RUNDSCHAU 1/2018

3/2020 Magazin der Pilotenverbände AEROPERS und SwissALPA Ausgabe

Flugzeug zu verkaufen Ÿ Strahlenschutz ist auch juristisch relevant Ÿ Der Staat eilt zur Rettung Ÿ Aus Alt wird Neu: Dock A für die Zukunft Ÿ Zu wenig Arbeit für zu viele Mitarbeiter Ÿ Fotos clever verwalten Inhalt

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3 The President’s Voice 32 Rückspiegel Noch ist das Ende der Pandemie nicht in Sicht. Dennoch wird In dieser Rubrik wird eine Auswahl von Kommentaren über es definitiv eine Zeit nach der Krise geben. Sparmassnahmen Luftverkehr und Flughäfen präsentiert. beim Personal müssen deshalb genauso temporär sein wie die Krise selbst 34 Pensionierungen

4 Editorial/Impressum 36 Wir trauern, Termine & Mitteilungen 5 Flugzeug zu verkaufen 36 Eintritte Den Hausmüll rausbringen ist mitunter unbequem, aber nicht besonders schwer. Ein Flugzeug loszuwerden, ist dann schon 37 Insertionstarife AEROPERS-«Rundschau» eher problematisch. Was passiert eigentlich mit Flugzeugen, die keiner mehr haben will? Und was bedeutet die Krise für die 38 Shooter’s Corner Leasingfirmen? Fotografie hört nicht nach dem Druck auf den Auslöser auf. Die Digitaltechnik erlaubt heute günstiges Fotografieren, bringt 8 Strahlenschutz ist auch juristisch relevant aber auch eine Bilderflut mit sich. Was also tun mit den un- Auch wenn momentan kaum geflogen wird, ist Strahlenschutz zähligen Bildern, die wir täglich knipsen oder von einer Reise nach wie vor ein wichtiges Thema. In den vorigen Ausgaben zurückbringen? der Rundschau haben wir bereits wiederholt darüber berichtet. In dieser Ausgabe folgen nun grundlegende juristische Hinter- gründe zu diesem Bereich.

12 Der Staat eilt zur Rettung Die Corona-Krise und ihre Folgen haben die Airlines der ganzen Welt hart getroffen. Beinahe alle Marktteilnehmer werden auf die eine oder andere Weise von ihrem Heimatstaat gestützt. Dies führt zu massiven Veränderungen der Marktstruktur. Ausgerechnet Airlines wie , die schon lange finanzielle Probleme haben, könnten zu potenziellen Gewinnern der Krise avancieren.

15 Aus Alt wird Neu: Dock A für die Zukunft Der Ersatzneubau des Docks A stellt den Flughafen Zürich vor eine logistische Herausforderung. Denn der reguläre Betrieb des Flughafens Zürich während des Baus muss sichergestellt sein. Innovative Konzepte und eine kurze Bauzeit von nur zwei Jahren sollen das ermöglichen.

18 Zu wenig Arbeit für zu viele Mitarbeiter: Die Corona-Pandemie hat den möglichen Pilotenmangel in das Gegenteil gekehrt. Die Fluggesellschaften reagieren sehr unter- schiedlich auf diese neue Situation.

23 On The Air … Aktuelles aus der Fliegerei.

25 Gelesen Viktor Sturzenegger und Henry Lüscher geben Buchtipps.

26 Pilots & Controllers «GET TOGETHER» 30 Zeitreise Ein Rückblick über wichtige, erheiternde oder auch banale Facts aus 100 Jahren Luftfahrtgeschichte.

