Deutscher

Stenographischer Bericht

208. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Inhalt:

Eintritt des Abg. Emeis in den Deutschen des Grundgesetzes — Drucksache 7/4167 —, Bundestag . . . . . . . . . . . . 14315 A Bericht und Antrag des Innenausschusses — Drucksache 7/4384 — Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Dr. Schäfer (Tübingen) SPD ...... 14349 C Kempfler . . . . . . . . . . . . . 14315 A Gerster (Mainz) CDU/CSU ...... 14341 B Uberweisung von Vorlagen an Ausschüsse 14315 B Dr. Wendig FDP ...... 14343 C Lemp SPD ...... 14346 D Absetzung eines Punktes von der Tages- ordnung . . . . . . . . . . . . . 14316 B Ey CDU/CSU ...... 14349 C Schirmer SPD ...... 14351 B Nachruf auf den Abg. Graaff ...... 14336 B von Alten-Nordheim CDU/CSU . . . . . 14353 A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 14315 B Groß, Minister des Landes Niedersachsen 14355 D Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU . . . . 14357 B Beratung des Einspruchs des Bundesrates zum Gesetz zur Verbesserung der Haus- Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär BMI . . 14358 C haltsstruktur im Geltungsbereich des Ar Carstens (Emstek) CDU/CSU ...... 14359 D und des Bundesversor--beitsförderungs- gungsgesetzes — Drucksache 7/4411 — Zweite Beratung des vom Bundesrat einge- Glombig SPD ...... 14336 D brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes Müller (Remscheid) CDU/CSU . . . . .14337 D zur Anderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch — Drucksache 7/4017 —, Zweite und dritte Beratung des von der Bericht und Antrag des Sonderausschusses Bundesregierung eingebrachten Entwurfs für die Strafrechtsreform — Drucksache eines Gesetzes über die Regelung der Lan- 7/4354 — deszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Freiherr Ostman von der Leye SPD . . . 14361 B Oldenburg und des Landkreises Schaum - burg-Lippe nach Artikel 29 Abs. 3 Satz 2 Spranger CDU/CSU ...... 14362 A II Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Zweite und dritte Beratung des von der Erste Beratung des von der Bundesregie Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eingebrachten Entwurfs eines Geset--rung eines Gesetzes über die Neuorganisation zes zu dem Zusatzprotokoll vom 28. April der Marktordnungsstellen - Drucksache 1975 zum Abkommen zur Gründung einer 7/4021 —, Bericht und Antrag des Ausschus- Assoziation zwischen der Europäischen ses für Ernährung, Landwirtschaft und For- Wirtschaftsgemeinschaft und Griechenland s ten — Drucksache 7/4408 — infolge des Beitritts neuer Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft — Drucksache 7/4382 — 14380 C Büchler (Hof) SPD ...... 14363 B

Zweite und dritte Beratung des von der Erste Beratung des von der Bundesregie- Bundesregierung eingebrachten Entwurfs rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- eines Tierzuchtgesetzes — Drucksache zes zu dem Vertrag vom 24. Oktober 1974 7/4008 —, Bericht und Antrag des Ausschus- zwischen der Bundesrepublik Deutschland ses für Ernährung, Landwirtschaft und For- und der Französischen Republik zu dem sten — Drucksache 7/4402 — Europäischen Ubereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen Schröder (Wilhelminenhof) CDU/CSU . . 14364 C — Drucksache 7/4360 — ...... 14380 C

Zweite und dritte Beratung des von der Erste Beratung des von der Bundesregie- Bundesregierung eingebrachten Entwurfs rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- eines Vierten Gesetzes zur Änderung des zes über den rechtlichen Status der Bundes- Gesetzes über den Finanzausgleich zwi- wasserstraße Elbe-Seitenkanal — Druck- schen Bund und Ländern — Drucksache sache 7/4381 — ...... 14380 C 7/4059 —, Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Druck- sache 7/4399 —, Bericht und Antrag des Erste Beratung des von der Bundesregie- Finanzausschusses — Drucksache 7/4398 — 14365 D rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Zweite Beratung und Schlußabstimmung des die Landwirtschaftliche Rentenbank — von der Bundesregierung eingebrachten 7/4380 — ...... 14380 Drucksache D Entwurfs eines Gesetzes zu dem AKP-EWG- Abkommen von Lomé vom 28. Februar 1975 Erste Beratung des von der Bundesregie- - sowie zu den mit diesem Abkommen in rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Zusammenhang stehenden Abkommen — zes über die Pockenschutzimpfung — Druck- 7/4139 —, Bericht des Haus- Drucksache sache 7i4375 — ...... 14380 D haltsausschusses gemäß § 96 der Geschäfts- ordnung — Drucksache 7/4405 —, Bericht und Antrag des Auswärtigen Ausschusses Erste Beratung des von der Bundesregie- — Drucksache 7/4404 — rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Geflügelfleisch - Dr. Corterier SPD ...... 14366 B hygienegesetzes — Drucksache 7/4413 — 14380 D Hofmann SPD ...... 14367 D Roser CDU/CSU ...... 14369 C Erste Beratung des von der Bundesregie- Zywietz FDP ...... 14371 B rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- z es zur Änderung des Entwicklungshelfer Wischnewski, Staatsminister AA . . . 14372 C Gesetzes — Drucksache 7/4393 — Bühling SPD ...... 14381 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Schleifenbaum FDP ...... 14382 A eines Gesetzes zur Änderung des Waffen- gesetzes — Drucksache 7/2379 —, Bericht Dr. Todenhöfer CDU/CSU ...... 14382 C und Antrag des Innenausschusses — Druck- sache 7/4407 — Erste Beratung des von den Abgeordneten Pensky SPD ...... 14374 B, D Hauser (Krefeld), Schmidhuber, Lampers- bach, Dr. von Bismarck, Engelsberger, von Entrup CDU/CSU ...... 14376 B Bockelberg, Pohlmann, Schedl, Dr. Müller Dr. Wendig FDP ...... 14377 D Hermann, Dr. Zeitel, Dr. Becker (Mönchen- Haase (Kassel), Dr. Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär BMI . . 14379 A gladbach), Gewandt, Luda, Schröder (Lüneburg), Dr. Stavenha- gen und der Fraktion der CDU/CSU einge- Erste Beratung des von der Bundesregie- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur För- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- derung der kleinen und mittleren Unter- zes zur Änderung des Kapitalverkehr - nehmen sowie der freien Berufe und zur steuergesetzes — Drucksache 7/4374 — . . 14380 B Sicherung von Arbeitsplätzen in der mit- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 III telständischen Wirtschaft (Bundesmittel Verordnung (EWG) des Rates über die zoll- Drucksache-standsförderungsgesetz) — tarifliche Behandlung bestimmter Erzeug- 7/4284 — nisse, die zur Verwendung beim Bau, bei der Instandhaltung oder der Instandsetzung Hauser (Krefeld) CDU/CSU ...... 14383 A von Luftfahrzeugen bestimmt sind Dr. Schachtschabel SPD ...... 14386 A Dr. Graf Lambsdorff FDP ...... 14388 B Verordnung (EWG) des Rates über die zoll Behandlung bestimmter, aus den-tarifliche Schedl CDU/CSU ...... 14392 B neuen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeug- nisse, die in der Gemeinschaft in ihrer ur- sprünglichen Zusammensetzung beim Bau, Erste Beratung des von der Bundesregie- bei der Instandhaltung oder Instandsetzung rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- bestimmter Luftfahrzeuge verwendet wer- zes zur Änderung des Altölgesetzes — den sollen 7/4368 — ...... 14393 Drucksache D

Verordnung (EWG) des Rates zur vollstän- Beratung der Ubersicht 16 des Rechtsaus- digen oder teilweisen Aussetzung der Zoll- schusses über die dem Deutschen Bundes- sätze des Gemeinsamen Zolltarifs für be- tag zugeleiteten Streitsachen vor dem stimmte Erzeugnisse der Kapitel 1 bis 24 Bundesverfassungsgericht — Drucksache des Gemeinsamen Zolltarifs mit Ursprung 7/4383 — ...... 14394 A in Malta (1976)

Beratung des Berichts und des Antrags des Verordnung (EWG) des Rates zur Ände- Ausschusses für Forschung und Technolo- rung der Verordnungen (EWG) Nr. 1059/69, gie zu dem von der Bundesregierung zur (EWG) Nr. 1060/69, (EWG) Nr. 2682/72, Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der (EWG) Nr. 120/67, (EWG) Nr. 3330/74, EG-Kommission für einen Entwurf eines Be- (EWG) Nr. 765/68 und (EWG) Nr. 950/68 schlusses des Rates, mit dem die Kommis- bezüglich der Einreihung bestimmter Sor- sion im Hinblick auf einen Beitrag der Ge- bitsorten in den Gemeinsamen Zolltarif meinschaft zur Finanzierung von Kernkraft- werken zur Aufnahme von Euratom-Anlei- hen ermächtigt wird — Drucksachen 7/3333, Verordnung (EWG) des Rates über die 7/4385 — ...... 14394 A Aussetzung der Anwendung der Bedingung, der die Einfuhr frischer Zitronen mit Ur- Beratung des Berichts und des Antrags des sprung in Zypern, Spanien, Israel, Marokko, Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft der Arabischen Republik Ägypten, Tune- und Forsten zu dem von der Bundesregie- sien und der Türkei in die Gemeinschaft rung zur Unterrichtung vorgelegten Vor- auf Grund der Abkommen zwischen der schlag der EG-Kommission für eine Verord- Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und nung (EWG) des Rates zur Änderung der jedem dieser Länder unterliegt — Druck- Verordnung Nr. 17/64/EWG über die Be- sachen 7/3935, 7/4198, 7/4133, 7/4216, 7/4135, dingungen für die Beteiligung des Euro- 7/4137, 7/4217, 7/4363 — ...... 14394 B päischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Drucksachen 7/4011, 7/4362 — ...... 14395 B Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Verbesserung des öffent- lichen Personennahverkehrs — insbeson- Beratung des Berichts und des Antrags des dere des Omnibusverkehrs — Drucksache Ausschusses für Wirtschaft zu den von der 7/4320 — ...... 14395 A Bundesregierung zur Unterrichtung vorge- legten Vorschlägen der EG-Kommission für eine Fragestunde — Drucksache 7/4409 vom 5. 12. l975— Richtlinie (EWG) des Rates zur Anpassung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Taxameter Einbeziehung des MRCA-Projekts in die Kürzungen des Verteidigungshaushalts Großbritanniens Verordnung (EWG) des Rates über den Ab- schluß eines Abkommens in Form eines MdlAnfr A3 05.12.75 Drs 07/4409 Briefwechsels betreffend Artikel 3 des Pro- Reiser SPD tokolls Nr. 8 des Abkommens zwischen der Antw PStSekr Schmidt BMVg . . . . 14316 B, C Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portugiesischen Republik ZusFr Reiser SPD ...... 14316 C IV Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Aufrechterhaltung des Wettbewerbs bei MdlAnfr A14 05.12.75 Drs 07/4409 Angeboten für Inneneinrichtungen von Gar- Dr. Wernitz SPD nisonen Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 14321 C, D, MdlAnfr A4 05.12.75 Drs 07/4409 14322 A Niegel CDU/CSU ZusFr Dr. Wernitz SPD ...... 14321 C, D Antw PStSekr Schmidt BMVg 14316 D, 14317 A, B ZusFr Niegel CDU/CSU ...... 14317 A, B Ablehnung des Austauschs des früheren Kanzlerreferenten Guillaume vor Verbü- Änderung der Richtlinien zur Vergabe von ßung seiner Haftstrafe sowie Verweigerung Wohnungsfürsorgemitteln seiner Begnadigung MdlAnfr A5 05.12.75 Drs 07/4409 MdlAnfr A1 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Wernitz SPD Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Haack BMBau . . . . 14317 C Antw PStSekr Dr. de With BMJ 14322 A, B, C, D, 14323 A, B Aufwendung erheblicher Geldmittel für die ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . . . 14322 B Entwicklung wenig aussichtsreicher Rake- ten; Entwicklung der „Billigrakete" ZusFr Niegel CDU/CSU ...... 14322 C MdlAnfr A7 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Seiters CDU/CSU ...... 14322 C Ey CDU/CSU ZusFr Dr. Sperling SPD ...... 14322 D Antw PStSekr Dr. Hauff BMFT . . . . 14317 D, ZusFr Spranger CDU/CSU ...... 14322 D 14318 A, B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 14323 A ZusFr Ey CDU/CSU ...... 14318 A, B ZusFr Ey CDU/CSU ...... 14323 A Geltungsbereich des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften über die Be Beteiligung des BND oder anderer Stellen schäftigung Radikaler im öffentlichen Dienst der Bundesregierung an Waffengeschäf- ten der Werkzeugaußenhandelsgesellschaft MdlAnfr A8 05.12.75 Drs 07/4409 mbH Dr. Sperling SPD MdlAnfr A80 05.12.75 Drs 07/4409 Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . 14318 B, C, D Gansel SPD SPD ...... 14318- C ZusFr Dr. Sperling Antw PStSekr Dr. de With BMJ 14323 B, C, D ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . 14318 D ZusFr Gansel SPD ...... 14323 C Standorte für Kernkraftwerke in Elsaß ZusFr Hansen SPD ...... 14323 D Lothringen ZusFr Dr. Sperling SPD ...... 14323 D MdlAnfr A9 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Gölter CDU/CSU Anerkennung der Bayerischen Staatsbür- Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 14319 A, C gerlichen Vereinigung e. V. als „gemein- nützig" ZusFr Dr. Gölter CDU/CSU ...... 14319 C MdlAnfr A19 05.12.75 Drs 07/4409 Zahl der dem neu errichteten Grenzschutz - Dr. Schöfberger SPD kommando West unterstellten Beamten; Antw PStSekr Offergeld BMF . 14324 A, B, C, D, Schließung der im Grenzbereich durch den 14325 A, B Abzug von Beamten entstandenen Personal- lücken ZusFr Dr. Schöfberger SPD . . 14324 B, 14325 A MdlAnfr Al2 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Meinike (Oberhausen) SPD . . . . 14324 C Gerster (Mainz) CDU/CSU ZusFr Dr. Sperling SPD ...... 14324 C MdlAnfr A13 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 14324 D Gerster (Mainz) CDU/CSU ZusFr Spranger CDU/CSU ...... 14325 B Antw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . . 14319 D, 14320 A, B, D, 14321 A, B Unterschiedliche Belastung der Arbeitneh- ZusFr Gerster (Mainz) CDU/CSU 14320 A, B, D, mer in Klein- und Großstädten durch er- 14321 A hebliche Preisunterschiede bei Benzin ZusFr Ey CDU/CSU ...... 14321 B MdlAnfr A20 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 14321 B Dr. Enders SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 14325 C, D, 14326 A Stand der Beratungen zur Einbeziehung der ZusFr Dr. Enders SPD ...... 14325 D Zollverwaltung in ein fortgeschriebenes Sicherheitsprogramm ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . . 14325 A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 V

Einsatz heimischer Steinkohle in Kraftwer- Vorhandensein eines Kabinettsbeschlusses ken, Strombedarf sowie Kapazitätsentwick - über die von der Merex AG 1965 und 1966 lung bei Stromerzeugungsanlagen 1975 so- getätigten Waffengeschäfte wie 1976 bis 1980; Gestaltung des Aufkom- mens und der Verteilung der Mittel aus MdlAnfr A30 05.12.75 Drs 07/4409 der Verstromungsabgabe für die Jahre 1975 Gansel SPD und 1976 Antw PStSekr Grüner BMWi 14330 C, D, 14331 A MdlAnfr A21 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Gansel SPD ...... 14330 D Dr. Zeitel CDU/CSU ZusFr Dr. Sperling SPD ...... 14330 D MdlAnfr A22 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Zeitel CDU/CSU Ergebnis der Uberprüfung der für die Me- Antw PStSekr Grüner BMWi 14326 B, D, 14327 A rex AG und die Werkzeugaußenhandelsge- ZusFr Dr. Zeitel CDU/CSU ...... 14326 D sellschaft mbH tätigen Personen gemäß § 6 Abs. 2 Ziffer ZusFr Wolfram (Recklinghausen) SPD . . 14327 A 2 des Kriegswaffenkontroll - gesetzes durch den Verfassungsschutz und Konsequenzen aus den Erfahrungen mit diesen Vorschriften des Kriegswaffenkon- Auswirkungen eines garantierten Mindest- trollgesetzes preises für Mineralöl; Wettbewerbsverzer - rungen bei Absinken des Marktpreises für MdlAnfr A79 05.12.75 Drs 07/4409 Ö1 in die Nähe des Mindestpreises Dr. Sperling SPD MdlAnfr A25 05.12.75 Drs 07/4409 Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 14331 A, B, C Dr. Stavenhagen CDU/CSU ZusFr Dr. Sperling SPD ...... 14331 B MdlAnfr A26 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Gansel SPD ...... 14331 B Dr. Stavenhagen CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 14327 B, C, D, 14328 A Mißbräuchliche Anwendung „medizinischer Hilfen" im Reitsport ZusFr Dr. Stavenhagen CDU/CSU . . 14327 C, D, 14328 A MdlAnfr A 38 05.12.75 Drs 07/4409 Scheffler SPD Empfängerangaben im Genehmigungsver - Antw PStSekr Logemann BML 14331 D, 14332 A, B fahren des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft für Waffenlieferungen der Me- ZusFr Scheffler SPD ...... 14332 A, B rex AG in den Jahren 1965 und 1966; Buß- ZusFr Dr. Sperling SPD ...... 14332 B geldverfahren des Bundeswirtschaftsmini - steriums gegen die Merex AG MdlAnfr A27 05.12.75 Drs 07/4409 Umfang, Kosten und Marktwert der inner- Hansen SPD halb der EG jährlich vernichteten oder de- naturierten Lebensmittel MdlAnfr A28 05.12.75 Drs 07/4409 Hansen SPD MdlAnfr A39 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Schöfberger SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 14328 B, C, D, 14329 A, B, C, D, 14330 A Antw PStSekr Logemann BML 14332 C, D, 14333 A ZusFr Hansen SPD . . . . . 14328 C, 14329 C ZusFr Dr. Schöfberger SPD ...... 14332 D ZusFr Dr. Sperling SPD . . . 14328 D, 14329 D ZusFr Dr. Penner SPD ...... 14329 A Durchführung von Verbilligungsmaßnah - men auf dem Ernährungssektor aus natio- ZusFr Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . . . 14329 A nalen oder EG-Mitteln im Jahre 1975 ZusFr Gansel SPD ...... 14329 D MdlAnfr A40 05.12.75 Drs 07/4409 Geldner FDP Vernichtung von Unterlagen über ein Buß- Antw PStSekr Logemann BML . . . . 14333 A, C geldverfahren gegen die Merex AG durch Brand in einer dem Bundeswirtschaftsmini - ZusFr Geldner FDP ...... 14333 B, C sterium gehörenden Baracke MdlAnfr A29 05.12.75 Drs 07/4409 Konsequenzen der Forstwirtschaft aus den Brandt (Grolsheim) SPD Waldbränden im Sommer 1975 Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 14330 A, B, C MdlAnfr A41 05.12.75 Drs 07/4409 ZusFr Brandt (Grolsheim) SPD . . . . . 14330 B Geldner FDP ZusFr Gansel SPD ...... 14330 C Antw PStSekr Logemann BML . . . . . 14333 D VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Ausdehnung der Regelungen des Maschi- Anlagen nenschutzgesetzes zur Verhinderung von Unfallgefahren durch Spielzeug auf den Anlage 1 Handel zur Ermöglichung eines wirkungs- Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 14397* A vollen Vorgehens des Ordnungsamtes ge- gen gefährliches Spielzeug Anlage 2 MdlAnfr A47 05.12.75 Drs 07/4409 Auffassung über die Verpflichtung der DDR Dr. Jens SPD aus dem Korb III der KSZE-Schlußakte von Helsinki Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . 14334 A, B MdlAnfr A113 21.11.75 Drs 07/4322 ZusFr Dr. Jens SPD ...... 14334 B Jäger (Wangen) CDU/CSU ErgSchrAntw PStSekr Herold BMB auf Verzögerungen bei der Auszahlung von Ar- ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . .14397* B beitslosengeld und Arbeitslosenhilfe infolge Uneinigkeit über die Zuständigkeit für Ab- Anlage 3 schlags- und Zwischenzahlungen bei Ar- Mitteilung über Mehrkosten bei Auszah- beitsämtern und Trägern der Sozialhilfe lung der EG-Erzeugerprämie Schlachtrinder MdlAnfr A50 05.12.75 Drs 07/4409 über das Bundesamt für Ernährung und Pensky SPD Forstwirtschaft in Frankfurt im Vergleich zu einer Auszahlung über die Landwirtschafts- MdlAnfr A51 05.12.75 Drs 07/4409 verwaltungen der Länder sowie Verzöge- Pensky SPD rungen der Auszahlung der Prämie durch die Abwicklung über das Bundesamt für Er- Antw PStSekr Buschfort BMA 14334 C, D, 14335 A nährung und Forstwirtschaft ZusFr Pensky SPD ...... 14334 D MdlAnfr A7 28.11.75 Drs 07/4364 Röhner CDU/CSU Ausschluß von Handwerksberufen wie ErgSchrAntw PStSekr Logemann BML auf Maurer, Zimmerer, Maler, Bäcker und Kon- ZusFr Röhner CDU/CSU ...... 1439T D ditoren von der Förderung der beruflichen Fortbildung gemäß § 36 AFG Anlage 4 MdlAnfr A52 05.12.75 Drs 07/4409 Vorliegen unerledigter Schlachtkarten aus Müller (Schweinfurt) SPD Bayern beim Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft in Frankfurt sowie umge- Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . 14335 A, B hende Uberprüfung des bisherigen Verfah- rens ZusFr Müller (Schweinfurt) SPD . . . . 14335 B MdlAnfr A9 28.11.75 Drs 07/4364 Kiechle CDU/CSU Auswirkungen des Erlasses der Bundesan- stalt für Arbeit vom 27. August 1975 auf ErgSchrAntw PStSekr Logemann BML auf die Ausbildungskapazität des Handwerks ZusFr Kiechle CDU/CSU ...... 14398* B MdlAnfr A53 05.12.75 Drs 07/4409 Anlage 5 SPD Engholm Veröffentlichung vertraulicher Ermittlungs- Antw PStSekr Buschfort BMA . . . . 14335 C, D ergebnisse in der Strafverfolgungssache gegen die anarchistische Baader-Meinhof- ZusFr Engholm SPD ...... 14335 D Gruppe in der „Welt" MdlAnfr A2 05.12.75 Drs 07/4409 Beurteilung des Vorschlags des Verbandes Tietjen SPD der Angestelltenkrankenkassen e. V. und SchrAntw PStSekr Dr. de With BMJ . . . 14399' B des Verbandes der Arbeiter-Ersatzkassen e. V. zur Anhebung der Versicherungs- Anlage 6 pflichtgrenze in der Krankenversicherung auf die Höhe der jeweiligen Beitragsbemes- Zahl der im Ost-Berliner Fernsehen seit sungsgrenze in der Rentenversicherung seinem Bestehen ausgestrahlten Spiel- und Fernsehfilme, die in der Bundesrepublik MdlAnfr A54 05.12.75 Drs 07/4409 Deutschland und im Land Berlin hergestellt Niegel CDU/CSU wurden; Auswahlkriterien, insbesondere auch hinsichtlich der nicht erworbenen Antw PStSekr Buschfort BMA 14335 D, 14336 A Filme ZusFr Niegel CDU/CSU ...... 14336 A MdlAnfr A6 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Riedl (München) CDU/CSU Nächste Sitzung ...... 14395 C SchrAntw PStSekr Herold BMB . . . . 14399* C Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 VII

Anlage 7 MdlAnfr A42 05.12.75 Drs 07/4409 Anerkennung des Strahlenschutzassistenten Dr. Riedl (München) CDU/CSU als Ausbildungsberuf SchrAntw PStSekr Logemann BML . . . 14400* D MdlAnfr All 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Haenschke SPD Anlage 12 SchrAntw PStSekr Dr. Schmude BMI . . . 14399* D Entwicklung der Kosten für die deutsche Futtermittelindustrie durch die im Verord- nungsentwurf enthaltenen Detailregelungen Anlage 8 für Einzelfuttermittel, Mischfutter, Schad- Pressemeldungen über die Einsparung eines und Zusatzstoffe; Wettbewerbssituation der Betrages von 2 Milliarden DM im Bundes- deutschen Futtermittelindustrie und der haushalt 1975; Vermeidung nicht zwingend deutschen Landwirtschaft; Entwicklung und notwendiger Ausgaben durch die einzelnen Finanzierung der Kosten der Bundesrepu- Bundesministerien und Bundesämter blik Deutschland für die FAO-Ernährungs- MdlAnfr A15 05.12.75 Drs 07/4409 und Landwirtschaftsorganisation der Ver- Dr. Althammer CDU/CSU einten Nationen MdlAnfr A16 05.12.75 Drs 07/4409 MdlAnfr A43 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Althammer CDU/CSU Eigen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 14400* A MdlAnfr A44 05.12.75 Drs 07/4409 Eigen CDU/CSU Anlage 9 SchrAntw PStSekr Logemann BML . . .14401*A Anerkennung der Unterhaltsleistungen an Anlage 13 Angehörige in der DDR als außergewöhn- liche Belastung nach den §§ 33, 33 a EStG Vorwegnahme des Mieten- und Wohngeld berichts durch die Untersuchung „Das Woh MdlAnfr A17 05.12.75 Drs 07/4409 nen in der Bundesrepublik Deutschland" Höcherl CDU/CSU MdlAnfr A45 05.12.75 Drs 07/4409 MdlAnfr A18 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Schneider CDU/CSU Höcherl CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Haack BMBau . . . 14402* A SchrAntw PStSekr Offergeld BMF . . . . 14400* B - Anlage 14 Anlage 10 Nichtaufnahme der Veränderungen des Unterzeichnung der internationalen Ver- Mietindexes in die vom Bundesarbeitsmini- pflichtung über die Sicherheit der Welt- sterium herausgegebene Broschüre „Stati- ernährung des FAO-Rats durch die Bundes- stiken für die Arbeits- und Sozialpolitik regierung sowie ihre Haltung zu den Plä- 1975" nen des Welternährungsrats der Vereinten Nationen bezüglich der Sicherheit der Welt- MdlAnfr A46 05.12.75 Drs 07/4409 ernährung und hinsichtlich des globalen In- Dr. Schneider CDU/CSU formations- und Frühwarnsystems der FAO SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . . 14402* B MdlAnfr A36 05.12.75 Drs 07/4409 Dr. Holtz SPD Anlage 15 MdlAnfr A37 05.12.75 Drs 07/4409 Kosten der gesetzlichen Krankenversiche- Dr. Holtz SPD rung für Leistungen im Wege der Familien- SchrAntw PStSekr Logemann BML . . . 14400* C hilfe an auszubildende Beamte MdlAnfr A48 05.12.75 Drs 07/4409 Anlage 11 Franke (Osnabrück) CDU/CSU Erlaß eines Einfuhr- und Durchfuhrverbots MdlAnfr A49 05.12.75 Drs 07/4409 für Singvögel aus Italien, Zypern, Frank- Franke (Osnabrück) CDU/CSU reich und Belgien SchrAntw PStSekr Buschfort BMA . . .14402 C

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208. Sitzung

Bonn, den 10. Dezember 1975

Beginn: 13.00 Uhr

Springorum, Dr. von Bismarck, Schmitt (Lockweiler) und Genos- Präsident Frau Renger: Die Sitzung ist eröffnet. s e n betr. Absatz- und Beschäftigungslage der Saarbergwerke AG — Drucksache 7/4268 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Druck Der Wahlleiter des Landes Schleswig-Holstein verteilt. -sache 7/4410 Herr hat mir am 8. Dezember 1975 mitgeteilt, daß Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat Hans-Uwe Emeis sein Mandat für den Deutschen mit Schreiben vom 8. Dezember 1975 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Althammer, Dr. Götz, Röhner, Geisenhofer, Bundestag angenommen hat. Ich begrüße den neuen Frau Schleicher, Dr. Kunz (Weiden), Biehle, Dr. Müller (Mün- chen), Schröder (Lüneburg), Dr. Jenninger, Ziegler und der Frak- Kollegen. tion der CDU/CSU betr. Lehrstellenmangel im Krankenpflegebe- ruf — Drucksache 7/3905 — beantwortet. Sein Schreiben ist als (Seiters [CDU/CSU] : Welche Fraktion, Frau Drucksache 7/4424 verteilt.

Präsidentin?) Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 8. Dezember 1975 die Kleine Anfrage der Ab- — Herr Kollege Emeis gehört keiner Fraktion an. geordneten Schröder (Lüneburg), Niegel, Spranger, Biehle, Ger und Genossen-lach (Obernau), Vogel (Ennepetal), Dr. Miltner Herr Kollege Dr. Kempfler, am 6. Dezember ha- betr. angebliche Dienstvergehen des Personalratsvorsitzenden im Bundeskanzleramt — Drucksache 7/4343 — beantwortet. Sein ben Sie Ihren 71. Geburtstag gefeiert. Wir gratu- Schreiben wird als Drucksache 7/4427 verteilt. lieren Ihnen nachträglich alle herzlichst. Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 3. Dezember 1975 mitgeteilt, (Beifall) daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat: Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen- eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verord- Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung nung (EWG) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vor für die gemeinsame Marktorganisation für Wein,-schriften bedürfen und die gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäfts- der Verordnung (EWG) Nr. 817/70 zur Festlegung besonde- ordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen rer Vorschriften für Qualitätsweine bestimmter Anbauge- biete, der Verordnung (EWG) Nr. 865/68 über die gemein werden sollen: same Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse und der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 Betr.: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tä- über den Gemeinsamen Zolltarif (Drucksache 7/2867). tigkeit des Europarats und der Westeuropäischen für die Zeit vom 1. April bis 30. September Union 1975 Überweisung von EG-Vorlagen Bezug: Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 22. Fe- Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Be- bruar und 28. April 1967 schluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden — Drucksache 7/4355 — Vorlagen überwiesen: zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend), Verteidi- Verordnung (EWG) des Rates zur Eröffnung, Aufteilung und gungsausschuß Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für Waren Gemeinsamen Zolltarifs, mit Betr.: Bericht der deutschen Delegation in der Interparlamen- der Tarifstelle 22.09 C I des tarischen Union über die Herbsttagung der IPU in Ursprung in den mit der Europäischen Wirtschaftsgemein London vom 3. bis 13. September 1975 assoziierten überseeischen Ländern und Gebieten -schaft (Drucksache 7/4337) — Drucksache 7/4370 — überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um zuständig: Auswärtiger Ausschuß Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß- fassung im Rat Erhebt sich gegen die vorgeschlagenen Überwei der Fall; dann Verordnung des Rates — Das ist nicht -sungen Widerspruch? zur Verlängerung der Verordnung (EWG) Nr. 2107/75 zur ist es so beschlossen. Verlängerung der von der Gemeinschaft für den Warenver- kehr mit Tunesien angewandten Regelung zur Verlängerung der Verordnung (EWG) Nr. 2108/75 zur Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden Verlängerung der von der Gemeinschaft für den Warenver 7/4338) ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht kehr mit Marokko angewandten Regelung (Drucksache überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um aufgenommen: Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß im Rat -fassung Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Dezember 1975 dem Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (Haushaltsstruk- Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung turgesetz — HStruktG) nicht zugestimmt. Sein Schreiben ist als (EWG) Nr. 226/73 hinsichtlich des bei der Einfuhr von Drucksache 7/4412 verteilt. Butter und Käse aus Neuseeland in das Vereinigte König einzuhaltende cif-Preises (Drucksache 7;4339) -reich Bundesregierung hat beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes Die überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und der Haushaltsstruktur (Haushaltsstrukturge- zur Verbesserung Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor HStruktG) zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß setz — der endgültigen Beschlußfassung im Rat einberufen wird. Das Schreiben des Bundeskanzlers ist als Drucksache 7/4414 verteilt. Verordnung (EWG) des Rates betreffend die Anwendung von Artikel 40 Absatz 4 EWGV auf die französischen übersee- Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für ischen Departements (Drucksache 7/4341) Wirtschaft hat mit Schreiben vom 4. Dezember 1975 im Einver- nehmen mit dem Bundesminister der Finanzen die Kleine An- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und frage der Abgeordneten Zeyer, Frau Pack, Thürk, Dr. Luda, Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor Dr. Dollinger, Dr. Müller-Hermann, Dr. Narjes, Dr. Mende, der endgültigen Beschlußfassung im Rat 14316 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Präsident Frau Renger Verordnung (EWG) des Rates der Bundesregierung vorliegenden Informationen zur zeitweiligen Aussetzung von autonomen Zollsätzen des Gemeinsamen Zolltarifs für eine Reihe von industriellen wird von den Kürzungen innerhalb des Verteidi- Waren gungshaushaltes Großbritanniens der entsprechende zur zeitweiligen und vollständigen Aussetzung der in der Gemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung an- Anteil des Landes an dem MRCA-Projekt nicht be- wendbaren Zollsätze für die Einfuhr von einigen chemischen troffen. Bereits bei der letzten großen Überprüfung Erzeugnissen aus den neuen Mitgliedstaaten (Drucksache 7/4340). des englischen Verteidigungshaushaltes im Jahre überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um 1974 wurde das MRCA-Programm wegen seiner Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß- fassung im Rat Priorität für die britische Landesverteidigung so- Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung wie seiner Bedeutung für das Bündnis und die (EWG) Nr. 1955/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis (Drucksache 7/4342) internationale Rüstungszusammenarbeit ausdrück- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und lich von den Kürzungsmaßnahmen ausgenommen. Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Aus Kreisen des britischen Verteidigungsressorts Verordnung (EWG) des Rates ist bekannt, daß selbst bei erneuten prozentualen zur Änderung der Verordnung Nr. 121/67/EWG hinsichtlich Kürzungen des Verteidigungshaushaltes keine Re- der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungsprei- se s für geschlachtete Schweine duzierung des MRCA-Anteils in Erwägung gezo- zur Änderung der Verordnung Nr. 122/67/EWG hinsichtlich gen wird. der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungs- preises für Eier zur Änderung der Verordnung Nr. 123/67/EWG hinsichtlich Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab- der Berechnung der Abschöpfung und des Einschleusungsprei- s es für Geflügelfleisch (Drucksache 7/4351) geordneter! überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Reiser (SPD) : Herr Staatssekretär, Sie widerspre- Verordnung des Rates zur Verlängerung der Genehmigungs- chen damit also Meldungen von deutschen London pflicht in der Bundesrepublik Deutschland für synthetische Socken und in Frankreich für Handschuhe aus Wirkwaren-Korrespondenten, mit beispielsweise der Meldung des Ursprung in der Republik Korea (Drucksache 7/4352) Londoner Korrespondenten der „Süddeutschen Zei- überwiesen in den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschluß- tung" vor 14 Tagen? fassung im Rat Vorschläge zur Sodifizierung im Reissektor (Drucksache 7/4353) Schmidt, Parl. Staatssekretär: Ja, ich widerspreche überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und diesen Nachrichten. Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll Punkt 24 der Tagesordnung — Beratung des An- Dann rufe ich die Frage 4 des Herrn Abgeord- trags der Abgeordneten Pieroth, Dr. Burgbacher neten Niegel auf: und der Fraktion der der CDU/CSU betr. Förderung Wie will der Bundesverteidigungsminister den Wettbewerb betrieblichen Gewinn- und Kapitalbeteiligung der von Anbietern aufrechterhalten und billigere Angebote sichern, wenn bei Inneneinrichtungen von Garnisonen, z. B. Speisesaal Arbeitnehmer — abgesetzt werden. — Auch damit Erzeugnisse in der Ausschreibung-stühlen, schutzrechtbehaftete ist das Haus einverstanden; es ist so beschlossen. zwingend vorgeschrieben werden und andere, billigere Ver- gleichserzeugnis s e nicht gestattet sind? Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß wir auch Bitte schön, Herr Staatssekretär! in dieser Woche zwei Fragestunden — abweichend von den Richtlinien für die Fragestunde — mit einer Schmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Niegel, jeweiligen Dauer von 90 Minuten durchführen. bei der Abfassung der technischen Lieferbedingun- Nach § 127 unserer Geschäftsordnung muß diese gen zur Deckung des Bedarfs der Bundeswehr an Abweichung von der Geschäftsordnung beschlossen Möbeln wird darauf geachtet, daß möglichst allen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so Herstellern eine Teilnahme am Wettbewerb er- beschlossen. mög l icht wird. Den Zuschlag erhält jeweils das wirt- schaftlichste Angebot. Dabei müssen allerdings die Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: speziellen Verhältnisse bei der Bundeswehr berück- Fragestunde sichtigt werden. Der Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln — Drucksache 7/4409 — erfordert Möbel, die trotz der überdurchschnittlichen Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesmini- Beanspruchung durch die Truppe eine lange Lebens sters der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer erwarten lassen. Weniger stabile und damit-dauer Staatssekretär Schmidt steht zur Beantwortung der billigere Ausführungen haben erfahrungsgemäß Fragen zur Verfügung. eine wesentlich geringere Lebensdauer und führen damit im Ergebnis zu einer nicht vertretbaren Ver Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Sie wären daher für den Einsatz in der-teuerung. Reiser auf: Truppe nicht geeignet. Verfügt die Bundesregierung über Informationen, wonach von Kürzungen innerhalb des Verteidigungshaushalts Großbritanniens In die Leistungsbeschreibung werden grundsätz- auch der entsprechende Anteil des Landes an dem MRCA-Pro- jekt betroffen ist? lich schutzrechtbehaftete Möbel oder Möbelteile — gilt auch für Speisesaalstühle — nicht aufge- das Bitte schön, Herr Staatssekretär! nommen. Ist dies ausnahmsweise z. B. aus tech- nischen, hygienischen oder ergonomischen Gründen Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister unvermeidbar, so wird folgende Vereinbarung ge- der Verteidigung: Herr Kollege Reiser, nach den troffe n: Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14317 Parl. Staatssekretär Schmidt Die Herstellung ist ohne besondere Genehmi Haack steht zur Verfügung. Die Frage 5 stellt Herr gung des Schutzrechtinhabers (Lizenzgebers) Abgeordneter Dr. Wernitz: nur für die Zwecke der Bundeswehr zulässig. Ist die Bundesregierung bereit, die Richtlinien für die Ver- gabe von Wohnungsfürsorgemitteln (insbesondere Familien Damit wird sichergestellt, daß jedes Unternehmen, zu verändern, daß die im Zuge der Sparmaß -heimdarlehen) so erheblich reduzierten Mittel vorwiegend den Beziehern-nahmen das sich gewerbsmäßig mit Leistungen der ausge- kleiner und mittlerer Einkommen zur Verfügung stehen? schriebenen Art befaßt, die Preise nach denselben Bitte schön, Herr Staatssekretär! Gesichtspunkten errechnet und sich am Wettbewerb beteiligen kann. Dr. Haack, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Die technischen Lieferbedingungen für die Aus- ster für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: schreibung von Speisesaalstühlen entsprechen die- Herr Kollege Dr. Wernitz, ich kann Ihre Frage im sen Grundsätzen. Prinzip bejahen. Die haushaltsentlastenden Maß- nahmen, die im Bereich des Wohnungsbaus für Bun- Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn desbedienstete getroffen worden sind und die in der Abgeordneten Niegel. Tat zu einer erheblichen Reduzierung der Bewilli- gungsrahmen für die folgenden Jahre führen wer- den, werden nach Auffassung der Bundesregierung Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, in der nicht zur Folge haben, daß die Bezieher kleinerer Ausschreibung Q/6 A 5 B/51 601/59631 scheint nicht und mittlerer Einkommen von der Familienheim - nach diesem Grundsatz vorgegangen worden zu förderung ausgeschlossen oder benachteiligt wer- sein, da Firmen deswegen von einer Mitbietung den, soweit sie die Förderungsvoraussetzungen nach Abstand nehmen mußten, weil Preßholzformteile den Richtlinien erfüllen. Die Bundesregierung er- der Speisesaalstühle Schutzrechten von zwei Firmen wägt, die Sozialklausel der Familienheimricht- unterlagen. linien, wonach derzeit unter anderem die Förde- rung Kinderreicher und Schwerbehinderter Priorität Schmidt, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das genießt, dahin zu erweitern, daß bei Mittelknapp- können wir nachprüfen. Sie werden sicher nicht an- heit auch Bezieher geringerer Einkommen vorrangig genommen haben, daß diese spezielle Frage, die mir zu fördern sind. Ich glaube, daß damit dem An- nicht vorher gestellt worden ist, von mir hier be- liegen, das Sie hier mit Recht verfolgen, auch Rech- antwortet werden kann. nung getragen werden kann.

Präsident Frau Renger: Zweite Zusatzfrage. Präsident Frau Renger: Keine Zusatzfrage. Danke schön, Herr Staatssekretär. Damit ist auch Ihr Be- - reich behandelt. Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wie ver- hält es sich beispielsweise bei Einrichtungen — ich Die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Schnei- könnte Ihnen eine Reihe anderer Fälle aufzeigen der wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich wie etwa der Bundeswehrhochschule in München beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abge- damit, daß ausgerechnet ein amerikanisches Gestühl druckt. zwingend vorgeschrieben wurde und erst auf Grund meines Einsatzes deutsche Gestühle, die um die Der Geschäftsbereich des Bundesministers für Hälfte billiger waren, zum Zuge kommen konnten? innerdeutsche Beziehungen steht jetzt nicht zur Diskussion, weil der Fragesteller, der Abgeordnete Dr. Riedl (München), um Schmidt, Parl. Staatssekretär: Wir haben uns, da schriftliche Beantwortung seiner Frage 6 gebeten hat. Die wir die Erfahrungen über die Ausstattung von Uni- Antwort wird als Anlage abgedruckt. versitäten in dem Maße nicht hatten — wir hatten ja vorher keine Universitäten —, von den Ländern Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesmini- beraten lassen, die ja eigene Universitäten haben. sters für Forschung und Technologie auf. Zur Be- Wenn in diesem Falle ein amerikanisches Gestühl antwortung steht der Herr Parlamentarische Staats- vorgeschrieben worden und das dann geändert wor- sekretär Dr. Hauff zur Verfügung. Wir kommen zur den ist, so, meine ich, ist das durch Ihre Initiative Frage 7 des Herrn Abgeordneten Ey: mit Recht erfolgt. Wir wollen ja dabei die hei- Wie beurteilt die Bundesregierung die neuerlich in der Presse mische Wirtschaft stützen. wiederholten Behauptungen, für die Entwicklung wenig aus Raketen würden erhebliche Geldmittel aufgewandt, -sichtsreicher Zu den Einzelheiten kann ich aber nicht Stel- während indessen für die aussichtsreichere Entwicklung einer lung nehmen. Ich bin gern bereit, auch wenn Sie „Billigrakete" keinerlei Interesse gezeigt würde? noch mehr solche Anfragen haben, schriftlich Ant- Bitte, Herr Staatssekretär! wort darauf zu geben. Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- Präsident Frau Renger: Danke schön, Herr Staats- ster für Forschung und Technologie: Herr Kollege, sekretär. Damit ist Ihr Geschäftsbereich abgeschlos- die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich im sen. Rahmen des europäischen Weltraumprogramms mit einem festen Betrag von jetzt jährlich 40 Millionen Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesmini- DM über acht Jahre an der Entwicklung der euro- sters für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau päischen Trägerrakete ARIANE. Diese Rakete be- auf. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. findet sich seit anderthalb Jahren in der Entwick- 14318 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Parl. Staatssekretär Dr. Hauff lung. Es hat bisher keine Anzeichen gegeben, die werden soll. Er kann daher schon aus diesem Grunde diese Rakete als nicht aussichtsreich erscheinen las- nicht von dem genannten Gesetz erfaßt werden. Es sen. Zur sogenannten Billigrakete der Firma OTRAG erstreckt sich nämlich nur auf Bewerber für den hat der Ausschuß für Forschung und Technologie Beamten-, Richter- oder Soldatenberuf. am 1. und 2. Oktober dieses Jahres auf der Grund- lage eines Gutachtens der DFVLR beraten. Dabei Präsident Frau Renger: Zu einer Zusatzfrage Herr hat die Bundesregierung ausführlich Stellung ge- Abgeordneter Dr. Sperling. nommen. Ein Vergleich mit ARIANE ist auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht mög- Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, ist denn lich. der Geltungsbereich nicht auch auf Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst erstreckt worden? Präsident Frau Renger: Zu einer Zusatzfrage bitte, Herr Abgeordneter! Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Sie hätten recht mit der Feststellung, Herr Kollege, daß das Pro- Ey (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist die Bun- blem, um das es in diesem Gesetz geht, auch für An- desregierung bereit, in eine nochmalige Überprü- gestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst erheb fung der Raketensysteme einzutreten bzw. eine Bedeutung hat. Das Bundesverfassungsgericht-liche solche Uberprüfung auf europäischer Ebene noch- hat hier ja eine gewisse Abstufung erkennen lassen. mals anzuregen? Daraus folgt aber nicht, daß das Gesetz in diesem Bereich in irgendeiner Weise anzuwenden ist. Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Ey, der Entwickler dieser Rakete, Herr Kaiser, hat in Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage. einem Antrag an das Bundesministerium für Wirt- schaft, in dem er um die Ubernahme einer Bürg- Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, können schaft nachsucht, ausgeführt, daß bei dieser Rakete Sie mir denn sagen, welche Rechtsgüter, Belange Forschungs- und Entwicklungsarbeiten seines Er- oder Interessen der Bundesrepublik gefährdet wür- achtens nicht mehr anfallen. Angesichts dieser Tat- den, wenn z. B. bei der Bundesbahn auf vier Wochen sache hat der Bundesminister für Forschung und angestellte Studenten im Weihnachtsverkehr Päck- Technologie keinen Anlaß und keine Möglichkeit, chen anfassen, obwohl diese Studenten nicht dauernd hier in eine erneute Uberprüfung einzutreten. die Gewähr böten, daß sie für die freiheitliche demo- kratische Grundordnung ständig eintreten? Präsident Frau Renger: Zu einer zweiten Zusatz- frage bitte! Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Sperling, ob in einem solchen Fall Belange der Bun- Ey (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ist die Bun- desrepublik Deutschland oder gar wichtige Belange desregierung mit mir der Meinung, daß neue Tech- gefährdet oder berührt sind, darüber kann man in nologien im Laufe der Zeit durchaus auch andere der Tat streiten. Wir sind bei unserer Beurteilung Bedeutung bekommen können? freilich an die Auffassung des Bundesverfassungsge- richts in seinem Beschluß vom 22. Mai dieses Jahres Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär: Ja, Herr Kollege. gebunden. Sie erstreckt sich nicht nur auf Beamte, sondern enthält auch Hinweise auf den Bereich der Angestellten und Arbeiter. Zu dieser Auffassung und Renger: Herzlichen Dank, Herr Präsident Frau zu den Gründen für eine einheitliche Handhabung Die Frage aus Ihrem Geschäftsbe- Staatssekretär! im öffentlichen Dienst habe ich auf Ihre Frage in der reich ist damit beantwortet. Fragestunde am 5. November 1975 ausführlich ge- Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts- antwortet. bereich des Bundesministers des Innern. Zur Beant- wortung steht der Herr Parlamentarische Staats- Präsident Frau Renger: Zu einer Zusatzfrage Frau sekretär Dr. Schmude zur Verfügung. Abgeordnete Dr. Däubler-Gmelin.

Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Sper- Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) : Herr Staatssekre- ling auf: tär, könnten Sie mir darüber Auskunft geben, ob das Erstreckt sich der Geltungsbereich des Gesetzes zur Änderung Problem, welches das Gesetz ja für Beamte regelt, dienstrechtlicher Vorschriften über die Beschäftigung Radikaler im öffentlichen Dienst auch auf Mitarbeiter staatlicher Stellen, bereits in Manteltarifverträgen für den hier ange- die nur während der Ferienzeit, z. B. für vier Wochen, für unter- geordnete Tätigkeiten eingestellt werden, und lohnt in solchen sprochenen Bereich behandelt wird? Falls nein: Fällen der Verwaltungsaufwand für die entsprechende Überprü- Beabsichtigt die Bundesregierung, darauf hinzuwir- fung der einzustellenden Personen, ob sie ständig und immer die Gewähr bieten, aktiv für die freiheitlich demokratische Grund- ken, daß die Manteltarifverträge in diesem Sinne ordnung einzutreten? geändert werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär! Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- es ist so, daß die Manteltarifverträge bzw. das Tarif nister des Innern: Herr Kollege Sperling, Ihre Frage bereits Regelungen sowohl für den Bereich der-recht bezieht sich auf einen Personenkreis, der offensicht- Angestellten als auch für den Bereich der Arbeiter lich nicht in einem Beamtenverhältnis beschäftigt im öffentlichen Dienst enthalten. Ich kann Ihnen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14319 Parl. Staatssekretär Dr. Schmude aus § 8 Abs. 1 des Bundesangestelltentarifvertrags Dr. Gölter (CDU/CSU) : Herr Parlamentarischer folgendes vorlesen: Staatssekretär, stimmen Sie der Zielsetzung zu, daß Der Angestellte hat sich so zu verhalten, wie es angesichts des mit hoher Wahrscheinlichkeit in von Angehörigen des öffentlichen Dienstes er- Aussicht genommenen Standortes Neupotz unmit- wartet wird. Er muß sich durch sein gesamtes telbar nördlich der pfälzisch-elsässischen Grenze ein Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Standort Lauterburg nach Möglichkeit auf Grund Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes be- der angesprochenen Beratungen vermieden bzw. kennen. verhindert werden sollte?

Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage. Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen Danke schön! sagen, daß Lauterburg und die anderen genannten Orte lediglich als alternativ geplante Standorte für Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Gölter ein Kernkraftwerk vorgesehen sind. Eine Beurtei- auf: lung dieser Standorte hat die Bundesregierung bis- Ist der Bundesregierung bekannt, daß die französische Regie- her im einzelnen nicht getroffen. rung im Elsaß als Standorte für Kernkraftwerke außer Fessen- heim die Gemarkungen von Lauterburg, Gerstheim, Sundhausen und Marckholsheim in Aussicht genommen hat, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bezüglich der einzelnen sich aus dieser Planung ergebenden Probleme, z. B. an der elsässisch! Präsident Frau Renger: Bitte, eine zweite Zusatz- pfälzischen Grenze zu einer Übereinkunft mit der französischen frage. Regierung zu kommen? Bitte schön, Herr Staatssekretär! Dr. Gölter (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, darf ich meine Frage noch einmal in dem Sinne präzisie- Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege ren, daß angesichts des Standortes Neupotz auf die die Gölter, der Bundesregierung ist bekannt, daß französische Regierung eingewirkt werden sollte, französische Regierung die Standorte Lauterburg, daß Lauterburg als einer der Alternativstandorte Gerstheim, Sundhausen und Marckholsheim als ausscheidet? Alternativstandorte für ein Kernkraftwerk in Erwä- gung gezogen hat. Abschließende Entscheidungen Parl. sind der Bundesregierung nicht bekannt. Dr. Schmude, Staatssekretär: Das ist ein Ge- sichtspunkt, der in den Gesprächen mit der franzö- Die Bundesregierung erörtert mit der franzö- sischen Regierung berücksichtigt werden wird; des- sischen Regierung seit längerer Zeit Fragen der sen bin ich sicher. Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen bilateral in der „Deutsch-Französischen Kommission zum Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage. Vergleich der Kernkraftwerke Fessenheim und Neckarwestheim". Diese Kommission enthält auch Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Arbeitsgruppen, die sich mit standortrelevanten Dr. Haenschke auf. — Der Abgeordnete ist nicht im radioökologischen Problemen befassen. So wird Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die z. B. eine Erörterung der Standortbewertungsdaten Antwort wird als Anlage abgedruckt. des Bundesministers des Innern und der Vergleich mit französischen Kriterien in der nächsten Sitzung Ich rufe die Frage 12 des Herrn Abgeordneten der Arbeitsgruppe „Standorte" vorbereitet. Eine Gerster (Mainz) auf: Erweiterung der Aufgaben der Kommission ist in Wie viele Beamte des Bundesgrenzschutzes sind z. Z. dem neu Vorbereitung. errichteten Grenzsthutzkommando West unterstellt, und wie hoch wird sich die Personalstärke des Grenzschutzkommandos West Die Bundesregierung erwartet von diesen Erörte- im Endausbau belaufen? rungen die übereinstimmende Beurteilung von Pro- Bitte sehr, Herr Staatssekretär! blemen der Standortplanung und deren Regelung in gegenseitiger Rücksichtnahme. Wie Sie wissen, ist Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege die Standortentscheidung auf der deutschen Seite Gerster, zum Grenzschutzkommando West gehören Sache der Bundesländer. Die Gespräche mit der zur Zeit rund 3 000 Angehörige des Bundesgrenz- französischen Regierung erfolgen deshalb unter schutzes. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Einbeziehung der betroffenen Bundesländer oder in die Verbände und Einheiten, die bisher schon im Abstimmung mit ihnen. Raum Bonn stationiert und dem Grenzschutzkom- Uber die bilateralen Kontakte hinaus erörtert die mando Mitte unterstellt waren und jetzt in den Zu- Bundesregierung Fragen, die mit der Planung von ständigkeitsbereich des neuen Grenzschutzkomman- Kernkraftwerken im grenznahen Raum der Bundes- dos West fallen. Das sind etwa 2 600 Beamte. republik Deutschland, in Frankreich und in der Die Einsatzkräfte sind entsprechend den sofort Schweiz im Zusammenhang stehen, in einer ge- verfügbaren Unterkunftsmöglichkeiten um etwa meinsamen Regierungskommission. Diese „Commis- 350 Mann verstärkt worden. sion Tripartite" hat sich am 3. November 1975 konstituiert. Als Führungseinrichtung ist zum 1. Dezember des Jahres das Grenzschutzkommando West mit rund 50 Angehörigen mit der dazugehörigen Grenzschutz Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr mit etwa 25 Beamten und Ange--verwaltung West Abgeordneter Dr. Gölter. stellten errichtet worden. 14320 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Parl. Staatssekretär Dr. Schmude Eine zweite Phase der Verstärkung wird sich an- Stellen sind zum Teil gewonnen worden durch die schließen, sobald der benötigte neue Unterkunfts- Auflösung von drei der bisher sieben Gruppenstäbe, raum geschaffen ist. Sie wird sich in einer Größen- und zwar der Stäbe in Schwandorf, Fuldatal und ordnung von zwei bis drei Hundertschaften, also Goslar. Dadurch konnten 150 Stellen bereitgestellt etwa 400 bis 600 Mann, bewegen. Dazu soll auch werden. Weitere 244 Stellen konnten durch Ratio- eine Ausbildungseinheit gehören, um den Nach- nalisierungsmaßnahmen aus dem Gesamtbereich des wuchsbedarf des Grenzschutzkommandos West aus BGS frei gemacht werden. Dabei ist die Einsatz- dem eigenen Bereich im westlichen Bundesgebiet stärke völlig erhalten geblieben. Die Masse dieser decken zu können. Weitergehende Zahlen über den weiteren Stellen kommt aus dem Fernmeldebereich, Endausbau des Kommandos lassen sich derzeit nicht der infolge modernerer Techniken Personal abge- nennen. ben konnte, aus dem Sanitätsbereich und den Kom- mandostäben . Schließlich sind auch bisher unbe- Präsident Frau Renger: Bitte, eine Zusatzfrage. setzte Stellen herangezogen worden. Die auf diese Weise gewonnenen Stellen werden durch verset- zungsbereite Beamte aus dem Gesamtbereich des (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, Gerster (Mainz) BGS besetzt. Dadurch werden Härten für den ein- der darin wie erklären Sie sich den Widerspruch, zelnen vermieden. gesehen werden kann, daß Sie wie auch der Bun- desinnenminister bei der Errichtung des Grenz- Im Grenzraum zur DDR und zur Tschechoslowakei schutzkommandos West von 3 000 Bundesgrenz- entstehen keine Personallücken. Die Einsatzkräfte schutzbeamten im Bonner Raum gesprochen haben, sind hier nicht vermindert worden. Im Gegenteil ist während die Bundesregierung in der Beantwortung die Einsatzstärke des Bundesgrenzschutzes zur Zeit einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU unter dem so groß wie nie zuvor. Er hat seine Sollstärke von Datum des 23. Oktober 1975 noch festgestellt hat, 21 616 Polizeivollzugsbeamten mit 21 059 besetzten daß für die Sicherung der Bundesorgane insgesamt Stellen praktisch erreicht. Die Zahl von 557 Frei- nur 1 165 Beamte erforderlich sind? stellen ist bei einem Verband solcher Größe unver- meidlich. Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Darin liegt, Die Einsatzkraft des BGS ist zusätzlich durch bes- Herr Kollege Gerster, kein Widerspruch, denn ich sere und längere Ausbildung erhöht worden. Dies konnte Ihnen in der Beantwortung Ihrer Frage sa ist besonders durch den Verzicht auf die Heran- daß in den rund 3 000 Angehörigen des Bun--gen, ziehung von Kurzdienenden ermöglicht worden. desgrenzschutzes bereits rund 2 600 Beamte enthal- Dienstpflichtige mit einer Dienstzeit von 15 Monaten ten sind, die bisher schon hier Dienst tun und die werden seit Oktober 1973, zweijährig Dienstleisten- unterschiedlichsten Aufgaben haben. Sie sprechen de seit Herbst 1974 nicht mehr eingestellt. Neben einen ganz bestimmten Aufgabenbereich an, der Lebenszeitbeamten umfaßt der BGS nur vier-, acht - sich nicht mit dem Gesamtaufgabenbereich des und zwölfjährig Dienende. Es liegt auf der Hand, Grenzschutzkommandos West deckt. daß eine solche Personalstruktur höhere Einsatz- werte mit sich bringt. Präsident Frau Renger: Zweite Zusatzfrage. Als Führungseinrichtung bleibt jedem Grenz- schutzkommando neben dem Kommando selbst im Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, ostwärtigen Grenzgebiet je ein Gruppenstab, und können Sie mir sagen, ob zumindest für die 350 zwar in Coburg, Alsfeld, Uelzen und Lübeck. Eine Beamten, die jetzt aus dem Grenzbereich abgezogen Schwächung der Führungsstruktur im Grenzraum werden, und die 400 bis 600 Beamten, die in einem tritt nicht ein. Die Kommandostäbe und die verblei- weiteren Stadium aus dem Grenzbereich abgezogen benden Gruppenstäbe können alle in Betracht kom- werden sollen, ein Ersatz in diesem Grenzbereich menden Führungs- und Ausbildungsaufgaben wahr- geschaffen wird und woher dieser Ersatz kommen nehmen. soll? Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Dr. Schmude, Pari. Staatssekretär: Ich werde Ih- ordneter Gerster. nen dies gleich in meiner Antwort auf die zweite Frage, die Sie gestellt haben, mitteilen. Bei der Ge- Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, l egenheit dieser Antwort werde ich auf diesen darf ich Sie noch einmal konkret fragen: Sind Sie in Aspekt eingehen. der Tat der Auffassung, daß die Verlegung von rund 3000 BGS-Beamten in den letzten Jahren bis heute Präsident Frau Renger: Frage 13 des Herrn Abge- sowie die weiter geplante Verlegung von Bundes ordneten Gerster: aus dem Grenzbereich in den-grenzschutzbeamten Von welchen Standorten wurden und werden die Beamten für Raum Bonn insgesamt durch Rationalisierung und das Grenzschutzkommando West abgezogen, und wie werden die durch eine andere Ausbildungskonzeption in diesen hierdurch im Grenzbereich entstandenen oder entstehenden Per- sonallücken geschlossen? Bereichen aufgefangen werden kann, daß also keine Schwächung im Grenzbereich entstanden ist? Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Zur Verstär- kung der Kräfte im Raum Bonn und zur Errichtung Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Ohne die Vor- des Grenzschutzkommandos West sind in der ersten aussetzungen, von denen Sie in Ihrer Frage aus- Phase 394 Stellen hierher verlegt worden. Diese gehen, zu bestätigen, kann ich Ihnen sagen, daß ich Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14321 Parl. Staatssekretär Dr. Schmude dieser Meinung bin. Die Voraussetzungen kann ich rungsaufgaben von diesem Gruppenstab zu über- deshalb nicht bestätigen, weil wir uns hier heute nehmen und zu bewältigen sind. vor allem über diejenigen Stellen unterhalten, die zusätzlich zu den schon vorhandenen 2600 in letzter Präsident Frau Renger: Ich rufe die Frage 14 des Zeit hierhergeholt worden sind und die noch in Herrn Abgeordneten Dr. Wernitz auf: einer Größe von 400 bis 600 Mann hierhergeholt Wie ist der Stand der Beratungen zur Einbeziehung der Zoll- werden sollen. verwaltung in ein fortgeschriebenes Sicherheitsprogramm? Bitte sehr, Herr Staatssekretär! Präsident Frau Renger: Zweite Zusatzfrage. Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, Wernitz, der Sachstand ist seit Ihrer Anfrage am könnten Sie mir erklären, wie der Bundesgrenz- 21. Mai 1975 unverändert. Der Arbeitskreis II „Öf- schutz ohne eine Schwächung im Grenzbereich es fentliche Sicherheit und Ordnung" der Ständigen verkraften soll, wenn nach der neuen Ausbildungs- Konferenz der Innenminister der Länder, der sich konzeption des Bundesgrenzschutzes ganze Einsatz- am 22. und 23. Mai 1975 mit diesem Thema befaßt abteilungen zukünftig aufgelöst und zu Ausbildungs- hat, hat die Vorschläge des Bundesministers der Fi- abteilungen umgebaut werden sollen? Würden Sie nanzen — es handelt sich um das Schreiben des Bun- auch hinsichtlich dieses Sachverhaltes feststellen desministers der Finanzen vom 12. Dezember 1974 wollen, daß keine Schwächung der Einsatzreserve an den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz im Grenzbereich zu befürchten ist? — dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz als Material für eine etwaige Fortschreibung des Sicherheitsprogramms vorgelegt. Wann mit einer Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Ja, das möchte Fortschreibung zu rechnen ist, läßt sich noch nicht ich unbedingt feststellen; denn ich konnte darauf sagen. verweisen, daß für die Ausbildung jetzt bessere Voraussetzungen bestehen und daß die Einsatz- kraft allein schon durch die Umstellung der Dienst- Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- zeiten erheblich verbessert werden konnte. ordneter Dr. Wernitz.

Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Dr. Wernitz (SPD) : Herr Staatssekretär, nachdem genau zwei Jahre auf ordnete Ey. diese Frage fast auf den Tag der Tagesordnung steht, frage ich Sie: Sehen Sie eine Möglichkeit, daß die Bundesregierung — bzw. (CDU/CSU) Ey : Herr Staatssekretär, ungeachtet- die oder der Vertreter der Bundesregierung — bei Ihrer Darstellungen und der Zahlen, die Sie brach- der Innenministerkonferenz im zuständigen Arbeits- ten, frage ich Sie: Sind die Auftragsinhalte des Bun- kre is II noch einmal vorstellig wird, damit dieses desgrenzschutzes, nämlich die Grenze zu schützen, in Thema dort in absehbarer Zeit behandelt wird? irgendeiner Weise verändert worden?

Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Die Bundes- Parl. Staatssekretär: Die Auftrags- Dr. Schmude, regierung hat in ihren Antworten auf frühere Fra- inhalte sind im BGS-Gesetz festgeschrieben und in gen deutlich gemacht, daß sie der Einbeziehung der dieser Hinsicht nicht verändert worden. Zollverwaltung in das Sicherheitsprogramm zu- stimmt und daß sie bereit ist, dieses Vorhaben zu Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- unterstützen. Eine Aussicht, das nun auch konkret ordnete Jäger (Wangen). zu fördern, besteht nur dann, wenn in absehbarer Zeit mit einer Fortschreibung des Sicherheitspro- Jäger (Wangen) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, gramms zu rechnen ist. Wenn das also aktuell wer- angesichts Ihrer Feststellungen, daß die Führungs- den wird — und das liegt im wesentlichen bei den fähigkeit der Leitung des Bundesgrenzschutzes an Ländern —, dann wird die Bundesregierung auf der innerdeutschen Zonengrenze durch diesen Ab den Punkt zurückkommen. Aber es läßt sich nicht durch die Auflösung dieser Gruppenstäbe, nicht-zug, absehen, wann das soweit ist, weil es vorerst dar- vermindert sei, ergibt sich die einfache Frage: Was um geht, die im Sicherheitsprogramm festgelegten hatten diese Stäbe bisher zu tun, wenn durch ihren Vorhaben und Forderungen zu verwirklichen und Wegfall keinerlei Schwächung der Führungsfähig zu vervollkommnen. eingetreten ist? -keit Präsident Frau Renger: Eine weitere Zusatzfrage, Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Herr Abgeordneter. Jäger, die Erfahrungen der letzten Jahre haben ge-

zeigt, daß es nicht erforderlich ist — wie man frü- Dr. Wernitz (SPD) : Herr Staatssekretär, trifft es zu, her angenommen hat —, Gruppenstäbe in dieser daß im Rahmen der Innenministerkonferenz sach- Zahl zu unterhalten, wie sie bisher bestanden ha- liche Bedenken gegen die Einbeziehung geltend ge- ben. Deshalb ist die Reduzierung um drei Gruppen macht wurden, und sind Sie weiterhin der Auffas- auf vier verbleibende erfolgt, und zwar so,-stäbe sung, daß das Sicherheitsprogramm ohne Einbezie- daß in jedem Grerschutzkommando ein Gruppen- hung der Zollverwaltung sachlich eine Lücke auf- stab für den Fall zur Verfügung steht, daß Füh weisen würde? 14322 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Dr. Schmude, Pari. Staatssekretär: Herr Kollege Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Wernitz, ich würde nicht so weit gehen, von einer ordneter Niegel. Lücke zu sprechen, aber aus den bisherigen Ver- lautbarungen der Bundesregierung wird deutlich, Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, streiten daß sie es als eine Bereicherung des Programms an- Sie dann Berichte wie z. B. den der „Frankfurter sähe, wenn die Zollverwaltung einbezogen werden Allgemeinen Zeitung" vom 3. Dezember 1975 ab, könnte. Vom Arbeitskreis II, dem zuständigen Ar- worin behauptet wird, daß wiederholt Beauftragte beitskreis der Innenministerkonferenz, konnte ich Ost-Berlins wegen eines Austauschs von Guillaume Ihnen berichten, daß er den Vorschlag als Material vorstellig geworden seien? für eine eventuelle Fortschreibung weitergegeben hat. Von einer Wertung in diesem Zusammenhang Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe gesagt, ist mir nichts bekannt. mir ist zu dieser Frage nichts bekannt.

