FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 12. 06. 1962

12. Juni 1962: Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion

ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-748. Überschrift: »Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion am 12. Juni 1962 unter Teilnahme des Bundesvorstandes«. Zeit: 15.20–23.25 Uhr. Vorsitz: Mende, später: Döring, von Kühlmann-Stumm. Anwesende Fraktions- mitglieder: keine Angabe.

Sitzungsverlauf: A. Geschäftliche Miteilungen. B. Aussprache über die Tarifsituation im öffentlichen Dienst, den Bundeshaushalt 1963 und die sozialpolitische Konzeption der Koalition. C. Vorbereitung der Tagesordnung (Preisentwicklung für Ernährung in Verbindung mit den 4 EWG-Gesetzen).

[A.] 1. Staatssekretär Qualen1 wird begrüßt. 2. Entschuldigt: von der Fraktion: Rademacher, Logemann, Wächter, Eisenmann, Ramms. vom Bundesvorstand: Engelhard2, Müller-Link3, Dr. Leuze4, Dr. Glahn5, Dr. Ilk6. 3. Die Fraktion beschließt einstimmig die Vertraulichkeit dieser Sitzung. 4. Das Ersuchen des Bundesausschusses »Öffentlicher Dienst« auf Teilnahme an dieser Sitzung wurde abgelehnt, da bisher noch niemals der Vorsitzende eines Bundespar- teiausschusses an einer reinen Bundesvorstandssitzung und Fraktionssitzung teil- nahm und die Führungsaufgabe dieser Gremien nicht geschmälert werden sollte. Dr. Miessner: Er beantragt die Teilnahme des Vorsitzenden des Bundesfachaus- schusses. Dr. Mende: Gegen Teilnahme, da die Satzung der Partei auch für ihn bindend ist. Hammersen: Er spricht sich gegen die Teilnahme der Parteiausschußvorsitzenden aus. Dr. Mende: Er läßt abstimmen. Die Fraktion spricht sich gegen eine Teilnahme der Parteiausschußvorsitzenden aus.

1 Hans-Hellmuth Qualen, Staatssekretär im Bundesschatzministerium. 2 Edgar Engelhard, Senator für Wirtschaft und Verkehr sowie Zweiter Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP), Landesvorsitzender der FDP in Hamburg, Mitglied des Bundesvor- standes der FDP. 3 Peter-Heinz Müller-Link, Senator der Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP), stellvertretender Landesvorsitzender der FDP in Hamburg, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 4 Eduard Leuze, Minister für Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg (FDP/DVP), stellvertreten- der Landesvorsitzender der FDP/DVP in Baden-Württemberg, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 5 Fritz Glahn, Minister für Finanzen und Wiederaufbau des Landes Rheinland-Pfalz (FDP), Landes- vorsitzender der FDP in Rheinland-Pfalz, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 6 Herta Ilk, 3. November 1949–1957 MdB (FDP), Mitglied des Bundesvorstandes der FDP.

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5. Dr. Mende informiert die Fraktion über ein Schreiben des Bundesverteidigungsmi- nisters über die Verletzung der Geheimhaltung einiger im Verteidigungsausschuß behandelter Fragen ohne den Inhalt dieses Schreibens im einzelnen bekanntzugeben. [B.] TOP 1 – Die Tarifsituation im öffentlichen Dienst – in Verbindung mit TOP 2 – Haushalt 1963 – und TOP 3 – Die sozialpolitische Konzeption der Koalition Dr. Mende: Er verliest das Schreiben vom 12.6.1962 des FDP-Bundesausschusses »Öf- fentlicher Dienst«, das allen Fraktions- und Bundesvorstandsmitgliedern zugeleitet wurde. Weiterhin verliest Dr. Mende ein Fernschreiben des Vorsitzenden des wirt- schaftspolitischen Ausschusses der Bundespartei Dr. Reuter7, der sich im Gegensatz zum Ausschuß »Öffentlicher Dienst« gegen eine Tariferhöhung und für äußerste Spar- samkeit ausspricht. Durch Fernschreiben appelliert der Vorsitzende Krause8 des Deut- schen Beamtenbundes für eine Tariferhöhung. Weiterhin schickte Waldemar Reuter9 vom Deutschen Gewerkschaftsbund ein Telegramm, dessen Bekanntgabe erfolgt. Dr. Mende erläutert noch einmal die Entwicklung dieser Frage: Am 13.3.1962 beschloß die Fraktion, daß eine Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst für 1962 abgelehnt wird. Daraufhin hat sich Dr. Starke in seiner Haushaltsrede entsprechend geäußert. Er wurde von Dr. Vogel10, der für die CDU sprach, unterstützt. Am 30.3.1962 erfolgte eine Be- kräftigung dieses Beschlusses. Das gleiche geschah in der 2. und 3. Lesung des Haus- halts 1962 durch Prof. Erhard11 und Dr. Starke. Auf dem Bundesparteitag hat sich Dr. Starke wiederum gegen Tariferhöhungen ausgesprochen. Am 29.5.1962 befaßte sich der Fraktionsvorstand mit den Gehaltserhöhungen für den öffentlichen Dienst und erinner- te in einem Brief an Dr. Adenauer an die gefaßten Beschlüsse (Brief an Adenauer wird verlesen). Dr. Mende lehnte eine geteilte Gehaltserhöhung (3 % ab 1.7.1962 und 3 % ab 1.1.1963) gegenüber Dr. Adenauer ab. Er führte aus, daß es besser sei, ab 1.1.1963 statt dessen 7 oder gar 8 % zu geben. Dr. Adenauer ist aus zwei Gründen für eine Erhöhung. 1. Wenn gestreikt wird, ist es besser, wenn vorher verhandelt wurde (bessere morali- sche Position der Bundesregierung). 12 2. Die Verhandlungsmarge für Dr. Höcherl ist ab 1.7. eine Erhöhung von 3 % und ab