2 AEROPERS The President’s Voice Nach rund sechs Monaten Corona- sionierungen, Kündigungen und diverse andere Mass- Krise ist es Zeit für ein Zwischenfa- nahmen werden sofort diskutiert. zit. Die Luftfahrt gehört unstrittig zu Wie das Amen in der Kirche folgte am Ende immer ein den am meisten gebeutelten Bran- Unterbestand – und ohne Piloten fliegen auch keine Flug- chen. Dies ist besonders schmerz- zeuge. Erfahrungsgemäss wird der Unterbestand auch haft, da der Einbruch nach mehre- nach der Rückkehr zu soliden Ergebnissen trotzdem nur ren Rekordjahren so plötzlich und zögerlich korrigiert. unerwartet kam und die Entwicklun- Der Arbeitnehmer schlittert gefühlt von einer Krise in gen der Zukunft kaum vorhersehbar die nächste – von der Existenzangst in die Überbelastung. sind. Mit jedem Monat, der vergeht, Die daraus folgenden Arbeitsbelastungen spüren nur die werden die Auswirkungen der Corona-Krise deutlicher. Mitarbeiter. Es sind überwiegend exogene Faktoren, die darüber ent- Mein Anspruch besteht darin, den Turn-around der scheiden, ob und wie sich Tourismus und Luftverkehr Unternehmung nicht vom Turn-around der Arbeitsbedin- erholen werden. Während sich die Wirtschaft insgesamt gungen zu entkoppeln. Es gibt nach überstandener Krise zügig zu erholen scheint, sieht es so aus, als müsste sich keinen Grund, den Wert unserer Leistungen in Frage zu unsere Branche auf einen längeren Weg einstellen. stellen, weder bei der SWISS noch bei der Edelweiss. Ich bleibe trotzdem weiterhin bei meiner Überzeugung, Piloten sind hochspezialisierte Fachkräfte in den Diens- dass die Luftfahrt am Ende auch diese Krise überstehen ten der Aviatik, was unter anderem auch unseren Wert wird und daran sogar gesunden kann. Das Wachstum begründet. Alternativen für Piloten gibt es in qualifizier- und der groteske Verdrängungskampf der letzten Jahre ten Berufen auf dem Arbeitsmarkt hingegen wenige oder hatten ein Ausmass erreicht, bei dem ich mich schon län- keine. In den letzten Monaten ist dem einen oder anderen ger gefragt habe, wie lange das noch gut gehen kann. der Gedanke vom berühmten zweiten Standbein sicher Nun muss sich die gesamte Branche weltweit auf bru- wieder vermehrt in den Sinn gekommen. Glücklich, wer tale Weise neu sortieren. Wie erwartet, ist auch die SWISS einen zusätzlichen Abschluss in der Tasche hat. Ausbil- inzwischen mit konkreten Forderungen an die AERO- dung und Qualifikationen sind das Fundament für beruf- PERS herangetreten, um über substantielle unterstüt- lichen Erfolg und Sicherheit. zende Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise Daher appellieren Pilotenvertretungen schon länger an zu verhandeln. die kommenden Generationen, neben der Fliegerei wei- Die Piloten gehören zu der Personalgruppe mit der tere Fähigkeiten zu erwerben und sich stets fortzubilden. längsten Verweildauer im Unternehmen. Wer hätte sonst Die kommenden Monate werden für uns alle herausfor- noch ein so grundlegendes Interesse an einem lang- dernd. Wir werden verhandeln. Wir werden uns für das fristigen Fortbestand des Unternehmens? Die Fluktua- langfristige Wohl der Mitglieder am Arbeitsplatz einset- tion in den Vorstandsetagen der Group glich zen. in den letzten Jahren fast einem Taubenschlag. Die Pilo- Ich bleibe dabei, es wird eine Zeit nach der Krise geben – tenkorps der gesamten Gruppe sind da im Verhältnis auch wenn heute noch nicht klar ist, wann das sein wird. wesentlich beständiger unterwegs. Die Situation um uns herum ist eindeutig besorgniser- regend – die Zukunft ist ungewiss. Wir alle wissen, dass es ohne Flugzeuge für Piloten nichts zu fliegen gibt. Die Krisenlage wird derzeit vielerorts schamlos ausgenutzt, vor allem in Firmen ohne starke Personalvertretung. Von Kilian Kraus, Präsident der SWISS und der AEROPERS erwarte ich eine konst- ruktive Auseinandersetzung mit den Herausforderun- gen. In schwierigen Zeiten zeigt sich oft erst der wahre Charakter des (Sozial-)Partners. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem die SWISS beweisen kann, wie viel schweizerische Sozialpartnerschaft in ihr steckt. In schlechten Zeiten nehmen zu dürfen und in guten Zeiten selbstverständlich wieder zu geben, das entspräche mei- … ner Erwartung an die Sozialpartnerschaft. Im Rekordjahr 2018 wurden wir mit unserem Antrag auf Verbesserun- gen der Arbeitsbedingungen jedoch zurückgewiesen und als naiv bezeichnet. Und trotzdem treten wir als verläss- we are licher Sozialpartner an den Verhandlungstisch. Es wird in den nächsten Monaten intensive Verhand- lungen geben, deren Ausgang jetzt noch ungewiss ist. Wir haben aus allen Abweisungen und Misserfolgen unsere Lehren gezogen. Krisen kommen unterschiedlich hart daher, aber bis jetzt sind sie immer wieder vergan- gen. Beginnt eine Krise, werden Überbestände umgehend korrigiert. Klar, denn der wirtschaftliche Druck ist gross. Schliessungen der Flugschulen, Einstellungsstopps, Pen-

