FDP – 04. WP Fraktionssitzung: 12. 12. 1961

12. Dezember 1961: Fraktionssitzung

ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-737. Überschrift: »Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion am 12. Dezember 1961«. Zeit: 15.08–19.38 Uhr. Vorsitz: Mende, dazwi- schen: Bucher. Anwesende Fraktionsmitglieder: keine Angabe.

Sitzungsverlauf: A. Aussprache über die Regierungsbildung. B. Bericht aus dem Ältestenrat. C. Nominierung von Vertretern für verschiedene Gremien. D. Vorbereitung der Tagesordnung.

[A.] TOP I: Geschäftliche Mitteilungen 1. In der Bundesvorstandsitzung vom 8. Dezember 1961 wurde beschlossen, den or- dentlichen Bundesparteitag in der Zeit vom 24. bis 26. Mai 1962 in Düsseldorf durchzuführen; da im Mai auch SPD und CDU ihre Parteitage abhalten, wird Zog- lmann gebeten, im Ältestenrat dafür zu plädieren, daß am Donnerstag, den 24. Mai keine Plenarsitzung stattfindet, da der Parteitag um 14 Uhr beginnen soll. Außerdem wurde beschlossen, daß Anfang Februar 1962 – das genaue Datum liegt noch nicht fest – in Berlin eine Sitzung von Fraktion und Bundesvorstand stattfin- det. 2. Die erste Plenarsitzung im Jahr 1962 findet am 17. Januar statt, am 16. Januar ist ganztägig Fraktionssitzung. 3. Wie Carlo Graaff1 mitteilte, sind drei der BHE2-Abgeordneten aus Niedersachsen zur FDP übergetreten, unter anderem der Vizepräsident des niedersächsischen Landtages. Damit hat die FDP 10 Abgeordnete im niedersächsischen Parlament. Da mit dem Ableben Kopfs3 zu rechnen ist, wird sich die Frage einer dann notwen- digen Neubildung der Regierung in Niedersachsen stellen. Graaff hat gebeten, diese Verhandlungen der niedersächsischen FDP zu überlassen und diese nicht von außen zu beeinflussen. 4. Der FDP-Landesverband Hamburg wird wieder mit der SPD eine Koalition einge- hen, was der Bundesvorstand bewilligte. Rademacher: Für Dr. Kiep-Altenloh, die Landwirtschaft und Ernährung bearbeitet, wird Müller-Link4 die Wohnungsfragen als Senator bearbeiten, womit die FDP größere Einflußmöglichkeiten als bisher hat. 5. Es wird auf die neue Ausgabe des »Schnelldienstes« hingewiesen.

1 Carlo Graaff, Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Niedersachsen (FDP), Landesvorsit- zender der FDP in Niedersachsen. 2 Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten. 3 Hinrich Wilhelm Kopf, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen (SPD). 4 Peter-Heinz Müller-Link, ab 13. Dezember 1961 Senator für Bauen der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP).