Präsident Frau Renger: Danke schön, Herr Staats- Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- sekretär. Damit sind Ihre Fragen beantwortet. ordneter Seiters. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Herr Parlamentarischer Staatssekre- Seiters (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, bedeu- tär Dr. de With steht zur Beantwortung zur Ver- tet Ihre erste Antwort auf die hier gestellte Frage, fügung. daß Sie damit definitiv im Namen der Bundesregie- rung erklären wollen, daß ein Austausch von Guil- Frage 1 des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) : laume nicht in Frage steht? Steht die Bundesregierung noch zu ihrer mehrmals definitiv erklärten Aussage, daß der Kanzlerreferent Guillaume nicht vor Verbüßung seiner zu erwartenden Haftstrafe ausgetauscht wird, Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich habe klar und wird sie dem Bundespräsidenten auch nicht eine Begnadi- gesagt, daß ich mich zu dieser Frage auf die Äuße- gung empfehlen oder vorschlagen? rungen beziehen kann, die früher gefallen sind. Ich Bitte sehr, Herr Staatssekretär. darf zitieren, was der damalige Innenminister am 26. April vergangenen Jahres erklärt hat: Dr. de With, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Ich denke, daß jeder, vor allen Dingen die Pro- nister der Justiz: Herr Kollege Kunz, die Bundes- fis, die in diesen Fall verwickelt sind — ich neh- regierung hat zu dieser Frage mehrfach eindeutig me an, daß Guillaume und seine Leute das wis- Stellung genommen. Sie sieht keinen Anlaß, diese sen werden —, das Gefühl haben wird, daß im Stellungnahmen zu ändern oder zu ergänzen Zusammenhang mit ihnen das Wort „Aus- tausch" sicher eine unbegründete Hoffnung wäre. Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Die bisherige Geschichte des Prozesses belegt, daß Abgeordneter. dies zutrifft. Davon gehe ich auch weiterhin aus.

Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Herr Staatssekre- Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- tär, wie kann die Bundesregierung dem Eindruck ordneter Dr. Sperling. begegnen, daß eine Agententätigkeit in der Bundes- republik ein gefahrloses Unternehmen darstellt, wenn ein vorzeitiger Austausch doch ins Auge ge- Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, unter- faßt werden sollte? s tellt, es gäbe jenes in den Zeitungen berichtete Interesse der Regierung der DDR und man könnte für Guillaume eine Menge Menschen freikaufen, Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, die wäre dann nicht die Freiheit dieser Menschen unter bisherige Geschichte zu diesem Vorgang belegt, daß Umständen den Austausch wert? Spekulation ist. Es geht alles seinen ruhi- dies pure gen Gang. Anlaß zu Spekulationen gibt es in keiner Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Sie verstehen, Weise. daß ich zu abstrakten Spekulationen, ohne daß es konkrete Hinweise gäbe, keine Antwort erteilen Präsident Frau Renger: Eine zweite Zusatzfrage, kann. Herr Abgeordneter Dr. Kunz. Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) : Herr Staatssekre- ordneter Spranger. tär, bei wem und wie oft sind Beauftragte Ost-Ber- lins wegen eines Austauschs von Guillaume vor- Spranger (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wenn stellig geworden, und welchen Bescheid hat die Sie ausdrücklich betonen, daß Ihnen persönlich von Bundesregierung direkt oder indirekt diesen Beauf- irgendwelchen Angeboten der östlichen Seite nichts tragten zukommen lassen? bekannt ist, muß ich daraus schlußfolgern, daß sol- che Angebote anderen Mitgliedern der Bundesregie- Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Mir ist zu dieser rung oder anderen Bundesbehörden gemacht wur- Frage nichts bekannt. den ? Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14323

Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Dies müssen Sie Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab- nicht daraus schlußfolgern. Ich sage, mir ist nichts geordneter! bekannt, und ich gehe davon aus, daß mir das be- kanntgeworden wäre. Aber eine Schlußfolgerung Gansel (SPD) : Seit wann ist dieser Gegenstand, in Ihrem Sinne ist nach meiner Aussage nicht ge- der ja von dem Strafverfahren gegen die Merex AG rechtfertigt. losgelöst sein müßte, Gegenstand eines Ermittlungs- verfahrens ? Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- ordneter Jäger (Wangen). Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Dies kann ich Ihnen leider nicht sagen. Jäger (Wangen) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß es Wege gibt, die zu Präsident Frau Renger: Eine zweite Zusatzfrage, einem Austausch des Herrn Guillaume führen könn- Herr Abgeordneter! ten, die gar nicht über die Bundesregierung, sondern über andere Instanzen laufen? Gansel (SPD) : Herr Staatssekretär, da ich auch nach der Zusammenarbeit des BND mit dem letzten gefragt habe Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich wüßte nicht, Adjutanten Hitlers, General Engel, über welche. Die Bundesregierung hat nach Gesetz und da eine solche Zusammenarbeit ja leider nicht und Recht zu verfahren, und noch immer läuft dieses strafbar ist und auch nicht Gegenstand eines Ermitt- Verfahren, betrieben durch den Generalbundesan- lungsverfahrens sein kann, möchte ich Sie fragen, in walt. Mir ist nicht klar, welche Andeutung Sie inso- wie die Bundesregierung politisch eine solche, in den weit machen wollen. Ich gehe davon aus — ich be- der Offentlichkeit und in Senatsausschüssen tone dies —, daß dieses Verfahren wie bisher seinen USA mehrfach angesprochene Zusammenarbeit zwi- normalen Gang geht. schen dem Bundesnachrichtendienst und dem letzten Hitler-Adjutanten beurteilt. Präsident Frau Renger: Letzte Zusatzfrage, Herr Staatssekretär: Ohne daß ich Ihre Abgeordneter Ey. Dr. de With, Parl. Äußerungen, die unter Umständen gewisse Wertun- gen enthalten, von mir aus in der einen oder anderen Ey (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, können wir Weise bewerten möchte, darf ich darauf verweisen, Ihren persönlichen Ausführungen entnehmen, daß daß Ihre Frage dem Komplex nach Dinge betrifft, Sie nicht in der Lage sind, im Auftrag der Bundes- zu denen es ein Ermittlungsverfahren gibt. Dieses regierung eine Antwort zu geben? steht unter „Streng geheim" . Deswegen verbietet es sich für mich — also nicht nur, weil es sich um ein Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Ich denke, ich schwebendes Ermittlungsverfahren handelt —, hier- habe im Auftrag der Bundesregierung geantwortet, zu Auskunft zu geben. Im übrigen, meine ich, muß insonderheit durch meine letzte Antwort. jedem selbst eine entsprechende Wertung überlas bleiben. -sen (Beifall bei der SPD) Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab Präsident Frau Renger: Danke, Herr Staatssekre- -geordneter Hansen. tär. Hansen (SPD): Herr Staatssekretär, wenn auch das Die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Tietjen wird Verfahren selbst unter die von Ihnen genannte Ge auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet, ebenso sollte, könnten Sie dem Haus-heimhaltung fallen die Frage 10 des Abgeordneten Schäfer (Appen- dann wenigstens mitteilen, auf welchen Zeitraum weier), die unter diesem Geschäftsbereich läuft. Die sich das angestrengte Verfahren bezieht? Antworten werden als Anlage abgedruckt.

Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Nein, dies kann Gansel auf: ich nicht. Trifft es zu, daß der BND oder andere Stellen der Bundes oder Personen im Auftrag der Bundesregierung an-regierung Eine weitere Zusatzfrage Waffengeschäften der Werkzeugaußenhandelsgesellschaft mbH Präsident Frau Renger: beteiligt gewesen sind, die bis 1972 von einem ehemaligen Ad- des Abgeordneten Dr. Sperling. jutanten Hitlers geführt wurde, und wenn ja, welche Konse- quenzen hat die Bundesregierung nach Kenntnis der Beteiligung veranlaßt? Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, könnten Bitte schön, Herr Staatssekretär! Sie denn wenigstens sagen, ob der Verfassungs- schutz diesen früheren Hitler-Adjutanten auf seine Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Zuverlässigkeit nach den Bestimmungen des Kriegs Gansel, der Sachverhalt, den Sie in dieser Frage geprüft hat? -waffenkontrollgesetzes ansprechen, ist Gegenstand eines Ermittlungsver- fahrens der Staatsanwaltschaft Bonn. Sie werden Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Da ich den Zu daher Verständnis dafür haben, daß sich die Bun- mit der ursprünglich gestellten Frage-sammenhang desregierung einer Äußerung zu diesem schweben- nicht sehe, kann ich hierzu auch keine Antwort er- den Verfahren enthält. teilen. 14324 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Präsident Frau Renger: Weitere Zusatzfragen lie- Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn gen nicht vor. Abgeordnete Meinike.

Die Fragen 103 und 104 des Herrn Abgeordneten Meinike (Oberhausen) (SPD) : Herr Staatssekretär, Dr. Dübber werden auf Wunsch des Fragestellers von schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als darf ich Sie auch im Hinblick auf bereits früher Bun- Anlage abgedruckt. mir gestellte Fragen nochmals fragen, ob die desregierung nicht nunmehr willens und bereit ist, Herr Staatssekretär, damit sind die Fragen aus nicht nur die Staatsbürgerliche Vereinigung e. V. Ihrem Geschäftsbereich erschöpft. Ich danke Ihnen. Bayern, sondern all jene gemeinnützigen Vereine und Verbände, die in Rechenschaftsberichten der Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Parteien erscheinen, auf die Frage hin zu überprü- Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung fen, wieweit diese Vereinigungen mit Sicherheit der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staats- Einnahmen, die steuerbegünstigt abgesetzt worden sekretär Offergeld zur Verfügung. sind, für Parteispenden und damit im Grunde nicht mehr satzungsgemäß verwenden? Die Fragen 15, 16, 17 und 18 werden auf Wunsch der Fragesteller, der Kollegen Dr. Althammer und Höcherl, schriftlich beantwortet. Die Antworten Offergeld, Parl. Staatssekretär, Herr Kollege, diese werden als Anlage abgedruckt. Frage war mehrfach Gegenstand der Fragestunde. Daraufhin hat das Bundesfinanzministerium Über- Ich rufe nunmehr die Frage 19 des Herrn Abge- prüfungen durch die zuständigen Länderfinanzbe- ordneten Schöfberger auf: hörden veranlaßt. Diese Prüfungen sind auch durch- Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Bayerische Staats geführt worden; uns ist berichtet worden, daß sich Vereinigung e. V. als „gemeinnützig" und daher-bürgerliche förderungswürdig anerkannt ist? kein Grund zur Beanstandung ergeben hat. Bitte schön, Herr Staatssekretär! Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling. Offergeld, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- ster der Finanzen: Herr Kollege, die Entscheidung über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit liegt Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht beim Bundesfinanzministerium, sondern bei denn nicht der Konflikt bekannt, der eigentlich ent- den örtlich zuständigen Landesfinanzbehörden. stehen muß, wenn eine von einer bestimmten Partei geführte Landesregierung die Gemeinnützigkeit für In der zur Verfügung stehenden Zeit war es nicht Organisationen bescheinigt, die genau für diese möglich, beim zuständigen Bayerischen Staatsmini- Partei die Geldspenden besorgen? sterium der Finanzen die steuerliche Behandlung (Zurufe von der CDU/CSU: Z. B. in Hessen! der Bayerischen Staatsbürgerlichen Vereinigung — Rudi Arndt!) festzustellen und klären zu lassen, ob die Vereini- gung mit der Bekanntgabe ihrer steuerlichen Ver- hältnisse einverstanden ist. Ohne dieses Einver- Offergeld, Parl. Staatssekretär: Daß da ein Kon- ständnis kann das Bundesfinanzministerium wegen flikt auftreten kann, Herr Kollege, ist theoretisch des Steuergeheimnisses keine Einzelheiten über nicht zu bestreiten. Ich gehe aber davon aus, daß diesen Fall mitteilen. Ich werde Sie, Herr Kollege, sich die Landesregierungen an die gesetzlichen Vor- so bald als möglich im Rahmen des Zulässigen schriften halten. Wir haben bisher keinen konkreten unterrichten, wenn wir vom Bayerischen Staatsmini- Anhaltspunkt dafür, daß dies nicht geschehen wäre. sterium der Finanzen informiert worden sind. Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab Abgeordneten Jäger (Wangen). -geordneter Dr. Schöfberger! Jäger (Wangen) (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, Dr. Schöfberger (SPD) : Herr Staatssekretär, sieht geht die Bundesregierung mit mir davon aus, daß die Bundesregierung die Möglichkeit, daß mit einer die Prüfung dieser Frage zunächst einmal in die solchen staatsbürgerlichen Vereinigung der Zweck Zuständigkeit des örtlich und sachlich zuständigen verfolgt wird, die Grenzen des § 10 b des Einkom- Finanzamts fällt und daß dieses Finanzamt nach den mensteuergesetzes zu umgehen, wonach Spenden Gepflogenheiten unserer Steuerverwaltung objektiv an Parteien nur bis zu 1200 DM, Spenden für und ohne parteipolitische Bezüge diese Frage prüft? staatspolitische Zwecke jedoch bis zu 10 % vom (Sehr gut! bei der CDU/CSU) Einkommen absetzbar sind? Offergeld, Parl. Staatssekaretär: Herr Kollege, ich Offergeld, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schöf- habe bereits gesagt, daß die verwaltungsmäßige Ab- berger, ich kann niemals theoretisch ausschließen, wicklung dieser Fälle Sache der Landesfinanzver- daß versucht wird, Vorschriften zu umgehen. Ich waltung ist. Ich muß aber auch darauf hinweisen, kann aber hier zu diesem konkreten Fall mangels daß der Bundesfinanzminister die Möglichkeit hat, Information nichts sagen. sich darüber berichten zu lassen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14325

Präsident Frau Renger: Herr Abgeordneter Dr. Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister Schöfberger, Sie haben noch eine Zusatzfrage. für Wirtschaft: Herr Kollege Dr. Enders, der Bundes ist bekannt, daß die Verbraucherpreise für-regierung Dr. Schöfberger (SPD) : Hält es die Bundesregie- Benzin regional und auch zwischen Tankstellen der rung für den demokratischen Prozeß für erheblich, gleichen Marke unterschiedlich sind. Ich habe am wenn eine politische Partei von einer Staatsbürger- 15. Juli dieses Jahres auf eine Frage des Kollegen li chen Vereinigung regelmäßig namhafte Millionen- Dr. Kreutzmann zur Entwicklung dieser Preisunter- beträge bekommt, ohne daß den Bürgern voll auf schiede ausführlich geantwortet und erläutert, daß wird, welcher Vereinszweck und welche-gedeckt das Preisniveau in Orten oder Gebieten mit ge- Vereinsabsichten dahinterstecken? mischter Angebotsstruktur, wo Markengesellschaf- (Zurufe von der CDU/CSU) ten, freie Tankstellen und sonstige branchenfremde Anbieter nebeneinander Benzin anbieten, durchweg niedriger ist als in Gebieten, in denen diese Ange Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich Offergeld, nicht besteht. Auch Unterschiede in den-botsvielfalt habe Ihre Frage nicht verstanden. Worin lag die Vertriebskosten spielen für regionale Preisunter- Frage? schiede eine Rolle.

Dr. Schöfberger (SPD) : Ich möchte die Frage wie- Die Benzinpreise in der Bundesrepublik bilden sich — anders als in einigen unserer Nachbarlän- derholen. Ist die Bundesregierung der Meinung, daß der — ohne staatliche Einflußnahme frei im Wettbe- die Bürger dieses Landes Anspruch auf Aufklärung werb. Regional unterschiedliche Preise sind Aus- haben, wenn eine Staatsbürgerliche Vereinigung druck dieser wettbewerbswirtschaftlichen alljährlich namhafte Millionenbeträge an eine politi- Preisge- staltung. Der Preisabstand findet dort sche Partei überweist und auf diese Weise in den seine Grenze, wo der Verbraucher den politischen Prozeß eingreift? weiteren Weg zu einer billigeren Tankstelle einem höheren Preis an einer nahe gelegenen Tankstelle vorzieht. Die Bundes Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Offergeld, weder die Absicht noch die Möglich--regierung hat wenn Sie „Anspruch" nicht rechtstechnisch ver- keit, gegen regional höhere Benzinpreise vorzu- stehen, kann ich Ihnen zustimmen. gehen. Die Abwanderung von Tankstellenkunden zu billigeren Großstadtangeboten verhindern zu Präsident Frau Renger: Eine letzte Zusatzfrage des wollen, würde den bestehenden Preisabstand ten- Herrn Abgeordneten Spranger. denziell noch vergrößern. Insgesamt zeigt ein Vergleich der europäischen (CDU/CSU) : Würden Sie, Herr Staats- Spranger Benzinpreise, daß der deutsche Verbraucher mit sekretär, auch dann für Aufklärung sorgen, wenn unserem System nicht schlecht fährt. Die Benzin- der Staatsbürger sich danach erkundigte, welche preise in der Bundesrepublik — die unterschied- finanzielle Unterstützung der DGB der SPD ge- li c hen Steuersätze nicht berücksichtigt — liegen so- währt ? wohl für Normalbenzin als auch für Superbenzin (Zurufe von der SPD) am unteren Ende der Skala.

Parl. Staatssekretär: Ich habe nicht Offergeld, Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr gesagt, daß ich für Aufklärung sorgen würde, Herr Abgeordneter Dr. Enders. Kollege; das muß ich hier richtigstellen. Sie haben meine Antwort mißverständlich interpretiert. Im Dr. Enders (SPD) : Herr Staatssekretär, sehen Sie übrigen gehe ich davon aus, daß die Verbände — insbesondere der DGB — ihren Mitgliedern sehr eine Möglichkeit, über einen Konzern, bei dem der Bund die wohl Rechenschaft über die Verwendung der Mitte] Mehrheitsbeteiligung hat, oder über das ablegen. Kartellgesetz auf dem Benzinmarkt preisregulierend einzugreifen? Präsident Frau Renger: Danke schön, Herr Staats- Grüner, Parl. Staatssekretär: Jeder hat die sekretär, für die Beantwortung der Fragen. Mög- lichkeit, durch Anzeige beim Kartellamt auf Wett Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts aufmerksam zu machen und ein-bewerbsverstöße Bundesministers für Wirtschaft. Zur Be--bereich des Verfahren einzuleiten. Auch die Bundesregierung antwortung steht Herr Parlamentarischer Staats- würde das tun, wenn sie für solche Wettbe- sekretär Grüner zur Verfügung. werbsverstöße Anhaltspunkte hätte. Aber der hier soeben dargelegte Sachverhalt beruht auf unserer Ich rufe zunächst die Frage 20 des Herrn Abge- derzeitigen Kenntnis der Marktverhältnisse, u. a. ordneten Dr. Enders auf: auch auf Grund der Informationen, die uns durch Sind der Bundesregierung die erheblichen Preisunterschiede bei die Beteiligung an einem Unternehmen zur Ver- Benzin, selbst der gleichen Marke, innerhalb enger Regionen und die dadurch entstehenden unterschiedlichen Belastungen der fügung stehen. Arbeitnehmer in Klein- und Großstädten bekannt, und hat die Bundesregierung Möglichkeiten, gegen regional überhöhte Kraft- stoffpreise vorzugehen, um die Arbeitnehmer in den ländlichen Präsident Frau Renger: Eine zweite Zusatzfrage. Räumen vor ungebührlichen finanziellen Belastungen zu bewah- ren und die Abwanderung der Tankstellenkunden zu billigeren Großstadtangeboten zu verhindern? Dr. Enders (SPD): Herr Staatssekretär, halten Sie Bitte schön, Herr Staatssekretär! das Argument der Benzinverbände für stichhaltig, 14326 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Dr. Enders ein unterschiedlicher Benzinpreis sei auf Grund der Bei den Stromerzeugungsanlagen ist mit folgender unterschiedlichen Transportkosten gerechtfertigt? Kapazitätsentwicklung zu rechnen: 1975 insgesamt 76 000 MW, 1976 82 600 MW, 1977 87 750 MW und 1978 88 050 MW; auf Steinkohlebasis — einschließ- Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist sicher ein lich Steinkohlemischfeuerung —: 1975 29 000 MW, Element der Kosten, die diese Unternehmen haben. 1976 30 200 MW, 1977 29 200 MW und 1978 29 600 Es ist gar keine Frage, daß das dabei eine Rolle MW. spielt. Dieses Moment ist aber für die Preisgestal- tung nicht ausschließlich verantwortlich. Der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundes- tages hat in seiner Sitzung am 10. Dezember die Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Ab- Rechtsverordnung des Bundesministers für Wirt- geordneten Wolfram. schaft beraten, durch die der Prozentsatz der Aus- gleichsabgabe für 1976 festgesetzt wird. Die Rechts- verordnung ist dem Wirtschaftsausschuß entspre- Wolfram (Recklinghausen) (SPD) : Herr Staatsse- chend einer Zusage aus dem Gesetzgebungsverfah- kretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es gut ren für das Dritte Verstromungsgesetz zugeleitet wäre, mehr Transparenz in die Preispraktiken von worden. Zusammen mit dem Text des Verordnungs- Mineralölkonzernen zu bringen, vor allem dann, entwurfs sind dem Wirtschaftsausschuß ergänzende wenn sie gewisse Marktpositionen, die sie in be- Unterlagen übermittelt worden, aus denen sich die stimmten Räumen haben, offensichtlich besonders Entwicklung des Ausgleichsfonds in den Jahren ausnutzen? 1975 und 1976 im einzelnen ergibt. Ich möchte des- halb, Ihr Einverständnis voraussetzend, nur folgende Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich halte die Trans- wesentliche Daten herausgreifen: 1975 wird der parenz für sehr wichtig. Aber ich glaube, daß ich Ausgleichsfonds mit einem Guthaben von rund 200 in der Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Millionen DM abschließen. Bei einem voraussicht- Enders auch sehr deutlich gemacht habe, was die lichen Aufkommen von 750 Millionen DM sind nur Ursachen für diese unterschiedlichen Preise sind. rund 530 Millionen DM an Zuschüssen im Jahre 1975 Darin liegt ein Teil Transparenz. tatsächlich ausgezahlt worden. Das Guthaben von 220 Millionen DM wird in das Jahr 1976 übertragen. Ihm stehen jedoch Restansprüche aus 1975 und Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage. Vorjahren in Höhe von 370 Millionen DM gegen Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten -über. Dr. Zeitel auf: Für 1976 ist — bei unveränderter Beibehaltung der Mit welchem Einsatz heimischer Steinkohle in Kraftwerken, Verstromungsgesetze — mit Zuschußzahlungen von mit welchem Strombedarf sowie mit welcher Kapazitätsentwick- lung bei Stromerzeugungsanlagen ist nach dem gegenwärtigen insgesamt 1 088 000 000 DM zu rechnen. Bei voraus- Erkenntnisstand der Bundesregierung 1975 sowie 1976 bis 1980 zu rechnen? sichtlichen Gesamterlösen der Elektrizitätswirtschaft im Jahre 1976 von rund 34 Milliarden DM soll daher Bitte sehr, Herr Staatssekretär! der Prozentsatz der Ausgleichsabgabe für 1976 nach den Vorschlägen des Wirtschaftsministeriums auf Grüner, Parl. Staatssekretär: Darf ich die Fragen 3,2 % festgesetzt werden. Ich füge hinzu, daß der 21 und 22 wegen des Sachzusammenhangs zusam- Wirtschaftsausschuß in seiner heutigen Sitzung den men beantworten, Frau Präsident? Vorschlag gemacht hat, 3,24 % festzusetzen. Im Falle einer Novellierung des Dritten Verstromungs- Präsident Frau Renger: Das liegt beim Fragestel- gesetzes müßte der Prozentsatz der Ausgleichsab- ler. Sind Sie einverstanden? — Danke schön. Ich gabe gegebenenfalls in der Novelle selbst neu fest rufe dann noch die Frage 22 des Abgeordneten werden. -gesetzt Dr. Zeitel auf: Wie werden sich Aufkommen und Verteilung der Mittel aus Präsident Frau Renger: Erste Zusatzfrage, Herr der Verstromungsabgabe für die Jahre 1975 und 1976 gestalten? Dr. Zeitel.

Grüner, Parl. Staatssekretär: Für 1975 rechnet die Dr. Zeitel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, zeich- Bundesregierung mit einem Einsatz von rund 22 Mil- net sich im Kapazitätszuwachs bei der Strom- lionen t Steinkohleneinheiten in der Kraftwirtschaft. erzeugung in der Zusammensetzung nach Einsatz- Eine Absatzvorausschätzung für die kommenden stoffen eine andere Schichtung ab, als sie dem Jahre wird derzeit von dem Bundesbeauftragten für Energieprogramm der Bundesregierung zugrunde den Steinkohlenbergbau vorgenommen. Diese Vor- liegt? ausschätzung soll in Kürze im Kohlebeirat bera- ten und anschließend im Bundesanzeiger veröffent- licht werden. Die Bundesregierung bittet um Ver- Grüner, Parl. Staatssekretär: Eine solche Aussage ständnis, daß sie vor dieser Veröffentlichung keine ist im Augenblick wegen der außerordentlich star- eigene Absatzprognose abgibt. Dies gilt auch für ken konjunkturellen Überlagerung des gegenwärti- den voraussichtlichen Stromverbrauch in den kom- gen Absatzes nicht möglich. Aber ich bin sicher, daß menden Jahren, da die Absatzvorausschau des Bun- wir uns im Zusammenhang mit der Debatte über das desbeauftragten auch hierzu Angaben enthalten Verstromungsgesetz auch um Aussagen dazu be- wird. mühen werden. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14327

Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Der Europäische Rat hat darüber hinaus am 1. und o rdneter Wolfram, bitte! 2. Dezember einen großen Fortschritt in Richtung auf parallele Mechanismen innerhalb der Europäi- Wolfram (Recklinghausen) (SPD) : Herr Staatsse- schen Gemeinschaften gebracht, die ein Mindest- kretär, darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, preissystem einschließen. Damit wird die von der ob die Bundesregierung an den Zahlen der Ersten Bundesregierung stets unterstützte Parallele zwi- Fortschreibung des Energiekonzepts festhält, und schen der Internationalen Energieagentur und den wird sie die Elektrizitätswirtschaft zur Einhaltung Europäischen Gemeinschaften erreicht. dieser Mengen veranlassen? Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es sind ordneter Stavenhagen. Verhandlungen im Gange. Es ist das Ziel der Bundes- regierung und des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes über die Verstromungsabgabe, daß eine Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, möglichst große Menge Steinkohle im Wege der droht uns dann, wenn der Marktpreis in die Nähe Verstromung abgesetzt werden kann. des Mindestpreises kommt — sonst wäre das über- haupt nur eine Erklärung ohne ökonomische Wir- kung —, eine Ölmarktordnung analog der Agrar- Präsident Frau Renger: Danke schön, Herr Staats- marktordnung mit ihren Schwierigkeiten, die wir sekretär! zur Genüge kennen? Frage 23 des Herrn Abgeordneten Thürk. — Ist er im Saal? — Nein, ich sehe ihn nicht. Dann wird Grüner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister diese Frage ebenso wie die Frage 24 schriftlich be- für Wirtschaft: Der Sinn dieses Mindestpreises liegt antwortet. Die Antworten werden als Anlage abge- ja darin, heutige Energieinvestitionen gegen ein druckt. Absinken des Ölpreises unter die Rentabilitätsschwel- le heute unternommener Investitionen abzusichern. Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Staven- Zur Erreichung dieses Zieles gibt es verschiedene hagen: Mechanismen, über die diskutiert werden muß, wenn Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftlichen Aus- wirkungen eines garantierten Mindestpreises fürÖl , und teilt ein solcher Fall eintritt. — Ich glaube aber, daß diese die Bundesregierung die Befürchtungen, daß dieses Instrument Ihre Frage auch schon eng mit der zweiten Frage, zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen wird, wenn der Marktpreis in die Nähe des Mindestpreises absinkt? die Sie gestellt haben, zusammenhängt. Bitte, Herr Staatssekretär! Präsident Frau Renger: Die zweite Zusatzfrage, Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Internationale bitte sehr! Energieagentur hat bekanntlich im März dieses Jah- res das Prinzip eines Mindestpreises zur Absiche- Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, rung von Investitionen zur Entwicklung von alter- wie soll ein solcher Mindestpreis durchgesetzt wer- nativen Energien beschlossen. Die wirtschaftlichen den, wenn der Anbieter von Rohöl weder der deut- Auswirkungen eines solchen Mindestpreises hängen schen noch der europäischen Jurisdikation unter- entscheidend von seiner Höhe ab. Ein Beschluß über steht, und soll das so geschehen, daß dann die Preis- diese Höhe steht noch aus. Zur Diskussion steht der- differenz von staatlicher Seite abgeschöpft wird, zeit eine Höhe zwischen 6 und 8 Dollar pro Barrel damit mit diesen Mitteln andere Energieinvesti- bei einem gegenwärtigen durchschnittlichen Ölpreis tionen getätigt werden können? von etwa 12 Dollar pro Barrel. Die Bundesregierung hat sich stets für die Festsetzung eines möglichst niedrigen Mindestpreises ausgesprochen. Zuletzt Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Mechanismus hat der Bundeskanzler im Europäischen Rat erklärt, einer solchen Abschöpfung ist denkbar, allerdings daß für die Bundesrepublik ein Preis von mehr als nur auf der Basis, daß die 18 erwähnten Industrie- 7 Dollar pro Barrel nicht akzeptabel sei. Ein solcher nationen hier einheitlich handeln; das ist das Ziel Mindestpreis würde einen Schutz für bereits getä- der Uberlegungen. Es wäre auch eine Abschöpfung tigte Energieinvestitionen und einen Anreiz für innerhalb des Marktes denkbar. zusätzliche Energieinvestitionen bedeuten. Ich möchte Ihre Frage nicht mit der nach der Ver- Bei einem Absinken des Marktpreises in die Nähe wendung derartiger abgeschöpfter Mittel verknüp- des Mindestpreises ergeben sich keine Wettbe- fen. Es wird eine solche Entscheidung auch erst dann werbsverzerrungen. Auch wenn der Marktpreis un- diskutiert werden können, wenn eine reale Vermu- ter den Mindestpreis absinkt, wären voraussichtlich tung besteht, daß sich der Marktpreis an einen sol- keine untragbaren Wettbewerbsverzerrungen zu er- chen Mindestpreis, der ja bis heute noch nicht fest- warten. Der Mindestpreis würde nämlich von allen gelegt ist, annähert. 18 Mitgliedstaaten der Internationalen Energie- agentur, d. h. allen großen westlichen Industrienatio- nen einschließlich der USA, Japans und der acht Präsident Frau Renger: Ich rufe Frage 26 des Herrn EWG-Staaten mit Ausnahme von Frankreich im Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf: Rahmen eines Programms zur langfristigen Zusam- Hat die Bundesregierung aus den Ölpreisbewegungen der Vergangenheit die Vermutung, der Marktpreis könnte in die menarbeit eingeführt. Nähe des Mindestpreises absinken? 14328 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Grüner, Parl. Staatssekretär: Seit 1973 werden die Form oder nicht vollständig beigebracht worden Rohölpreise einseitig durch Beschluß der Förderlän- wären, insbesondere auch nicht dafür, daß die er- der festgesetzt. Seit diesem Zeitpunkt sind die Roh- forderlichen Endverbleibserklärungen der Regierun- ölpreise ständig gestiegen. Trotz des weltweiten gen der Empfängerstaaten nicht vorgelegen hätten. Rohölüberschusses im Jahre 1975 haben die OPEC Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft hat die die Preise ab 1. Oktober 1975 um-Staaten 10 % an- neben den Genehmigungen nach dem Kriegswaffen- gehoben; neue Preiserhöhungen sind angekündigt. kontrollgesetz rechtlich erforderlichen Ausfuhrge- Dennoch ist angesichts der extrem niedrigen Produk- nehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz er- tionskosten von teilweise weit unter einem Dollar teilt. Die Genehmigungen nach dem KWKG haben pro Barrel die Möglichkeit einer gezielten und dem BAW vor Erteilung der entsprechenden Aus massiven Preissenkung nicht von vornherein aus vorgelegen. -fuhrgenehmigung Gegen einen solchen Preisverfall spricht-zuschließen. allerdings, daß der Spielraum für Preissenkungen Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab- für die meisten Olförderstaaten wegen ihrer großen geordneter Hansen. wirtschaftlichen Aufbaupläne und des damit ver- bundenen enormen Finanzbedarfs trotz der sehr niedrigen Förderkosten gering sein dürfte. Hansen (SPD) : Herr Staatssekretär, man kann also, obwohl die Unterlagen vernichtet sind, davon aus- gehen, daß damals im Genehmigungsverfahren keine Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab- gefälschten Unterlagen verwendet worden sind? geordneter. Grüner, Parl. Staatssekretär: Nach allem, was wir (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, Dr. Stavenhagen bis heute wissen, kann man davon ausgehen. halten Sie es für realistisch, daß die Ölländer in dem Wissen, daß die Preisdifferenz von den Verbrau- cherstaaten abgeschöpft würde, überhaupt auf einen Präsident Frau Renger: Die zweite Zusatzfrage. Marktpreis unter einem definierten Mindestpreis heruntergehehen würden? Hansen (SPD) : Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann weiter fragen, ob Sie auf Grund des von Ihnen Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich halte das für sehr dargelegten Sachverhalts keinerlei Veranlassung unwahrscheinlich. Aber als eine gezielte Marktstra- sehen, den zweiten Teil meiner Frage dahin gehend tegie zur Verfolgung politischer Ziele kann man so zu beantworten, daß Sie Maßnahmen für notwendig etwas nie ganz ausschließen. erachten, um Mißbrauch in Zukunft zu verhindern?

Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bitte um Entschul- dazu. digung dafür, daß ich auf diesen Komplex nicht ein- gegangen bin. — Um Täuschungen über die wahren Ich rufe Frage 27 des Herrn Abgeordneten Hansen Endempfänger vorzubeugen, besteht das Wirtschafts- auf: ministerium für das Genehmigungsverfahren seit je Welche schriftlichen Unterlagen haben dem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft und dem Bundesminister für Wirtschaft, auf Vorlage originaler Endverbleibserklärungen der dem Auswärtigen Amt, dem Bundesverkehrsminister und dem Regierungen der Bestimmungsländer. Bundesverteidigungsminister im Genehmigungsverfahren gemäß dem Kriegswaffenkontrollgesetz über Waffenlieferungen der den Genehmigungsinhabern Merex AG im Jahr 1965 und 1966, insbesondere aus den angeb- Darüber hinaus wird lichen Empfängerstaaten, vorgelegen, und wie will die Bundes- in besonders gelagerten Fällen in der Genehmigung regierung in Zukunft verhindern, daß sie durch echte oder ge- fälschte Urkunden über die wahren Endempfänger getäuscht die Auflage erteilt, die amtlichen Wareneingangs wird? Empfängerländer vorzulegen. Soweit-dokumente der Bitte sehr, Herr Staatssekretär! es um die Verwertung von Überschußmaterial der Bundeswehr geht — allein darauf bezog sich das Grüner, Parl. Staatssekretär: Bei den Waffenliefe- jetzt in erster Instanz abgeschlossene Merex-Straf- rungen der Merex-AG handelte es sich bis auf einen verfahren —, hat der Bundesverteidigungsminister Fall um kommerzielle Exportgeschäfte. Die Geneh- im Jahre 1970 entschieden, daß ausgesonderte Waf- migungen dafür sind vom Wirtschaftsministerium fen nur noch von Regierung zu Regierung abgege- als der zuständigen Genehmigungsbehörde im Ein ben werden dürfen und hierbei privater Waffen- mit dem Verteidigungsministerium und-vernehmen handel nicht beteiligt werden darf. Diese Entschei- dem Auswärtigen Amt erteilt worden. Der Ver- dung ist im Weißbuch der Bundesregierung 1971/72, kehrsminister und das Bundesamt für gewerbliche das vom Verteidigungsministerium herausgegeben Wirtschaft waren an diesem Verfahren nicht betei- wird, schriftlich niedergelegt worden. ligt.DasdesVerteidigungsministe- Einvernehmen riums und des Auswärtigen Amtes wurde seinerzeit Präsident Frau Renger: Herr Abgeordneter Dr. schriftlich unter Darlegung des Sachverhalts einge- Sperling zu einer Zusatzfrage. holt. Die — beim Wirtschaftsministerium geführten — Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, wenn wir Brand der zum Antragsunterlagen sind bei dem nach Ihrer Auskunft davon ausgehen dürfen, daß Wirtschaftsministerium gehörenden Holzbaracke im die bei dem Brand vernichteten Akten echt waren, April 1969 vernichtet worden. Es gibt keine Anhalts- dürfen wir dann mit der gleichen Sicherheit anneh- punkte dafür, daß sie nicht in der vorgeschriebenen men, daß die Echtheit dieser Akten nicht dadurch Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14329 Dr. Sperling zustande kam, daß der Bundesnachrichtendienst mit die für die Merex-AG tätigen Personen für die den Zwischenempfängerländern der Waffen mani- Durchführung der Kriegswaffenexporte nicht die puliert hat? vom Kriegswaffenkontrollgesetz geforderte Zuver- lässigkeit besäßen. Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann hier lediglich noch einmal meine Antwort Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn auf die Frage nach den Akten unterstreichen, die Abgeordneten Hansen. im Bundeswirtschaftsministerium verbrannt sind. Ich kann zu einer weitergehenden Frage mangels Hansen (SPD) : Herr Staatssekretär, können Sie Informationen nicht Stellung nehmen. mir sagen, ob es irgendwelche Hinweise darauf gibt, daß der Bundesnachrichtendienst das Verfahren zu Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn beeinflussen versucht hat? Abgeordneten Dr. Penner. Grüner, Parl. Staatssekretär: Es gibt für uns dar- Dr. Penner (SPD) : Herr Staatssekretär, ist ver- über keinerlei Informationen. sucht worden, die Akten, die verbrannt sind, zu re- konstruieren ? Präsident Frau Renger: Eine zweite Zusatzfrage.

Grüner, Parl. Staatssekretär: Das ist nicht ver- Hansen (SPD) : Herr Staatssekretär, können Sie sucht worden, weil dazu keine Veranlassung be- noch etwas genauer auf den Ausgang dieses Ver- stand. Es handelte sich im übrigen nicht um ver fahrens hinweisen? Akten, sondern um ganz normale-schlußpflichtige Registraturablagen. Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich verstehe die Frage nicht. Präsident Frau Renger: Die letzte Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Dr. Däubler-Gmelin. Hansen (SPD): Ich wiederhole die Frage: Können Sie uns etwas Genaueres über den Ausgang dieses Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) : Herr Staatssekre- Verfahrens mitteilen? tär, gab es denn Doppel von diesen Akten, die ver sind? -brannt Grüner, Parl. Staatssekretär: Liber den Ausgang des angesprochenen Bußgeldverfahrens? Staatssekretär: Selbstverständlich Grüner, Parl. - gibt es Doppel dieser Akten; ich kann allerdings (Hansen [SPD]: Ja!) nicht sagen, in welchem Umfang. Unsere Aussage Nein, ich kann Ihnen über das hinaus, was ich und unsere Meinung, daß diese Akten keinen Hin- Ihnen eben gerade mitgeteilt habe, leider nichts wei s — im Sinne einer Aufdeckung von hier in mitteilen, nicht etwa, weil ich dies nicht wollte, Frage stehenden Zusammenhängen — gäben, be- sondern weil ich darüber nichts in meinen Unter- ruht auf der schlichten Uberzeugung, daß ganz nor- lagen habe. mal verwahrte Akten, die nicht als Verschlußakten bezeichnet worden sind, keine geheimen Vermerke Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn an- enthalten haben können, denn sonst wären sie Abgeordneten Dr. Sperling. ders verwahrt worden. Auf Grund dieser Uber- legung gebe ich Ihnen hier diese Auskunft. Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, wie ist [SPD] meldet sich zu einer (Abg. Gansel es möglich, daß jemand als ausreichend zuverlässig Zusatzfrage) betrachtet wird, der das Kriegswaffenkontrollbuch nicht führt? Präsident Frau Renger: Das war eben die letzte Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abge- Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, solche ordneten Hansen auf: formalen Fehler kommen immer wieder vor. Ich Welche Sachverhalte waren Gegenstand eines Bußgeldver- kann nur noch einmal darauf hinweisen, daß die fahrens des Bundeswirtschaftsministeriums gegen die Merex AG aus dem Jahr 1967, 1968 oder 1969, und wie hat die Bundesre damals entscheidenden Behörden einen solchen nach diesem Verfahren die vom Kriegswaffenkontrollge--gierung setz geforderte „Zuverlässigkeit" der für die Merex AG tätigen Verstoß auf Grund ihrer laufenden Praxis nicht als Personen beurteilt? so schwerwiegend angesehen haben, daß sie etwa an der Zuverlässigkeit generell gezweifelt hätten. Grüner, Parl. Staatssekretär: Gegenstand des Buß- (Dr. Sperling [SPD] : Dann waren sie aber geldverfahrens waren Formalverstöße, nämlich daß die Merex-AG erstens entgegen § 12 Abs. 2 des naiv!) Kriegswaffenkontrollgesetzes kein Kriegswaffen buch geführt hat und zweitens die nach § 12 Abs. 5 Präsident Frau Renger? Zusatzfrage des Herrn Ab- des Kriegswaffenkontrollgesetzes erforderlichen geordneten Gansel. Meldungen an das BAW nicht erstattet hat. Der Un dieser Ordnungswidrigkeiten wurde-rechtsgehalt Gansel (SPD) : Herr Staatssekretär, habe ich Sie nicht als ausreichendes Indiz dafür gewertet, daß richtig verstanden, daß bei dem Brand nicht nur die 14330 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Gansel Unterlagen für das Bußgeldverfahren, sondern auch Präsident Frau Renger: Zusatzfrage des Herrn Ab andere Unterlagen — siehe die vorhergehende -geordneten Gansel. Frage 27 — über die Waffengeschäfte der Merex AG vernichtet worden sind? Gansel (SPD) : Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß es 1969 für ein besonderes Mißtrauen keine Veran- Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bitte um Ver- lassung gegeben hätte. Stimmen Sie mit mir darin ständnis dafür, daß ich nicht in der Lage bin, ange- überein, daß heute nach den Ermittlungen des ame- sichts dieses komplexen Verfahrens zu detaillieren, rikanischen Senatsausschusses über die Tätigkeiten was verbrannt ist und was nicht. Die Schwierigkeit des CIA z. B. für Parlamentarier und für Regierungs- bei der Beantwortung all der Fragen beruht darauf, mitglieder in solchen Angelegenheiten eine Pflicht daß uns die Urteilsgründe noch nicht vorliegen. Die zu einem besonderen Mißtrauen besteht? Bundesregierung sieht sich deshalb im Augenblick außerstande und ist auch nicht willens, den Gesamt- Präsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, das ist komplex darzustellen. nicht Inhalt der Frage 29. Ich lasse Ihre Zusatz- frage nicht zu. Präsident Frau Renger: Frage 29 des Herrn Abge- ordneten Brandt (Grolsheim) : Ich rufe Frage 30 des Herrn Abgeordneten Gansel Sind Presseberichte zutreffend, daß eine zum Bundeswirtschafts- auf: ministerium gehörige Baracke, in der auch Unterlagen über ein Gibt es bezüglich der von der Merex AG 1965 und 1966 ge- Bußgeldverfahren gegen die Merex AG verwahrt wurden, ab- tätigten Waffengeschäfte einen Kabinettsbeschluß, und welche gebrannt ist, und was war die Ursache des Schadensfeuers? Stelle innerhalb der Bundesregierung hat im Verhältnis zur Merex AG koordinierende und letztlich entscheidende Befugnis Bitte schön, Herr Staatssekretär! gehabt? Bitte schön, Herr Staatssekretär! Grüner, Parl. Staatssekretär: Diese Presseberichte treffen zu. Nach den getroffenen Ermittlungen ist es Grüner, Parl. Staatssekretär: Einen Kabinettsbe- durch Unachtsamkeit eines Pförtners zu dem Brand schluß über die Kriegswaffenausfuhren der Merex gekommen. Das gegen ihn wegen fahrlässiger Brand- AG gibt es nicht. Genehmigungsbehörde für diese stiftung eingeleitete Strafverfahren ist durch Be- Exporte war der Bundeswirtschaftsminister. Er hat schluß des Amtsgerichts Bonn vom 3. Dezember die Genehmigung im Einvernehmen mit dem Aus- 1969 wegen Geringfügigkeit gemäß § 153 StPO ein- wärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium gestellt worden. erteilt. Präsident Frau Renger: Zusatzfrage des Herrn Ab- Bei den hier in Rede stehenden Waffengeschäften geordneten Brandt. der Merex AG handelte es sich um Überschußmate- rial aus Beständen der Bundeswehr. Die Verwertung dieses Materials obliegt der VEBEG-Verwertungs- Brandt (Grolsheim) (SPD) : Herr Staatssekretär, ist, gesellschaft mbH, Frankfurt/Main, im Auftrage des da nun unter allen denkbaren Objekten, die ja hät- Bundes, und zwar in eigener Verantwortung, soweit ten abbrennen können, just dieses Gebäude mit ge- sie nicht durch Weisungen des Bundesverteidigungs- legenem Inhalt zu einem gelegenen Zeitpunkt abge- ministers im Einzelfall gebunden ist. Die VEBEG ist brannt ist, die Leitung des Hauses vollständig dar- ein bundeseigenes Unternehmen. Die Entscheidung über informiert worden, was Inhalt dieser Baracke darüber, welche Überschußgüter zum Zwecke ihrer war, was dort alles gelagert war? Hat man darüber weiteren Verwertung ausgesondert werden, trifft einen vollständigen Überblick behalten? der Bundesverteidigungsminister.

Grüner, Parl. Staatssekretär: Es besteht ein voll- Präsident Frau Renger: Zusatzfrage des Herrn Ab ständiger Uberblick, den ich Ihnen allerdings hier -geordneten Gansel. nicht im einzelnen geben kann. Ich kann noch ein- mal betonen, daß keine Anhaltspunkte dafür be- stehen, daß der Inhalt der verbrannten Akten, die in Gansel (SPD) : Wissen Sie, an welche Regierungs- der Tat unter anderem auch Unterlagen über ein stellen, an welche Staatssekretäre und — in einzel- Bußgeldverfahren gegen die Merex AG enthielten, nen Fällen — auch an welche Minister von seiten derartige Rückschlüsse erlaubt hätte. Ich kann noch des BND Vorlagen gemacht worden sind, wenn es einmal unterstreichen, daß wir das daraus schließen, bei den Waffengeschäften der Merex AG Schwierig- daß diese Akten ganz normal verwahrt worden sind keiten gegeben hat? (Seiters [CDU/CSU] : Das wollen die gar nicht wissen!) Grüner, Parl. Staatssekretär: Mir ist nicht be- kannt, daß es solche Vorlagen gegeben hat. und daß es undenkbar erscheint, daß Akten, die in irgendeiner Weise Geheimvermerke, Ver- schleierungstatbestände oder andere Dinge enthal- Präsident Frau Renger: Zu einer Zusatzfrage Herr ten haben, in einer völlig normalen Registratur prak- Abgeordneter Sperling. tisch öffentlich zugänglich aufbewahrt worden wä- ren. Darauf gründet sich die Meinung, daß diese Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, wie kann Akten keine Hinweise, die in diesem Verfahren denn dann ein Richter zu der Annahme kommen, hätten weiterhelfen können, enthalten haben. daß Regierungspersonen Vorlagen vorgelegen ha- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14331 Dr. Sperling ben, und zwar nach den Akten, die ihm vorgelegen an den Leiter der Werkzeugaußenhandelsgesell- haben? schaft mbH, den ehemaligen Adjutanten Hitlers, Generalleutnant Engel, gelegt worden sind? Grüner, Parl. Staatssekretär: Eine solche Äuße- rung eines Richters ist mir nicht zugänglich. Wir Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich bin mit dieser müssen die schriftlichen Gründe des Urteils abwar- Frage überhaupt nicht befaßt und kann mich des- ten, ehe wir feststellen können, ob es tatsächlich halb nicht dazu äußern. einen solchen Vorwurf in einem Gerichtsurteil gibt? (Gansel [SPD]: Das steht aber in der Frage drin!) Präsident Frau Renger: Ich rufe die Frage 79 des Abgeordneten Dr. Sperling auf: Mit welchem Ergebnis hat der Verfassungsschutz gemäß dem Präsident Frau Renger: Ich danke Ihnen, Herr Kriegswaffenkontrollgesetz im Rahmen des § 6 Abs. 2 Ziffer 2 Staatssekretär. Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbe- dieses Gesetzes für die Merex AG und die Werkzeugaußenhan- delsgesellschaft mbH tätige Personen überprüft, und welche Kon- reich sind damit beantwortet. sequenzen zieht die Bundesregierung aus den Erfahrungen mit diesen Vorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes? Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts- bereich des Bundesministers für Ernährung, Land- Grüner, Parl. Staatssekretär: Eine Uberprüfung wirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung steht der der Antragsteller oder der bei ihnen tätigen Perso- Herr Parlamentarische Staatssekretär Logemann zur nen durch den Verfassungsschutz sieht das Kriegs Verfügung. nicht vor. Sie hat auch nicht-waffenkontrollgesetz stattgefunden. Als Nachweis der Zuverlässigkeit Die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Dr. Holtz einer Firma dient im Regelfall die Vorlage ihrer werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich be- Waffenhandelserlaubnis, die von den zuständigen antwortet. Die Antworten werden als Anlagen ab Landesministerien ausgestellt wird. Da die Merex- -gedruckt. AG die Waffenhandelserlaubnis nicht selbst vorge- legt hatte, wurde Rückfrage bei dem zuständigen Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Scheffler Landesminister — dem Ministerium für Wirtschaft, auf: Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, im Zusammen- Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein wirken mit den Reitsportorganisationen und der Veterinär- Westfalen in medizin die mißbräuchliche Anwendung von „medizinischen Hil- Düsseldorf — gehalten. Sie wurde am fen" im Reitsport zu überprüfen, und ist die Bundesregierung 26. April 1965 dahin beantwortet, daß der Merex-AG bereit, gegebenenfalls durch gesetzliche Maßnahmen, Informa- tionen und bessere Kontrollmöglichkeiten, die medikamentöse mit Bescheid des Polizeipräsidenten Bonn vom und operative Behandlung von Reitpferden mit dem Ziel einer 1. April 1965 die Leistungssteigerung oder der Verkürzung des erforderlichen Erlaubnis zum Handel mit Schuß- Heilungsprozesses nach Verletzungen zu verhindern? waffen und Munition erteilt wurde und daß- an der Bitte schön, Herr Zuverlässigkeit des Vorsitzenden des Verwaltungs- Staatssekretär! rats der Gesellschaft, Herrn Georg Mertins, keine Zweifel im Sinne des § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG be- Logemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- stehen. ster für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Scheffler, der Ich sehe auch nach den Erfahrungen im Falle der Bundesregierung ist bekannt, daß die Merex-AG keine Veranlassung, das KWKG insbe- Anwendung sogenannter medizinischer Hil- und sondere im Hinblick auf die Zuverlässigkeitsprüfung fen im Reitsport die in der Frage angeführte zu ändern. medikamentelle bzw. operative Behandlung von Reitpferden je nach Lage des Einzelfalls den Tat- bestand einer Verletzung von Geboten bzw. Ver- Präsident Frau Renger: Zu einer Zusatzfrage, Herr boten des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 er- Abgeordneter Dr. Sperling. füllen können. Nach § 15 dieses Gesetzes obliegen die Durchfüh- Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, ist es rung und Überwachung der Einhaltung der Vor- möglich, daß sich diese Ihre Meinung ändert, wenn schriften des Tierschutzgesetzes den nach Landes- Ihnen die schriftliche Urteilsbegründung zu dem recht zuständigen Behörden. Für die in diesem Zu- Merex-Verfahren vorliegt, das kürzlich stattgefun- sammenhang sicher vermehrt notwendigen Kontrol- den hat? len bieten § 11 mit seiner Anzeigepflicht für natür- (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] : Das ist doch liche und juristische Personen, die gewerbsmäßig nicht zu fassen! — Seiters [CDU/CSU]: Al einen Reit- und Fahrbetrieb unterhalten, sowie § 16, les hypothetische Fragen!) der u. a. eine Beaufsichtigung derartiger Reit- und Fahrbetriebe durch die zuständige Behörde vor- Grüner, Parl. Staatssekretär: Wir werden uns in schreibt, genügend Handhabe, möglichen Mißstän- dieser Frage nicht äußern, bevor wir das Urteil ge- den im Sinne der Verletzung tierschutzrechtlicher sehen haben. Vorschriften wirksam entgegenzutreten. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, Präsident Frau Renger: Zu einer Zusatzfrage, Herr daß die notwendigen gesetzlichen Grundlagen be- Abgeordneter Gansel. reits vorhanden sind. Sie wird diese Anfrage jedoch zum Anlaß nehmen, die für das Veterinärwesen zu- Gansel (SPD) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen be- ständigen obersten Landesbehörden um besondere kannt, welche Kriterien der Zuverlässigkeitsprüfung Aufmerksamkeit hinsichtlich eines wirksamen Tier- 14332 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Parl. Staatssekretär Logemann schutzes beim Reitsport zu bitten. Die Bundesregie- gen Selbstschutzkontrolle seitens der Reitsportorga- rung möchte diese neuerliche Tierschutzanfrage dar- nisationen anzuregen. Dazu bieten gerade die hier über hinaus zum Anlaß nehmen, darauf hinzuwei- gestellten Fragen Anlaß. sen, daß jede tierschutzrechtliche Vorschrift stets nur so gut und wirksam sein kann, wie sie von der Präsident Frau Renger: Ich rufe die Frage 39 des Gesellschaft akzeptiert und praktiziert wird. Sie ist Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger auf: freiwilli- der Auffassung, daß die Einrichtung einer Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang inner- gen Tierschutzselbstkontrolle seitens der Reitsport- halb der EG Lebensmittel vernichtet oder denaturiert werden, wie hoch der Marktwert der jährlich vernichteten oder denatu- organisationen und der Reitsportveranstalter ein rierten Lebensmittel geschätzt wird, und wieviel die Vernichtung wertvoller Beitrag wäre, der mit der Anfrage auf- selbst kostet? gezeigten Divergenz zwischen den Rechtsnormen Bitte sehr, Herr Staatssekretär! und der Praxis zu begegnen. Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Schöf- Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des berger, von einer Lebensmittelvernichtung inner- Herrn Abgeordneten Scheffler. halb der EG ist der Bundesregierung nichts bekannt. Der Bundesregierung ist bekannt, daß in Frankreich, in den südlichen, marktfernen Landestei- Scheffler (SPD) : Herr Staatssekretär, halten Sie vor allem len, insbesondere Äpfel der Sorte Golden Delicious den Zustand nicht für fragwürdig, wenn in den mei- der Intervention auf Grund der gemeinsamen Obst - sten Reitkursen zwar die Grundvoraussetzungen im Gemüsemarktorganisation zugeführt werden. Reitsport vermittelt, Kenntnisse über die Tiermedi- und Diese intervenierten Erzeugnisse sind danach einer zin den Reitschülern aber nur selten erteilt werden? sinnvollen Verwendung — Verschenken an karita- tive Einrichtungen und Schulen, Destillieren zu Al- Logemann, Parl. Staatssekretär: Wir sind mit dem kohol, Verfüttern etc. — zuzuführen. Diese Ver- jetzigen Zustand durchaus nicht zufrieden; das habe wendungsmöglichkeiten waren aber wegen der gro- ich eben zugegeben. Deshalb sind wir für Ihre An- ßen Ernte in diesem Jahr rasch erschöpft, so daß die frage dankbar. Wir werden Gelegenheit nehmen, Erzeugnisse zum Teil bereits vor einer geeigneten die Länder gerade auf diese Probleme aufmerksam Verwendung, insbesondere wegen unzureichender zu machen. Lagerkapazitäten in Kühlhäusern, auf Grund ihres natürlichen Verderbs aus dem Markt genommen Präsident Frau Renger: Eine weitere Zusatzfrage. werden mußten. Es handelte sich aber keineswegs um gezielte Vernichtungen. Scheffler (SPD) : Herr Staatssekretär, würden Sie Angaben über den tatsächlichen Umfang und die sich gegenüber den Reitsportorganisationen und Reit- finanziellen Aufwendungen des EG-Fonds liegen der schulen der Auffassung anschließen, daß die Reit- Bundesregierung noch nicht vor. der kurse durch entsprechende Grundkenntnisse Auch für die zurückliegende Ernte 1974 ist es nicht z. B. Tiermedizin generell ergänzt werden sollten, möglich, die Entschädigung für Marktentnahmen zu im ähnlich den obligatorischen Erste-Hilfe-Kursen quantifizieren, da die Aufwendungen sämtliche der Berufsleben oder wie bei der künftigen Erteilung Kosten der sogenannten Intervention einschließlich Fahrerlaubnis oder der Erlaubnis zum Führen eines der Verwertung enthalten. Die gesamten Interven- Flugzeugs? tionskosten betrugen 1974 für Obst und Gemüse in der Gemeinschaft rund 50 Millionen Rechnungsein- Logemann, Parl. Staatssekretär: Ich bin in etwa heiten. Ihrer Auffassung. Ich finde durchaus, daß eine sol- che Ergänzung Schäden, wie sie jetzt festgestellt Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr worden sind, verhindern kann. Abgeordneter Schöfberger.

Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage des Herrn Dr. Schöfberger (SPD) : Herr Staatssekretär, wol- Abgeordneten Dr. Sperling. len Sie damit sagen, daß außer in dem von Ihnen genannten Bereich auf dem Agrarmarkt keine Le- Dr. Sperling (SPD) : Herr Staatssekretär, kann an- bensmittelvernichtung vorkommt? gesichts der starken Zunahme von Freizeit- und Hobbyreitern und der starken kommerziellen Nut- Logemann, Parl. Staatssekretär: Eine gezielte Le- zung dieser Tiere auf irgendeine Weise sicherge- bensmittelvernichtung ist nicht vorgekommen; dar- stellt werden, daß die Tierschutzbestimmungen die- auf habe ich soeben hingewiesen. Anfallende Men- sen veränderten Bedingungen angepaßt werden? gen von Obst, die nicht anders zu verwerten waren, sind vernichtet worden. Das ist ja bekannt und auch zugegeben worden. Logemann, Parl. Staatssekretär: Wir haben uns an sich bemüht, die Tierschutzbestimmungen den ge- änderten Bedingungen laufend anzupassen. Ich Präsident Frau Renger: Eine zweite Zusatzfrage. glaube, was jetzt hinzukommen muß, ist eine ge- wisse Selbsthilfe — darauf habe ich vorhin in mei- Dr. Schöfberger (SPD) : Herr Staatssekretär, ist ner Antwort schon hingewiesen —, d. h. also, wir Ihnen bekannt, daß südfranzösische und italienische müssen uns bemühen, die Errichtung einer freiwilli- Weine zu Haarwasser denaturiert werden, weil sie Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14333 Dr. Schöfberger nicht mehr absetzbar sind und daher preisinter- Logemann, Parl. Staatssekretär: Soviel ich weiß, veniert werden mußten? sind diese Mittel steigend gewesen. Das zeigen auch schon die Zahlen. Hier sind jetzt höhere Ver- Logemann, Parl. Staatssekretär: Das ist durchaus billigungsbeträge erforderlich. bekannt. Wir haben ja in der Gemeinschaft eine Weindestillation bekommen. Die Bundesregierung Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- hat sich dagegen immer zur Wehr gesetzt, aber ordneter Geldner. sie ist durch Mehrheitsbeschluß eingesetzt worden. Geldner (FDP) : Herr Staatssekretär, kann ich Präsident Frau Renger: Ich rufe die Frage 40 des daraus schließen, daß sich damit die Agrarpreise Herrn Abgeordneten Geldner auf: günstig für den Erzeuger entwickelt haben? Welche Verbilligungsmaßnahmen im Ernährungssektor wurden oder werden — nach Ansicht der Bundesregierung — 1975 aus nationalen oder EG-Mitteln durchgeführt? Logemann, Parl. Staatssekretär: Das hat damit Bitte sehr, Herr Staatssekretär! eigentlich direkt nichts zu tun, (Geldner [FDP]: Indirekt!) Logemann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege aber wir meinen, daß es wichtig ist, daß indirekt Geldner, aus nationalen Vorratsbeständen und zu versucht wird, wenn z. B. Überschüsse in der EG Lasten des nationalen Haushalts wurden im Früh- finanziert werden müssen, daß man sich, weil man jahr 1975 rund 12 000 Tonnen Rindfleischkonserven dann finanzielle Kosten bei den Verbrauchern ver- preiswert mit einem Abgabepreis von 1,45 DM pro ursacht, auch bemühen sollte, den Verbrauchern 400-Gramm-Dose verkauft. wieder Verbilligungsmaßnahmen zugute kommen zu Zweitens. Mit Mitteln des Europäischen Aus- lassen. richtungs- und Garantiefonds werden 1975 in der Bundesrepublik folgende Verbilligungsmaßnahmen Präsident Frau Renger: Frage 41 des Herrn Ab- durchgeführt. geordneten Geldner: Abgabe von rund 15 000 t Rinder-Hintervierteln Ist der Bundesregierung bekannt, ob — und wenn ja — welche Konsequenzen von der Forstpolitik aus den Waldbränden des aus Interventionsbeständen zu Verarbeitungs- vergangenen Sommers gezogen worden sind oder noch gezogen zwecken, Verbilligung um rund 1,30 DM/kg bei werden sollen? Bullenvierteln und rund 1,40 DM/kg bei Ochsen- Bitte, Herr Staatssekretär! vierteln, Abgabe von Butter bzw. Butterschmalz aus Inter- Logemann, Parl. Staatssekretär: Die Frage bezieht ventionsbeständen, und zwar bisher sich auf die Forstpolitik generell. Die Bundesregie- rung hält es jedoch für erforderlich, zwischen der — rund 7 470 t Butter an gemeinnützige Einrich- Forstpolitik des Bundes und der Länder zu unter- tungen, Verbilligung um rund 4,30 DM/kg bis scheiden . Auf entsprechende mündliche und schrift- September, derzeit um rund 4,60 DM kg, liche Anfragen von Mitgliedern des Deutschen — rund 39 260 t Butter zur Backwaren- und Speise Bundestages hat die Bundesregierung bereits fest Verbilligung bis September rund-eisherstellung, daß die Abwehr von Katastrophen und die-gestellt, 3,55 DM/kg zur Backwarenherstellung und 2,65 Beseitigung ihrer Folgen Aufgaben der Länder sind. DM/kg zur Speiseeisherstellung, derzeit rund Eine finanzielle Hilfeleistung hierfür fällt daher 3,75 DM/kg zur Backwarenherstellung und 2,75 nicht in die Zuständigkeit des Bundes. DM/kg zur Speiseeisherstellung, Zur Frage, welche Konsequenzen die Forstpolitik — rund 4 120 t Butter an Streitkräfte, Verbilligung der Länder aus den Waldbränden des vergangenen bis September rund 4,30 DM/kg, derzeit rund Sommers gezogen hat, kann die Bundesregierung 4,60 DM/kg, keine Antwort geben. Mir ist bekannt, daß die Lan- — rund 3 490 t Butter als Butterreinfett, Verbilli- desforstverwaltungen die Waldbrandkatastrophe gung rund 2,70 DM/kg bis März, rund 3,10 DM/ zum Anlaß genommen haben, ihre Vorbeugungs- kg bis Oktober, derzeit rund 3,65 DM/kg, sowie maßnahmen zu überprüfen und erforderlichenfalls zu verbessern. Das Land Niedersachsen führt z. B. Ausgabe von Gutscheinen im Wert von 2,60 DM/ für Teile des Brandgebietes Standortkartierungen kg an bestimmte, soziale Hilfen beziehende Ver- durch, um den Laubholzanteil auf geeigneten Stand- brauchergruppen zum Kauf von Butter; die darauf orten zu vergrößern. bisher bezogene Buttermenge beläuft sich auf rund 4 920 t. Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage. Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- Die Fragen 42, 43 und 44 werden auf Wunsch der ordneter Geldner. Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Geldner (FDP) : Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob die Mittel für Verbilligungsmaßnah- Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär; Ihr Bereich ist beendet. men in den letzten drei Jahren innerhalb der Bun- desregierung und der EG gestiegen oder gesunken Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers sind? für Arbeit und Sozialordnung auf. Der Herr Parla- 14334 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Präsident Frau Renger mentarische Staatssekretär Buschfort steht zur Be- Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die antwortung zur Verfügung. Antworten werden als Anlage abgedruckt.