Rundschau 3 | 2020 3 Editorial Bestes Sommerwetter, gepaart mit sunde und starke Personalvertretung fehlt, hat das den Lockerungen der Covid-19- Management freie Hand, um ihren Mitarbeitern willkür- Massnahmen könnten einen fast lich zu kündigen. So haben sich einige Airlines beim vergessen lassen, dass wir noch Umgang mit ihrer Belegschaft ziemlich unrühmlich immer mitten in einer Krise ste- hervorgetan. Dabei werden mancherorts Drohkulissen cken. Denn die neue Normalität im aufgebaut, um die Mitarbeiter in die Knie zu zwingen. Alltag gleicht stellenweise bereits Andernorts macht man sich selbst die Mühe nicht und sehr der alten – abgesehen von der entlässt gleich ohne Begründung Hundertschaften. einen oder anderen Plexiglastrenn- Dass das aus moralischer Sicht kaum erträglich ist, wand und den Masken im öffentlichen Verkehr. Betrach- ist offensichtlich. Es zeigt die Gleichgültigkeit einiger tet man hingegen die Aviatik, wird einem augenblicklich Unternehmen gegenüber den Schicksalen ihrer Beleg- klar, dass wir von einer Normalität noch weit entfernt schaft in aller Deutlichkeit auf. Es ist aber auch wirt- sind – alt oder neu. Der Luftverkehr in Europa hat wie- schaftlich kurzsichtig. Denn auf diese Krise wird wie- der zugenommen, doch die Erträge sind keineswegs so der Wachstum folgen, wo man genau diese Mitarbeiter hoch, wie es nötig wäre. Täglich oder gar stündlich wer- schneller wieder brauchen wird, als dass man sie schu- den die Regeln geändert, was der gesamten Belegschaft len kann. Dass es aber neben Negativbeispielen auch der Edelweiss und der SWISS ein hohes Mass an Flexibili- anders gehen kann, zeigt Dominik Haug. Er beschreibt tät abverlangt. Besonders die sonst so ertragreiche Lang- die Lösungsansätze verschiedener Airlines in dieser strecke leidet unter den Restriktionen. Immerhin bewe- Krise. Bei der Betrachtung wird einem schnell klar, wie gen wir dort neben Fracht nun auch wieder eine gewisse wichtig ein Personalverband für die Piloten tatsächlich Anzahl Passagiere. All das reisst selbstredend ein gewal- ist. Wir haben mit der AEROPERS und ihrem Vorstand tiges Loch in die Kasse. Wie viele andere Airlines auch, einen Verband mit hoher Fachkompetenz. Daher kön- sind die SWISS und die Edelweiss auf Staatshilfe ange- nen wir mit Vertrauen in die Zukunft blicken, auch wiesen. Dabei waren genau diese Unternehmen vor der wenn wir als einzelne Piloten nicht immer hinter die Krise hervorragend aufgestellt. Weil der internationale Kulissen sehen können. Wenn auch die Airline eine Geldhahn nun aber überall aufgedreht wird, besteht die gesunde Sozialpartnerschaft kultiviert, so steht einer Möglichkeit, dass marode Unternehmen von der Krise allseits verträglichen Lösung kaum mehr etwas im Weg. profitieren könnten. Roman Boller beleuchtet dieses Der Flughafen Zürich blickt nicht nur mit Vertrauen, Phänomen in dieser Ausgabe und schaut sich genauer sondern mit Optimismus in die Zukunft. Auch er wird an, welche Unternehmen Hilfe in Anspruch nehmen und von der Krise gebeutelt, doch die Planung des Ersatzneu- in welcher Form. baus für das Dock A schreitet stetig voran. Das Projekt Staatshilfe allein wird aber niemandem reichen, um soll helfen, das zukünftige Passagierwachstum besser die Krise zu überstehen. Restrukturierungen sind unum- zu bewältigen. Kevin Fuchs erklärt uns, wie ein solcher gänglich. So überdenkt manch eine Fluggesellschaft die Ersatzneubau zustande kommen soll, ohne den laufen- Zusammensetzung ihres Flugzeugparks. Die Zeit der den Betrieb zum Erliegen zu bringen. Vierstrahler neigt sich immer schneller ihrem Ende zu. Was aber geschieht mit diesen Riesen der Lüfte? Patrick Wir wünschen Euch viel Spass mit der neuen Ausgabe Herr berichtet über das Schicksal der ausgemusterten und hebed zäme, hebed dure, bliibet gsund. Flugzeuge und zeigt auf, dass sich auch mit Altmetall ziemlich viel Geld verdienen lässt. Auch der Personalkörper bietet sich dem einen oder anderen Manager als Sparmöglichkeit an. Wo eine ge- Janos Fazekas