1.1.1963 von weiteren 3 %. Die heutige Sitzung wurde anberaumt, da das Kabinett morgen vor einer neuen Lage stehen wird. Die Presse sollte darauf hinweisen, daß die FDP nicht grundsätzlich gegen eine Angleichung ist, sondern daß sie gegen eine Angleichung in diesem Zeitpunkt ist. Dr. Reinhold Maier13 betont, daß das aber keine Koalitionsfrage ist und man sich hier nicht in eine Erregung hineinsteigern sollte. Schließlich verliest Dr. Mende die Pro- testtelegramme von Kühn und Dr. Miessner.

7 Franz Reuter, Herausgeber der Wirtschafts- und Finanzzeitung »Der Volkswirt«, Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Ausschusses der FDP. 8 Alfred Krause, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. 9 Waldemar Reuter, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes sowie Leiter der Hauptabtei- lung »Beamte« des DGB. 10 Rudolf Vogel, MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses. 11 , MdB (CDU), Bundesminister für Wirtschaft, Vizekanzler. 12 Hermann Höcherl, MdB (CSU), Bundesminister des Innern. 13 Reinhold Otto Maier, 1945–1953 Ministerpräsident des Landes Württemberg-Baden bzw. Baden- Württemberg (FDP/DVP), Ehrenvorsitzender der FDP.

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Dr. Starke: Er hat von Anfang an die gleiche Meinung vertreten, so daß er zu einer Rechtfertigung keine Veranlassung sieht. Er hat sich immer an das gehalten, was die Fraktion beschlossen hat. Dieser Beschluß hat auch Eingang in den Bundeshaushalt gefunden. Zu einem Problem ist diese Angelegenheit erst dadurch geworden, daß Be- strebungen im Gange sind, diese Linie zu verlassen. Wenn die Wirtschaft mit 10 %igen Lohnerhöhungen vorausgeht, kann der Bund hier niemals nachziehen. Deshalb sollte eine Erhöhung beim Bund erst dann erfolgen, wenn eine Beruhigung eingetreten ist.

Eine Erhöhung über 6 % ist bisher von keinem Kabinettsbeschluß gedeckt. Die Partei hat mit ihrer bisherigen Haltung nicht schlecht gelegen. Er wird als Finanzminister keine überplanmäßigen Ausgaben bewilligen, so daß dem Parlament ein Nachtrags- haushalt vorgelegt werden muß. Die Frage ist, wer nach einer Tariferhöhung im öffent- lichen Dienst noch alles Anforderungen an den Haushalt stellt, die noch 1962 berück- sichtigt werden sollen. In diesem Zusammenhang hat er jedoch niemals an einen Rück- tritt gedacht und das auch nie gesagt. Zur sozial-politischen Konzeption: Dr. Starke: In bezug auf die Sozialpolitik stehen wir vor der Koalitionsfrage. Materiell bekommt der Arbeitnehmer bei der Lohnfortzahlung nicht mehr. Die Frage ist nur, ob die Zahlung über die Krankenkasse oder über die Arbeitgeber erfolgt, wobei die Frage derjenigen Klein- und Mittelbetriebe auftaucht, die das nicht zahlen können. Zu Haushalt 1963: Es wird erkennbar, daß Dr. Adenauer kein starker Kanzler mehr ist und daß die CDU unter ständigen Diadochenkämpfen leidet. Gruppen innerhalb der CDU wollen sich für den Tag nach dem Abtritt Dr. Adenauers beliebt machen. Die Anforderungen der Ressorts für den Haushalt 1963 liegen derartig hoch, daß sie selbst mit Steuererhöhun- gen nicht zu bewältigen sind. Döring: Am 15.3.1962 fand eine Koalitionsausschußsitzung mit Prof. Erhard, Höcherl, Dr. Krone14 unter Vorsitz Dr. Adenauers statt, in der der Maßhalteappell geboren wur- de. Von allen Beteiligten wurde festgestellt, daß es zahlreiche berechtigte Forderungen gibt, die wir jedoch nicht alle erfüllen können. Daher muß ein Einbruch vermieden werden, auch beim öffentlichen Dienst. Dr. Adenauer sagte damals, daß wir uns von einer Streikdrohung des öffentlichen Dienstes nicht beeinflussen lassen sollten. Diese Haltung wurde von den Anwesenden, mit Ausnahme von Höcherl, unterstützt, den Adenauer dann in einer Weise diskreditierte, die Döring direkt peinlich war. Er unter- stützt die Auffassung Dr. Mendes, daß dem Presseeindruck, daß unsere Haltung einer Beamtenfeindlichkeit entspricht, entgegengetreten werden muß. Wir sollten jedoch unter dem Eindruck der Kanzleräußerung keinen Beschluß fassen, unsere Haltung jedoch beibehalten. Es geht darum, daß wir verständlich machen, daß diese unsere Hal- tung aus unserer Sorge für die Gesamtheit geboren ist. Dorn: Man kann unsere Haltung draußen verständlich machen, wenn wir sie richtig erklären. Für die Erhöhung ab 1.1.1963 müßten wir jedoch konkrete Zahlen nennen. Sollte jedoch in diesem Jahr eine Erhöhung der Gehälter der öffentlichen Bediensteten kommen, dann sollte die FDP nicht alleine dagegen stimmen.