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6. Morgen findet um 10 Uhr eine Kabinettsitzung statt, in der hoffentlich auch Perso- nalfragen behandelt werden. Eine Vereinbarung über Vier-Mächte-Berlin- Verhandlungen ist mit de Gaulle5 nicht zustande gekommen. Dr. Achenbach, Döring, Dr. Flitz sind in Paris bei der Tagung der Westeuropäischen Union vertre- ten. 7. In dem gestrigen von Erhard6 geführten Fernsehgespräch soll dieser das Koalitions- abkommen abgewertet haben. Dr. Mende ist der Auffassung, daß man Erhard nicht zu stark angreifen solle, denn dieser könne sich evtl. auf ihn berufen, da er Erhard am 26.10. gesagt hat, wenn er Kanzler würde, dann brauchen wir kein Koalitionsab- kommen. Dr. Kohut: Erhard hat auch – versteckt, ohne es zu nennen – das Entwicklungshil- feministerium angegriffen. Dr. Effertz: Wir können diese Ausführungen Erhards nicht unwidersprochen hin- nehmen. Dr. Dahlgrün: Erhard kann sich nicht auf Mende beziehen. Scheel: Er verliest die entscheidenden Stellen des Erhard-Interviews mit Wessel7. Danach hat sich nach seiner Auffassung Erhard bis auf einige Fauxpas korrekt ver- halten. 8. Dr. Hamm wird zu seinem 40. Geburtstag gratuliert. 9. Zu der Forderung der UdSSR nach Auslieferung von General Heusinger8 sollten wir keinen Kommentar abgeben. 10. Dr. Bucher bittet Dürr, den Oscar an Dr. Kohut (für Verbreitung des Slogans »Ko- hut tut gut«) zu verleihen – was geschieht. 11. von Kühlmann: Er gibt einen in Zusammenarbeit mit Dr. Kohut vorbereiteten Bericht über die vorgesehene Entschädigung der Vorstandsmitglieder. Danach wird vorgeschlagen: 1. Der Fraktionsvorstand erhält eine Pauschalentschädigung von DM 1 000,–, 2. die übrigen Mitglieder des Vorstandes erhalten für die Tage ihrer Anwesenheit in der Fraktion über Präsenztage hinaus pro Tag 50,– DM. Eisenmann: Er plädiert für Annahme des Vorschlages ohne Diskussion. Beschluß: Der Vorschlag wird von der Fraktion angenommen, von Kühlmann wird gebeten, in der 1. Fraktionssitzung nach dem 1.4.1962 über die mit dieser Regelung gemachten Erfahrungen zu berichten. 12. Dr. Starke: Der Kanzler wird eine Kommission zur Vorbereitung der Steuer- und Finanzreform vorschlagen. Wir sollten unsererseits eine Kommission bilden, die aus Bundes- und Landesvertretern besteht, damit uns die CDU hier nicht zuvorkommt. Dr. Mende: Er schlägt für diese Kommission die Bundesminister Dr. Starke und Lenz, die ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Finanzausschusses so- wie die ehemaligen und die amtierenden Länderfinanzminister der FDP vor. Hierüber wird ein Beschluß herbeigeführt.

5 Charles de Gaulle, Präsident der Französischen Republik. 6 , MdB (CDU), Bundesminister für Wirtschaft, Vizekanzler. 7 Kurt Wessel, Moderator der Fernsehreihe »Unter uns gesagt« des Bayerischen Rundfunks. 8 Adolf Heusinger, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, 1957–März 1961 Generalinspekteur der Bundeswehr.

