12. Juni 1962: Gemeinsame Sitzung Des Bundesvorstandes Und Der Fraktion
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FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 12. 06. 1962 12. Juni 1962: Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-748. Überschrift: »Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion am 12. Juni 1962 unter Teilnahme des Bundesvorstandes«. Zeit: 15.20–23.25 Uhr. Vorsitz: Mende, später: Döring, von Kühlmann-Stumm. Anwesende Fraktions- mitglieder: keine Angabe. Sitzungsverlauf: A. Geschäftliche Miteilungen. B. Aussprache über die Tarifsituation im öffentlichen Dienst, den Bundeshaushalt 1963 und die sozialpolitische Konzeption der Koalition. C. Vorbereitung der Tagesordnung (Preisentwicklung für Ernährung in Verbindung mit den 4 EWG-Gesetzen). [A.] 1. Staatssekretär Qualen1 wird begrüßt. 2. Entschuldigt: von der Fraktion: Rademacher, Logemann, Wächter, Eisenmann, Ramms. vom Bundesvorstand: Engelhard2, Müller-Link3, Dr. Leuze4, Dr. Glahn5, Dr. Ilk6. 3. Die Fraktion beschließt einstimmig die Vertraulichkeit dieser Sitzung. 4. Das Ersuchen des Bundesausschusses »Öffentlicher Dienst« auf Teilnahme an dieser Sitzung wurde abgelehnt, da bisher noch niemals der Vorsitzende eines Bundespar- teiausschusses an einer reinen Bundesvorstandssitzung und Fraktionssitzung teil- nahm und die Führungsaufgabe dieser Gremien nicht geschmälert werden sollte. Dr. Miessner: Er beantragt die Teilnahme des Vorsitzenden des Bundesfachaus- schusses. Dr. Mende: Gegen Teilnahme, da die Satzung der Partei auch für ihn bindend ist. Hammersen: Er spricht sich gegen die Teilnahme der Parteiausschußvorsitzenden aus. Dr. Mende: Er läßt abstimmen. Die Fraktion spricht sich gegen eine Teilnahme der Parteiausschußvorsitzenden aus. 1 Hans-Hellmuth Qualen, Staatssekretär im Bundesschatzministerium. 2 Edgar Engelhard, Senator für Wirtschaft und Verkehr sowie Zweiter Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP), Landesvorsitzender der FDP in Hamburg, Mitglied des Bundesvor- standes der FDP. 3 Peter-Heinz Müller-Link, Senator der Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP), stellvertretender Landesvorsitzender der FDP in Hamburg, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 4 Eduard Leuze, Minister für Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg (FDP/DVP), stellvertreten- der Landesvorsitzender der FDP/DVP in Baden-Württemberg, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 5 Fritz Glahn, Minister für Finanzen und Wiederaufbau des Landes Rheinland-Pfalz (FDP), Landes- vorsitzender der FDP in Rheinland-Pfalz, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 6 Herta Ilk, 3. November 1949–1957 MdB (FDP), Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. Copyright © 2018 KGParl 1 FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 12. 06. 