Dr. Miessner: Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß die Erhöhung von 6 % be- schlossen wurde. Es bleibt dann noch die Forderung der Beamten übrig. Er befürchtet, daß wir dann in 3 Monaten in der gleichen Situation sein werden, wie heute bei den öffentlichen Angestellten und Arbeitern. Nachdem die Gemeindebediensteten mit

14 , MdB (CDU), Bundesminister für besondere Aufgaben.

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Oberbürgermeister Klett15 am 20.2.1962 ausgebrochen sind, war bereits abzusehen, daß auch der übrige öffentliche Dienst – Angestellte, Arbeiter und Beamte – eine Erhöhung bekommen wird. Döring: Wir sollten der CDU heute abend vorschlagen, daß morgen früh ab 8.00 Uhr eine Koalitionsausschußsitzung in gleicher Besetzung wie am 15.3.1962 stattfindet. Die Kabinettssitzung sollte erst im Anschluß an diese Koalitionsausschußsitzung stattfin- den. Adenauer soll gefragt werden, wie er sich die Lösung dieser Lage denkt, insbeson- dere im Hinblick auf seine Haltung am 15.3.1962. Die Lösung muß Rücksicht auf den Koalitionspartner nehmen. Dr. Mende: Die Frage des öffentlichen Dienstes sollte morgen zusammen mit dem Sozialpaket, Urabstimmung im Ruhrgebiet, Haushalt 1963 im Koalitionsausschuß be- handelt werden. Wenn die Fraktion diesen Wunsch hat, wird er Dr. Adenauer eine entsprechende Bitte zuleiten. Dr. Rutschke: Dagegen. Sander: Er ist für diese Besprechung, jedoch sollte man die Frage des Rücktritts des Finanzministers hier herauslassen. Dr. Miessner: Dagegen. Die Beamtenfrage sollte nicht zu sehr hochgespielt werden. Dr. Starke: Von einer Zahlung in Höhe von 240 Mio. DM für den öffentlichen Dienst fällt ein 53 Mrd.-Haushalt nicht um. Wir dürfen aber nicht vor den Augen der Öffent- lichkeit umfallen und unsere Prinzipien nicht aufgeben. Wenn Dr. Starke Kürzungen im Haushalt vornimmt, um die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst zu verkraften, wird er als Finanzminister weitere Wählerschichten verärgern. Daher hat er erklärt, daß er die Erhöhung nach Art. 112 GG nicht zahlt, sondern daß das Parlament über einen

Nachtragshaushalt beschließen muß. Wenn jetzt 6 % bis zum März 1963 gegeben wer- den, wird im kommenden Jahr noch einmal der gleiche Ärger sein. Er hält daher den Vorschlag, auf der morgigen Sitzung ein Gesamtpaket zu behandeln, für gut. Dr. Mende: Wir sollten diesen Vorschlag machen und dazu den Verhandlungsführern die Auflage machen, daß dieses Paket ohne Steuererhöhung, ohne Erhöhung der Luxus- steuer und ohne Erhöhung der Post- und Bahntarife im Jahre 1962 realisiert werden soll. Dr. Atzenroth: Dorn, Dr. Starke und Döring haben eine klare Haltung bewiesen, der er sich anschließt. Die Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Dienst kann nicht für sich betrachtet werden. Wir können in die vorgeschlagene Sitzung nicht hineingehen mit der Maßgabe, in bezug auf den öffentlichen Dienst nachzugeben. Zumindest müssen wir gleichzeitig erreichen, daß man unseren Forderungen in bezug auf die Sozialpolitik nachkommt, d. h. größeres Entgegenkommen in der Frage der Selbstbeteiligung, die Übernahme des Kindergeldes auf den Staatshaushalt für sich und nicht als Kompensati- onsobjekt für höhere Belastungen der Wirtschaft betrachten. Unser Hauptziel ist die Erhaltung der Stabilität unserer Währung, welche Frage anzuschneiden ist. Dr. Mende: Dr. Adenauer sieht sich nicht in der Lage, den Koalitionsausschüssen vor- zusitzen. An der Kabinettssitzung sollen von der CDU[/CSU] Niederalt16 und Stol- tenberg17 teilnehmen. Das gleiche kann die FDP tun. Lenz: Wir sollten zur Kabinettssitzung niemanden zusätzlich entsenden.

