2. Trierer Workshop zur Niederschlag-Abfluss-Modellierung

Nachrechnung des Hochwasserereignisses vom Juni 2008 an der Starzel mit dem Wasserhaushaltsmodell LARSIM

Jochen Hohenrainer Christian Elpers Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH

14. September 2009 Überblick

Nachrechnung des Hochwasserereignisses vom Juni 2008 an der Starzel mit dem Wasserhaushaltsmodell LARSIM

• Wie gut kann das Extremereignis bei bestehender Datenlage mit dem Wasserhaushaltsmodell LARSIM nachgerechnet werden?

• Lässt sich die Simulationsgüte durch die Verwendung angeeichter Radardaten für den Modell-Input verbessern?

• Wie gut kann das Extremereignis unter Einsatz operationeller Optimierungsroutinen vorhergesagt werden?

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 2 „Flash flood“ an der Starzel

• Extremes Hochwasserereignis am 2. Juni 2008 an der Starzel in Baden-Württemberg

• Starzel (rechter Nebenfluss des Neckars), http://www.focus.de/, 05.09.09 Einzugsgebiet am Nordrand der Schwäbischen Alb

• Durchquert mehrere Orte, u.a. ,

• Besonders betroffen: Killertal (Teileinzugs- gebiet der Starzel)

• Verlust dreier Menschenleben, dazu materielle Schäden in Millionenhöhe

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 3 Das Niederschlagsereignis

• Auslöser heftige Gewitterniederschläge mit hohen Intensitäten, lokal stark begrenzt (zwischen Killer und Hechingen).

• Nächstgelegene Niederschlagssummen (mm), (Hydrate-Project, 2009) Zeit (MEZ) Hechingen -Hausen Niederschlagsstationen 17:50 - 18:50 Uhr 40 33 2. Juni (24 Std.) 79 44 • Unsicherheiten bezüglich der gefallenen N-Mengen und Intensitäten in Jungingen und Umgebung (besonders hohe Intensitäten)

• Zugrichtung der Gewitterzelle in Richtung NW entlang des Killertals

• Hohe Vorfeuchte im Gebiet

durch Vorregen http://portaleco.sharepointhosting.ch/starzel/default.aspx, 05.09.09

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 4 Das Hochwasserereignis

http://portaleco.sharepointhosting.ch/starzel/default.aspx, 05.09.09 • Vom HW besonders betroffen: Region flussaufwärts von , jedoch nicht oberhalb Killer

• Pegel Rangendingen/Starzel (123 km²) -> umläufig Scheitelabfluss geschätzt auf 134 m³/s (Beck, RP Tübingen)

Auszug Stammdaten (HVZ Baden-Württemberg, 2009) Jährlichkeit Nachrechnung mit LARSIM: Forschungsprojekt T (a) Q (m³/s) 2 27 „Operationelle Abfluss- und Hochwasservorhersage in 10 63 20 80 kleinen Einzugsgebieten (OPAQUE)“ 50 105 Ziel: Verbesserte Vorhersage extremer Hochwasser- 100 125 MQ 1.16 ereignisse in Oberläufen bzw. Quellgebieten großer Flüsse

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 5 Modellgebiet

• Modellgrundlage: Wasserhaushaltsmodell der HVZ Baden-Württemberg, Rastermodell (1x1 km²)

• Nacheichung: Pegel Rangendingen (123 km²), über ca. 10 Jahre (Basisabfluss und Interflow) + ausgewählte Hochwasser (Direktabfluss) 4 Abflusskomponenten

• Meteorologischer Antrieb: Stationsmessungen von Niederschlag und weiteren Klimaparametern, bereitgestellt durch die HVZ Baden-Württemberg

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 6 Hochwasserkalibrierung mit Stationsniederschlägen

Kalibrierung nach Standard der HVZ Baden-Württemberg (Wasserdargebotsnachführung)

Gleiche Modellparameter, Fehleinschätzung HW 2008 aufgrund nicht repräsentativer Niederschlagsdaten!