1962 5. Dr. Mende informiert die Fraktion über ein Schreiben des Bundesverteidigungsmi- nisters über die Verletzung der Geheimhaltung einiger im Verteidigungsausschuß behandelter Fragen ohne den Inhalt dieses Schreibens im einzelnen bekanntzugeben. [B.] TOP 1 – Die Tarifsituation im öffentlichen Dienst – in Verbindung mit TOP 2 – Haushalt 1963 – und TOP 3 – Die sozialpolitische Konzeption der Koalition Dr. Mende: Er verliest das Schreiben vom 12.6.1962 des FDP-Bundesausschusses »Öf- fentlicher Dienst«, das allen Fraktions- und Bundesvorstandsmitgliedern zugeleitet wurde. Weiterhin verliest Dr. Mende ein Fernschreiben des Vorsitzenden des wirt- schaftspolitischen Ausschusses der Bundespartei Dr. Reuter7, der sich im Gegensatz zum Ausschuß »Öffentlicher Dienst« gegen eine Tariferhöhung und für äußerste Spar- samkeit ausspricht. Durch Fernschreiben appelliert der Vorsitzende Krause8 des Deut- schen Beamtenbundes für eine Tariferhöhung. Weiterhin schickte Waldemar Reuter9 vom Deutschen Gewerkschaftsbund ein Telegramm, dessen Bekanntgabe erfolgt. Dr. Mende erläutert noch einmal die Entwicklung dieser Frage: Am 13.3.1962 beschloß die Fraktion, daß eine Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst für 1962 abgelehnt wird. Daraufhin hat sich Dr. Starke in seiner Haushaltsrede entsprechend geäußert. Er wurde von Dr. Vogel10, der für die CDU sprach, unterstützt. Am 30.3.1962 erfolgte eine Be- kräftigung dieses Beschlusses. Das gleiche geschah in der 2. und 3. Lesung des Haus- halts 1962 durch Prof. Erhard11 und Dr. Starke. Auf dem Bundesparteitag hat sich Dr. Starke wiederum gegen Tariferhöhungen ausgesprochen. Am 29.5.1962 befaßte sich der Fraktionsvorstand mit den Gehaltserhöhungen für den öffentlichen Dienst und erinner- te in einem Brief an Dr. Adenauer an die gefaßten Beschlüsse (Brief an Adenauer wird verlesen). Dr. Mende lehnte eine geteilte Gehaltserhöhung (3 % ab 1.7.1962 und 3 % ab 1.1.1963) gegenüber Dr. Adenauer ab. Er führte aus, daß es besser sei, ab 1.1.1963 statt dessen 7 oder gar 8 % zu geben. Dr. Adenauer ist aus zwei Gründen für eine Erhöhung. 1. Wenn gestreikt wird, ist es besser, wenn vorher verhandelt wurde (bessere morali- sche Position der Bundesregierung). 12 2. Die Verhandlungsmarge für Dr. Höcherl ist ab 1.7. eine Erhöhung von 3 % und ab 1.1.1963 von weiteren 3 %. Die heutige Sitzung wurde anberaumt, da das Kabinett morgen vor einer neuen Lage stehen wird. Die Presse sollte darauf hinweisen, daß die FDP nicht grundsätzlich gegen eine Angleichung ist, sondern daß sie gegen eine Angleichung in diesem Zeitpunkt ist. Dr. Reinhold Maier13 betont, daß das aber keine Koalitionsfrage ist und man sich hier nicht in eine Erregung hineinsteigern sollte. Schließlich verliest Dr. Mende die Pro- testtelegramme von Kühn und Dr. Miessner. 7 Franz Reuter, Herausgeber der Wirtschafts- und Finanzzeitung »Der Volkswirt«, Vorsitzender des wirtschaftspolitischen Ausschusses der FDP. 8 Alfred Krause, Vorsitzender des Deutschen Beamtenbundes. 9 Waldemar Reuter, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes sowie Leiter der Hauptabtei- lung »Beamte« des DGB. 10 Rudolf Vogel, MdB (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses. 11 Ludwig Erhard, MdB (CDU), Bundesminister für Wirtschaft, Vizekanzler. 12 Hermann Höcherl, MdB (CSU), Bundesminister des Innern. 13 Reinhold Otto Maier, 1945–1953 Ministerpräsident des Landes Württemberg-Baden bzw. Baden- Württemberg (FDP/DVP), Ehrenvorsitzender der FDP. Copyright © 2018 KGParl 2 FDP – 04. WP Gemeinsame Sitzung des Bundesvorstandes und der Fraktion: 12. 06. 