15 Arnulf Klett, Oberbürgermeister von Stuttgart (parteilos). 16 Alois Niederalt, MdB (CSU), stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landesgruppe. 17 , MdB (CDU).

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Dr. Mende: Neben der Kabinettssitzung findet morgen um 8.00 [Uhr] eine Koalitions- ausschußsitzung statt. Genscher18: Er teilt mit, daß die CDU die 4 EWG-Gesetze ins Kabinett zurückverwei- sen wird, wenn die FDP nicht beitritt. Spitzmüller: Er berichtet über die Entwicklung auf sozialpolitischem Gebiet und die hier stattgefundenen Gespräche (Krankenversicherung, arbeitsrechtliche Form der Lohnfortzahlung). Festgelegt ist bisher lediglich das Junktim zwischen Lohnfortzah- lung und Krankenversicherung. Die Krankenversicherungsreform, wie sie sich Blank19 vorstellt, bedarf für die Krankenkassen einer Umstellungszeit von 4 Jahren. Der Ar- beitskreis III stellt daher vor, noch einmal in Besprechungen mit der CDU einzutreten. Wir stimmen einer arbeitsrechtlichen Gleichstellung zu, aber nicht der sozialrechtlichen Gleichstellung nach den Vorstellungen Minister Blanks. Wenn wir auf dem Tarifgebiet nachgeben, werden wir uns auch auf sozialpolitischem Gebiet nicht durchsetzen kön- nen. Spitzmüller begrüßt daher den Vorschlag eines Gesamtpaketes. Dr. Menne: Er hat noch keinen Arbeitskampf nach dem Kriege gesehen, bei dem der

Arbeitgeber gesiegt hat. Wir sollten von einer 6 %igen Erhöhung ausgehen, denn das läßt sich nicht zurückdrehen. Wir sollten aber die Forderung stellen, daß diese Erhö- hung bis zum 31.12.1963 Gültigkeit hat, damit Dr. Starke im nächsten Jahr Ruhe hat. Schultz: Wenn wir jetzt nicht bei unserem Beschluß bleiben, sind wir nicht mehr Kopi- lot, sondern laufen munter mit der CDU mit. Wenn wir uns der Stimme enthalten, sollten wir das aber pressemäßig besser untermauern. Kreitmeyer: Adenauer hat es verstanden, die Gehaltserhöhung um 3 Monate hinauszu- schieben. Eine Änderung der Finanzverfassung ist notwendig, damit beim Bund mehr Geld vorhanden ist und sich die Länder und Gemeinden nicht mehr in der Lage sehen, immer vorzuprellen und damit den Bund in Schwierigkeiten zu bringen. Es wird uns jetzt nicht gelingen, die Öffentlichkeit zu überzeugen, daß wir dem öffentlichen Dienst nichts geben können. Er unterstützt daher den Paketvorschlag. Zoglmann: Die CDU will nicht, daß der Kanzler zusammen mit dem Koalitionsaus- schuß tagt. Der Kanzler will es auch nicht, denn er glaubt, daß er die Erhöhung im Kabinett über die Bühne bekommt. Dr. Kiep-Altenloh: Die CDU will also gar nicht über das Paket verhandeln. Es handelt sich hier nicht um den Streit von Sozialpartnern, sondern um unser politisches Gesicht.

Sie schlägt vor, ab 1.1.1963 7 % zu geben und nicht 3+3 %. Wir müssen aber etwas Posi- tives vorschlagen. Dr. Bucher: Diese Situation ist typisch für eine Koalition unter Adenauer. Der von den Beamtenverbänden vorgetragene Gesichtspunkt der Fiskalität ist falsch. Es geht um das Prinzip des Maßhaltens. Daher sollte man in diesem Jahr nichts oder doch nur aus wirklichen Einsparungen etwas geben. Besser ist es jedoch, für das kommende Jahr einen positiven Vorschlag zu machen. Die Paketfrage sollte nicht in einer routinemäßi- gen Koalitionsausschußsitzung besprochen werden, sondern man muß uns zugestehen, daß der gleiche Kreis wie am 15.3.62 zusammenkommt. Dr. Diemer-Nicolaus: Wir sollten uns nicht von Adenauer und der CDU überspielen lassen. Der Nimbus Adenauers ist seit dem CDU-Parteitag in Dortmund stark ge- schwunden. Die Presse ist für uns gar nicht so schlecht. Wir sollten herausstellen, daß die FDP Steuererhöhungen keinesfalls zustimmt. Die Minister, die einer Tariferhöhung

18 Hans-Dietrich Genscher, Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. 19 , MdB (CDU), Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.