Die Fragen 45 und 46 werden auf Wunsch des Ich rufe die Frage 50 des Herrn Abgeordneten Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten Pensky auf: werden als Anlage abgedruckt. Ist der Bundesregierung bekannt, daß es immer wieder Fälle gibt, bei denen bei der Auszahlung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zu Lasten des Arbeitslosen gehende Verzöge- Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Jens: rungen eintreten, weil zwischen Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe Uneinigkeit über die Zuständigkeit für Abschlags - Gedenkt die Bundesregierung, die Regelungen des Maschinen und Zwischenzahlungen besteht? durch die Unfallgefahren durch Spielzeug ver--schutzgesetzes, hindert werden sollen, auf den Handel auszudehnen, um den Bitte sehr, Herr Staatssekretär! Ordnungsämtern ein wirkungsvolles Vorgehen gegen gefähr- liches Spielzeug zu ermöglichen? Bitte, Herr Staatssekretär! Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pensky, die Arbeitsämter sind angewiesen, grund- Buschfort, Parl. Staatssekretär beim Bundesmini- sätzlich Abschlagszahlungen zu leisten, wenn der ster für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege, es Anspruch dem Grunde nach feststeht und nur wegen ist zutreffend, daß das Gesetz über technische Ar der Höhe noch weitere Feststellungen getroffen wer- das sogenannte Maschinenschutzgesetz,-beitmittel, den müssen. Eine entsprechende Regelung sieht das sich im wesentlichen an die Hersteller und Impor- Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil, vor, das am teure von Spielzeug wendet. Nach diesem Gesetz 1. Januar 1976 in Kraft treten wird. kann unter bestimten Voraussetzungen das Inver- Die Abschläge werden bar bezahlt, wenn der Ar kehrbringen und das Ausstellen von gefährlichem auf die sofortige Zahlung angewiesen ist.-beitslose Spielzeug untersagt werden. Zur Abwendung einer Hierfür sind bei allen Arbeitsämtern Zahlstellen ein- konkreten Gefahr kann von den Gewerbeaufsichts- gerichtet. Nur wenn der Anspruch auf Arbeitslosen- ämtern auch der Verkauf von Spielzeugen im Han- geld oder Arbeitslosenhilfe auch dem Grunde nach del untersagt werden. nicht feststeht, müssen die Träger der Sozialhilfe Die Bundesregierung will erreichen, daß nach bei Bedürftigkeit des Arbeitslosen mit Leistungen Möglichkeit alle im Handel befindlichen Spielzeuge eintreten. den sicherheitstechnischen Anforderungen genügen. Sie hat daher seit geraumer Zeit eingehende Ge- Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- spräche mit dem Rat des Deutschen Einzelhandels ordneter Pensky. geführt. Die Spitzenverbände haben zugesagt, in einem Aktionsprogramm auf eine sicherheitstech- Pensky (SPD): Herr Staatssekretär, ich kann also nische Verbesserung ihrer Erzeugnisse hinzuwirken. davon ausgehen, daß hier ab 1. Januar 1976 eine Sie wollen in diesem Zusammenhang insbesondere neue Regelung gilt. Ich hatte in meiner Frage be- auch erreichen, daß der Handel nur noch Spielzeug mängelt, daß es derzeit noch nicht möglich ist, sol- in sein Angebot aufnimmt, das in einer der 51 vom che Zahlungen zu leisten, weil bei den Arbeits- Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung aner- ämtern keine Vorschußkassen vorhanden sind. kannten Prüfstellen auf Sicherheit getestet worden ist. Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pen- Sollten diese freiwilligen Bemühungen des Han- sky, das ist nicht zutreffend. Bisher gibt es eine An- dels nicht in angemessener Zeit zu den gewünsch- weisung, wonach Abschlagszahlungen geleistet wer- ten Ergebnissen führen, müßte auch eine Verbesse- den, und zukünftig gibt es hierüber eine gesetzliche rung der gesetzlichen Grundlagen in Betracht gezo- Regelung. Schon bisher war es möglich, Abschlags- gen werden. zahlungen beim Arbeitsamt zu erhalten, wenn, wie gesagt, der Anspruch dem Grunde nach besteht. Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- ordneter Dr. Jens. Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- ordneter Pensky? Dr. Jens (SPD) : Herr Staatssekretär, könnten Sie aussagen, daß sich die bisher im Maschinenschutz- (SPD) : Herr Staatssekretär, da meine Frage gesetz vorhandenen Regelungen bewährt haben? Pensky ein von mir ermittelter Sachverhalt in meinem Wahlkreis zugrunde liegt, darf ich Ihnen mitteilen, Buschfort, Parl. Staatssekretär: Ja, die gesetzli- daß bei dem Arbeitsamt, um das es hier geht, eine chen Bestimmungen haben sich in ihrem engeren Vorschußkasse nicht vorhanden ist. Ich frage des- Anwendungsbereich wohl bewährt, obwohl wir wis- halb: Ist das Verhalten dieses Arbeitsamtes nicht sen, daß die sicherheitstechnischen Schutzvorschrif- den Vorschriften entsprechend gewesen? ten für Spielzeuge und andere Artikel, wenn sie sich erst im Handel befinden, nicht ganz ausreichend Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pen- sind. sky, darf ich die Antwort auf diese Zusatzfrage mit der Antwort auf Ihre zweite Frage verbinden; denn Präsident Frau Renger: Keine weitere Zusatzfrage. dort habe ich entsprechende Ausführungen gemacht? Ich rufe die Fragen 48 und 49 des Herrn Abgeord- neten Franke (Osnabrück) auf. — Er ist nicht im Pensky (SPD): Ja. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14335

Präsident Frau Renger: Dann rufe ich die Frage 51 dere Kategorie ist die Förderung grundsätzlich aus- des Herrn Abgeordneten Pensky auf: geschlossen. Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß notwendig werdende Überbrückungszahlungen an Arbeitslose — gegebenen- falls durch eine Verpflichtung zum Vorhalten von Vorschußkas- Präsident Frau Renger: Ich rufe auf die Frage 53 sen bei allen Arbeitsämtern — besser als bisher gewährleistet Engholm. werden können? des Abgeordneten Teilt die Bundesregierung die Befürchtungen, daß der Erlaß Bitte, Herr Staatssekretär! der Bundesanstalt für Arbeit vom 27. August 1975 (Az. Hb 2 — 5531) die Weiterqualifizierung zahlreicher Gesellen im Handwerk zum Meister erheblich behindern und, da die Meisterprüfung Voraussetzung für die Ausbildung von Lehrlingen ist, auch zu Buschfort, Parl. Staatssekretär: Schwierigkeiten negativen Auswirkungen auf die Ausbildungskapazität des Hand- der von Ihnen genannten Art dürften eigentlich werks führen wird? nicht auftreten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Bitte, Herr Staatssekretär! mir nähere Einzelheiten über die Fälle mitteilten, die Anlaß für Ihre Frage waren. Ich bin gern bereit, Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eng- diesen Fällen nachzugehen. holm, zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß (Pensky [SPD] : Ich komme dieser Aufforde sich der Erlaß nicht auf Personen bezieht, die nach rung gern nach, Herr Staatssekretär!) der Meisterprüfung selbständig tätig werden. Sein Ziel war es, die Förderung in den genannten Be- Präsident Frau Renger: Ich rufe die Frage 52 des rufen für Personen auszuschließen, die nach Ab- Abgeordneten Müller (Schweinfurt) auf: legen der Meisterprüfung als unselbständige Mei- Was hat die Bundesanstalt für Arbeit bewogen, mit Erlaß vom ster tätig sein wollen. Wegen der zur Zeit ungün- 27. August 1975 (Az. Hb 2 — 5531) ganze Handwerksberufe wie stigen Beschäftigungssituation in u. a. Maurer, Zimmerer, Maler, Bäcker und Konditoren von der diesen Berufen ist weiteren Förderung der beruflichen Fortbildung gemäß § 36 eine Förderung grundsätzlich nicht mehr arbeits- AFG auszuschließen? marktpolitisch zweckmäßig im Sinne des § 36 Ar- Bitte schön, Herr Staatssekretär. beitsförderungsgesetz. Diese Erkenntnis beruht auf Beobachtungen des Arbeitsmarktes durch die Bun- Buschfort, Parl. Staatssekretär: Untersuchungen desansta lt. Sie werden durch wissenschaftlich ab- des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gesicherte Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und sowie Beobachtungen des Arbeitsmarktes durch Berufsforschung in Erlangen untermauert. Der ge- die Bundesanstalt für Arbeit haben zu dem von nannte Erlaß gilt nur für den Regelfall. Begründete Ihnen erwähnten Erlaß geführt. In den genannten Ausnahmen sind insbesondere im Hinblick auf re- Berufen können Arbeitnehmern, die nach der Fort- gionale Besonderheiten möglich. Wegen der im bildung zum Meister als solche unselbständig tätig Haushaltsstrukturgesetz vorgesehenen Änderung bleiben wollen, meist keine ihrer Fortbildung- ent- des Arbeitsförderungsgesetzes hat der Präsident sprechenden Arbeitsplätze vermittelt werden. Der der Bundesanstalt die Arbeitsämter angewiesen, Bedarf des Arbeitsmarktes an unselbständigen Mei- den Erlaß vom 1. Januar 1976 ab nicht mehr anzu- stern ist in diesen Berufen weitgehend gedeckt. Die wenden. nach § 36 des Arbeitsförderungsgesetzes erforder- liche arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit der Präsident Frau Renger: Eine Zusatzfrage, Herr Ab- Förderung kann daher in diesen Fällen nicht mehr geordneten Engholm. generell angenommen werden. In begründeten Ein- zelfällen sind jedoch Ausnahmen möglich. Ich Engholm (SPD) : Insofern darf ich daraus schließen, möchte noch darauf hinweisen, daß der § 36 Ar- Herr Staatssekretär, daß sie Auswirkungen auf die beitsförderungsgesetz von den Änderungen im Ausbildungskapazitäten des Handwerks nicht be- Haushaltsstrukturgesetz betroffen ist. Im Hinblick fürchten? hierauf hat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit die Arbeitsämter angewiesen, den Erlaß ab Buschfort, Parl. Staatssekretär: Auf die Ausbil- 1. Januar 1976 nicht mehr anzuwenden. dung in den von Ihnen genannten Bereichen des Handwerks befürchte ich keine Auswirkungen und Präsident Frau Renger: Zusatzfrage, Herr Abge- weise darauf hin, daß es ja in bestimmten Bereichen ordneter Müller. und in bestimmten Fällen auch Ausnahmemöglich- keiten gibt. Müller (Schweinfurt) (SPD) : Herr Staatssekretär, sind auf Grund dieses Erlasses oder auf Grund des Präsident Frau Renger: Letzte Frage Nr. 54 des Arbeitsförderungsgesetzes Ausnahmen möglich? Herrn Abgeordneten Niegel! Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des Verban- des der Angestellten-Krankenkassen e. V. (VdAK) und des Ver- Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Aus- bandes der Arbeiter-Ersatzkassen e. V. (AEV), die Versicherungs- nahmen sind bisher möglich, wenn die Ausbildung pflichtgrenze in der Krankenversicherung auf die Höhe der je Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung-weiligen arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Künftig werden anzuheben, und wie hoch wäre dann die Belastung für den be- wir unterscheiden müssen zwischen Arbeitnehmern, troffenen Personenkreis? die selbständig werden möchten, und Arbeitneh- mern, die zwar eine Fortbildung mitmachen, aber Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Nie- zukünftig in unselbständiger Tätigkeit weiterarbei- gel, die Versicherungspflicht- und Beitragsbemes- ten möchten. Für die unselbständig tätig Werdenden gungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversiche - gilt dann das Arbeitsförderungsgesetz, für die an rung ist auf Vorschlag der Bundesregierung vom 14336 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Parl. Staatssekretär Buschfort Deutschen Bundestag ab 1. Januar 1971 auf 75 v. H. Ministers für Wirtschaft und Verkehr im Kabinett der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Hinrich Wilhelm Kopf und später im Kabinett Diede- Rentenversicherung festgelegt worden. Die Bundes- richs in Hannover zu übernehmen. Er hatte dieses regierung hat derzeit nicht die Absicht, in der ge- Amt bis 1965 inne, ab April 1963 auch das Amt des setzlichen Krankenversicherung die in der Renten- stellvertretenden Ministerpräsidenten. In seiner versicherung geltende Beitragsbemessungsgrenze Eigenschaft als Mitglied einer Landesregierung war einzuführen. Eine Anhebung der Versicherungs- Graaff in der Zeit von 1959 bis 1965 auch Mitglied pflicht- und Beitragsbemessungsgrenze in dem von des Bundesrates. Ihnen angesprochenen Sinne hätte für den betrof- 1965 kehrte Carlo Graaff in den Bundestag zu- fenen Personenkreis unterschiedliche Auswirkun- rück, dem er bis zu seinem Ableben angehörte. Die gen. Im Einzelfall käme es darauf an, welches Ein- Schwerpunkte seiner parlamentarischen Tätigkeit kommen der Versicherte hat und welcher Beitrags- lagen bei ihm auf finanzpolitischem, wirtschaftspoli- satz für ihn maßgebend ist. So würde zum Bei- tischem und verkehrspolitischem Gebiet. Während spiel der durchschnittliche Beitrag eines freiwillig der 6. Wahlperiode war er eine Zeitlang Vorsitzen- versicherten Angestellten in der gesetzlichen Kran- der des Ausschusses für Wirtschaft. Daneben war er kenversicherung im Jahre 1976, einschließlich des im Beirat für handelspolitische Vereinbarungen, im Arbeitgeberanteils, von voraussichtlich 260 DM auf 1. Untersuchungsausschuß und als stellvertretender 350 DM im Monat steigen. Vorsitzender des Arbeitskreises der FDP für Wirt- schafts-, Finanzpolitik und Landwirtschaft tätig. Fra- Präsident Frau Renger: Letzte Zusatzfrage, Herr gen der Verteidigungspolitik gehörten im 7. Bundes- Abgeordneten Niegel. tag zu seinem Aufgabengebiet, wo er als Ordent- liches Mitglied im Verteidigungsausschuß arbeitete. Niegel (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, würden Der Deutsche Bundestag verliert mit Carlo Graaff Sie folglich die Vorschläge, die hier von den Ver- einen engagierten, fachkundigen Wirtschaftspoliti- bänden der Ersatzkassen gemacht wurden, und die ker und Verkehrsexperten. Er hat sich im Rahmen auch auf dem SPD-Parteitag einen Widerhall ge- seiner wirtschaftspolitischen Arbeit speziell um die funden haben, als nicht für nötig erachten? Zonenrandförderung große Verdienste erworben. Ich spreche den Angehörigen des Verstorbenen, Buschfort, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn insbesondere seiner Witwe und seinen drei Kindern, wir die finanzielle Situation der Krankenversiche- sowie der Fraktion der FDP meine und des ganzen rung sehen, kann man über diese Frage sehr wohl Hauses aufrichtige Anteilnahme aus. diskutieren. Ob allerdings mit einer Anhebung- der Beitragsbemessungsgrenze eine sparsame Ausga- Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf: benpolitik bewirkt wird, mag dahingestellt sein. Beratung des Einspruchs des Bundesrates zum Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruk- Präsident Frau Renger: Damit ist die Fragestunde tur im Geltungsbereich des Arbeitsförde beendet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. rungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG — AFG) (Die Abgeordneten erheben sich) — Drucksache 7/4411 — Gestern früh erreichte uns die Nachricht, daß unser Kollege Carlo Graaff in den frühen Morgen- Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der stunden infolge eines akuten Herzversagens nach Abgeordnete Glombig. einer langen, schweren Erkrankung in einem Sana- torium in Braunlage im 62. Lebensjahr verstorben ist. Glombig (SPD) : Frau Präsident! Meine Damen und und Herren! Im Namen der sozialliberalen Koalition Carlo Graaff wurde am 22. Juni 1914 in Haaren gebe ich folgende Erklärung ab. bei Aachen geboren. Nach dem Besuch eines Real- gymnasiums und einem Studium an den Technischen Die Bundestagsfraktion der Opposition und die Hochschulen in Aachen und Berlin schloß er seine parteipolitisch längst gleichgeschaltete CDU/CSU Ausbildung im Jahre 1939 als Diplom-Ingenieur-Bundesratsmehrheit ab. verweigern noch immer die Nach praktischer Tätigkeit als Betriebsleiter und Auskunft darüber, auf welch anderem Wege als stellvertretender Betriebsführer übernahm er im über eine Beitragssatzanhebung zur Arbeitslosen- Jahre 1950 die väterliche Waggonfabrik in Elze bei versicherung um je ein halbes Prozent für Arbeit- Hannover. Daneben gründete er eine Zweigfabrik nehmer und Arbeitgeber die Finanzierungslücke bei zum Bau von Straßenfahrzeugen. der Bundesanstalt für Arbeit geschlossen werden soll. Wenn die Sprecher der Opposition wiederholt Bald nach dem Krieg begann er auch, sich der erklären, es käme nicht auf die Finanzierung der Politik zu widmen. Er schloß sich im Jahre 1949 Arbeitslosigkeit, sondern vielmehr auf deren Be- der FDP an und war dann von 1957 an bis 1969 seitigung an, ihr Landesvorsitzender in Niedersachsen. Während der 2. Wahlperiode, am 4. Juli 1955, kam er über (Dr. Klein [Göttingen] [CDU/CSU] : Da ha die niedersächsiche Landesliste in den Deutschen ben sie recht!) Bundestag. Er legte jedoch sein Mandat am 8. Mai so versuchen sie, meine Damen und Herren, poli- 1959 nieder, um das Amt des Niedersächsischen tische Nebelwände aufzubauen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14337 Glombig Selbstverständlich ist es unser Anliegen, die Ar- wissermaßen einen Bonus für ihre politische Propa- beitslosigkeit zu beseitigen. Genauso aber steht es ganda einräumt. für uns außer Frage, daß wir für die Arbeitslosen Jedoch beweist die von der Opposition genannte sorgen müssen, solange es Arbeitslosigkeit gibt. Zahl, wie hoch man bei der Union den Anteil der- Daher handeln alle jene verantwortungslos, so mei- jenigen Witwen einschätzt, die als Hinterbliebene nen wir, die der Bundesanstalt für Arbeit die er- von nicht erwerbsunfähigen Schwerkriegsbeschädig- forderlichen Einnahmen verweigern. ten keine wirtschaftliche Einbuße durch die Schädi- Die Anhebung der Beiträge, welche die Koalitions- gung des an anerkannten Schädigungsfolgen ver- fraktionen heute durchzusetzen gezwungen sind, storbenen Ernährers erlitten haben; denn die Ände- schließt allerdings mit ein, daß der Beitragssatz rung der maßgebenden Vorschrift wirkt sich nur für wieder gesenkt werden könnte, wenn eine nachhal- solche Witwen aus, deren Einkommen 1530 DM tige Besserung der Arbeitsmarktsituation eingetre- monatlich überschreitet. ten sein wird. (Maucher [CDU/CSU] : Das stimmt doch Niemand wird Beitragssatzerhöhungen begrüßen; gar nicht!) sie sind jedoch eine Notwendigkeit, der wir uns in Zum Kreis dieser Witwen gehören also jene, die dieser Situation nicht verschließen können. durch mehrere Renten- oder Versorgungsansprüche (Unruhe) wirtschaftlich abgesichert sind. Mit ihrer ablehnenden Haltung steht die Oppo- (Maucher [CDU/CSU] : Das stimmt doch sition erneut im Abseits. Die Gewerkschaften sind gar nicht!) zwar keineswegs begeistert über die Beitragssatz Es ist nicht die Aufgabe des Bundesversorgungs- sie ziehen diese aber Leistungsein--erhöhungen; gesetzes, unabhängig von einer schädigungsbeding- schränkungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz ten Einbuße die Einkommenssituation eines beson- vor. deren Personenkreises zu verbessern. Wenn der An- teil der Witwen, die durch die Schädigung ihres Mannes in ihrer Versorgung finanzielle Einbußen Präsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, darf erlitten haben, nicht sehr groß ist, so wird dadurch ich Sie einen Moment unterbrechen. Meine Damen im übrigen untermauert, daß wir mit den Vorschrif- und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen oder die ten des Bundesversorgungsgesetzes über die ge- Gespräche nach draußen zu verlegen. Der Redner sundheitliche und berufliche Rehabilitation den rich- ist nicht zu verstehen. Danke schön. tigen Weg eingeschlagen haben. Sowohl bei den Änderungen des Arbeitsförde- - Glombig (SPD) : Die Gewerkschaften stellen da- rungsgesetzes als auch bei den Änderungen des mit wiederum unter Beweis, daß ihnen an der Soli- Bundesversorgungsgesetzes sieht die sozialliberale darität aller Arbeitnehmer untereinander gelegen Koalition aus den dargelegten Gründen keinen An- ist, die selbstverständlich die Solidarität zwischen laß, ihren bisherigen Standpunkt aufzugeben. Wir Arbeitenden und Arbeitslosen einschließt. bitten daher, den Einspruch des Bundesrates zurück- des Vermittlungs- Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberver- zuweisen und dem ersten Antrag ausschusses zum Haushaltsstrukturgesetz auf der bände hat durch ihren Präsidenten letztlich bekun- 7/4359 zuzustimmen. det, daß nach ihrer Auffassung eine Beitragssatzer- Drucksache höhung in der Arbeitslosenversicherung nicht zu (Beifall bei der SPD und der FDP) umgehen sei. In der Kriegsopferversorgung richtet sich der Präsident Frau Renger: Das Wort zu einer Erklä- Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion so- rung hat der Abgeordnete Müller (Remscheid). wie der Bundesratsmehrheit gegen die neue gesetz- liche Präzisierung der Anspruchsvoraussetzungen für die Witwen- und Waisenbeihilfe. Entgegen den Müller (Remscheid) (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! jüngsten Oppositionsäußerungen bedeutet das aber Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion keineswegs — ich meine, das muß hier mit aller der CDU/CSU gebe ich folgende Erklärung ab. Deutlichkeit unterstrichen werden — Kürzungen der Der Deutsche Bundestag muß heute mit einer qua- Witwen- und Waisenrenten. lifizierten Mehrheit eine Erhöhung des Beitrags zur von bisher 2 auf 3 % des Erneut ist daher klarzustellen: Es geht lediglich Arbeitslosenversicherung eines jeden Arbeitneh- darum, bei Neufällen keine Beihilfen zu zahlen, Bruttoarbeitseinkommens Die CDU/CSU-Fraktion wird einer wenn der Geschädigte nicht an den Schädigungsfol- mers beschließen. 50 %igen Beitragserhöhung ihre Zustimmung gen gestorben ist, wenn die Schädigung die Hin solchen nicht gemindert hat und der-terbliebenenversorgung aus grundsätzlichen Erwägungen verweigern. Lebensbedarf der Witwen und Waisen bereits durch Die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenver- andere Einkünfte hinreichend gesichert ist. Die Be- sicherung belastet die Arbeitnehmer in ihrer Ge- hauptung, die anstehende Änderung des Bundesver- samtheit mit rund 2 Milliarden DM und die Arbeit sorgungsgesetzes führe dazu, daß bis 1979 rund mit der gleichen Summe. Angesichts der ge--geber 49 000 Witwen weniger eine Beihilfe erhielten, trifft genwärtigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpoli- nicht zu. Diese Zahl ist selbst dann als weit über- tischen Situation ist eine solche Mehrbelastung un- zogen zu bezeichnen, wenn man der Opposition ge verantwortlich. Die Kaufkraft der Arbeitnehmer 14338 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Müller (Remscheid) wird unzulässig eingeschränkt, die Investitionsbe- von Witwenbeihilfen der alte Rechtszustand nicht reitschaft der Unternehmen unnötig erschwert. wiederhergestellt wurde. Die CDU/CSU-Fraktion wehrt sich auch deshalb (Unruhe) grundsätzlich gegen diese Beitragserhöhung, weil dahinter ein falscher politischer Weg steht, den die Präsident Frau Renger: Herr Abgeordneter, bitte Koalition ohne uns gehen muß, nämlich Arbeitslosig- noch einen Moment! — Meine Damen und Herren, keit zu bezahlen, statt sie mit gezielten Maßnahmen ich bitte um etwas mehr Ruhe. Der Redner kann sich zu verhindern. kaum durchsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall) Angesichts der leeren Kassen des Bundeshaushalts mag es zwar aus der Sicht der Koalition verständlich Müller (Remscheid) (CDU/CSU) : Danke sehr, Frau sein, die Verantwortung auf Wirtschaft und Arbeit- Präsidentin! — Nach Auffassung der CDU/CSU nehmer abzuschieben; die Maßnahme bleibt dennoch Fraktion ist es nicht vertretbar, eine derartige Ein- falsch. Die Verantwortung trägt daher die Mehrheit schränkung bei den Witwen vorzunehmen, deren der Koalitionsfraktionen allein. Männer ein Leben lang das harte Los der Schwer Bei allen Beratungen über weitere Rechtsverkür- tragen mußten, von dem die Ehe--kriegsbeschädigten zungen, welche die Arbeitnehmer durch den Koali- frauen und Kinder in vielen Fällen erheblich be- tionsbeschluß zur Novellierung des Arbeitsförde- troffen und benachteiligt wurden. Die CDU/CSU rungsgesetzes hinnehmen müssen, habe ich schon Fraktion ist der Meinung — und die langjährige Er- früher den Widerstand der CDU/CSU-Fraktion deut- fahrung hat das gezeigt —, daß die Schwerkriegs- lich gemacht. Diese Haltung bleibt unverändert. Die beschädigten vor allem durch das Fehlen einer mo- Einschränkung des förderungswilligen und förde- dernen Rehabilitation in den früheren Jahren, in rungsfähigen Personenkreises bei den beruflichen denen die Technik nicht so weit fortgeschritten war Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen dient wie heute, in der Regel für das Alter nicht so vor- nicht der Beschneidung von sogenanntem Wild- sorgen konnten wie ein Gesunder. Sie sieht daher wuchs, sondern sperrt gerade die von Arbeitslosig- einen Widerspruch in der jetzt vorgenommenen keit besonders betroffenen jugendlichen Arbeitneh- gesetzlichen Regelung gegenüber der langjährigen mer und die wiedereingliederungswilligen Frauen rechtlichen Handhabung. von den beruflichen Weiterbildungschancen, die das Im Namen meiner Fraktion darf ich darauf hin- Arbeitsförderungsgesetz gewährt, aus. Die von der weisen, daß bei dieser Regelung in der Tat deshalb Koalitionsmehrheit im Rahmen des Art. 20 des keine Mehrkosten entstehen, weil diese Witwenbei- Haushaltsstrukturgesetzes vorgesehenen Haushalts- - hilfe in Höhe von zwei Drittel der Witwenversor- einsparungen konnten in allen bisherigen Beratun- gung nur dann gezahlt wird, wenn ein Schwerbe- gen nicht erhärtet werden, bleiben deshalb zweifel- schädigter stirbt. Die Rente des Schwerbeschädigten haft und werden auch weiterhin von uns bestritten. entfällt mit dem Tode, so daß sich Ausgaben und Die darüber hinaus von der Koalitionsmehrheit Einsparungen im vorliegenden Fall auch für die Zu- beschlossenen Entscheidungs- und Verfügungsbe- kunft ausgleichen. Dennoch haben wir einen Dek- schränkungen der Bundesanstalt für Arbeit in Nürn- kungsvorschlag bei den Beratungen gemacht. berg hinsichtlich ihrer Vermögens- und Anlagepoli- Nach 25 Jahren des Bestehens des Bundesversor- tik, die ich schon früher als ,, Maulkorb-Erlaß" be- gungsgesetzes haben diese Regierung und die sie zeichnet habe, beschneiden die Rechte der Selbstver- tragende Koalition zum erstenmal einen traurigen waltung zugunsten erhöhter Machtvollkommenheit Akt einer unvertretbaren Rechtsverschlechterung der Bundesregierung und geben daher um so weni- bei den Kriegsopfern vollzogen. ger Veranlassung, den von Ihnen beabsichtigten Bei- tragserhöhungen die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der CDU/CSU) Die CDU/CSU-Fraktion steht zu ihrem Wort. Sie CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält unbeirrt an Die räumt den Kriegsopfern nach wie vor Priorität ein. Verabschiedung des Arbeitsförde- der 1969 bei der Sie wird nicht ruhen, bis das alte Recht in vollem rungsgesetzes grundgelegten Zielvorstellung fest, Umfang wiederhergestellt wird. Wir werden daher dem Arbeitnehmer, insbesondere dem nicht hinrei- in Bälde einen entsprechenden Initiativentwurf ein- chend qualifizierten, ein höheres Maß beruflicher bringen . Mobilität und persönlicher Chancen einzuräumen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die von der Mehrheit der Sozialdemokraten und Freien Demokraten beschlossene Beitragserhöhung bei gleichzeitiger Beschneidung der Rechte der Ar- Präsident Frau Renger: Weitere Wortmeldungen beitnehmer aus dem Arbeitsförderungsgesetz steht liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. der Verwirklichung dieser Ziele im Wege. Nach § 92 unserer Geschäftsordnung erfolgt die Aus arbeitsmarktpolitischen, insbesondere aber Abstimmung über den Einspruch des Bundesrates aus grundsätzlichen wirtschafts politischen Überle- durch Zählung der Stimmen. Namentliche Abstim- gungen lehnt die Fraktion der CDU/CSU die 50 %ige mung wird nicht gewünscht. Um den Einspruch des Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung Bundesrates, der mit der Mehrheit seiner Stimmen ab. Unsere Fraktion bedauert es außerordentlich, daß beschlossen worden ist, zurückzuweisen, bedarf es nach dem vom Bundesrat gestellten Antrag zum Bun- der Mehrheit der Mitglieder des Hauses. Das heißt, desversorgungsgesetz betreffend die Gewährung es müssen sich mindestens 249 Stimmen für die Zu- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14339 Präsident Frau Renger rückweisung des Einspruchs ergeben. Wer also den Berichterstatter: Einspruch zurückweisen will, muß mit Ja stimmen. Abgeordneter Gerster (Mainz) Das ist jetzt, glaube ich, klar. Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen) Meine Damen und Herren, wir kommen zur Ab- (Erste Beratung 197. Sitzung) stimmung durch Auszählen. Ich bitte Sie, den Saal Ich danke den Berichterstattern für ihren Bericht. zu verlassen. Wünschen die Berichterstatter zur Ergänzung das Wort? — Das ist nicht der Fall. (Vors i tz : Vizepräsident von Hassel) Ich eröffne die zweite Beratung. — Das Wort hat Vizepräsident von Hassel: Ich bitte, die Türen zu Herr Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen). schließen. Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) : Herr Präsident! Bevor wir die Türen öffnen, darf ich die Schrift- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Ver- führer bitten, die Berliner Abgeordneten getrennt waltungsbezirk Oldenburg und im Landkreis zu zählen. — Ich bitte, mit der Abstimmung zu be- Schaumburg-Lippe sind am 19. Januar dieses Jahres ginnen. Volksentscheide durchgeführt worden, die auf (Berger [CDU/CSU] : Wie soll das geschehen, Volksbegehren aus dem Jahre 1955 zurückgehen. Herr Präsident?) In beiden Fällen haben mehr als 25 % der zum — Indem Sie die Türen aufmachen, verehrter Herr Landtag Wahlberechtigten dem Begehren zuge- Kollege! stimmt. (Unruhe) (Berger [CDU/CSU]: Nein, ich meine das getrennte Zählen der Berliner!) Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Her- — Verzeihung, Herr Kollege, wir haben es immer ren, ich darf Sie bitten, dem Redner mehr Aufmerk- so gemacht, daß wir die Berliner beim Hereinkom- samkeit zu schenken. men gesondert zählen. (Marquardt [SPD] : Die sind sonst im Saal Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) : Die Verfassung sagt, geblieben! — Weitere Zurufe: Nein!) daß der Bundesgesetzgeber in solchen Fällen,wenn ein erfolgreicher Volksentscheid vorliegt, inner- — Ich darf darauf aufmerksam machen, daß inter- halb eines Jahres die Landeszugehörigkeit der Ge fraktionell abgesprochen ist, daß es so gemacht zu regeln hat. Das ist der Inhalt des-bietsteile werden soll, wie ich es soeben anordnete. Ich kann vorliegenden Gesetzes. mich nur auf die interfraktionelle Absprache bezie- hen. Auch die Frage, die wir zu entscheiden haben, (Zuruf: Die Berliner können doch zum Schluß steht in der Verfassung. Im Grundgesetz heißt es in hereinkommen!) Art. 29 Abs. 4, daß dem Bundesgesetz, welches die Landeszugehörigkeit regelt, grundsätzlich das Er- Können Sie die Lautsprecheranlage nach draußen gebnis des Volksentscheids zugrunde zu legen ist. in die Wandelhalle schalten? — Die Berliner Abge- „Es darf von ihm nur abweichen, soweit dies zur ordneten werden gebeten, beim Hereinkommen an- Erreichung der Ziele der Neugliederung nach Abs. 1 zugeben, daß sie Berliner sind; sie werden gesondert gezählt. erforderlich ist." Das ist die Frage, die hier zu ent- scheiden ist, über die wir im Innenausschuß bera- Ich darf bitten, die Türen zu öffnen. ten haben und zu der wir im Innenausschuß Vertre- Meine Damen und Herren, ich gebe das Aus ter aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe — Mit bekannt. Insgesamt wurden 417-zählungsergebnis Initiativen dort getragen haben —,-bürger, die die Stimmen abgegeben, außerdem 16 Berliner Stim- gehört haben. men. Mit Ja haben 261, mit Nein 156 Mitglieder des Art. 29 Abs. 1 GG ist der Richtwert, an dem wir Hauses gestimmt. Von den Berlinern haben 10 mit prüfen müssen, ob wir vom Volksentscheid abwei- Ja und 6 mit Nein gestimmt. Mit den 261 Ja-Stimmen chen dürfen. Bei Art. 29 Abs. 1 ist es der zweite ist die vorgeschriebene absolute Mehrheit von 249 Satz, der nach allgemeiner Auffassung Vorrang hat. Stimmen erreicht. Der Einspruch des Bundesrates Dort heißt es nämlich als Auftrag an den Bundes- ist damit zurückgewiesen. gesetzgeber — ich zitiere —: Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen Zweite und dritte Beratung des von der Bun- obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen kön- desregierung eingebrachten Entwurfs eines nen. Gesetzes, über die Regelung der Landeszuge- hörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg Die Frage ist also, ob, wenn man dem Volksent- und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach scheid folgt, dem Gebot des Art. 29 Abs. 1 Satz 2 Artikel 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes GG zuwidergehandelt würde oder ob man dem Volksentscheid folgen kann, weil Art. 29 Abs. 1 — Drucksache 7/4167 — GG das zuläßt. Bericht und Antrag des Innenausschusses Theoretisch könnte man sich durchaus eine Neu- (4. Ausschuß) gliederung des Bundesgebietes denken, durch die — Drucksache 7/4384 — nicht fünf oder sechs, sondern 30 Ländern entste- 14340 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Dr. Schäfer (Tübingen) hen. Aber auch darüber besteht kein Streit; denn auch für die sich daraus ergebenden Probleme es heißt: „Die Neugliederung soll Länder schaffen, eine solche Politik in besonderem Maße er- die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen fordert. obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können." Schon vier Länder werden für zuviel gehalten. Das Das bedeutet nach allgemeiner Auffassung, daß würde erst recht gelten, wenn man der Überlegung nicht kleinere Länder, als es sie jetzt schon gibt, näher träte, Oldenburg selbständig zu machen. sondern größere Räume zu schaffen sind. In dem Hearing wurde vorgetragen: Es besteht In diesem Zusammenhang ist es wohl durchaus aber die Pflicht des Bundesgesetzgebers, dem Volks nützlich, einiges aus dem sogenannten Ernst-Gut- zu folgen und jetzt ein Land Oldenburg-entscheid achten zu zitieren, das 1972 erstattet wurde und zu schaffen. Dabei führten die Betreffenden aus, sie sich mit diesen Fragen befaßt. Das Ernst-Gutachten seien sich bewußt, daß dieses Land Oldenburg bei sagt in seiner Textziffer 96: einer späteren großräumigen Neugliederung mög- Nur wenn alle Länder räumlich so gestaltet licherweise wieder in einem größeren Land auf sind, daß sie sowohl für ihren territorialen Be- Solche Ausführungen kann man der Ent--ginge. reich wie für das Wohl des Ganzen gegenwärtig scheidung nicht zugrunde legen. Wenn man das und zukünftig produktive Leistungen erbringen täte, wäre ein merkwürdiger Zickzackkurs die können, entspricht die Gliederung des Bundes- Folge. Eine solche Zwischenlösung ist verfassungs- gebiet es auch dem Erfordernis der wirtschaft- rechtlich ungeeignet. lichen Zweckmäßigkeit im Sinne des Art. 29 Es gab dann einige besorgte Uberlegungen, ob Abs. 1 Satz 1. das Land Niedersachsen hier seine Verpflichtungen Ich füge hinzu: und der übergeordneten Norm des erfülle. Meine Damen und Herren, es ist ganz inter- Satzes 2. essant, sich mit dieser Frage zu befassen, und es ist insbesondere interessant, daß das Land Niedersach- Mancher sagt nun: Es liegt kein Gesamtkonzept sen in seiner Verfassung einen Art. 56 hat, der ge- vor. — Nun, ein Gesamtauftrag der Verfassung nau den Forderungen des Art. 29 Abs. 1 entspricht. liegt insoweit vor, als Länder geschaffen werden Die niedersächsische Verfassung wurde 1951 ge- sollen — dazu ist uns freie Hand gegeben —, die schaffen, und in ihrem Art. 56 wird folgendes ge- diesen Richtlinien entsprechend groß genug sind. sagt: Man kann sich also nicht daran orientieren, daß Die kulturellen und historischen Belange der man sagt: Es liegt derzeit kein von den politischen ehemaligen Länder Hannover, Oldenburg, Organen vorgelegtes realisierbares Gesamtkonzept Braunschweig und Schaumburg-Lippe sind durch vor, es gibt nur das Ernst-Gutachten; weder- die Gesetzgebung und Verwaltung zu wahren und Bundesregierung noch der Bundesrat haben ein Ge- zu fördern. samtkonzept entwickelt. Man kann auch nicht auf das Land Bremen oder auf das Saarland hinweisen Es ist gar nicht unsere Sache, hier nun im einzelnen und sagen: Diese Länder sind auch klein, sie müs- darauf einzugehen. sen ja auch mit Hilfe des Finanzausgleichs — ins- Deshalb darf ich auch gleich zu Ihrem Entschlie- besondere das Saarland — am Leben erhalten wer- ßungsantrag folgendes sagen: Der Bundestag über- den. Das sind alles keine stichhaltigen Argumente; nimmt sich, wenn er glaubt, dem Lande Niedersach- denn der Auftrag lautet, daß leistungsfähige Län- sen hier solche konkreten Ratschläge geben zu kön- der zu schaffen sind. Wenn dieser Auftrag des nen, und es ist ein etwas merkwürdiges Föderalis- Grundgesetzes nach Art. 29 Abs. 1 verwirklicht wer- musverständnis, wenn man dann am Schluß von der den soll, darf dem Volksentscheid nicht gefolgt wer- Bundesregierung verlangt, auf das Land Niedersach- den. sen einzuwirken und dem Deutschen Bundestag nach Ob es sich bei der genannten Regelung des Ablauf von zwei Jahren zu berichten. Nein, meine Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes um einen offi- Damen und Herren, das Land Niedersachsen hat aus ziellen Auftrag oder um eine Kann-Bestimmung eigener Zuständigkeit seine Rechte und seine Ver- handelt, spielt in diesem Zusammenhang keine pflichtungen, und es ist nicht Sache dieses Bundes Rolle. Aber die Entscheidung über die uns über- dem Land Niedersachsen Weisungen zu ge--tages, tragene Aufgabe haben wir auf Grund der bestehen- ben. Es ist nicht Sache dieses Bundestages und ent- den Verfassung zu lösen; denn auf der Basis des spricht nicht der föderalistischen Ordnung in der Wortlauts der Verfassung ist das Verfahren ein- Bundesrepublik, daß wir Vorschläge machen, was geleitet und durchgeführt worden. Eine Änderung dort in der Verwaltungs- oder Gebietsreform zu ge- halte ich für vielleicht juristisch möglich, aber für schehen hat. politisch unangebracht. (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Das Ernst-Gutachten führt bezüglich des nord- Carstens [Emstek] [CDU/CSU]) deutschen Raumes aus — in Textziffer 280 —: Wir werden deshalb diese Entschließung ablehnen Die Aufteilung des nördlichen Bereichs des müssen, wie wir sie auch im Ausschuß abgelehnt Bundesgebietes in vier selbständige staatliche haben. Hoheitsbereiche erschwert eine wirksame Lassen Sie mich noch ein Wort zu Schaumburg staatliche Entwicklungspolitik für die Küsten- Lippe sagen. Das, was zu Oldenburg bezüglich der region, deren zunehmende Bedeutung als Selbständigkeit gesagt ist, gilt zweifellos, ohne daß Standort von Wirtschaftsunternehmen, aber man es noch einmal ausführen muß, auch für Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14341 Dr. Schäfer (Tübingen) Schaumburg-Lippe. Es ist interessant, daß die Ver- ten. Der Bundestag hatte im Jahre 1969 die Frist treter aus Schaumburg-Lippe beim Hearing gesagt zur Durchführung der Volksentscheide nach Art. 29 haben: „Wir haben nie ein Land Schaumburg-Lippe Abs. 3 des Grundgesetzes bis zum 31. März 1975 angestrebt. Wir haben uns formell an den Bundes- auch deshalb geschaffen, um mit Hilfe dieser Volks- tag gewandt, in der Sache haben wir aber Hannover entscheide die Gesamtneugliederung des Bundes gemeint. Wir wollten Einfluß nehmen auf die Ge voranzubringen. -gebiets das ist ihre Sache. Die-bietsneueinteilung." Gut, Trotz zwischenzeitlicher Vorlage CDU in Niedersachsen benimmt sich meines Erach- des Gutachtens tens auch vollkommen korrekt, wenn, wie ich aus der Ernst-Kommission hat die Bundesregierung allerdings die Zeit einer Zeitungsnachricht weiß, der Vorsitzende der von 1969 bis heute ungenutzt vor- CDU angekündigt hat, daß im Januar ein Gesetz- beigehen lassen. Sie hat keinen ernstzunehmenden entwurf ähnlichen Inhalts in Hannover eingebracht Anlauf in Sachen Neugliederung unternommen, ob- wird. Das ist der richtige Weg, daß die CDU im wohl sie vor Durchführung der Volksentscheide Landesparlament diese Probleme aufwirft und daß wiederholt — z. B. auch durch Anfragen in diesem im Landesparlament darüber gesprochen wird. Hause, durch mich — darauf hingewiesen worden war, daß bei positivem Ausgang der Volksent- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) scheide für den Bundesgesetzgeber eine sehr Es ist anerkennenswert, daß die Landesregierung schwierige Lage entstehen würde. dem Innenausschuß einen ausführlichen Bericht ge- Die in den Volksentscheiden zum Ausdruck ge- geben hat, in welcher Form Art. 56 bislang realisiert kommene Mehrheitsmeinung der Bevölkerung von wurde, aber es ist auch verständlich und richtig, daß Oldenburg und Schaumburg-Lippe zwingt uns da- die Landesregierung unmißverständlich gesagt hat, her heute zunächst, und zwar innerhalb der verfas- daß sie ihre Aufgabe kenne und daß sie demgemäß sungsgemäßen Jahresfrist, die Landeszugehörigkeit auch weiterhin danach handeln werde. dieser Gebietsteile durch Bundesgesetz zu regeln, Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, wie gibt uns aber auch Anlaß, darüber hinaus Klarheit er von der Regierung vorgelegt wurde und wie er zu gewinnen, ob und in welcher Weise das Thema vom Innenausschuß dem Hause vorgelegt wird, Neugliederung befriedigend gelöst werden kann. kann nach den Bestimmungen der Verfassung gar Da, wie bereits angedeutet, eine isolierte Teilauf- nicht anders lauten, weil der Richtwert des Art. 29 lösung des Landes Niedersachsen — ich erinne- Abs. 1 Satz 2 uns verwehrt, dem Ergebnis des re daran, daß ein Land Schaumburg-Lippe mit nur Volksentscheides zu folgen. Deshalb wird die SPD - 85 000 Einwohnern entstünde — nicht in Betracht Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen und aus kommt, sollten zumindest folgende Erwägungen bei den Gründen, die ich dargelegt habe, Ihren Ent- der Entscheidung heute Beachtung finden: schließungsantrag ablehnen. - (Beifall bei der SPD und der FDP) Dem nach Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes zu be- schließenden Bundesgesetz über die Landeszuge- hörigkeit von Oldenburg und Schaumburg-Lippe ist Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Abge- nach Abs. 4 dieses Grundgesetzartikels das Ergeb- ordnete Gerster (Mainz). nis der Volksentscheide in diesen Gebietsteilen zu zu legen. Hiervon darf lediglich abgewichen-grunde werden, soweit dies zur Erreichung der Ziele der Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Herr Präsident! Gesamtneugliederung des Bundesgebiets erforder- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der posi- lich ist. tive Ausgang der Volksentscheide vom 19. Januar 1975 in Oldenburg und Schaumburg-Lippe zwingt Da zur Zeit bei der Bundesregierung keinerlei den Bundesgesetzgeber, heute zwischen zwei Wegen konkrete Absichten oder Pläne für eine Gesamtneu zu wählen, die beide steinig, fast ungehbar und da- Bundesgebiets bestehen, -gliederung des mit fast unzumutbar sind. Folgt der Bundestag dem (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Sehr wahr!) Mehrheitswillen der Bevölkerung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe und errichtet er die frühe erhebt sich die Frage, ob eine Erichtung der Län- Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe, dann-ren der Oldenburg und Schaumburg-Lippe überhaupt entstehen aus dem Territorium des Landes Nieder Zielen einer Gesamtneugliederung des Bundes- drei staatliche Hoheitsbereiche und ein-sachsen gebiets widersprechen kann; denn konkrete Ziele Länderwirrwarr im norddeutschen Raum, der sach- einer Gesamtneugliederung können überhaupt nur lich kaum zu rechtfertigen ist. Folgt der Bundestag existieren, wenn in der Tat der Plan besteht, dieses dem Vorschlag der Bundesregierung, in Nieder Bundesgebiet neu zu gliedern. alles beim alten zu belassen, mißachtet er-sachsen Hier sind wir im Gegensatz zu der Auffassung nicht nur den Willen der Mehrheit der Bevölke- vom Kollegen Professor Schäfer der Meinung, daß rung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe, son- sehr wohl auch verfassungsrechtliche Bedenken dern er beschließt gleichzeitig ein Gesetz, dessen gegen den von der Bundesregierung vorgelegten Verfassungsmäßigkeit nicht ganz ohne Grund in Entwurf eines Bundesgesetzes bestehen. Frage gestellt wird. (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Das könnte (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Sehr wahr!) noch sehr wesentlich werden!) Diese unerfreuliche, fast ausweglose Situation hat Folgt der Bundesgesetzgeber trotz dieser Beden- in erster Linie diese Bundesregierung zu verantwor ken nicht dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung 14342 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Gerster (Mainz) in Oldenburg und Schaumburg-Lippe, lehnt er also das gerade erklärt hat, ebenfalls keine Konsequen- die Errichtung dieser Bundesländer ab, muß er sich zen ziehen zu wollen, folgender Konsequenzen bewußt sein: (Zuruf von der CDU/CSU: Jeder schiebt dem anderen den Schwarzen Peter zu!) Wenn unser Grundgesetz in einer einzigen Sach- frage, nämlich der Neugliederung des Bundesge- und das deshalb aus den Volksentscheiden keiner- biets, die Durchführung von Volksentscheiden vor- lei Konsequenzen gezogen werden sollen. Hier muß sieht, dann mit Sicherheit nur deshalb, weil es der der Bund klar zu erkennen geben, daß er es für Auffassung der Bevölkerung in dieser Sachfrage notwendig hält, daß das Land geeignete Maßnahmen eine besonders gravierende Bedeutung beimißt. Dem ergreift. Nur so kann nach unserer Auffassung eine von der Mehrheit getragenen Ergebnis eines Volks- völlige Mißachtung des Wählerwillens vermieden entscheides muß daher mit allen erdenklichen und werden. verantwortbaren Mitteln Rechnung getragen wer- (Beifall bei der CDU/CSU) den. Ihre Auffassung, Herr Kollege Schäfer, daß in (Sehr wahr! bei der CDU/CSU) diesem Verhalten ein merkwürdiges Föderalismus zum Tragen käme, kann nach meiner-verständnis Andernfalls würde der Volksentscheid zur Farce, Auffassung nicht geteilt werden. Selbst wenn der fühlte sich der Bürger hintergangen, würde sein Bundestag den Willen zum Ausdruck bringt, den Demokratieverständnis auf eine allzu harte Probe Gebietsteilen Oldenburg und Schaumburg-Lippe ins- gestellt. gesamt im Rahmen der Landesgesetzgebung zu einer (Beifall bei der CDU/CSU) größeren Eigenständigkeit zu verhelfen, dann wird Für den Fall Oldenburg und Schaumburg-Lippe hiermit, wenn diese Resolution durch den Bundestag kann dies nur bedeuten, daß zwar aus gesamtstaat- an die Bundesregierung gerichtet wird, nicht unmit- lichen Erwägungen heraus keine Errichtung neuer telbar in das Land Niedersachsen hineingewirkt, Bundesländer verantwortet werden kann, daß sondern allenfalls der im föderativen System der jedoch innerhalb des Landes Niedersachsen dem Bundesregierung zustehenden Möglichkeit Rech- Wunsch der Bevölkerung nach größerer Eigenstän- nung getragen, ihren Einfluß gegenüber der Landes- geltend zu machen. digkeit soweit wie möglich entsprochen werden regierung von Niedersachsen muß. Der federführende Innenausschuß hat daher im (Zustimmung bei der CDU/CSU) seiner Beratungen die Landesregierung Rahmen Dabei hätten wir über den Inhalt unseres Resolu- Stellungnahme zu von Niedersachsen wiederholt um tionsantrags verhandeln können. Nur waren die des der Frage gebeten, ob sie bereit ist, im Rahmen Koalitionsparteien nicht bereit, im einzelnen über der Oldenburger und Landesrechtes dem Willen - diese Dinge zu befinden. Sie haben von Anfang an Schaumburg-Lipper Bevölkerung nach größerer signalisiert, daß sie nicht bereit sind, mit uns zu Eigenständigkeit Rechnung zu tragen. Herr Professor gehen und einen Appell an die Landesregierung zu Schäfer, Sie selbst haben als Vorsitzender dieses richten. Ausschusses dreimal Anfragen an die Landesregie- rung gerichtet, was nur dem Ziel dienen konnte, tat- Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion legt Ihnen, da- sächlich ein größeres Entgegenkommen der Lan- mit aus diesen Volksentscheiden eine Konsequenz desregierung zu erfahren. Die Antwort der Lan- gezogen wird, daher einen Entschließungsantrag vor, desregierung war jedoch ebenso knapp, bündig, den der Kollege von Alten-Nordheim Ihnen im unmißverständlich und verblüffend: Das Land Nie- Anschluß noch im einzelnen begründen wird. Die dersachsen sieht sich außerstande, den Schwierig- Bundesregierung soll demzufolge ihren Einfluß auf keiten, denen der Bund bei der Erfüllung des Ver- das Land Niedersachsen geltend machen, daß den fassungsauftrages aus Art. 29 des Grundgesetzes durch die Volksentscheide ausgesprochenen Erwar- begegnet, durch Maßnahmen nach Art einer Föde- tungen der Bevölkerung entsprochen wird. Außer- Innenausschuß und ralisierung des Landes Rechnung zu tragen. Diese dem wünschen wir, daß dem von zwei Jahren über das Haltung der Landesregierung von Niedersachsen ist dem Bundestag innerhalb Ergebnis dieser Bemühungen berichtet wird. um so bemerkenswerter, weil die in einem Hearing des Innenausschusses befragten Verantwortlichen Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe übereinstim- Annahme dieser Ihnen vorliegenden Entschließung mend festgestellt haben, daß die Voten der Volks- erhielte die Bevölkerung in Oldenburg und Schaum entscheide nicht nur an den Bundesgesetzgeber zum Gewißheit, daß ihr Votum bei den-burg-Lippe die Zwecke der Neugliederung, sondern zumindest Volksentscheiden im Rahmen des dem Bundestag ebenso an den Landesgesetzgeber und Landesregie- Möglichen Berücksichtigung fand. Damit würden rung gerichtet waren, um eine Respektierung landes nach meiner Auffassung außerdem die verfassungs- interner Interessen zu erreichen. mäßigen Bedenken, die bei einer völligen Mißach- tung des Wählerwillens bestehen müßten, zumindest Es kann nach unserer Auffassung nicht angehen, gemildert. Land Niedersachsen auf die Gesetzgebungs- daß das (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Sehr des Bundes verweist, der allerdings zuständigkeit gut!) aus den Volksentscheiden keine Konsequenzen zie- hen soll, und daß der Bund andererseits auf die Zu- Schließlich erscheint es auch dem Lande Nieder- ständigkeit des Landes Niedersachsen für Maßnah- sachsen gegenüber zumutbar, daß es für seine voll- men im Rahmen der Landesgesetzgebung verweist, ständige Erhaltung, und zwar gegen den Mehrheits- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14343 Gerster (Mainz) willen in einzelnen Gebietsteilen, ein entsprechen- Gerade die Volksentscheide in Oldenburg und des Entgegenkommen zeigt und im Rahmen der Schaumburg-Lippe müssen über unsere Entschei- Landesgesetze entsprechende Maßnahmen be- dung heute hinaus auch den Bundesgesetzgeber ver- beschließt. Mit der Annahme dieser Entschließung anlassen, gesetzgeberisch vorausschauend tätig zu bräuchte die CDU/CSU-Fraktion den Gesetzentwurf werden, dies im Interesse eines stärkeren Initiativ- der Bundesregierung trotz bestehender, auch verfas- rechts der Bürger zur Lösung bereits überfälliger sungsrechtlicher, Bedenken nicht in Bausch und Bo- Einzelfragen und Probleme auch unterhalb der gen abzulehnen. In der Ablehnung unseres Antrages Ebene der Gesamtneugliederung. dagegen würden wir den fehlenden Willen, auch (Sehr gut! bei der CDU/CSU) nur geringste Konsequenzen aus den Volksentschei- den zu ziehen, erkennen müssen. Die CDU/CSU Die Bundesregierung ist in diesem Sinne gefor- Fraktion würde dann den Regierungsentwurf ableh- dert, nach langwierigen Ankündigungen und publi- nen müssen. kumswirksamen Versprechungen endlich ihrem ver- fassungsgemäßen Auftrag gerecht zu werden und Meine sehr verehrten Damen und Herren, da bis- ein Gesamtkonzept vorzulegen, über das dieses her die Pflicht zur Durchführung von Volksent- Hohe Haus dann unverzüglich beraten sollte. scheiden als Garantie auch dafür erschien, daß auch die Gesamtneugliederung des Bundesgebietes an- (Beifall bei der CDU/CSU) gepackt wird, gebietet der formale Abschluß dieser Volksentscheide auch ein Wort zur Gesamtneuglie- Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Ab derungsproblematik. Wendig. -geordnete Dr. Falls die Bundesregierung auch weiterhin keine Absicht bekundet, dem Neugliederungsgebot des Dr. Wendig (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver- Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes zu folgen und ein ehrten Damen und Herren! Insbesondere im Blick auf Neugliederungskonzept vorzulegen, sollte in der den hochgeschätzten Kollegen Gerster ein Wort vor- Tat an eine Umwandlung des Art. 29 Abs. 1 des ab. Sicherlich ist trotz aller Meinungsverschieden Grundgesetzes gedacht werden. Die Nichtbefolgung dieses Gesetz über die Landeszugehörigkeit-heiten des Neugliederungsgebotes ist nämlich auf Dauer des Verwaltungsbezirks Oldenburg und des Land- mit Sicherheit unerträglich. Wir sollten dabei aller- kreises Schaumburg-Lippe nach einem Volksent- dings folgendes beachten: Noch so drängende an- scheid im Sinne von Art. 29 Abs. 3 des Grundgeset- dere Probleme dieser Tage, die die Gesamtneu- zes kein geeigneter Gegenstand für einen parteipoli- gliederung des Bundesgebietes wiederum in den tischen Meinungsstreit. Hintergrund drängen, sollten einer späteren Ge- (Beifall bei der FDP und der SPD) samtneugliederung nicht den Weg versperren.- Von Ich glaube, so sehen wir es alle auch nicht. Wir soll- daher empfiehlt sich nicht die öffentlich erörterte ten es hier in diesem Hause ebensowenig wie in ersatzlose Streichung des Art. 29 Abs. 1 des Grund- Niedersachsen so sehen. gesetzes. Allenfalls eine Umwandlung dieser Be- stimmung kommt in Betracht, wobei nach unserer Dennoch ist dies zugleich nicht nur ein Bild nord- Auffassung eine erweiterte Möglichkeit, den Bürger deutscher Krähwinkelei, sondern es ist ein Problem durch Volksentscheide unmittelbar an zukünftigen höchster Aktualität und geht uns alle an, ganz gleich, Entscheidungen mitwirken zu lassen, geschaffen ob wir in Niedersachsen oder in einem anderen Teil werden sollte. Es ist auch zu erwägen, ob nicht ein des Bundesgebiets wohnen. Mit dem Oldenburg- und Weg gefunden werden muß, die Neugliederung Schaumburg-Lippe-Gesetz haben wir gewissermaßen durch entsprechende Voten der Bevölkerung in nur den Zipfel eines großen noch unerledigten Be- Gang zu bringen, d. h. der Bevölkerung ein entspre- reichs in den Griff bekommen. Was hier und heute chendes Initiativrecht zuzugestehen. geschieht, wird nicht ohne Konsequenzen für die künftige Entwicklung der Länderneugliederung im In diesen Zusammenhang gehört auch die fällige Bundesgebiet bleiben können und bleiben dürfen. Novellierung des Gesetzes nach Art. 29 Abs. 7 des Grundgesetzes. Gerade in den Ballungsräumen Eine zweite Vorbemerkung. Mit einem Gesetz, warten an Landesgrenzen eine Reihe von Einzel- welches das Verbleiben von Oldenburg und Schaum fragen auf eine Lösung, die unterhalb einer Gesamt- bei Niedersachsen bestimmt, wird nicht-burg-Lippe neugliederung dann gefunden werden könnte, wenn etwa — wie oft vorgetragen — ohne großes Feder- Grenzveränderungen nicht — wie bisher — an Ge- lesen oder gar leichtfertig über den politisch rele- biete bis 1 000 Hektar und bis zu 500 Einwohner vanten Willen einer Bürgermehrheit hinweggegan- bzw. bis zu 2 000 Personen gebunden wären. gen. (Lagershausen [CDU/CSU]: Es ist leider so!) Lassen Sie mich das Beispiel der rechtsrheinischen Mainzer Vororte, also ein Beispiel aus meiner enge- Es wird hier ganz nüchtern und nach gründlicher ren Heimat, hier anführen — diese Vororte sind Abwägung ein Zielkonflikt entschieden — das habe noch durch Landesgrenzen von Mainz getrennt —, ich schon im Innenausschuß gesagt —, den die Väter an dem Sie sehen können, wie dringend auch heute des Grundgesetzes als möglich vorausgesehen und noch Einzelprobleme einer Lösung harren. Warum zu dessen Lösung sie ganz bestimmte Richtbegriffe sollten Grenzveränderungen bis zu 100 000 oder aufgestellt haben. 200 000 Personen nicht für den Fall ermöglicht wer- (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Zu den, daß sich Bundesländer einigen und die betrof- Lasten der Wähler! — Lagershausen [CDU/ fene Bevölkerung zustimmt? CSU] : Zu Lasten der Verfassung!) 14344 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Dr. Wendig Es geht in schlichten Worten um nicht mehr und Niemand kann letztlich annehmen wollen — und nicht weniger als um eine Entscheidung zwischen das tut auch niemand —, daß beispielsweise ein Ge- dem Ergebnis eines qualifizierten Bürgerentscheids biet wie Schaumburg-Lippe, zur Zeit ein Landkreis nach Art. 29 Abs. 3 des Grundgesetzes und den Leit- mit 75 000 Einwohnern, als selbständiges Bundes- sätzen, die in Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes für land auch nur als eine zeitlich begrenzte Zwischen- eine Länderneugliederung im gesamten Bundesge- stufe im Zuge einer Länderneugliederung wiederher- biet aufgestellt sind. Wenn der Bundesgesetzgeber geste llt werden kann. Auf die landespolitischen Pro- nach sorgfältiger Abwägung, wie ich meine, sich in bleme komme ich noch in ein paar kurzen Sätzen. diesem Gesetz für den Vorrang der Leitsätze des Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes entscheidet, dann Auch — und das hat sicherlich größeres Ge- mißachtet er keinen Bürgerwillen; er macht vielmehr wicht — ein selbständiges Land Oldenburg lediglich von seinem Recht, aber auch seiner Pflicht (Lagershausen [CDU/CSU] : Ist leistungsfähi zur sachgemäßen Lösung des angedeuteten Zielkon- ger als Niedersachsen, pro Kopf der Bevöl flikts Gebrauch. kerung!) Das Verhalten des Bundesgesetzgebers kann nur — darüber könnte man streiten; es kommt auf die daran gemessen werden, ob die Entscheidung sach- Akzente an — kann weder als Zwischenstufe für lich geboten ist und ob sie von den Normen des eine Länderneugliederung noch gar als Endzustand, Grundgesetzes gedeckt wird. Nur darum geht es hier. wie Sie vielleicht meinen, als mit den Zielen des Sieht man es so — und nur so kann man es sehen —, Art. 29 Abs. 1 GG vereinbar angesehen werden. kommt es nach dem Bürgerentscheid in Oldenburg Oder umgekehrt argumentiert: Eine Entscheidung und Schaumburg-Lippe vom 19. Januar 1975 nur dar- im Sinne der Ergebnisse des Volksentscheids vom auf an, ob im abweichenden Fall diejenigen Voraus- 19. Januar dieses Jahres ginge hinter den gegenwär- setzungen gegeben sind, die den Bundesgesetzgeber tigen Zustand zurück, während Art. 29 Abs. 1 doch ermächtigen, von einer Wiederherstellung der ehe- ganz eindeutig zumindest von gleich großen, wenn maligen Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe nicht größeren Ländereinheiten ausgeht. Dies würde abzusehen. Das ist doch die Frage. Dieses Abwei- auch gegenüber dem gegenwärtigen Zustand eine chen, so meine ich, ist nur vertretbar, dann aber grundsätzliche Verschlechterung bedeuten. Der Re- auch zwingend geboten, wenn und soweit dies zur gierungsentwurf geht zu Recht davon aus, daß in Erleichterung der Erreichung der Ziele der Neuglie- Art. 29 Abs. 1 GG in der Neugliederung das Prinzip derung nach Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes erfor- den Vorrang besitzt, Länder zu schaffen, die nach derlich ist. Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Meine Damen und Herren, ich will für mich und meine Fraktion keine Verfassungsexegese -betreiben, Der Bundesgesetzgeber entscheidet sich also rich- die sicherlich hier in dieser Debatte nicht am Platze tig, wenn er der Regierungsvorlage zustimmt, und ist. Daß in der Sache primär zwar dem Ergebnis der zwar richtig sowohl im Hinblick auf das verfassungs- Volksentscheide zu entsprechen wäre, also Wieder- politisch-rechtlich wie auch sachlich Gebotene. herstellung von Oldenburg und Schaumburg-Lippe, Sicher erscheint es auf den ersten Blick — ich will steht nach dem Grundgesetz außer Zweifel. dem gar nicht widersprechen — nicht sehr erfreu- lich, wenn damit das Ergebnis des Volksentscheids Vor der sachlichen Erörterung der Frage, ob hier in den nicht eine andere Lösung im Sinne von Abs. 4 gebo- beiden Landesteilen praktisch, wie man mei- ten ist, steht die Vorfrage, ob bei einer solchen Ent- nen könnte, unberücksichtigt bleibt. Aber eine Al- scheidung die Ziele einer Länderneugliederung ins- ternative bietet sich für den Bundesgesetzgeber hier gesamt konkret konzipiert sein müssen. Herr Kollege und heute nicht — im Gegensatz zu der Meinung, hier Gerster ist auf diese Frage eingegangen. Der Entwurf die von der Opposition vertreten wird. Aber der Bundesregierung verneint in Übereinstimmung auch die CDU/CSU ist offensichtlich selber unserer mit der überwiegenden Meinung der Wissenschaft Meinung; denn der Entschließungsantrag setzt ja diese Frage und läßt es allein auf die allgemeinen zwangsläufig voraus, daß der Bundesgesetzgeber gar Richt- und Leitsätze in Abs. 1 des Art. 29 Grundge- nicht anders entscheiden kann. Ich kann, Herr Kol- setz ankommen. Dem kann ich für meine Fraktion lege Gerster, die Frage doch nur so stellen: Ent- nur zustimmen. Offensichtlich sind die Träger der weder trägt die Brücke des Art. 29 Abs. 4 GG über- Volksentscheide in Oldenburg und Schaumburg- haupt nicht, weil die Ziele der Länderneugliede- Lippe selber,. jedenfalls überwiegend, der Meinung rung konkret definiert sein müssen — das sind sie gewesen, daß eine Wiederherstellung der alten Län- aber nicht —, oder diese Brücke trägt. Wenn sie der auch von den mit Ja votierenden Bürgern im letz- trägt, müssen wir entscheiden, und dann können ten Ergebnis meist nicht angestrebt worden ist. Geht wir rechtlich in der Sache gar nicht anders ent- man aber, was nach meiner Meinung zwingend ist, scheiden, als die Vorlage es vorsieht. davon aus, daß Art. 29 Abs. 4 nur auf die allgemei- (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Und die nen Leitsätze in Art. 29 Abs. 1 GG verweist, kann Oldenburger sind die Geschädigten!) an der Richtigkeit der Lösung des Zielkonflikts im — Ich komme darauf, Herr Carstens. Auch Olden- Sinne des Regierungsentwurfs überhaupt kein Zwei- burg hat noch ein Wort. fel sein. Damit erweist sich die Entscheidung, die der Regierungsvorlage zugrunde liegt, nicht nur als ver- Damit bin ich im Grunde genommen schon beim fassungsrechtlich tragbar, sondern auch als von der Entschließungsantrag. Denn rechtlich ist es absolut Sache her zwingend. zwingend, daß hier gar nicht anders entschieden Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14345 Dr. Wendig werden kann. Der Entschließungsantrag ist sowohl sollten wir im Grunde genommen alle in diesem verfassungspolitisch in hohem Maße bedenklich als Hause sein —, immer von der Bundesverfassung auch sachlich — und das möchte ich auch einmal her gesehen, eine Frage für das Land Niedersachsen sagen dürfen — nicht begründet. Ich will mich nicht wie für jedes andere Land in der gleichen Lage, nur in verfassungspolitischen Argumentationen ver- ein völlig freier Entscheidungsraum, fangen. (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Sie hat es Der Entschließungsantrag fordert, zum Teil sehr doch schon abgelehnt!) konkret, bestimmte Handlungen der niedersächsi- schen Landesregierung bzw. des Landesgesetzgebers. der in dem durch das Grundgesetz in keiner Weise Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Aus wel- bestimmten politischen Ermessen des Landesgesetz chen rechtlichen oder auch politischen Gründen liegt. Hierüber haben wir also nicht zu-gebers sollte der Bundesgesetzgeber ermächtigt sein, einem befinden. Land solche Maßnahmen zu empfehlen? Darüber hinaus ist es aber auch aus allgemein- (Beifall bei der FDP und der SPD) politischen Erwägungen heraus absolut unmöglich, daß der Bundestag einem Land im Wege der Emp- fehlung etwa konkrete Maßnahmen bei der Bildung Vizepräsident von Hassel: Gestatten Sie eine Zwi- von Landschaftsverbänden, bei der Kreisreform, bei schenfrage des Abgeordneten Gerster? der Verfügung über die Finanzmasse nahelegt. Ich sage dies nicht, weil mir etwa die niedersächsische Gerster (Mainz) (CDU/CSU) : Herr Kollege Wendig, Landesregierung politisch näher stünde; ich würde wenn Sie sachliche Bedenken gegen einzelne Vor- die gleiche Auffassung gegenüber jedem Land ver- schläge haben, können Sie mir dann sagen, warum treten, ob Bayern, Baden-Württemberg oder auch Sie nicht im Innenausschuß die Gelegenheit wahr- Rheinland-Pfalz, wenn Sie wollen, ganz gleich, wie genommen haben, mit uns gemeinsam eine in Ihrem die parteipolitischen Mehrheitsverhältnisse dort be- Sinne bessere Entschließung zu beraten und zu ver- schaffen sind. abschieden ? Nimmt man den Föderalismus in der Bundes- republik ernst — und ich tue das nicht nur aus Dr. Wendig (FDP) : Darauf komme ich noch; ich Gründen des Verfassungsgebots —, so kann man fange mit der Entschließung gerade erst an, Herr nur dringend, und zwar alle in diesem Hause, vor Kollege Gerster. Das können Sie nachher vielleicht einer Praxis warnen, die mit dem Entschließungs- fragen. entwurf der Opposition hier erstmalig in das Bund eingeführt werden soll, eine Ent--Länder-Verhältnis Welche rechtliche und auch politische Möglich- schließung, die, wie ich nochmals betonen möchte, keit gibt es also für den Bundesgesetzgeber, eine jeder rechtlichen, aber auch jeder vernünftigen solche Empfehlung zu geben? Rechtspflichten aus politischen Grundlage entbehren würde. dem Verfassungsrecht des Bundes bestehen doch wohl nicht. Andernfalls müßte man behaupten wol- Verfassungsrechtlich wie auch gemessen an den len, daß ein Bundesland — hier Niedersachsen — sachlichen und politischen Notwendigkeiten ist also Art. 29 bei einem positiven Volksentscheid nach der Regierungsentwurf in Ordnung. Er ist die ein- Abs. 3 rechtlich gezwungen wäre, in den betroffe- zige Regelung, die zugleich auch die Entwicklung nen Landesteilen — hier Oldenburg und Schaum für die Zukunft nicht verbaut. Wir Freien Demo- durch eine stärkere organisatorische,-burg-Lippe — kraten werden ihr daher zustimmen. personelle oder finanzielle Ausgestaltung bestimm- ter Einrichtungen dem angenommenen Volkswillen Eines, meine Damen und Herren von der Oppo- stärker Rechnung zu tragen. Aber eine Auffassung, sition, ist dennoch gewiß: Ganz ohne ein gewisses nach der das Grundgesetz den Ländern, in denen Mißbehagen kann man die Entscheidung über Olden- erfolgreiche Volksentscheide stattgefunden haben, burg und Schaumburg-Lippe so lange nicht be- für ihre innere Verfassung und Verwaltung be- trachten, stimmte Verpflichtungen auferlegt, wird ersichtlich von niemandem ernstlich vertreten. Diese Erwä- (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Hört! gung — damit gehe ich einen Schritt weiter — Hört!) es dann aber auch aus politischen Gründen sollte als wir nicht den politischen Willen aller — ich ausschließen, daß der Bundesgesetzgeber einem sage jetzt ganz deutlich: aller — in diesem Lande, Land auch nur eine allgemeingehaltene Empfehlung d. h. nicht nur der gegenwärtigen Bundesregierung, gibt, wie sie etwa in der Präambel des Entschlie- sondern aller Parteien in diesem Bundestag, spüren, ßungsantrages der CDU/CSU enthalten ist. die Aufgabe der Länderneugliederung voranzubrin- gen. Eine ganz andere Frage ist es, Herr Kollege (Lagershausen [CDU/CSU] : Das ist sehr Gerster, ob sich die niedersächsische Landesregie- interessant!) rung oder der Landesgesetzgeber in Niedersachsen aus einer nicht bundesverfassungsrechtlichen Moti- Dazu möchte ich jetzt einiges sagen. Dazu gehört vation heraus veranlaßt sehen könnte, in den Ab- vor allem Klarheit darüber, wie wir die künftige stimmungsgebieten bestimmte Maßnahmen durch- föderative Struktur der Bundesrepublik Deutschland zuführen oder zu unterlassen. Dies ist indessen — definiert wissen wollen oder, anders gefragt, wel- bin ich nach wie vor überzeugt, und das davon chen politischen Stellenwert wir dem Verfassungs- 14346 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Dr. Wendig gebot einer föderativen Struktur des Bundesgebietes nell in der Art, wie sie geworden sind. Wenn heute zumessen. wir hier (Lagershausen [CDU/CSU] : Welchen Stel — im Parlamentarischen Rat — lenwert messen Sie den Bürgerrechten in von den Landtagen gewählt worden sind, so Verfassung zu?) der sind die Landtage im Augenblick Behelfsheime — Ich komme auf die Verfassung noch zu sprechen. der deutschen Existenz überhaupt. Dabei wird eine Reihe von Fragen sowohl im Rah- Bitte, besinnen wir uns doch einmal zurück! Das men des gegenwärtigen Art. 29 als auch möglicher- stenographische Protokoll verzeichnet damals „leb- weise bei einer Fortentwicklung neu zu stellen sein, hafte Zurufe, Sehr gut! und Heiterkeit". Auch hier- wobei ich Ihnen, Herr Gerster, darin zustimme, daß auf muß verwiesen werden, wenn man über diese einer Streichung wie Sie sag- wir von des Art. 29, Dinge spricht. ten, absolut absehen sollten. Länder des Aber sind die Voraussetzungen — das muß man Hierzu ist zweierlei festzustellen. Die auch im Bewußt- fragen, wenn man über eine Neugestaltung des Jahres 1949 haben inzwischen — die Art. 29 so oder so spricht — richtig, aus denen sein ihrer Bürger — eine Verfestigung erfahren, beispielsweise das Ernst-Gutachten konzipiert nicht, wie es manchmal geschieht, mit einem Hin- wurde? Kann sich Föderalismus nur formal als In- weis auf die Sorge etablierter politischer Gruppen strument einer zusätzlichen Kontrolle staatlicher vor der Zerstörung gewachsener Stammesherzog- auch für das Zentralgewalt begreifen, wie es oft vorgetragen tümer abgetan werden kann. Das gilt wird? Sind die Leitsätze mit den Kriterien der Größe heutige Niedersachsen. Auf der anderen Seite darf Auf- und der Leistungsfähigkeit der Länder ausreichend man nicht vergessen, wie sehr im Bereich der beschrieben? Wir wissen doch alle längst, daß die gabenverteilung zwischen Bund und Ländern in Leistungsfähigkeit eines Landes neben seiner Größe den Jahren nach 1949 aus Sachzwängen heraus, aber auch von anderen Faktoren abhängig ist, wie ins- mit dem Willen einer Mehrheit unserer Bevölke- besondere der Aufgabenverteilung zwischen Bund rung die Zuständigkeiten des Bundes erweitert wor- und Ländern und der Finanzverfassung im Bund den sind. bzw. dem vertikalen Finanzausgleich. Meine Damen und Herren, in diesem Rahmen Die föderative Struktur der Bundesrepublik ist zu steht die ganze Frage einer Neukonzeption des einem großen Teil Erbe einer langen geschichtlichen Art. 29 des Grundgesetzes. Wir sollten, wenn wir Entwicklung, zum Teil aber auch Ergebnis der politi- über den heutigen Tag hinausgehend, die Fragen schen Situation in Westdeutschland des Jahres 1949. des Art. 29 debattieren, an all diese Grundsätze - Es gibt territoriale Bereiche — und es hat sie immer denken. gegeben —, in denen das Land, der Territorialstaat also, im Bewußtsein der Bürger eine besonders Hier und heute kann aus den rechtlichen wie aus lebendige Bedeutung gehabt hat. Man soll das nicht den politischen Zwängen, die ich aufgezeigt habe, geringachten, drückt sich doch darin für viele Bür- eine andere Entscheidung als die, wie die Regie- ger unseres Landes die unmittelbarste persönliche rungsvorlage sie vorschlägt, nicht getroffen werden. Beziehung zur Staatlichkeit überhaupt aus. Zu die- Ich empfehle Ihnen Zustimmung. sen Bereichen mögen die alten, die historischen (Beifall bei der FDP und der SPD — Lagers Länder gehören, vielleicht auch Oldenburg von hausen [CDU/CSU] : Sie haben die Ver 1945, das älter ist als das damals entstandene Nie fassung vergessen, Herr Wendig!) -dersachsen. Für viele war auf der anderen Seite der Födera- Vizepräsident von Hassel: Meine Damen und Her- lismus aber auch eine, wenn auch notwendige, so ren, wir fahren in der Aussprache über diesen doch — das möchte ich sagen dürfen — im Prinzip Tagesordnungspunkt, zu dem mir noch weitere fünf ungeliebte Fessel. Die föderative Struktur der Bun- Wortmeldungen vorliegen, fort. Das Wort hat der desrepublik Deutschland nach dem Grundgesetz von Herr Abgeordnete Lemp. 1949 wurde von den einen als zu zentralistisch ab- gelehnt — ich denke an das damalige Bayern —, (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen! Meine von anderen als Ausdruck einer föderativen Staats- Lemp Herren! Wenn ich hier und heute anläßlich der verfassung bejaht und von dritten als die einzige zweiten und der dritten Lesung einige Ausführun- Form deutscher Staatlichkeit, die damals politisch gen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf und auch erreichbar war, lediglich hingenommen. Das galt im zu der in der ersten Lesung vorangegangenen Dis- übrigen zum Teil auch für die damals vorhandenen kussion mache, stehe ich hier weder als Ver- und noch heute bestehenden Länder. so fassungsrechtler noch überhaupt als Jurist, sondern Ich darf hier abschließend auf einen Satz des Ab- ganz schlicht und einfach als Südoldenburger, als geordneten im Parlamentarischen Rat Professor Dr. jemand, der dort geboren ist und dort auch noch Heuss verweisen, des ersten Präsidenten dieser lebt. Was mich hier aufs Podium bringt, ,sind andere Republik. Er hat damals im Parlamentarischen Rat Dinge, als Sie sie in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu dieser Frage ausgeführt — ich zitiere —: hören möchten. Ich will niemandem zu nahe treten, aber manche (Zuruf von der CDU/CSU: Die Wiederwahl! — dieser Staaten sind weniger originär als origi der CDU/CSU) Heiterkeit bei Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14347 Lemp — Natürlich auch! Das setze ich voraus. Bitte keine Aber damit nicht genug; wir sind noch nicht Zwischenrufe in der Art; aber Sie unterstützen mich fertig. Ich meine, daß sich hier noch einige Pro- natürlich, vielen Dank. — Mir geht es um die Äuße- bleme mehr ergeben. Betrachten wir uns einmal rungen meines Kollegen Carstens (Emstek) in der den Bereich der Kultur und lesen wir in dem Be- ersten Lesung. Er hatte da die Dinge fast schon als richt, den der Ausschuß uns geboten hat, nach, was Verfassungsrechtler en detail behandelt. Bloß darin steht. Wer den Bericht nachgelesen hat, sieht glaube ich, da muß man doch einiges geraderücken, eindeutig, daß man in diesem Bereich der lands- denn hier gibt es Dinge, die so nicht stehenbleiben mannschaftlichen Bindung eine Menge getan hat: ob können. man nun das Oldenburger Schloß oder das Theater Wenn der Kollege Carstens davon spricht, daß die nimmt, ob man die Museen nimmt oder ob man, Oldenburger oder der Landesteil Oldenburg in Nie wenn wir an unseren speziellen Raum denken, das durch die Landesregierung vernachläs--dersachsen Museum in Cloppenburg nimmt. sigt worden sind, muß ich das natürlich konsequent (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Ist das eine zurückweisen, besondere Leistung?) (Bitte?! bei der CDU/CSU) Es wird also eine Menge getan. Man kann doch was ja wohl logisch ist; denn Ihnen, Kollege Car- nicht einfach so tun, als sei das alles nichts. stens, wäre es wahrscheinlich gar nicht erlaubt (Beifall bei der SPD und der FDP) worden, hier zu sprechen, wenn Hasselmann Mini- sterpräsident geworden wäre. Dies sind Leistungen, die vollbracht werden, und (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) ich freue mich, daß sie vollbracht werden. Ich sage jetzt natürlich auch: nicht fordern ist Faulheit. Na- Das muß man wissen. Für mich gilt folgendes. türlich, hier geht es ja um das gute Recht der Op- Meine Freunde und die Freunde von der FDP regie- position und auch mein Recht. Wenn ich darüber ren in Hannover. nachdenke und einmal nachlese, was alles von (Lagershausen [CDU/CSU}: Das sagen Sie Hannover kommt, wenn Kollege Carstens mit dik- im Angesicht von ?) ken Schlagzeilen vermeldet, was alles noch ge- Ich muß hier eindeutig feststellen, daß sie gerade kommen ist, hier dann aber sagt, es passiere nichts, auf den Gebieten, die Sie zitiert haben — sei es kann ich nur zum Ausdruck bringen: Das halte ich Schule, sei es Kultur oder sei es Wirtschaft —, doch nicht für einen sauberen Stil! wesentlich mehr geleistet haben, als sie normaler- (Beifall bei der SPD und der FDP — Car weise im Gesamtbereich eigentlich leisten konn- stens [Emstek] [CDU/CSU] : Der macht hier ten . jetzt Parteipolitik! Ich würde die Oldenbur - (Zuruf des Abg. Lagershausen [CDU/CSU]) ger lieber nicht verraten! — Lagershausen — Kollege Lagershausen, wenn Sie sich mit diesen [CDU/CSU] : Wann kommen Sie zum The Zwischenrufen zu Hause tummeln wollen, dann ma ?) machen Sie das. Hier sind wir im Moment im — Kollege Carstens, wir sind ja gleich so weit. Plenum des Bundestages und nicht in der Kneipe. Verehrter Kollege Lagershausen, hier geht es (Beifall bei der SPD — Lagershausen [CDU/ darum, Dinge zurückzuweisen — dazu fühle ich CSU] : Sie werden mich ertragen müssen!) mich politisch verpflichtet —, die gegen die Landes- Ich möchte dazu nur folgendes feststellen. Deshalb regierung in Niedersachsen, sprich: SPD/FDP, ge- habe ich mich hier auch zu Wort gemeldet; ich richtet sind. Ich fühle mich berufen, dies hier zu tun. habe es eben schon angedeutet. Wenn gesagt wird, (Beifall bei der SPD und der FDP) daß das Land Niedersachsen den Landesteil Olden- burg vernachlässigt hat — zuhören, Kollege Car- So einfach kann man sich das mit mir nicht machen! stens; nicht nur draußen etwas erzählen, sondern Wir wollen ja aber noch ein bißchen weiterkom- auch hier zuhören! —, muß man dem entgegenhal- men. Ich wollte auch nur das eine zurückweisen. ten, daß eine Menge im Bereich der Wirtschafts - Verehrter Kollege Lagershausen, Sie werden Ihre förderung speziell in diesen Bereich des Landes Stimmen schon kriegen, so oder so; darum geht es Oldenburg geflossen ist. also gar nicht. Hören Sie noch einen Moment zu, (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Man hat denn es wird jetzt ganz interessant. Ich greife nur aber Gebiete herausgenommen!) zwei Dinge heraus. Zum einen weise ich das zu- — Entschuldigung! Wir sind doch alle Niedersach- rück, was der Kollege Carstens in die Welt setzt. sen, nehme ich an. Ich glaube auch nicht — das muß Zum anderen komme ich auf das zu sprechen, was ich hier einmal deutlich sagen —, daß wir, weil wir ich einmal „Motivation" nennen möchte, damit die Chance zur Volksabstimmung hatten, nun so die Leute — auch Ihre eigenen Kollegen — einmal unfair sein sollten, zu meinen: Jetzt nehmen wir al- erfahren, wie es eigentlich gelaufen ist. Das ist les für uns und denken nicht an die anderen — ja auch wichtig. Braunschweig, Schaumburg-Lippe oder wie immer (Lagershausen [CDU/CSU] : Diese Rolle sie heißen. Man muß die Dinge doch insgesamt ein spielt Detlef Kleinert aber trotzdem bes bißchen konsequent sehen. Als Christ muß man die ser!) Dinge solidar sehen. Das meine ich. — Ich will Ihnen einmal folgendes sagen. Ich (Beifall bei der SPD) zweifle ja die aufgebrachten Stimmen in ihrer Mehr- 14348 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Lemp heft nicht an, die dazu beigetragen haben, daß wir Und jetzt noch etwas, was ich dazu beitragen uns heute hier über dieses Thema unterhalten. Es möchte. Dazu gestatte ich mir, den Herrn Präsidenten ist das gute Recht und auch die Pflicht dieses Hohen zu bitten, mich das auf Plattdeutsch sagen zu las-