Impressum Herausgeber Layout AEROPERS André Ruth Ewiges Wegli 10 | 8302 Kloten Druck Telefon +41 44 816 90 70 | Fax +41 44 816 90 75 Akeret Druck AG, 8600 Dübendorf [email protected] | www.aeropers.ch Auflage Redaktion 3000 Exemplare [email protected] André Ruth, Redaktionsleiter, Captain A330/340 Erscheinungsweise Janos Fazekas, Redaktor, F/O A330/340 Viermal pro Jahr. Cover vierfarbig, Innenseiten schwarz/rot (Pantone 187) Dominik Haug, Redaktor, F/O A330/340 Inseratenannahme Marcel Bazlen, Redaktor, F/O A330/340 AEROPERS-«Rundschau» Roman Boller, Redaktor, F/O A320 Ewiges Wegli 10 | 8302 Kloten Patrick Herr, Redaktor, F/O A330/340 Telefon +41 44 816 90 70 | Mobile +41 79 261 31 64 Henning M. Hoffmann, Geschäftsführer AEROPERS [email protected] | www.aeropers.ch Gaby Plüss («Go-ahead»), Flugverkehrsleiterin Zürich TWR und APPR Copyright Ständige Mitarbeiter Sämtliche Texte und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Der Ab- Jürg Ledermann, Captain A330/340 druck, auch auszugsweise, ist nur mit ausdrücklicher Bewilligung der Zbigniew Bankowski («On The Air …»), Captain A330/340 Redaktion erlaubt. Oliver Reist («Zeitreise»), F/O B777 Dominique Wirz («Shooter’s Corner»), Captain A320 Titelbild: © Thomas O. Koller Viktor Sturzenegger («Gelesen»), pens. Captain Henry Lüscher («Gelesen»), pens. Captain Redaktionsschluss «Rundschau» 4/2020: 18. November 2020

4 AEROPERS Flugzeug zu verkaufen Den Hausmüll rauszubringen ist mitunter unbequem, aber nicht besonders schwer. Ein Flug- zeug loszuwerden ist dann schon etwas aufwendiger. Was passiert eigentlich mit Flugzeugen, die keiner mehr haben will? Und was bedeutet die derzeitige Krise für die Leasingfirmen?