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zustimmen, sollten aus ihrem Ressort Einsparungsvorschläge machen. Ab 1.1.1963 muß jedoch eine Erhöhung zugesagt werden. Wenn wir überstimmt werden, dann ist auf jeden Fall ein Nachtragshaushalt erforderlich. Moersch20: Die Journalisten haben ihm gesagt, daß lt. Aussage der CDU Adenauer gesagt habe, daß der Finanzminister genügend Reserven habe, um Tariferhöhungen ohne Steuererhöhungen zu verkraften. Dr. Starke: Er verliest ein Schreiben, das er an Adenauer wegen seiner Haltung gegeben hat. Auf Grund dessen ist das Gespräch, das er heute mit Adenauer führte, anberaumt worden. Wenn Adenauer jetzt erklärt, daß Dr. Starke die 240 Mio. DM habe und das heutige Gespräch in dieser Weise auslegt, so ist überhaupt kein Einzelgespräch zwi- schen einem Kabinettsmitglied und Adenauer mehr möglich. Wir sollten daher sofort eine kurze Presseerklärung abgeben und ein Koalitionsgespräch verlangen. Dr. Mende warnt davor, eine Erklärung abzugeben, die wir nicht länger als 48 Stunden aufrechterhalten können. Mertes: Es geht hier [um] mehr als um eine Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst. Was den Beamten recht ist, das ist der Kriegerwitwe billig. Er stellt die Frage, was denn nun mit der Beseitigung des Mittelstandsbauches sei, denn hier liegt doch für die Beam- ten auch etwas drin. Ab 1.1.1963 kann man zusätzlich eine echte Besoldungsreform ankündigen. Wir sollten keine Interessenpolitik, sondern echte Volkswirtschaftspolitik machen. Gegen die Anfänge dieser alten Adenauer-Taktik müssen wir uns wehren. Dr. Dahlgrün: Die von Dr. Starke vorgeschlagene Fünfer-Kommission sollte jetzt zur Formulierung der Presseerklärung kommen. Ertl: Wir müssen jetzt bis zur Koalitionsfrage durchstehen. Bezold21: Er befürchtet, daß die Erhöhung kommt und daß die CDU dieses Verdienst allein für sich zu unserem Schaden in Anspruch nimmt. Adenauer sollte zu einem Ge- spräch gezwungen werden und das sollte man auch in die Öffentlichkeit dringen lassen. Vorsitz: Döring [Döring]: Wir sollten nicht mehr über das Für und Wider diskutieren, sondern sehen, wie wir aus der Sackgasse wieder herauskommen. 2 Fakten: 1. Adenauer hat uns in dieses Dilemma hineingebracht. 2. Minister Höcherl hat seine Kompetenz überschritten, denn er hat keinen Kabinetts-

beschluß hinter sich, über eine 6 %ige Tariferhöhung ab 1.7. zu verhandeln. Er stellt sich die Frage, was wir dem VdK22 antworten, wenn wir jetzt einer Besol- dungserhöhung zustimmen. Die gleiche Frage stellt sich beim großen Stichtag und beim Ruhrbergbau. Wenn wir diesen Weg ins Uferlose nicht mitmachen wollen, müssen wir mit Adenauer reden. Bei einem Bruch der Koalition ist Adenauer der Leidtragende, denn dann gibt es keinen Kanzler Adenauer mehr. Das sollten wir ihm klarmachen. Er möchte es nicht initiativ zur Krise treiben, aber wir müssen Adenauer klarmachen, daß er uns so nicht behandeln kann, wenn er Kanzler bleiben will. Bleibt die FDP auf der Strecke, dann muß der Öffentlichkeit klargemacht werden, daß Adenauer sein Wort gebrochen hat und die Koalition von der CDU sabotiert wurde. Adenauer muß gefragt

20 Karl Moersch, Leiter der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der FDP-Bundesgeschäftsstelle. 21 Otto Bezold, MdL Bayern (FDP), Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. 22 Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands.