Hauses, jetzt eine Entscheidung zu treffen. Aber sen. *) man muß ja auch einmal etwas zur Motivation sa- (Heiterkeit und Beifall — Zuruf von der gen dürfen. CDU/CSU: Was machen die, die fremd (Beifall bei der SPD — Allgemeine Heiter sprachlich ungebildet sind? — Weitere Zu keit) rufe von der CDU/CSU) Ich habe mir extra ein bißchen was mitgebracht. — Ja, Nahkämpfer. Ich stelle mich schon auf den Kollege Lagershausen: Motivation! Wahlkampf ein, das ist ganz klar. (Allgemeine Heiterkeit) Herr Lagershausen, ich muß schon sagen, wenn „Zum Volksentscheid" — hören Sie bitte zu, es ist Sie hier auf Plattdeutsch einen Zuruf machen wür- mir sehr ernst, ich muß es sagen. den, wäre ich Ihnen durchaus wohlgesonnen, das muß ich schon sagen. Schließlich bin ich ja aus Süd- (Heiterkeit) oldenburg und Sie nicht. natürlich dann, wenn ich erstens Spaßig wird es (Heiterkeit) sehe, was da ist, und zweitens, was hier steht (Erneute Heiterkeit) Da sind dann die Leute so in Südoldenburg — Herr Carstens, hören Sie zu — durch hören Sie zu, Zeitung. Kollege Lagershausen, hören Sie — in der das Land gezogen und haben versucht, das den mein andächtig zu; Sie sind doch mehr betroffen als Leuten zu erklären. Sie haben gesagt: Wenn ihr Kollege Carstens. alle für das Land Oldenburg stimmt, dann geht das klar, das wird dann Hier schreibt jemand, das ist der Herr Kollege auch mit dem Land Oldenburg der Verwal- Heinz zu Jührden. Er ist Landrat von der CDU — be- herausgenommen, und wir haben mit tun. Sehen Sie, dauerlicherweise, aber was soll's. tungs- und Gebietsreform nichts zu das ist ja nicht falsch, und ich habe auch nichts da- (Heiterkeit) gegen. Ich bin ja in Südoldenburg auch noch Kom- Ich möchte vorausschicken, daß wohl kaum je- munalpolitiker. mand von uns der Meinung ist, daß das alte (Zurufe von der CDU/CSU) Land Oldenburg zu einem neuen Bundesland — Nun seien Sie doch mal einen Augenblick still! **) werden soll. Nutzen Sie diese Chance und stim- men Sie für Oldenburg. - (Heiterkeit und Beifall) Steht das hier oder nicht? Ich will das einmal dem zuständigen Herrn sagen, damit Sie beruhigt sein können: Mir gefällt als — Carstens [Emstek] [CDU/ (Heiterkeit Kommunalpolitiker auch nicht alles, was da so läuft. Das wissen wir doch nicht! - Lagers CSU] : Das muß ich ehrlich sagen. hausen [CDU/CSU] : Ich weiß doch nicht, was Sie drucken lassen!) (Zuruf von der CDU/CSU) — Mit einer guten Brille. Nun ist Politik aber ein schwieriges Werk, und man kann die Dinge nicht jedem so recht machen, wie von der CDU/CSU) (Erneute Zurufe man vielleicht möchte. Das habe ich eingesehen, Sie — Ich spreche hier von Motivation, von nichts an- noch nicht. derem. Ich bin kein Verfassungsrechtler. (Heiterkeit — Carstens [Emstek] [CDU/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD) CSU}: Eine für Oldenburg peinliche Situa „Aufruf zum Volksentscheid." — Entschuldigung, tion! — Wehner [SPD] : Und Sie sind von tierischem Ernst! — Weitere Zurufe) Herr Präsident: Sie gestatten, daß ich zitiere? (Anhaltende Heiterkeit) — Ja, das kann ich mir vorstellen, aber ich muß damit zurechtkommen, das nützt nun einmal nichts. „Aufruf zum Volksentscheid." Herr Lagershausen, Ich muß damit zurechtkommen, und der Kollege hören Sie bitte zu, Sie haben das sonst nachher Carstens muß ebenfalls damit zurechtkommen. wieder vergessen: „Stimmen Sie am 19. Januar 1975 Wenn man die Sache nun so sieht, Kollege Car- auf dem Stimmzettel für Oldenburg." Unter 2, das stens, wenn alles so gekommen wäre, wie ich es erste wissen wir alle. „Sie erreichen die Erhaltung haben wollte, wie es aber nicht gekommen ist, des Landkreises Ammerland, da bei positivem Ent- so muß ich sagen: Das tut mir leid, aber die Politik scheid für den Raum Oldenburg keine Kreisneu- wird ja für diese Sache nicht im Bundestag ge- gliederung in der vorgesehenen Form durchgeführt macht, die wird im Landtag gemacht, und deshalb werden kann." habe ich das gerade zu unserem Minister gesagt. (Zuruf des Abg. Lagershausen [CDU/CSU]) (Zuruf von der CDU/CSU) — Motivation, Kollege Lagershausen, mehr will ich ja gar nicht. *)folgenden plattdeutschDie vorgetragenen ini Ausführungen werden auf Weisung des amtierenden Präsidenten auf hochdeutsch wieder Beifall bei der SPD und der -gegeben. (Heiterkeit — **) Plattdeutsche Originalfassung: „Nu halt'n Se doch mal'n Moment FDP) dat Mul!" Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14349 Lemp Mir paßt auch vieles nicht, aber das ist eben so. Vizepräsident von Hassel: Verehrter Herr Kollege Was soll's? Lemp, die Amtssprache im Deutschen Bundestag ist Nun noch eins, das ich hier noch festhalten das Hochdeutsche. Ich bin gezwungen, Ihre Rede möchte. Ich hoffe, Kollege Carstens, Sie können für das Wortprotokoll vom Tonband in das Hoch- Plattdeutsch. Ich glaube nicht, daß die Leute aus deutsche übertragen zu lassen. Südoldenburg oder überhaupt aus Oldenburg mit Ich gerate lediglich an einem Punkt in Schwie- Gewalt einen neuen Ministerpräsidenten haben rigkeiten. „Holt dat Mul!" ist auf plattdeutsch wollen. Ich meine, wenn ich dadurch Bundesrats- sicher keines Ordnungsrufes würdig. Auf hoch- mehrheiten schaffen kann, möchte ich schon einen deutsch würde ich einen erteilt haben. haben. (Heiterkeit und Beifall auf allen Seiten) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) In diesem Zusammenhang müssen wir das Wort- protokoll dann gemeinsam etwas verfeinern. Das gibt es aber nicht, und ich glaube auch nicht, Kollege Carstens, daß es da wieder einen Groß- (Erneute Heiterkeit und Beifall) herzog mit Kammerzofe und allem Drum und Dran Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat geben soll. Das wollen die Leute nicht, das muß Herr Abgeordneter Ey. man wissen. Das muß man wissen. Und wenn der Landtag — das muß ich jetzt auch noch sagen, wenn Ey (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr geehr- Sie hier jetzt so unglücklich gucken — fragt, warum ten Damen! Meine Herren! Kollege Lemp, es war das hier nicht anders geht, dann muß ich sagen: Wenn zwar sehr amüsant, Ihnen zuzuhören, und ich ge- die Leute in Südoldenburg damals ein paar Sozial- statte Ihnen, daß Sie den Ihnen eigenen Stil hier im demokraten mehr in den Landtag geschickt hätten, Deutschen Bundestag auch zeigen. Nur muß ich Ihnen dann wäre das ein bißchen besser gegangen. Bloß offen gestehen: Wenn wir von den politischen Par- habt ihr alle das verhindert. Die Leute müssen teien aus unsere Bürger zum besseren Demokratie- sich nun einmal Gedanken darüber machen. Wenn verständnis und zur besseren Entwicklung zur De- wir eine große Mehrheit haben, dann kann doch mokratie hin ermuntern, sie in Wählerinitiativen gerade in dieser Beziehung noch ein bißchen mehr und zu Bürgerinitiativen aufrufen, um diese Demo- gemacht werden. Das wollte ich dazu nur sagen. kratie zu verbessern, und wenn dann auf der an- Nun wieder auf hochdeutsch, Herr Präsident! deren Seite die Bürger ein Bild über die Motivatio- Kollege Carstens, ich würde sagen: Aufmerksam- nen von Anträgen vorgeführt bekommen, das Zwei- keit für ihren Gegenkandidaten! Ich bin schon einer. fel über die Ernsthaftigkeit der Behandlungsweise durch das Parlament aufkommen läßt, Ich sage ein abschließendes Wort, Kollege- Car- stens, zu dem Entschließungsantrag der CDU/CSU (Beifall bei der CDU/CSU) Herr Kollege Carstens, nachher-Fraktion. sagen dann, meine Damen und Herren, dürfen wir uns Sie, Sie hätten die Hälfte nicht mitgekriegt. Das nicht wundern, daß damit das Ansehen im Grunde reizt mich jetzt langsam. Die Fraktion der CDU/ des Hauptverantwortlichen, nämlich dieses Parla- CSU hat doch schon damals im Innenausschuß eine ments, schließlich mit zu sinken beginnt. Kollege Entschließung vorgelegt. Auch heute hat sie es wie- Lemp, auch Ihr Spaß, Ihre Fröhlichkeit in allen Eh- der gemacht. Die Entschließung liegt ja wohl auch ren. schon in dem Bericht fest. Dazu würde ich sagen, (Lemp [SPD] : Humor gehört dazu!) daß der Deutsche Bundestag, dem wir hier ange Insbesondere habe ich — das wissen Sie — Hoch- kein Organ ist, welches Länderparlamente-hören, achtung vor jedem, der Tradition zu pflegen bereit zu disziplinieren hat. Dies sieht die Verfassung ist. Darüber besteht auch kein Zweifel. auch nicht vor. Das Anliegen der CDU/CSU-Frak- tion — — Herr Kollege Carstens, bitte nicht so (Wehner [SPD] : Es kommt auf die Motiva traurig! Wir kennen uns doch sonst auch. Gucken tion an!) Sie doch einmal nach hinten, wie traurig es bei Aber ob das der richtige Stil war, bei einer Sache, bei Ihnen aussieht! der es auch um Werte von Menschen geht, die eben (Beifall bei der SPD) Tradition und geschichtliche, gewachsene Bindung Aber nicht über mich traurig sein! Das Anliegen — für echte Werte halten, überlasse ich der Beurteilung der Antrag Ihrer Fraktion — gehört mit und das ist der Offentlichkeit. den vielen Wünschen, die ich sogar begleite, leider (Beifall bei der CDU/CSU — Carstens [Em nicht hierher, sondern in den niedersächsischen stek] [CDU/CSU] : Besten Dank für Olden Landtag. Das Ansinnen dort vorzubringen, halte ich burg!) für sinnvoll. Damit möchte ich hier schließen. Wir stimmen dieser Gesetzesvorlage nicht zu, Bloß lassen Sie mich noch eines — entschuldigen weil sie verfassungspolitisch unhaltbar ist Sie, Herr Präsident — zu meinem Kollegen auf plattdeutsch sagen: Wenn einer zu mir kommt und (Lemp [SPD] : Im Wahlkampf nicht verwert sagt: ich mache es allen Menschen recht, dann sage bar ist, wollten Sie sagen!) ich: lieber Freund, mit Gunst, nun lehr mich mal die und möglicherweise auch nicht verfassungsbeständig große Kunst! ist. Im Hearing des Innenausschusses haben wir ge- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der hört, daß gewichtige Stimmen aller der im Deutschen FDP) Bundestag vertretenen Parteien hinter dem Olden- 14350 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Ey burger Volksentscheid stehen. Es sind ernst zu neh- deutlich, sondern das vermittelt auch unüberhörbar mende Argumente vorgetragen worden, die durch- das sehr zurückhaltend und nur dosiert geäußerte aus als fortschrittlich im Sinne der Fortentwicklung Vertrauen der verschiedensten Bevölkerungsgrup- eines ausgewogenen Föderalismus angesehen wer- pen in Oldenburg gegenüber dem Bundeslande Nie den können. Ich sage das als niedersächsischer Ab- dersachsen. geordneter, der außerhalb des Landes Oldenburg, Hannover spricht bei der Frage der landsmann- allerdings in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihm schaftlichen Verbundenheit immer von kulturellen wohnt. Fragen und von der Tradition. Den Oldenburgern (Lemp [SPD] : Zählt nicht!) geht es um ihre Zukunft, die sie im Bereich der Den Vertretern Oldenburgs, die im Innenausschuß Landesentwicklung und der verantwortlichen Mit- zu Wort gekommen sind, ging es offenbar, ebenso sprachemöglichkeit gesichert wissen möchten. Nach wie mir, auch darum, das zu vermeiden, was die unserem Demokratieverständnis ist dies das ver- Bundesregierung mit diesem Entwurf unternimmt, briefte Recht der Bürger, dem wir Rechnung tragen nämlich: Ein konstruktiver Gedanke der Neugliede- müssen. Daß dies über den Weg eines neuen nord- rung wird wie im Handstreich vom Tisch gefegt. Si- deutschen Bundeslandes angestrebt wird, muß uns cherlich hat die Bundesregierung damit der Form zu denken geben im Hinblick auf den zu erfüllenden Genüge getan. Sie hat die Verfassung beachtet, den Verfassungsauftrag, der eine gute Ausstrahlungs- mündigen Bürger hat sie aber mißachtet; wirkung auf die betroffenen Bürger haben muß. (Beifall bei der CDU/CSU) Art. 29 des Bonner Grundgesetzes wurde erst im Jahre 1969 geändert; das sagte ich schon. Die Ab- denn es geht hier auch und vor allem um die Reak- geordneten sind im Hearing gefragt worden, ob von tion des Verfassungsorgans Bundesregierung auf vornherein beabsichtigt gewesen sei, den Volksent- einen Volksentscheid, den wir von seiner verfas- scheid nur dann zu befolgen, wenn er die vorhan- sungsrechtlichen Bedeutung her einer Parlaments- dene Länderstruktur erhalte. Diese Frage, meine wahl gleichachten müssen. Damen und Herren, ist unzulässig. Gewiß bevorzugt Schließlich haben wir als Parlament noch im Jahre das Grundgesetz die parlamentarische Demokratie. 1969 durch die Neufassung des Art. 29 des Grund- Hier handelt es sich aber um einen als gleichwertig gesetzes und durch das Ausführungsgesetz im Jahr anerkannten Volksentscheid, wahrscheinlich wohl, 1974 die Bevölkerung des Landes Oldenburg gefragt, um den letzten Fall eines Volksentscheides gemäß und wir haben darauf eine Antwort bekommen. dem Grundgesetz. Wir können hierüber nicht ein- Diese Antwort müssen wir nicht nur beachten, son- fach hinweggehen, zumal wir alle, vor allem auch dern wir müssen sie auch achten wollen. Das ist das der Bundesinnenminister, immer wieder neue Vor Gebot; denn auch das liegt im Verfassungsauftrag- schläge für Bürgerinitiativen und Bürgerbeteiligung des Art. 29 des Grundgesetzes, daß nämlich der ein- machen. zelne Mensch ermutigt werden soll, seine Möglich- Der Volksentscheid steht fest. Nach Art. 29 ist nur keiten selbst zu suchen, zu entscheiden und sie ein- eine Abweichung im Interesse der Neugliederung zubringen in das Ganze des Gemeinwesens, indem zulässig. Das bringt die Bundesregierung in ihrer er seinen demokratischen Willen der Selbstbehaup- eigenen Begründung zum Ausdruck. Hier sind wir tung durch Veränderung erklärt. als Parlament angesprochen. Wir wissen doch alle, daß nicht stimmt, was uns die Bundesregierung in Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat der Gesetzesvorlage glauben machen will. Die Ge- das Land Niedersachsen dreimal um eine Stellung- setzesbegründung sagt, es sollte mit der Erhaltung nahme dazu aufgefordert: welche Vorstellungen des Landes Niedersachsen nur die Voraussetzung Niedersachsen hat, wie Oldenburg innerhalb Nieder- für die umfassende Neugliederung geschaffen wer- sachsens seine landsmannschaftliche Verbundenheit den. Wir wissen alle: in Wahrheit sollen hier nur und seinen Selbständigkeitswillen verwirklichen die letzten alten Verfahren erledigt werden, und könne. Die beiden ersten Antworten aus Hannover das letzte Hindernis für die Anderung des Art. 29 waren bekanntlich so unzulänglich und mager, daß soll beiseite geschafft werden. Wir wissen alle, daß der Innenausschuß, sogar einvernehmlich mit den es sich hier nicht um ein Gesetz im Interesse dei Stimmen der Koalition, Ergänzungen verlangen Neugliederung handelt. mußte. Die letzte und dritte Stellungnahme aus Han- nover war geradezu zynisch und selbstgefällig Aber selbst wenn man die Neugliederung gar nicht will, ist die Gesetzesvorlage problematisch. (Beifall bei der CDU/CSU) Man hat nun mal das Volk gefragt, und es hat sich mit der lapidaren Behauptung, Niedersachsen werde entschieden. Gewiß geht es eher wohl um die in nach wie vor gleichmäßig für alle Landesteile sor- Art. 29 genannten Ziele: die wirtschaftliche Zweck- gen. mäßigkeit und die Leistungsfähigkeit des Landes. Die Verfolgung dieser Ziele muß aber doch schon Diese Behauptung geht am Kern des Votums völ- sehr gewichtig sein, wenn man von einem solchen lig vorbei. Das Oldenburger Votum ist der demo- Entscheid abweichen will. kratische Wille nach Verbesserung durch Verände- rung. Das ist legitim. Zugleich sehe ich darin einen Das Hearing hat ergeben, daß sich die Vertreter deutlichen Hinweis auf das gestörte Verhältnis zwi- Oldenburgs sehr wohl Gedanken über die finanziel- schen der Landesregierung in Hannover und Olden- len und verwaltungsmäßigen Konsequenzen der burg. Das wird nicht nur durch den halbherzigen Neugliederung bzw. der Wiederherstellung des Lan- Zuspruch der Niedersächsischen Landesregierung des gemacht haben. Man hat sehr wohl über die Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14351 Ey Konsequenzen im Länderfinanzausgleich nachge- gegenüber gegeben hat. Gegenstand des Volksent- dacht, ebenso auch über die jetzt schon genutzten scheides war im Landkreis Schaumburg-Lippe — Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Bund — die Frage, ob darauf beschränke ich mich hier und Ländern und zwischen den Ländern. Was aber, dieses Gebiet wieder selbständiges Bundesland wer- meine Damen und Herren, soll man sagen und ant- den oder beim Lande Niedersachsen verbleiben worten, wenn einem Oldenburger entgegengehalten sollte. Das Wahlergebnis ist bekannt: Bei etwa wird, daß das Saarland und das Land Bremen be- 50%iger Wahlbeteiligung stimmten mehr als 39 % stehenbleiben sollen, daß man deshalb sogar den der Bürger für die Wiederherstellung eines selb- Art. 29 ändern will, daß aber andererseits das ständigen Bundeslandes Schaumburg-Lippe; ein in Grundgesetz dazu zwinge, in Niedersachsen alles der Tat überraschendes Ergebnis. Aber, Herr Kol- beim alten zu lassen? lege Gerster, wenn Sie vorhin anmerkten, daß dies die Mehrheit der Bürger gewesen sei, so lassen Sie Schließlich handelt es sich hier um ein Verfas- mich sagen, daß dies 39 % und damit nicht die sungsgesetz. Wir müssen alle insgesamt viel ernster Mehrheit der Bürger waren, sondern hier lediglich diese Frage auffassen, und wir müssen als Parla ein Quorum erfüllt wurde. auch ernster genommen werden wollen. -ment (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Was heißt (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Sehr hier „lediglich"?) wahr!) — „Lediglich" bedeutet 39 0 /o und nicht mehr als Es handelt sich hier ja auch um ein verfassungs - 50 0/o, Herr Kollege Carstens. rechtliches Problem, und insofern sind wir als Par- lament nochmals betroffen. Es ist durchaus möglich, (Carstens [Emstek] : [CDU/CSU] : Es steht daß eine Verfassungsklage als Verfassungsbe- doch im Grundgesetz, daß das genügt! — schwerde in Karlsruhe zugelassen wird. Es ist nicht Lemp [SPD] : 50 % ist die Mehrheit, nicht sicher, ob sie Erfolg hat. Die Klage kann als unbe- 39 % !) gründet abgelehnt werden, aber möglicherweise be- — Dies ist die schlichte Richtigstellung der Behaup- kämen wir als Parlament bei Ablehnung der Frage tung, erneut eine Lektion des Bundesverfassungsgerichts (Lagershausen [CDU/CSU] : Allzu schlicht!) in Sachen des Art. 29, diesmal nicht nur in Sachen Neugliederung, sondern möglicherweise auch in Sa- daß sich hier die Mehrheit der Bürger für dieses c hen Demokratieverständnis. Votum ausgesprochen hätte. (Wehner [SPD] : Motivation!) (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : Die Mehrheit der Bürger, die abgestimmt haben, — wenn Wir müssen, meine sehr verehrten Damen und es besser gefällt!) Herren, diesem Entwurf unsere Zustimmung versa- gen. Entweder muß das Land Oldenburg wiederher- Diese Behauptung ist richtig. gestellt werden, oder das gesamte Bundesgebiet muß Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf, meine Damen neu gegliedert werden, und zwar unter der nötigen und Herren, ist die Bundesregierung von diesem Be- Beachtung des Verfassungsauftrages und vor allem gehren abgewichen, weil das erforderlich ist, um unter der gebotenen Achtung und Berücksichtigung die Ziele der Neugliederung des Bundesgebietes des Volkswillens. In diesem Hohen Hause muß auch zu erreichen. Die Begründungen dafür wurden hier für jeden Mitbürger in unserer Bundesrepublik dies gegeben. Auch in der ersten Lesung, in den Beratun- in aller Deutlichkeit ausgesprochen werden: durch gen im Bundesrat, im Rechtsausschuß und im Innen- den vorliegenden Regierungsentwurf ist das klare ausschuß haben wir dies alles erörtert. Nach mehr- Votum des Bürgers mißachtet. Der legitimierte Wille maligen Beratungen hat der Innenausschuß, wie be- der Oldenburger Bevölkerung ist kaltgestellt. Die reits vorhin mehrfach erwähnt, eine öffentliche An- Bundesregierung gibt damit ein Beispiel der Macht hörung durchgeführt. Von dem Sprecher der schaum- mit Anmaßung. Sie hat das Votum des mündigen burg-lippischen Wählerinitiative wie von den Kreis Bürgers mit einer Ohrfeige für den Bürger beant- SPD, CDU und FDP wurde über--vorsitzenden der wortet. einstimmend vorgetragen, daß niemand ernstlich (Beifall bei der CDU/CSU) erwogen habe oder erreichen wollte, ein selbständi- Wir bitten darum, meine Damen und Herren, dem ges Bundesland Schaumburg-Lippe wiederherzustel- Entschließungsantrag der CDU/CSU Ihre Zustim- len. Diese Auffassung, meine Damen und Herren, mung zu geben. deckt sich also mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, nach dem dieser Land- (Beifall bei der CDU/CSU) kreis beim Lande Niedersachsen verbleiben soll.

Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr Ich habe bei öffentlichen Diskussionen im schaum- Abgeordnete Schirmer. burg-lippischen Raum auch noch niemanden gefun- den, der ernsthaft die Wiederherstellung eines selb- ständigen Bundeslandes Schaumburg-Lippe gefordert Schirmer (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ge- hat. Das wäre ja auch für ein Gebiet mit 137 Qua- ehrten Damen und Herren! Gern und überzeugt be- dratkilometern und knapp 87 000 Einwohnern, also kenne ich mich als ein Schaumburg-Lipper Bürger, einer Bevölkerungszahl, die knapp einer Mittel- auch wenn es wegen des hier vorliegenden Gesetz- stadt entspricht, nicht ernst zu nehmen gewesen. entwurfes schon viele frotzelnde Bemerkungen mir Auch der Staatsrechtler Professor Evers hat in sei- 14352 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Schirmer nem heute bereits hier zitierten Gutachten ausge- darf doch wohl nicht nur eine Reflexion auf die führt, daß Schaumburg-Lippe nach Fläche und Ein- Ablehnung der Resolution sein. wohnerzahl natürlich zu klein sei, um die Aufgaben (Lagershausen [CDU/CSU] : Eine Reflexion eines Bundeslandes wirksam erfüllen zu können. auf die Mißachtung des Bürgerwillens!) Eine solche Einrichtung würde das föderative Ge- samtgefüge empfindlich verschlechtern. Professor Bei den Befragungen im Wahlkreis während der Evers bestätigt damit doch die Auffassung der Bun- vergangenen Tage in öffentlichen Diskussionen desregierung, daß hier ein Abweichen vom Ergebnis habe ich mich stets zugunsten der Kollegen der des Volksentscheides erforderlich sei. CDU/CSU-Fraktion geweigert, daraus den Umkehr zu ziehen, daß sie damit für die Wiederher--schluß Nachdem also offenbar Einmütigkeit über diese stellung eines selbständigen Bundeslandes Schaum Auffassung besteht, bleibt die Frage, weshalb dann votieren. -burg-Lippe 39 % der Wähler ihr Ja für ein selbständiges Bun- desland gegeben haben. Meine Damen und Herren, Meine Damen und Herren, ich werde es Ihnen niemand ist von diesen Wählern legitimiert worden, ersparen, hier am falschen Platze viele Fragen des ihre Beweggründe zu erklären. Ich bin es auch nicht. Landesrechts vorzutragen. Sie gehören in das zu- Aus vielen Gesprächen ist aber dennoch erkennbar ständige Parlament, den Niedersächsischen Landtag geworden, worum es den meisten ging. Sie wollten zu Hannover. Das gilt für das Landesvermögen offenbar ihre landsmannschaftliche Verbundenheit ebenso wie für den Vorschlag, einen Landschafts- und die Eigenständigkeit dieses über viele Jahrhun- verband zu bilden, den der CDU-Landesvorsitzende derte selbständigen Raumes verdeutlichen und Hasselmann am 27. November in Stadthagen als gleichzeitig ihre Befürchtung zum Ausdruck brin- seine Initiative im Niedersächsischen Landtag ange- gen, zwischen den Ballungsgebieten des Großraumes kündigt hat. Das ist sein gutes Recht. Meine politi- Hannover und dem nordrhein-westfälischen Förder- schen Freunde und ich stellen zum Sachverhalt fest: gebiet Ostwestfalen-Lippe benachteiligt zu werden. Erstens. Geschlossene Verträge müssen gehalten Viele Bürger befürchteten auch, daß weitere Ge- werden. Das gilt auch für die zwischen dem Land bietsteile ausgegliedert würden und so eine Zer- Niedersachsen und dem Landkreis Schaumburg splitterung dieses landsmannschaftlich geschlosse- Lippe geschlossene Vereinbarung über das Doma nen Raumes drohe. Außerdem wollten sie dazu auf — es sei denn, es wird einvernehmlich-nialvermögen seit 1648 getrennten Gebiete des Land--fordern, die eine andere Regelung getroffen — und für das dazu kreises Schaumburg-Lippe und der benachbarten ergangene rechtsgültige Urteil des Niedersäch- Grafschaft Schaumburg zu einem Landkreis zusam- sischen Staatsgerichtshofes, das wir respektieren. menzuschließen. - Zweitens. Das Domanialvermögen wurde von der Erst später wurden in der Öffentlichkeit von inter- sozialliberalen niedersächsischen Landesregierung essierter Seite Erwartungen geweckt, als könnten nicht aus rechtlichen Erwägungen, sondern aus poli- für die Bürger Vorteile erreicht und das Domanial- tischer Einsicht und ohne juristische Verpflichtung vermögen besser als bisher genutzt werden. Das dazu zur Hälfte an den Landkreis Schaumburg wurde auch in den Beratungen des Innenausschus- Lippe zurückgegeben. ses deutlich. Dort wie heute hier — legte die Opposition den Entschließungsentwurf vor, aller- Drittens. Wir erwarten, daß der zuständige Land- dings mit der Änderung, daß heute nicht mehr zwin- tag in Hannover alsbald die Kreisreform mit einem gend gefordert wird, daß ein Landschaftsverband Landkreis Schaumburg verabschiedet und damit den oder eine andere adäquate Einrichtung dieses Ver- Wünschen der Bürger dieses Raumes entspricht. mögen verwaltet, sondern hier wird der Landkreis Viertens. Wir fordern die Bundesregierung auf weiter als verwaltende Dienststelle genannt. und erhoffen von der niedersächsischen Landesregie- rung, daß sie ihre fördernden Maßnahmen für dieses Durch diese Erörterungen soll doch wohl der Ein- Gebiet fortsetzen und intensivieren wird, wie dies druck erweckt werden, meine Damen und Herren, mit der Einbeziehung in die Gemeinschaftsaufgabe daß den Bürgern bisher zustehende Rechte oder zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- Vermögensteile vorenthalten worden seien. Das tur und in die Förder- und Konjunkturprogramme aber ist falsch. Wie heute schon der Kollege Profes- schon deutlich geworden ist. sor Dr. Schäfer hier ausführte, können und dürfen weder der Deutsche Bundestag noch die Bundes- Damit wäre den Bürgern in diesem Raume tat- regierung in das originäre Recht eines Bundeslandes sächlich geholfen, und darauf kommt es doch an. eingreifen. Wir werden auch einer solchen Auf- Nachträglich wird nun oft versucht, in diesen forderung nicht unsere Zustimmung geben, weil das Volksentscheid andere Interessen hineinzumanipu- mit den bundesstaatlichen Grundsätzen unserer Ver lieren, als die Fragestellung tatsächlich gelautet hat. unvereinbar wäre. -fassung Das muß zurückgewiesen werden. Besonders über (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Hier irren Sie!) den Volksentscheid in Schaumburg-Lippe haben überregionale Zeitungen scherzhaft und gelegentlich Unverständlich ist mir geblieben, welche Gründe satirisch mit Uberschriften berichtet wie die „FAZ" die Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion im Innen- mit „Durchlaucht haben gesiegt", wie die ,,Hanno- ausschuß bewogen haben mögen — und, wie zuvor versche Allgemeine Zeitung" und die Wochenzei- angekündigt, hier gleichermaßen bewegen wer- tung „Der Spiegel" mit Karikatur und Glosse: den —, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. Das „Schaumburg-Lippe — vielleicht als selbständiges Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14353

Schirmer Land in die Vereinten Nationen?" Nein, meine darauf, daß trotz Volksentscheid alles beim alten Damen und Herren, solche — doch wohl nur im bleiben soll. Scherz aufzufassende — Gedanken bewegten die Zu erstens: Daß nun angesichts der Zuständig- Bürger soliden und gründlichen Schaumburg-Lipper keiten in Form und Sache der Bund auf das Land nicht. Ihre Beweggründe habe ich hier aufzuzeigen verweist und umgekehrt das Land auf den Bund, versucht. Wir bejahen die Vorlage der Bundesregie- ist einfach unerträglich, meine Damen und Herren. rung, weil nur so die Voraussetzungen dafür er- Wenn auch ein altes, humorvolles Wort sagt, daß reicht werden können, daß beide Schaumburger die Stärke des preußischen Beamten im Nachweis Kreise zusammengeführt und zum Wohle ihrer seiner Unzuständigkeit liegt, so mag ich dieses Bürger landsmannschaftlich, wirtschaftlich, struk- Wort allerdings nicht auf die SPD/FDP-Regierungen turell und kulturell gestärkt werden können. in Bund und Land anwenden und es ihnen zugute Ich bitte, dem Gesetzentwurf zuzustimmen und halten, zumal sie sich von so vielen guten preußi- den Entschließungsantrag abzulehnen. schen Tugenden mittlerweile weit entfernt haben. (Beifall bei der SPD und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Zu zweitens: Ich habe darauf hingewiesen, daß Vizepräsident von Hassel: Das Wort hat der Herr dieser Gesetzentwurf alles beim alten läßt und den Abgeordnete von Alten-Nordheim. Betroffenen nur Steine statt Brot gibt. (Zuruf von der SPD: Ist ja lächerlich!) von Alten-Nordheim (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vor- Das ist ebenfalls unerträglich. Auch hier greife ich liegende Gesetzentwurf über die Regelung der Lan- ein wenig in die Historie zurück und möchte Fritz deszugehörigkeit des Verwaltungsbezirks Olden- Reuter mit seiner Urgeschichte von Mecklenburg burg und des Landkreises Schaumburg-Lippe nach zitieren, Art. 29 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes ist unbe- (Hört! Hört! bei der SPD) friedigend. Das hat auch der Herr Bundesinnen- um zu dokumentieren, als wie wenig fortschrittlich minister in seiner Rede vom 24. Oktober klar fest- sich die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf gestellt. erweist, obwohl sie das moderne Deutschland Dieser Gesetzentwurf muß alle, die sich mit den schaffen will. Es heißt in Fritz Reuters Mecklen- Volksentscheiden befaßt haben, mit Unbehagen er- burgischer Landesverfassung in § 1 — das kann füllen, weil er sich über den geäußerten Willen man nur im Originaltext sagen; ich bitte den Herrn der Bevölkerung hinwegsetzt und alles beim alten Präsidenten um Genehmigung, daß ich dies nun in beläßt, zumal es sich hier nach unserer Verfasssung Plattdeutsch sagen kann, weil ich ja zitiere —: um den einzigen Fall dieser Art handelt, der dem „Aliens bliwwt bin ollen". Dieser Paragraph wurde Volke Gelegenheit gibt, seinen Willen in einer be- später noch einmal novelliert und hieß dann als stimmten Sache unmittelbar zu äußern. Wenn bei neuer § 1: „Dat bliwwt all so, as dat west is!" manchen Mitgliedern dieses Hohen Hauses auch Genau diesen § 1 der Reuterschen Mecklenburgi- die Frage nach der Landeszugehörigkeit des Ver schen Verfassung übernimmt die sich so gern fort- und des Landkreises-waltungsbezirks Oldenburg schrittlich und sozialliberal gebende Bundesregie- Schaumburg-Lippe vielleicht nur ein leicht süffi- rung in diesem Fall. Kaum jemand hier im Parla- santes Lächeln in den Mundwinkeln zu erzeugen ment will ernsthaft — draußen bei den Bürgern vermag, so hat doch dieser Problemkreis, bei dem der betroffenen Gebiete ist es bei der überwältigen- es um die Landeszugehörigkeit im Grunde gar nicht den Mehrheit nicht anders; vielleicht in dieser Aus- geht, viel größere Bedeutung grundsätzlicher Art, schließlichkeit nicht für Oldenburg geltend — die als es unter dem Eindruck von lokalen Interessen Wiederherstellung von selbständigen Ländern, son- zunächst erscheinen mag. dern dieses Volksbegehren, dieser Volksentscheid, Unter I1. 9. heißt es im Bericht der Berichterstatter hat in Wahrheit ganz andere Motive und Beweg Gerster und Dr. Schäfer — in dieser Ziffer wird ganz anderen Bereichen liegen. Ge--gründe, die in u. a. aus einem Gutachten von Professor Dr. Evers rade deswegen hätte sowohl der Bundes- als auch zitiert — folgendermaßen — ich darf mit Genehmi- der Landesgesetzgeber echte Möglichkeiten gehabt, gung des Herrn Präsidenten zitieren —: dem Demokratieverständnis dieser Bürger zu ent- sprechen und nicht sie zu düpieren und ihr demo- Die Volksentscheide im Schaumburg-Lippe und kratisches Staatsbewußtsein zu frustrieren. Oldenburg richten sich in der Form an den Bundesgesetzgeber, in der Sache aber gegen Das kam schon in der ersten Lesung im Oktober das Land Niedersachsen. zutage; ich kann mich hier auf meine beiden Kol- Es heißt dann weiter: legen Klein und Carstens beziehen. SPD und FDP in Bund und Land machen es sich wahrhaftig zu Daß nahezu 30 Jahre nach Errichtung des Lan- einfach, wenn sie lediglich lapidar erklären: Es des Niedersachsen die Integration der Bevölke- würde den Zielen einer Neugliederung nach Art. 29 rung der Gebietsteile in das Land noch nicht Abs. 1 des Grundgesetzes widersprechen, wenn aus gelungen ist, wirft staatspolitische Fragen auf. den beiden Gebietsteilen Niedersachsens neue Bun- Ich habe bisher hier auf zwei Dinge hingewiesen: desländer gemacht würden. Und weiter: Das in Erstens auf die Zuständigkeit - einmal in der Form Art. 29 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes verankerte und zum anderen in der Sache — und zum zweiten Gebot, die landsmannschaftliche Verbundenheit so- 14354 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 von Alten-Nordheim wie die geschichtlichen und kulturellen Zusammen- heißt: daß nahezu 30 Jahre nach Errichtung des Lan- hänge zu berücksichtigen, sei ausreichend durch des Niedersachsen die Integration der Bevölkerung das Land wahrgenommen worden. Das heißt, es pas- der Gebietsteile in das Land noch nicht gelungen ist. siert eben nichts, und § 1 der Mecklenburgischen Der Rückschluß drängt sich einem unbefangenen Verfassung — „Allens bliwwt so, wie dat west Betrachter doch wohl geradezu auf: Wenn alles in is" — wird von den Koalitionsparteien für diesen der Vergangenheit so vorbildlich geschehen ist, wie Fall praktiziert. es die Landesregierung in ihrer Äußerung zu dem Gesetzentwurf dargestellt hat, hätte doch wohl der Dabei hätte der Bundesgesetzgeber eine durch- Volksentscheid anders ausfallen müssen. aus berechtigte Aufgabe, nämlich seinen Einfluß geltend zu machen, daß eben nicht alles so bleibt, (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Ja, wie es gewesen ist. Dazu bot dieser Gesetzentwurf das meine ich auch!) eine echte Möglichkeit. Wie notwendig das ist, Oder, anders ausgedrückt: Wenn fast 40 % der Be- macht die unglaublich lapidare und arrogant anmu- völkerung in Schaumburg-Lippe und 31 % der Be- tende Erklärung des Landes Niedersachsen in ledig- völkerung in Oldenburg ihr Mißfallen über die wirt- lich vier Sätzen deutlich. Satz 1: „Das Land Nieder- schaftliche Entwicklung, den Ausbau der öffent- sachsen wird in Zukunft wie in der Vergangenheit lichen Einrichtungen, die Pflege der heimatgebun- seine Landesteile gleichmäßig fördern." Satz 2: „Dies denen Institutionen und über die Gebiets- und Ver- verlangt nicht zuletzt Artikel 56 der Vorläufigen waltungsreform so unüberhörbar äußern — trotz Niedersächsischen Landesverfassung, der eine Inte- einer großen Kampagne der SPD, zumindest was gration aller ehemaligen Länder gebietet." Schaumburg-Lippe angeht, sich für Niedersachsen (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr zu entscheiden —, kann es wohl mit der Wahrneh- richtig!) mung der Interessen dieser Gebietsteile durch die niedersächsiche Landesregierung nicht sehr weit Satz 3: „Das Landesentwicklungsprogramm gibt her gewesen sein. über die Vorhaben zur Erfüllung dieser gegenüber dem gesamten Landesgebiet bestehenden Pflich- (Beifall bei der CDU/CSU) ten im einzelnen Auskunft." Deswegen, meine Damen und Herren, kann und (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr gut!) darf es hier nicht heißen wie in § 1 der Mecklen- burgischen Landesverfassung: „Allens bliwwt bin Satz 4: „Die nach Artikel 29 des Grundgesetzes ollen." durchgeführten Volksentscheide rechtfertigen nicht Nun lassen Sie mich speziell zu der vorliegen- eine Bevorzugung einzelner Landesteile." den Entschließung der CDU/CSU-Fraktion auf der (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sehr richtig! Drucksache 7/4431 noch einige Sätze sagen und dar- — Beifall bei der SPD) legen, was damit erreicht werden soll. Was heißt das im Klartext? Es wird in Zukunft Lassen Sie mich vorab feststellen, daß doch wohl eben nichts geschehen, weil die niedersächsische der Deutsche Bundestag an erster Stelle aufgerufen Landesregierung von ihrer vorbildlichen Betreuung ist, darüber zu wachen, daß in unserem Land demo- dieser Gebietsteile restlos überzeugt ist, was übri- kratische Verhältnisse erhalten bleiben. gens auch noch in einer recht selbstgefälligen und (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : So selbstgerechten Äußerung der niedersächsischen ist es!) Landesregierung zu finden ist, die im Gesetzentwurf Daher kann und darf auch der Deutsche Bundestag abgedruckt ist. sich seiner besonderen Verpflichtung, für die Demo- Allein diese Tatsache ist ein zumindest sehr un- kratie in Deutschland verantwortlich zu sein, nicht gewöhnliches Faktum in einem Bundesregierungs- entziehen. Aus diesem Grunde ist der Deutsche Gesetzentwurf und könnte durchaus den Rückschluß Bundestag aufgerufen, in seiner demokratischen zulassen, daß hier für den Bundesgesetzgeber als Verantwortung im Rahmen der Gegebenheiten Kompetenten im Formalen sich ein Ansatz ergibt, einige konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen, auf die seinen Einfluß auf den Kompetenten im Sachlichen Hunderttausende von Bürgern warten, die mit Recht geltend zu machen; denn hier geht es um das De- erwarten, daß ihrem demokratisch zum Ausdruck mokratiev e rständnis von Hunderttausenden von gebrachten Wählerwillen in irgendeiner Form Rech- Bürgern, die mit Recht erwarten, daß auf Grund nung getragen wird. ihres Volksentscheids irgend etwas erfolgt. Es sollte daher für den Verwaltungsbezirk Olden- Die CDU/CSU hat sich im Verlauf der Beratungen burg ein oldenburgischer Kommunalverband mit dafür eingesetzt, daß ein Hearing mit Vertretern aus Zuständigkeit für Regionalplanung gebildet werden, Oldenburg und Schaumburg-Lippe durchgeführt der bei Maßnahmen für heimatgebundene Entwick- wird. lungen im Sinne des Art. 56 der Niedersächsischen (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das habe ich Verfassung ein Anhörungsrecht erhält. Es sollte die doch vorgeschlagen!) schon bestehende Oldenburgische Landschaft wei- ter ausgebaut werden, um die Verwaltung kulturel- In dieser Anhörung sind wohl vollständig die Wün- ler Einrichtungen des ehemaligen Landes Oldenburg sche aus diesen Gebieten vorgetragen worden. Eines zu ermöglichen, was vor allen Dingen auch eine klang aber wiederholt und aus fast allen Äußerun- bessere finanzielle Ausstattung erfordert. Und im gen deutlich heraus, wie es in II. 9. des Berichts Rahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform sollte Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14355

von Alten-Nordheim der im Volksentscheid zum Ausdruck kommende Gesetzentwurf über die Regelung der Landeszuge- Wählerwillen berücksichtigt werden, damit nicht hörigkeit des Verwaltungsbezirks Oldenburg und landsmannschaftlich gewachsene Strukturen aus des Landkreises Schaumburg-Lippe ist in einem Zu- werden. -einandergerissen sammenhang mit der Gesamtproblematik einer Neu- gliederung des zu sehen und vor (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr Bundesgebietes dem Hintergrund des immer noch nicht erfüllten richtig!) Verfassungsauftrages aus Art. 29 des Grundgesetzes Für den Landkreis Schaumburg-Lippe sollte da- zu werten. Ihnen ist bekannt, daß die niedersäch- her nach dem Vorbild der Ostfriesischen Landschaft sische Landesregierung bestimmte Vorstellungen eine Schaumburg-Lippische Landschaft gebildet darüber hat, wie das Bundesgebiet neu gegliedert werden, der die Verwaltung des Domanialvermö- werden sollte. Niedersachsen bedauert, daß es zu gens des ehemaligen Freistaats Schaumburg-Lippe dieser umfassenden Neugliederung noch nicht ge- zu übertragen wäre. Dieses Vermögen wird heute zu kommen ist. Dabei war und ist das Land Nieder- einem Teil durch den Landkreis Schaumburg-Lippe, sachsen bereit, seine eigene staatliche Existenz in aber zum anderen Teil durch das Land Nieder- Frage zu stellen. sachsen verwaltet. Der Auftrag aus Art. 29 des Grundgesetzes mag Gerade was diesen Teil, der sich im Besitz des gegenwärtig nicht erfüllbar sein. Der Bund, d. h. Landes Niedersachsen befindet, angeht, gibt es sowohl die Bundesregierung als auch der Bundestag, rechtlich eine durchaus differenzierte Meinung, die aus dessen Mitte ja ebenfalls Anträge gestellt wer- im Gutachten des Staatsrechtlers Professor Dr. den können, die aber bisher nicht gekommen sind, Evers dargelegt ist. Hier könnte nach Ansicht des wenn ich es recht sehe, auch nicht von der Oppo- Professors für öffentliches Recht, unseres Kollegen sition in diesem Hause, kann sich diesem Verfas- Dr. Klein (Göttingen), durchaus eine Gesetzgebungs- sungsauftrag aber nicht entziehen. Die Kritik, die kompetenz des Bundes nach Art. 135 Abs. 4 bzw. hier daran geübt worden ist, daß bisher ein Gesetz- Abs. 5 des Grundgesetzes gegeben sein. Ferner entwurf nicht vorgelegt worden ist, trifft naturgemäß sollte auch für den Landkreis Schaumburg-Lippe im alle Bundesregierungen seit Inkrafttreten des Grund- Rahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform der im gesetzes, also seit 1949. Je länger dieser Zustand Volksentscheid zum Ausdruck gekommene Wähler- anhielt, desto deutlicher machte sich die normative willen Berücksichtigung finden, der für ein Zusam- Kraft des Faktischen hier bemerkbar. Je früher man menlegen der beiden Schaumburger Kreise zu einem an dieses Thema herangegangen wäre, desto leichter Großkreis Schaumburg eintritt. Dafür haben sich wäre es wahrscheinlich lösbar gewesen. auch alle Wirtschaftsverbände und die CDU beider Kreise ausgesprochen. Hier und heute, meine Damen und Herren, haben wir es jedenfalls nur mit einem Teilaspekt der gan- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusam- zen Neugliederungsproblematik zu tun. Zwischen menfassen. Erstens: Dieser Gesetzentwurf ist den Fraktionen dieses Hauses — diesen Eindruck schlecht, weil er allen Betroffenen Steine statt Brot habe ich — besteht Einigkeit darüber, daß eine Wie- gibt. derherstellung der früheren Länder Oldenburg und Zweitens: Der Bundestag kann sich angesichts Schaumburg-Lippe ein Schritt auf dem falschen seiner Verantwortung für die Demokratie in Wege wäre, einem Weg, der uns von den Zielvor- Deutschland hier nicht seiner Verpflichtung entzie- stellungen des Art. 29 wegführen würde. Dazu ist hen, Wege aufzuzeigen, wie dem Wählerwillen in alles Notwendige bereits gesagt worden. Auch die- anderer Weise Rechnung getragen werden kann. jenigen, die zur Bejahung der Abstimmungsfrage aufgerufen haben, haben an eine Wiederherstellung Drittens: Der Deutsche Bundestag hat darüber zu der früheren Länder nicht ernstlich gedacht. Der wachen, daß das Demokratieverständnis der be- Kollege von Alten-Nordheim hat soeben in seinen troffenen Bevölkerung nicht Schaden leidet, weil Worten noch einmal deutlich gemacht, welche unter die niedersächsische Landesregierung anscheinend er nannte das Stichwort Ver--schiedlichen Motive — nicht die Absicht hat, etwas zu tun. waltungs- und Gebietsreform in Niedersachsen — Viertens: Wenn es der Mehrheit in diesem Hause der Abstimmung Pate gestanden haben hier bei mit ihrem oft lautstark betonten Ruf nach mehr mögen. Aber es nicht Aufgabe der Landesregierung, Demokratie wirklich ernst ist, dann hat sie hier sich als Motivforscher zu betätigen. und heute Gelegenheit dazu, das unter Beweis zu stellen. Obwohl Einigkeit darüber besteht, daß die frühe- ren Länder Oldenburg und Schaumburg-Lippe nicht Ich empfehle dem Hohen Hause die Annahme der wiederhergestellt werden sollten, hat nun die CDU/ CDU/CSU-Entschließung. CSU-Fraktion diesem Hohen Hause einen Entschlie- (Beifall bei der CDU/CSU) ßungsantrag vorgelegt, nach dem der Deutsche Bun- destag vom Lande Niedersachsen erwartet, es werde bei der anstehenden Verwaltungs- und Gebietsre- Das Wort hat der Herr Vizepräsident von Hassel: form — dem niedersächsischen Landtag liegt ein Ge- Ministerpräsi- Innenminister und Stellvertreter des setzentwurf der Landesregierung vor — auf die denten des Landes Niedersachsen, Herr Groß. landsmannschaftliche Verbundenheit der Bevölke- rung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe Rücksicht Minister Groß (Niedersachsen) : Herr Präsident! nehmen, es werde eine neue Körperschaft bilden, der Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende die Regionalplanung übertragen werde — das geht 14356 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Minister Groß übrigens, Herr Kollege von Alten-Nordheim, weit Niedersachsen insgesamt in seiner heutigen Ge- über Art. 56 der niedersächsischen Landesverfassung stalt steht zur Disposition dieses Hauses. Solange hinaus —, es werde der oldenburgischen Landschaft das Land aber besteht, hat sich der Bund aller nicht mehr Befugnisse übertragen und sie finanziell bes- ausdrücklich vom Grundgesetz gedeckten Einwir- ser dotieren, und es werde schließlich das soge- kungen auf die Politik des Landes zu enthalten. Die nannte Domanialvermögen des früheren Landes Verfassungsorgane des Bundes haben nach der Ver Schaumburg-Lippe, das es vertraglich zur Hälfte dem unseres föderativen Staates die Staatsquali--fassung Landkreis Schaumburg-Lippe übertragen hat, voll tät und die Eigenständigkeit der Länder zu achten. einer solchen Körperschaft übertragen. Die Stimmabgabe in Oldenburg und Schaumburg Lippe hat rechtliche Bedeutung nur im Rahmen des Zu diesem Entschließungsantrag, meine Damen Art. 29 des Grundgesetzes, d. h. gegenüber dem Bun- und Herren, habe ich namens der Landesregierung desgesetzgeber. Ihre davon nicht zu trennende po- Niedersachsens zu erklären: Eine solche Aufforde- litische Bedeutung entfaltet sich ebenfalls in erster rung an das Land Niedersachsen wäre verfassungs- Linie gegenüber dem Bund; auch dies ist hier ja von widrig. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich die den Vertretern der Opposition deutlich gesagt wor- Initiatoren dieses Antrages der Konsequenzen im den: Hauptverantwortlicher ist der Bund. Darüber, Falle seiner Annahme voll bewußt gewesen sind. welche politische Bedeutung, welches Gewicht die Hier würde ein Präzedenzfall geschaffen, hier würde Abstimmung in Oldenburg und Schaumburg-Lippe ein Weg beschritten, der nicht nur zu ähnlichen An- für das Land Niedersachsen hat, steht den Ver trägen, etwa für Landesteile des Freistaates Bayern, Bundes kein Urteil zu. -fassungsorganen des des Landes Rheinland-Pfalz oder des Landes Baden -Württemberg führen könnte Meine Damen und Herren, wir haben im nieder- sächsischen Landtag eine ganze Reihe von Abgeord- (Gerster [Mainz] [CDU/CSU] : In Rheinland neten, die aus diesen Landesteilen kommen, wir ha- Pfalz haben sich die Bürger für das Land ben eine starke Opposition, und wir halten allein erklärt!) die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages — nun, Herr Kollege Gerster, Sie haben doch die und die Landesregierung für berufen, zu prüfen, „unerlösten" Teile von Rheinland-Pfalz jenseits des welche politischen Konsequenzen sich aus der Ab- Rheins angesprochen, und da sollten Sie vielleicht stimmung für das Land ergeben, und diese Konse- ruhig sein —, quenzen zu artikulieren. Das Land Niedersachsen (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das Votum hat nach Art. 56 seiner ja ausdrücklich als vorläufig für das Land war bei dem Volksentscheid bezeichneten Verfassung die kulturellen und hi- sehr stark!) storischen Belangen der ehemaligen Länder zu wah- ren und zu fördern. Es hat die überkommenen hei- sondern es könnte ein solcher Präzedenzfall- auch da- matgebundenen Einrichtungen weiter dem heimat- zu ermuntern, auch in anderen Fällen in den grund- lichen Interesse dienstbar zu machen und zu erhal- gesetzlich geschützten Bereich der Gliedstaaten der ten. Bundesrepublik Deutschland einzudringen. Im Innenausschuß des Deutschen Bundestages ist Ich frage mich, meine Damen und Herren, was im einzelnen dargelegt worden, wie das Land Nie- wohl der Herr Ministerpräsident des Landes Rhein- dersachsen diesen Verfassungsauftrag erfüllt hat. land-Pfalz sagen würde, wenn dieser Bundestag be- Ich brauche das im einzelnen hier nicht darzustel- schließen würde, len. Meine Damen und Herren, wenn übrigens im (Zustimmung des Abg. Dr. Schäfer [Tübin Innenausschuß des Deutschen Bundestages Bürger gen ] [SPD]) aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe zu Wort ge- kommen sind, so möchte ich dazu nur der Genauig- die Gliederung des Landes Rheinland-Pfalz in so- keit halber feststellen: Dies waren nicht die Ver- undso viele Kreise und soundso viele Regierungsbe- treter Oldenburgs, sondern es waren Vertreter von zirke solle soundso vorgenommen werden. Oldenburger Organisationen, die nach dem Volks- (Beifall bei der FDP und der SPD) entscheid gebildet worden sind. Ich glaube, Herr Kollege Gerster, daß der Herr Mini- (Lagershausen [CDU/CSU] : Wie bitte? Die sterpräsident des Landes Rheinland-Pfalz dann mit Landesregierung ist aber denkbar schlecht Sicherheit das Bundesverfassungsgericht bemühen informiert, Herr Minister!) würde, und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß — Herr Kollege Lagershausen, ich bitte Sie, sich der Herr Ministerpräsident des Freistaates Bayern einmal genau anzusehen, wann das Komitee „Volks- dies ohne weiteres hinnähme. Ich meine, die Proble- entscheid Oldenburg" gebildet und wann jene an- matik eines solchen Antrages sollte allgemein ge- dere Organisation gegründet worden ist. sehen werden, und darauf wollte ich hingewiesen haben. (Lagershausen [CDU/CSU] : Herr Lemp hat deren Aufrufe vor der Wahl hier verlesen!) Es ist nach Art. 29 des Grundgesetzes Sache des Deutschen Bundestages, das Ergebnis der Volksab- Das war eine andere Organisation. Die beiden stimmungen in Oldenburg und Schaumburg-Lippe Organisationen — ich wiederhole es —, die vor dem politisch zu würdigen und in ein Bundesgesetz um- Innenausschuß dieses Hauses gehört worden sind, zusetzen. Dabei kann der Bundestag allein von der sind unter diesen Bezeichnungen nach dem Volks- Kompetenz ausgehen, die das Grundgesetz ihm ein- ent s cheid gebildet worden. räumt. Diese Kompetenz geht sehr weit. Das Land (Lagershausen [CDU/CSU]: Nein!) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14357