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13. Dr. Starke: Der Außenhandelsausschuß hat im Gegensatz zur Regierungsvorlage eine 5 %ige Zollsenkung beschlossen. Die Fraktion sollte sich dem Vorschlag des Außenhandelsausschusses anschließen. Dr. Mende: Einverstanden. 14. Dr. Starke: Durch die EWG erscheint der Subventionsantrag für die Tabakbauern in Baden (und Bayern) problematisch. Auch er ist der Auffassung, daß hier etwas getan werden muß. Der Antrag kann aber in der vorliegenden Form nicht akzeptiert werden – der Bauer muß selbst etwas bekommen. Dr. Kohut: Er stellt die Frage, ob es zweckmäßig ist, den deutschen Tabakbauern am Leben zu behalten, oder ob man diesem nicht nahelegen sollte, auf andere Pro- duktionsmöglichkeiten auszuweichen. Reichmann: Die 17 000 kleinbäuerlichen Tabakpflanzer sind in ihre bedrängte Lage nur durch Maßnahmen der Regierung gekommen, nur dadurch sind sie jetzt von Subventionen abhängig. Dr. Rutschke: Der deutsche Tabak entspricht der deutschen Geschmacksrichtung. Sonderkulturen müssen gefördert werden. Dr. Effertz: Eine deutsche Zigarre nach deutschem Geschmack ist nur mit deut- schem Tabak herstellbar. Dr. Atzenroth: Wenn der deutsche Tabak so gut ist, bedarf er keiner Subvention. Weber: Der deutsche Tabak ist geschmacksneutral. Durch Abnahmezwang zu Fest- preisen könnte man Subventionen vermeiden. Ertl: Einige unserer Abgeordneten haben den eingebrachten Antrag unterschrieben. Wir müssen daher zu einer positiven Entscheidung kommen. Dr. Starke: Er hat sich nur gegen die Form gewandt, ist aber grundsätzlich dafür, daß man dem Tabakbauern hilft. Nur muß eine andere Lösung gefunden werden. Er spricht sich für einen Grundsatzbeschluß im positiven Sinne aus, wobei man sich die Form noch überlegen muß. Murr: Man sollte den alten Beimischungszwang wiederherstellen. Dr. Mende: Er stellt fest, daß der Grundsatzbeschluß im Sinn von Dr. Starke akzep- tiert wird. 15. Dr. Starke: Eine Weihnachtsgratifikationsregelung für die Beamten hat schwerwie- gende finanzielle Folgen (Rentner, Kriegsopfer, Staatsangestellte in Ruhe, Gesamt- aufwand würde dann bei 1,5 Mrd. DM. liegen). Der Kabinettsbeschluß wurde unter dem Vorbehalt gefaßt, daß keine weiteren Anträge in dieser Angelegenheit vorgelegt werden. Im sozialpolitischen Ausschuß hat die CDU und die FDP alle SPD- Anträge niedergestimmt. Im Koalitionsausschuß hat man sich ebenfalls gegen die Weihnachtsgratifikation gewandt. Ebenso lehnte der Haushaltsausschuß die Kabi- nettsvorlage angesichts der auf uns zukommenden Ausgabenlawine ab. Obgleich wir also für eine positive Regelung für die Beamten sind, können wir ihr wegen der Weiterungen nicht zustimmen. Die Post ist vorgeprellt, obgleich sie der Zustim- mung des Finanzministers bedurft hätte. Einen Teil bewilligen, heißt hier das Ganze geben. Wenn aber der Kanzler versichert, daß kein Antrag vom linken Flügel der CDU kommt, wird er der ursprünglich vorgesehenen Regelung zustimmen. Gibt er diese Versicherung aber nicht, so wird Dr. Starke die Auszahlung ablehnen. Von der SPD liegen Anträge mit einer Ausgabenwirkung von 1,5 Mrd. DM vor. Das ist un- erträglich, denn wenn das alles durchkommt, ist eine Finanz- und Steuerreform mit einer Steuersenkung auch für 1963 nicht mehr möglich. Er spricht sich für eine iso-

