schweiz, die er im Team liga-Referee diese Rolle ans Herz gesten- und wortreich die nächste Durch Erfahrung, antwortet mit Herbert Fandel und Volker gewachsen ist, und wie sehr er Entscheidung zu beeinflussen Kadach, vor allem aber: im Team. Wezel geleitet hat. Die kontinenta- sich mit der Aufgabe der Assisten- suchen. Der Alltag für die Assisten- In seinem Fall ist das Selbstver- len Titelkämpfe im Jahr 2008 ten identifiziert. Und es wird deut- ten hält anspruchsvolle Aufgaben trauen insbesondere aus dem Ver- waren einer der vielen Höhepunkte lich, wie diffizil die Herausforde- bereit. „Es kommt dann darauf an, trauen gewachsen, das ihm von seiner Schiedsrichter-Vita, als wei- rungen an die Männer an der Linie das auszublenden und stark zu den Schiedsrichtern entgegenge- tere nennt er ein UEFA-Cup-Spiel geworden sind. Schließlich müssen bleiben“, sagt Kadach. Starke Sze- bracht worden ist. Von Herbert im Jahre 2003 zwischen Liverpool sie immer schneller, immer häufi- nen hatte er auch immer dann, Fandel, langjährig auch von Florian und Celtic Glasgow sowie das ger und über immer engere Situa- wenn er mit seinen 1,93 Meter Meyer, aber auch von allen ande- Champions-League-Finale 2007 tionen entscheiden.

Nicht nur, aber auch und immer wieder über Abseits oder nicht. Kadach kann dabei sehr unterhalt- sam über die Herausforderungen seines Ex-Jobs erzählen. Etwa davon, welchen Einfluss die Ände- rung der Spielsysteme auf die Rolle des Assistenten hat. „Der Libero ist heute eine Kette, deren Glieder sich auf einer Linie befin- den“, sagt Kadach. Und ergänzt: „Das aber auch nur im Idealfall. Je nachdem, wie sich die Abwehr- spieler zum Spielgeschehen hin verschieben, wechselt mein Fix- punkt zur Beurteilung von Abseits manchmal sehr schnell.“ Ja, er war schon dabei in der Bundesliga, als im deutschen Fußball noch der Libero das Nonplusultra war. Dino Kadach… Eines von 29 Champions-League-Spielen: AC Mailand gegen FC Zürich.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 27 Porträt

ihm in besonderer Erinnerung blei- Kadach die Linie rauf- und runter- ben wird. Erst als Meyer nach 90 gesaust, oft vor den Augen der Minuten in seine Pfeife blies und großen Fußball-Welt. Geht das jetzt Kadach von der Seitenlinie zum so einfach, von Hundert auf Null? Schiedsrichter ging, musste er mit „Das wird kein großes Problem“, seinen Emotionen kämpfen. „Wir glaubt er. Der Abschied war nicht haben uns umarmt“, erzählt einfach, doch sein Blick ist nicht Kadach, „da musste ich mir schon nach hinten gerichtet. Ein Lebens- die eine oder andere Träne ver- abschnitt endet, ein neuer beginnt. kneifen.“ Spieler haben nicht selten über- haupt keinen Plan für die Zeit nach Das letzte Spiel war für ihn also ihrem Karriere-Ende, Kadach hin- doch keines wie jedes andere. Wie gegen hat viele Pläne. Sollen andere sollte es auch? Nicht nur sein Sohn wehmütig sein, er freut sich auf saß auf der Tribüne, auch die rest- die neuen Prioritäten. liche Familie und einige Freunde waren dabei. Kadach hatte die Menschen zum Spiel eingeladen, die ihn in seiner Schiedsrichter- Mit Herbert Fandel war Carsten Kadach bei vielen großen Karriere maßgeblich begleitet Spielen in Einsatz. Links: Volker Wezel. haben, darunter seine ehemaligen Zweitliga-Assistenten Volker Wezel zwischen dem AC Mailand und dem leichte Aufgabe. Schließlich wusste und Marco Haase. FC Liverpool. Die Aufzählung ist auch der FC Bayern von seinem natürlich nicht vollzählig. „Es gab Abschied, von Manager Christian Am Abend dann feierte Kadach mit ganz viele tolle Momente“, sagt er, Nerlinger gab es vor dem Spiel ein Familie, Freunden und dem Team „da ist es unmöglich, den schöns- kleines Präsent, vom Vorstands- im „Seehaus“ im Englischen Gar- ten zu benennen.“ vorsitzenden Karl-Heinz Rumme- ten. „Florian hat eine Laudatio nigge herzliche Worte. „Ich fand gehalten“, erzählt Kadach. „Und Schluss, aus, vorbei, am letzten das ganz toll“, sagt Kadach. „Es ich habe mich bei ihm für die gute Spieltag der Saison 2010/2011 hörte zeigt Größe, dass sie an mich Zusammenarbeit bedankt.“ Ein er zum letzten Mal als Assistent gedacht haben, obwohl ich doch wenig Nostalgie, viele Emotionen, den Schlusspfiff „seines“ Schieds- eigentlich nur eine kleine Nebenfi- schöne Erinnerungen. Schließlich richters. Es war ein schwerer gur bin.“ haben auch die beiden Niedersach- Moment, auch wenn Kadach sich sen gemeinsam viel erlebt, sind in im Vorfeld bemüht hat, die Dann ging es raus, ein letztes Mal ganz Europa herumgereist und Besonderheit dieses Spiels auszu- an der Seite von Florian Meyer und haben Höhen und Tiefen miteinan- blenden. Er hat sich vorbereitet Holger Henschel. Während des der geteilt. wie immer, hat nichts an sich her- Spiels gab es keine besonderen angelassen, was vom normalen Vorkommnisse, Kadach musste Wird all das nicht fehlen? Fast im Ablauf abgewichen wäre. Keine keine Entscheidung treffen, die Vier-Tages-Rhythmus ist Carsten Nach dem letzten Schluss- pfiff: Florian Meyer dankt sei- nem Freund mit einer herz- lichen Umarmung.