1962 Dr. Starke: Er hat von Anfang an die gleiche Meinung vertreten, so daß er zu einer Rechtfertigung keine Veranlassung sieht. Er hat sich immer an das gehalten, was die Fraktion beschlossen hat. Dieser Beschluß hat auch Eingang in den Bundeshaushalt gefunden. Zu einem Problem ist diese Angelegenheit erst dadurch geworden, daß Be- strebungen im Gange sind, diese Linie zu verlassen. Wenn die Wirtschaft mit 10 %igen Lohnerhöhungen vorausgeht, kann der Bund hier niemals nachziehen. Deshalb sollte eine Erhöhung beim Bund erst dann erfolgen, wenn eine Beruhigung eingetreten ist. Eine Erhöhung über 6 % ist bisher von keinem Kabinettsbeschluß gedeckt. Die Partei hat mit ihrer bisherigen Haltung nicht schlecht gelegen. Er wird als Finanzminister keine überplanmäßigen Ausgaben bewilligen, so daß dem Parlament ein Nachtrags- haushalt vorgelegt werden muß. Die Frage ist, wer nach einer Tariferhöhung im öffent- lichen Dienst noch alles Anforderungen an den Haushalt stellt, die noch 1962 berück- sichtigt werden sollen. In diesem Zusammenhang hat er jedoch niemals an einen Rück- tritt gedacht und das auch nie gesagt. Zur sozial-politischen Konzeption: Dr. Starke: In bezug auf die Sozialpolitik stehen wir vor der Koalitionsfrage. Materiell bekommt der Arbeitnehmer bei der Lohnfortzahlung nicht mehr. Die Frage ist nur, ob die Zahlung über die Krankenkasse oder über die Arbeitgeber erfolgt, wobei die Frage derjenigen Klein- und Mittelbetriebe auftaucht, die das nicht zahlen können. Zu Haushalt 1963: Es wird erkennbar, daß Dr. Adenauer kein starker Kanzler mehr ist und daß die CDU unter ständigen Diadochenkämpfen leidet. Gruppen innerhalb der CDU wollen sich für den Tag nach dem Abtritt Dr. Adenauers beliebt machen. Die Anforderungen der Ressorts für den Haushalt 1963 liegen derartig hoch, daß sie selbst mit Steuererhöhun- gen nicht zu bewältigen sind. Döring: Am 15.3.1962 fand eine Koalitionsausschußsitzung mit Prof. Erhard, Höcherl, Dr. Krone14 unter Vorsitz Dr. Adenauers statt, in der der Maßhalteappell geboren wur- de. Von allen Beteiligten wurde festgestellt, daß es zahlreiche berechtigte Forderungen gibt, die wir jedoch nicht alle erfüllen können. Daher muß ein Einbruch vermieden werden, auch beim öffentlichen Dienst. Dr. Adenauer sagte damals, daß wir uns von einer Streikdrohung des öffentlichen Dienstes nicht beeinflussen lassen sollten. Diese Haltung wurde von den Anwesenden, mit Ausnahme von Höcherl, unterstützt, den Adenauer dann in einer Weise diskreditierte, die Döring direkt peinlich war. Er unter- stützt die Auffassung Dr. Mendes, daß dem Presseeindruck, daß unsere Haltung einer Beamtenfeindlichkeit entspricht, entgegengetreten werden muß. Wir sollten jedoch unter dem Eindruck der Kanzleräußerung keinen Beschluß fassen, unsere Haltung jedoch beibehalten. Es geht darum, daß wir verständlich machen, daß diese unsere Hal- tung aus unserer Sorge für die Gesamtheit geboren ist. Dorn: Man kann unsere Haltung draußen verständlich machen, wenn wir sie richtig erklären. Für die Erhöhung ab 1.1.1963 müßten wir jedoch konkrete Zahlen nennen. Sollte jedoch in diesem Jahr eine Erhöhung der Gehälter der öffentlichen Bediensteten kommen, dann sollte die FDP nicht alleine dagegen stimmen. Dr. Miessner: Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß die Erhöhung von 6 % be- schlossen wurde. Es