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lierte Lösung der Gratifikationsfrage bei der Besoldungsnovelle aus, lehnt sie aber zu diesem unglücklichen Zeitpunkt ab und schlägt vor, daß wir hierüber eine Pres- seerklärung abgeben. Schultz: Der Beamtenbund hatte die Weihnachtsgeldfrage schon nahezu abge- schrieben, da auch er sich der Weiterungen bewußt war. Er warnt davor, den Kanz- ler einzuschalten, wir sollten zu allen Vorschlägen nein sagen. Dr. Mende: Er verweist auf die loyale Haltung, die Blank9 in dieser Frage einge- nommen hat. Dorn: Im Grundsatz entspricht seine Auffassung den von Dr. Starke vorgetragenen Ausführungen. Man kann aber die Frage des Weihnachtsgeldes für Beamte nicht mit der Frage des Weihnachtsgeldes für andere Kreise koppeln. Daher ist er für Vor- schußregelung beschränkt auf die aktiven Beamten. Dr. Hamm: Wir kommen mit unserem »Hart-sein« etwas spät. Dr. Starke: Die Gleichstellung von aktiven Beamten und Pensionären ist durch Verfassungsgerichtsurteil festgelegt. Er ist nicht bereit, hier irgendwelche Winkelzü- ge zu versuchen. Die Länder wurden von Staatssekretär Anders10 zum Vorprellen veranlaßt, um den Boden für die Bundesbeamten vorzubereiten. Dorn: Wenn wir uns einig sind, daß wir das Weihnachtsgeld auf die Beamten be- schränken wollen, dann brauchen wir uns um die anderen nicht zu kümmern. Dr. Starke: So einfach ist die Angelegenheit nicht zu regeln. Wir haben die CDU dazu gebracht, daß sie sich im sozialpolitischen Ausschuß ablehnend verhält, was ihr gewiß nicht leicht gefallen ist. Nun können wir ihr nicht in den Rücken fallen. Ertl: Obgleich er selbst Beamter ist, spricht er sich für die grundsätzliche Ableh- nung aus. Auch Strauß11 sollte zur Sparsamkeit gemahnt werden. Abstriche müssen überall gemacht werden. Dr. Starke: Er braucht die Ablehnung der FDP und er benötigt auch die Länderfi- nanzminister, um Strauß in die Zügel fallen zu können. Ollesch: Eine Weihnachtsgeldregelung ist nicht mehr zu bremsen. Er ist für ein Weihnachtsgeld für Beamte und für Versorgungsberechtigte. Mischnick: Wenn wir ja sagen und die Lawine ins Rollen kommt, dann wird Blank sein Nein ebenfalls zurückziehen und seine Anträge für die Unterhaltsempfänger stellen; daher sollten wir dem Vorschlag von Dr. Starke folgen. Dr. Atzenroth: Wir müssen für Sparsamkeit sorgen und um den Währungsverfall aufzuhalten. Daher unterstützt er den Vorschlag Dr. Starkes. Dieser muß konse- quenterweise aber auch ein absolutes Nein zu den Beamten sagen. Schultz: Wir haben die einmalige Chance, Politik zu machen. Er ist für ein glattes Nein. Spitzmüller: Wir sollten hart bleiben. Weihnachtsgeld für Beamte haben wir schließlich im Wahlkampf nicht gefordert. Dr. Diemer-Nicolaus: Unser wichtigstes Ziel muß die Durchführung der Steuer- und Finanzreform sein. Diese muß uns gelingen. Dann können wir uns jetzt aber keine Gefälligkeiten leisten.

9 , MdB (CDU), Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. 10 Georg Anders, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern. 11 Franz Josef Strauß, MdB (CSU), Bundesminister für Verteidigung.

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Dr. Miessner: Der Kanzler soll die Garantie für den linken CDU-Flügel haben, dann kann die vorgesehene Regelung für die aktiven Beamten durchgeführt werden. Dr. Mende: Er bittet Dr. Starke, seinen Vorschlag noch einmal zu formulieren. Dr. Starke: Die Frage ist wichtig, nicht nur wegen der Höhe des Betrages, sondern auch wegen der hier praktizierten guten Zusammenarbeit mit der CDU, die ein gu- ter Auftakt für die Koalition war. Die Schuld, daß die Dinge so gelaufen sind, liegt auch bei den Beamtenverbänden, die die Vorschußregelung ablehnten und eine Gra- tifikation forderten, wodurch die Weihnachtsgeldfrage in das falsche Fahrwasser kam. Daher können wir die alte Lösung nicht mehr isoliert durchsetzen. Seinen Vorschlag, sich mit dem Kanzler in Verbindung zu setzen, hat er nur deshalb ge- macht, weil dieser der einzige ist, der den linken CDU-Flügel fangen kann. Eine iso- lierte Lösung für die Beamten ist also zu diesem Zeitpunkt nur noch mit ihm zu er- reichen. von Kühlmann: Er macht darauf aufmerksam, daß im Koalitionsausschuß die abso- lute Ablehnung vereinbart wurde. Dr. Mende: Er bestätigt die Ausführungen von Kühlmanns und stellt zunächst als den weitestgehenden Antrag die absolute Ablehnung zur Debatte. Abstimmung: Die Mehrheit der Fraktionsmitglieder stimmt für eine absolute Ablehnung (gegen ca. 10 Stimmen). Spitzmüller: Wenn eine Regelung erreicht werden kann, nach der das Weihnachts- geld auf die Beamten beschränkt wird, müssen wir aber dieser zustimmen. Dr. Starke: Wenn er die Zusage bekommt, daß über die Beamtenweihnachtsgeldre- gelung hinaus keine Anträge gestellt werden, wird er sich dieser Lage nicht ver- schließen. 16. Schultz: Er bittet um eine Orientierung der Fraktion über die Personalfragen, so- wohl in bezug auf die Staatssekretäre als auch auf den Unterbau. Dr. Mende: Zunächst tragen hierfür die Bundesminister die Verantwortung. Vor allem sollten sie ihre persönlichen Referenten aus unseren Kreisen nehmen. Weiter- hin wurden die Beamten der FDP erfaßt und ein Ausschuß gebildet, dem Sattler12, Weirauch13 und Dr. Frauenknecht angehören. Am 20.12. soll eine Besprechung über Personalfragen zwischen der Verhandlungskommission und dem Kanzler statt- finden. Bisher wurden als Staatssekretäre nominiert: Entwicklungshilfeministerium: Dr. Sonnenhol14 (von Scheel), Schatzministerium: Vialon15 (von Lenz). Nach der Mitteilung Dr. Mendes, daß Vialon der FDP angelastet wird, entwickelt sich eine Diskussion darüber, ob diese Lösung für uns tragbar ist. Weitgehend sind die Sprecher der Auffassung, daß man Vialon der FDP nicht anlasten könne und