Text: Patrick Herr Eingemottete Riesen Und damit verwandelt sich ein Flugzeug, das je nach Um ein altes Sprichwort zu bemühen: Das einzig Bestuhlung bis zu 853 Passagiere befördern kann, gewis- Beständige in der Luftfahrt ist der Wandel. Das zeigte sermassen zu einem Haufen Altmetall und Recycling- sich gerade in der Anfangszeit der Luftfahrt in den masse mit einem Gewicht von über 270 Tonnen. Wäh- 1920er-Jahren. Die Innovationen überschlugen sich rend in der Vergangenheit zahlreiche Flugzeuge, deren geradezu, neue Modelle und Designentwürfe erschie- wirtschaftliche Lebensdauer überschritten wurde, oft nen im Monatstakt und verschwanden oft auch genauso noch in Afrika oder Südamerika eingesetzt wurden, ent- schnell wieder. Jedes erfolg- fällt diese Option für Giganten reiche neue Modell verdrängte wie den A380 und die B747. Für ein altes, teilweise in andere «Für die klassischen die klassischen Zweitmärkte Märkte, teilweise direkt in die sind sie einfach zu gross. Und Bedeutungslosigkeit. Zweitmärkte sind A380 so finden mehr und mehr Flug- Mittlerweile scheint das zeuge ihre vorübergehende Tempo etwas abgenommen und B747 viel zu gross.» oder letzte Ruhestätte an Orten zu haben. Die grossen Her- wie Tucson in Arizona, Teruel steller brachten in den letzten 20 Jahren nur vier neue in Spanien oder der Mojave-Wüste. All diese Orte haben Flugzeugtypen auf den Markt. Imposantestes Beispiel ein paar Gemeinsamkeiten, die sie besonders attraktiv davon war der Airbus 380. Gerade einmal 15 Jahre für die Zwischen- oder Endlagerung von Flugzeugen nach dem Erstflug stellt Airbus das Projekt jetzt ein. machen. Zu allererst bieten sie genügend Raum für den Damals wie heute stellte sich den Eigentümern ein enormen Platzbedarf. Auf der Davis-Monthan Air Force recht ähnliches Problem – wohin mit einem Flugzeug, Base in Tucson ist unter anderem die 309th Aerospace das nicht mehr gebraucht wird? Und damals wie heute Maintenance and Regeneration Group zu Hause. Über sind die Optionen praktisch gleich: Verkaufen, Ver- 600 Mitarbeiter kümmern sich hier auf einer Abstell- mieten oder Verschrotten. Für die beiden ersten benö- fläche von über zehn Quadratkilometern um über 4000 tigt es zahlungskräftige Interessenten. Für die letzte Flugzeuge. Auf dem Gelände befinden sich überwiegend Option braucht es vor allem Platz. Flugzeuge und Fluggeräte der US-Streitkräfte, teils zur Der Einbruch der Nachfrage im Zuge der Corona- Zwischenlagerung, teils als Ersatzteillager, teils einfach Krise scheint den vierstrahligen Riesen endgültig den zur Verschrottung. Weiterer wichtiger Faktor sind die Todesstoss zu versetzen. Die Lufthansa legte bereits klimatischen Bedingungen. Um Korrosion an den Flug- sechs von 14 A380 still, geplant war der Verkauf an zeugen zu vermeiden, werden die Flugzeugfriedhöfe Airbus eigentlich erst 2022. Ebenfalls ausgeflottet gerne in trockenen, warmen Regionen angesiedelt. In werden fünf von 13 Boeing 747-400 sowie ein grosser Europa findet man diese Bedingungen zum Beispiel in Teil der A340-600-Flotte. Bei anderen Airlines zeigt Teruel nahe Zaragoza im Nordosten Spaniens. Dort ste- sich ein ähnliches Bild. prüft eine vorzeitige hen insgesamt 225 Abstellplätze für Flugzeuge zur Ver- Stilllegung vieler A380, verabschiedete erst fügung. Im Zuge der Corona-Krise erlebte der Flugplatz kürzlich seine letzte 747-400 in den Ruhestand. einen regelrechten Boom, sehr zur Freude des Hauptnut-

Mehr als 4000 Flugzeuge lagern auf der Davis-Monthan Air Force Base.

