12. Dezember 1961: Fraktionssitzung
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FDP – 04. WP Fraktionssitzung: 12. 12. 1961 12. Dezember 1961: Fraktionssitzung ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-737. Überschrift: »Kurzprotokoll der Sitzung der Fraktion am 12. Dezember 1961«. Zeit: 15.08–19.38 Uhr. Vorsitz: Mende, dazwi- schen: Bucher. Anwesende Fraktionsmitglieder: keine Angabe. Sitzungsverlauf: A. Aussprache über die Regierungsbildung. B. Bericht aus dem Ältestenrat. C. Nominierung von Vertretern für verschiedene Gremien. D. Vorbereitung der Tagesordnung. [A.] TOP I: Geschäftliche Mitteilungen 1. In der Bundesvorstandsitzung vom 8. Dezember 1961 wurde beschlossen, den or- dentlichen Bundesparteitag in der Zeit vom 24. bis 26. Mai 1962 in Düsseldorf durchzuführen; da im Mai auch SPD und CDU ihre Parteitage abhalten, wird Zog- lmann gebeten, im Ältestenrat dafür zu plädieren, daß am Donnerstag, den 24. Mai keine Plenarsitzung stattfindet, da der Parteitag um 14 Uhr beginnen soll. Außerdem wurde beschlossen, daß Anfang Februar 1962 – das genaue Datum liegt noch nicht fest – in Berlin eine Sitzung von Fraktion und Bundesvorstand stattfin- det. 2. Die erste Plenarsitzung im Jahr 1962 findet am 17. Januar statt, am 16. Januar ist ganztägig Fraktionssitzung. 3. Wie Carlo Graaff1 mitteilte, sind drei der BHE2-Abgeordneten aus Niedersachsen zur FDP übergetreten, unter anderem der Vizepräsident des niedersächsischen Landtages. Damit hat die FDP 10 Abgeordnete im niedersächsischen Parlament. Da mit dem Ableben Kopfs3 zu rechnen ist, wird sich die Frage einer dann notwen- digen Neubildung der Regierung in Niedersachsen stellen. Graaff hat gebeten, diese Verhandlungen der niedersächsischen FDP zu überlassen und diese nicht von außen zu beeinflussen. 4. Der FDP-Landesverband Hamburg wird wieder mit der SPD eine Koalition einge- hen, was der Bundesvorstand bewilligte. Rademacher: Für Dr. Kiep-Altenloh, die Landwirtschaft und Ernährung bearbeitet, wird Müller-Link4 die Wohnungsfragen als Senator bearbeiten, womit die FDP größere Einflußmöglichkeiten als bisher hat. 5. Es wird auf die neue Ausgabe des »Schnelldienstes« hingewiesen. 1 Carlo Graaff, Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Niedersachsen (FDP), Landesvorsit- zender der FDP in Niedersachsen. 2 Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten. 3 Hinrich Wilhelm Kopf, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen (SPD). 4 Peter-Heinz Müller-Link, ab 13. Dezember 1961 Senator für Bauen der Freien und Hansestadt Hamburg (FDP). Copyright © 2018 KGParl 1 FDP – 04. WP Fraktionssitzung: 12. 12. 1961 6. Morgen findet um 10 Uhr eine Kabinettsitzung statt, in der hoffentlich auch Perso- nalfragen behandelt werden. Eine Vereinbarung über Vier-Mächte-Berlin- Verhandlungen ist mit de Gaulle5 nicht zustande gekommen. Dr. Achenbach, Döring, Dr. Flitz sind in Paris bei der Tagung der Westeuropäischen Union vertre- ten. 7. In dem gestrigen von Erhard6 geführten Fernsehgespräch soll dieser das Koalitions- abkommen abgewertet haben. Dr. Mende ist der Auffassung, daß man Erhard nicht zu stark angreifen solle, denn dieser könne sich evtl. auf ihn berufen, da er Erhard am 26.10. gesagt hat, wenn er Kanzler würde, dann brauchen wir kein Koalitionsab- kommen. Dr. Kohut: Erhard hat auch – versteckt, ohne es zu nennen – das Entwicklungshil- feministerium angegriffen. Dr. Effertz: Wir können diese Ausführungen Erhards nicht unwidersprochen hin- nehmen. Dr. Dahlgrün: Erhard kann sich nicht auf Mende beziehen. Scheel: Er verliest die entscheidenden Stellen des Erhard-Interviews mit Wessel7. Danach hat sich nach seiner Auffassung Erhard bis auf einige Fauxpas korrekt ver- halten. 