12 Dieter Sattler, Ministerialdirektor und Leiter der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes. 13 Lothar Weirauch, Mitarbeiter im Bundesministerium für Verteidigung. 14 Gustav Adolf Sonnenhol, Botschafter bei der Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, ab Mai 1962 Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung I (u. a. Finanz- und Wirtschaftsfragen der Entwicklungshilfe, Internationale Zu- sammenarbeit) im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

15 Friedrich Karl Vialon, Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung II (u. a. Wirtschaft, Landwirt- schaft, Soziales und Verkehr) im Bundeskanzleramt, ab März 1962 Staatssekretär im Bundesministe- rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

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besser einen FDP-Mann hierfür nominieren sollte. Dr. Mende vertritt den Stand- punkt, daß diese Frage nur in Anwesenheit von Lenz diskutiert werden kann. Dr. Mende: Weiter wurden nominiert: für das Landwirtschaftsministerium: Dr. Effertz, für das Innenministerium: Eilers16, der von Höcherl17 mit der Begründung abge- lehnt wird, daß er kein Jurist ist; an seiner Stelle wurde daher Dr. Bucher für das In- nenministerium vorgeschlagen. Für das Gesundheitsministerium wurde Dr. Dehler18 nominiert, Dr. Schwarz- haupt19 möchte jedoch zunächst keinen Staatssekretär haben und dementierte auch, daß sie aus ihrem Apparat jemanden nominieren will (einige Abgeordnete sind ge- genteiliger Auffassung). Als zweiten Staatssekretär für das Wohnungsbauministeri- um (Raumordnung) wurde Dr. Miessner nominiert, für das Verkehrsministerium wurde Kienbaum20 genannt. Mischnick: Strittige Fragen können nur über die Verhandlungskommission gelöst werden. Die Vorschläge gehen von den zuständigen Ministern aus. Daher muß das Tableau insgesamt vorgelegt und besprochen werden. von Kühlmann: Die Verhandlungskommission sollte, bevor ein Kabinettsbeschluß zustande kommt, gehört werden. Das sollte der Vorsitzende dem Bundeskanzler aufgrund eines Fraktionsbeschlusses mitteilen. In das Tableau ist auch das Kanzler- amt und das Bundespresseamt einzubeziehen. Scheel: Er hat den Eindruck, daß das Bundeskanzleramt bestrebt ist, diese Dinge einer Lösung zuzuführen. Kreitmeyer: Er spricht sich für eine geheime Abstimmung auch über die zu nomi- nierenden Staatssekretäre noch vor der Sitzung des 20.12. aus. Dr. Emde: Auch die Frage der Besetzung der Ministerialdirektoren sollte von der Verhandlungskommission bearbeitet werden. Zoglmann: Die Argumentation dürfte nicht leicht sein, da festgestellt wurde, daß von 60 Ministerialdirektoren 46 parteilos sind. In erster Linie müssen die Minister und die Staatssekretäre für den Unterbau sorgen. Wächter: Er unterstützt den Vorschlag Kreitmeyers. Kühn: Er macht darauf aufmerksam, daß die Beamten nicht beliebig ausgewechselt werden können. Stellen können nur dort besetzt werden, wo sie frei sind. Dr. Mende: Die Ministerialdirektoren können nicht von der Verhandlungskommis- sion bearbeitet werden, das ist Sache der Minister. Ertl: Die Ministerialdirektoren sind politische Beamte und können also auch nach politischen Gesichtspunkten eingesetzt werden. Zum mindesten sollten wir aber ei- ne Globalforderung anmelden. Auch in den unteren Positionen sollten wir FDP- Leute bedenken.