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werden, wie er sich in Zukunft zu den Forderungen des VdK, der Flüchtlinge und des Ruhrbergbaues verhalten will. Funcke: Wir müssen sehen, daß wir die Inflation verhindern. Es fragt sich aber, ob wir dann gleichzeitig auch die Verbraucherpreiserhöhungen akzeptieren können. Zoglmann: Wir können Adenauer das, was Döring sagt, wenn er nicht anders zu krie- gen ist, morgen im Kabinett sagen. Dr. Supf: In Versammlungen hat er die einhellige Angst vor einem Währungsverfall festgestellt. Die bisherige Haltung Dr. Starkes wird honoriert. Wenn wir in der Beam- tenfrage jetzt nachgeben würden, so würde uns das sehr schaden. Ab 1.1.1963 sollte aber eine Erhöhung, die insbesondere die Kleingehälter begünstigt, in Aussicht gestellt werden. Dr. Menne: Die Erhöhung der Gehälter ist die Koalitionsfrage nicht wert. Dr. Mende: Adenauer lädt von Brentano23, Rasner24, Dr. Dollinger25 sowie Döring, Zoglmann, Dr. Starke, Dr. Mende, Höcherl und Dr. Krone für morgen 9.30 Uhr ins Kanzleramt ein. Er macht darauf aufmerksam, daß wir eine harte Haltung, wenn wir sie beibehalten wollen, auch bis zum Ende durchstehen müssen. Dr. Starke: Er begrüßt diese Besprechung. Es ist eine schlechte Koalitionsgrundlage, wenn die FDP gegenüber der CDU mit der Begründung nachgibt, daß diese sonst mit der SPD geht, denn eine Koalitionsgrundlage kann nicht das Nachgeben sein. In bezug auf die Tariferhöhung ist noch zu sagen, daß bei einer Inflation noch jeder Staat seine Beamten abhängen lassen mußte. Dr. Mende: Wir müssen morgen auch zur Erhöhung der Verbraucherpreise durch die EWG, zum Lohnstreit im Ruhrbergbau und zum Wegfall der Ortsklasse IV Stellung nehmen. Dr. Starke: Wenn der Finanzminister das alles zahlen soll, bedeutet das Steuererhö- hung. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß eine solche Subventionierung der Lebensmittel in unserem Haushalt ohne Steuererhöhung nicht hineinzubekommen ist. Dr. Achenbach: Außenpolitisch gesehen wären Streiks bei Post und Bahn sehr ungün- stig. Eine Aufblähung des Haushalts muß jedoch verhindert werden, um der Inflatio- nierung entgegenzuwirken. Dr. Starke: Auf Anregung der FDP findet morgen eine Kabinettbesprechung über die schwebenden politischen Fragen statt. Das sollten wir der Presse gegenüber erklären. Dr. Mende: Die Teilnehmer der Sitzung sollten genannt werden. Mischnick: Er hat am 29.5. erklärt, daß man jetzt entweder auf die Verhandlungsbasis geht oder daß man einen Brief an Adenauer schreibt. Wir haben das Sparsamkeitsprin- zip bereits durch unseren Beitritt zum Sparprämiengesetz durchbrochen. In der Öffent- lichkeit kommen wir nur dann schlecht an, wenn wir einmal so und einmal so taktieren. Dr. Miessner: Dem Briefträger ist nicht klarzumachen, daß er wegen des nicht funktio- nierenden Finanzausgleichs keine Erhöhung bekommt. Die Harmonisierungsnovelle wünscht kein Beamtenverband.

23 , MdB (CDU), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 24 Will Rasner, MdB (CDU), Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. 25 , MdB (CSU), Vorsitzender der CSU-Landesgruppe, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

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Dr. Starke: Die Harmonisierung bedeutet eine Verfassungsänderung, die die SPD nicht mitmacht, wenn wir sie nicht entsprechend honorieren. Eine Änderung des Artikels 6 GG wird im dagegen durchkommen. Der Bundestag wird den Vermitt- lungsausschuß anrufen, so daß nur ein Teil des Regierungsentwurfs durchkommt. Die große Finanzreform wird in dieser Legislaturperiode nicht zur Verabschiedung kom- men. Der große Stichtag und die Kriegsopferfragen interessieren die CDU bis auf ein- zelne Abgeordnete nicht. Die Finanzprobleme in der Bundesrepublik sind nicht da- durch zu lösen, wenn wir nur auf die Länder losgehen, denn dort wird die DM z. T. sinnvoller ausgegeben als beim Bund. Döring: Für die morgige Verhandlung sollte die Fraktion folgende Grundlage mitge- ben: 1. Seit dem 15.3.1962 ist kein neues Argument hinzugekommen, das geeignet ist, die damals beschlossene Haltung im Koalitionsausschuß zur Frage der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst zu verändern. 2. Eine Berücksichtigung der Wünsche der öffentlichen Bediensteten durch Steigerun- gen im Haushalt ist nicht zu vertreten, wenn man nicht andere Forderungen, wie die Beseitigung von Kriegsfolgelasten, auch berücksichtigt. 3. Verweis auf Folgewirkung einer Veränderung des Standpunktes auf die Wirtschaft und auf die Verhandlung im Ruhrbergbau. Der Gesamtkomplex erlaubt keine Aus- nahme. Wenn Adenauer bei seiner Auffassung bleibt, bedingt das eine neue Fraktionssitzung. Vorher sollte keine Kabinettsentscheidung getroffen werden. Dr. Mende: Auch das Preisproblem muß angefaßt werden.

Dr. Diemer: Das, was wir wollen, wird für uns nicht erreichbar sein, und die 6 % sind nicht zurückzuschrauben. Dr. Miessner: Wir sollten keine Beschlüsse fassen und unseren Ministern freie Hand lassen. Döring: Es geht jetzt um den Verhandlungsspielraum. von Kühlmann: Er stellt den Antrag, daß über den Antrag von Döring abgestimmt wird. Spitzmüller: Unsere Kommission muß morgen ohne weitere Anhörung der Fraktion entscheiden können.