Rundschau 3 | 2020 5 Ein Airbus 380 wird von TARMAC Aerosave ausgeschlachtet. (Bild TARMAC Aerosave) zers Tarmac Aerosave, Europas grösstem Flugzeugrecy- bereitschaft der Sammler ist hoch – eine Doppelbank cler. Nachdem die Firma bereits 2019 ein Rekordjahr mit aus zwei Economy-Sitzen kostet je nach Zustand, Alter 200 Neuzugängen verzeichnen konnte, sorgt die Corona- und ehemaliger Airline zwischen 500 bis weit über Krise für einen weiteren kräftigen Wachstumsschub. 1000 Euro. Für besonders seltene Stücke ist die Preis- Während der grösste Teil der Flugzeugindustrie blutet skala nach oben weit offen. und die Produktion zurückfährt, erhöhte TARMAC Aero- Sind die direkt verwertbaren Teile erstmal entfernt, save im Juni dieses Jahres seine Kapazität mit einer geht es der Struktur an den Kragen. Mit Drahtsägen wer- neuen Lagerstätte in Paris-Vatry um weitere 30 Stell- den die Flügel, das Leitwerk und der Rumpf zersägt und plätze. Das bedeutet eine Kapazitätserhöhung von mehr auf handlichere Grössen gestutzt. Bewegliche Teile, wie als zehn Prozent. Für Airbus ist das angesichts der aktu- zum Beispiel Landeklappen, können je nach Zustand ellen Auftragsflaute vielleicht ein kleines Trostpflaster – wiederverwendet werden. Allerdings müssen sie dafür der Flugzeugbauer hält mehr als ein Drittel der Anteile erneut zertifiziert werden. Der nicht mehr brauchbare an TARMAC Aerosave. Neben der Langzeitlagerung von Rest wird nach Materialien sortiert, verpackt und in den Flugzeugen, die irgendwann wieder reaktiviert werden Wiederverwertungskreislauf gebracht. Bei Flugzeugen sollen, bietet die Firma auch die komplette Zerlegung ist das vor allem Aluminium, das eingeschmolzen und und Entsorgung ganzer Flugzeuge an. erneut verwendet werden kann. Nicht selten landet die- ses recycelte Aluminium dann übrigens wieder in der Recycling Neuproduktion. Ausrangierte Airliner werden damit Hat ein Flugzeug endgültig das Ende seiner Lebens- gewissermassen nochmal Teil eines Flugzeugs. dauer erreicht, beginnt ein präzise organisierter Recy- Laut TARMAC Aerosave können so bis zu 92 Pro- clingprozess. Zunächst müssen alle Restflüssigkeiten zent des Gesamtgewichts eines Flugzeugs wiederver- wie Öl, Hydraulikflüssigkeit und Kerosin abgelassen wendet werden. werden. Da die meisten Flugzeugfriedhöfe auf unversie- geltem Wüstenboden stehen, ist das in puncto Umwelt- Leasing schutz elementar wichtig. Dann wird alles ausgebaut, Weitere Gewinner der Krise könnten langfristig auch was nicht niet- und nagelfest ist. Sitze, Cockpitelemente, grosse Leasinggeber werden, sofern sie über die nötigen Fenster und vieles mehr werden entfernt. Je nach Alter Reserven verfügen. Einer der Grossen auf diesem Markt des Flugzeugs und Zustand der entfernten Teile gelan- ist Avolon. Die Firma mit Hauptsitz in Dublin verleast gen diese dann entweder zurück an die jeweiligen Kun- derzeit über 800 Flugzeuge an 145 Airlines. Nach eigenen den, etwa als Ersatzteil für die bestehende Flotte, oder Angaben verfügt sie derzeit über liquide Mittel von mehr werden verkauft. Der Markt für ausrangierte Flugzeug- als fünf Milliarden US-Dollar und ist damit recht gut auf- teile und Memorabilia ist gross. Spezialisierte Händler gestellt. Kurzfristig rechnet man bei Avolon wohl zurecht verkaufen so ziemlich jedes verfügbare Teil an Sammler mit einem Rückgang des Geschäfts — in der derzeitigen und Enthusiasten, vom Kaffeelöffel bis hin zum ganzen Lage möchte kaum eine Airline neue Verbindlichkeiten Sitz. Aus den Sitzgurten werden Gürtel, aus einem Flug- eingehen. Das zeigt sich in der Stornierung von über 100 zeugfenster samt Rahmen ein Dekorationsstück, aus Flugzeugbestellungen seitens der Leasingfirma bei Boe- einer Cockpitscheibe ein Beistelltischchen. Wer etwas ing und Airbus. Langfristig aber können Leasinganbie- mehr Platz auf dem Balkon hat, kann sich auch gleich ter gewinnen, weil sie mit der entsprechenden Bargeld- aus dem Triebwerkeinlass einer A320 einen Whirlpool reserve zum Rettungsanker für angeschlagene Airlines basteln lassen. Die Summen, die für solche Stücke fällig werden könnten. Das passende Modell heisst «sale-and- werden, zeigen, dass sich aus einem ausrangierten Flug- leaseback». Dabei verkauft eine Airline ein Flugzeug an zeug noch eine Menge Geld machen lässt. Die Zahlungs- die Leasingfirma und least es direkt wieder. Für die Air-