8. Dr. Hamm wird zu seinem 40. Geburtstag gratuliert. 9. Zu der Forderung der UdSSR nach Auslieferung von General Heusinger8 sollten wir keinen Kommentar abgeben. 10. Dr. Bucher bittet Dürr, den Oscar an Dr. Kohut (für Verbreitung des Slogans »Ko- hut tut gut«) zu verleihen – was geschieht. 11. von Kühlmann: Er gibt einen in Zusammenarbeit mit Dr. Kohut vorbereiteten Bericht über die vorgesehene Entschädigung der Vorstandsmitglieder. Danach wird vorgeschlagen: 1. Der Fraktionsvorstand erhält eine Pauschalentschädigung von DM 1 000,–, 2. die übrigen Mitglieder des Vorstandes erhalten für die Tage ihrer Anwesenheit in der Fraktion über Präsenztage hinaus pro Tag 50,– DM. Eisenmann: Er plädiert für Annahme des Vorschlages ohne Diskussion. Beschluß: Der Vorschlag wird von der Fraktion angenommen, von Kühlmann wird gebeten, in der 1. Fraktionssitzung nach dem 1.4.1962 über die mit dieser Regelung gemachten Erfahrungen zu berichten. 12. Dr. Starke: Der Kanzler wird eine Kommission zur Vorbereitung der Steuer- und Finanzreform vorschlagen. Wir sollten unsererseits eine Kommission bilden, die aus Bundes- und Landesvertretern besteht, damit uns die CDU hier nicht zuvorkommt. Dr. Mende: Er schlägt für diese Kommission die Bundesminister Dr. Starke und Lenz, die ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Finanzausschusses so- wie die ehemaligen und die amtierenden Länderfinanzminister der FDP vor. Hierüber wird ein Beschluß herbeigeführt. 5 Charles de Gaulle, Präsident der Französischen Republik. 6 Ludwig Erhard, MdB (CDU), Bundesminister für Wirtschaft, Vizekanzler. 7 Kurt Wessel, Moderator der Fernsehreihe »Unter uns gesagt« des Bayerischen Rundfunks. 8 Adolf Heusinger, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, 1957–März 1961 Generalinspekteur der Bundeswehr. Copyright © 2018 KGParl 2 FDP – 04. WP Fraktionssitzung: 12. 12. 1961 13. Dr. Starke: Der Außenhandelsausschuß hat im Gegensatz zur Regierungsvorlage eine 5 %ige Zollsenkung beschlossen. Die Fraktion sollte sich dem Vorschlag des Außenhandelsausschusses anschließen. Dr. Mende: Einverstanden. 14. Dr. Starke: Durch die EWG erscheint der Subventionsantrag für die Tabakbauern in Baden (und Bayern) problematisch. Auch er ist der Auffassung, daß hier etwas getan werden muß. Der Antrag kann aber in der vorliegenden Form nicht akzeptiert werden – der Bauer muß selbst etwas bekommen. Dr. Kohut: Er stellt die Frage, ob es zweckmäßig ist, den deutschen Tabakbauern am Leben zu behalten, oder ob man diesem nicht nahelegen sollte, auf andere Pro- duktionsmöglichkeiten auszuweichen. Reichmann: Die 17 000 kleinbäuerlichen Tabakpflanzer sind in ihre bedrängte Lage nur durch Maßnahmen der Regierung gekommen, nur dadurch sind sie jetzt von Subventionen abhängig. Dr. Rutschke: Der