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 7 Kontrolllauf ohne WD-Nachführung

Fehleinschätzung des Abflusses aufgrund eines zu geringen N-Inputs!

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 8 Radardaten – „Merging-Verfahren“

• Neuer Niederschlags-Input: Radardaten nach dem „Merging-Verfahren“, erstellt vom Institut für Geoökologie der Universität Potsdam

• Geostatistisches Verfahren zur Korrektur stündlicher, radarbasierter Niederschlagsmessungen durch bodengestützte Ombrometermessungen

• Grundannahme: Größenordnung der Niederschlagshöhe wird in etwa korrekt durch das Niederschlagsmessnetz abgebildet, räumliche Variabilität wird durch das Radarbild gut erfasst

• Übertragung des räumlichen Musters aus dem Radarbild auf die interpolierten Stationsniederschläge

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 9 Modellinput – Radar

Niederschlagssumme 18:00 - 19:00 Uhr

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 10 Hochwasserkalibrierung mit Radardaten

Deutliche Verbesserung durch genauere räumliche Niederschlagsverteilung

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 11 Kontrolllauf ohne WD-Nachführung

Leichte Verbesserung durch genauere Erfassung der Niederschlagsverteilung mit Radardaten

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 12 Einbeziehung zusätzlicher Informationen

Private Niederschlagsmessungen in der betroffenen Region (Stegmaier, RP Tübingen)

• Jungingen Kläranlage: 100 mm, übergelaufen • Jungingen: ca. 67 l (pro m²?) • Jungingen Regenmesser: 99 l (pro m²?) • Jungingen: 100 l (pro m²?) http://portaleco.sharepointhosting.ch/starzel/default.aspx, 05.09.09

• Jungingen Regenmesser: 80 mm, 3x übergelaufen zwischen 16:50 und 17:45 Uhr: 240 mm in 55 Minuten

vgl. KOSTRA-DWD 2000 (60 min, 100 a): 56 mm

http://www.focus.de/, 05.09.09

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 13 Radar-Merging mit „virtueller Station“

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 14 Operationelle Hochwasservorhersage

Optimierungsroutinen in LARSIM für die kontinuierliche operationelle Hochwasservorhersage der HVZ Baden-Württemberg • Unterscheidung zwischen Hochwasser und Mittel-/Niedrigwassersituation • Ziel: Minimierung der Differenz zwischen Simulation und Messung über einen festgelegten Anpassungszeitraum vor dem Vorhersagezeitpunkt • Korrektur Wasserdargebot (Niederschlag und Schneeschmelzwasser) • Anpassung modellinterner Speicherfüllungen • ARIMA-Korrektur zur Anpassung der vorhergesagten Abflüsse an die Messung (über die relative bzw. absolute Differenz zwischen Simulation und Messung zu Beginn des Vorhersageintervalls)

Vorhersagerechnungen • Nachgerechnete COSMO-DE-Vorhersagen des DWD für den 02.06.2008 (00:00 und 12:00 Uhr, UTC), bereitgestellt durch die LUBW • Radar-Daten

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 15 Hochwasservorhersage mit COSMO-DE-Daten

gemessen Optimierung bis zum Vorhersagezeitpunkt: gemessene Stations- vhs 20:00 Uhr niederschläge vhs 19:00 Uhr

Vorhersagzeitraum: COSMO-DE vhs 17:00 Uhr

vhs 13:00 Uhr gemessen: grau vorhergesagt: farbig vhs 9:00 Uhr

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 16 Hochwasservorhersage mit COSMO-DE-Daten

gemessen Optimierung bis zum Vorhersagezeitpunkt: Radardaten vhs 20:00 Uhr („Merging- vhs 19:00 Uhr Verfahren“)

vhs 17:00 Uhr Vorhersagezeitraum: COSMO-DE vhs 13:00 Uhr gemessen: grau vhs 9:00 Uhr vorhergesagt: farbig