Dr. Hamm: Wenn unsere Minister nicht gegen den Vorschlag 3 %+3 % Sturm gelaufen sind, so erschwert das unsere Position. Dr. Starke: Der Ablauf war wie folgt: Am Mittwochvormittag war keine Kabinettsitzung, sondern eine Ministerbesprechung ohne Protokollführung. Es wurde ihm glaubhaft versichert, daß kein Beschluß gefaßt wurde, obgleich Adenauer das Gegenteil behauptet. Er hat fernschriftlich vor Verände- rungen im öffentlichen Dienst gewarnt. Vor Gewerkschaftlern hat er mit Erhard gegen Erhöhung im öffentlichen Dienst gesprochen. Höcherl wurde in der folgenden Kabi- nettssitzung lediglich gestattet, mit der Tarifgemeinschaft der Länder zu verhandeln.

Von 3+3 % wurde zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gesprochen. Einzelheiten sollte ein Kabinettsausschuß festlegen. Erhard hat dann gesagt, daß man in diesem Jahr höch- stens 3 % und ab 1.1.1963 noch einmal 3 % geben könne. Höcherl sagte dann gleich 6 % 26 und Stücklen 6 % sofort und am 1.1. weitere 3 %. Im Fraktionsvorstand wurde ein-

26 Richard Stücklen, MdB (CSU), Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

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stimmig beschlossen, bei der bisherigen Ablehnung zu bleiben. Diese Haltung hat er auch im Kabinett vertreten und keine Zustimmung zu irgendwelchen Verhandlungen gegeben – es wurde ja auch gar nicht abgestimmt. Wenn man heute von einer Wende in der Finanzpolitik spricht, so ist das Ausdruck der Wende in der Wirtschaft. Wir müssen in den Verhandlungen im Kabinett die Nerven behalten, denn auch der Kanzler hat die Nerven bis zum Koalitionspunkt durchzustehen. Wir müssen von vornherein wissen, was wir wollen. Kein FDP-Minister ist an einer Zusage zu einer 6 %-Erhöhung gebun- den. Wenn abgeschlossen wird, kann außer über einen Nachtragshaushalt, der erst im Oktober verabschiedet werden kann, die Zahlung nicht erfolgen, da er von Artikel 112 GG Gebrauch macht, es sei denn, der Kanzler entläßt ihn. Lenz: Seit dem 1.4. besteht ein tarifloser Zustand. Das hätte man vielleicht nicht schlei- fen lassen sollen. Höcherl bekam die Erlaubnis, mit den Ländern zu verhandeln, ohne einen Prozentsatz zu nennen. Stücklen und Seebohm27 hatten jedoch die Erlaubnis, mit ihren Gewerkschaften zu verhandeln. In diesem Zusammenhang wurden 3 % genannt. Wenn die Gewerkschaften darauf eingegangen wären, würde Bereitschaft gezeigt, ab

1.1.1963 auf 6 % zu gehen. Das steht jedoch in keinem Protokoll und es ist darüber auch nicht abgestimmt worden. 28 Graaff : In den 3 Stadtstaaten bekommen die Straßenfeger die 6 %, aber die Senatsbe- diensteten, wie z. B. die Boten, nicht. Das können die Stadtstaaten auf die Dauer nicht durchhalten. Dr. Dahlgrün: Ein tarifloser Zustand ist an sich gar nicht so schrecklich. Man muß nur das Angebot, also z. B. 3 %, von sich aus sofort zahlen.

Dr. Starke: Wenn die Folgen auf die Kriegsopfer nicht wären, würde er sogar 6 % zuge- stehen, gültig bis 31.12.1963, um für 1963 den Rücken frei zu haben. Döring: Wenn man an einer Stelle nachgibt, besteht keine Möglichkeit mehr, gegen andere Ausgaben zu argumentieren. Dr. Starke: Die Beamten bekommen ab 1.1.1963 eine Erhöhung. Die Kriegsopfer wer- den auch in dem Sozialpaket 1963 berücksichtigt. Dr. Dehler: Dr. Starke sollte in seiner Haltung in bezug auf Art. 112 GG unterstützt werden. Döring: Das ist akzeptiert. Er läßt abstimmen über Döring-Antrag: Bei 5 Gegenstim- men angenommen. [C.] TOP 4 – Die Preisentwicklung für Ernährung in Verbindung mit den 4 EWG-Gesetzen Vorsitz: v. Kühlmann Peters: In dem DIHT29-Gutachten liegen Übertreibungen. Das Mehl kann pro Zentner höchstens um 2,– DM teurer werden. Die Einfuhr von Schweinen ist mit 6 % unbedeu- tend. Bei Eiern ist eine Stabilisierung, bei Geflügel eine gewisse Verteuerung der Preise zu erwarten. Dr. Diemer: Sie stellt die Frage, wieso man durch die EWG zu einer Preiserhöhung kommt. Sie hat auch von einer Bestimmung gelesen, nach der die Abschöpfungsbeträge nicht voll ausgenützt werden müssen.