16 Jan Eilers, Oberstadtdirektor von Oldenburg in Oldenburg, 1957–1961 MdB (FDP), 1957–1961 stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. 17 Hermann Höcherl, MdB (CSU), Bundesminister des Innern. 18 Klaus Dehler, MdL Bayern (FDP), Mitglied des FDP-Landesvorstandes Bayern. 19 , MdB (CDU), Bundesministerin für Gesundheitswesen. 20 Gerhard Kienbaum, MdL Nordrhein-Westfalen (FDP), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des nordrhein-westfälischen Landtages.

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Funcke: Sie fragt nach der Nominierung Frau Barowskys21 im Familienministeri- um. Dr. Mende: Den fünf Ministern ist dieser Vorschlag bekannt. Weitere Vorschläge sind Dr. Diemer und Dr. Tangemann22. Rademacher: Wir sollten erst einmal die Ressorts aushandeln, in denen wir Staats- sekretäre bekommen sollen. Dr. Mende: Im Augenblick sind nur verfügbar das Landwirtschaftsministerium, das Entwicklungshilfeministerium, das Schatzministerium und das Familienministeri- um, auf das wir aber weniger Wert legen. Kühn: Anders hat Altersdispens im Innenministerium bis zum Mai bekommen. Als politischer Beamter könnte er aber auch früher abgelöst werden. Dr. Mende: Entsprechend dem Vorschlag von Dorn wird ein Ausschuß zur Erörte- rung von Beamtenfragen mit von Kühlmann als Vorsitzenden gebildet. Weitere Mitglieder sind Kühn, Dorn, Kreitmeyer, Dürr. Dr. Emde: Wenn wir im Finanzministerium den Minister stellen und dazu den Staatssekretär im Innenministerium, haben wir alle personalpolitischen Möglichkei- ten in der Hand. Nach seiner Erfahrung in Nordrhein-Westfalen sollten wir aber vorsichtig sein mit Ausschüssen, die von Beamten gebildet werden und die diese Fragen behandeln sollen. Kreitmeyer: Er bittet, eine Abstimmung über Vialon herbeizuführen und schlägt an seiner Stelle Dr. Bucher vor. Dr. Emde: Wir sollten Vialon akzeptieren, wenn an die Stelle von Vialon im Bun- deskanzleramt ein Mann von uns tritt, wobei an Niebel23 zu denken ist. Dr. Mende: Niebel hat kein Interesse, nach Bonn zu kommen, da er sich bei der Regierungsbildung von Nordrhein-Westfalen größere Chancen ausrechnet. Spitzmüller: Wir sollten heute bei dieser Besetzung nicht über die Staatssekretärfra- ge abstimmen, sondern dann lieber morgen noch einmal zusammenkommen. Dr. Dahlgrün: Wir können der Verhandlungskommission durch eine solche Wahl nicht die Hände binden. Soetebier: Er schlägt Dr. Imle für ein Staatssekretäramt für koordinierte Mittel- standsfragen im Wirtschaftsministerium vor. Von der Lösung »Bundeskanzleramt« ist er abgekommen. Dr. Mende: Dr. Imle scheidet aus, weil er Mitglied der Verhandlungskommission ist. Er glaubt auch nicht, daß man jetzt bereit ist, einen solchen Apparat aufzubauen. Da ein Abgeordneter nur in Ausnahmefällen Staatssekretär werden sollte, hält er höchstens zwei Abgeordnete in dieser Fraktion für das […]24 tragbar. Weber: Er betont die Wichtigkeit der Fraktionsarbeit. Wenn jeder Staatssekretär werden will, wer bleibt dann eigentlich noch in der Fraktion?