Minister Groß — Herr Kollege Lagershausen, ich wäre dankbar, abzuschieben, und natürlich nicht nur auf die amtie- wenn Sie sich das einmal ganz genau ansähen. rende, sondern auf sämtliche früheren Bundesregie- (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Das gucken rungen. Dieser Versuch ist offenkundig zum Schei- wir uns an, Herr Minister! — Lagershausen tern verurteilt, denn niemand und nicht einmal Sie, der [CDU/CSU] : Das spricht nicht für die Lan Herr Minister Groß, haben geleugnet, daß desregierung!) Volksentscheid eben nicht Bundes-, sondern landes politisch motiviert gewesen ist. Ich gebe Ihnen völ- Meine Damen und Herren, ich will den Vortrag lig recht, wenn Sie sagen, niemand hat an die Wie der Landesregierung über die Leistungen für diese alten Länder Oldenburg und-derherstellung der Bereiche nicht weiter vertiefen. Sie sind unter an- Schaumburg-Lippe gedacht. Man hat aber eben in derem darüber unterrichtet worden, daß das Land diesem Volksentscheid eine sehr nachhaltige Unzu- Niedersachsen bereits im Jahre 1955 rund die Hälfte friedenheit mit der Politik der Landesregierung von des sogenannten schaumburg-lippischen Domanial Niedersachsen zum Ausdruck gebracht. unentgeltlich dem Landkreis Schaum -vermögens (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Das ist keine übertragen hat, obwohl dazu gar -burg-Lippe der Punkt!) rechtliche Verpflichtung bestand. Dies war das Ventil, das sich anbot. Meine Damen und Herren, ich will den Entschlie- ßungsantrag in seinen Motiven weiter nicht bewer- Ich teile auch Ihre Meinung nicht ganz, Herr Kol- ten. Die Forderungen, die in diesem Entschließungs- lege Groß, daß die Landesregierung nicht die Auf- antrag enthalten sind, machen aber bereits deutlich, gabe habe, sich zum Motivforscher zu machen. Ich daß die Zielrichtung nicht die ist, Art. 29 des Grund- meine, der Regierung des Landes Niedersachsen gesetzes — Neugliederung des Bundesgebietes stünde es nicht schlecht zu Gesicht, manchmal die sondern daß die Zielrichtung ist, lan-—auszufüllen, Motive der Bevölkerung zu erforschen und sich despolitische Ziele mit Hilfe des Deutschen Bundes- danach in ihrem Handeln auszurichten. tages durchzusetzen. Dies aber ist in unserer Ver- (Beifall bei der CDU/CSU) fassung, im Grundgesetz nicht vorgesehen. Dies, so Die Kernfrage, vor der wir als Bundesparlament meine ich, sollte als die Meinung der niedersächsi- in dieser Situation stehen, ist — ich habe das früher schen Landesregierung, die sehr wohl weiß, was sie schon gesagt — nach meinem Dafürhalten keine für alle Teile des Landes Niedersachsen zu tun hat, verfassungsrechtliche, obgleich ich die verfassungs- und die sehr wohl weiß, was sie getan hat, hier ge- rechtlichen Argumente, die uns im Innenausschuß sagt werden. vorgetragen worden sind, durchaus nach ihrem Ge- (Beifall bei der SPD und der FDP) wicht zu würdigen weiß, sondern sie ist eine verfas- sungspolitische. Keiner der Redner, die aus dem - Plenum des Hauses heute hier das Wort ergriffen Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Herr haben, hat in Abrede gestellt, daß uns ein gewisses Abgeordnete Professor Klein. Mißbehagen — so hat es der Kollege Wendig aus- gedrückt —, ich würde sagen, daß uns ein schlechtes Dr. Klein (Göttingen) (CDU/CSU): Frau Präsident! Gewissen angesichts der Tatsache bewegt, daß wir Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung ist in der Tat nach der gegebenen Sachlage nicht viel der Tatsache zu verdanken, daß der Herr Innen- anderes tun können, als es beim alten zu lassen. Die- minister des Landes Niedersachsen, wie ich meine, ses schlechte Gewissen ist, jedenfalls was die CDU/ zu einem zu späten Zeitpunkt hier das Wort ergrif- CSU angeht, durch die hier schon vorhin charakteri- fen hat. Ich meine, es wäre fair gewesen, wenn Sie, sierten Äußerungen der niedersächsischen Landesre- Herr Kollege Groß, uns die Stellungnahme des Lan- gierung sowohl im bisherigen Gesetzgebungsverfah- des Niedersachsen zu diesem Thema zu Beginn die- ren als auch heute nur genährt worden. Herr Kollege ser Debatte mitgeteilt hätten. Schäfer, Sie haben gesagt, es sei nicht unsere Sache zu (Beifall bei der CDU/CSU) fragen, ob das Land Niedersachsen seinen Verpflich- tungen gegenüber den betroffenen Landesteilen Zum zweiten möchte ich Sie darauf aufmerksam nachgekommen ist. Ich meine, die freilich exzep- machen, daß wahrscheinlich sowohl Sie als auch der tionelle Lage, um die es sich hier handelt, ist doch Präsident dieses Hauses mit einem Antrag unseres geeignet, uns diese Frage stellen zu lassen; denn gewissenhaften Kollegen Arndt zu rechnen haben, wir haben als Parlament — ich weiß, daß Sie diese Ihre Rede aus dem Protokoll des Bundestages zu Auffassung teilen — eine Verantwortung für das streichen, demokratische Staatsbewußtsein in diesem Land. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Der Bundestag aber — und das ist es, was uns so dem ganz sicher haben Sie hier nicht für den Bun- unbefriedigt läßt — hat in diesem Augenblick nichts desrat, sondern als Mitglied der Landesregierung als Kompensation für das Nein zu jeder Verände- von Niedersachsen gesprochen, was Herr Kollege rung des Status quo zu bieten, denn dies ist die Be- Arndt, wenn ich ihn richtig verstehe, für unzulässig deutung dieses Gesetzes. Es nützt dabei nichts, Herr hält. Kollege Wendig, wenn wir den Betroffenen in Ol- (Carstens [Emstek] [CDU/CSU] : Sehr gut! — denburg und in Schaumburg-Lippe versichern, wir Gegenrufe von der SPD) hätten uns redlich bemüht und alle denkbaren Ge Meine Damen und Herren, Herr Kollege Groß gegeneinander abgewogen. Damit al--sichtspunkte hat den Versuch unternommen, die Verantwortung lein wie auch mit Reden in diesem Hause ist den für die Situation, vor der wir stehen, auf den Bund Betroffenen nicht hinreichend gedient. Ich könnte 14358 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Dr. Klein (Göttingen) mich schon gar nicht dazu bereitfinden, das Ergeb- Unser Motiv, Herr Kollege Schäfer, ist auch nicht nis der Abstimmung herunterzuspielen. so sehr verfassungsrechtlicher Natur, obgleich hier (Sehr wahr! bei der CDU/CSU) verfassungsrechtliche Uberlegungen impliziert sind. (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tü Meine Damen und Herren, 39,1 % haben in Schaum bingen] [SPD]) für die Wiederherstellung des alten-burg-Lippe Landes Schaumburg-Lippe gestimmt. Aber wir meinen: So einfach, wie es hier geschehen seiner (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Sie wollen ist, kann es sich der Bundesgesetzgeber bei über den Bereich eines Landes hinausgehenden Ver- Schaumburg-Lippe wiederherstellen?) antwortung für die politische Struktur und die — Moment, Herr Kollege Schäfer, ich komme darauf. demokratische Verfassung in unserem Lande nicht (Zurufe von der SPD) machen. (Beifall bei der CDU/CSU) In einigen Abstimmungsbezirken des Landes Oldenburg sind Prozentsätze über 50 und 60 % er- reicht worden. Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Herr (Zurufe von der SPD — Gegenruf des Abg. Parlamentarische Staatssekretär Dr. Schmude. Lagershausen [CDU/CSU] : In den „SPD Hochburgen" !) Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Man hat klüglich errechnet, daß die derzeitige nie- nister des Innern: Frau Präsidentin! Meine Damen dersächsische Landesregierung, die von SPD und und Herren! Die Gründe, die die Bundesregierung FDP getragen wird, auf den Stimmen von rund 40 % bestimmt haben, von dem Ergebnis der Volksent- der Wahlberechtigten beruht. Niemand hat deshalb scheide in Oldenburg und Schaumburg-Lippe vom bisher ihre Legitimität in Frage gestellt. Ich meine 19. Januar dieses Jahres abzuweichen und dem Ge daher, man sollte es auch in diesem Fall nicht ver- Verbleib der beiden Abstimmungs--gesetzgeber den suchen. gebiete beim Land Niedersachsen vorzuschlagen, hat Bundesminister Professor Maihofer in seiner Nun ein Wort zu dem Entschließungsantrag, den Einbringungsrede an dieser Stelle bereits vorge- wir dem Hohen Hause vorgelegt haben. Wir haben tragen. Sie sind außerdem in der Begründung zu hier beantragt, der Bundestag möge eine gewisse dem Gesetzentwurf und in einem Schreiben des Erwartung an die Adresse des Landes Niedersach- Bundesinnenministers an den Innenausschuß des sen richten. Wir wissen natürlich, daß der Antrag Deutschen Bundestages ausführlich dargelegt wor- nicht rechtsverbindlicher, sondern politischer Natur den. ist. Deshalb kann es sich natürlich auch- nicht um eine Weisung handeln, wie es, glaube ich, Herr Die Bundesregierung hat bei dieser Gelegenheit Kollege Schäfer vorhin formuliert hat. Es handelt eindeutig begründet, warum eine Wiederherstellung sich um eine außergewöhnliche Situation. Zugege- der vormaligen Länder Oldenburg und Schaum benermaßen ist auch unser Entschließungsantrag Zielen der Neugliederung nach-burg-Lippe den eine außergewöhnliche Angelegenheit. Aber es ist Art. 29 Abs. 1 GG widersprechen würde. Bei der eben auch außergewöhnlich und einmalig in der Beratung des Gesetzentwurfs im Innenausschuß Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, daß des Deutschen Bundestages am 27. und 28. Novem- zwei Teile eines Bundeslandes ihren Willen bekun- ber haben die zu einer Anhörung geladenen Ver- det haben, sich von diesem Bundesland zu trennen. treter der beiden Abstimmungsgebiete, insbeson- Deshalb kann die Entschließung auch keine präjudi- dere diejenigen aus Oldenburg, Zweifel an der zielle Bedeutung für künftige Fälle haben. Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs geäußert. Die Bundesregierung ist demgegenüber in Übereinstim - In den Landesteilen Oldenburg und Schaumburg mung mit der einmütigen Auffassung des Rechtsaus- Lippe wird aufmerksam zur Kenntnis genommen schusses des Bundestages und des Innenausschusses worden sein, daß Sie, Herr Kollege Wendig, gesagt des Bundesrats der Uberzeugung, daß der vorlie- haben: jede der von uns in dem Entschließungs- gende Gesetzentwurf in vollem Einklang mit dem antrag ausgesprochenen Erwartungen entbehre je- Grundgesetz steht. Der Gesetzentwurf beruht auf der vernünftigen politischen Grundlage. Ich wieder- der Vorschrift des Art. 29 Abs. 4 Satz 1 GG, welche hole das, weil ich glaube, es verdient in den be- vorsieht, daß das Bundesgesetz nach Art. 29 Abs. 3 treffenden Landesteilen gehört und zur Kenntnis GG von dem Ergebnis des Volksentscheids ab- genommen zu werden. weichen darf, soweit das zur Erreichung der Ziele Schließlich — dies zu Ihrer Beruhigung, Herr der Neugliederung nach Abs. 1 erforderlich ist. Kollege Schäfer — ist unser Motiv für die nach der Die Ziele der Neugliederung sind in Art. 29 zu erwartenden Ablehnung unseres Entschließungs- Abs. 1 des Grundgesetzes formuliert. Das wich- antrags durch die Mehrheit dieses Hauses wahr- tigste dieser Ziele ist die Schaffung von Ländern, scheinliche Ablehnung des Gesetzentwurfs durch die nach Größe und Leistungsfähigkeit ihre Auf- die CDU/CSU nicht, daß wir eine Wiederherstel- gaben als Länder wirksam erfüllen können. Das lung der alten Länder Oldenburg und Schaumburg wäre bei einem Land Schaumburg-Lippe, das nicht Lippe erreichen wollen. Wir wollen keine neuen einmal der Größenanforderung eines modernen Länder im Bereich des Bundesgebiets. Landkreises genügt, zweifellos nicht der Fall. Auch (Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] ein selbständiges Land Oldenburg könnte wegen [SPD]) seiner durch Größe und Struktur bedingten wirt- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14359 Parl. Staatssekretär Dr. Schmude schaftlichen und finanziellen Leistungsschwäche Hauses bedarf und spätestens am 18. Januar 1976 diesen Anforderungen nicht genügen. Die Schaf- in Kraft treten muß, Ihre Zustimmung zu geben. fung eines Bundeslandes Oldenburg, das die struk- (Beifall bei der SPD und der FDP) turschwachen niedersächsischen Gebiete an der hol Grenze vom niedersächsischen Zentral -ländischen abschnitte, widerspräche wegen dieser seiner-land Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- räumlichen und geographischen Gestaltung auch dem geordnete Carstens (Emstek). Richtbegriff der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit. (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Das ist ge Die Bildung zweier neuer Länder auf dem Boden gen die Absprache, die wir getroffen ha des Landes Niedersachsen wäre mit den Zielen ben! — Weitere Zurufe von der SPD — einer Neugliederung schließlich auch deshalb unver- Beifall bei der CDU/CSU) einbar, weil eine solche Aufsplitterung des nord Raumes für jede künftige Neugliederung-deutschen Carstens (Emstek) (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! eine wesentlich schwierigere Ausgangslage schaf- Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! fen müßte, als sie die gegenwärtige Gliederung des norddeutschen Raumes darstellt. Das, meine Kol- (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : So seid Ihr! leginnen und Kollegen von der Opposition, gilt für Kein Wort kann man Ihnen glauben!) jede künftige Neugliederung, unabhängig davon, Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, Herr Professor ob ein Konzept vorliegt oder nicht. Weshalb die Schäfer, bin ich gerne bereit, Ihnen zu antworten. Bundesregierung ein solches Konzept noch nicht (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Kein Wort vorgelegt hat, hat sie Ihnen in zahlreichen Frage kann man Ihnen glauben!) und bei anderen Gelegenheiten immer wie--stunden der dargelegt, ohne daß Sie in der Lage gewesen Es war zwar abgesprochen, daß von unserer Seite wären, die Gründe zu entkräften oder auch nur kein weiterer Redner sprechen sollte. ernsthaft anzugreifen. (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Dann halten Art. 29 des Grundgesetzes, wie es hier gefor- Sie sich doch daran!) dert ist, soll geändert werden. Die Vorbereitungen Ich bin aber, wie Sie mir zugestehen werden, in der Bundesregierung laufen seit langem, und es ist sehr persönlicher Art und Weise von meinem Kol- auch angekündigt, daß eine solche Änderung alsbald legen Lemp angegangen worden. erfolgen soll. (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD] : Weil Sie Schließlich ist es für die verfassungsrechtliche Magensäure und keinen Humor haben! — - und verfassungspolitische Beurteilung des vorlie- von der SPD) Weitere Zurufe genden Entwurfs ohne Bedeutung, ob die Ansinnen, Auf Grund dieses Umstandes müssen Sie mir wohl die von oldenburgischer und schaumburg-lippischer zugestehen, einige Worte der Erwiderung zu sagen. Seite an das Land Niedersachsen in Richtung auf Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein, gerade eine Verstärkung der landsmannschaftlichen Ak- für Sie, Herr Professor Schäfer. zente in der Kulturpolitik gerichtet worden sind, in (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: der Sache berechtigt sind oder nicht; denn dabei Aber auf plattdütsch! — von Alten-Nord- handelt es sich um Fragen, die nach dem Grund heim [CDU/CSU] : Das ist ein Gebot der und nach niedersächsischer Verfassung ein -gesetz Fairneß! - Weitere Zurufe von der SPD) Zuständigkeit des Landes gehören und-deutig in die im Rahmen der landespolitischen Willensbildung ausgetragen werden müssen und können. Es ist Vizepräsident Frau Funcke: Meine Damen und nicht unsere Sache, vom Bund her die Geschäfte des Herren, ich bitte um Ruhe für den Redner. Landes Niedersachsen zu besorgen.

Ich bin ganz sicher, daß die Opposition die rechts Carstens (Emstek) (CDU/CSU) : Meine sehr ver- Tragweite ihres Entschließungsantrages-politische ehrten Kolleginnen und Kollegen! Spätestens bei entweder nicht gewürdigt oder etwaige Bedenken der Rede der Kollegen Lemp und Schirmer sollte es aus parteipolitischen Gründen zurückgestellt hat. deutlich geworden sein, daß sich die SPD/FDP-Ab- Mit Herrn Minister Hirsch stimme ich darin überein, geordneten oftmals nicht in der Lage sehen, die daß Ihnen diese Tragweise sehr schnell klar würde, ureigensten Interessen der Bürger ihres Raumes zu wenn sich ein solcher Entschließungsantrag einmal vertreten. auf die Belange anderer Bundesländer — sei es (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der Schleswig-Holstein, sei es der Freistaat Bayern oder SPD) das Land Rheinland-Pfalz — von dieser Stelle aus richtete. Daß man sich dann als betroffener Abgeordneter komisch vorkommt, Herr Lemp, (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Es (Lachen und Beifall bei der SPD) kommt auf den Wählerwillen an!) ist wohl die zwangsläufige Folge. Ich bedauere nicht, Zusammenfassend bitte ich Sie, dem Gesetzent- daß der Kollege Lemp dieses Plenum erheitert hat, wurf, der nach der Forderung des Grundgesetzes sondern ich bedauere zutiefst, daß er sich nicht in der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder dieses der Lage gesehen hat, hier vor dem Deutschen 14360 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Carstens (Emstek) Bundestag die Interessen der oldenburgischen Be- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich völkerung zu vertreten. müßte noch auf weitere Punkte eingehen. Ich will das nur noch zu einem Punkt tun. Der Vorsitzende (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei Innenausschusses, Professor Schäfer, sah sich der SPD) des veranlaßt, weil er die verfassungsrechtliche Seite Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe dieses Gesetzentwurfes durchschaut, dreimal das noch zu einigen Punkten etwas zu sagen. Zunächst Land Niedersachsen zu bitten, noch deutlicher zu möchte ich den Innenminister des Landes Nieder- sagen, wie es die landsmannschaftliche Verbunden- sachsen ansprechen. Er hat eben erwähnt, daß die heit des Landes Oldenburg innerhalb des Landes Vertreter Oldenburgs, die beim Hearing dabeigewe- Niedersachsen gewährleisten wolle. Gerade aber die sen sind, aus einem Verein oder aus einem Komitee dritte Meinungsäußerung der Landesregierung war kommen, die noch nicht bestanden hätten, als der als beschämend zu bezeichnen; doch nachdem diese Volksentscheid stattfand. beschämende Stellungnahme vorgelegt wurde, sa- (Dürr [SPD]: Ein tolles Ding, Herr Kollege!) hen Sie sich auf einmal in der Lage, dem Gesetzent- wurf zuzustimmen. Ich finde dassehr merkwürdig, Das ist nicht wahr, und es ist sehr merkwürdig und bezeichnend, daß das der Innenminister des Landes Herr Professor Schäfer. Niedersachsen nicht gewußt hat. Nun noch ein Letztes. Es ist nicht so — das (Hört! Hört! und Beifall bei der CDU) braucht sich niemand einreden zu lassen —, daß wir irgendwann wieder einmal einen Großherzog Groß, Mir liegt die Satzung des Vereins vor. Herr — auch nicht eine eigene Landesregierung — haben sehen Sie sich diese bitte genau an; ich bin gerne wollten. Das ist politisch niemals von der CDU/CSU bereit, Ihnen die Satzung gleich auszuhändigen. Die vertreten worden, aber wir wollen — wobei die Satzung besagt, daß der Verein zur Förderung der verfassungsrechtliche Seite noch zu klären sein bereits am 11. Januar oldenburgischen Heimat e. V. wird — die Interessen der Bevölkerung vertreten gegründet wurde. wissen. Das, so hat sich heute für die Bevölkerung Bei dem Komitee „Volksentscheid Oldenburg" herausgestellt, kann nur durch die CDU/CSU er verhält es sich so, daß dieses Komitee, nachdem der -folgen. Volksentscheid positiv ausgegangen war, als neu- (Beifall bei der CDU/CSU) trales und überparteiliches Gremium gegründet wurde, welches die Interessen der oldenburgischen Vizepräsident Frau Funcke: Meine Damen und Bevölkerung vertreten sollte. Das halte ich für Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. völlig legal und verständlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Noch eines zur FDP. Herr Groß, Sie sind einer Wir kommen zur Einzelberatung und zur Abstim- derjenigen, die in unserer Heimatpresse zum Aus- mung in zweiter Beratung über die §§ 1, 2, 3, Ein- druck gebracht haben, daß mit ca. 31 % nicht die ng und Überschrift. — Wer seine Zustimmung Mehrheit der Bevölkerung für die Selbständigkeit leitu das Handzeichen. — Oldenburgs gewesen sei. Sie müssen das gerade als geben will, den bitte ich um Das erste war die FDP-Landesminister sagen! Wir haben beim Volks — Enthaltungen? — Gegenprobe! für ein selbständiges Oldenburg fast so-entscheid Mehrheit. viel Stimmen ohne Parteieneinschaltung erhalten, Wir kommen nunmehr zur wie Sie in ganz Niedersachsen bei der Landtags- wahl für die FDP zusammenbekommen haben. dritten Beratung. (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU — Das Wort wird nicht begehrt. Nach Art. 29 Abs. 4 von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Das ist GG ist die Zustimmung der Mehrheit der Mitglie- bezeichnend! — Zurufe von der SPD und der des Hauses erforderlich. Wir müssen daher der FDP) auszählen. Und mit diesen wenigen Stimmen trauen Sie sich Ich bitte die Kollegen, den Saal zu verlassen, die zu, Schriftführer, an die Türen zu gehen und bei der (Zuruf von der SPD: Aufhören!) Auszählung die Berliner Stimmen gesondert zu zäh Ich bitte die Berliner Kollegen, es den Zählern-len. bloß mit einer Stimme Mehrheit im Landtag die ge- einfach zu machen, indem sie sich entsprechend Kreis- und 'Bezirksreform durchzuziehen. Was samte melden. — ist das für ein Demokratieverständnis! die Schriftführer, die Türen noch offen - (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Zur Sache! Ich bitte die Abstimmung noch nicht ge- — Weitere Zurufe von der SPD) zuhalten. Ich habe schlossen. — Im übrigen ist es so, daß die FDP sich im Lande die Türen zu schließen. Die Niedersachsen damit hervortut, daß sie zu einem Ich bitte nunmehr, Abstimmung ist geschlossen. Bürgerbegehren kommen will. . (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, das Ergebnis liegt vor. Ihre Stimme abgegeben haben insgesamt 369 voll Das soll sie gerne tun, aber dann soll sie heute nach stimmberechtigte Abgeordnete und 11 Berliner Abge- daß sie bereit ist, zunächst einmal Grund--weisen, ordnete. Mit Ja haben 254 voll abstimmungsberech- gesetz und Volksabstimmung zu achten. tigte und acht Berliner Abgeordnete gestimmt, mit (Beifall bei der CDU/CSU) Nein 113 voll stimmberechtigte und drei Berliner Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14361 Vizepräsident Frau Funcke Abgeordnete. Zwei Abgeordnete haben sich der so wie der Gesetzgeber selbst auch. Wir wollen uns Stimme enthalten. Damit ist das Gesetz mit der er- ja gar nicht freisprechen. Nur im Falle des Art. 314 forderlichen Mehrheit angenommen. Abs. 2 ist mir die Rechtsprechung der rheinland- Ich komme nun zur Abstimmung über den Punkt 2 pfälzischen Oberlandesgerichte völlig unverständ- des Ausschußantrags, die Petitionen und Eingaben lich. Die Gerichte haben offensichtlich übersehen, daß für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Wider- es sich ausweislich der Überschrift um eine Über- spruch. Es ist so beschlossen. leitungsvorschrift handelt. Sie setzt vom 1. Januar 1975 an keine neue Frist in Lauf, sondern ersetzt die Ich rufe nun den Entschließungsantrag der Frak- Bewährungshilfe des alten § 49 h StGB durch die tion der CDU/CSU auf Umdruck 7/4431 auf. Darf ich Führungsaufsicht. Hierfür gelten die allgemeinen annehmen, daß Begründung und Aussprache statt- Regeln über Fristen, die Fristen laufen also wie bis- gefunden haben? Das ist der Fall. Wir kommen her weiter. Nichts anderes besagt der Teilsatz:...... zur Abstimmung über diesen Entschließungsantrag. so tritt Führungsaufsicht ein". Man hätte auch sagen Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Hand- können: ,,..., so tritt statt Bewährungshilfe Füh- z eichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Das rungsaufsicht ein" . Der Zusammenhang mit dem zweite war die Mehrheit. Der Entschließungsantrag Satz 2 macht aber die Absicht des Gesetzgebers ein- ist abgelehnt. deutig klar. Nicht die Weitergeltung der allgemei- nen Regeln für Fristen hätte eine Erwähnung des Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf: Gesetzgebers erfordert. Dies hätte vielmehr nur ein Zweite Beratung des vom Bundesrat einge- Verschlechterungsgebot notwendig gemacht. Dies brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur aber ist mit Absicht nicht erfolgt. Änderung des Einführungsgesetzes zum Straf- gesetzbuch Die hier vorgetragene Auslegung ist von den Mit- gliedern der Unterkommission entgegen einer frühe- - Drucksache 7/4017 ren, mißverständlichen Verlautbarung im Sonder- Bericht und Antrag des Sonderausschusses für ausschuß für die Strafrechtsreform ausdrücklich be- die Strafrechtsreform stätigt und zu Protokoll gegeben worden. Das wird — Drucksache 7/4354 — für die zukünftige Rechtsprechung eine Hilfe sein. Berichterstatter: Selbst wenn die Rechtsprechung entgegen der ge- Abgeordneter Freiherr Ostman von der Leye meinsamen Auffassung des Bundesrates und des Abgeordneter Dr. Eyrich Bundestages auch weiterhin zu anderer Auslegung (Erste Beratung 187. Sitzung) käme, könnte es sich doch nur um eine Übergangs- - zeit handeln, in der in der Praxis Mindestfristen Wünscht einer der Herren Berichterstatter das festgelegt werden müßten. Wort? — Das ist nicht der Fall. In der Aussprache hat das Wort Herr Abgeordneter Ostman von der Auch im Falle des Art. 316 a handelt es sich um Leye. eine Korrektur der Rechtsprechung. Der Bundesge- richtshof hat entgegen der Auffassung des Bundes- tages und des Bundesrates entschieden, daß bei Voll- Freiherr Ostman von der Leye (SPD) : Frau Präsi- streckungsunterbrechungen und Aussetzungen zur dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bewährung, die vor dem 1. Januar 1975 erfolgt sind, Nach dieser sehr anstrengenden vorherigen Aus nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das versuche ich, es ganz kurz zu machen. -sprache erkennende Gericht zuständig sein soll. Dies ist (von Alten-Nordheim [CDU/CSU] : Dabei zwar unerwünscht, aber nicht schädlich, und das Pro- haben Sie sich ja nicht strapaziert!) blem erledigt sich durch Zeitablauf von selbst. Der Bundesrat wünscht in seiner Vorlage eine Er- Bei aller Ubereinstimmung in der Sache kann aber gänzung des Art. 314 Abs. 2 des Einführungsgesetzes der Gesetzgeber nicht von dem Grundsatz abgehen, zum Strafgesetzbuch und die Einfügung eines Art. daß die Rechtsprechung in eigener Zuständigkeit 316 a zur Klarstellung. die Einheitlichkeit der Auslegung zu gewährleisten Das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch ist und dem Willen des Gesetzgebers Rechnung zu tra- erst vor wenigen Monaten in diesem Hause einstim- gen hat. Nur in schwerwiegenden und unerträg- mig verabschiedet worden. Der Bundesrat hat zu- lichen Fällen sollte der Gesetzgeber eingreifen. Sol- gestimmt. In langer und mühseliger Arbeit hatte eine che Fälle liegen aber weder bei kleinen Provokatio- Unterkommission, der die Kollegen Dr. Penner und nen, die ich hier nicht unterstellen möchte, noch vor Dr. Eyrich als der Vorsitzende angehörten, über allem bei Ubergangsvorschriften dieser Art vor, zu- 1 000 Paragraphen bearbeitet und einstimmig zur Be- mal der Wortlaut bei objektiver Betrachtungsweise schlußfassung empfohlen. Auslegungsschwierigkei- keinen Anlaß zu Zweifeln gibt. ten wird es bei Gesetzen immer geben. Zur Aus- legung von Gesetzen ist die unabhängige dritte Ge- Aus diesen Gründen bitte ich im Namen der Frak- walt, die Rechtsprechung, von Verfassungs wegen tionen der SPD und der FDP, den vom Bundesrat berufen. eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetz- Nun hat das ehrbare Handwerk der Rechtsaus- buch — Drucksache 7/4017 — abzulehnen. legung häufiger Schwierigkeiten sowohl mit der deutschen Sprache wie auch mit der Logik — genau (Beifall bei der SPD) 14362 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- zu bezeichnenden Entscheidung feststellte. Selbst geordnete Spranger. wenn man den Grundsatz ablehnen muß, daß der Gesetzgeber schon immer dann tätig werden müsse, Spranger (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! Meine wenn die Rechtsprechung Gesetze unterschiedlich Damen und Herren! Die Qualität gesetzgeberischer interpretiert, so erscheint hier jedenfalls eine Rege- Tätigkeit erweist sich nicht allein durch ihren sach- lung im Interesse derjenigen notwendig, die von lichen Inhalt, sondern auch daran, ob die Gesetze den dieser Unsicherheit betroffen sind; denn die Inter- Geboten der Rechtsklarheit und damit der Rechts- pretationen des Gesetzgebers sind für die Gerichte sicherheit entsprechen oder ob sie von den Gerichten nicht bindend und sie beseitigen nicht die offen- unterschiedlich interpretiert und unterschiedlich an- kundige Rechtsunsicherheit. Ich meine, es ist sehr gewendet werden. Hat der Gesetzgeber Rechtsnor- beachtenswert, daß die Koalitionsparteien heute im men zu verantworten, von denen der Bürger nicht Strafrechtssonderausschuß die Frage der rechtsge- weiß, wie die Gerichte sie auslegen, und die die schäftlichen Vertretung im Rahmen des Bundes- Gerichte tatsächlich auch unterschiedlich anwenden, zentralregistergesetzes durch eine Gesetzesände- dann ist der Gesetzgeber verantwortlich für die mög- rung geklärt haben, eben weil diese Frage strittig liche Verletzung der Grundsätze der gerechten war. Wird der Vorschlag des Bundesrates abge- Gleichbehandlung durch das Gesetz. Dieser Vorwurf lehnt, dann ist nicht auszuschließen, daß sich noch wiegt schwer. Der Gesetzgeber darf ihn nicht taten- andere Gerichte an der Rechtsprechung der Ober- los hinnehmen. Er muß mißverständlichen Normen landesgerichte Zweibrücken und Koblenz zum Nach- eine unmißverständliche Fassung geben. Er darf sich teil der Betroffenen orientieren. nicht damit begnügen, von ihm verursachte Unklar- Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sollten den heiten auf die Rechtsprechung abzuladen und ihr Gesetzgeber außerdem verpflichten, ausdrücklich zu aufzuerlegen, im Verlauf vieler dazu notwendiger regeln, daß die Strafvollstreckungskammern auch Entscheidungen eine herrschende Meinung herauszu- für die Fälle zuständig sind, in denen vor dem 1. Ja- bilden, die nach den Prinzipien unserer Rechtsord- nuar 1975 die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nung dennoch unverbindlich bleibt, abweichende unterbrochen oder zur Bewährung ausgesetzt wor- Entscheidungen nach wie vor ermöglicht und damit den ist. In diesem Sinne haben eine Reihe von die Rechtsunsicherheit aufrechterhält. Der Gesetz- Oberlandesgerichten — z. B. einmütig die drei baye- geber muß im Interesse unserer Bürger klar sagen, rischen Oberlandesgerichte — entschieden. Dies ist was er will und was er nicht will. auch die Auffassung des Bundesrates. Dieser Verpflichtung zur Rechtsklarheit und zur Im Gegensatz dazu hat nun der Bundesgerichtshof Rechtssicherheit entsprechend hat der Bundesrat auch in einem Beschluß vom 27. Februar 1975 zum Aus- den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung druck gebracht, daß die Strafvollstreckungskammern des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorge- nicht für Fälle vor dem 1. Januar 1975 zuständig legt und eine Änderung des Art. 314 Abs. 2 EGStGB seien. Für die Auffassung des Bundesrates und und die Einführung eines Art. 316 a EGStGB gegen die Ansicht des Bundesgerichtshofes sprechen bezüglich des § 462 a StPO beantragt; denn diese mehrere Gründe. Wenn schon der Gesetzgeber die beiden Bestimmungen werden in der Praxis unter- in § 462 a StPO vorgesehenen Entscheidungen we- schiedlich ausgelegt. gen der besonderen Erfahrung und der Entschei- Bei Art. 314 Abs. 2 EGStGB herrscht Streit, ob bei dungsnähe den Strafvollstreckungskammern zuge- der Festsetzung der Dauer der Führungsaufsicht auch wiesen hat, dann ist nicht einzusehen, warum dies die vor dem 1. Januar 1975 liegende Zeit einer be- nicht auch für die bereits vor dem 1. Januar 1975 dingten Entlassung anzurechnen ist oder nicht. Das betroffenen, gleichgearteten Fälle gelten soll. Bundesjustizministerium, die Generalstaatsanwälte und verschiedene Oberlandesgerichte haben die An- Dieser Auffassung entspricht auch die gesamte rechnung zugelassen. Die Oberlandesgerichte Zwei- Tendenz der Strafrechtsreform, nämlich den Straf brücken und Koblenz haben sie mit der Begründung bestimmte und gerade auch-vollstreckungskammern abgelehnt, daß der Gesetzgeber dies dann hätte aus diese Aufgaben zu übertragen. Wenn ein Vertreter bestimmen müssen, was er in Wirklichheit-drücklich des Bundesjustizministeriums im Ausschuß erklärte, nicht getan hat. Im Strafrechtssonderausschuß der Bundesrat wolle mit seinem Vorschlag den Bun- herrschte Einmütigkeit darüber, daß sich die An- desgerichtshof desavouieren, verkannte er nicht nur wendung aus dem Charakter der Ubergangsregelung die Sachlage, sondern auch die Motive des Bundes- ergebe und vom Gesetzgeber von Anfang an gewollt rates, dem es um eine gleichartige formelle Zu- gewesen sei. Wenn danach zwar Art. 314 Abs. 2 ständigkeit bei der Entscheidung dieser Fragen geht. EGStGB in dem vom Bundesrat gewünschten Sinne Im übrigen hat auch ein anderer Vertreter des Bun- auch nach Auffassung des Strafrechtssonderaus- desjustizministeriums dem Anliegen des Bundes- schusses zu verstehen ist, so erscheint doch eine aus- rates in der Sache zugestimmt und es für berechtigt drückliche gesetzliche Regelung entgegen der An- erklärt. sicht des Bundesjustizministeriums und der Koali- Wenn dies zutrifft, ist nicht einzusehen, warum tionsparteien notwendig. der Gesetzgeber sehenden Auges und in vornehmer Die Tatsache unterschiedlicher höchstrichterlicher Zurückhaltung zulassen soll, daß sich eine von ihm Rechtsprechung erfordert eine ausdrückliche Klä- nicht gewünschte herrschende Rechtsprechung auf rung durch den Gesetzgeber, die bisher fehlt, wie Grund einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes das Oberlandesgericht Zweibrücken in seiner, Herr herausbildet. Diese Erwartung ist außerdem sehr Ostman von der Leye, sicherlich nicht als „abstrus" unbestimmt, weil der Bundesgerichtshof bei dieser Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14363 Spranger Frage keine absolute Kompetenz hat, sondern in Uberlegungen zu einer Reform der Verwaltung vielen Verfahren die Oberlandesgerichte wie bisher wurden schon Mitte der 60er Jahre bei der Umwand- Endinstanz sein werden. Deswegen kann von einer lung der ehemaligen Außenhandelsstelle zum Bun- Kontinuität bei den Vollstreckungsentscheidungen desamt für Ernährung und Forstwirtschaft angestellt. hier nicht gesprochen werden. Durch eine gesetz- Damals sollte jedoch zunächst die Entwicklung der liche Klarstellung würde deshalb in der gerichtlichen gemeinsamen Marktpolitik abgewartet werden. Sie Praxis nicht Unruhe erzeugt, sondern Ruhe herge- brachte mit der Errichtung der gemeinsamen Markt- stellt werden. Der mögliche Zeitablauf bezüglich organisationen eine schwerpunktmäßige Verlage- dieses Problems enthebt uns nicht des Zwangs, rung der Aufgaben bei den Marktordnungsstellen heute eine unumgängliche Entscheidung zu treffen. vom nationalen in den EWG-Bereich. Die umfang- Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, reichen Änderungen und zusätzlichen Anforderun- gen, ist nach Auffassung der CDU/CSU-Fraktion eine die der Vollzug der gemeinsamen Marktorga- nisationen Gesetzesänderung gemäß den Vorschlägen des Bun- an die nationale Durchführung stellt, er- desrates notwendig. Der gegenteiligen Auffassung reichten inzwischen ein Ausmaß, das die Neuorga- n i der Koalitionsparteien vermögen wir nicht zuzu- sation unvermeidbar macht. stimmen. Die Bundesregierung hat daraufhin im Jahre 1971 (Beifall bei der CDU/CSU) den Rechnungshof beauftragt, ein Gutachten zu er Möglichkeiten der Rationalisierung-stellen, um die Vizepräsident Frau Funcke: Wird das Wort noch im Bereich der landwirtschaftlichen Marktordnun- gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich gen zu erforschen. Die Vorstellungen des Bundes- in zweiter Beratung die §§ 1, 2, 3, Einleitung und rechnungshofes haben in diesen Gesetzentwurf weit- Überschrift auf. Der Sonderausschuß für die Straf gehend Eingang gefunden. beantragt, den Gesetzentwurf abzu--rechtsreform Schwerpunkt der Neuorganisation ist die Zu- lehnen. Wir stimmen über diesen Antrag des Aus- sammenfassung der bestehenden vier Einfuhr- und schusses ab. Wer dem Ausschußantrag zustimmen Vorratsstellen zu einer „Anstalt für landwirtschaft- möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die liche Marktordnung". Dadurch wird eine entschei- Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das erste dende verwaltungsmäßige Konzentration erreicht war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen; da- und die Grundlage für eine Straffung und Rationa- mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung abge- lisierung bei der Durchführung von nationalen und lehnt. Nach § 84 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung gemeinschaftlichen Marktordnungsmaßnahmen ge- entfällt jede weitere Beratung und Beschlußfassung. schaffen. Die Straffung wird nach Auffassung des federführenden Ausschusses dazu führen, daß Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 5 auf: marktordnerische Aufgaben zügiger abgewickelt Zweite und dritte Beratung des von der Bun- werden können. Die Senkung von Personal- und desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- Verwaltungskosten infolge der Rationalisierung setzes über die Neuorganisation der Marktord- wird öffentliche Mittel in wesentlichem Umfange nungsstellen einsparen helfen. — Drucksache 7/4021 — Der Ausschuß hat besonderen Wert auf über- Bericht und Antrag des Ausschusses für Er- schaubare Organisationseinheiten gelegt. In sich nährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Aus- abgeschlossene Warenbereiche werden — etwa schuß) entsprechend der bisherigen Aufteilung bei den Einfuhr- und Vorratsstellen — selbständig verwal- — Drucksache 7/4408 — tet, so daß der Ubergang der Aufgaben auf die Berichterstatter: Abgeordneter Büchler (Hof) neue Anstalt ohne Schwierigkeiten vollzogen wer- (Erste Beratung 187. Sitzung) den kann. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Auf die Mitwirkung von Wirtschaft und Verbrau- Bitte schön, Herr Abgeordneter Büchler! chern in der neuen Anstalt wird wie bisher entschei- dendes Gewicht gelegt. Wirtschaft und Verbrau- Büchler (Hof) (SPD): Frau Präsidentin! Meine Da- cher sind an der Arbeit der Anstalt durch den Ver- men und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf waltungsrat als Organ der Anstalt und fachbezo- eines Gesetzes über die Neuorganisation der Markt- gen durch Fachbeiräte beteiligt. ordnungsstellen wurde vom federführenden Aus- Es ist eine grundsätzliche Abgrenzung der Aufga- schuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ben zwischen der neuen Anstalt und dem Bundes- einstimmig gebilligt. Ich darf deshalb den schrift- amt für Ernährung und Forstwirtschaft gefunden l ichen Bericht nur ganz kurz um einige Punkte er- worden, die der verwaltungsmäßig unterschied- gänzen. lichen Ausrichtung dieser beiden Marktordnungs- Im Bereich der landwirtschaftlichen Märkte übt stellen entspricht. Grundsätzlich sollen die gemein- gegenwärtig in der Bundesrepublik eine größere samen Marktordnungen, die vornehmlich mit den Anzahl staatlicher Einrichtungen marktordnende Warengeschäften zusammenhängende Aufgaben Funktionen aus. Das Schwergewicht der Aufgaben vorsehen, in Zukunft von der Anstalt durchgeführt entfällt auf die vier Einfuhr- und Vorratsstellen und werden. Hierbei handelt es sich im wesentlichen auf das Bundesamt für Ernährung und Forstwirt- um Aufgaben des Interventionsbereiches, die Wa- schaft. ren- und Marktkenntnisse erfordern. 14364 Deutscher Bundestag -7. Wahlperiode -208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Büchler (Hof) Im Zusammenhang mit der Neuorganisation wer- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Be- den dem Bundesamt auch die Aufgaben der gemein- ratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu samen Weinmarktorganisation übertragen. Für die erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — So Übertragung dieser Aufgaben, die ebenfalls zu einer beschlossen. Verringerung der Marktordnungsstellen beiträgt, sind in erster Linie verwaltungsrechtliche Gründe Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: maßgebend gewesen. Das Bundesamt wird sich bei Zweite und dritte Beratung des von der der Wahrnehmung dieser Aufgaben so weit wie Bundesregierung eingebrachten Entwurfs möglich der Mithilfe des Stabilisierungsfonds Wein eines Tierzuchtgesetzes bedienen. Dies war ein besonderer Wunsch des Aus- — Drucksache 7/4008 — schusses. Bericht und Antrag des Ausschusses für Er- Das Gesetz wird aber nicht nur die Anpassung nährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Aus- der marktordnenden Verwaltung an die verän- schuß) derten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Bereich der landwirtschaftlichen Märkte herbei- — Drucksache 7/4402 — führen. In der neuen Anstalt wird darüber hinaus Berichterstatter: eine Institution geschaffen, die die Voraussetzungen Abgeordneter Schröder (Wilhelminenhof) dafür bietet, einer künftigen Entwicklung landwirt- (Erste Beratung 184. Sitzung) schaftlicher Märkte Rechnung zu tragen. Der weit gespannte Bogen des Aufgabenbereiches der Anstalt Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Schröder erlaubt sowohl die Übertragung der Durchführung (Wilhelminenhof), wünscht das Wort. weiterer gemeinsamer Agrarmarktorganisationen als auch Tätigkeiten bei besonderen Maßnahmen Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) : Frau Prä- zur Entlastung der landwirtschaftlichen Märkte, so sidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie z. B. bei der Erntefinanzierung. mir bitte, daß ich als Berichterstatter für dieses Ge- setz im Namen des federführenden Ausschusses Die Neuorganisation der Einfuhr- und Vorratsstel- einige ergänzende Anmerkungen zum Schriftlichen len hat nicht überall den Beifall der Wirtschaft ge- Bericht vortrage. funden. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirt- schaft und Forsten hat die Einwände der Wirtschaft Zunächst einige Worte des Dankes. Zu danken nicht leichtgenommen und war bemüht, den berech- haben wir dem Vorsitzenden des Ausschusses für tigten beiderseitigen Anliegen der Verbraucher und Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herrn Dr. Martin Schmidt (Gellersen), dafür, daß er den ent- der Wirtschaft so weit wie möglich zu entsprechen.- Letzten Endes müssen alle Beteiligten an einer ver- scheidenden Anstoß für die Novellierung des Tier- trauensvollen Zusammenarbeit interessiert sein. zuchtgesetzes gegeben hat, nicht zuletzt, wenn ich richtig informiert bin, ausgelöst durch praktische Der Entwurf enthält damit meines Erachtens, ins- Erfahrungen mit dem alten noch in Kraft befind- gesamt gesehen, ein Optimum an Mitwirkungsmög- lichen Gesetz. lichkeiten der Wirtschaft und der Verbraucher, ohne Danken möchte ich auch den zuständigen Refe- die notwendigen Grenzen staatlicher Verantwortung renten im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft zu verwischen. Die Gesetzesvorlage ist ein Schritt, und Forsten, daß sie dem Ausschuß einen Gesetz- der die deutsche Agrarwirtschaft im Hinblick auf die entwurf zur Beratung vorgelegt haben, der nicht nur Anforderungen des gemeinsamen Agrarmarktes sorgfältig vorbereitet, sondern mit den Länderrefe- stärkt. Dennoch glaube ich im Namen aller Aus- renten und den daran interessierten Verbänden und schußmitglieder dies hinzufügen zu dürfen: Trotz Organisationen auch hervorragend abgestimmt dieses wichtigen Schrittes bleiben der Deutsche wurde. Uns liegt jetzt zur abschließenden Beratung Bundestag und die Bundesregierung aufgefordert, ein Gesetzentwurf vor, von dem man erwarten darf, weitere Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Orga- daß er für die nächsten zwei Jahrzehnte seinem in nisationsgrad der deutschen Agrarwirtschaft zu ver- § 1 festgelegten Zweck gerecht wird, wenn — und bessern. Der Ausschuß bittet um Annahme der Vor- diese Einschränkung muß ich hier machen — wir lage. gleichzeitig bereit sind, aus den Erfahrungen mit (Beifall) dem alten Gesetz zu lernen. Gestatten Sie mir dazu bitte eine kurze Rück- Vizepräsident Frau Funcke: Ich danke dem Herrn blende auf ein Erlebnis, das etwa zehn Jahre zu- Berichterstatter. rückliegt. Damals war ich Zeuge eines Gespräches von Tierzuchtexperten, die es sich zur Aufgabe ge- Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 stellt hatten, Anregungen für ein neues Tierzucht- bis 32, Einleitung und Uberschrift auf. — Das Wort gesetz zu geben. Solche Gespräche hat es mehrfach dazu wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen gegeben. Sie endeten jedoch alle damit, daß nichts Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich geschah. Es geschah deswegen nichts, weil man die um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun- Sorge hatte — und dies wurde auch in aller Offen- gen? — Es ist so beschlossen. heit ausgesprochen —, das Parlament könne das Tierzuchtrecht völlig aufheben, wenn man es erst Wir kommen zur einmal zur Diskussion stellt. Diese Sorge hatte ihren dritten Beratung. realen Hintergrund in der Tatsache, daß das alte Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14365 Schröder (Wilhelminenhof) Gesetz seiner eigentlichen Aufgabe, der Förde Im Interesse eines einheitlichen Tierzuchtrechts tierischen Produktion, in vielen Fällen des--rung der bitte ich den Bundesminister für Ernährung, Land- halb nicht mehr gerecht wurde, weil bei der wirtschaft und Forsten dringend, seine Möglich- Körung und Beurteilung von Vatertieren häufig keiten voll auszuschöpfen, um ein weitgehend ein- nicht die zu erwartende Leistungsvererbung in den heit l iches Recht auf diesem Gebiet sicherzustellen. Vordergrund gestellt wurde, sondern mehr die äußere Körperform. Die Tatsache, daß Schönheit oft (Zustimmung bei der SPD) höher bewertet wurde als Leistungsfähigkeit, hat Meine Bitte an die Länder geht dahin, daß sie sich sicher dazu beigetragen, daß heute zahlreiche deut- bei dem Erlaß von Rechtsverordnungen für die sche Tierzüchter in der ganzen Welt nach neuem Durchführung von Leistungsprüfungen und Zucht- genetischem Potential Ausschau halten. Ein typi- wertschätzungen einheitlicher Grundsätze bedienen. sches Beispiel dafür ist die deutsche Schwarzbunt- Es ist sicher verständlich, daß bei der Einführung zucht, die zur Zeit in großem Umfang durch Sper- neuer wissenschaftlicher Methoden zunächst ver- maimporte und Ankauf von Tieren neue Blutlinien schiedene Wege beschritten werden. Es muß alles aus den USA und Kanada einführt, zwei Ländern ausprobiert werden. Ich meine aber, in vielen Fäl- übrigens, in denen es meines Wissens bislang keine len — ich könnte Beispiele zitieren, aber wegen der Tierzuchtgesetze gegeben hat. Kürze der Zeit möchte ich bewußt darauf verzich- Diese Randbemerkung könnte zu dem Schluß füh- ten — ist diese Anlaufzeit vorbei. ren, daß der deutschen Tierzucht mit einer völligen Liberalisierung besser gedient wäre als mit einem Wenn wir bei der steigenden Bedeutung des neuen Tierzuchtgesetz. Dieser Schluß würde uns je- Zuchtviehexports den künftigen Ansprüchen un- doch mit Sicherheit auf den falschen Weg führen. serer Kunden auf dem internationalen Markt ge- Die Erfahrungen drüben haben gezeigt, daß — zwei- recht werden wollen, dann müssen wir uns be- fellos mitverursacht durch die völlige Liberalisie- mühen, zumindest für die jeweiligen Rassen ein- rung — die Zucht zu einem beachtlichen Teil in die heitliche Methoden der Leistungsprüfung und Zucht- Hände großer kommerzieller Unternehmen gelangt wertschätzung anzuwenden. Es kann nicht angehen, wie wir ist. Eine solche Entwicklung entspricht nicht un- es zeitweilig erleben, daß jedes Land seine seren agrarpolitischen Vorstellungen. Wir möchten eigene Vorstellung entwickelt und wir gegenüber dem Ausland — ich glaube, das ist die einhellige Auffassung des in dieser Frage nicht mit der gleichen Ausschusses —, daß die Zucht soweit wie möglich Sprache sprechen. Nur wenn wir das durchführen, in der Hand der bäuerlichen Familien bleibt. Soweit wird es uns gelingen, nicht nur die tierische Pro- es erforderlich und wirtschaftlich notwendig ist, gibt duktion zu verbessern, wie es das Ziel dieses Ge- das Gesetz daneben genügend Raum für die Tätig- setzes ist, sondern gleichzeitig auch die Vermark- keit von sogenannten Zuchtunternehmen, die in tung unserer Produkte sicherzustellen. einigen Sparten der Tierzucht sicher nicht mehr (Beifall) wegzudenken sind.

Von dieser Randbemerkung nun aber zurück zum Vizepräsident Frau Funcke: Ich danke dem Herrn Kern des Gesetzes. Ich sagte es schon: das alte Berichterstatter. Gesetz ist seiner Aufgabe häufig nicht gerecht ge- worden, weil es in der Praxis falsch angewendet Ich rufe die §§ 1 bis 28 sowie Einleitung und wurde. Dieses Risiko besteht — zumindest im Be- Uberschrift auf. Wird das Wort dazu gewünscht? — reich der Körung — auch im neuen Gesetz. Um zu der Fall. Das ist nicht verhindern, daß auch das neue Tierzuchtgesetz bald in Mißkredit gerät, sollten bei der Körung Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustim- nach dem neuen Gesetz zumindest zwei Grundsätze men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. beachtet werden: — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. 1. Die Beurteilung von Vatertieren muß sich in erster Linie an dem zu erwartenden Zuchtwert Wir kommen zur für die jeweilige Rasse oder Gattung orientieren und darf formalistische Aspekte nur zweitrangig dritten Beratung. berücksichtigen. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter 2. Die Körentscheidungen sollten für den Vater- Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich tierhalter durch eine Begründung der zuständi- zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — gen Kommission verständlicher gemacht werden, Das Gesetz ist einstimmig angenommen. aus der ersichtlich ist, welcher oder welche nutzungsbeschränkenden Mängel für die Ableh- Wir kommen nunmehr zu Punkt 7 der Tages- nung eines Vatertieres maßgebend waren. ordnung: Eine weitere Gefahr für die Wirksamkeit dieses Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Gesetzes liegt in der Tatsache, daß es nicht nur desregierung eingebrachten Entwurfs eines Rechtsverordnungen des Bundesministers für Er- Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes nährung, Landwirtschaft und Forsten vorsieht, son- über den Finanzausgleich zwischen Bund und dern auch zahlreiche Rechtsverordnungen der Län- Ländern der. — Drucksache 7/4059 — 14366 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Vizepräsident Frau Funcke a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- mens befriedigt zu sein. Dabei verdient hervorgeho- schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ben zu werden, daß dieses Abkommen von der Ge- meinschaft einer Zeit ausgehandelt wurde, als sie — Drucksache 7/4399 — in selber eine schwere innere Krise durchmachte, die Berichterstatter: durch den englischen Wunsch auf Neuverhand- Abgeordneter Dr. von Bülow lungen und andere gravierende Probleme verursacht worden war. Trotz dieser inneren Schwierigkeiten b) Bericht und Antrag des Finanzausschusses der Gemeinschaft, trotz der Komplexität der Ver- (7. Ausschuß) handlungsmaterie, trotz der Probleme, die allein — Drucksache 7/4398 — schon durch die große Zahl der an den Verhandlun- gen beteiligten Staaten verursacht wurden, ist es Berichterstatter: gelungen, ein Abkommen auszuhandeln, das der Abgeordneter Röhling senegalesische Minister und amtierende Präsident (Erste Beratung 191. Sitzung) des Ministerrats der AKP-Staaten, Babacar BA, bei Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — der Unterzeichnung als revolutionär und einzigartig der Fall. Ich rufe in zweiter Beratung Das ist nicht in der Geschichte der Beziehungen zwischen Indu- die Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Uberschrift strieländern und Entwicklungsländern bezeichnet auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. hat.