Die Familie rückt in den Vorder- grund, dazu seine Tätigkeit als selbstständiger Finanzberater, und natürlich will er dem Fußball und der Schiedsrichterei etwas zurück- geben – als Beobachter, als Ausbil- der, als Helfer seiner Nachfolger. Und er will kommunalpolitisch arbeiten. Deswegen kandidiert Carsten Kadach für das Amt des Bürgermeisters seiner Gemeinde Suderburg, für den Samtgemeinde- rat und den Kreistag. Die Wahl fin- det im September statt, wenn die Bundesliga schon wieder läuft. Mit schnellem und energischem Eingreifen von der Seitenlinie bewahrte Carsten Kadach manchen Zum ersten Mal seit 18 Jahren Profi vor Dummheiten und möglichen Sperren. ohne Carsten Kadach. ■

28 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 Aus den Verbänden

und viele Bremer Referees in über- Da die Schiedsrichter-Ausbildung ren bereits seit längerer Zeit aktiven Berlin regionalen Ligen. Grund genug also nicht nur auf Schüler des Norbertus Schiedsrichtern bedanken, die in für den Verbands-Schiedsrichter- Gymnasiums beschränkt war, haben der Betreuung und im Coaching der Lehrgang mit Ausschuss, diejenigen Unpartei- einige Vereine der Stadt Magdeburg neuen Referees sehr engagiert sind prominentem Besuch ischen auszuzeichnen, die sich das Angebot angenommen und und ihnen den Einstieg in die bereits viele Jahre im Schiedsrich- selbst Teilnehmer für die Schieds- Schiedsrichter-Tätigkeit erleichtern Bereits zum 20. Mal veranstaltete ter-Wesen engagieren. richter-Ausbildung entsandt. und ihnen stets mit Rat und Tat zur der Berliner Fußball-Verband für die Seite stehen“, so Schiedsrichter- Mitglieder des Jugendleistungs- Alle drei Jahre lädt der Verbands- So wurden die Lehrgangsleiter Obmann Marco Uhlmann, der sich kaders im Landesleistungszentrum Schiedsrichter-Ausschuss gemein- Marco Uhlmann und Felix-Benjamin eine weitere Kooperation mit dem Wannsee einen einwöchigen Lehr- sam mit dem Ehrenamts-Ausschuss Schwermer von 25 Interessenten Norbertus Gymnasium und auch gang, an dem auch Schiedsrichter des BFV die Schiedsrichter ein, die zum ersten Lehrabend erwartet. anderen Schule sehr gut vorstellen aus anderen Landesverbänden des in diesem Zeitraum 25, 40 oder gar Eine stolze Zahl, wenn man bedenkt, kann. Auch Schiedsrichter-Lehrwart DFB und aus Österreich und den 50 Jahre tätig sind. dass im Jahr 2009 lediglich sieben Felix-Benjamin Schwermer ist von Niederlanden teilnahmen. und 2010 lediglich elf Schiedsrichter dieser Art der Kooperation und BFV-Präsident Björn Fecker ließ es ausgebildet werden konnten. Nach Schiedsrichter-Ausbildung begei- Prominenter Referent war diesmal sich nicht nehmen, die Auszeich- insgesamt neun Lehrabenden stand stert: „Für die Schüler stellen die der Vorsitzende der DFB-Schieds- nung gemeinsam mit seinem Vize- die Prüfung an, die von allen Lehrabende eine willkommene richter-Kommission, Herbert Fandel, präsidenten Wolfgang Schaper und bestanden wurde. Abwechslung zum Schulalltag dar. der einen Einblick in seinen Aufga- Schiedsrichterchef Torsten Rischbode Die Tatsache, dass der Lehrabend in benbereich gab und darüber hinaus vorzunehmen. Die Schiedsrichter haben in ihren der Schule nach dem Unterricht über seine Tätigkeit als langjähriger Vereinen bereits erste Vorberei- stattfindet, erleichtert durch die Spitzen-Schiedsrichter berichtete. Für ihre 25jährige Tätigkeit wurden tungsspiele im Nachwuchsbereich vertraute Umgebung das Erlernen André Döring, Peter Gagelmann, Tors- geleitet und konnten so erste Erfah- der Fußballregeln. Und durch die Fandel forderte von