21 Ella Barowsky, 1946–1955 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung bzw. des Abgeordnetenhauses von Berlin (FDP), 1951–1955 Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Schöneberg (FDP), 1955–1959 Be- zirksstadträtin für Finanzen in Berlin-Wilmersdorf (FDP). 22 Ruth Tangemann, Referentin für Frauen- und Verbraucherfragen in der FDP-Bundesgeschäftsstelle. 23 Fritz Niebel, Mitarbeiter im Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1950–1957 Ge- schäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, ab 1962 Leiter des Koordinierungs- und Planungsbüros im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. 24 Wort in der Vorlage unleserlich.

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Dr. Lüders25: Sie hat den Eindruck, daß Frau Barowsky nicht Staatssekretär, son- dern lieber Ministerialdirektor werden möchte. [B.] TOP II: Bericht aus dem Ältestenrat Dürr: Der Vorstand des Bundestages soll nunmehr aus dem Präsidenten, den vier Vize- präsidenten, je einem Parlamentarischen Geschäftsführer jeder Fraktion und insgesamt 15 Schriftführern (davon einer FDP) bestehen. Zoglmann: Es ist vorgesehen, daß 242 Abgeordnetenräume neu geschaffen werden, damit nicht mehr wie bisher 2–3 Abgeordnete sich einen Raum teilen müssen. Dr. Starke: Er würde das unterstützen. [C.] TOP V: Bestimmung eines Mitgliedes für die NATO-Bürgerkonferenz Dr. Mende: Das Mitglied der NATO-Bürgerkonferenz soll kein Abgeordneter sein, er schlägt dafür Frau Dr. Ilk26 vor. TOP VI: Bestimmung eines Vertreters für den Forschungsbeirat für Fragen der Wie- dervereinigung Deutschlands Dr. Mende: Diese Aufgabe sollte Dr. Kohut übernehmen. TOP VII: Bestimmung eines Vertreters für den Lastenausgleichsausschuß im Bund der Vertriebenen Dr. Mende: Hier wird Dr. Rutschke nominiert. TOP VIII: Bestimmung eines Vertreters für die parlamentarische Arbeitsgruppe Europa – Afrika Dr. Mende: Er schlägt Dr. Aschoff vor. Scheel: Diese Angelegenheit sollte zurückgestellt werden, bis die Frage des Entwick- lungsausschusses geklärt ist, denn unser Vertreter sollte gleichzeitig Mitglied dieses Entwicklungsausschusses sein. [D.] TOP IV: Vorbereitung der Tagesordnung Vorsitz: Dr. Bucher. Zoglmann: Die SPD wird drei Anträge analog zum Beamtenweihnachtsgeld vorlegen und in einer Geschäftsordnungsdebatte beantragen, daß dieser in die Tagesordnung aufgenommen wird. Mommer27 wurde um eine zusammenfassende Darstellung gebe- ten. Wir müssen aber auch darauf vorbereitet sein, daß die Anträge einzeln von der SPD vorgebracht werden. Weiterhin wird die SPD die Aufnahme ihrer Anträge auf Zucker-, Tee- und Kaffeesteuersenkung in die Tagesordnung beantragen. Dr. Rutschke: Er hat mit den Kriegsopferverbänden gesprochen und gesagt, daß wir das Weihnachtsgeld für sie deshalb ablehnen werden, um eine grundsätzliche Kriegsop- ferversorgung nicht zu verhindern, denn das würde man als Abfindung betrachten. Dr. Mende: Im Rahmen seiner Ausführungen zur Regierungserklärung, nach denen eine angemessene Berücksichtigung des Entschädigungsprinzips erforderlich ist, müs- sen sich unsere Sprecher halten.