Wer in der zweiten Beratung zuzustimmen Das Abkommen stellt in der Tat ein Vertragswerk wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — von außerordentlichem Ausmaß dar. Es ist von den — Enthaltungen? — Einstimmig so Gegenprobe! Vertretern von 55 Staaten mit einer Gesamtbevöl- beschlossen. kerung von 525 Millionen Menschen vereinbart worden. Es ist ein Modell für die Bestrebungen zur Ich rufe zur Schaffung einer gerechteren und ausgewogeneren dritten Beratung internationalen Wirtschaftsordnung. Es erweitert entscheidend den Aktionsradius der Europäischen auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Gemeinschaft und überspringt erstmals die von den Wer in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien er - bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Ent- zeugten außenpolitischen Präferenzen ihrer ehema- haltungen? — Einstimmig angenommen. ligen überseeischen Gebiete. Es zeigt schließlich, daß die Europäische Gemeinschaft zu wesentlichen Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung: eigenständigen politischen Aktivitäten in der Lage Zweite Beratung und Schlußabstimmung- des ist und nicht nur zwischen den Partikularinteressen von der Bundesregierung eingebrachten Ent- der einzelnen Mitglieder zerrieben wird. wurfs eines Gesetzes zu dem AKP-EWG-Ab- kommen von Lomé vom 28. Februar 1975 so- Angesichts dieser Ergebnisse ist die eineinhalb- wie zu den mit diesem Abkommen in Zusam- jährige Verhandlungsdauer nicht erstaunlich. Die menhang stehenden Abkommen Zahl der Partner war groß, und es galt, sehr unter historische, wirtschaftliche, kulturelle-schiedliche — Drucksache 7/4139 — und geographische Ausgangssituationen zu berück- sichtigen. Auch fielen die Verhandlungen in eine a) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Zeit bedeutender weltwirtschaftlicher Veränderun- schuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung gen: Rohstoffpreisveränderungen, Forderungen nach — Drucksache 7/4405 — einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, Berichterstatter. wachsendes Selbstbewußtsein der Dritten Welt bei Abgeordneter Carstens (Emstek) sehr schwierigen wirtschaftlichen Problemen in den Industriestaaten. Eine zusätzliche Herausforderung b) Bericht und Antrag des Auswärtigen Aus- an die Europäische Gemeinschaft war der solida- schusses (3. Ausschuß) rische Elan der AKP-Staaten, der die europäischen — Drucksache 7/4404 — Länder mehr als manches andere zu einer einheit- Berichterstatter: lichen Haltung gezwungen hat. Abgeordneter Dr. Corterier Lassen Sie mich zu einigen der wichtigsten Rege- (Erste Beratung 197. Sitzung) lungen des Abkommens von Lomé ein paar Bemer- Der Herr Berichterstatter wünscht das Wort. Bitte kungen anschließen. Die handelspolitische Zusam- schön, Herr Abgeordneter Corterier! menarbeit erhält einen sehr bedeutsamen neuen Aspekt durch die Nichtgegenseitigkeit der Handels - präferenzen. Die AKP-Staaten sind nicht verpflich- Dr. Corterier (SPD) : Frau Präsidentin! Meine Da- tet, den Europäern dieselben Handelsvorteile einzu- men und Herren! Ich möchte ein paar kurze Ergän- räumen, die sie selbst auf dem europäischen Markt zungen zu meinem Schriftlichen Bericht geben. genießen. Das ist gleichzeitig eine wesentliche Ent- Die Europäische Gemeinschaft ist in der letzten lastung für die Beziehungen der Europäischen Ge- Zeit gewiß nicht mit Erfolgen überhäuft worden. meinschaft zu den Vereinigten Staaten, wo die Um so mehr haben wir Anlaß, über den erfolgrei- Politik der Gegenpräferenzen immer wieder auf star- chen Abschluß des bedeutsamen AKP-EWG-Abkom ken Widerspruch gestoßen ist. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14367 Dr. Corterier Wegen der Erleichterung einer sinnvollen länger- staaten der Gemeinschaft an dem Abkommen we- fristigen Finanzplanung dürfte der vereinbarte Me- niger interessiert seien als die beteiligten Entwick- chanismus zur Stabilisierung der Ausfuhrerlöse für lungsländer. Dabei muß man auch berücksichtigen, ausgewählte Rohstoffe, der sogenannte STABEX, daß zwischen Unterschrift und Inkrafttreten des Ab für die AKP-Staaten von großer Bedeutung sein. Be- lediglich Interimsabmachungen gelten,-kommens sonders in den letzten Jahren haben geradezu gro- nach denen nur die Handelsregelungen des Ab- teske Preissprünge auf dem Rohstoffmarkt die In- kommens angewandt werden, während sämtliche vestitionsplanung und die Ausgewogenheit der öf- finanziellen Verpflichtungen für die Gemeinschaft fentlichen Finanzen in den Ländern erschwert, deren erst nach der Ratifizierung in Kraft treten. Unter Wirtschaft von einem schwach diversifizierten Ex- diesen Umständen ist es sehr zu begrüßen, daß der port von Rohstoffen und Grundstoffen abhängt. Aus Deutsche Bundestag das Abkommen so zügig be- einem von der Europäischen Gemeinschaft gespei- raten und damit einen Beitrag zu seiner raschen sten Fonds werden auf Grund des Abkommens in Zu- und völligen Inkraftsetzung geleistet hat. kunft Ausgleichszahlungen für solche Rohstoffe ge- Die politische Bedeutung leistet, deren Exporterlöse eine bestimmte Band- des Abkommens ist oft breite unterschritten haben. Diese Zahlungen müs- genug gewürdigt worden. Es hat den Beifall des größten Teils der Welt gefunden. Die sen zurückerstattet werden, wenn die Erlöse über EG-Staaten einem festgelegten Maximum liegen. haben mit diesem Abkommen gezeigt, daß sie zu gemeinsamen Aktionen fähig sind, die die Mög- Die industrielle Zusammenarbeit der Europäischen lichkeiten jedes einzelnen überstiegen hätten. Gemeinschaft mit den 46 Partnerländern wird einen hohen Rang einnehmen. Sie dient dem Ausbau und Ich bitte Sie, dem wichtigsten internationalen Vertrag, den die Europäische Gemeinschaft der Diversifizierung der industriellen Struktur in in den letzten Jahren abgeschlossen den AKP-Staaten sowie der Ausweitung ihrer Han- hat, zuzustimmen. deismöglichkeiten ebenso wie dem Transfer von (Allgemeiner Beifall) Technologien und der besseren Vermarktung von Gütern aus diesen Ländern. Zu diesen Zwecken sind Vizepräsident Frau Funcke: Ich danke dem Herrn der „Ausschuß für industrielle Zusammenarbeit" und Berichterstatter und rufe die Art. 1, 2, 3 sowie Ein das von ihm kontrollierte „Zentrum für industrielle und Uberschrift auf. — Das Wort hat der-leitung Entwicklung" gebildet worden. Abgeordnete Hofmann. Der Umfang der finanziellen und technischen Zu- sammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft mit Hofmann (SPD) : Frau Präsidentin! Meine sehr ver- den assoziierten Staaten der Dritten Welt steigt nach ehrten Damen und Herren! Mit dem Abkommen dem Abkommen um das Dreieinhalbfache,- obwohl von Lomé hat die EG, die in den letzten Jahren von sich die Zahl der Partner nur etwas mehr als verdop- mancherlei Stagnationserscheinungen befallen war, pelt hat. Die Gesamtaufwendungen des 4. Europäi- eine beachtliche Leistung erbracht. Dieses Abkom- schen Entwicklungsfonds, verteilt auf fünf Jahre, be- men ist der glückliche und hoffnungsvolle Kompro- tragen einschließlich der Mittel für die Europäische miß zwischen den Wünschen der 46 Staaten aus Investitionsbank 3,55 Milliarden Rechnungseinhei- Afrika, dem karibischen und pazifischen Raum und ten, zu denen die Bundesrepublik rund 26 % beisteu- den Möglichkeiten der neun Staaten in der Euro- ert. Dieser Anteil ist geringer als bei den vorausge- päischen Gemeinschaft. Trotz mancher Unkenrufe gangenen drei Entwicklungsfonds, wo er zwischen hat sich die Europäische Gemeinschaft als hand- 34,41 % und 33,16 % geschwankt hatte. lungsfähig erwiesen. Sie wurde ihrer weltweiten Hervorzuheben ist noch, daß nach dem Abkommen Verantwortung gerecht, und sie hat mit diesem Ab- die AKP-Staaten in modellhafter Weise an der Ver- kommen einen wesentlichen Beitrag zum Abbau waltung und Lenkung der Hilfe beteiligt werden. Sie des Entwicklungsgefälles zwischen Nord und Süd spielen sowohl bei der allgemeinen Ausrichtung der geleistet. Hilfe eine Rolle als auch bei der Realisierung einzel- Ebenso ist von den AKP-Staaten zu sagen, daß ner Projekte, d. h., die Programmierung der Hilfe, die sie trotz unterschiedlicher Interessen in erfreulicher Prüfung der Projekte, die Vorbereitung der Finan- Einigkeit die langwierigen Verhandlungen zu die- zierungsbeschlüsse, die Ausführung der Vorhaben zem Ergebnis brachten. Läßt man die Kräftever- und die Beurteilung ihrer Ergebnisse finden nicht hältnisse in der UNO nicht unbeachtet, so kann die- mehr ohne die Entwicklungsländer statt. Für die am ses Abkommen weltpolitische Bedeutung erlangen. wenigsten entwickelten Länder gibt es Sondermaß- Das Abkommen von Lomé ist schon ein erster nahmen. Die solidarische Berücksichtigung der Inter- Teilschritt zu den ökonomischen Umgangsformen in essen gerade der wirtschaftlich schwächsten Ent- der Welt. Mit ihm hat eine neue Etappe der Zu- wicklungsländer in dem Abkommen erscheint mir be- sammenarbeit zwischen sonders bemerkenswert. der EG und den 46 Län- dern der Dritten Welt begonnen. Mehr als eine Seit der Unterzeichnung des Abkommens am halbe Milliarde Menschen sind von diesem Abkom- 28. Februar 1975 haben die weitaus meisten AKP men betroffen, das als das bisher bedeutendste ent- in rascher Folge ratifiziert.-Staaten das Abkommen wicklungspolitische Vertragswerk der Europäischen Der Prozeß der Ratifikation hat sich auf der Seite Gemeinschaft gelten darf. Es setzt die Tradition der der Gemeinschaftsstaaten sehr viel langsamer voll- Zusammenarbeit von Europäischer Wirtschafts- zogen . Dies hat hie und da zu Kritik geführt und gemeinschaft und afrikanischen Staaten aus den teilweise auch zu dem Eindruck, daß die Mitglied Assoziierungsabkommen von Jaunde mit vorwie- 14368 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Hofmann Bend französischsprechenden Ländern Afrikas fort die Gemeinschaft den AKP-Staaten die gleiche Be- und bringt einige völlig neue Elemente, nachdem handlung, die die Mitgliedstaaten untereinander an- durch den Beitritt Großbritanniens auch eine große wenden. Zahl von Commonwealthstaaten hinzugekommen Das System der Exporterlösstabilisierung bringt sind. einen Vorteil für alle die Länder, deren Volkswirt- schaft in besonders starkem Maße vom Export be- Vizepräsident Frau Funcke: Herr Kollege, gestat- stimmter Grundstoffe in die Gemeinschaft abhängt. ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordne- Mit Hilfe eines Ausgleichsfonds werden sie gegen ten Todenhöfer? — Bitte! Preis- und Mengenschwankungen abgesichert. Die Entwicklungsländer können dadurch sicherer planen Dr. Todenhöfer (CDU/CSU) : Herr Kollege, wie ver- und können beruhigter an die wirtschaftliche Auf- stehen Sie Ihre Aussage, daß dieses Abkommen bauarbeit gehen. Mit dieser Stabilisierung der Aus- weltpolitische Bedeutung erlangen werde? fuhrerlöse wird ein Neuland bei der Zusammen- arbeit zwischen Industriestaaten und Dritter Welt beschritten, und beide Seiten können nur hoffen, Hofmann (SPD) : Herr Kollege Todenhöfer, ich daß die großen Erwartungen, die man darauf setzt, komme noch darauf; ich will es aber gleich vorweg- in Erfüllung gehen. nehmen. Wenn man bedenkt, daß etwa mit der Hälfte der UNO-Staaten ein Vertrag geschlossen Ich glaube, Herr Kollege Dr. Todenhöfer, Ihnen wurde, kann man von weltweiter Bedeutung schon ist ebenso wie uns allen bekannt, daß ein großer Teil sprechen. der AKP-Staaten in besonders starkem Maße vom Export bestimmter Grundstoffe, genauer gesagt: von Mengen- und vor allem von Preisschwankungen Vizepräsident Frau Funcke: Gestatten Sie eine abhängig ist. Deshalb diese Exporterlösstabilisie- weitere Frage des Herrn Abgeordneten Toden- rung. Das Auf und Ab der Weltmarktpreise bestimmt höfer? — Bitte! das Wohl und Wehe dieser Staaten. Einige Beispiele mögen die Abhängigkeit ver- Dr. Todenhöfer (CDU/CSU) : Herr Kollege, bedeu- deutlichen: In Burundi entfallen 86 % des Exports tet das, daß Sie der Auffassung sind, daß gerade auf Kaffee. 69 % der Warenausfuhr des Tschads dieses spezielle Modell später weltweit angewendet sind Baumwolle. Die Ausfuhr von Erdnüssen und werden sollte? Erdnußerzeugnissen beträgt für Gambia 94 % . Die Liste der Waren in diesem Abkommen um- Hofmann (SPD) : Es gibt Ansätze dazu. Wir hoffen, - faßt 12 Hauptgüter und einige Nebenprodukte, zu daß dies wirklich ein Modell zur weiteren Entwick- Erzeugnisse, von denen jedes individuell-sammen 29 lung über die bisherigen 46 Staaten hinaus ist. gesichert ist. Zum erstenmal einigen sich Industrie- (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Auch im Be länder und Grunderzeugnisse exportierende Ent- reich der Exporterlösstabilisierung?) wicklungsländer auf ein System, das den Entwick- — Herr Kollege Todenhöfer, wir haben im Aus- lungsländern eine bestimmte Höhe der Ausfuhr- schuß sehr deutlich gesagt, daß dies Anfänge sind. erlöse garantiert. Das ist eine konkrete Antwort Wir hoffen, daß dadurch beiden Seiten, den AKP auf das Anliegen, die grundstoffproduzierenden Län- Staaten wie uns, die Möglichkeit gegeben wird, den der und die grundstoffverbrauchenden Länder in Menschen mehr als bisher zu helfen. eine gleichgewichtigere und, wie wir hoffen, har- monische Beziehung zueinander zu bringen. (Beifall bei der SPD) Das Ergebnis ist auch in diesem Teilbereich ein Die entscheidende handelspolitische Änderung ist Kompromiß. Nach unserer Sicht ist es ein vertret- der Verzicht der Europäischen Gemeinschaft auf barer Kompromiß, bei dem hervorzuheben ist, daß eine Präferenzbehandlung auf den Märkten der statt der ursprünglich vorgeschlagenen unbegrenz- AKP-Staten. Die Partner haben nunmehr die Mög- ten Kreditlinie nun eine feste Obergrenze vorge- lichkeit, gegenüber der EG zollschützende Maß- sehen ist. Für die AKP-Staaten ist es der Kernpunkt nahmen zugunsten ihrer Industrie zu ergreifen, wo- des Abkommens, an den größte Erwartungen ge- mit der Förderung ihres Industrialisierungsprozesses knüpft werden. wie der Ausweitung ihres Handels in besonderem Maße Rechnung getragen wird. Dieser Verzicht auf Das Stabilisierungssystem wird mit einem Ge- Gegenpräferenzen war ein besonderes Anliegen samtwert von 375 Millionen Rechnungseinheiten für unserer Bundesregierung, die seit Beginn der EG die Laufzeit des Abkommens ausgestattet. Die in internen Vorarbeiten darauf hinwirkte, diese For- Durchführungs- und Berechnungsmechanismen, die derung der AKP-Staaten zu realisieren. Dabei wurde Abhängigkeitsschwelle und Auslöseschwelle brin- aber auch festgehalten, daß die AKP-Staaten die EG gen für die am wenigsten entwickelten Länder nicht schlechter als dritte Industriestaaten behan- Vorzugsregelungen. deln dürfen. Die Gemeinschaft ist bei der Abnahme von Zuk- Fast alle Waren mit dem Ursprung in den AKP ker noch einen Schritt weitergegangen. Sie ver von Zöllen-Staaten haben unter Befreiung und Ab- sich, die festgesetzte Zuckermenge von-pflichtet gaben gleicher Wirkung Zugang zum Markt der Ge- maximal 1,4 Millionen Tonnen jährlich zum EG meinschaft. Durch diese Bestimmungen garantiert Preis abzunehmen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14369 Hofmann Für den gesamten EG-Agrarmarkt wird durch-einander das zusammenzuarbeiten zur Linderung der Abkommen von Lomé den AKP-Staaten gegenüber Not, zum Aufbau eines friedlichen Interessenaus- anderen Drittländern eine verbesserte Zugangsmög- gleichs. Wir sind zuversichtlich, daß dieses histo- lichkeit bei Agrarwaren geschaffen. Für fast alle rische Abkommen ein wichtiger Schritt bei dem Be- wichtigen Agrarausfuhren der AKP-Staaten werden mühen ist, die über eine halbe Milliarde Menschen bestimmte Erleichterungen eingeräumt. der 55 Länder näher zusammenzuführen. Der Ausbau der industriellen Zusammenarbeit Ich darf abschließend der Bundesregierung dan- war ein besonderes Anliegen der AKP-Länder. Die ken, daß sie bei all den langen und zuweilen harten Bedeutung dieses Abschnitts im Abkommen erklärt Verhandlungen stets im Interesse der Partnerschaft sich auch aus der Tatsache, daß die AKP-Staaten wirkte und sich auch durch die permanente Kritik ein Memorandum dazu vorgelegt haben. In einem im eigenen Lande nicht davon abbringen ließ, zur gesonderten Teil werden die einzelnen Aktionsge- Verständigung der Völker erneut beizutragen. biete umrissen. Die praktische Durchführung der Wir wünschen, daß dieser Vertrag mit Leben er- industriellen Zusammenarbeit wird auch — und vor füllt wird und die darin enthaltenen Ziele bald er- allem — von den verfügbaren Mitteln abhängen, reicht werden. Daher sagen wir ja zu diesem Ab- wie auch von der aktiven Mithilfe der Privatwirt- kommen. schaft. (Beifall bei der SPD und FDP) In der Zusammenarbeit will man sich auf zwei be- sondere Organe stützen. Es ist der Ausschuß für in- Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- dustrielle Zusammenarbeit, der Anstöße geben soll, geordnete Roser. und ein Zentrum für industrielle Entwicklung, das gemeinsam von den AKP-Staaten und der Gemein- Roser (CDU/CSU) : Frau Präsidentin! Meine sehr schaft verwaltet werden wird. Die hauptsächliche verehrten Kollegen! Angesichts der Tatsache, daß Aufgabe dieses Zentrums wird die Industrieinfor- dieses Abkommen über eine halbe Milliarde Men- mation, die Herstellung von Kontakten und die In- schen betrifft, davon 275 Millionen allein in Ent- dustrieförderung sein. Es wird dabei nicht ohne die wicklungsländern, angesichts der Tatsache — Herr regionale Zusammenarbeit unter den Entwicklungs- Kollege Hofmann, Sie haben darauf hingewiesen —, ländern selbst gehen. Zahlreiche kleine Entwick- daß fast die Hälfte der Partnerstaaten der EG Ent- lungsländer haben innerhalb ihrer Grenzen lang wicklungsstaaten sind, sehen wir in diesem Abkom- nur geringe Chancen, sich zu entwickeln. Ihre-fristig men einen bedeutenden Akt der Wahrnehmung der Möglichkeit liegt mehr in der regionalen Zusam- Verantwortung der Europäischen Gemeinschaft für menarbeit, die zur Verringerung des Entwicklungs- die Dritte Welt. Wir unterstützen sowohl den Aus- abstands zwischen den Entwicklungsstaaten einer- bau einer eigenständigen Entwicklungspolitik der seits und den Industrieländern andererseits beitra- Europäischen Gemeinschaft als auch eine — das ist gen soll. Erfreulicherweise sind 10 % der Finanz hier noch nicht hinreichend vorhanden — weltweite neuen Entwicklungsfonds für solche Pro--mittel des Öffnung der Europäischen Gemeinschaft in entwick- jekte und Programme vorgesehen. lungspolitischer Hinsicht. Diesem Ausbau der regionalen Integration dient Insofern wird mit dem Abkommen von Lomé eine auch die kumulative Ursprungsregelung. Die Ge wenigstens seit fünf Jahren ausgesprochene Forde- dem zugestimmt, damit die AKP--meinschaft hat rung der CDU/CSU-Fraktion zumindest teilweise Länder als Einheit behandelt werden können, so verwirklicht. Dabei kann die Bundesregierung ge- daß die Be- und Verarbeitung in mehreren Stufen wiß sein, daß wir jeden vernünftigen Schritt in Rich- in verschiedenen AKP-Staaten erfolgen kann. tung „mehr Europa" nachdrücklich und tatkräftig Die Finanzierung erfolgt durch die Mitgliedstaa- unterstützen werden, vor allem, wenn er eine Kon- ten. Die verfügbaren Mittel werden 3,7mal größer kretisierung weltweiter Verantwortung für die Ent- sein als bei den vorhergehenden Abkommen und wicklungsländer bedeutet. über 10 Milliarden DM betragen. Davon hat die Das Abkommen von Lomé selbst ist ja im feder- Bundesrepublik Deutschland rund 26 % aufzubrin- führenden Ausschuß und in den mitberatenden gen, ebenso Frankreich. Englands Beitrag liegt bei Ausschüssen ausgiebig beraten und erörtert worden. 18,75 %. Das Novum bei diesem Kapitel ist die ver- Insofern kann es hier nur darum gehen, einige An- mehrte Verantwortung der AKP-Staaten. Sie wer- merkungen zu machen, einige Erwartungen und, den am Entscheidungsverfahren über die Mittelver- wenn nötig, auch einige Bedenken auszusprechen. gabe in stärkerem Maße als bisher beteiligt werden. Erstens. Die Europäische Gemeinschaft hat bereits „Das Vertragswerk ist ein Stück Vernunft in die- vor Jahren das System der Handelspräferenzen für ser Welt", schrieb die „Frankfurter Allgemeine". die Entwicklungsländer eingeführt. Dies war eine Gewiß, es werden damit nicht alle Probleme auf ein- entwicklungspolitische Maßnahme von ebenso ent- mal gelöst. Dennoch, das Abkommen ist in der Ge- scheidender wie beispielhafter Bedeutung. Gemäß schichte der Beziehungen zwischen Nord und Süd dem AKP-Abkommen werden nun die Waren mit ohne Vorbild. Es ist ein Modell. Die Europäer haben Ursprung in diesen Staaten grundsätzlich einen von es verstanden, mit fast der Hälfte der UNO-Mit- Zöllen und ähnlichen Abgaben sowie mengenmä- gliedstaaten eine Partnerschaft zu erreichen. Als ßigen Beschränkungen freien Zugang zum Markt der Gleichwertige, als Unabhängige und Selbständige Europäischen Gemeinschaft haben. Das betrifft im- haben sie beschlossen, ohne Vorbedingungen mit merhin 94 % der derzeitigen Ausfuhr dieser Staa- 14370 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Roser ten auf den europäischen Markt. Umgekehrt gilt produktion kommen wird. Mich würde sehr inter- dies nur — das halten wir für wichtig — einge- essieren, wie das ausgeschlossen werden soll. schränkt: Die AKP-Staaten können zum Schutz ihrer Zum anderen ist zu fürchten, daß dieses System industriellen Produkte, ihres industriellen Aufbaus sich diversifizierungsfeindlich auswirken könnte. die notwendigen tarifären Maßnahmen einleiten und Ein Huhn, das zwar nur Minieier legt, die am Ende ergreifen. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt dies aus- aber doch vergoldet werden, schlachtet man nicht drücklich. Der Verzicht auf Gegenpräferenzen gerne. Zur Erhaltungssubvention sollte, so meinen scheint uns außerordentlich wichtig zu sein. Wir wir, diese Erlösstabilisierung jedenfalls nicht wer- beurteilen gerade diese Regelung — deswegen den; denn damit würde sie in ihr Gegenteil verkehrt. komme ich in Ergänzung der Aussagen des Bericht- gibt ja wohl auch im europäischen Raum gewisse erstatters noch einmal darauf zu sprechen — als Be- Es einschlägige negative Erfahrungen. Wir möchten je weis dafür, daß auch innerhalb der bestehenden nicht haben, daß es zur Zementierung ein--denfalls freien Weltwirtschaftsordnung schwächeren Wirt- seitiger, ohnehin nicht günstiger Strukturen in den schaftspartnern gegenüber durch systemkonforme Entwicklungsländern mittels dieser Stabilisierungs- Maßnahmen der notwendige Schutz gewährt wer- systematik kommen könnte. den kann. Das ist für uns entscheidend. Wir halten diese Regelung für ein wichtiges Element einer so- Man wird im übrigen sehr aufmerksam beobach- zial ausgestalteten, aber im Prinzip freien Weltwirt- ten müssen, welche Erlöse überhaupt stabilisierens- schaftsordnung. wert sind. Zudem scheint die Anbindung des Systems der Ausgleichszahlungen an einzelne Pro- Zweitens. Zum ersten Mal wird in einem inter- dukte und nicht an den Gesamterlös der jeweiligen nationalen Vertrag zwischen Industrie- und Ent- Volkswirtschaft besonders problematisch zu sein. wicklungsländern die besondere Bedeutung der re- Wir hätten es für besser gehalten, wenn man an gionalen Zusammenarbeit — darauf ist bislang noch an den nicht hingewiesen worden — für die wirtschaftliche den Gesamterlös angeknüpft hätte und nicht Entwicklung dieser Länder formuliert. Ein Zehntel Einzelprodukterlös, natürlich aufgerechnet innerhalb einiger Jahre. der für die Entwicklung dieser Staaten vorgesehe- nen Mittel ist dafür reserviert. Auf diese Weise Daß es nicht möglich war, eine Erfolgskontrolle soll die Schaffung größerer und auch leistungsfähi- der an die begünstigten Länder abfließenden Mittel gerer Märkte erreicht werden. Wir erwarten aller- vertraglich sicherzustellen, muß wohl auch entwick- dings gerade hier gezielte Aktivitäten der Bundes- lungspolitisch als bedenklich betrachtet werden. Wir regierung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft hätten gerade eine solche Regelung als Ausdruck und natürlich auch der beteiligten Staaten und einer aufrichtigen Partnerschaft besonders begrüßt. Staatengruppen, um die es sich hier handelt.- In dem Abkommen heißt es demgegenüber sehr lapidar: „Der begünstigte Staat beschließt über die Drittens. Das entscheidende Instrument zum Voll- Verwendung der Mittel selbst." zug dieses Abkommens in technischer und finan- zieller Hinsicht ist der Europäische Entwicklungs- Es ist im übrigen auch zu fragen, ob die Ausstat- fonds. Dieser Europäische Entwicklungsfonds hat tung des Finanzplafonds mit 350 Millionen Rech- sich seit seinem Bestehen — auch darauf sollte bei nungseinheiten hinreichend ist oder ob es à la dieser Gelegenheit einmal hingewiesen werden — longue nicht doch zu wiederholten Aufstockungen im Gegensatz zu mancher anderen multilateralen kommen wird, was sicher zunächst einmal nicht be- Einrichtung vergleichsweise sehr bewährt. Er wird absichtigt sein kann. in diesem Zusammenhang mit zirka 10 Milliarden Um das Ganze zu verdeutlichen: Wir sind nicht DM ausgestattet werden. Die CDU/CSU-Fraktion be- gegen die Bereitstellung der hier in Frage stehen- grüßt es, daß die Europäische Gemeinschaft auch den Mittel, aber wir meinen, daß ein entwicklungs- insofern besondere entwicklungspolitische Gesichts- politisch klar definierter Verwendungszweck hätte punkte berücksichtigt hat, als etwa die Hälfte der verankert werden müssen, auch gegenüber dem ein- AKP-Partner, nämlich die, die besonders bedürftig zelnen Land. sind, spezielle Bedingungen und spezielle Berück- sichtigung erfahren sollen. Auch hierin dokumen- Diese Bedenken und einige andere, die sich z. B. tiert die EG ihren Willen zu einer aktiven ent- auf das neue Informationszentrum, für das man im wicklungspolitischen Tätigkeit. Augenblick schon etwas verzweifelt Aufgaben sucht, sowie auf einige Agrarfragen beziehen, sind Es ist bereits wiederholt darauf hingewiesen wor- es gewesen, welche die CDU/CSU veranlaßt haben den, daß das wesentlichste Element des Vertrages in — sie hat dabei die Zustimmung der übrigen Aus- der Einführung eines bestimmten Systems der Sta- schußmitglieder gefunden —, die Bundesregierung bilisierun g der Erlöse liegt, die die Entwicklungs- aufzufordern, dem Bundestag möglichst bald über länder durch den Verkauf ihrer Produkte erzielen. die Auswirkungen des Abkommens, insbesondere Hier freilich können wir erhebliche Bedenken nicht im Blick auf das System der Erlösstabilisierung, Be- verschweigen. Ich möchte allerdings von vornherein richt zu erstatten. sagen, daß ich nur hoffen kann, daß die Bedenken Damit aber auch hier keine Mißverständnisse ent- und Befürchtungen durch eine günstigere Entwick- stehen, möchte ich noch einmal betonen: Die lung ausgeräumt werden. vorgetragenen Bedenken richten sich gegen das hier Es kann z. B. nicht ausgeschlossen werden, daß vorliegende System, nicht gegen eine Erlösstabili- es in den Entwicklungsländern zu erheblicher Ü ber sierung im Prinzip. Im Gegenteil: Wir sehen in der Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14371 Roser Erlösstabilisierung, und zwar in vernünftigen Rege- Dieser Vertrag ist im zuständigen Ausschuß aus lungen hierzu — wohlgemerkt: in der Erlösstabili- beraten worden und hat dort breite Zustim--giebig sierung und nicht in der Preisstabilisierung —, ein mung erfahren. Er liegt jetzt als Ganzes dem Parla- wichtiges, ich möchte am liebsten sagen: das wich- ment zur Ratifizierung vor. tigste Instrument zur gerechten Gestaltung einer Das Ja der FDP dazu ist ein sehr überzeugtes Ja, sozialen, freien Weltwirtschaftsordnung. weil der Vertrag ein Beitrag in der richtigen Rich- Zusammenfassend darf ich sagen: Trotz der eben tung zur Fortentwicklung der weltweiten Wirt- genannten Bedenken begrüßen wir das Abkommen schaftsbeziehungen in der Weise ist, wie es auch auf von Lomé erstens als Kompromiß zur Verhinderung der Siebenten Sonderkonferenz der Vereinten Natio- von Konfrontation, zweitens als einen Beitrag für nen in der Schlußakte deutlich bekundet wurde. einen praktischen und auch in der Praxis vollzieh- Auch macht dieser Vertrag sehr nachdrücklich die baren Interessenausgleich zwischen den Entwick- Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit der Euro- lungsländern und den Industriestaaten und drittens päischen Gemeinschaft deutlich, einen sinnvollen schließlich als akzeptablen Ausgangspunkt für zu Beitrag zum Abbau des epochalen Nord-Süd-Wirt- Kooperation. Zugleich aber fordern wir die-künftige schaftsgefälles zu leisten. Bundesregierung auf, strictissime darauf zu achten, Es ist ein Schritt zu gemeinsamer und, wie ich daß dieses vorliegende System der Erlösstabilisie- meine, dringend erforderlicher europäischer Außen- rung nicht zum weitergehenden internationalen Mo- politik in dem so wichtigen politischen Gestaltungs- dell zu einem Zeitpunkt wird, zu dem man seine bereich der Entwicklungspolitik. Wir alle können Auswirkungen auf die Entwicklungsländer selbst eigentlich nur wünschen, daß sich diese geschlossene und auf die weltwirtschaftliche Ordnung noch nicht Handlungsfähigkeit im Bereich der Entwicklungspo- klar abschätzen kann. Da fehlen uns noch Erkennt- l itik vielleicht auch für den Bereich der Energiepoli- nisse. Herr Kollege Hofmann, ich kann nur hoffen, tik auswirken möge, ganz gewiß aber auch für an- daß Sie dem zustimmen. Ich habe Ihre Aussage vor- dere Bereiche, die man als Beispiel zitieren könnte. hin etwas anders verstanden, fast möchte ich sagen: verstehen müssen. Dieser Vertrag ermöglicht Hilfe zur Selbsthilfe in einer Form, die wir von der FDP besonders begrü- Wir verbinden mit dem AKP-Abkommen schließ- ßen, weil hier gute Voraussetzungen für alle die lich die Erwartung, daß die Europäische Gemein- Staaten gelegt werden, die bereit sind, selber die schaft alsbald Anlaß haben wird, weitere Schritte in Ärmel hochzukrempeln und nicht nur an der Klage Richtung auf weltweite europäische Entwicklungs- zu stehen. -mauer politik, insbesondere bezogen auf den lateinameri- kanischen Kontinent, zu unternehmen. Denn auch Sowohl nach der Zahl der an ihm beteiligten Län dieses Abkommen soll nach unserer Meinung dazu als auch nach seinen Inhalten stellt dieser Ver -der beitragen, die Kluft zwischen den Industrie- und eine sehr deutliche Verbesserung der Assozia--trag Entwicklungsländern zu überbrücken. tionsabkommen von Jaunde und Aruscha dar. Die Das Abkommen von Lomé ist erwachsen aus den wesentlichen Ziele, die ich hier noch einmal erwäh- historischen Beziehungen zwischen den Mitglied- nen und mit einigen Bemerkungen skizzieren staaten der Europäischen Gemeinschaft und den möchte, sind Regelungen im Handelsbereich, Rege- hier in Rede stehenden 46 Staaten, konkret veran- lungen im Bereich der industriellen Kooperation, der l aßt durch den Beitritt Großbritanniens zur Euro- Erlösstabilisierung im Außenhandel sowie der finan- päischen Gemeinschaft. Nun muß darauf geachtet ziellen und technischen Zusammenarbeit. werden, daß nicht ein Graben zwischen denen, die Zweifelsohne ist die fundamentale Neuerung im sozusagen drinnen sind — im Abkommen, in den Handelsbereich die des freien und ungehinderten Vertragsregelungen, in allen Vergünstigungen —, Zugangs zum europäischen Markt. Das umschließt und denen, die, jedenfalls zur Zeit, noch draußen bis auf sehr wenige Marktordnungsprodukte den ge- sind, auf die sich das Abkommen nicht bezieht. samten Agrarbereich. Dieser freie Marktzugang, der Die CDU/CSU empfiehlt Zustimmung zu diesem ohne Gegenpräferenz von der Europäischen Gemein- Vertrag. schaft gewährt wird, gibt den AKP-Staaten die Mög- (Beifall bei der CDU/CSU) lichkeit, in der Regel über 90 % ihrer Ausfuhren ohne Hemmnisse durch Zölle oder Kontingente auf den Markt der Europäischen Gemeinschaft zu brin- Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat der Ab- gen. Dies wird noch durch eine kumulative Ur- geordnete Zywietz. sprungsregelung erleichtert, die alle AKP-Staaten zolltechnisch als eine Einheit sieht und bewertet. Zywietz (FDP) : Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Vertragsentwurf in der Wir meinen, daß diese Form der Hilfe durch Han- Drucksache 7/4139 ist das Ergebnis der gemeinsamen del eine sehr begrüßenswerte Form der Unterstüt- Bemühungen der Vertragsparteien zwischen der fei- zung für die Entwicklungsländer darstellt. Wir mei- erlichen Eröffnungssitzung in Brüssel am 25./26. Juli nen aber auch, daß wir klaren Auges sehen müssen, 1973 und der Abschlußveranstaltung am 28. Februar daß dies zu wirtschaftlichen Strukturveränderungen in der togolesischen Hauptstadt Lomé. Die FDP be- führen muß. Dies ist ein gewolltes Ergebnis, dem grüßt dieses AKP-Abkommen, dessen Vertragspart- man sich auch dann wird stellen müssen, wenn es ner 46 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik hier und da einmal unbequem sein sollte. einerseits und die Staaten der Europäischen Gemein- Herzstück des Abkommens ist die Einrichtung schaft andererseits sind. eines Fonds zur Erlösstabilisierung von Rohstoffen 14372 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Zywietz und Produkten, die für die Deviseneinnahmen der Vizepräsident Frau Funcke: Das Wort hat Herr Entwicklungsländer von besonders hervorgehobener Staatsminister Wischnewski. Bedeutung sind. Dies ist nach dem Vertrag dann der Fall, wenn ein Exportgut mehr als 7,5 % der gesam- Wischnewski, Staatsminister beim Bundesminister ten Ausfuhrerlöse ausmacht. Wir begrüßen die vor- des Auswärtigen: Verehrte Frau Präsidentin! Meine geschlagene Regelung, weil sie die jeweiligen Staa- Herren! Die Bedeutung des Abkommens verlangt ten in eine bessere Lage versetzt, die Risiken einer einige Bemerkungen und Aussagen der Bundesregie- ordentlichen Haushalts- und Finanzpolitik, der Wirt- rung. Außerdem, Herr Kollege Roser, bin ich Ihnen schaftspolitik schlechthin, wenn man so will, erheb- eine Antwort schuldig. lich zu reduzieren. Wir halten eine Fondslösung für besser als den Versuch, sichere und möglichst stei- Das Abkommen von Lomé regelt die wirtschaft- gernde Einnahmen möglicherweise durch das Instru- lichen und entwicklungspolitischen Beziehungen der mentarium einer Preisindexierung durchsetzen zu Europäischen Gemeinschaft mit 46 Entwicklungs- wollen. Wir sehen in diesem Versuch der Erlösstabi- ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik. Es lisierung durch einen Fonds auch eine entwicklungs- stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung auf politische Komponente, die wir nur begrüßen kön- eine europäische Außen- und Entwicklungspolitik nen. dar. Mit ihm tritt Europa mit einem großen Teil der Dritten Welt in eine neue Beziehung, die auf einen Zweifelsohne muß festgehalten werden, daß mit friedlichen Ausgleich und Austausch gerichtet ist. diesem Instrumentarium Neuland betreten wird. Keiner kann mit letzter Sicherheit sagen, ob diese Die Bundesregierung wertet es deshalb gemein- Instrumente zur Zufriedenheit aller daran Beteilig- sam mit ihren Partnern in der Gemeinschaft als ten greifen werden. Insofern wird eine sehr nüch- einen vollen Erfolg, daß es gelungen ist, in andert- terne Beobachtung der Wirkungen in der Praxis halbjährigen Verhandlungen die Beziehungen zu zweifelsohne vonnöten sein. Allerdings muß auch den bisher durch die Abkommen von Jaunde und hinzugefügt werden, daß bislang keine besseren In- Aruscha assoziierten und den im Protokoll 22 des strumente haben angeboten werden können. Beitrittsvertrages genannten CommonwealthLän- dern sowie weiteren sechs afrikanischen Staaten (Dr. Todenhöfer [CDU/CSU] : Herr Zywietz, einheitlich zu regeln und auf eine neue Basis zu das ist sicherlich nicht richtig!) stellen. Das Verhandlungsergebnis ist ein fairer Kompromiß zwischen den Wünschen der einen und Inwiefern die hier angedeuteten Gefahren einer den Möglichkeiten Uberproduktion oder einseitiger Wirtschaftsstruktu - der anderen Seite. ren auftauchen, wird, glaube ich, nicht unbeachtlich Zwei Aspekte des Abkommens von Lomé, durch davon abhängen, welches Wirtschaftssystem man die es sich in seiner Dimension und politischen bei dem jeweiligen Staat vor Augen hat, und wird, Tragweite erheblich von den vorausgegangenen Ab- meine ich, sofern Gefahren überhaupt vorhanden kommen von Jaunde und Aruscha unterscheidet, sein sollten, zumindest auch durch die Höhe — sie möchte ich besonders hervorheben: wird immer begrenzt bleiben — eines solchen Fonds eingeschränkt werden. Ob das angesichts der ange- Erstens die große Zahl der betroffenen Entwick- deuteten Fragen ausreichend ist, wird man nach mei- lungsländer. Das Abkommen wurde von fast der ner Auffassung zu beobachten haben. Aber ich Hälfte aller Entwicklungsländer unterzeichnet; dar- könnte mir denken, daß der eingeschlagene Weg, unter befinden sich 24 der am wenigsten entwickel- wenn nicht insgesamt, so doch vielleicht in wesent- ten Länder der Welt. lichen Teilen — das wäre eigentlich nur zu wün- Zweitens den umfassenden, teilweise neuartigen schen — modellhaften Charakter für die Lösung der entwicklungspolitischen Ansatz des Abkommens. vorhandenen Probleme haben könnte. Das Abkommen enthält viele wegweisende Elemen- te, z. B. den entwicklungspolitisch begründeten Ver- Wir von der FDP stimmen dieser Vorlage zu, die zicht auf die Einräumung von Gegenpräferenzen, der wir deshalb für den bedeutsamsten internationalen erfreulicherweise erwähnt worden ist, das System Vertrag der Europäischen Gemeinschaft halten, weil der Erlösstabilisierung, die industrielle Kooperation dieses Vertragswerk, wie wir meinen, gut geeignet und schließlich auch die Förderung der regionalen ist, die Beziehungen zwischen Entwicklungsländern Zusammenarbeit, die meines Erachtens von ganz und der Europäischen Gemeinschaft weg von Kon- entscheidender Bedeutung ist. frontation und ein wenig mehr hin zur Kooperation gestalten zu helfen. Darum ist es gut, daß dieser Politisch trägt das Abkommen mit 46 AKP-Staaten Vertrag bald in Kraft treten kann. Wir wollen das zum Abbau der Konfrontation zwischen Industrie - Unsere dazu beitragen. und Entwicklungsländern bei. Der institutionelle Rahmen des Abkommens bietet die Möglichkeit re- Ich kann es mir allerdings nicht versagen, mein gelmäßiger und enger Kontakte. Daraus ergibt sich Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, daß die Chance besseren gegenseitigen Verständnisses hier — wie in der vergangenen Woche auch und der Förderung der Beziehungen auf mehreren diesmal wieder vor ziemlich leerem Hause wesent- Ebenen. Für das Verhältnis Europas zu den Ent- liche entwicklungspolitische Debatten geführt und wicklungsl ändern ist das ein ganz entscheidender Beschlüsse gefaßt werden müssen. Vorzug. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Das Abkommen ist auch ein Fortschritt auf dem Abgeordneten der CDU/CSU) Wege der europäischen Integration. Es integriert Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14373 Staatsminister Wischnewski einen wesentlichen Bereich unserer Entwicklungs- dies mit großer Aufmerksamkeit und hat gerade politik in die Gemeinschaft. Der Vertrag von Lomé in der vergangenen Woche mit der Arbeitsgemein gestattet der Gemeinschaft, bei internationalen Ver- „Entwicklungsländer" der deutschen Wirt--schaft handlungen mit Entwicklungsländern eine wichtige schaft ein Gespräch über die Möglichkeiten der Zu Rolle als Gesprächspartner zu spielen. Für die wei- auf diesem Gebiet geführt. -sammenarbeit tere Entwicklung und die weltpolitische Bedeutung der Europäischen Gemeinschaft ist es bedeutsam, Ubrigens würde ich generell nicht die Behaup- daß sie mit rund einem Drittel der Mitglieder der tung aufstellen, daß es keine Kontrolle gebe. Kon- Vereinten Nationen besondere Beziehungen aufge- trolle ist ein schlechtes Wort in der Zusammen- nommen hat. Der Vertrag von Lomé hat das An- arbeit zwischen Industrieländern und Entwicklungs- sehen der Gemeinschaft in der Dritten Welt — und l ändern. Ich würde eher von guter Zusammenarbeit damit alle, die dazu beigetragen haben, daß es zu- sprechen. Herr Kollege Roser, Sie wissen doch aus stande gekommen ist — deutlich gestärkt. eigener Erfahrung, daß die Europäische Gemein Ländern, mit denen sie in einem be--schaft in den Das Abkommen ist eines der fortschrittlichsten sonderen Kontakt steht, besondere Vertretungen Vertragswerke zwischen Industrie- und Entwick- hat, die sich ausschließlich um diese Fragen küm- lungsländern überhaupt. Es kommt den entwick- mern. Ich finde, das ist die vernünftige Basis für lungspolitischen Zielsetzungen und Bedürfnissen un- eine Zusammenarbeit. Dann kann man das böse serer Partner entgegen. Deshalb kann man das Ab- Wort „Kontrolle" im Verhältnis zwischen Industrie kommen als Modell für die Beziehungen entwickel- und Entwicklungsländern vermeiden. -ländern ter Länder zu Entwicklungsländern betrachten. Wirt- schaftlich und entwicklungspolitisch weist das Ab- (Roser [CDU/CSU]: Aber es heißt ja „Kon kommen neue Wege. Uber den wesentlichen Inhalt trolleur der EG'!) ist hier bereits gesprochen worden. Ich kann es mir — Er heißt lange nicht mehr so. Wir haben ja auch deshalb ersparen, Weiteres darüber zu sagen. kein Assoziierungsabkommen mehr, sondern ent- Ich möchte aber noch einige Bemerkungen zur sprechend der veränderten Situation andere Begriffe Erlösstabilisierung machen. Das neue System soll mit anderem geistigen Inhalt. Das ist gut für das die oft sehr schwerwiegenden Folgen plötzlicher Abkommen. erheblicher Rückgänge der Ausfuhreinnahmen ge- rade bei den weniger entwickelten Ländern mildern. Zusammenfassend möchte ich hervorheben, daß Die Deviseneinnahmen dieser Länder hängen das Abkommen neue Dimensionen und Koopera- manchmal stark vom schwankenden Preis eines Pro- tionsformen für die Entwicklungspolitik der Ge duktes oder weniger Produkte ab. Auch Mißernten erschließt. Es ist ein wichtiger Schritt-meinschaft können katastrophale Folgen für den Aufbau- des der Gemeinschaft, ihrer weltweiten Verantwortung betreffenden Staates und für große Teile seiner gerecht zu werden. Im Geiste partnerschaftlicher Zu- Bevölkerung haben. Hier will die Gemeinschaft s a mmenarbeit leitet das Abkommen von Lomé ein helfen. neues Kapitel in den Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft zu einer Vielzahl von Entwicklungs- was Ich bestreite nicht, daß das, wir begonnen ländern ein. Ich bin sicher, daß der Vertrag eine haben, ein Kompromiß ist. Wenn 55 Verhandlungs- fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Gemein partner am mit sehr unterschiedlichen Interessen und den AKP-Staaten schaffen wird. Der Ver -schaft Tisch sitzen, kann es ja wohl auch nur ein Kompro- leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum -trag miß sein. Wir selbst hätten für uns ein anderes Abbau der Spannungen und zur Versachlichung der Modell erarbeitet, von dem wir glaubten, es könnte Diskussion zwischen Industrie- und Entwicklungs- noch effizienter sein. Wir müssen mit dem Weg, ländern, der Diskussion, die in der nächsten Woche den wir gemeinsam gefunden haben — und es kam in eine ganz besonders bedeutungsvolle Phase ein- nur ein Weg in Frage, dem 55 Verhandlungspart- tre ten wird. Deshalb ist es gut, daß zu diesem Zeit- ner zustimmen können; eine andere Möglichkeit punkt die Konvention von Lomé in Kraft treten gab es nicht —, zufrieden sein und werden nun kann. Der Deutsche Bundestag sollte ihm die breite Erfahrungen sammeln müssen. Durch einen Plafonds Zustimmung geben, die er mit Fug und Recht ver- ist eine Begrenzung gegeben. besteht keine Ab- Es dient. Die Bundesregierung bedankt sich beim Ho- sicht, diesen Plafonds zu erhöhen. Im Rahmen dieses hen Hause und insbesondere bei den Ausschüssen Plafonds werden wir die notwendigen Erfahrungen für die zügige Arbeit. sammeln. Die Bundesregierung kommt dem Wunsch gerne nach, darüber zu berichten, welche Erfahrun- (Beifall bei der SPD und der FDP) gen wir sammeln. Bis jetzt haben wir noch keine; wir können noch keine haben, denn erst muß das Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Meine Abkommen ja noch in Kraft treten. Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aus- Wir haben ferner — um eine andere Frage anzu- sprache und kommen zur Abstimmung. Ich rufe sprechen — eine ganze Reihe von Methoden zur Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift Förderung der Industrialisierung und damit der Di- auf. — Wer dem Gesetz in der zweiten Beratung und versifizierung unserer Partnerländer in einem be- Schlußabstimmung, die damit verbunden wird, zu- sonderen Kapitel über die industrielle Zusammen- zustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. arbeit festgelegt. Sie haben hier eine vorsichtige — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthal- Bemerkung über die Verwendung des Informations- tungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung zentrums gemacht. Die Bundesregierung verfolgt fest. 14374 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Meine Damen und Herren, wird haben noch über Der Innenausschuß war bei seiner Beschlußfas- Ziff. 2 des Ausschußantrages auf Drucksache 7/4404 sung über die erstgenannten Termine davon aus abzustimmen, wonach die Bundesregierung ersucht daß der Bundesrat den Gesetzentwurf im-gegangen, wird, „zu gegebener Zeit über die Auswirkungen zweiten Durchgang am 18. Dezember 1975 behandelt. des Abkommens, insbesondere im Bereich der Ex- Der Bundesrat wird jedoch, wie nunmehr verbindlich porterlösstabilisierung, zu berichten". Wer dem zu- mitgeteilt worden ist, das Änderungsgesetz erst in zustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. der darauffolgenden Sitzung, nämlich am 20. Fe- — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — bruar 1976 beraten. Dadurch werden die Änderun- Es ist einstimmig so beschlossen. gen wie vorgeschlagen erforderlich. Die Antrag- steller bitten um Zustimmung. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ich danke Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Ihnen! desregierung eingebrachten Entwurfs eines Meine Damen und Herren, das Wort wird dazu Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes nicht gewünscht. Ich schlage vor, daß wir über — Drucksache 7/2379 — die Änderungsanträge zu den Nrn. 40 und 41 ge- Bericht und Antrag des Innenausschusses meinsam abstimmen. — Ich sehe und höre keinen (4. Ausschuß) Widerspruch; das ist so gebilligt. Wer Ziff. 1 und 2 — Drucksache 7/4407 — des Änderungsantrages auf Drucksache 7/4435 zuzu- stimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Berichterstatter: — Stimmenthaltungen? — Es Danke. Gegenprobe! Abgeordneter Pensky ist einstimmig so beschlossen. Abgeordneter Entrup Abgeordneter Dr. Wendig Wer der geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich nunmehr um das Zeichen. — (Erste Beratung 117. Sitzung) — Stimmenthaltungen? — Es Danke. Gegenprobe! Ich frage zunächst, ob die Herren Berichterstatter ist einstimmig so beschlossen. eine Ergänzung der Berichterstattung wünschen. — Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr der Fall. Ich danke den Herren Bericht- Das ist nicht Art. 2 auf. Hierzu liegt ebenfalls ein Änderungs- erstattern. antrag auf Drucksache 7/4435 vor. Er ist bereits Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe begründet worden. Wer diesem Änderungsantrag Art. 1 Nrn. 1 bis 39 auf. zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — (Zuruf des Abg. Pensky [SPD]) Es ist einstimmig so beschlossen. — Einen Augenblick! Bei Nr. 40 werde ich Ihnen Wer Art. 2 in der nunmehr geänderten Fassung zur Begründung des Änderungsantrages das Wort zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zei- geben. Sie können die Begründung dann mit der chen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltun- Begründung des Änderungsantrages zu Ziffer 41 gen? — Es ist einstimmig so gebilligt. und zu Art. 2 verbinden. Ich rufe Art. 3, 4 sowie Einleitung und Über- Wer den aufgerufenen Nrn. 1 bis 39 zuzustimmen schrift auf. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke. in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Es ist ein- bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! stimmig so beschlossen. — Stimmenthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in Ich rufe Nr. 40 auf. Dazu liegt ein Änderungs- zweiter Beratung einstimmig gebilligt. antrag auf Drucksache 7/4435 vor. Ich gehe davon Meine Damen und Herren, wir treten nunmehr in aus, daß Sie, Herr Kollege Pensky, gleichzeitig den die Änderungsantrag zu Art. 1 Nr. 41 und den Ände- dritte Beratung rungsantrag zu Art. 2 — beide auf derselben Druck- ein. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Pensky. sache — begründen werden. Bitte, Sie haben das Wort. Pensky (SPD) : Herr Präsident! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Pensky (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Bundestagsfraktion begrüßt, daß der Deutsche Bun- Herren! Ich möchte zugleich namens meiner mit- destag heute die Novelle zum Bundeswaffengesetz unterzeichnenden Kollegen Entrup und Dr. Wendig beschließen kann, die sich als notwendig erwiesen den Änderungsantrag auf Drucksache 7/4435 be- hat. gründen. Bei diesem Änderungsantrag handelt es sich um eine Änderung der Zeitpunkte für die An- Sicherlich ist die Frage, die gelegentlich gestellt zeigefrist und das Verbot der Führung verbotener worden ist, berechtigt, ob eine Änderung des Waf- Gegenstände sowie für die Anmeldepflicht für Schuß- fenrechts erforderlich ist, nachdem das jetzt gültige waffen. Ein Hinausschieben der Termine für den Be- Gesetz erst am 1. Januar 1973 in Kraft getreten ist. ginn und das Ende dieser Fristen um zwei Monate, Die Frage nach dem Warum wurde auch — und und zwar vom 1. Januar 1976 bzw. 30. April 1976 zwar aus den unterschiedlichsten Interessenlagen auf den 1. März 1976 bzw. auf den 30. Juni 1976, hat heraus — mit der Frage verbunden, ob die seit 1973 sich als notwendig erwiesen. in Kraft befindlichen waffenrechtlichen Änderungen Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14375 Pensky überhaupt wirksam gewesen sind. Während die als ein Verkaufsschlager der Waffenindustrie und einen befürchten, das Waffenrecht könne wieder des Waffenhandels herausgestellt. Diese Waffen, die aufgeweicht werden, machen andere geltend, daß sich äußerlich von erwerbsscheinpflichtigen Waffen das Gesetz zu eng gefaßt würde, wobei auch die nicht unterscheiden, sind zu einem erheblichen Risi- gesetzestreuen Bürger wie Jäger, Sportschützen und ko für die innere Sicherheit geworden, da mit ihnen Waffensammler, aber auch der Waffenhandel zu zunehmend strafbare Handlungen begangen werden. sehr eingeengt werden. Hierzu möchte ich folgende Diese Waffen werden sowohl als Drohmittel ver- grundsätzliche Bemerkungen machen. wendet als auch wird mit ihnen zunehmend geschos- Zum Erlaß einer bundeseinheitlichen Waffenge- sen, und zwar mit der Folge erheblicher und teils setzgebung ist dem Bund erst im Jahre 1972 durch lebensgefährlicher Verletzungen. Auch die An- eine Grundgesetzänderung die Kompetenz übertra- nahme der Sachverständigen, daß diese Waffen gen worden. Das geschah seinerzeit auf Anregung keine tödliche Wirkung haben könnten, ist inzwi- der Bundesländer, weil eine solche Notwendigkeit schen widerlegt. aus rein sicherheitspolitischen Erwägungen für Als besonders gefährlich haben sich der Handel zwingend notwendig gehalten wurde; denn wir hat- und der Umgang mit sogenannten unbrauchbar ge- ten bis dahin elf unterschiedliche Ländergesetze. machten Kriegswaffen herausgestellt. Auf diesem Das 1972 vom Bundestag beschlossene und am Gebiete waren natürlich in erster Linie unseriöse 1. Januar 1973 in Kraft getretene Bundeswaffen- Waffenhändler am Werke. Das hat in der Vergan- gesetz war als ein Sicherheitsgesetz konzipiert. Es genheit dazu geführt, daß große Posten vollautoma- ging davon aus, daß der Erwerb, der Besitz und das tischer Kriegswaffen aus Armeebeständen völlig Führen von Schußwaffen auf enge Voraussetzungen unzulänglich unbrauchbar gemacht und als soge- zu beschränken ist, wobei neben einer Zuverlässig nannte Dekorationswaffen weiterveräußert wurden, und Sachkundeprüfung im wesentlichen auch-keits- teilweise mit einer Gebrauchsanweisung versehen, ein Bedürfnis für den Waffenerwerb nachzuweisen wie solche Waffen mit einfachen Werkzeugen wie ist. einen gebrauchsfähigen Zustand versetzt-der in werden können. Ein wesentliches Ziel des Gesetzes war auch die Einführung einer allgemeinen Registrierpflicht für Auf diesem Wege sind solche Waffen in die erwerbsscheinpflichtige Waffen. Verbunden mit der Hände von Kriminellen gelangt; sie wurden auch bei gesetzlichen Regelung war die Eröffnung einer An- schwersten Straftaten benutzt. Solchen skrupellosen meldefrist für erwerbsscheinpflichtige Waffen bei Geschäftemachern wollen wir nicht tatenlos zuse- Gewährung von Straffreiheit für diejenigen, die ihre hen. Deshalb soll dem mit dieser Novelle zum Waf- Waffen innerhalb der genannten Frist angemeldet fengesetz entschlossen entgegengewirkt werden. haben. Hiervon haben damals etwa 2 1 /2 Millionen- Während der kriminellen Entwicklung durch ge- Waffenbesitzer Gebrauch gemacht. eignete Maßnahmen Einhalt zu gebieten ist, sollen Die verschärften waffenrechtlichen Vorschriften jedoch Jäger, Sportschützen und Waffensammler haben sich auch bewährt. Dies läßt sich jedenfalls weiterhin unter erleichterten Bedingungen ihrer aus der Kriminalstatistik ableiten. Bis zum Inkraft- Tätigkeit nachgehen können. Das ist nach allen treten des Bundeswaffengesetzes waren die krimi- Beobachtungen auch durchaus zu vertreten, weil nellen Delikte unter Schußwaffenverwendung von sich diese Personenkreise durchweg als gesetzestreu Jahr zu Jahr angestiegen. Sie erreichten im Jahre erwiesen haben. Nur etwa 4 bis 5 % aller legalen 1972 mit 13 709 Fällen, bei denen geschossen wurde, Waffenbesitzer begehen mit ihren Waffen strafbare einen Höhepunkt. Mit Inkrafttreten des Bundeswaf- Handlungen. fengesetzes sank diese Zahl im Jahr 1973 auf 10 487 Einige Bemerkungen zu den sogenannten Combat- und im Jahr 1974 auf 8 081 Fälle. Den Kriminalitäts- Schießschulen, für die in diesem Gesetz erstmals rückgang auf diesem Gebiet führen die Fachleute eine Regelung getroffen wird. Bei den Combat übereinstimmend auf die strengen Vorschriften des Schießschulen handelt es sich um Schießschulen auf Waffengesetzes zurück. Wir fühlen uns deshalb in privater und gewerblicher Basis, die in ihrer Selbst- der , damaligen Konzeption auch bestätigt. darstellung davon sprechen, daß dort kampfmäßiges Vorgehen sowohl im Angriff wie in der Verteidi- Bei der Beobachtung der Kriminalitätsentwicklung gung geübt wird. Jedermann hat die Möglichkeit — in unserem Land ist nunmehr jedoch leider festzu- —, sich natürlich gegen ein entsprechendes Entgelt stellen, daß diese günstige Tendenz wieder umge- in solchen Disziplinen ausbilden zu lassen. Hier schlagen ist. Seit Beginn dieses Jahres, 1975, ist muß man jedoch fragen: Kampfmäßiges Vorgehen nach vorläufigen Erhebungen wiederum ein Anstei- im Angriff gegen wen? Es scheint, daß solche Ein- gen der Kriminalität zu verzeichnen, die mittels richtungen, wenn sie ohne ausreichende öffentliche Schußwaffen begangen wird. Eingehende Analysen Kontrolle bleiben, zu einer erheblichen Gefahr für über Ursachen führen zu dem Schluß, daß dies die die innere Sicherheit werden können. Dem will die- ebenso auf die Entwicklung neuer Waffen durch ses Gesetz durch entsprechende Vorschriften ent- die Waffenindustrie wie aber auch darauf zurück- gegenwirken. Es wird deshalb gefordert, daß der- zuführen ist, daß findige Waffenhändler Möglich jenige, der solche Schießstätten betreibt oder sich entdeckt haben, dieses Gesetz zu umgehen.-keiten auf ihnen als Ausbilder betätigt, einen Zuverlässig- Dem gilt es einen Riegel vorzuschieben. keitsnachweis zu erbringen hat. Nur solche Perso- So haben sich beispielsweise 4-Millimeter-Pistolen nen sollen an einer Ausbildung auf Combat-Schieß- und -Revolver, die bisher erwerbsscheinfrei waren, schulen teilnehmen, die eine Waffe unter den ge- 14376 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Pensky nannten strengen Bedingungen legal erworben ha- und Waffensammlern wird eine besondere Waffen ben. Das erscheint angemessen, aber auch notwen- erteilt und der Bedarfsnachweis erleich--besitzkarte dig. tert. Mit diesem Gesetz wird erneut eine Anmeldefrist, Eine Verfahrensvereinfachung bedeutet auch die verbunden mit einer Amnestie, eingeführt, d. h. im § 29 vorgesehene Änderung bezüglich des Muni- konkret: Allen Personen wird Straffreiheit gewährt, tionserwerbs. Die bisherige Regelung sah vor, daß die vom 1. März bis zum 30. Juni 1976 die in ihrem für den Munitionserwerb der sogenannte Munitions- Besitz befindlichen erwerbsscheinpflichtigen und erwerbsschein notwendig war. Der Ausschuß hat noch nicht angemeldeten Waffen bei der zuständi- sich abweichend vom Regierungsentwurf dafür aus- gen Behörde anmelden. Für solche Waffen werden gesprochen, daß die Inhaber von Waffenbesitzkar- den Besitzern Waffenbesitzkarten ausgestellt; sie ten nach dem vorgelegten Entwurf, bei denen Zuver- können also ihre Waffen behalten. Dies das lässigkeit, Sachkunde und Bedürfnis geprüft wor- möchte ich unterstreichen — ist eine politische den sind, keinen Munitionserwerbsschein mehr be- Zweckmäßigkeitsentscheidung; denn Ziel des Waf- nötigen. Sie sind durch die Waffenbesitzkarte be- fengesetzes ist es unter anderem, aus Sicherheits- rechtigt, für die auf der Karte aufgeführten Waffen gründen möglichst alle in Bürgerhand befindlichen Munition zu erwerben. Diese Regelung erscheint Waffen zu registrieren. Das ist aber zugleich auch unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten unbe- eine Chance für alle Bürger, die es angeht, eine denklich und hat zur Folge, daß sowohl die Behör- Kriminalisierung zu vermeiden. Wer dieses Angebot den als auch die betroffenen Bürger verwaltungs- ausschlägt, muß damit rechnen, mit einer Freiheits- und kostenmäßig entlastet werden. Dagegen sollen strafe bis zu drei Jahren oder mit einer empfind- jedoch Inhaber von Waffenbesitzkarten, die auf lichen Geldstrafe belangt zu werden. Grund der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen, bei denen die oben genannten Voraussetzungen Wir, meine Damen und Herren, sind zuversicht- nicht geprüft worden waren, wie bisher eine Erlaub- lich, daß dieses Gesetz, das auf Verbrechensver- hütung abzielt, einen weiteren wirksamen Beitrag nis zum Munitionserwerb benötigen. zur inneren Sicherheit leisten wird. Wir stimmen Der Innenausschuß konnte sich nicht der Auffas- diesem Gesetzentwurf zu. sung des Bundesrates anschließen, von der Füh- rung des Munitionshandelsbuches abzusehen, denn (Beifall bei der SPD und der FDP) die kriminalpolizeilichen Nachforschungen nach dem Verbleib von Munition werden durch Munitions- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das Wort handelsbücher wesentlich erleichtert. Die mit der hat der Abgeordnete Entrup. Führung des Munitionshandelsbuches gewünschte Zielsetzung kann jedoch nur dann erreicht werden, Entrup (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Da- wenn die Munitionshandelsbücher öfter als bisher men und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf zur von den zuständigen Behörden kontrolliert werden. Änderung des Waffengesetzes, der heute zur ab- Im Änderungsgesetz wird jedoch, um das Gesetz schließenden Beratung vorgelegt wird, hat das Ziel, flexibler zu machen, dem Bundesminister des Innern einerseits unnötige Belastungen, die auch gesetzes- die Ermächtigung zugestanden, Munition, die erfah- treuen Bürgern durch das 1972 beschlossene Waffen- rungsgemäß nicht zur Begehung von strafbaren gesetz auferlegt werden, wie auch vermeidbaren Handlungen verwandt wird, von den Vorschriften Verwaltungsaufwand abzubauen, andererseits das über das Munitionshandelsbuch auszunehmen. Waffenrecht den heutigen Verhältnissen anzupas- Nach meiner Auffassung ist es bei den oben sen und damit diejenigen Vorschriften zu verschär- genannten Änderungen gelungen, Verfahrensver- fen, die sich als lückenhaft oder als unzureichend einfachungen möglich zu machen, ohne sicherheits- erwiesen haben. politische Grundsätze aufzugeben. Die Härte des Die vorliegende Gesetzesänderung führt nicht zu Gesetzes bleibt dort gewahrt, wo es die Sorge um einer Aufweichung des geltenden Waffenrechts. Sie die öffentliche Sicherheit erfordert. Aus diesem trägt lediglich den Erfahrungen und den neu gewon- Grund hat der Ausschuß auch den Änderungen zu- nenen Erkenntnissen Rechnung, die mit dem Waf- gestimmt, die zu einer Verschärfung des Waffen- fengesetz von 1972 gemacht wurden. Es wird daher gesetzes führen. Waffengesetzes über an der Grundentscheidung des Mit Inkrafttreten des Waffengesetzes wurde 1972 Besitz und das Führen von Schuß- den Erwerb, den der freie Erwerb der sogenannten 4-mm-Waffen er- festgehalten. Somit verbleibt waffen und Munition laubt. Diese Waffen, deren Geschossen nur eine Erwerb von es auch bei der Erlaubnispflicht für den geringe Bewegungsenergie erteilt wird, waren auf Langwaffen und Munition. Grund von Untersuchungen, die eine relative Un- Die Erfahrungen beim Vollzug des Waffenrechts gefährlichkeit nachgewiesen hatten, freigegeben haben allerdings gezeigt, daß es im Rahmen der be- worden. Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes absichtigten Verwaltungsvereinfachung wünschens- widerlegen diese Untersuchungen, wie der Herr wert erscheint, einige Vorschriften des Gesetzes Kollege Pensky zutreffend bereits ausgeführt hat. flexibler zu gestalten und auch zu vereinfachen mit In der Zeit vom 1. Januar 1974 bis zum 31. März dem Ziel, unnötigen Aufwand für Bürger und Ver- 1975 sind mit diesen Waffen 190 Straftaten began- waltung abzubauen. Aus diesem Grund sieht das gen worden, wobei es sich neben Bedrohungen und Änderungsgesetz die Beseitigung der fünfjährigen Körperverletzungen sogar jüngst um einen Todes- Befristung der Waffenbesitzkarte vor. Sportschützen fall gehandelt hat. Unter diesen Umständen er- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14377 Entrup scheint es geboten, diese Waffen der Waffenbesitz nicht mehr sehr leicht möglich sein wird, altertüm- zu unterwerfen, wobei jedoch-kartenverpflichtung liche Waffen zu erwerben, die geeignet sind, töd- vorgesehen ist, daß die erste Verordnung zum Waf- liche Wirkungen herbeizuführen. fengesetz den Erwerb unter erleichterten Bedingun- Die verschärfenden Vorschriften werden nach Ver gen ermöglicht, d. h. von einer Bedürfnisprüfung Gesetzes in Kraft treten, während die-kündung des abgesehen wird. Die Waffenbesitzkartenpflicht be- sonstigen Änderungen zum 1. Juli 1976 in Kraft tre- zieht sich auch nur auf die Kurzwaffen — Revolver ten werden. Dabei ließ sich der Ausschuß und Pistolen —, da bislang keine Erkenntnisse vor- von dem Gedanken leiten, daß erkennbare Sicherheitsrisiken liegen, daß mit Langwaffen dieser Art strafbare sofort eingedämmt beziehungsweise beseitigt wer- Handlungen begangen worden sind. den sollten. Jeder Aufschub des Inkrafttretens der Da die Kontrolle dieser Waffen die Erfassung in verschärfenden Bestimmungen des Waffenrechts den Waffenbüchern und eine Kennzeichnung mit würde dem Anliegen, die öffentliche Sicherheit so- der Herstellungsnummer voraussetzt, sieht der Ent- weit wie möglich zu erhöhen, nicht gerecht werden. wurf in Art. 1 Nr. 3 b und 4 in den §§ 12 und 13 vor, Aus diesem Grunde schien es — auch unter Berück- die genannten Waffen der Buchführungs- und vol- sichtigung wirtschaftlicher Interessen — nicht ver- len Kennzeichnungspflicht zu unterwerfen. tretbar, diese Beschränkungen etwa erst nach Ab- lauf einer kürzeren oder längeren Ü bergangsfrist in Meine Damen und Herren, besondere Aufmerk- Kraft zu setzen. samkeit haben wir auch dem Problem der Combat Schießschulen gewidmet. Bei diesem Combat-Schie- Lassen Sie mich zum Schluß, meine Damen und ßen handelt es sich um eine Schießtechnik für das Herren, einen sehr wesentlichen Punkt ansprechen. kampfmäßige Vorgehen sowohl im Angriff als auch Der Ausschuß hat sich im Zuge des Änderungsgeset- bei der Verteidigung unter rasch wechselnden Si- zes dafür ausgesprochen, allen Waffenbesitzern, die tuationen. Diese Lehrgänge werden sowohl von bisher ihre Waffen nicht angemeldet haben, die Schützengemeinschaften als auch von gewerblich Möglichkeit zu geben, dies bis zum 30. Juni 1976 betriebenen Schießschulen angeboten und fanden nachzuholen. Der Ausschuß hat sich unter Zurück- in der letzten Zeit in der Presse erhebliche Beach- stellung von erheblicher Bedenken aus sicherheits- tung. Der Ausschuß war der Auffassung, daß diese politischen Gründen dazu durchgerungen, in die vor- Schießtechnik zu einer Gefahr für die öffentliche gesehene Amnestie auch die Schußwaffen einzube- Sicherheit zumindest dann wird, wenn sie zu straf- ziehen, die in der Zeit seit dem 1. Januar 1973 illegal baren Zwecken mißbraucht und gegen Organe der erworben worden sind. Durch die erneute Möglich- keit der Sicherheitsbehörden angewandt wird. Es bedarf Anmeldung soll allen Waffenbesitzern noch mals sicherlich keiner weiteren Erörterung der Frage, die Chance geboten werden, ihren Waffenbe- daß es in erster Linie Aufgabe der Sicherheits-- sitz zu legalisieren. Wir hoffen, daß eine entspre- organe ist, für die Sicherheit der Bürger dieses chende Honorierung von den Betroffenen hier er- folgt und in Landes zu sorgen und sie zu garantieren. Es er einem großen Umfang von der erneuten daher geboten, Vorsorge insoweit zu treffen,-scheint Möglichkeit der Anmeldung unter Straffreiheit Ge- daß zu solchen Lehrgängen nicht Personen zuge- brauch gemacht wird. Wir hoffen, daß mit der Neu- er lassen werden, die etwa die erlernte Schießtechnik offnung dieser Anmeldefrist eines der wesentlich- zu strafbaren Handlungen mißbrauchen könnten. sten Probleme aus dem illegalen Waffenbesitz aus Darum erscheint es notwendig und erforderlich, dem Jahre 1972 gelöst sind. Ich möchte der Hoffnung die Durchführung derartiger Lehrgänge sowie die Ausdruck geben, daß die Bundesregierung Gelegen- Teilnahme an ihnen einer behördlichen Überwa- heit nehmen wird, durch eine entsprechende gezielte Information chung zu unterstellen. Die vorliegende Novelle mit dazu beizutragen, daß diese erneut sieht deshalb in § 44 Abs. 3 vor, da das geltende gegebene Anmeldefrist nicht ungenutzt verstreicht. Waffenrecht hierzu keine hinreichende Handhabe Namens der CDU/CSU-Fraktion bitte ich um die bietet, in einer Rechtsverordnung die materielle Zustimmung zu dem Gesetz. Es handelt sich hier um Regelung der Uberwachung dieser Lehrgänge auf- einen Schritt auf dem Wege zu einem Mehr an öf- zuführen. fentlicher Sicherheit, auf die jeder Bürger unseres Der Ausschuß hat sich schließlich auch der Auffas- Landes Anspruch hat. sung der Bundesregierung bezüglich der unbrauch- Ich gebe an dieser Stelle meiner Freude Ausdruck, bar gemachten Kriegswaffen angeschlossen, indem daß die Beratungen des Ausschusses zu einstimmi- er das Verbot von Inverkehrbringen und Besitz der- gen Ergebnissen geführt haben. Mein Dank gilt so- artiger automatischer Selbstladewaffen gleichfalls wohl dem Kollegen Pensky wie auch den Herren des für notwendig hielt. Es ist vorgesehen, daß der An- Innenministeriums, die uns bei dieser Arbeit sehr meldende durch Vorlage einer behördlichen Beschei- wohltuend begleitet haben. nigung oder einer Bescheinigung eines zugelassenen (Beifall bei Waffenherstellers oder Büchsenmachers dem Bun- der CDU/CSU) deskriminalamt die Unbrauchbarkeit als Schußwaffe nachzuweisen hat. Die. angesprochene Verwendung Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das Wort der Waffen als Drohmittel wird eingeschränkt, in- hat der Abgeordnete Dr. Wendig. dem das Führen dieser Waffen in der Öffentlichkeit verboten und bei Zuwiderhandeln als Ordnungswid- Dr. Wendig (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr ver- rigkeit geahndet wird. Schließlich haben sicherheits- ehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten politische Erwägungen auch dazu geführt, daß es sind ebenfalls der Auffassung, daß eine Änderung 14378 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Dr. Wendig der waffenrechtlichen Bestimmungen von 1972 aus waren, in den Verkehr zu bringen oder zu besitzen, sicherheitspolitischen Gründen vordringlich gebo- ist aus sicherheitspolitischen Gründen ganz ohne ten ist. Aus diesen Motiven heraus wird verständ- Zweifel und ohne jede Einschränkung zu bejahen. lich, daß die heutige Novelle natürlich nicht schlicht, Ich weiß auch, daß von diesem Verbot sehr viele wie von einigen Organen in unserem Lande be- private Sammler betroffen werden. Solche Waffen hauptet wurde, eine Lockerung des bisher gelten- müssen in Zukunft beim Bundeskriminalamt ange den Rechts bedeutet; zum Teil im Gegenteil. werden. Sowohl dem Sicherheitsinteresse-meldet wie dem Interesse von harmlosen und gesetzes- Sicher ist es uns in einigen Punkten nicht leicht- treuen Waffensammlern kann in gerechter Abwä- gefallen, den gerechten Ausgleich zu finden zwi- gung aller Umstände durch eine behördliche Be- schen manchmal durchaus begründeten wirtschaft- scheingung oder die Bescheinigung des Waffen lichen und privaten Interessen auf der einen Seite oder Büchsenmachers entsprochen wer--herstellers und einer verbesserten, erhöhten inneren Sicherheit den, die dem BKA die Unbrauchbarkeit der Schuß- auf der anderen. Wir haben uns schließlich aber in waffe ausweist. Dies sollte genügen. Eine Einzie- den einzelnen Konfliktfällen jeweils für den Vor- hung bzw. Unbrauchbarmachung altere Waffen er- rang der sicherheitspolitischen Momente entschie- schien uns dagegen nicht notwendig. den. Ich freue mich ferner, mit meinen Kollegen Mit Drittens. Wir bleiben auch dabei, die Einführung feststellen zu können, daß sich die-berichterstattern eines Munitionshandelsbuches grundsätzlich beizu- drei Fraktionen dieses Hohen Hauses bei der Bera- behalten. Die Bundesregierung sollte allerdings er- tung über die tragenden Grundsätze des Entwurfs mächtigt werden, besondere Munitionsarten, insbe- wie über die Ausführung im Detail grundsätzlich sondere für Jagd- und Sportwaffen, von den Vor einig gewesen sind. Dabei sollte es zu einer Er- über das Munitionshandelsbuch auszuneh--schriften leichterung der notwendigen Erlaubnis- und Geneh- men. Es handelt sich hier insbesondere um einen migungsverfahren da kommen, wo ein zu hoher Bereich, in dem sich Bürger grundsätzlich gesetzes- Verwaltungsaufwand vorlag, ohne daß zugleich treu verhalten. Bei dem Munitionsverkauf auf übergeordnete Sicherheitsinteressen auf dem Spiel Schützengelände war eine Änderung der bestehen- standen. Dies gilt unter anderem für Bereiche, in den Vorschriften erforderlich. Eine Beseitigung des denen nach bisherigem Recht in der Regel gesetzes- Schießstellenprivilegs — Vergünstigung der Mu- treue Bürger belastet wurden, ohne daß damit etwa nitionsabgabe auf Schießstätten — kann vermie- schon ein wirksamer Beitrag zur inneren Sicherheit den werden, wenn man die Abgabe auf den so- verbunden gewesen wäre. fortigen Verbrauch auf der Schießstätte selbst be- Dies trägt den sicherheitspolitischen Be- Ich will mich kurz auf wenige Schwerpunkte be- schränkt. dürfnissen hinreichend Rechnung, ohne in beste- schränken, die zum Teil schon von meinen Herren Kollegen Vorrednern vorgetragen worden sind und hende Verhältnisse allzu sehr einzugreifen. die bei der zur Entscheidung anstehenden Novelle Und letztens, viertens. Die neue Anmeldungsfrist zum Waffengesetz vorrangig sind. auch für Waffen, die im ersten Halbjahr 1973 nicht Erstens. Bei Pistolen und Revolvern mit einer angemeldet sind, verbunden mit der Rechtswohltat verhältnismäßig geringen Bewegungsenergie war der Straffreiheit, ist rechtspolitisch sicherlich von bisher der freie Erwerb — wir hörten es schon — erheblicher Bedeuung. Auch ich verkenne nicht die Die Tatsache, daß mit diesen Waffen- gestattet. Problematik einer solchen Lösung, die darin besteht, schwere Verletzungen herbeigeführt werden kön- daß hier bereits konkret verwirklichte Straftat- nen, und die weitere Erkenntnis, daß die Verwen- bestände rückwirkend straflos bleiben. Die Beden- dung dieser Waffen zu Straftaten nach oben anzog, ken, die wir hiergegen gehabt haben, waren sicher ließen es uns allen als geboten erscheinen, den bis- nicht leicht zu widerlegen. Gründe der inneren her freien Erwerb einzuschränken. Ich weiß, hier Sicherheit ließen uns dennoch die gedachte Lösung hatte sich ein gewisser Markt eröffnet — Herr als die geeignetere erscheinen. Wenn es gelingt — Pensky sprach schon davon —, und ich weiß, daß an, was meine Vor- hier schließe ich mich voll dem im Kreise unserer Bürger hinsichtlich dieses Vor- redner gesagt haben —, durch eine nochmalige An- schlages nicht überall Zustimmung vorhanden war. meldefrist den Waffenbesitz letztmalig zu legali- Aber unter der Voraussetzung, daß in der ersten sieren, so hat dies für die innere Sicherheit in un- Verordnung zum Waffengesetz unter Verzicht auf serem Lande ohne Zweifel ein großes Gewicht. die Bedürfnisprüfung erleichterte Bedingungen vor Nach gründlicher Abwägung des Für und Wider werden sollen, kann dies auch unter mög--gesehen meinen wir deshalb, daß der Einführung einer licherweise berechtigten wirtschaftlichen Aspekten neuen Anmeldefrist mit den von mir geschilderten voll vertreten werden. Zu prüfen bliebe nämlich Folgen der Straffreiheit der Vorzug zu geben ist. nach einer ersten Verordnung zur Durchführung Diese Gründe gelten auch für eine Amnestie, soweit lediglich die Zuverlässigkeit des Erwerbers. Wer sie einen Waffenerwerb betrifft, der in der Zeit wollte aber ernstlich fordern wollen, von diesen zwischen dem 1. Januar 1973 und dem nunmehr vor- Bedingungen abzusehen mit der Folge, daß dann gesehenen 1. März 1976 getätigt worden ist. etwa auch einem leichtfertigen oder unzuverlässigen Wir erwarten hierbei — das gilt im übrigen na- Erwerber der Erwerb oder der Besitz einer solchen türlich auch für die gesamte Novelle —, daß die Waffe ohne Einschränkung gestattet würde? neuen Vorschriften dazu beitragen, das oft undurch- Zweitens. Das Verbot, unbrauchbar gemachte dringliche Gestrüpp von Vorschriften und Verbo- automatische Selbstladewaffen, die Kriegswaffen ten durchschaubarer zu machen, unnötige Verwal- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14379 Dr. Wendig tungsarbeit zu vermeiden, zugleich aber vorrangig Die Novelle bezweckt deshalb, einerseits unnötige die innere Sicherheit in unserem Lande zu ver- Belastungen abzubauen, andererseits diejenigen bessern, auch dadurch, daß für bestimmte Bereiche Vorschriften zu verschärfen, die sich als unzurei- des Waffenbesitzes und Waffenerwerbs zusätzliche chend oder lückenhaft erwiesen haben. Verbots- und Genehmigungsvorschriften vorgese- Der Entwurf enthält zusätzliche Vorschriften für hen werden. Insgesamt gesehen ist auch für uns die Betätigung der sogenannten Combat-Schießschu- diese Novelle zu bejahen. Die Freie Demokratische len, die künftig einer behördlichen Kontrolle unter- Partei empfiehlt Ihnen die Zustimmung. worfen werden sollen. Die mißbräuchliche Anwen- (Beifall bei der FDP und der SPD) dung der in diesen Schulen vermittelten Schieß- technik kann zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit werden. Es muß deshalb verhindert wer- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das Wort den, daß unzuverlässige Personen solche Lehrgänge hat Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. veranstalten und daß Personen, von denen eine Schmude. mißbräuchliche Anwendung dieser Technik zu be- sorgen ist, an diesen Lehrgängen teilnehmen. Die Dr. Schmude, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Novelle ermächtigt den Bundesminister des Innern, minister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen das Nähere über die Bestellung der Aufsichtsperso- und Herren! Das im Juni 1972 vom Deutschen Bun- nen und Ausbilder sowie über die Zulassung zur destag verabschiedete Waffengesetz hat das bis da- Teilnahme zu regeln. hin in einen landes- und einen bundesrechtlichen Hinsichtlich des Munitionserwerbs hat sich der In- Teil gespaltene Waffenrecht auf der Grundlage einer nenausschuß des Bundestages abweichend von der Grundgesetzänderung vereinheitlicht. Dadurch konn- Regierungsvorlage für eine differenzierte Lösung ten die Gesetzeslücken im Hinblick auf den Erwerb entschieden: Grundsätzlich soll ein Munitionser- von Schußwaffen und Munition geschlossen und die werbsschein nicht mehr erforderlich sein für Inhaber Behörden in die Lage versetzt werden, gegen den von Waffenbesitzkarten, bei denen zuvor alle per- illegalen Erwerb und Besitz von Schußwaffen und sönlichen Voraussetzungen zum Erwerb einer Schuß- Munition sowie gegen die steigende Schußwaffen waffe geprüft worden sind. Dagegen sollen Inhaber mit verwaltungs- und strafrechtlichen-kriminalität von Waffenbesitzkarten, bei denen diese Voraus- Mitteln wirksamer vorzugehen. setzungen nicht geprüft worden sind — die soge- Die im Jahre 1972 getroffenen Grundentschei- nannten Altbesitzer —, einer Erlaubnis zum Muni- dungen, insbesondere die Verschärfung der Vor- tionserwerb bedürfen. schriften über den Erwerb von Schußwaffen und Ich schließe mich dieser Lösung des Innenaus- Munition, haben sich — das möchte ich hier aus- schusses an. In der Tat wäre es nicht ganz unbe- drücklich feststellen — als richtig erwiesen. Die denklich, jedem Inhaber einer Waffenbesitzkarte Neuregelung hat zwar Kritik bei denjenigen ge- über Altbesitz einschließlich derjenigen, die ihre funden, die sich durch sie in ihrer Handlungsfreiheit Waffe erst jetzt anmelden, den Erwerb von Munition eingeschränkt sehen; die Beschränkungen waren je- ohne Prüfung des Bedürfnisses zu gestatten. doch erforderlich, weil anders eine wirksamere Be- kämpfung des illegalen Erwerbs, des illegalen Han- Als weitere Verschärfung sieht der Entwurf die dels und des Schmuggels sowie der kriminellen An- Einführung einer Erlaubnispflicht für den Erwerb der wendung von Schußwaffen nicht möglich gewesen sogenannten 4-Millimeter-Waffen vor. Mit diesen wäre. Waffen, die nach den ursprünglichen gerichtsmedi- zinischen Untersuchungen als verhältnismäßig un- Statistische Unterlagen lassen erkennen, daß sich gefährlich angesehen wurden, wurden zahlreiche die Verschärfung des Waffenrechts gemeinsam mit Straftaten begangen und den Opfern vielfach schwe- anderen gesetzlichen und organisatorischen Maß- re Verletzungen beigebracht. Angesichts dieser Er- nahmen positiv ausgewirkt hat. So konnten mit fahrungen erscheint es nicht vertretbar, den freien Hilfe der neuen Rechtsgrundlage seit Anfang 1973, Erwerb solcher Waffen weiterhin zu gestatten. dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, Schußwaffen in steigender Zahl polizeilich sicherge- Darüber hinaus hat sich bei einigen altertümlichen stellt werden. Was die kriminelle Anwendung von Waffen, besonders bei den mehrschüssigen Vorder- Schußwaffen angelangt, hat der Kollege Pensky laderperkussionswaffen, eine Gesetzeslücke heraus- schon auf die Kriminalstatistik hingewiesen, die in gestellt. Nach der Absicht des Gesetzgebers soll- dieser Beziehung eine bemerkenswerte Verände- ten diese Waffen nicht frei erworben werden rung erkennen läßt. können. Der freie Erwerb altertümlicher Waffen soll Zu der dem Hause zur Beschlußfassung vorliegen- deshalb künftig nur noch in engen Grenzen zuge- den Novelle zum Waffengesetz möchte ich unter- lassen werden. streichen, daß mit den vorgesehenen Regelungen Das Inverkehrbringen und der Besitz unbrauchbar keine Aufweichung des geltenden Waffenrechts be- gemachter vollautomatischer Kriegswaffen sowie absichtigt ist. An den Grundentscheidungen des Ge- unbrauchbar gemachter Schußwaffen, die den An- setzes über den Erwerb, den Besitz und das Führen schein vollautomatischer Kriegswaffen hervorrufen, von Schußwaffen und Munition soll nach wie vor sollen künftig verboten werden, um die Verwendung festgehalten werden. Die vorgesehenen Änderun- solcher Waffen als Drohmittel bei der Begehung von gen sollen den inzwischen gewonnen Erfahrungen Straftaten möglichst zu verhindern. Soweit es, sich bei der Durchführung des Gesetzes Rechnung tragen. dabei um Altbesitz handelt, sollen diese Gegen- 14380 Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Parl. Staatssekretär Dr. Schmude stände dem Bundeskriminalamt angemeldet und von Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes dem Besitzer der Nachweis erbraucht werden, daß (KVStÄndG 1975) sie tatsächlich unbrauchbar gemacht worden sind. — Drucksache 7/4374 — Andererseits sieht der Entwurf vor, im Interesse Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Finanzausschuß der öffentlichen Sicherheit nicht unbedingt erfor- Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO derliche Belastungen abzubauen und einige Vor- schriften einfacher und flexibler auszugestalten. Zu 11. Erste Beratung des von der Bundesregierung nennen sind hier besonders der Wegfall der Be- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu fristung der Waffenbesitzkarte für den Regelfall, die dem Zusatzprotokoll vom 28. April 1975 zum Einführung einer besonderen Waffenbesitzkarte für Abkommen zur Gründung einer Assoziation Sportschützen und Waffensammler sowie die Er- zwischen der Europäischen Wirtschaftsge- leichterung des Bedürfnisnachweises für den Erwerb meinschaft und Griechenland infolge des Bei- von Sportwaffen durch Sportschützen. Durch diese tritts neuer Mitgliedstaaten zur Gemeinschaft Änderungen werden sich für die betroffenen Per- — Drucksache 7/4382 — sonenkreise einige wesentliche Erleichterungen er- Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: geben, so daß die an den bisherigen Regelungen ge- Ausschuß für Wirtschaft (federführend) äußerte Kritik seitens der Betroffenen entfallen Auswärtiger Ausschuß kann. 12. Erste Beratung des von der Bundesregierung Der Ausschuß ist dem Vorschlag der Bundesregie- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu rung gefolgt, den Waffenbesitzern, die ihre Waf- dem Vertrag vom 24. Oktober 1974 zwischen fen im ersten Halbjahr 1973 nicht angemeldet ha- der Bundesrepublik Deutschland und der ben, die Möglichkeit einer neuen Anmeldung ein- Französischen Republik zu dem Europäischen zuräumen und ihnen Straffreiheit zu gewähren, so- Obereinkommen vom 20. April 1959 über die weit sie ihre Waffen innerhalb einer gesetzten Nach- Rechtshilfe in Strafsachen frist anmelden. — Drucksache 7/4360 — Mit dem Innenausschuß halte ich es für angemes- Schuß- Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: sen, in die vorgesehene Amnestie auch die Rechtsausschuß waffen einzubeziehen, die inzwischen illegal erwor- ben worden sind. Dabei gehe ich davon aus, daß den 13. Erste Beratung des von der Bundesregierung Betroffenen mit der Eröffnung einer nochmaligen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Anmeldefrist eine letzte Chance zur Legalisierung den rechtlichen Status der Bundeswasser- ihres Waffenbesitzes geboten wird. Wer diese Mög- straße Elbe-Seitenkanal lichkeit ungenutzt verstreichen läßt, muß mit der Drucksache 7/4381 — entschädigungslosen Einziehung seiner Waffen und Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: mit Bestrafung rechnen. Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Die Bundesregierung erwartet von der jetzt an- Fernmeldewesen stehenden Änderung des Waffengesetzes die Ver- 14. Erste Beratung des von der Bundesregierung besserung seiner bisher durchaus schon positiv zu eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- bewertenden Wirkung. Deshalb begrüßt sie die nun zes zur Änderung des Gesetzes über die zu verabschiedende Novelle als einen wichtigen Bei- Landwirtschaftliche Rentenbank trag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit und bittet Sie um Ihre Zustimmung. — Drucksache 7/4380 — Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: (Beifall bei der SPD und der FDP) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen 15. Erste Beratung des von der Bundesregierung nicht vor. Ich schließe die Aussprache. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Wer dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung die Pockenschutzimpfung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu er- — Drucksache 7/4375 — heben. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltun- Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: gen? — Der Gesetzentwurf ist in der dritten Bera- Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit tung einstimmig angenommen. 16. Erste Beratung des von der Bundesregierung Ich gehe davon aus, daß das Haus die zu dem eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für er- nderungÄ des Geflügelfleischhygienegesetzes ledigt erklärt. — Ich sehe und höre keinen Wider- — Drucksache 7/4413 — spruch; es ist so beschlossen. Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: ich rufe nunmehr die Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Meine Damen und Herren, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Punkte 10 bis 16 der Tagesordnung auf: Forsten