den Nachwuchs- ten Rischbode, Joachim Thölken, rungen sammeln. In der Rückrunde Teilnahme älterer Unparteiischer Schiedsrichtern, starke Persönlich- Achim Nollau, Rolf Oesselmann, Hel- wurden die Schiedsrichter auch im aus den Vereinen können die jungen keiten zu entwickeln, indem sie auch mut Kruckemeyer, Christine Frai, Punktspielbetrieb eingesetzt. In den Schiedsrichter-Anwärter auch schon aus negativen Erfahrungen lernen, Ronald Petz, Horst Schubert, Martin ersten Spielen wurden sie von aus deren Erfahrungsschatz profi- aber auch Fehler zugeben können. Eberlein, Thomas Herbst, Jens Haus- bereits aktiven Unparteiischen tieren.“ „Es gibt keine Situation für einen wald, Uwe Otten und Sebahattin begleitet. „An dieser Stelle möchte Schiedsrichter, die aussichtslos ist.“ Aksoy ausgezeichnet. 40 Jahre sind ich mich ganz besonders bei unse- Marco Uhlmann Manfred Bolle, Heinz Rosenbach, Vor den BFV-Schiedsrichtern des Reinhard Schumacher und Klaus Herren-Bereichs sprach Fandel über Thömmes als Schiedsrichter tätig schließlich habe man in den ver- die Neuerungen und Ideen, die er und Horst Schrader sowie Fritz Saarland gangenen drei Jahren 25 Prozent als Chef der DFB-Schiedsrichter- Westermann sind sogar nach 50 der Schiedsrichter verloren und 25 Kommission bereits umgesetzt hat Jahren immer noch mit Elan dabei. Verbands-Schiedsrichter- Prozent weniger ausgebildet. und welche er für das Schiedsrich- Ausschuss wiedergewählt ter-Wesen noch anstrebt. Wichtige Oliver Baumgart SFV-Präsident Franz-Josef Schu- Faktoren seien Ehrlichkeit, Offen- In unveränderter Besetzung geht mann pflichtete dem bei und beton- heit, Transparenz und Kommunika- der Verbands-Schiedsrichter-Aus- te, dass nicht nur die Schiedsrich- tion. Sachsen-Anhalt schuss des Saarländischen Fußball- ter-Gewinnung, sondern vor allem verbandes in die nächste Legisla- auch die -Erhaltung höchste Prio- Gemeinsam mit BFV-Präsident Magdeburg kooperiert turperiode. Dies ergaben die Wah- rität haben müssten. Bernd Schultz zeichnete Fandel mit dem Norbertus Gymnasium len, die im Rahmen der Schiedsrich- Hans-Peter Busch für dessen jahr- ter-Hauptversammlung in Heid- Björn Becker zehntelange Schiedsrichter-Tätig- Unter dem Motto „Zeig’ Deine wah- stock durchgeführt wurden. keit mit der Ehrenspange des Berli- ren Stärken!“ hat der Schiedsrich- ner Fußball-Verbandes aus. ter-Ausschuss der Stadt Magdeburg Dabei wurden Verbands-Schieds- in Kooperation mit dem Norbertus richter-Obmann Heribert Ohlmann Franziska Rein Gymnasium neue Schiedsrichter sowie sein Stellvertreter und Ver- ausgebildet. Mit dieser Kooperation bands-Lehrwart Gerhard Theobald zwischen Schule und Verband betra- ebenso in ihren Ämtern bestätigt Bremen ten beide Seiten Neuland im Bereich wie die Beisitzer Horst Peter Bruch des Fußballverbandes Sachsen- und Klaus Kautenburger. Ehrungen für die Anhalt. Schulleiter Heinrich Wiemeyer Langzeit-Schiedsrichter und Schiedsrichter-Obmann Marco Ohlmann wies darauf hin, dass das Uhlmann waren sich bereits beim Hauptaugenmerk des Verbands- Dass man sich in Bremen schon seit ersten Treffen einig, dass diese Schiedsrichter-Ausschusses in den Nach wie vor an der Spitze der Jahren keine Sorgen um den Kooperation allen Beteiligten und kommenden drei Jahren auf der saarländischen Schiedsrichter: Schiedsrichter-Nachwuchs machen auch den Vereinen nur Vorteile brin- personellen Situation der saarländi- Lehrwart Gerhard Theobald (links) muss, zeigen gut besuchte Lehrgänge gen kann. schen Unparteiischen liegen müsse, und Obmann Heribert Ohlmann.

SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2011 29 Impressum Spielplan

Herausgeber: Deutscher Fußball-Bund e.V., Frankfurt am Main Vorschau 5/2011 Redaktion: Klaus Koltzenburg, Die Ausgabe September/Oktober erscheint am 15. August 2011. DFB-Direktion Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Lutz Lüttig, Berlin Report Gestaltung, Satz und Druck: Top-Schiedsrichter auf kuper-druck gmbh, (PEFC/04-31-1514) Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Herz und Nieren geprüft Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, E-Mail: [email protected] Anzeigenleitung: Bevor die DFB-Schiedsrichter den Leistungs- kuper-druck gmbh, Franz Schönen test für die neue Saison ablegen, haben sie Zurzeit ist die Anzeigenpreisliste alle eine Reise nach Lüdenscheid hinter sich. vom 1. 1. 2002 gültig. Denn dort wird jeder von ihnen in der Sport- klinik Hellersen von Dr. Ernst Jacob und sei- Erscheinungsweise: nen Mitarbeitern sportmedizinisch auf den Zweimonatlich. Kopf gestellt. Wir berichten darüber, was Jahresabonnementspreis 15,– Euro. Deutschlands beste Unparteiische alles über Lieferung ins Ausland oder per Streifband sich „ergehen“ lassen müssen. auf Anfrage. Abonnementskündigungen sind sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Zeitraums dem Abonnements- Vergleich Vertrieb bekannt zu geben. Andere Sportarten: Zuschriften, soweit sie die Redaktion betreffen, sind an den Deutschen Fußball- So geht es beim Bund e.V., Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt am Main, Handball zu [email protected], zu richten. Vertrieb: kuper-druck gmbh, Eduard-Mörike-Straße 36, 52249 Eschweiler, Telefon 0 24 03 / 94 99 - 0, Fax 0 24 03 / 949 949, E-Mail: [email protected] Gegen die Entscheidungen des Schiedsrichters vehement zu protestieren, ist keine spezielle Nachdruck oder anderweitige Verwendung Eigenart von Fußballern. Auch in anderen Sportarten lässt sich ein Mangel an Respekt konsta- der Texte und Bilder – auch auszugsweise tieren. Sebastian Wutzler, Handball-Bundesliga-Schiedsrichter und Sportjournalist (Zweiter von und in elektronischen Systemen – nur mit rechts), beschreibt die Situation der Unparteiischen in seinem Sport. schriftlicher Genehmigung und Urheberver- merk. Zeitreise Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung wird auf PEFC-zertifiziertem Von Beruf Schiedsrichter- Papier gedruckt. Lehrer in der DDR

ABO Er war ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen: Ger- bequem per E-Mail: hard Schulz, der im Jahr 1939 als 33-Jähriger abo@kuper-druck-de das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft leitete und nach dem Zweiten Weltkrieg hauptberuflich Schiedsrichter-Lehrer wurde. Wie der gebürtige Leipziger – auf dem Foto Bildnachweis als „Untermann“ – sich für den Aufbau des ARD, D. Bittner, Fishing 4, Getty, S. Hübner, Fußballs und speziell des Schiedsrichterwe- Imago, Sky, G. Thielking, WDR, H. Wraneschitz sens in der DDR einsetzte, beschreiben wir in unserer Rubrik „Zeitreise“.

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