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 17 Hochwasservorhersagetests mit Radar-Daten

gemessen Optimierung bis zum Vorhersagezeitpunkt: Radardaten vhs 20:00 Uhr vhs 19:00 Uhr

Vorhersagzeitraum: Radardaten vhs 17:00 Uhr

gemessen: grau vhs 13:00 Uhr vorhergesagt: farbig

vhs 9:00 Uhr

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 18 Fazit

• Wie gut kann das Extremereignis bei bestehender Datenlage mit dem Wasserhaushaltsmodell LARSIM nachgerechnet werden? - Gebietsreaktion von LARSIM grundsätzlich gut abgebildet, unbefriedigende Niederschlagsdatenlage führt zu Fehleinschätzungen bei der Abflusssimulation

• Lässt sich die Simulationsgüte durch die Verwendung angeeichter Radardaten für den Modell-Input verbessern? - Aufgrund genauerer Niederschlagsverteilung durch angeeichte Radar-Daten („Merging-Verfahren“) verbesserte Abflusssimulation, jedoch weiterhin unbefriedigend - Verwendung zusätzlicher Informationen zum gefallen Niederschlag („Amateur- Messungen“) u.U. nützlich, Prüfung im Einzelfall

• Wie gut kann das Extremereignis unter Einsatz operationeller Optimierungsroutinen vorhergesagt werden? - Vorhersage aufgrund Optimierungsroutinen besser als reine Simulation, jedoch sehr kurze Vorwarnzeiten (Radardaten für Modelloptimierung realistischer)

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 19 Es geht auch besser ...

• Pegel Ettlingen/Alb (150 km²)

• Hochwasser im März 2002

gemessen • 100-jährlicher Abfluss: 97 m³/s

simuliert

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 20

Large Area Runoff Simulation Model LARSIM

Umrechnung gemessener Klima- daten auf die Teileinzugsgebiete Das Wasserhaushaltsmodell LARSIMNiederschlag, Lufttemperatur, Sonnenscheindauer, relative Luftfeuchte, Luftdruck, Windgeschwindigkeit

• Deterministisch, konzeptionell, vertikale Wasserspeicherung / -transport pro Landnutzungsklasse im Teilgebiet flächenverteilt INTERZEPTION und SCHNEESPEICHER EVAPOTRANSPIRATION • Interpolation meteorologischer Eingangsgrößen (z.B. Raster- punktverfahren) BODENSPEICHER Anteil wasserge- laterale vertikale • Interzeption, Evapotranspiration, sättigter Flächen Drainage Perkolation Schneeakkumulation, -kompaktion und -schmelze GEBIETSSPEICHER (laterale Wasserspeicherung/-transport im Teilgebiet) • Bodenfeuchte-Sättigungsflächen- Direktabfluß- Interflow- Grundwasser- funktion: Direktabfluss, speicher speicher speicher Bodenwasserspeicher, Interflow, Tiefensickerung und Grundwasserabfluss • „Flood-Routing“ FLÜSSE UND SEEN pro Gewässerabschnitt

• Anthropogener Steuerungen (z.B. Wellenablauf Verzweigungen, Seeretention, Überleitungen, Speicher) im Gerinne Einleitungen Speichersteuerung • Operationelle Optimierungsmethoden Bremicker (2000)

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH Abfluß 22 Niederschlagsrekorde

(Dyck & Peschke, 1995)

• 42 min: 305 mm, Holt, Missouri, USA, 22 Juni 1947 • 60 min: 401 mm, Shangdi Nei Monggol, China, 3. Juli 1975 (http://www.nws.noaa.gov/oh/hdsc/record_precip/record_precip_world.html, 06.09.09)

Dr.-Ing. Karl Ludwig – Wasserwirtschaft-Wasserbau GmbH 23