deutsche Tabak entspricht der deutschen Geschmacksrichtung. Sonderkulturen müssen gefördert werden. Dr. Effertz: Eine deutsche Zigarre nach deutschem Geschmack ist nur mit deut- schem Tabak herstellbar. Dr. Atzenroth: Wenn der deutsche Tabak so gut ist, bedarf er keiner Subvention. Weber: Der deutsche Tabak ist geschmacksneutral. Durch Abnahmezwang zu Fest- preisen könnte man Subventionen vermeiden. Ertl: Einige unserer Abgeordneten haben den eingebrachten Antrag unterschrieben. Wir müssen daher zu einer positiven Entscheidung kommen. Dr. Starke: Er hat sich nur gegen die Form gewandt, ist aber grundsätzlich dafür, daß man dem Tabakbauern hilft. Nur muß eine andere Lösung gefunden werden. Er spricht sich für einen Grundsatzbeschluß im positiven Sinne aus, wobei man sich die Form noch überlegen muß. Murr: Man sollte den alten Beimischungszwang wiederherstellen. Dr. Mende: Er stellt fest, daß der Grundsatzbeschluß im Sinn von Dr. Starke akzep- tiert wird. 15. Dr. Starke: Eine Weihnachtsgratifikationsregelung für die Beamten hat schwerwie- gende finanzielle Folgen (Rentner, Kriegsopfer, Staatsangestellte in Ruhe, Gesamt- aufwand würde dann bei 1,5 Mrd. DM. liegen). Der Kabinettsbeschluß wurde unter dem Vorbehalt gefaßt, daß keine weiteren Anträge in dieser Angelegenheit vorgelegt werden. Im sozialpolitischen Ausschuß hat die CDU und die FDP alle SPD- Anträge niedergestimmt. Im Koalitionsausschuß hat man sich ebenfalls gegen die Weihnachtsgratifikation gewandt. Ebenso lehnte der Haushaltsausschuß die Kabi- nettsvorlage angesichts der auf uns zukommenden Ausgabenlawine ab. Obgleich wir also für eine positive Regelung für die Beamten sind, können wir ihr wegen der Weiterungen nicht zustimmen. Die Post ist vorgeprellt, obgleich sie der Zustim- mung des Finanzministers bedurft hätte. Einen Teil bewilligen, heißt hier das Ganze geben. Wenn aber der Kanzler versichert, daß kein Antrag vom linken Flügel der CDU kommt, wird er der ursprünglich vorgesehenen Regelung zustimmen. Gibt er diese Versicherung aber nicht, so wird Dr. Starke die Auszahlung ablehnen. Von der SPD liegen Anträge mit einer Ausgabenwirkung von 1,5 Mrd. DM vor. Das ist un- erträglich, denn wenn das alles durchkommt, ist eine Finanz- und Steuerreform mit einer Steuersenkung auch für 1963 nicht mehr möglich. Er spricht sich für eine iso- Copyright © 2018 KGParl 3 FDP – 04. WP Fraktionssitzung: 12. 12. 1961 lierte Lösung der Gratifikationsfrage bei der Besoldungsnovelle aus, lehnt sie aber zu diesem unglücklichen Zeitpunkt ab und schlägt vor, daß wir hierüber eine Pres- seerklärung abgeben. Schultz: Der Beamtenbund hatte die Weihnachtsgeldfrage schon nahezu abge- schrieben, da auch er sich der Weiterungen bewußt war. Er warnt davor, den Kanz- ler einzuschalten, wir sollten zu allen Vorschlägen nein sagen. Dr. Mende: Er verweist auf die loyale Haltung, die Blank9 in dieser Frage einge- nommen hat. Dorn: Im Grundsatz entspricht seine Auffassung den von Dr. Starke vorgetragenen Ausführungen. Man kann aber die Frage des Weihnachtsgeldes für Beamte nicht mit der Frage des Weihnachtsgeldes für andere Kreise koppeln. Daher ist er für Vor- schußregelung beschränkt auf die aktiven Beamten. Dr. Hamm: Wir kommen mit unserem »Hart-sein« etwas spät. Dr.