25 Marie-Elisabeth Lüders, 1919–1930 MdR (DDP), 1953–1961 MdB (FDP), Vorsitzende des Bundes- frauenausschusses sowie Ehrenvorsitzende der FDP. 26 Herta Ilk, November 1949–1957 MdB (FDP), Mitglied des Bundesvorstandes der FDP. 27 Karl Mommer, MdB (SPD), Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.

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von Kühlmann: Er wird zur Weihnachtsgeldfrage einen Beitrag liefern. Zoglmann: Das gleiche sollte auch Dr. Rutschke tun. Dr. Bucher: Als Sprecher für die Geschäftsordnungsdebatte sollten wir Zoglmann oder Dürr benennen, Dr. Rutschke und von Kühlmann werden gebeten, die sachlichen Bei- träge dazu schriftlich in zwei Sätzen zu fixieren. Er stellt nunmehr die Kaffee-, Tee- und Zuckersteuerfrage zur Debatte. von Kühlmann: Diese Fragen können erst nach Vorlage des Haushaltsplanes behandelt werden. Wir müssen aber zu unseren alten Anträgen stehen (Entwicklungshilfe, größe- rer Verbrauch durch Steuersenkung). Er ist bereit, die Stichworte hierzu zu liefern. Dr. Bucher: Von Kühlmann sollte zu dieser Frage selbst das Wort ergreifen. Wir kommen nun zur eigentlichen Tagesordnung. Zu Punkt 1 und 2 ist nichts zu bemerken (Fragestunde und Petitionsübersicht), unter Punkt 3 wird die 2. und 3. Beratung des 4. Rentenanpassungsgesetzes behandelt. Spitzmüller: Anträge werden von der FDP nicht dazu gestellt, auf die einzelnen Para- graphen, die in der 2. Lesung behandelt werden, haben sich Ollesch und Weber aufge- teilt. Er wird evtl. selbst zur 3. Lesung sprechen. Dr. Bucher: Zu Punkt 4 und 5 wird keine Debatte stattfinden (Zolltarif und Veräuße- rung der Hacketäuer-Kaserne). P. 6 wurde abgesetzt (Ausschüsse). Unter P. 7 findet die Wahl der Schriftführer statt. P. 8 und 9 (Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volks- vertretung und Wahl zum Vermittlungsausschuß) wird behandelt. P. 10, 11 und 12 wird abgesetzt. Vorsitz: Dr. Mende. Dr. Mende: Er stellt fest, daß am Schluß dieser Sitzung nur noch 23 Abgeordnete in der Fraktion anwesend sind, und bittet, in Zukunft mehr auf die Besetzung zu achten. Er teilt mit, daß Scheel als ständiger Stellvertreter des Außenministers Schröder28 unbe- stritten ist, und daß Scheel den Bundespräsidenten auf seiner Reise nach Afrika beglei- ten wird. Weiterhin gibt er bekannt, daß wechselseitige Weihnachts- und Neujahrs- glückwünsche der Abgeordneten untereinander nicht üblich sind. Dr. Mende schließt die Sitzung und wünscht allen Abgeordneten ein schönes Weih- nachtsfest und ein gutes neues Jahr. Er drückt die Hoffnung aus, daß uns der Friede erhalten bleiben möge.

28 Gerhard Schröder, MdB (CDU), Bundesminister des Auswärtigen.

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