10. Erste Beratung des von der Bundesregierung Das Wort wird von der Bundesregierung nicht eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur begehrt. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14381 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Die Uberweisungsvorschläge des Ältestenrates Dem soll dieses neue Gesetz Rechnung tragen. Auch bitte ich der Tagesordnung zu entnehmen. Ich frage, mehr Ausländer können dann als Entwicklungs- ob das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisun helfer in deutschen Trägerorganisationen arbeiten. — Ich sehe und höre keinen-gen einverstanden ist. Dies ist deshalb begrüßenswert, weil die wachsende Widerspruch; es ist so beschlossen. internationale Verflechtung und die verstärkte internationale Zusammenarbeit eine Beschränkung Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: auf deutsche Entwicklungshelfer wie bisher nicht als Erste Beratung des von der Bundesregierung zweckmäßig erscheinen läßt. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Die Beihilfen zur Wiedereingliederung zurück- Änderung des Entwicklungshelfer-Gesetzes kehrender Entwicklungshelfer sollen in erweitertem — Drucksache 7/4393 — Umfang gezahlt werden. Auch die Beschäftigten in Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: internationalen Entwicklungsdiensten werden von Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit (federführend) dieser Regelung erfaßt. Diese Regelung ist deshalb Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO notwendig, weil seit der Schaffung eines Freiwilli- gendienstes der Vereinten Nationen auch deutsche Von der Bundesregierung wird das Wort zur Entwicklungshelfer multilateral tätig sind. Die Haft- Begründung nicht begehrt. pflichtversicherung für Entwicklungshelfer soll Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der künftig von den Trägern auch auf die Familienange- Abgeordnete Bühling. hörigen ausgedehnt werden. Damit sollen die Ent- wicklungshelfer soweit wie möglich vor materiellen Schäden bewahrt werden. Anders als bisher sollen Bühling (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und die deutschen Freiwilligendienste auch die Kosten Herren! Seit 1963 haben wir Erfahrungen mit der für private Krankenversicherungen voll überneh- Tätigkeit von Entwicklungshelfern. Seitdem haben men. der Deutsche Entwicklungsdienst und auch andere finanziellen Träger insgesamt 6 000 Entwicklungshelfer in die Die Kompensationsleistungen bei Er- Dritte Welt entsandt. Sie haben dort vor Ort gute Ar- werbsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall wer- beit geleistet. Erst im Jahre 1969 sind die positive den ebenfalls verbessert und den Bestimmungen Tätigkeit der Entwicklungshelfer und ihre soziale der gesetzlichen Unfallversicherung angepaßt. Die Sicherung gesetzlich geregelt worden. Es ist jetzt Arbeitslosenbeihilfe wird auf einen Zeitraum von an der Zeit, diese Regelungen neuen Gegebenheiten drei Jahren nach Beendigung der Einsatzzeit verlän- anzupassen. gert. Die Beiträge zur Rentenversicherung be- schränkten sich bisher auf die Hälfte der beschrie- Die Entwicklungshelfer brauchen eine Änderung benen Bemessungsgrenze. Sie sollen nun auf zwei des Gesetzes wegen ihrer besonderen Schutzwürdig- Drittel dieser Bemessungsgrenze angehoben werden. keit. Im Gegensatz zu den vielen oft hochbezahlten Auch — last not least — in der Frage der Frei- Experten arbeiten sie für ein geringes Entgelt und stellung von Entwicklungshelfern vom Wehr- und ohne jede Erwerbsabsicht. Deshalb ist es auch not- Zivildienst werden erhebliche Verbesserungen ein- wendig, ihre soziale Sicherung so zu gestalten, daß treten. Es ist zu begrüßen, daß Wehr- und Zivil ihr mehrjähriger Verzicht auf hohen Verdienst im nicht nur — wie bisher — bis zum-dienstpflichtige Heimatland nicht auch noch soziale Nachteile nach Alter von 22 Jahren, sondern nunmehr bis zum sich zieht. Inzwischen sind im Bereich der sozialen Lebensalter von 30 Jahren freigestellt werden, wenn Absicherung in unserem Lande große Veränderun- sie sich bei einem anerkannten Träger für den Ent- gen eingetreten, die eine Anpassung auch für den wicklungsdienst verpflichten. Das bedeutet vor Personenkreis der Entwicklungshelfer erforderlich allem, daß die künftigen Entwicklungshelfer genü- machen, wenn sie nicht schwer benachteiligt werden gend Zeit haben werden, ihre notwendige Berufs- sollen. ausbildung mit Berufspraxis zu erreichen. Die Ent- Es haben sich folgende Erkenntnisse durchgesetzt. wicklungsländer selbst legen zunehmend großen Aus entwicklungspolitischen Gründen und wegen Wert darauf, daß nur solche Kräfte in Projekten der zunehmenden Internationalisierung der Entwick- tätig werden, deren Wissensstand und Berufserfah- lungspo litik muß eine Bestimmung geschaffen wer- rung einen Erfolg bei der Projektbetreuung verspre- den, daß auch ausländische Entwicklungshelfer und chen. die sie beschäftigenden Träger berücksichtigt wer Der vorliegende Gesetzentwurf wird durch eine Das Durchschnittsalter der Entwicklungshelfer-den. ganze Reihe von Verbesserungen den sozialen ist seit 1963 von 22 auf 26 Jahre angestiegen. Immer Status der Entwicklungshelfer zum Guten wandeln. mehr Entwicklungshelfer haben eine Familie, die mit Es wird im Ausschuß im einzelnen zu beraten sein, in das Entwicklungsland geht. Die Sozialgesetzge- ob nicht noch der eine oder andere Punkt darüber bung in der Bundesrepublik ist erfreulicherweise hinaus verbessert werden kann. den Regelungen im Entwicklungshelfer-Gesetz da- Ich darf im Namen der SPD-Bundestagsfraktion vongelaufen. erklären, daß wir dem Gesetz zustimmen, und Die Qualifikation, die von den Entwicklungslän- möchte abschließend die Gelegenheit nehmen, den dern verlangt wird, hat sich erheblich gewandelt. Entwicklungshelfern Dank, Anerkennung und Re- Nicht nur Facharbeiter mit qualifizierter Berufsaus- spekt für ihre Tätigkeit zum Wohle unseres Landes bildung, sondern auch Ingenieure, Lehrer, Ärzte und ihres Gastlandes auszusprechen. und ähnliche Berufe werden immer mehr gefragt. (Beifall bei der SPD und der FDP) 14382 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das Wort Auf einem anderen Blatt steht, ob die Entwick- hat der Herr Abgeordnete Schleifenbaum. lungshelfer auch in Zukunft sinnvoll in das entwick- lungspolitische Instrumentarium eingeordnet wer- den können. Es darf nicht übersehen werden, daß Schleifenbaum (FDP) : Herr Präsident! Meine Da- der „integrierte Experte" in den entwickelteren Län- men und Herren! Eine Änderung des Entwicklungs- dern der Dritten Welt zunehmend an Bedeutung ge- helfergesetzes vom 18. Juni 1969 wird erforderlich, winnen wird. Dies muß aber nicht zu Lasten des Ent- weil eine Anpassung an die fortgeschriebene Sozial- wicklungsdienstes geschehen. Die Aufgaben in den gesetzgebung notwendig ist, weil sich in der Praxis weniger entwickelten Ländern — und wir wollen ja verschiedene Probleme ergeben haben, die den Ein- hier Schwerpunkte setzen — sind so groß, daß der satz von Entwicklungshelfern im Entwicklungsdienst Entwicklungsdienst auch in Zukunft nicht vernach- unzumutbar behindern, weil die Voraussetzung ge- lässigt werden darf. schaffen werden muß, Entwicklungshelfer mit quali- fizierter Berufspraxis für den Entwicklungsdienst zu Deshalb sollten wir bei der Beratung in den Aus- gewinnen, und weil die Wiedereingliederung von zu- schüssen nicht kleinlich sein. Wir haben Grund zu rückgekehrten Entwicklungshelfern auch von der der Annahme, daß die Beratungen nicht kontrovers Arbeitsmarktsituation bei uns beeinflußt wird. Der erfolgen werden. Die FDP-Fraktion stimmt den Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt den ge- Uberweisungsvorschlägen zu. schilderten Erfordernissen in geeigneter Form Rech- (Beifall bei der FDP und der SPD) nung. Zu den technischen Details kann erst nach den Ausschußberatungen abschließend Stellung genom- men werden. Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Todenhöfer. Ich möchte mich hier auf einen besonderen Punkt beschränken, der über den Kreis der Betroffenen (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine hinaus wahrscheinlich in der Öffentlichkeit Interesse Dr. Todenhöfer sehr verehrten Damen und Herren! Auch die CDU/ finden wird. Ich möchte auf § 22 hinweisen, nach CSU-Fraktion empfindet die soziale Absicherung dem das Wehrpflichtgesetz in der Weise geändert unserer Entwicklungshelfer nach dem Entwicklungs- werden soll, daß die Freistellungsgrenze beim Wehr- helfergesetz von 1969 als unbefriedigend. Ich glaube, dienst — für den Fall einer Verpflichtung zu min- daß das soziale Engagement unserer Entwicklungs- destens zweijährigem Entwicklungsdienst — auf das helfer mit zu dem Wertvollsten gehört, was wir in vollendete 30. Lebensjahr heraufgesetzt wird; hin- unserem Lande an sozialem Engagement haben. Wir zu kommt die Freistellung vom Wehrdienst und vom verfolgen daher alle sozialen Verbesserungen für Ersatzdienst nach Ableistung des Entwicklungsdien- unsere Entwicklungshelfer, insbesondere für ihre stes, wobei die kürzeste Frist im Sonderfall 15 Mo- Rückgliederung in unser Land, mit besonderer Sym- nate sein kann. pathie. Wir werden bei den Beratungen im Aus- Diese Änderungen sollten nicht die Illusion er- schuß diesen grundsätzlichen, generellen und unein- wecken, daß Entwicklungsdienst zu einer neuen Va- geschränkten Goodwill für die Arbeit der Entwick- riante eines bequemen Ersatzdienstes denaturiert lungshelfer unter Beweis stellen. werden könnte, mit der dann auch noch ein Quent- Ich möchte an dieser Stelle jedoch bereits die chen Abenteuerlust befriedigt würde. Dies ist weder Anregung geben, daß sich die Bundesregierung und vom zahlenmäßigen Potential her — zur Zeit ha- die beiden Koalitionspartner Gedanken darüber ma- ben wir weniger als 1 500 Entwicklungshelfer — noch chen, wie die Entwicklungshelfer in Zukunft in ein von den Anforderungen her, die an einen Entwick- geschlossenes Gesamtkonzept der „personellen lungshelfer gestellt werden, gerechtfertigt. Die Tä- Hilfe" besser eingegliedert werden können. Ich tigkeit als Entwicklungshelfer erfordert die Mobili- möchte diesen Wunsch von dieser Stelle aus mit sierung der besten Tugenden des Menschen wie allem Nachdruck in die Diskussion einbringen. Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit, Unverzagtheit, Im Pioniergeist, Mut, Selbstdisziplin,-provisationstalent, (Beifall) Verantwortungsbereitschaft und Toleranz. Entwick- lungshelfer müssen Vorbild sein; sie tragen ein gut Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Wir ste- Teil Verantwortung dafür, welches Bild vom heuti- hen am Ende der Aussprache. gen Deutschland sich den befreundeten Völkern der Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage Dritten Welt einprägt. Und sie sind, wenn sie in die dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Heimat zurückgekehrt sind, Multiplikatoren für die — federführend —, dem Ausschuß für Arbeit und ungeschminkte Verbreitung der Probleme der Drit- Sozialordnung zur Mitberatung sowie dem Haus- ten Welt und tragen damit sicherlich zu einer wach- haltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung senden Erkenntnis unserer Öffentlichkeit, daß Ent- zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch. Es wicklungshilfe nicht ohne substantiellen Beitrag des ist so beschlossen. Bürgers auskommt, bei. Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf: Diese Stunde ist auch ein Anlaß, allen Entwick- lungshelfern — es sind in den letzten zehn Jahren Erste Beratung des von den Abgeordneten zirka 5 000 gewesen — für ihren Einsatz zu danken Hauser (Krefeld), Schmidhuber, Lampersbach, und sie zur Fortsetzung ihres Engagements zu er- Dr. von Bismarck, Engelsberger, von Bockel- muntern. berg, Pohlmann, Schedl, Dr. Müller-Hermann, Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14383 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Zeitel, Dr. Becker (Mönchengladbach), Da Sie, meine Damen und Herren von der Koali- Gewandt, Haase (Kassel), Dr. Luda, Schröder tion, und Sie, meine Damen und Herren von der (Lüneburg), Dr. Stavenhagen und der Frak- Bundesregierung, auf dem Sektor der Mittelstands- tion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs politik keine Alternative haben — dem Hohen eines Gesetzes zur Förderung der kleinen Hause liegt weder ein Gesetzentwurf noch eine und mittleren Unternehmen sowie der freien andere Initiative von Ihnen vor — Berufe und zur Sicherung von Arbeitsplätzen (Dr. Ehrenberg [SPD] : Alternative wozu?) in der mittelständischen Wirtschaft (Bundes - mittelstandsförderungsgesetz — BMfG) — zu der Politik, die Sie bis jetzt betrieben haben — Drucksache 7/4284 — und auf die ich gleich noch im einzelnen zu spre- chen komme, Herr Kollege Ehrenberg —, laden wir Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Sie zur kritischen Mitarbeit an unserem Gesetzent- Finanzausschuß wurf ein. Haushaltsausschuß Wir können mit der Mittelstandspolitik nicht bis Zur Begründung des Gesetzentwurfes hat der Herr zur Sommerpause 1976 warten, wenn Sie dann in der Abgeordneter Hauser (Krefeld) das Wort. Lage sein werden — Zeitungsmeldungen zufolge —, Ihren Mittelstandsbericht vorzulegen, den Sie uns Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) : Herr Präsident! doch schon für Ende dieses Jahres prophezeit hat- Meine Damen und Herren! Ihnen liegt zur Beratung ten. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf nicht in erster Lesung der von der CDU/CSU-Fraktion ein- zuletzt auch einen Impuls dafür geben, daß die Mit stimmig beschlossene Entwurf eines Gesetzes zur wieder stärker öffentlich diskutiert,-telstandspolitik Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen parlamentarisch verantwortet und durch Gesetz ab sowie der freien Berufe und zur Sicherung von wird. In dieser globalen Zielsetzung soll--gesichert Arbeitsplätzen in der mittelständischen Wirtschaft, ten wir doch sicher Einigkeit erzielen können. Die- der Entwurf eines Bundesmittelstandsförderungsge- ser Gesetzentwurf — lassen Sie mich dies auch setzes vor. Damit liegt diesem Hohen Hause erst- vorweg sagen — ist kein Ersatz für konkrete Ein- malig in seiner Geschichte eine in sich geschlossene ze lmaßnahmen der Mittelstandspolitik. Er stellt Gesamtkonzeption der Mittelstandsförderung auf ge- jedoch eine bessere Gesamtvoraussetzung für die setzlicher Basis vor. Dieser Rahmengesetzentwurf Durchführung einer zukunftsorientierten Mittel- ist der erste Teil der Alternative der Union in der standspolitik dar. Mittelstandspolitik. Der Rahmengesetzentwurf — ich sage dies schon jetzt an dieser Stelle — wird durch Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- ein strukturpolitisches Aktionsprogramm zur Förde- lege Hauser, bei der Besetzung des Hauses können rung kleiner und mittlerer Unternehmen und der Sie Ihre Stimme schonen. freien Berufe ergänzt werden, das konkrete Einzel- maßnahmen in den wichtigsten mittelstandspolitisch (Heiterkeit) relevanten Teilbereichen der Wirtschafts-, Finanz - und Gesellschaftspolitik enthält. Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) : Herr Präsident, vie- Einzelinitiativen in verschiedenen Bereichen der len Dank für diesen Hinweis. Ich habe nun einmal Mittelstandspolitik — so wichtig und so berechtigt eine kräftige Stimme, aber ich will mich bemühen, sie auch sein mögen — sind dann wenig wirkungs- etwas dezenter zu sprechen, wenn das dem Hause voll, wenn sie nicht in eine zukunftsorientierte Ge- angemessener ist. samtkonzeption der Mittelstandspolitik eingebettet (Zuruf des Abg. Dr. Schachtschabel [SPD]) sind. Eine solche Konzeption haben wir Ihnen mit — Man weiß ja nie, ob man richtig verstanden wird. dem Gesetzentwurf eines Mittelstandsförderungs- Da spricht man lieber etwas deutlicher, um keine gesetzes hier heute vorgelegt. Wir melden in der Vorwürfe aufkommen zu lassen, man habe nicht ersten Lesung zunächst nur diesen einen Wunsch an deutlich genug gesprochen, Herr Kollege Schacht- die Koalition an: Machen Sie es sich in der Mittel- schabel. standspolitik nicht zu leicht! Urteilen Sie mangels eigener Initiativen der Regierung oder aus den (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Schachtschabel Reihen Ihrer Fraktion nicht vorschnell über den [SPD] ) von uns konzipierten Weg, Ziele und Maßnahmen — Ja, natürlich. der Mittelstandspolitik in einem Gesetz zu kodifizie- ren. Andere Bereiche der Wirtschaftspolitik haben Aus dem Lande Bayern wissen wir, Herr Kollege bereits einen gesetzlichen Rahmen, wie Sie alle Graf Lambsdorff, daß das dortige Landesgesetz, das wissen. Ein solcher Rahmen hat sich bewährt, z. B. nun seit über einem Jahr in Kraft ist, sich bereits in der Konjunkturpolitik, zu der wir ja in diesem sehr positiv ausgewirkt hat. Für den Mittelstand hat Hohen Hause einmütig das Gesetz zur Förderung sich mehr als nur das Klima gewandelt. Zahlreiche von Wachstum und Stabilität angenommen haben. Verbände haben der bayerischen Staatsregierung Auch im Bereich der Ordnungspolitik haben wir bereits schriftlich mitgeteilt, daß von dem bayeri- einstimmig die zweite Kartellgesetznovelle verab- schen Landesmittelstandsförderungsgesetz, das schiedet. Es war in der zurückliegenden Zeit also gleichfalls als Rahmengesetz konzipiert wurde, kon- durchaus immer möglich, zu gemeinsamen Auffas- krete positive Auswirkungen ausgegangen sind. sungen zu kommen. (Zuruf des Abg. Dr. Graf Lambsdorff [FDP]) 14384 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Hauser (Krefeld) - Ja, in Bayern weiß man, wie man Politik-samten richtig Bundesregierung in all den Bereichen be- macht, Herr Kollege Lambsdorff; darin liegt der trieben werden, die für den Mittelstand von Bedeu- feine Unterschied zu dem, was wir hier oft erle- tung sind, ob das öffentliche Aufträge, Maßnahmen ben. der Sozial- und Gesellschaftspolitik, der Familien- politik oder steuerpolitische Maßnahmen oder Maß- Generell beklagen wir aber die Tatsache, daß die nahmen des Außenhandels sind. Mittelstandspolitik bei der SPD/FDP-Bundesregie- rung, aber auch bei der SPD/FDP-Koalition ein Ich habe hier nur ein paar Beispiele aufgezählt, Schattendasein fristen muß. um zu zeigen, daß ein mittelstandspolitischer An- spruch an eine Bundesregierung sehr viel weiter (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Das geht, als es durch die Arbeit einer einzigen Ab- ist das richtige Wort!) teilung abgedeckt werden kann. Das ist der feine Unterschied zu Bayern, von dem Aus diesem Grunde halten wir auch nichts davon, ich eben sprach, und das hat mit Ergebenheitsadres- wenn man seitens der SPD von den eigentlichen sen gar nichts zu tun. Darüber kann auch manche Problemen des Mittelstands dadurch abzulenken Aktivität der mittelstandspolitischen Abteilung im versucht, daß man den Eindruck erweckt, durch die Bundeswirtschaftsministerium, obwohl in dieser Ab- Schaffung einer neuen Planstelle im Beamtenappa- teilung in vier Unterabteilungen über 100 Beamte rat, nämlich eines Staatssekretärs für Mittelstands- beschäftigt sind, nicht hinwegtrösten oder hinweg- fragen, könnte eine Änderung der im Prinzip mit- täuschen. telstandsfeindlichen Politik der SPD/FDP-Regierung (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! 100 bewirkt werden. Ein zusätzlicher Beamter, selbst Beamte!) wenn er sehr hoch besoldet wird, würde, zumal er Welchen Stellenwert die Mittelstandspolitik in der nicht mit Kompetenzen ausgestattet ist, sehr bald Bundesregierung hat, zeigt sich auch deutlich daran, Gefahr laufen, nur ein Briefkastenonkel zu sein. daß nach sehr, sehr langer Pause der Beirat für ge- Wir sind also strikt dagegen, die Mitglieder der werblichen Mittelstand morgen zum zweitenmal Bundesregierung von ihrer mittelstandspolitischen in diesem Jahr zusammentritt! Verantwortung dadurch zu entlasten, daß wir sie (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Hört! auf einen Staatssekretär für den Mittelstand dele- Hört!) gieren, wie Sie, Herr Professor Schachtschabel, ihn nun schon mehrfach gefordert haben. Es geht um den Stellenwert, den die Mittelstands- politik künftig haben soll. Hier sind wir offensicht- (Dr. Schachtschabel [SPD] : Angeregt!) lich unterschiedlicher Auffassung. Wir gehen bei — Nun gut, wenn Sie da differenzieren wollen. unserer mittelstandspolitischen Konzeption- davon (Dr. Schachtschabel [SPD] : Das ist ein we aus, daß der Anteil der Klein- und Mittelunterneh- sentlicher Unterschied!) men an der Gesamtzahl der 1,9 Millionen Unter- nehmen 99,6 % beträgt. Nur 7 136 oder 0,4 % aller Es geht darum, daß praktisch alle Gesetze, alle Unternehmen sind sogenannte Großunternehmen mit Maßnahmen des Staates mittelstandsgerecht kon- mehr als 500 Beschäftigten. Zwar sind in diesen zipiert werden. Dies eben ist das Ziel, das wir mit 0,4 % aller Unternehmen 41,4 % der Beschäftigten dem Mittelstandsförderungsgesetz anstreben. Es tätig, dies heißt aber mit anderen Worten auch, verläßt dadurch den engeren Rahmen der bisherigen daß rund 60 % aller Arbeitsplätze in Klein- und Mittelstandspolitik. Es will also weit mehr als Ihr Mittelunternehmen sind. Diese Arbeitsplätze sind sogenanntes Aktionsprogramm, das Sie jeweils vor durch die gegenwärtige Konjunktursituation stärker Beginn eines Bundestagswahlkampfes präsentieren. gefährdet als die Arbeitsplätze in Großunternehmen. Wir haben das Aktionsprogramm des letzten Bun- Dazu kommt, daß in vielen- kleinen Unternehmen destagswahlkampfes, das Sie am 29. Dezember 1970 die Möglichkeit eines Zurückfahrens der Zahl der als Bundestagsdrucksache hier veröffentlicht haben, Beschäftigten nicht besteht, sondern daß sich hier schon als ein „Aktionsprogramm ohne Aktionen" oft nur die Alternative in Form des Ausscheidens entlarvt. Auf Grund dieses Aktionsprogramms sind aus dem Markt darbietet, was nicht nur den Ver- auch im Bereich der Gesetzgebung nie konkrete lust von Arbeitsplätzen, sondern gleichzeitig die Aktionen erfolgt. Aufgabe selbständiger Tätigkeit zur Folge hat, eine Wir sind infolgedessen auch sehr skeptisch ge- Situation, die nie wiedergutzumachen ist. genüber einer Fortschreibung dieses alten Aktions Besser und wichtiger wäre es, wenn Sie-programms. Mittelstandspolitik ist also weit mehr als eine hier und heute darlegten, was denn auf Grund Politik zur Sicherung des Bestandes dieser Unter- Ihres Aktionsprogramms aus dem Jahre 1970 mittel- nehmen. Mittelstandspolitik muß auch verstanden standspolitisch tatsächlich bewirkt wurde. Erfolgs- werden als eine Politik der Sicherung der Arbeits- kontrolle ist hier aus der Sicht der Opposition das plätze diesen Unternehmen, als eine Politik zur in Gebot der Stunde. Diese Erfolgskontrolle hat uns der großen Mehrheit der Arbeitsplätze in Sicherung die Bundesregierung bisher vorenthalten. der Bundesrepublik Deutschland. Dann genügt es eben nicht, bei der Mittelstandspolitik auf die Ar Seit über einem halben Jahr arbeiten die zahl einer Abteilung der Bundesregierung zu schie--beit Beamten der Mittelstandsabteilung zwar,-reichen len. Es genügt ebensowenig, die Arbeit eines Mini- wie es heißt, an einem umfassenden Mittelstands- steriums als allein mittelstandspolitisch relevant bericht. Er sollte auch, den Ankündigungen des zu bezeichnen. Mittelstandspolitik muß von der ge Bundeswirtschaftsministeriums folgend, noch in Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14385 Hauser (Krefeld) diesem Jahr vorgelegt werden. Er liegt aber heute, Bei den Sozialbeiträgen rückt die 1 000,- DM in der letzten Sitzungswoche dieses Jahres, dem Schwelle monatlich immer näher. Ab 1976 erreichen Hohen Hause noch nicht vor. Nun wird der Som- die Beiträge für Sozialversicherungen in der Spitze mer 1976 als Veröffentlichungstermin vorausgesagt. 918,40 DM. Das werden 137,90 DM bzw. 17,7 % Wir schließen daraus zunächst einmal, daß es der mehr als 1975 sein; denn ab 1. Januar 1976 steigt die Bundesregierung offensichtlich außerordentlich Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Ar- schwerfällt, einen solchen Bericht zu erstellen. Auch beits losenversicherung von 2 800 DM auf 3 100 DM in den Jahreswirtschaftsberichten, die Sie jeweils monatlich und in der Krankenversicherung von zu Beginn eines Jahres vorlegen, hat im Grunde 2 100 auf 2 325 DM. Zu Ihrer Erinnerung sei gesagt, immer eine klare Darstellung Ihrer mittelstandspoli- daß die Sozialbeiträge 1970 noch einen Höchstsatz tischen Arbeit gefehlt. Mit globalen Erklärungen von 427,80 DM hatten. Sie haben sich also in diesem und allgemeinen Lippenbekenntnissen zum Mittel- Zeitraum mehr als verdoppelt. stand, z. B. ständigen Ankündigungen vom Verlust dem Sie reden, den Sie aber nicht be--rücktrag, von Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- schließen, obwohl er diesem Hohen Hause beschluß- lege, ich muß Sie auf den Zeitablauf aufmerksam reif vorliegt, mit Sonntags- und Festreden ist in machen. der gegenwärtigen konjunkturellen Situation dem Mittelstand nicht gedient. Hauser (Krefeld) (CDU/CSU): War denn eine Zeit (Zustimmung bei der CDU/CSU) festgesetzt? Wir haben allen Anlaß zu der Vermutung, daß Sie durch Ihre global ausgerichtete Politik die eigent- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Ja. Ich lichen Sorgen und Probleme des Mittelstands eben bitte Sie daher freundlicherweise, zum Ende zu nicht richtig erkennen oder erkennen wollen. kommen. Lassen Sie mich daher zunächst eine Situations- analyse der Lage im Mittelstand versuchen, wie wir Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) : Ich werde mich kurz sie sehen. Wir sind dazu gezwungen, nachdem Ihr fassen, Herr Präsident. Mittelstandsbericht diesem Hohen Hause leider (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Die nicht vorliegt. Obwohl wir in dem Gesetz zur För- rote Lampe ist gerade angegangen!) derung der Stabilität und des Wachstums der Wirt- schaft ein ausgezeichnetes konjunkturpolitisches In- Hinzu kam die Personalkostenlawine, die mittler- strumentarium zur Verfügung haben, haben Sie alle weile schon auf 58 % des Lohnes gestiegen ist. Sie globalen Ziele der Wirtschaftspolitik verfehlt. Trotz führt dazu, daß wir bei einem ähnlich anhaltenden der Vollbeschäftigungsgarantie des früheren- Bun- Zuwachstempo in sieben Jahren auf 100 DM Lohn deskanzlers haben wir Arbeitslosigkeit, verbunden noch einmal 100 DM an Nebenkosten drauflegen mit nach wie vor zu hohen Inflationsraten. müssen. Diese Substanzverluste der Betriebe schla- (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Er gen sich vor allen Dingen im mittelständischen Be- meint !) reich nieder und führen zu einer negativen Ertrags- entwicklung , die sich dann in der Konkursstatistik Hinzu kommt ein schrumpfendes Bruttosozialpro- zu einer Totenliste der Marktwirtschaft verdeutlicht. dukt, das mehr als deutlich die verfehlte Konjunk- turpolitik dieser Bundesregierung zeigt. Das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben — ich will das wegen der Zeit nicht mehr alles vor- Der Mittelstand wurde von der Fehlentwicklung tragen —, ist in den Statistiken des Bundesamtes im der globalen ökonomischen Daten noch weitaus einzelnen dargestellt, und auch das von Ihnen bei härter getroffen als die Großbetriebe. Er sieht sich der Prognos AG in Basel bestellte Gutachten über dem dreifachen Zangengriff von Kostenexplosion, die Lage des Mittelstandes ändert an dieser Situa- der Lawine steigender Soziallasten und steigender tion nichts. Die Welt, die 1985 nach dieser Darstel- Steuern ausgesetzt. Wir haben in der Begründung lung für den Mittelstand wieder in Ordnung sein zu unserem Gesetzentwurf die Fakten detailliert soll, wird nur in Ordnung kommen, wenn eine poli- aufgezeigt, die Sie in Ihren Jahreswirtschaftsberich- tische Kurskorrektur auf allen Ebenen erfolgt. ten beharrlich verschwiegen haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich an Stelle von vielen Einzelzah- len nur das Gesamtergebnis Ihrer Wirtschaftspoli- Wir brauchen eine mehrjährige Kostengewißheit tik feststellen. An zusätzlichen Steuerbelastungen, als Voraussetzung für verläßliche Kalkulationen, die in den Jahren 1969 bis 1975 — wobei die für eine langfristige Kalkulierbarkeit aller die Struktur- 1975 geschätzt sind — entstanden sind, mußte die entwicklung beeinflussenden Entscheidungen und Wirtschaft insgesamt rund 17,5 Milliarden DM ver ordnungspolitische Gewißheit, d. h. einen Stopp aller Hinzu kam die von Ihnen ausgelöste-kraften. systemüberwindenden Pläne und Projekte. In unse- Sozialkostenlawine, die von 1969 bis 1975 Mehr rem Entwurf ist die Therapie enthalten, die wir Milliarden DM gebracht hat.-belastungen von 39,7 Ihnen anzubieten haben. Dieser Gesetzentwurf sollte Die global festgehaltenen zusätzlichen Kostenbela- nach unserer Meinung noch in dieser Legislatur- stungen, sowohl durch die Steuerpolitik wie auch periode verabschiedet werden. durch die Sozialpolitik, schlagen sich in der Bilanz eines jeden einzelnen Betriebes in Mark und Pfen- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- nig nieder. lege, ich bitte Sie nochmals, zum Ende zu kommen. 14386 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) : Ich komme jetzt zum mittelstandspolitische Aktionsprogramm der sozial- Ende. liberalen Bundesregierung handelt. Hier entscheidet sich, ob Sie ernsthaft bereit (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Konkurs sind, dem Mittelstand zu helfen. Hier entscheidet programm!) sich, ob Sie dem Mittelstand in die Zukunft hinein Insofern entsteht durch den Entwurf der CDU/CSU eine Chance geben. Mit dieser Konzeption bieten der Eindruck, als ob man sich damit nur ein Make-up wir Ihnen die Möglichkeit an, mit uns gemeinsam aufzulegen gedenkt, wobei man sich völlig unge- in für den Mittelstand eine Basis zu schaffen, die ihm niert — offenbar auch aus Mangel an eigenen Vor- der Zukunft eine Sicherung bietet. Wir haben daher stellungen und Vorschlägen — sogar derjenigen die Bitte an das Hohe Haus, diese Konzeption mit Grundsätze und Formulierungen bedient, die von uns gemeinsam zu tragen. Wir sind für Verbesse- der Sozialdemokratie längst im Godesberger Pro- rungsvorschläge offen, aber wir glauben, daß die gramm von 1959 und in vielen anderen sozialdemo- Zeit des Handelns endgültig gekommen ist. kratischen Programmen und Verlautbarungen nie- (Beifall bei der CDU/CSU) dergelegt worden sind. (Zuruf von der CDU/CSU: Bei Opa Marx, Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Meine nicht?) Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn sich So wird bereits im Godesberger Programm heraus- die folgenden Redner an die vereinbarten Rede- gestellt — das muß ich Ihnen nun direkt entgegen- zeiten halten würden, damit wir auch bei dem halten —, daß es darauf ankomme, die Leistungs- letzten Punkt der Tagesordnung, zu dem noch eine fähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen zu Aussprache vorgesehen ist, den Rednern, die stärken, damit sie die wirtschaftliche Auseinander- freundlicherweise inzwischen eingetroffen sind, setzung mit den Großunternehmen bestehen können. noch die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen, geben Diese Zielsetzung, meine Herren von der Oppo- können. sition, hat ihren Niederschlag auch in den Regie sozialdemokratisch geführter Bun--rungserklärungen Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schacht- desregierungen, so zuletzt in der des Bundeskanz- schabel. lers , gefunden. (Zurufe von der CDU/CSU) Dr. Schachtschabel (SPD) : Herr Präsident! Meine warten Sie erst einmal ab! Damen und Herren! Prinzipiell ist durchaus anzu- — Nun erkennen, daß sich die Opposition darum bemüht, - Es ist klar, daß sich bei den von der soziallibera- wenigstens auf mittelstandspolitischem Gebiet ihre len Bundesregierung vertretenen und praktizierten - Auffassungen und Ansichten in Form eines Bundes Maßnahmen nicht darum handeln kann, Schutzzäune mittelstandsförderungsgesetzes bekanntzugeben. zu errichten oder erstarrte Strukturen künstlich am (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] : Was Leben zu erhalten. Vielmehr verstehen wir unter heißt hier „wenigstens"?) sozialliberaler Mittelstandspolitik die Anwendung Hilfe zur Wir haben diesen Entwurf mit größter Aufmerk- und Durchführung des Grundsatzes der samkeit entgegengenommen und gehofft, daß ge- Selbsthilfe, um damit kleinen und mittleren Unter- nehmen die Anpassung an den wirtschaftlichen und rade diejenigen, die sich fast marktschreierisch als technischen Strukturwandel zu erleichtern, Wettbe- einzige Hüter und Wahrer des gewerblichen Mittel- werbshemmnisse abzubauen und soziale Härten bei standes sowie der Selbständigen ausgeben, mit der Anpassung an strukturelle Veränderungen zu neuen Ideen, neuen Uberlegungen und durchschla- mildern. Dieser Auffassung hat die SPD konkrete genden Maßnahmen hervortreten würden. Aber Taten folgen lassen, und zwar im Gegensatz zur — nehmen Sie uns das nicht übel — wir sind ent- CDU/CSU, deren Hauptarbeit sich weitgehend in täuscht. verbalen Äußerungen erschöpft und die dennoch Wo ist denn da die Alternative, Herr Kollege nicht müde wird, sich unentwegt als Gralshüter Hauser? Denn abgesehen davon, daß die Opposition mittelstandspolitischer Interessen anzubieten. wie in vielen anderen Bereichen auch mit ihrem (Zurufe von der CDU/CSU) Mittelstandsförderungsgesetz zu spät kommt, ent- hält der Entwurf kaum andere als diejenigen Vor Insofern wäre es gut und zweckmäßig gewesen, und Maßnahmen, die von der sozialliberalen-schläge meine Herren — das müssen Sie sich nun einmal Bundesregierung aus echter selbständigenpolitischer sagen lassen —, wenn sich die Vertreter der Oppo- Verantwortung seit Jahren erfolgreich zur Erhal- sition mit den von der sozialliberalen Bundesregie- tung und Förderung der mittelständischen Leistungs- rung bereits 1970 verabschiedeten Grundsätzen fähigkeit vertreten und praktiziert werden. einer Strukturpolitik für kleine und mittlere Unter- (Zuruf von der CDU/CSU: Ihre Mittel nehmen intensiv befaßt und den umfangreichen standsvernichtungspolitik! — Weitere Zu Katalog zur Förderung der Leistungsfähigkeit und rufe von der CDU/CSU) der Leistungsbereitschaft der kleinen und mittleren Selbständigen in Handel, Handwerk und dem übri- Bei genauer Überprüfung zeigt sich sehr schnell, gen mittelständischen Gewerbe eingehend studiert meine Herren, daß es sich bei dem Entwurf der hätten. Dann wäre ihnen sicherlich nicht entgangen, Opposition um das unvollständig abgeschriebene daß die sozialliberale Bundesregierung längst eine Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14387 Dr. Schachtschabel wirkungsvolle Mittelstandspolitik erfolgreich prak- fügung gestellt, wobei nur auf die von diesem tiziert. Ministerium herausgebrachte Förderfibel verwiesen (Zuruf von der CDU/CSU: 8 000 Konkurse, wird, die in diesen Tagen erschienen ist. Herr Schachtschabel!) (Zuruf von der CDU/CSU) Lassen Sie mich in aller Kürze nur die Schwer- Der Opposition sei an dieser Stelle ins Stamm- punkte nennen: Maßnahmen zur Verbesserung der buch geschrieben: Wer alle diese Bemühungen und Finanzierungsmöglichkeiten, Maßnahmen zur För- Initiativen kennt, einen Teil davon — nicht alle — derung der Rationalisierung, der Forschung, der Ent- in den Entwurf eines Bundesmittelstandsförderungs- wicklung und Innovation, Maßnahmen zur Verbes- gesetzes einbezieht, darüber hinaus keine eigenen serung des Informations- und Beratungswesens so- Ideen und sachlichen Bereicherungen hinzufügt und wie der beruflichen Fortbildung. weiterhin einen der wichtigsten Aspekte hinsichtlich Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Her- der Durchführung von Förderungsmaßnahmen, näm- ren, haben wir diese Maßnahmen finanziert, um sie lich die Finanzierung, nicht abschließend regelt, ja zu verwirklichen, während Sie in Ihrem § 6 — ausdrücklich unter Haushaltsvorbehalt stellt — ich — nur mit worauf ich noch zurückkommen werde verweise auf den § 6 des Entwurfs —, dokumentiert einem Hinweis „unter Vorbehalt haushaltsmäßiger letztlich nichts anderes als die eigene Konzeptions - Bewilligung" reagieren. und Einfallslosigkeit. Seit Jahren stellt die sozialliberale Bundesregie- Nun ist die Ubernahme von bewährten und er rung ständig steigende Beträge zur Durchführung Maßnahmen, Herr Kollege Hauser, an-folgreichen jener Hilfen zur Verfügung. So belief sich allein sich keine Schande, im Gegenteil wird doch dadurch 1975 die finanzielle Förderung des Mittelstandes erkennbar, daß aus Einsicht Anerkennung gezollt aus Haushaltsmitteln des Bundes, ergänzt durch wird. Doch erscheint es einfach lächerlich und un- Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau und glaubwürdig, wenn im „Deutschen Wirtschaftsblatt" Kredite und Gewährleistungen aus dem ERP-Son- — Sie haben es an dieser Stelle vorhin wiederholt — dervermögen, auf insgesamt etwa 2,3 Milliarden zu lesen ist, daß das sozialliberale Aktionsprogramm DM. Erst kürzlich beschloß das Bundeskabinett im zur Leistungssteigerung der kleinen und mittleren Entwurf des ERP-Wirtschaftsplangesetzes für 1976 Unternehmen ein „Aktionsprogramm ohne Aktion" eine Steigerung der ERP-Mittel insgesamt gegen- sei. Allein die von mir nur kurz genannten sozial- l über dem Vorjahr um 8,6 v. H. auf 2,75 Milliarden iberalen Förderungsmaßnahmen im Bereich des ge- DM. werblichen Mittelstandes offenbaren die völlige Haltlosigkeit dieser Behauptungen, die um so gro- In diesem Zusammenhang wurde auch der Mittel- tesker wirken, als sich die Opposition in ihrem Ent- ansatz zur Förderung der Leistungsfähigkeit- kleiner wurf eines Bundesmittelstandsförderungsgesetzes und mittlerer Unternehmen um knapp 40 v. H. von auf eben diese unsere Maßnahmen stützt. Diese Ver 475 auf 657 Millionen DM enorm erhöht. zeigt das wahre Anliegen der Op--nebelungstaktik Mit diesem Beschluß erteilt die Bundesregierung position, die Sorgen und Probleme eines großen allen jenen exemplarisch eine Lektion, die ihr Un- Teils unserer Bevölkerung für ihre Wahlkampfma- ternehmer- oder sogar Mittelstandsfeindlichkeit vor- növer zu mißbrauchen. werfen. Festzuhalten bleibt, daß die Bundesregie- (Beifall bei der SPD und FDP) rung mit einer Vielzahl von Finanzierungshilfen Wir sprechen das sehr deutlich aus, weil Sie genau dem gewerblichen Mittelstand eine breite Palette und jetzt in diesem Augenblick damit kommen, um langfristiger Finanzierungsmittel anbietet, die sei- sich, meine Herren von der Opposition, damit nach nen Bedürfnissen und betrieblichen Erfordernissen außen zu dokumentieren und weiter nichts tun, als entsprechen und die langfristig und zu festen Kon- in der Bevölkerung den Eindruck hervorrufen zu wol- ditionen zur Verfügung gestellt werden. len, als ob Sie hier die einzigen Wahrer der Mittel- Uber diese Finanzierungshilfe hinaus widmet die standspolitik seien. Bundesregierung der Förderung von Forschung und (Zuruf von der CDU/CSU: Sie in Ihrem Entwicklung sowie der Gewerbeförderung in klei- Glashaus sollten lieber ruhig sein!) nen und mittleren Unternehmen größte Aufmerk- samkeit. Sie können doch nicht daran vorbeigehen, meine (Zuruf von der CDU/CSU) Herren, die CDU/CSU redet so viel und so laut von ihren mittelstandspolitischen Anliegen, Die hierfür zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Bundeshaushalt, meine Herren von der Oppo- (Zuruf von der CDU/CSU: Und Sie schik sition, haben sich allein von 1970 bis 1975 mehr als ken die Leute in den Konkurs!) verdoppelt. Ich erwähne nur, daß es 1970 61,6 Mil- daß es notwendig ist, hier und heute noch einmal lionen DM waren und 1975 127,327 Millionen DM. daran zu erinnern, daß es immerhin erst dieser so- Darüber hinaus sind noch weitere Maßnahmen ge- zialliberalen Bundesregierung bedurfte, einen mit troffen worden, auf die ich hier wegen der Kürze Meilenstein mit der Novellie--telstandspolitischen der zur Verfügung stehenden Zeit nicht näher ein- rung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun - gehen möchte. gen zu schaffen. Eines möchte ich aber noch bemerken: Vom Bun- (Beifall bei der SPD und FDP — Dr. Müller desmininsterium für Forschung und Technologie Hermann (CDU/CSU) : Konkursrekorde ha werden zusätzlich umfangreiche Mittel zur Ver ben Sie geschaffen!) 1438a Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 175 Dr. Schachtschabel Mit dieser Kartellgesetznovelle setzte die Regie- einmal muß man dem Ältestenrat Lob zollen für rungskoalition entscheidende Verbesserungen für die Terminansetzung — nicht wegen des späten die Tätigkeit gerade kleiner und mittlerer Unter- Abends. Aber daß ein solcher Gesetzentwurf so nehmen durch. Ich will auf die Einzelheiten nicht gerade zwischen Nikolaus und Weihnachten auf die näher eingehen, aber eins sei noch erwähnt. Tagesordnung gesetzt wird, ist für die Austeilung von guten Gaben, die hier vorgesehen ist, ganz Es war auch die SPD/FDP-Koalition, die im Zuge angemessen. der Rentenreform das gesicherte Fundament für die Altersversorgung auch der Selbständigen in unse- (Zuruf von der CDU/CSU: Also doch!) rem Lande schuf. Die Öffnung der gesetzlichen Ren Ich bin mir allerdings nicht so ganz im klaren, Herr bietet Selbständigen die Möglich--tenversicherung Kollege Hauser, ob nun hier wirklich der Heilige keit, ihre Alterssicherung in der Rentenversicherung Nikolaus oder der Weihnachtsmann tätig war entweder über die Pflichtversicherung auf Antrag oder die freiwillige Versicherung aufzubauen und (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU] : Der sind damit für einen gesicherten Lebensabend Sorge zu Sie!) tragen. oder ob nicht der Sack, den Sie vollgefüllt haben Allen Verdrehungsversuchen zum Trotz brachte und austeilen wollen, von vielen Weihnachtsmän- auch die Steuerreform wirksame Entlastungen für nern zusammengestellt worden ist und ob das, was den überwiegenden Teil der Selbständigen. Ich will Sie daraus ausschütten wollen, nicht im Grunde das davon absehen, die entsprechenden Beweise anzu- ist, was die sozialliberale Politik in der Mittel- führen. Aber über diese bedeutenden Reformmaß- standspolitik längst zur Verfügung gestellt hat. Sie nahmen hinaus prüft die Bundesregierung zur Zeit wollen also Geschenke verteilen, die die Beschenk- in der Tat, meine Herren, steuerliche Maßnahmen ten längst haben. Investitionstätigkeit, die ins- zur Erleichterung der (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU] : Jetzt kleinen und mittleren Unter- besondere auch den spricht der Weihnachtsmann! — Heiterkeit nehmen zugute kommen sollen. bei der CDU/CSU) (Zuruf von der CDU/CSU: Das tut sie schon ein Jahr lang!) Im übrigen, meine Damen und Herren, wollen Sie sich natürlich — und das ist ja verständlich — als sind angesichts der schwierigen Diese Uberlegungen Mittelstandspartei profilieren. wirtschaftlichen Lage in unserem Lande ausdrücklich in der Entschließung zur Wirtschaftspolitik auf dem (Zuruf des Abg. Engelsberger [CDU/CSU]) der SPD vom 11. bis 15. No Mannheimer Parteitag Wahrscheinlich wollen Sie auch, den Klagen von zum Ausdruck gebracht worden, indem ember 1975 -v Herrn Lampersbach folgend, etwas tun, um die dort gefordert worden ist, zu überprüfen, inwieweit Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU finanziell steuerliche Entlastungen zugunsten kleiner und mitt- wieder aufzuforsten. Er hat ja in Ihrem Pressedienst erer Unternehmen bis hin zu unmittelbaren Hilfen l bewegte Klage darüber geführt, daß es ihr doch so notwendig sind. erbärmlich schlecht gehe. Er ist ja auch in Mann- Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen, kann heim so schlecht behandelt worden und hat dort ich an dieser Stelle ausdrücklich feststellen, daß die ganz zu Recht festgestellt, daß die CDU/CSU soziolo- sozialliberale Bundesregierung und die sie tragen- gisch gar nicht mehr in der Lage sei, die Interessen den Koalitionsfraktionen von SPD und FDP auf dem des Mittelstandes zu vertreten. Das werden Sie mit richtigen mittelstandspolitischen Wege sind. Sie ha- ihm auszudiskutieren haben. gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeu- ben die (Beifall bei der FDP und der SPD) tung der vielen kleinen und mittleren Selbständigen für unser Land frühzeitig erkannt. Mit einer Fülle Nun, meine Damen und Herren, ein solches Mit anregender und stützender Maßnahmen haben sie ein eigenes Bundesmittelstandsge--telstandsgesetz, die Sicherung und den Ausbau mittelständischer setz — darauf hat der Kollege Schachtschabel schon Existenzen gefördert. Ziel und Zweck des von der mit Recht hingewiesen — fördert das Naturschutz Opposition vorgelegten Gesetzentwurfes, einschließ- -park-Denken lich der Ausrichtung der darin enthaltenen Maßnah- men, sind längst mittelstandspolitische Praxis. Des- (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Wer ist halb und im Interesse der erforderlichen Flexibilität für Naturschutzpark-Denken?) in der Mittelstandsförderung wird die sozialdemo- und läßt im übrigen einen bestimmten Eindruck ent- kratische Bundestagsfraktion diesen Gesetzentwurf stehen, einen sicherlich ganz falschen Eindruck; ablehnen. Genauer gesagt, meine Herren von der aber Sie tragen dazu bei, daß er entsteht. Der Kol- Opposition: er ist überflüssig. lege Müller-Hermann schüttelt schon den Kopf, (Beifall bei der SPD und FDP) bevor ich überhaupt gesagt habe, was ich sagen wollte. Sie gehen nach dem Motto vor: „Ich weiß Vizepräsident Dr. SchmItt-Vockenhausen: Wir fah- zwar nicht, was die Regierung sagen wird, aber ich ren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Abge- bin dagegen." — Sie lassen hier den Eindruck ent- ordnete Graf Lambsdorff. stehen, als seien mit einem solchen Gesetz die Pro- bleme des Mittelstandes geregelt. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Präsident! Gnä- (Zuruf von der CDU/CSU: Das unterstellen dige Frau! Meine sehr geehrten Herren! Zunächst Sie doch sicher!) Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14389 Dr. Graf Lambsdorff Das wundert mich eigentlich. Im übrigen, Herr Kol- Mittelstandspolitik ist — hoffentlich sind wir dar- lege Becker, ich sehe Sie gerade zu meinem Erstau- in einig — auch mehr als Subventionspolitik. Sie nen, aber mit Dank — Sie hatten das angekün- kann doch eigentlich und sollte auch nichts anderes digt —, in der ersten Reihe sitzen. Sie haben soeben sein, als Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Von diesen noch den Sparsamkeitsappellen Ihres Kollegen Möglichkeiten sollte und kann dann auch Gebrauch Albrecht aus Niedersachsen laut Beifall gezollt. gemacht werden. Das hat die Bundesregierung (Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/ schon im Dezember 1970 mit den Grundsätzen der CSU}: Der Appell war sehr gut!) Strukturpolitik für kleine und mittlere Unternehmen angeboten. Im übrigen wissen Sie — Sie haben es — Der Appell war ausgezeichnet, Ihr Beifall auch, selber erwähnt —, daß das Aktionsprogramm neu nur paßt er hier nicht. Hier haben Sie ja auch Bei- gefaßt, etwa im Februar/März im Kabinett sein wird fall gezollt. Aber Sie zollen immer Beifall, wenn und dann hier in diesem Hause diskutiert werden einer von Ihnen redet. kann. Was Sie getan haben — da hat Herr Schacht- (Dr, Becker [Mönchengladbach] [CDU/ schabel vollständig recht —, ist: Sie haben vom CSU}: Das zeugt von der Qualität unserer alten Aktionsprogramm fleißig abgeschrieben und, Redner!) wie gesagt, den Katalog existierender Maßnahmen in ein Gesetz gebracht, in dem nichts, aber auch gar Es ist ziemlich egal, ob er sich widerspricht oder nichts Neues steht. Irgend etwas Neues hätten Sie nicht. sich wirklich einfallen lassen sollen. Meine Damen und Herren, das Mittelstandsgesetz (Engelsberger [CDU/CSU] : Ihr habt doch ist genauso wenig sinnvoll — Herr Schachtschabel sechs Jahre Zeit gehabt!) hat es als überflüssig bezeichnet; damit hat er recht — wie ein Mittelstandsministerium oder ein So viel Zeit haben Sie doch gehabt, noch einmal Mittelstandsstaatssekretär. Mittelstandspolitik ist darüber nachzudenken, ob man nicht eine neue ein gesellschaftspolitisches Problem, das in allen Idee — etwas Originäres oder, wenn das nicht geht, Ausschüssen des Bundestages, in allen Ministe- wenigstens etwas Originelles — hätte hineinschrei- rien der Bundesregierung, bei allen Gesetzentwür- ben können. fen auf seine Auswirkung in diesen Bereich hinein überprüft werden muß. Diese ständige struktur- Meine Damen und Herren, wir haben eine Erfolgs- politische Aufgabe muß in unsere marktwirtschaft- bilanz in der 7. Wahlperiode dank der Wirtschafts- liche Ordnung eingebaut und in diesem Sinne be- politik dieses Wirtschaftsministers aufzuweisen, rücksichtigt werden. Dabei wissen wir sehr genau, daß eine Vielzahl und Vielfalt von Unternehmen (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der notwendig und wünschenswert sind, aber es -ist nicht CDU/CSU: Großartige Reden und nichts notwendig und nicht wünschenswert, daß wir Erhal- dahinter! — Zehntausend Konkurse!) tungssubventionen und Erhaltungspolitik betreiben. angefangen bei den Maßnahmen im Gesetz gegen (Zurufe von der CDU/CSU) Wettbewerbsbeschränkungen, das wir mit Ihrer Zu — Herr Kollege Hauser, lassen Sie mich ausreden. verabschiedet haben. Im übrigen habe ich-stimmung — Es ist durchaus kein Schaden an sich, daß sich den Eindruck: Wenn es den sachverständigen und mittelständische Unternehmen dann, wenn sie in klugen Kollegen Frerichs in Ihren Reihen noch Größenordnungen hineinkommen, in denen sie die gäbe, hätten wir es vielleicht gar nicht mit dem vor- Kapitalbedürfnisse, die Managerbedürfnisse aus liegenden Gesetzentwurf zu tun. Aber das ist meine eigener Kraft nicht mehr bewältigen können, grö- Spekulation. ßeren Einheiten anschließen und in denselben auf- gehen, wenn — das ist allerdings die wichtige Vor- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- aussetzung — die Wirtschaftsordnung anderen mit- lege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn telständischen, kleinen und mittleren Unternehmen Abgeordneten Müller-Hermann? Raum läßt, nachzuwachsen. (Zuruf CDU/CSU: Das ist nicht der von der Dr. Graf Lambsdorff (FDP): Aber selbstverständ- Fall!) lich, immer; mit dem größten Vergnügen. Und dieses ist der Fall. Und, Herr Hauser, es war in bezug auf das Prognos-Gutachten keine schöne Bemerkung von Ihnen zu sagen: „Das von Ihnen be- Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Kollege, stellte Prognos-Gutachten", weil damit natürlich wollten Sie Ihre Anmerkung über die erfolgreiche insinuiert wird, daß Gutachten, die man bezahlt, in Wirtschaftspolitik für den Mittelstand als einen der Richtung geschrieben werden, wie der Auftrag- charmanten Weihnachtsscherz von uns aufgefaßt geber dies meint. wissen, wenn Sie daran denken, daß wir Rekorde an Konkursen, Geschäftsaufgaben und Fusionen er- (Zuruf des Abg. Hauser [Krefeld] [CDU/ leben, CSU] ) (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Im mittelstän Bei Prognos können Sie andere Erfahrungen sam- dischen Bereich!) meln. Das Ansehen und die Reputation von Prognos sind so nicht zu behandeln. Sie sollten sich das viel- die doch alle im Grunde auf die Inflationspolitik leicht noch einmal überlegen. dieser Regierung zurückgehen? 14390 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Konkurse und Insol- leren Unternehmen in Deutschland höher ist als bei venzen, Herr Müller-Hermann, ereignen sich kei- den großen Unternehmen. neswegs nur im mittelständischen Bereich; (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Aber vor Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Gestatten wiegend!) Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeord- neten Jahn (Münster)? sie ereignen sich überwiegend, wie Sie sehr genau wissen, im Bereich der Neugründungen und unge- nügend finanzierten Unternehmen. Es gibt eine Reihe Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Selbstverständlich, da von Unternehmen, die aus bedauerlichen Gründen Ihre Warnungen, Herr Präsident, offensichtlich nicht aus dem Markt ausgeschieden sind. Ich wiederhole verfangen. hier, was ich schon mehrfach gesagt habe — ich (Dr. Gölter [CDU/CSU] : Keine Zensuren hoffe, daß wir darin übereinstimmen —: Unterneh- bitte!) mer, die sich so finanzieren, als gäbe es Zeiten von Restriktionspolitik der Notenbank mit knappem (Münster) (CDU/CSU) : Graf Lambsdorff, Geld und hohen Zinsen nicht, als brauchte man da- Dr. Jahn Sie sprachen von einer Erfolgsbilanz. Wie ordnen mit nicht zu rechnen, müssen die Folgen für falsches Sie in Ihre sogenante Erfolgsbilanz das Haushalts unternehmerisches Planen und Verhalten tragen. besser gesagt: das Haushaltssiche--strukturgesetz — Eine große Zahl von denen gehört dazu. rungsgesetz — ein?

Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Gestat- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Das Haushaltsstruktur- ten Sie eine weitere Zwischenfrage? gesetz ist der Ausweis einer handlungsfähigen und tatkräftigen Regierung, die aus einer Situation die notwendigen Folgerungen zieht. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Selbstverständlich, wenn der Herr Präsident die Güte hat, mir das nicht (Lachen beider CDU/CSU) auf die Redezeit anzurechnen. Dabei sehen wir allerdings, daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, einer damit verbun- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das denen notwendigen Einnahmeverbesserung im Wege schreckt möglicherweise weitere Fragesteller ab. stehen; Sie verschlechtern durch zusätzliche aus Anträge die Situation. Bisher habe-gabewirksame ich von der Opposition dazu nichts Vernünftiges Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Kollege, gesehen. wollen Sie mir dann wenigstens darin zustimmen,- (Beifall bei der FDP und der SPD) daß gerade die mittelständischen und kleineren Betriebe, die in besonderem Maße auch unter Kapi- Ein Glück, daß wir wenigstens heute mit 261 Stim- talschwäche leiden, einen anhaltenden Kostendruck, men einen Ihrer schlimmsten Fehler korrigieren wie wir ihn in den letzten Jahren erlebt haben, konnten. nicht durchhalten können, sondern daß hier ein (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Ihre Feh Substanzverkehr stattfindet, der sich dann auch in ler!) den relativ astronomischen Ziffern an Konkursen Meine Damen und Herren, die Mittelstandsfibel ausdrückt? des Bundeswirtschaftsministeriums, die Leistungen des ERP-Sondervermögens, die in flexibler Weise Dr. Graf Lambsdorff (FPD) : Herr Kollege Dr. Mül- den Bedingungen und Notwendigkeiten des Mark- ler-Hermann, wir müssen uns zunächst darüber ver- tes angepaßt worden sind — allein dadurch sind bis ständigen, was denn eigentlich der Kapitalmangel Ende 1974 33 Milliarden DM zur Verfügung gestellt ist, den Sie meinen. worden —, das Mittelstandsprogramm der KfW, die (Dr. Müller-Hermann [CDU/CSU] : Kapital besondere Berücksichtigung in den konjunkturpoli- schwäche!) tischen Sonderprogrammen — dies ist noch im letz- ten Programm geschehen — und auch die Steuer- Ich gehe davon aus, daß wir uns erst einmal darauf reform dienen dem Mittelstand. Bei der Steuer- einigen, daß es sich um den Eigenkapitalmangel reform sind gerade für den Mittelstand eine große handelt. Ich stimme Ihnen zu, daß bei der Fremd- Reihe von erleichternden Maßnahmen getroffen kapitalfinanzierung mittelständische Unternehmen worden. So haben wir z. B. — ich will hier nur ein einen strukturellen Nachteil gegenüber emissions- oder zwei Maßnahmen nennen, um Ihre Zeit nicht fähigen Firmen haben. Das ist gar keine Frage; über Gebühr in Anspruch zu nehmen — den Ge- da haben wir mit der Industriekreditbank und ähn- werbesteuerfreibetrag für mittelständische Unter- lichen Einrichtungen Abhilfe geschaffen. nehmen erhöht. Leider, Herr Kollege Hauser, habe Bei der Eigenkapitalsituation haben wir die ge- ich es sträflicherweise verabsäumt, einmal nachzu- nauen Zahlen bis heute immer noch nicht. Der Be- sehen, was in Krefeld geschehen ist. Aber Sie werden richt über die Eigenkapitalstruktur unserer kleinen uns das sicher sagen können. Leider haben wir fest- und mittleren Unternehmen steht kurz vor der Ver- gestellt, daß — unter fleißiger Mitwirkung Ihrer Par- öffentlichung. Alle Vermutungen sprechen dafür, teifreunde — in den Gemeinden die Gewerbesteuer daß der Eigenkapitalanteil — im Verhältnis zum heraufgesetzt worden sind und sogar die-hebesätze Fremdkapital gesehen — bei den kleinen und mitt- Lohnsummensteuer neu eingeführt worden ist zu Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14391 Dr. Graf Lambsdorff einem Zeitpunkt, als wir durch Anhebung des Ge- das überprüft werden muß — es geht nicht nur um werbesteuerfreibetrags gerade die mittleren Unter die VOB, sondern auch um die VOL; die VOB hat schützen wollten. Nun, meine Damen und-nehmen im Baubereich zu unerfreulichen Kartellerscheinun- Herren: Beseitigung der Ergänzungsabgabe, Einfüh- gen geführt, die VOL bringt parallele Erscheinun- rung eines Altersentlastungsfreibetrags. Ich will das gen mit sich —, alles dies wird überprüft, daran im einzelnen nicht fortsetzen. wird gearbeitet. Dies sind die ständigen Aufgaben, (Abg. Hauser [Krefeld] [CDU/CSU] meldet die sich ergeben. Ich warne davor, dies in ein Ge- sich zu einer Zwischenfrage) setz zu schreiben, es zu verabschieden, es im Bun- desgesetzblatt abdrucken zu lassen und sich dann — Aber ich glaube, Herr Hauser will uns mitteilen, beruhigt zum Schlaf zurückzuziehen und zu sagen: wie er es in Krefeld gehandhabt hat. Mittelstandspolitik haben wir nun gemacht, darum brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern. — Sie Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- schlagen hier noch einmal den Verlustrücktrag vor. lege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Sie wissen, daß das eine Sache ist, die inzwischen läuft. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Gerne, selbstverständ- Sie haben auf dem Deckblatt der Drucksache, wie lich. das ja üblich ist, aufgeführt: Problem — Lösung — — Kosten. Das Problem, meine Damen Alternativen Hauser (Krefeld) (CDU/CSU) : Herr Kollege Graf und Herren von der Opposition, ist bekannt. Die Lambsdorff, ist Ihnen bekannt, daß Krefeld in Nord- Lösung ist das Aktionsprogramm der sozialliberalen rhein-Westfalen zu den Städten mit dem niedrigsten Bundesregierung. Aber die Kosten! Bei den Kosten Hebesatz bei der Lohnsummensteuer gehört und daß haben Sie nun wirklich eine entwaffnende Mittei- wir bisher eben mit Rücksicht auf die kleinen und lung gemacht: „Die auf Grund dieses Gesetzes vor- mittelständischen Betriebe in unserer Stadt, deren gesehenen ausgabewirksamen Maßnahmen stehen Schutz von uns ständig durchgehalten wird, diesen unter dem Vorbehalt der haushaltsmäßigen Bewil- niedrigsten Hebesatz für die Lohnsummensteuer bis l igung." — Also, meine Damen und Herren, der heute haben aufrechterhalten können, obwohl das Sack, den Sie da ausschütten wollen, ist in der naturgemäß auch zu Einschränkungen mancher Lei- Tat noch nicht einmal bezahlt; Sie haben die Nüsse, stungen geführt hat? Nur, das, was Sie jetzt im die Sie da zu verteilen gedenken, auf Pump ge- nachhinein mit Ihrem Haushalsstrukturgesetz erle- kauft. digen müssen, haben wir vorher schon gewußt. (Haase [Kassel] [CDU/CSU] : Das sagen ausgerechnet Sie! Sie leben doch nur auf Pump!) Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Hauser, ich- nehme das zur Kenntnis. Aber ich sage Ihnen ganz offen: Fehlt Ihnen eigentlich der Mut, oder fehlt Ihnen Ob Sie eine niedrige Lohnsummensteuer haben oder die Fähigkeit, die genauen Kosten zu nennen? Die eine hohe, die Lohnsummensteuer ist in meinen „Wirtschaftswoche" hat das ja in der vorigen Augen eine Arbeitsplatz-Strafsteuer und sollte völ- Woche nachgerechnet. 15 Milliarden, liest man da, l ig verschwinden. Es ist schlimm genug, daß Sie sie würde dieses Programm kosten. Nun, ich will an- überhaupt noch haben. nehmen, das ist etwas übertrieben; denn die schrei- ben auch, Herr Hauser, Sie seien der Vorsitzende SPD — Zuruf (Beifall bei der FDP und der einer 80 Mann starken Mittelständlergruppe in der von der CDU/CSU) Fraktion. Die sind ja auch nicht da. Die Zahlen Wir sind uns ja alle im klaren darüber, daß Mit- werden also nicht ganz stimmen; ich will das gern telstandspolitik kontinuierlich betrieben werden einräumen. muß. Ich habe das vorhin gesagt. Es gibt im Bereich des Einzelhandels in der Entwicklung der Verkaufs- Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Herr Kol- flächen besorgniserregende Tendenzen. Daran ist lege Graf Lambsdorff, gestatten Sie noch eine Frage kein Zweifel. Wenn von Ihnen jemand käme und des Abgeordneten Becker? uns hiereinen Formulierungsvorschlag machte, wie man Nachfragemacht im Kartellgesetz definieren Dr. Graf Lambsdorf (FDP): Aber selbstverständlich. und das in Ordnung bringen kann, würde ich eine Lobpreisrede auf ihn und die ganze Fraktion halten. Dies aber bringen Sie nicht fertig. Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) : Herr Kollege Graf Lambsdorff, ist Ihnen nicht bekannt, (Zuruf des Abg. Dr. Müller-Hermann [CDU/ daß die CDU-Fraktion den Beschluß gefaßt hat, CSU]) Steuersenkungen für die Wirtschaft in Höhe von — Doch, doch, Herr Kollege Müller-Hermann, ich etwa 7 Milliarden DM vorzuschlagen, daß also diese bin zu allem Möglichen imstande. Sie glauben das 15 Milliarden DM in keiner Weise einem Beschluß gar nicht. der Fraktion entsprechen? (Dr. Becker [Mönchengladbach] [CDU/ (Dr. Ehrenberg [SPD] : Sind 7 Milliarden CSU] : Wir haben doch einen Kartellgesetz DM nicht auch genug?) entwurf eingebracht!) Die exzessive Rabattpolitik, die es in einigen Be- Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Herr Becker, natürlich reichen gibt, auch das öffentliche Auftragswesen, ist mir das bekannt. Aber ich habe Ihnen ja schon 14392 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Dr. Graf Lambsdorff einmal gesagt: Sie fassen Ausgabenbeschlüsse, um dann haben wir mit dem ersten Schritt den richti- sie dann mit großer Geste zurückzuziehen und das gen Schritt getan. dann als Sparsamkeit darzutun. Nunmehr gehen (Beifall bei der CDU/CSU) Sie noch einen Schritt weiter: Sie fassen Beschlüsse, keine ausgabewirksamen Maßnahmen mehr vor- Ich möchte nicht, meine verehrten Kollegen, auf schlagen zu wollen. Jetzt schlagen Sie Maßnahmen alle sicher sehr bedeutsamen Äußerungen eingehen, vor, die ausgabewirksam sind, sagen aber über die die bisher von den Kollegen gemacht worden sind. Kosten nichts. Das ist die neueste Tour, sich spar- Es war interessant zu hören, wie der Kollege sam zu verhalten. Schachtschabel einen Anlauf nahm, bei dem ich meinte, es gehe recht gut weiter, als er sagte, „prinzipiell sei anzuerkennen", daß hier endlich Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) : Eine einmal — ich dachte jedenfalls, daß er das sagen Zusatzfrage, Graf Lambsdorff: Ist Ihnen nicht be- wollte — eine Rahmengesetzgebung auf den Tisch kannt , daß Sie ein Investitionszulagengesetz ge- gelegt werde. Aber er stellte dann fest, daß hier macht haben die berühmten 7,5 % —, das unge- endlich eine Alternative der CDU/CSU auf diesem fähr 7 Milliarden DM gekostet hat, wobei im Ge Gebiet vorgelegt werde, und meinte, wie auch Sie steht „Kosten: keine"? Sie haben-setzesvorblatt ausgeführt haben, die eigentliche Alternative sei nämlich angenommen, daß dadurch die Wirtschaft das Aktionsprogramm der Bundesregierung. Pro- belebt wird. Genau dasselbe nehmen wir bei diesem fessor Schachtschabel hat dies noch besonders mit Programm an: Durch unser Senkungsprogramm wird dem Hinweis auf die erfolgreiche Arbeit auf diesem die Wirtschaft belebt. Das ist also dasselbe, was Feld unterstrichen. Sie mit Ihrem Investitionszulagenprogramm gemacht haben. Herr Professor Schachtschabel, ohne bestreiten zu wollen, daß sich viele Kollegen um den Mittelstand bemühen, möchte ich sagen: Bei einer Konkursliste, Dr. Graf Lambsdorff (FDP) : Ich hatte immer ge- die in diesem Jahr annähernd 10 000 Konkurse auf- dacht, Herr Becker, wenn Sie von ,,Selbstfinanzie- weist, sollten wir in diesem Hause wirklich damit rung" sprechen, meinten Sie etwas anderes. Aber aufhören, auch noch eine erfolgreiche Arbeit in die- das ist offenbar die neue Form der Selbstfinanzie- sem Bereich besonders unter Beweis stellen oder rung, die Sie uns soeben dargestellt haben. Wir unterstreichen zu wollen. werden versuchen, uns auch damit zu befreunden. (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Gölter Nur, Sie können nicht im Ernst annehmen, das wir [CDU/CSU] : Sehr wahr! — Haase [Kassel] uns, abgesehen davon, daß wir natürlich der Über- [CDU/CSU] : Er verspottet die Leute noch! weisung zustimmen und im Ausschuß beraten wer- — Zuruf des Abg. Wehner [SPD]) den, ernsthaft zu solchen Schritten entschließen kön- nen. Sie haben nämlich zum Schluß auch geschrie- — Herr Wehner, ich könnte das niemals so sagen ben: Alternativen: keine. Es gibt durchaus eine wie Sie als Alt- und Großmeister, die Sie das we- Alternative: die Fortsetzung der Mittelstandspolitik sentlich besser beherrschen. Ich meine ganz ernst: es dieses Bundeswirtschaftsministers. besteht die große Gefahr, daß man den letzten Fun- ken Glauben an viele hier in diesem Raum, minde- (Beifall bei der FDP und der SPD) stens an alle diejenigen, die die Verantwortung zu tragen haben, verliert, wenn man ihnen in einer Die Nüsse, meine Damen und Herren, die Sie adventlichen Stunde auch noch hervorragende Er- hier verteilen wollen, sind vielleicht äußerlich ver folge verkündet. Die Konkursliste mit fast 10 000 aber mattgolden; innen sind sie hohl und-goldet, Konkursen als kleiner Betriebsunfall? So können leer. Sie brauchen dafür auch keinen Nußknacker. wir das doch wirklich nicht handhaben. Mit dem Gesetz ist nichts anzufangen. Es ist in der Tat überflüssig. Sie sind auf einige Details eingegangen. Ich kann das nicht mehr im einzelnen widerlegen, vor allen (Beifall bei der FDP und der SPD) Dingen deshalb nicht, weil der Herr Präsident — ich verstehe ihn — im Hinblick auf die Zeit schon vor- her mahnende Blicke in meine Richtung gelenkt Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schedl. hatte. Lassen Sie mich nur noch einen Punkt zu Ihren Ausführungen ansprechen, Herr Professor Schacht- schabel. Sie haben auch die ordnungspolitische Schedl (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine Damen Komponente angesprochen; Graf Lambsdorff hat und Herren! Graf Lambsdorff hat in seiner Rede, dies ebenfalls getan. Sie sollten sich auf Grund all die er mit dem Hinweis entweder Nikolaus oder dessen, was wir in der Vergangenheit in diesem Weihnachtsmann begonnen hat, für unsere Gefilde, Bereich getan haben, darüber im klaren sein, daß meine ich, eher die Knecht-Ruprecht-Rolle übernom- wir weder Schutzräume noch Gettos und erst recht men. Aber er hat uns am Ende, was er vielleicht gar nicht Reservate wollen, in denen am Schluß der letzte nicht wollte, trotzdem ein sehr positives Prädikat Mittelständler, der übriggeblieben ist, zum Photo- ausgestellt. Er meinte nämlich, an diesem Gesetz sei graphieren freigegeben wird. Nur, wenn Sie Ihre das Äußere Gold, es fehle aber der Inhalt. Graf „erfolgreiche" Politik fortführen, werden Sie die Lambsdorff, dieses Gesetz ist ein Rahmengesetz. Zäune bekommen, ohne daß Sie sie bauen wollen, Wenn es ein goldener Rahmen ist, wie wir glauben, weil Sie nämlich in der Negativrichtung eine Ab- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14393 Schedl zäunung errichten, in der allmählich die letzten Mittelstand weiß sowieso und hat immer gewußt, dieses Stammes eingegrenzt werden. wo man wirklich weiß, wo die Nöte sind, wo der Schuh drückt. Wer, wie die SPD/FDP, bei all diesen Zur Finanzierung, Graf Lambsdorff, haben Sie Papieren die hier auf dem Tisch liegen, „Erfolgs- erklärt: Ihr habt es euch einfach gemacht. Wissen rechnung" sagt, dem kann man nicht glauben, daß Sie, ich brauche mir nur — Kollege Becker hat dies er die Problemstellungen wirklich kennt. hier schon angeführt — einige Programme der Re- gierung anzusehen, um festzustellen, wie einfach Wir werden in den Rahmen, der vertretbar und man es sich bei Ihnen macht, obwohl Sie vor, auf verantwortbar ist, in den Rahmen, der darstellbar und neben der Kasse sitzen. Schaue ich mir dagegen ist, in diesen goldenen Rahmen das richtige Bild unser Programm an, so kann ich wirklich sagen: legen. Und es geht uns nicht darum, hier den Wahl- Hier spielen wir nicht nur den Einsatz, sondern er- kampf zu eröffnen und Stimmen zu fangen — was heb lich mehr ein. hier alles gegen uns geäußert worden ist —, son- dern darum, dazu zu helfen, daß die Insolvenzliste Sie orientieren sich ja nicht an der Aufrechnung nächtes Jahr nicht noch länger wird. der „Wirtschaftswoche"; Sie wissen ja ganz genau, daß die Dinge dort in der Darstellung nicht so wa- (Beifall bei der CDU/CSU) ren, wie wir diesen Rahmen in einem ersten Schritt, in einem folgenden Entschließungsantrag ausfüllen Es geht uns darum, daß draußen in diesem Bereich wollen. Sie wissen genau, daß diese Volumina gar ganz wichtige Arbeitsplätze nicht verloren gehen, nicht stimmen. weil die unter Umständen wichtiger sein können als andere Größenordnungen. Es geht uns darum, Es gibt natürlich noch eines, worüber Sie dann daß wir diese Arbeitsplätze auch nachdenken sollten. Ihre Alternative ist das in der Zukunft zum Ausbilden brauchen, Aktionsprogramm, sagen Sie. Von dem sagen Sie, es geht uns darum, daß wir die da ist der wirkliche, der echte Sack mit den Gold- dort Beschäftigten als recht solide Steuerzahler papierpäckchen, die ständig ausgeschüttet werden. brauchen. All dies wollen wir, und deswegen mei- Dieses Aktionsprogramm stellen Sie unserer Initia nen wir, Sie haben genau so lange Zeit gehabt wie gegenüber; die unsere schieben Sie in die Ecke,-tive wir, Graf Lambsdorff, da gebe ich Ihnen völlig weil Sie sie als finanziell undarstellbar und unsolide recht; nur sind Sie hier am Drücker, Sie hätten den bezeichnen. Dann müssen Sie doch aber für Ihr Rahmen längst herumlegen können, Programm überhaupt kein Geld ausgeben, und ohne (Zustimmung bei der CDU/CSU) Geld werden Sie in einigen Bereichen wenig Musik spielen lassen können, Graf Lambsdorff. Das ist ein und dann hätten wir mit Ihnen verhandelt. Wir Widerspruch, den ich, offen gestanden, nicht ver- meinen: Verhandeln Sie doch mit uns; dann sehen standen habe. wir, wer für den Mittelstand eintritt. Der goldene Rahmen für Handwerk und Mittelstand kommt Was wir im steuerlichen Bereich wollen, ist durch von uns. Zwischenfragen teilweise geklärt worden. Nur eine (Beifall bei der CDU/CSU) Einlassung zur Gewerbesteuer: Sie haben völlig recht, die Anhebung des Freibetrages nützt uns draußen überhaupt nichts, weil die Gemeinde am Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Weitere Hebesatz bastelt oder dann nur an der großen Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Schraube der Lohnsummensteuer dreht — das aber Aussprache. doch nur, weil Sie von Bonn aus über die Länder zwar massenweise die Aufgaben dorthin schicken, Meine Damen und Herren, der Altestenrat schlägt aber seit langem nicht mehr das Geld, das die Ge- Ihnen vor, die Vorlage an den Ausschuß für Wirt- meinden brauchen. Das ist doch der entscheidende schaft — federführend — und an den Finanzausschuß Punkt! sowie den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu (Beifall bei der CDU/CSU) überweisen. — Ich sehe und höre keinen Wider- spruch; es ist so beschlossen. Wenn wir von hier aus nicht neue Plattformen schaffen, dann hilft alles verstärkte Nachdenken Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: nichts. Wenn wir in die rechte Tasche etwas geben, damit die gleiche öffentliche Hand aus der linken Erste Beratung des von der Bundesregierung Tasche noch mehr herausholen kann, wird es eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur sicherlich keine Entwicklungen geben, die wir Änderung des Altölgesetzes wirklich für die Zukunft als vernünftige und sinn- — Drucksache 7/4368 — volle Entwicklungen betrachten können. (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Wollen Sie die Das Wort wird weder zur Begründung noch zur Mehrwertsteuer also doch erhöhen?) Aussprache gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Über- weisung an den Ausschuß für Wirtschaft — feder- Wir werden im Entschließungsantrag in diesen führend —, an den Innenausschuß — mitberatend — goldenen Rahmen ein noch goldeneres Bild legen. den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Ge und Wir werden dieses Bild nicht malen, Herr Professor vor. — Ich sehe und höre keinen-schäftsordnung Schachtschabel, um mehr Wähler zu fangen. Der Widerspruch; es ist so beschlossen. 14394 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf: i schen Wirtschaftsgemeinschaft und der Portu- giesischen Republik Beratung der Übersicht 16 des Rechtsausschus- ses (6. Ausschuß) über die dem Deutschen Verordnung (EWG) des Rates über die zoll- Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem tarifliche Behandlung bestimmter Erzeugnisse, Bundesverfassungsgericht die zur Verwendung beim Bau, bei der In- der Instandsetzung von — Drucksache 7/4383 — standhaltung oder Luftfahrzeugen bestimmt sind Der Rechtsausschuß schlägt vor, von einer Äuße- Verordnung (EWG) des Rates über die zoll- rung und einem Verfahrensbeitritt zu den nachste- tarifliche Behandlung bestimmter, aus den hend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesver- neuen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeug- fassungsgericht abzusehen; ich verweise auf die nisse, die in der Gemeinschaft in ihrer ur- Drucksache. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem sprünglichen Zusammensetzung beim Bau, bei Vorschlag des Rechtsausschusses zustimmt, gebe das der Instandhaltung oder der Instandsetzung Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltun- Zeichen. — bestimmter Luftfahrzeuge verwendet werden beschlossen. gen ? — Es ist einstimmig so sollen

Ich rufe die Punkte 21 bis 23 der Tagesordnung Verordnung (EWG) des Rates zur vollständi- auf: gen oder teilweisen Aussetzung der Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs für bestimmte 21. Beratung des Berichts und des Antrags des Erzeugnisse der Kapitel 1 bis 24 des Gemein- Ausschusses für Forschung und Technologie samen Zolltarifs mit Ursprung in Malta (1976) (17. Ausschuß) zu dem von der Bundesregie zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag-rung Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der EG-Kommission für einen Entwurf eines der Verordnungen (EWG Nr. 1059/69, (EWG) Beschlusses des Rates, mit dem die Kommis- Nr. 1060/69, (EWG) Nr. 2682/72, (EWG) Nr. sion im Hinblick auf einen Beitrag der Ge- 120/67, (EWG) Nr. 3330/74, (EWG) Nr. 765/68 meinschaft zur Finanzierung von Kernkraft- und (EWG) Nr. 950/68 bezüglich der Ein- werken zur Aufnahme von Euratom-Anleihen reihung bestimmter Sorbitsorten in den Ge- ermächtigt wird meinsamen Zolltarif

— Drucksachen 7/3333, 7/4385 — Verordnung (EWG) des Rates über die Aus- setzung der Anwendung der Bedingung, der Berichterstatter: - die Einfuhr frischer Zitronen mit Ursprung in Abgeordneter Kern Zypern, Spanien, Israel, Marokko, der Ara- Abgeordneter Pfeffermann bischen Republik Ägypten, Tunesien und der Türkei in die Gemeinschaft auf Grund der Ab- 22. Beratung des Berichts und des Antrags des kommen zwischen der Europäischen Wirt- Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft schaftsgemeinschaft und jedem dieser Länder und Forsten (10. Ausschuß) zu dem von der unterliegt Bundesregierung zur Unterrichtung vorge- — Drucksachen 7/3935, 7/4198, 7/4133, 7/4216, legten Vorschlag der EG-Kommission für eine 7/4135, 7/4137, 7/4217, 7/4363 — Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 17/64/EWG über die Be- Berichterstatter: Abgeordneter Reuschenbach dingungen für die Beteiligung des Europä- ischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für Wünscht einer der Berichterstatter das Wort? — die Landwirtschaft der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Das ist nicht — Drucksachen 7/4011, 7/4362 — Aussprache begehrt wird. — Auch das ist nicht der Fall. Berichterstatter: Abgeordneter Vit Ich schlage Ihnen vor, daß wir der Einfachheit 23. Beratung des Berichts und des Antrags des halber gemeinsam abstimmen. — Ich sehe und höre Ausschusses für Wirtschaft (9. Ausschuß) zu keinen Widerspruch. Wir kommen zur Abstimmung den von der Bundesregierung zur Unterrich- über die Ausschußanträge auf den Drucksachen tung vorgelegten Vorschlägen der EG-Kom- 7/4385, 7/4362 und 7/4363. Wer zustimmen will, den mission für eine bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Gegenpro- be! — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so Richtlinie (EWG) des Rates zur Anpassung beschlossen. der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Taxameter Ich weise darauf hin, daß Punkt 24 der Tages- ordnung — Beratung des Antrags der Abgeordneten Verordnung (EWG) des Rates über den Ab- Pieroth, Dr. Burgbacher und der Fraktion der CDU/ schluß eines Abkommens in Form eines Brief- CSU betr. Förderung der betrieblichen Gewinn- und wechsels betreffend Artikel 3 des Protokolls Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer — auf inter- Nr. 8 des Abkommens zwischen der Europä fraktionelle Vereinbarung hin abgesetzt worden ist. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14395 Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf: Fernmeldewesen — federführend — und dem Haus- Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ haltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. CSU — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlos- sen. betr. Verbesserung des öffentlichen Personen - nahverkehrs — insbesondere des Omni- Meine Damen und Herren, wir stehen damit am busverkehrs Ende der für heute vorgesehenen Tagesordnung. — Drucksache 7/4320 — Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 11. Dezember 1975, Eine Begründung erfolgt nicht. Auch in der Aus- 9 Uhr ein. sprache wird das Wort nicht begehrt. Die Sitzung ist geschlossen. Auf Vorschlag des Ältestenrates soll die Vorlage dem Ausschuß für Verkehr und für das Post- und (Schluß der Sitzung: 21.01 Uhr)

Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14397*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 (Drucksache 7/4322 Frage A 113 203. Sitzung, Seite 14024) : Liste der entschuldigten Abgeordneten Ihre Zusatzfragen an den Herrn Staatsminister des Auswärtigen Amts Wischnewski in der 203. Sitzung Abgeordne(r) entschuldigt 'bis einschließlich des Deutschen Bundestages vom 27. November 1975 Dr. Ahrens ** 12. 12. (Bundestagsprotokoll Nr. 14024) beantworte ich wie Dr. Aigner * 12. 12. folgt: Bangemann* 11. 12. Dr. Bayerl * 11. 12. 1. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn B ehrendt* 12. 12. die DDR von sich aus weitere Verbesserungen der Dr. Corterier 11. 12. Reise- und Besuchsmöglichkeiten für Bewohner Dr. Eppler 12. 12. und Besucher der DDR in Kraft setzen würde. Die Professor Dr. Ehmke 10. 12. Bundesregierung geht jedoch davon aus, daß ihre Dr. Evers 12. 12. Wünsche in dieser Frage deutlich über das hinaus- Flämig* 11. 12. gehen, was von der DDR jeweils einseitig verfügt Frehsee* 11.12. wird, deshalb scheint es der Bundesregierung sinn- Gewandt 12. 12. voll, den Komplex auch durch Gespräche und Ver- Härzschel * 11. 12. handlungen zu begleiten, um ihr besonderes Inter- Dr. Hupka 10. 12. esse an dieser Frage deutlich zu machen. Dr. Jahn (Braunschweig) * 12. 12. 2. Die Grundsätze der Schlußakte von Helsinki, Kater 10. 12. also auch die in Korb III niedergelegten Grundsätze, Kiep 12. 12. sind Absichtserklärungen. Sie geben eine Zielrich- Dr. Klepsch * 12. 12. tung an. Es wird eines langen Prozesses zur Reali- Lange * 11.12. sierung dieser Erklärungen bedürfen. Nach den Lautenschlager * 12. 12. KSZE-Beschlüssen sollen die Unterzeichnerstaaten Lücker* 12. 12. in jedem Falle an einer Verbesserung des gegensei- Memmel * 12. 12. tigen Verhältnisses arbeiten. Der Abbau von Hemm Prof. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 12. 12. und Hindernissen ist ein Maßstab, der an das-nissen Müller (Mülheim) * 11. 12. Handeln aller Teilnehmerstaaten gelegt werden wird. Dr. Müller (München) ** 12. 12. Das Interesse der Bundesregierung an einer zufrie- Mursch * 12. 12. - denstellenden und das heißt gegenüber dem jet- Nordlohne 10. 12. zigen Zustand verbesserten Regelung des Bereiches Frau Dr. Orth * 11. 12. „Menschliche Kontakte" ist Ihnen bekannt. Die Frau Pack 10. 12. Bundesregierung hat in der Vergangenheit und wird Dr. Riedl (München) 10. 12. auch in Zukunft gestützt auf die bilateralen Verein- Rosenthal 12. 12. barungen mit der DDR jede sich ihr bietende Mög- Schmidhuber 10. 12. lichkeit benutzen, um zu Verbesserungen zu gelan- Schmidt (München) * 12. 12. gen. Wie Sie wissen, soll bezüglich der KSZE Dr. Schulz (Berlin) * 12. 12. Schlußakte ein erster Zwischenbericht im Jahre Dr. Schwörer * 12. 12. 1977 in Belgrad erstattet werden. Die Bundesregie- Seefeld * 11.12. rung geht davon aus, daß zu diesem relativ frühen Springorum * 12. 12. Zeitpunkt es erst möglich sein wird, eine erste Zwi- Dr. Starke (Franken) * 12. 12. schenbilanz zu ziehen. Unabhängig davon ist die Suck * 12.12. Bundesregierung bei ihren Verhandlungen mit der Dr. h. c. Wagner (Günzburg) 12. 12. DDR bemüht, Verbesserungen für die Menschen in Walkhoff * 12. 12. beiden deutschen Staaten zu erreichen. Dies ge- Frau Dr. Walz * 12. 12. schieht in jedem der Ihnen bekannten Verhand- Wohlrabe 10. 12. l ungsstränge mit der DDR. Frau Dr. Wolff ** 11. 12.

* für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Anlage 3 Versammlung des Europarates Ergänzende Antwort

des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Zusatz- fragen des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) Anlage 2 (Drucksache 7/4364 Frage A 7 205. Sitzung, Seite 14195 C) : Ergänzende Antwort Das Bundesamt für Ernährung und Forstwirt des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Zusatzfra ist im Rahmen der Erzeugerprämie Schlacht--schaft gen des Abgeordneten Jäger (Wangen) (CDU/CSU) rinder zuständig: 14398* Deutscher Bundestag -7. Wahlperiode -208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

1. Für die gesamte Durchführung der Prämienrege- anträge entgegen, prüfen sie und erteilen den Be- lung, soweit Tiere in andere Mitgliedstaaten ver- scheid. Sie übermitteln daraufhin dem Bundesamt bracht und dort geschlachtet werden. die für die Auszahlung erforderlichen Angaben. Das Bundesamt ordnet die Auszahlung an, die über die 2. Für die an die EG-Kommission wöchentlich zu Bundeskasse in Frankfurt am Main erfolgt. erstattenden Meldungen. Die Bundeszuständigkeit für das Auszahlungsver- 3. Für das Auszahlungsverfahren. fahren wurde deshalb begründet, weil sich die Bun- Die Verwaltungskosten (Personal- und Sach- desregierung anderenfalls — bei Auszahlung der kosten) belaufen sich nach Mitteilung des Bundes- Prämie durch die Länder — außerstande sieht, die amtes für diese Maßnahmen zur Zeit auf insgesamt sich aus dem EG-Mittelzuweisungsverfahren für die etwa 39 000,— DM monatlich. Etwa 20 000,— DM Bundesrepublik Deutschland ergebenden Verpflich- entfallen davon auf die Bearbeitung der Prämien- tungen (Bedarfsmeldungen, Rechnungslegung, Rech- anträge für Auslandsschlachtungen, etwa 2 000,— nungsprüfung) mit der erforderlichen Schnelligkeit DM auf die Bearbeitung der Meldungen. Die ver- und Vollständigkeit zu erfüllen. bleibenden etwa 17 000,— DM werden für das Aus- 2. Die Länder haben diese Regelung bei Inkraft- zahlungsverfahren benötigt. Davon entfallen zirka treten im November 1974 in der Annahme, die Maß 7 000,— DM auf die Bearbeitung von Auszahlungs- würde im Februar 1975 wieder auslaufen, zu--nahme anträgen aus den Ländern Baden-Württemberg und nächst akzeptiert. Sie haben die für die Auszahlung Niedersachsen. Diese Länder erstellen im Unter- erforderlichen Angaben in Listen zusammengestellt schied zu den anderen Ländern keine Listen mit den und dem Bundesamt zugeleitet. für die Auszahlung erforderlichen Angaben, sondern übersenden dem Bundesamt nur die geprüften und Bei Erörterung der Neuregelung der Erzeuger- als sachlich richtig festgestellten Schlachtkarten. prämie Schlachtrinder, die am 1. Mai 1975 in Kraft Das Bundesamt muß vor Anordnung der Auszahlung trat, hat dann anfangs eine Reihe von Ländern unter für diese Länder also noch die für die Auszahlung Berufung auf verfassungsrechtliche, praktische und relevanten Tatsachen aus den Schlachtkarten ent- finanzielle Gründe jede Bundeszuständigkeit für das nehmen und auflisten. Diese Ausnahme wurde Auszahlungsverfahren abgelehnt. Diese Länder er- Baden-Württemberg und Niedersachsen übergangs- klärten sich jedoch bereit, einem Kompromiß zuzu- weise deshalb zugebilligt, weil beide Länder anders stimmen, wonach als die übrigen Länder zur Zeit nicht imstande sind, — die Auszahlungsanordnung in Abweichung von die Bearbeitung auf EDV umzustellen und sich, falls der bisher geltenden Regelung von den Ländern sie die Listen manuell erstellen müßten, nicht in der erstellt wird, Lage sehen, die anfallenden Prämienanträge- zu be- — die Auszahlung der Prämie weiterhin zentral wältigen. über die Bundeskasse in Frankfurt/Main erfolgt. Die für Baden-Württemberg und Niedersachsen anfallenden Kosten sind daher keine Mehrkosten. Dieser Kompromiß wurde von der Bundesregie- Würde das Bundesamt diese Arbeit nicht überneh- rung nicht akzeptiert. Die Auszahlungsanordnung ist men, so müßten diese Länder Kosten in etwa glei- nach Ansicht der Bundesregierung ein integraler cher Höhe tragen. Inwieweit die Kosten des Aus Bestandteil des Auszahlungsverfahrens und kann bezüglich der übrigen Länder-zahlungsverfahrens von diesem nicht ohne weiteres abgetrennt werden. (etwa 10 000,— DM) echte Mehrkosten sind, kann ich Darüber hinaus würde eine Herausnahme der Aus- nicht genau beurteilen, da nicht bekannt ist, welche zahlungsanordnung aus der Zuständigkeit des Bun- Kosten in diesen Ländern anfallen würden, wenn sie desamtes die Erfüllung der sich für die Bundes- das Auszahlungsverfahren in eigener Zuständigkeit republik Deutschland aus dem EG-Mittelzuweisungs- durchführen würden. In jedem Falle würde jedoch verfahren ergebenden Verpflichtungen erheblich er- ein Teil dieser Kosten auch in den Ländern ent- schweren. Die alte Zuständigkeitsregelung wurde stehen, wenn diese das Auszahlungsverfahren daher beibehalten. Die Länder wurden gebeten, wei- durchführen würden. terhin die für die Auszahlung erforderlichen An- gaben aufzulisten. Da Niedersachsen und Baden-Württemberg im Unterschied zu den übrigen Ländern zur Zeit nicht imstande sind, die Bearbeitung auf EDV umzustel- Anlage 4 len, und sich, falls sie weiterhin manuell Listen er- Ergänzende Antwort stellen müßten, nicht mehr in der Lege sehen, die anfallenden Prämienanträge zu bewältigen, wurde des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Zusatz diesen Ländern für eine Ubergangszeit ausnahms- frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Druck weise zugebilligt, anstelle von Listen die geprüften sache 7/4364 Frage A 9 205. Sitzung, Seite 14196 B) : und als sachlich richtig festgestellten Schlachtkar- ten zu übersenden. 1. Gemäß der Verordnung Erzeugerprämie Schlachtrinder liegt — bei grundsätzlicher Länder- 3. Das geschilderte Verfahren wurde mit Aus- zuständigkeit im übrigen — die Zuständigkeit für nahme Bayerns von allen Ländern, von Rheinland das Auszahlungsverfahren beim Bundesamt für Er- Pfalz und Schleswig-Holstein allerdings nur unter nährung und Forstwirtschaft. Nach dieser Zustän- Protest, weiterhin angewendet. Bayern bestand da- digkeitsverteilung nehmen die Länder die Prämien gegen auf einer Änderung und ging schließlich ab Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14399*

Ende August 1975 dazu über, dem Bundesamt an- von unbefugten Veröffentlichungen amtlich geheim stelle der Auszahlungslisten nur die geprüften und Einzelheiten aus Ermittlungsverfahren-gehaltener als sachlich richtig festgestellten Schlachtkarten zu der Bundesanwaltschaft erreicht sei. Solche Ver- übersenden. Mangels ausreichender personeller und öffentlichungen seien geeignet, die ohnehin schwie- sachlicher Ausstattung war das Bundesamt nicht in rige Ermittlungsarbeit der Bundesanwaltschaft emp- der Lage, diese Schlachtkarten zu bearbeiten. Nach findlich zu stören und die Sachaufklärung zu ver- langen Verhandlungen konnte schließlich im No- eiteln. vember ein Kompromiß gefunden werden. Danach wird auf dem Uberweisungsträger zum Ausdruck Der Bundesregierung liegen Erkenntnisse zum gebracht, daß die Prämie vom Bayerischen Landes- Täterkreis bisher noch nicht vor. Das Ergebnis des amt für Ernährungswirtschaft bewilligt wird. Bayern von der Staatsanwaltschaft Bonn geführten Ermitt- übersendet dafür das vom Landesamt erstellte EDV lungsverfahrens ist abzuwarten. Band, mit den für die Auszahlung erforderlichen Angaben. Die Auszahlung der bisher angefallenen ca. 100 000 Prämienanträge wird nach Abschluß des durch die Änderung erforderlich gewordenen Neu- Anlage 6 drucks der Uberweisungsträger in Kürze anlaufen können. Antwort 4. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß mit des Parl. Staatssekretärs Herold auf die Mündliche der Auszahlung von EG-Haushaltsmitteln durch na Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/ Dienststellen in der Bundesrepublik Deutsch--tionale CSU) (Drucksache 7/4409 Frage A 6) : land besondere Schwierigkeiten verbunden sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist jedoch eine Über- Wieviel in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich dem Land Berlin hergestellte Spiel- und Fernsehfilme hat das Ost- prüfung nicht angebracht, da noch ungewiß ist, ob berliner Fernsehen seit seinem Bestehen jährlich ausgestrahlt Jahr des Inkrafttretens des Grundvertrages aufgegliedert —imin die Prämienregelung über den 29. Februar 1976 ver- die Zeit vor und nach seinem Inkrafttreten —, und welche Aus- längert wird. Sollte dies der Fall sein, so wird das wahlkriterien werden dabei, insbesondere au ch hinsichtlich der Arten von Filmen, die nicht erworben wurden, beachtet? gesamte Durchführungsverfahren in Zusammenarbeit mit den Ländern einer eingehenden Prüfung unter- Der Bundesregierung liegt keine Statistik über zogen werden. Dabei wird es insbesondere darauf die Zahl der Spiel- und Fernsehfilme aus der Bun- ankommen, einen Ausgleich zwischen den Inter- desrepublik Deutschland und Berlin (West) vor, die essen der Länder an einer Vereinfachung des Ver- das Fernsehen der DDR seit seinem Bestehen jähr- fahrens und den Interessen des Bundes an einer zen- lich ausstrahlte. Das dem Bundesminister für inner- tralen Bewirtschaftung der EG-Mittel zu finden. - deutsche Beziehungen nachgeordnete Gesamtdeut- sche Institut hat den Auftrag erhalten, anhand der dort vorliegenden Materialien zu versuchen, eine derartige Statistik zu erstellen. Gleichartige Bitten Anlage 5 ergehen an die ARD und das ZDF. Nach Vorliegen der erbetenen Auskünfte werde Antwort ich nochmals auf die Sache zurückkommen und Sie detailliert unterrichten. des Parl. Staatssekretärs Dr. de With auf die Münd- liche Frage des Abgeordneten Tietjen (SPD) (Druck- sage 7/4409 Frage A 2) :

Wie erklärt sich die Bundesregierung die mehrfache Ver offensichtlich vertraulicher Ermittlungsergebnisse-öffentlichung in der Strafverfolgungssache gegen die anarchistische Baader- Anlage 7 Meinhof-Gruppe im Springer-Blatt „Welt", und ist die Infor- mation richtig, daß diese Ermittlungsergebnisse nur einer klei- nen Zahl von Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden be- Antwort kannt waren? des Parl. Staatssekretärs Dr. Schmude auf die Münd- Wegen der Veröffentlichungen in der Tageszei- liche Frage des Abgeordneten Dr. Haenschke (SPD) tung „Die Welt" vom 2. Dezember 1975 hat der (Drucksache 7/4409 Frage A 11) : Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Straf- Wann wird der Strahlenschutzassistent, der zur Zeit schon in anzeige gegen den Redakteur Werner Kahl wegen den deutschen Kernforschungszentren ausgebildet wird, aner- kannter Ausbildungsberuf? des Verdachts der unbefugten Veröffentlichung ge- heimer Nachrichten nach § 353 c StGB und gegen Strahlenschutz-Assistenten werden bisher nur am dessen noch unbekannte Informanten wegen des Kernforschungszentrum Karlsruhe ausgebildet. Die Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses Bundesregierung prüft gegenwärtig, ob die staat- nach § 353 b StGB bei der Staatsanwaltschaft Bonn liche Anerkennung des Berufs „Strahlenschutz-Assi- erstattet. Diese hat ein Ermittlungsverfahren einge- stent" möglich ist. Da im Fall l eitet. einer positiven Ent- scheidung noch eine Ausbildungsordnung mit einem Zu den Auswirkungen der Veröffentlichungen Ausbildungsberufsbild und einem Ausbildungsrah hat der Generalbundesanwalt in einer Presseerklä- ausgearbeitet werden muß, kann heute-menplan rung vom 3. Dezember 1975 ausgeführt, daß mit die- noch nicht gesagt werden, wann der Beruf „Strah- sen Veröffentlichungen der Höhepunkt einer Reihe schutz-Assistent" staatlich anerkannt wird. 14400* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Anlage 8 zember 1974 von einer anderen Auffassung aus- geht, bleibt der Ausgang des beim Bundesfinanzhof Antwort eingeleiteten Revisionsverfahrens abzuwarten. des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Münd- l ichen Fragen des Abgeordneten Dr. Althammer (CDU/CSU) (Drucksache 7/4409 Fragen A 15 und 16) : Anlage 10

Treffen Pressemeldungen zu, wonach im Bundeshaushalt 1975 bei sparsamer Wirtschaftsführung ein Betrag von rund 2 Milliar- Antwort den DM übrigbleiben könnte? Wie will die Bundesregierung verhindern, daß zum Jahres- des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Münd- ende 1975 von den einzelnen Bundesministerien und Bundes- ämtern, um Haushaltsreste zu vermeiden, nicht zwingend not- lichen Fragen des Abgeordneten Dr. Holtz (SPD) wendige Ausgaben gemacht werden? (Drucksache 7/4409 Fragen A 36 und 37):

Hat die Bundesregierung die internationale Verpflichtung über Zu Frage A 15: die Sicherheit der Welternährung des FAO-Rats vom November 1974 unterzeichnet? Der Bundesminister der Finanzen hat in der Sit- Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den Plänen des Welternährungsrats der Vereinten Nationen bezüglich der zung des Haushaltsausschusses am 4. Dezember Sicherung der Welternährung und insbesondere bezüglich des 1975 berichtet, daß aus heutiger Sicht Minderaus- globalen Informations- und Frühwarnsystems der FAO ein? gaben im Haushaltsjahr 1975 zu erwarten sind, daß sich aber die Höhe der voraussichtlichen Minderaus- Zu Frage A 36: gaben derzeit noch nicht mit hinreichender Sicher- Ja. Dem Generaldirektor der FAO ist im Januar heit beziffern lasse. Etwas anderes hat die Bundes 1975 die Zustimmung und Bereitschaft der Bundes- auch , der Presse gegenüber nicht erklärt. -regierung regierung mitgeteilt worden, bei der Verwirkli- chung der Ziele dieser internationalen Verpflich- Zu Frage A 16: tung mitzuarbeiten. Nach der Bundeshaushaltsordnung (§ 34 Abs. 2) dürfen Ausgaben nur soweit und nicht eher ge- Zu Frage A 37: leistet werden, als sie zur wirtschaftlichen und Wie bereits in der Antwort zu der ersten Frage sparsamen Verwaltung erforderlich sind. Diese Vor gesagt, hat die Bundesregierung den Grundsätzen für alle Dienststellen des Bundes. Es be--schrift gilt für eine „Internationale Verpflichtung zur Sicherung steht daher kein Anlaß zu anderweitigen Maßnah- der Welternährung" zugestimmt. men der Bundesregierung. - Die Bundesregierung und die Regierungen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemein- schaften haben der FAO zugesichert, daß sie sich an dem globalen Informations- und Frühwarnsystem Anlage 9 der FAO beteiligen und bereit sind, die benötigten Informationen zu geben. Gleichzeitig hat die Bun- Antwort desregierung eindringlich ihre Auffassung bekräf- tigt, daß sich möglichst alle Länder an diesem des Parl. Staatssekretärs Offergeld auf die Münd- System beteiligen und Angaben über die zu erwar- lichen Fragen des Abgeordneten Höcherl (CDU/CSU) tenden Ernteergebnisse mitteilen, damit Versor- (Drucksache 7/4409 Fragen A 17 und 18) : gungsengpä s se frühzeitig erkannt werden können.

Wie beurteilt die Bundesregierung im Falle der Geltendma- chung einer steuermindernden außergewöhnlichen Belastung nach den §§ 33, 33 a EStG die Frage der Bedürftigkeit bei Unterhalts- leistungen für Angehörige in der DDR?

Hält die Bundesregierung die Unterstellung einer steuerlich relevanten Bedürftigkeit für Angehörige in der DDR im Hinblick Anlage 11 auf den Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 für bedenk wie es das Finanzgericht Berlin im Urteil vom 6. Dezember-lich, 1974 (Entscheidung der Finanzgerichte 1975, S. 315) vertreten hat? Antwort des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Münd- Unterhaltsleistungen an Verwandte und sonstige liche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) Angehörige werden nach § 33 a Abs. 1 EStG als (CDU/CSU) (Drucksache 7/4409 Frage A 42) : außergewöhnliche Belastungen bis zu 3 000 DM im Kalenderjahr für jede unterstützte Person berück- Hat die Bundesregierung die Absicht, ein Einfuhr- und Durch- fuhrverbot für Singvögel, insbesondere aus Italien, Zypern, sichtigt. Frankreich oder Belgien zu erlassen, und wann ist gegebenen- falls mit dem Inkrafttreten solcher Verbote zu rechnen? Nach Erlassen der für die Verwaltung der Ein- kommensteuer zuständigen obersten Finanzbehör- Eine künftig bundeseinheitliche Regelung des den der Länder, die 1974 bestätigt wurden und der Ex- und Imports von wildwachsenden Pflanzen und Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entsprechen, wildlebenden Tieren, so auch von Singvögeln, ist ist für Unterhaltsaufwendungen jeglicher Art die vorgesehen; der Entwurf eines Bundesnaturschutz- Bedürftigkeit der in Ihrer Frage bezeichneten Emp- gesetzes enthält eine entsprechende Verordnungs- fänger nicht zu prüfen. Soweit das von Ihnen ange- ermächtigung des Bundesministers für Ernährung, führte Urteil des Finanzgerichts Berlin vom 6. De Landwirtschaft und Forsten. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975 14401 *

Der Gesetzentwurf wird gegenwärtig in den-bracht Aus werden, eine vereinfachte Kennzeichnungs- Deutschen Bundestages beraten. Seine-schüssen des pflicht gegenüber der geltenden Regelung vorgese- Verabschiedung ist im Sommer 1976 zu erwarten. hen, sofern die Futtermittel bestimmten Anforderun- Mein Haus bereitet aber schon jetzt in Zusammen- gen entsprechen. Der Verkehr mit Futtermitteln, ins- arbeit mit den Bundesländern die oben genannten besondere mit Mischfuttermitteln, dürfte so erleich- Export- und Importregelungen vor, damit diese als tert werden. Danach sind im Hinblick auf die zu er- nach Inkrafttreten des Bundesnaturschutzge--bald wartenden futtermittelrechtlichen Regelungen keine setzes erlassen werden können. Kostenfaktoren zu erkennen, die eine zusätzliche Belastung bringen.

Der zweite Teil der Frage wird dahin gehend beant- wortet, daß sich die Wettbewerbssituation der deut- Anlage 12 schen Futtermittelindustrie gegenüber ausländischen Antwort Herstellern von Futtermitteln auf dem Inlandsmarkt nicht verschlechtert, da auch die in die Bundesrepu- des Parl. Staatssekretärs Logemann auf die Münd- blik verbrachten Futtermittel den futtermittelrecht- lichen Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) lichen Vorschriften unterliegen. Auch die Wettbe- (Drucksache 7/4409 Fragen A 43 und 44) : werbssituation der Landwirtschaft wird durch künf- Welche Kostenbelastung entsteht für die deutsche Futtermit- tige Regelungen auf dem Futtermittelsektor nicht telindustrie durch den Verordnungsentwurf, der Detailregelun- gen für Einzelfuttermittel, Mischfutter, Schadstoffe und Zusatz- verschlechtert. Diese Vorschriften dienen vielmehr stoffe enthält, und in welcher Weise verändert sich dadurch die weitgehend dem Schutz der landwirtschaftlichen Pro- Wettbewerbssituation der deutschen Futtermittelindustrie und der deutschen Landwirtschaft? duktion im Veredelungsbereich. Wie entwickeln sich die Kosten der Bundesrepublik Deutsch- land für die FAO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen — in Rom nach den letzten Beschlüssen, wie gedenkt die Bundesregierung den deutschen Anteil zu finan- Zu Frage A 44: zieren und warum befindet sich der Titel als ein Beitrag für die Vereinten Nationen im Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten? Die vom 8. bis 27. November 1975 in Rom abge- haltene FAO-Konferenz hat u. a. auch den FAO- Zu Frage A 43: Zweijahreshaushalt 1976/1977 in Höhe von 167 Mil- lionen US $ beschlossen. Gegenüber dem Zweijah- Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, die reshaushalt 1974/1975 mit 106,7 Millionen US $ er- Frage, welche Kostenbelastung der Futtermittelin- gibt sich eine Erhöhung um 56,5%, die je zur Hälfte dustrie durch zu erwartende Regelungen auf dem zurückzuführen ist auf Futtermittelsektor entstehen, konkret zu beantwor- ten. Die Verordnung, die aufgrund des Futtermittel- — inflationär bedingte Kostensteigerungen und gesetzes vom 2. Juli 1975 mit Zustimmung des Bun- — Ausweitung der Programm-Tätigkeiten. desrates zu erlassen ist, liegt bisher nur im Entwurf vor, zu dem die beteiligte Wirtschaft noch nicht an- gehört wurde. Grundsätzlich ist aber festzustellen, Die Programmausweitung berücksichtigt Empfeh- daß die künftigen Zusatz- und Schadstoffregelungen lungen der Welternährungskonferenz 1974, die auf keine wesentlichen Änderungen gegenüber den gel- eine nachhaltige Erhöhung der Agrarproduktion in tenden erfahren werden. Hinsichtlich der Zusatz- den Entwicklungsländern abzielen. Die 7. Sonder- stoffe bilden weiterhin die Bestimmungen der Richt- generalversammlung der Vereinten Nationen 1975 linie des Rates vom 23. November 1970 über Zusatz- hat dieses Ziel bestätigt. Die Bundesrepublik stoffe in der Tierernährung die Grundlage für das Deutschland hat sich — zusammen mit anderen Indu- nationale Recht. Hinsichtlich der Schadstoffe gilt be- strienationen — für eine Senkung der ursprüng- reits seit Jahrzehnten in § 24 der Futtermittelanord- lich vom Generaldirektor der FAO angeforderten nung die Vorschrift, daß verdorbene Futtermittel al- 185 Millionen US $ eingesetzt. Da alle 136 Mitglied- ler Art und solche mit schädlichen Wirkungen oder staaten ein gleiches Stimmrecht haben und die Ent- giftigen Bestandteilen nicht in den Verkehr gebracht wicklungsländer für eine kräftige Budgetausweitung werden dürfen. Diese Vorschrift wurde 1974 durch eintreten, ließ sich eine stärkere Begrenzung der Zu- weitere futtermittelrechtliche Bestimmungen konkre- wachsrate nicht durchsetzen. tisiert, indem Höchstgehalte für wichtige Schadstoffe, wie DDT, Hexachlorbenzol, Aflatoxin und Fluor, in Da nach der Geschäftsverteilung der Bundesre- Mischfuttermitteln festgelegt wurden; ebenso ist gierung der Bundesminister für Ernährung, Land- beim Verkehr mit Einzelfuttermitteln die Kennzeich- wirtschaft und Forsten für die Landwirtschaftsorga- nung vorgeschrieben worden, wenn festgesetzte nisationen der Vereinten Nationen zuständig ist, Höchstgehalte an bestimmten Schadstoffen über- wird der deutsche FAO-Beitrag — wie alle übrigen schritten wurden. Künftig wird diese Regelung nach Ausgaben aus dem Geschäftsbereich des BML — im den Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom Einzelplan 10 veranschlagt. Für 1976 ist im Regie- 17. Dezember 1973 über die Festlegung von Höchst- rungsentwurf der Beitrag in der Vorjahreshöhe ver gehalten an unerwünschten Stoffen und Erzeugnis Millionen DM).-anschlagt (4.828.175 US $ = 13,312 Futtermitteln auf weitere Schadstoffe wie -sen in Der deutsche Beitragsanteil für 1976 beträgt nun- Arsen, Blei und Blausäure ausgedehnt. mehr 7.375.736 US $ = rd. 19,5 Millionen DM. Uber den Ausgleich der hiernach noch fehlenden rd. Nach dem Verordnungsentwurf ist künftig für Ein- 6,2 Millionen DM wird bei den Haushaltsberatungen zel- und Mischfuttermittel, die in den Verkehr ge 1976 zu befinden sein. 14402* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Dezember 1975

Anlage 13 Ich möchte noch hinzufügen, daß ich für Ihre Frage dankbar bin. Sie zeigt, mit welcher Aufmerk- Antwort samkeit das nicht zuletzt auf Anregungen von Mit- gliedern des Bundestages zurückgehende und trotz des Parl. Staatssekretärs Dr. Haack auf die Münd- der Fülle des Materials wegen seiner Handlichkeit liche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider beliebte statistische Taschenbuch gelesen wird. (CDU/CSU) (Drucksache 7/4409 Frage A 45) : Inwieweit wird durch die Untersuchung „Das Wohnen in der Bundesrepublik Deutschland" der seit dem 1. Juli 1975 aus- stehende Mieten- und Wohngeldbericht vorweggenommen, und bis wann ist die Bundesregierung in der Lage, diesen Bericht vorzulegen? Anlage 15

Mit der Broschüre „Das Wohnen in der Bundes- Antwort republik Deutschland" wurden die wichtigsten Er- gebnisse der Wohnungsstichprobe 1972 in verein- des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf die Münd fachter Form einer breiten Öffentlichkeit vorgelegt. l ichen Fragen des Abgeorneten Franke (Osnabrück) Sie hat schon von ihrer Zielsetzung her eine andere (CDU/CSU) (Drucksache 7/4409 Fragen A 48 und 49) : Mietenbericht, der Aufgabe als der Wohngeld- und Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Ausbildung be- die Frage beantworten soll, inwieweit sich das Zwei- findliche Beamte, darunter Referendare mit einem Unterhaltszu- schuß bis fast 1 500 DM monatlich, Leistungen der gesetzlichen te Wohngeldgesetz bisher bewährt hat und wie die Krankenversicherung im Wege der Familienhilfe erhalten, und weitere Entwicklung der zwar teils über den Ehegatten, teils über die Eltern, und wie Bundesregierung sich die beurteilt die Bundesregierung diese Leistungspraxis angesichts Wohngeldgesetzgebung vorstellt. der Ausgabenflut der gesetzlichen Krankenversicherung? Wie groß ist die Zahl der betroffenen auszubildenden Beamten, Die Broschüre nimmt daher den heute dem Bun- und welche Kosten entstehen der GKV? deskabinett (10. Dezember 1975) zur Verabschiedung vorliegenden Wohngeld- und Mietenbericht keines- Anspruch auf Leistungen der Familienhilfe haben wegs vorweg. Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung für ihren Ehegatten und ihre Kinder u. a. dann, wenn diese unterhaltsberechtigt sind und nicht anderweitig einen gesetzlichen Anspruch auf diese Anlage 14 Leistungen haben. Für Kinder besteht dieser Anspruch bis zur Voll- Antwort endung des 25. Lebensjahres, wenn sich das Kind des Parl. Staatssekretärs Buschfort auf - die Münd- in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein liche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (CDU/ freiwilliges soziales Jahr leistet. Der Anspruch auf CSU) (Drucksache 7/4409 Frage A 46) : Familienhilfe ist demnach nicht unmittelbar davon abhängig, ob der Ehegatte oder die Kinder eigenes Aus welchen Gründen hat es die Bundesregierung unterlassen, die vorliegenden Veränderungen des Mietindexes vollständig Einkommen haben. Das gilt sowohl für Beamte in bis zum Jahr 1974 in die vom Bundesarbeitsminister heraus- gegebene Broschüre Statistiken für die Arbeits- und Sozial- Ausbildung als auch für sonst erwerbstätige Perso- politik 1975" einzuarbeiten? nen. Die Bundesregierung prüft, ob Änderungen vor werden können, die sozialpolitisch uner--geschlagen Der in Ihrer Frage angesprochene Sachverhalt wünschte Ergebnisse vermeiden. beruht auf einem technischen Versehen. Die Verän- derungsraten des Mietindex für 1974 in der Ta- Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes be- belle 6.13 unseres Statistischen Taschenbuches lau- merken: ten wie folgt: Bund, Länder und Gemeinden beschäftigten Mitte — Mieten in Altbauten + 5,3 Prozent 1975 etwa 138 000 in der Ausbildung befindliche Be- amte. Für wie viele davon Anspruch auf Familien- — Mieten im Sozialen hilfe in der gesetzlichen Krankenversicherung be- Wohnungsbau + 5,8 Prozent steht und welche Aufwendungen dafür entstehen, — Mieten in freifinanzierten kann aus dem verfügbaren statistischen Material Neubauten + 4,1 Prozent. der Krankenkassen nicht festgestellt werden.