6 AEROPERS line ist das langfristig zwar teurer, kurzfristig spült es dass die US-Regierung alte Flugzeuge von den Airlines aber frisches Bargeld in die Kassen. In Krisenzeiten kann kauft und selbst verschrottet oder als Ersatzteile wei- das überlebenswichtig sein. Das terverkauft. Damit, so die Idee, Geschäftsmodell von Leasing- «Leasinganbieter können hätten die Airlines und Leasing- gesellschaften ist auch sonst firmen einen Anreiz zum Kauf bis zu einem gewissen Grad zum Rettungsanker neuer Flugzeuge und für die relativ krisenfest. Werden keine Regierung entstünden poten- anderweitigen Vereinbarungen für angeschlagene zielle Einkünfte aus dem Ver- getroffen, kann es dem Leasing- kauf von Ersatzteilen. Gerade geber nämlich relativ egal sein, Airlines werden.» Leasinggesellschaften wären ob das Flugzeug fliegt oder ob sicher glücklich über eine staat- es irgendwo in der Wüste abgestellt ist. Die Leasingrate lich subventionierte Flottenerneuerung – wäre da nicht ist je nach Vereinbarung ohnehin fällig. Kritisch wird es das Nachfrageproblem vonseiten der Airlines. Denn die für die Leasinggeber erst, wenn die Zahlungsunfähigkeit haben, Prämie hin oder her, eher wenig Interesse am Kauf des Kunden droht. Verschiedene Vertragsmodelle sorgen oder Leasing neuer Flugzeuge, solange sich die Passagier- dann noch dafür, dass der Markt spannend bleibt. Wurde zahlen nicht deutlich erholen. ein Vertrag mit einer bestimmten Laufzeit, beispielsweise über zehn Jahre, geschlossen, erhält die Leasingfirma Abrüstung am Ende ein Flugzeug mit deutlich weniger Abnutzung Eine ganz andere Bedeutung hat die Lagerung zerleg- zurück, wenn es längerfristig stillgelegt wurde. Das wie- ter Flugzeuge unter freiem Himmel übrigens für militäri- derum schlägt sich dann in einem höheren Restwert des sche Fluggeräte. Im Rahmen des Abrüstungsabkommens Flugzeugs nieder. Besteht hingegen ein Vertrag nach tat- «START» (Strategic Arms Reduction Treaty) verpflichte- sächlicher Nutzung, also etwa nach Flugstunden, pro- ten sich die USA und die Sowjetunion unter anderem zur fitiert eher die Airline, da sie das Flugzeug über einen Reduktion ihrer strategischen Bomberflotte. Dafür wur- längeren Zeitraum nutzen kann. Welche Bedeutung das den Bomber in grosse Einzelteile zerlegt. Diese mussten Leasing in der Airlinebranche hat, zeigt sich, wenn man dann für mindestens 90 Tage gut sichtbar unter freiem sich die Struktur einzelner Airlines genauer anschaut. Die Himmel gelagert werden, damit sie von den Aufklärungs- ungarische Fluglinie Wizzair beispielsweise hat alle ihre satelliten der Gegenseite erfasst und ihre Abrüstung Flugzeuge geleast – die Möglichkeit, mit dem Verkauf von bestätigt werden konnte. Tafelsilber in Form von Flugzeugen zu frischem Kapital zu kommen, ist also gleich null. Global betrachtet, ist fast Hotspot für Touristen die Hälfte aller kommerziellen Flugzeuge geleast. Alternativ kann man alte Flugzeuge auch einfach im Meer versenken. Vor der Küste von Bahrain wurde letz- Abwrackprämie tes Jahr eine Boeing 747 in 20 Metern Tiefe versenkt. Aus den USA kommt gerade ein Vorschlag, der zwar Auf dem Grund des Golfs von Saros in der türkischen nicht ganz neu ist, aber durch sein wirtschaftliches Poten- Ägäis liegt mittlerweile eine alte A330, ausrangiert im zial Aufsehen erregen könnte. Ähnlich der Abwrackprä- Jahr 2018. Seither dienen die beiden Flieger als ausser- mie für Autos, bei der Autobesitzer eine Prämie erhalten, gewöhnliche Tauchreviere, die zahlungskräftige Tou- wenn sie ihre alten Fahrzeuge verschrotten lassen, könnte risten anlocken sollen. Was beweist, dass selbst für der schwächelnde Flugzeugmarkt mit einer entsprechen- Flugzeuge das Leben nach der Pensionierung weiter- den Prämie angeheizt werden. Der Entwurf sieht vor, gehen kann. l

Eine Boeing 747 steht den Tauchern vor Bahrein zur Erkundung bereit. (Bild Divebahrain)

Rundschau 3 | 2020 7 Strahlenschutz ist auch juristisch relevant Auch wenn momentan kaum geflogen wird, ist Strahlenschutz nach wie vor ein wichtiges The- ma. In den vorigen Ausgaben der «Rundschau» haben wir bereits wiederholt darüber berich- tet. In dieser Ausgabe folgen nun grundlegende juristische Hintergründe zu diesem Bereich.