27 Hans-Christoph Seebohm, MdB (CDU), Bundesminister für Verkehr. 28 Carlo Graaff, Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Niedersachsen (FDP), Landesvorsit- zender der FDP in Niedersachsen, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 29 Deutscher Industrie- und Handelstag.

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Peters: Wenn in Holland ein Schwein z. B. 200,– DM und in Deutschland 270,– DM kostet, so beträgt die Abschöpfung DM 70,– im ersten Jahr. Diese DM 70,– werden dann von Jahr zu Jahr abgebaut. Die Kontingentierung wird ab 1.7.1962 aufgehoben. Dr. Effertz: Es wird weder bei Eiern noch bei Geflügel noch bei Schweinen zu einer Preissteigerung beim Verbraucher kommen. Das Argument des Konsumverbandes, daß Preissteigerungen durch den Handel nicht aufzufangen sind, ist nicht stichhaltig. Das Problem ist daher nicht tragisch zu nehmen. Wir sollten den ersten Juli abwarten und haben dann nach den Parlamentsferien noch genügend Zeit, darüber zu diskutieren, wenn überhaupt Auswirkungen eintreten. von Kühlmann: Er hat festgestellt, daß seine Erzeugerpreise bei Schweinen in den letzten Jahren in Wellen sinken, während die Verbraucherpreise nach oben gehen. Sander: Er rechnet sogar mit einem Preisverfall. Bei Roggen ist es unmöglich, daß die Preise steigen, denn hier sind wir importunabhängig, so daß das Brot nicht im Preis steigen kann. Im allgemeinen werden wir konstantere Preise bekommen, die nicht über das heutige Niveau hinausgehen. Vereinbarungen über Rindvieh und Zucker wurden bisher nicht getroffen. Dr. Effertz: Bis auf die Getreideverordnung (Fraktionsumdruck 15/62 neu), die man passieren lassen kann – sie geht in erster Lesung ohne Debatte durch das Plenum – kann er zu den Anträgen nicht Stellung nehmen, da sie ihm erst heute vorgelegt wurden. Er hat vor allem Bedenken gegen die Ermächtigung des Ernährungsministers und des Wirtschaftsministers. Zoglmann: Wenn die Verordnungen nicht verabschiedet werden, kann man nicht ab- schöpfen und die Landwirtschaft hat den Nachteil. Dr. Mende: Er gibt die Meinung von Margulies bekannt, der sich für eine Unterschrift ausspricht. Dürr: Wenn die FDP nicht unterschreibt, wird auch die CDU nicht unterschreiben. Mauk: Stimmt Margulies zu, für Unterschrift. Eine Ermächtigung ist nicht zu umge- hen. Peters: Unterstützt Mauk. Ertl: Er spricht sich gegen eine Unterschrift ohne vorherige Prüfung aus. Auch bei der Getreideverordnung passiert nichts, denn man kann das Getreidepreisgesetz kurzfristig verlängern. von Kühlmann: Er läßt abstimmen über das Gesetz zur Durchführung der Getreide- verordnung (Fraktionsumdruck 15/62 neu). Die Fraktion akzeptiert mit Mehrheit. Ein Ausdruck erfolgt jedoch noch nicht, da der Arbeitskreis V morgen früh 8.00 Uhr noch einmal über diese Gesetze beraten will. Dr. Dahlgrün: Die Zahlen, die DIHT nennt, entsprechen auch den Zahlen des Ernäh- rungsministeriums, die zum Teil noch höher liegen. Er macht darauf aufmerksam, daß eine 6 %ige Einfuhr die Preise stark beeinflussen kann. Man sollte die uns vorliegenden Zahlenangaben nicht zu leicht nehmen. Man kann es zwar konkret nicht sagen, aber die meisten Prognosen lauten auf Preissteigerungen. Die Ausnahmemöglichkeiten sollte man sich daher genau ansehen. Bei Eiern und Geflügel wird unmittelbar am 1.7. eine Preissteigerung eintreten. Sander: Bestreitet das. Dr. Atzenroth: Es ist hier nicht unsere Aufgabe, nur die Auswirkungen auf die Land- wirtschaft zu sehen, sondern wir haben die Verantwortung für die Gesamtwirtschaft. Die DIHT-Vorschläge sind nicht so leicht zu nehmen. Wir sollten den verantwortli-

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chen Herrn von DIHT einmal zu uns bitten. Wenn die Preissteigerung nicht die Erzeu- gerpreise betreffen, müßten wir uns überlegen, wie wir auf die Handelsspannen einwir- ken können. Dr. Dahlgrün: Wir sollten nicht DIHT zitieren, sondern Hüttebräuker30 und den zuständigen Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium. Dr. Imle: Der Arbeitskreis V sollte sich erst mal in sich klar werden. von Kühlmann: Er stellt die Frage, ob die Fraktion damit einverstanden ist, daß über dieses Thema unter Anhörung von Sachverständigen noch einmal eine Zusammenkunft erfolgt. – Der Beschluß kommt nicht mehr zustande.

30 Rudolf Hüttebräuker, Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

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