Text: Dominik Haug geber ableiten. So bedarf es beispielsweise des Nachwei- ses der Bestellung der für die sichere Durchführung der Die «Rundschau» hatte die Möglichkeit, mit zwei Tätigkeit notwendigen Anzahl von fachkundigen Strah- Strahlenschutzexperten des Karlsruher Instituts für lenschutzbeauftragten. Ausserdem muss sichergestellt Technologie (KIT) ein Interview zu führen. Dr. Florian sein, dass die bei der Tätigkeit sonst tätigen Personen Huber und Dr. Frank Feßler sind Kursleitende im Bereich das notwendige Wissen und die notwendigen Fertigkei- Strahlenschutz am Fortbildungszentrum für Technik ten im Hinblick auf eine mögliche Strahlengefährdung und Umwelt (FTU) am KIT. und die anzuwendenden Schutzmassnahmen besitzen. Generell sind Arbeitgeber verpflichtet, alle gesetzlich In der Schweiz zählt die Luftfahrt zu den strahlen- vorgeschriebenen Massnahmen zu ergreifen, Arbeitneh- exponierten Berufen. In Deutschland ist das sicher mer einer möglichst geringen Strahlenexposition auszu- genauso. setzen und vor möglichen Schäden durch ionisierende Fliegendes Personal ist aufgrund der Flughöhen und Strahlung zu schützen. Das nationale Strahlenschutz- der Flugrouten einer erhöhten Exposition durch ionisie- recht definiert hierfür umfangreiche administrative und rende Strahlung in Form von extraterrestrischer Höhen- organisatorische Massnahmen. Im Falle des fliegenden strahlung (kosmischer Strahlung) ausgesetzt. Nach deutschem Strahlenschutzrecht unterliegt das fliegende Personal daher einer beruflichen Strahlenexposition. Es Dr. Frank Feßler ist seit 16 ist nicht auszuschliessen, dass durch den Flugeinsatz Jahren am Fortbildungszent- Personen eine effektive Dosis von mehr als 1 Millisievert rum für Technik und Umwelt (mSv) im Kalenderjahr erhalten können, so unterliegen (FTU) des Karlsruher Instituts sie der strahlenschutzrechtlichen Überwachung. Hier- für Technologie (KIT) als ver- bei kann eine Dosis ganz allgemein als ein Mass für die antwortlicher Kursleiter der Gefährlichkeit einer Strahlenexposition angesehen wer- Bereiche «Strahlenschutz in den. Forschung, Technik und Kern- Die rechnerisch ermittelte effektive Dosis mit der zuge- technik» tätig. Seit 2018 beglei- hörigen Einheit «Sievert (Sv)» leitet sich von der Energie- tet er die Position des stellver- dosis (Einheit «Gray (Gy)») ab. Diese wird mit weiteren tretenden Vorsitzenden des Qualitätsverbundes Faktoren für die Strahlungsart und die Gewebeempfind- Strahlenschutzkursstätten (QSK) in Deutschland. lichkeit multipliziert, um schliesslich die Schutzgrösse Während seines Studiums der Physik an der Uni- «effektive Dosis» zu erhalten. versität Fridericiana zu Karlsruhe sowie der Rup- Im Unterschied zur vorherigen Strahlenschutzverord- recht-Karls-Universität Heidelberg erforschte er nung (StrlSchV) sprechen das seit 31.12.2018 in Deutsch- im Rahmen einer internationalen Kollaboration an land vollumfänglich in Kraft getretene Strahlenschutzge- einem auf dem Gelände des Forschungszentrums setz (StrlSchG) sowie die neue Strahlenschutzverordnung Karlsruhe installierten, ausgedehnten Luftschauer- nicht mehr von beruflich strahlenexponierten, sondern Experiments die Zusammensetzung der primären nur noch von beruflich exponierten Personen. kosmischen Strahlung.

Welche Konsequenzen hat dies für Arbeitgeber und -nehmer? Dr. Florian M. Huber ist als Gemäss Paragraph 50 des deutschen Strahlenschutz- Kursleiter in den Bereichen gesetzes bedeutet dies zunächst einmal, dass, wer Strahlenschutz und Kern- beabsichtigt ein Luftfahrzeug zu betreiben, das in der technik am Fortbildungszent- deutschen Luftfahrzeugrolle eingetragen ist, dies der rum für Technik und Umwelt zuständigen Behörde vier Wochen vor der beabsichtig- (FTU) des Karlsruher Instituts ten Aufnahme des Betriebs anzuzeigen hat. Dies kann für Technologie (KIT) ange- auch entsprechend für den Betrieb von Luftfahrzeu- stellt. Der promovierte Geologe gen, die in einem anderen Land registriert sind, gelten. forschte von 2007 bis 2017 am Namentlich dann, wenn der Betreiber deutscher Staats- Institut für Nukleare Entsor- angehöriger oder eine juristische Person oder Personen- gung (INE) unter anderem über das Migrationsver- gesellschaft mit Sitz im Geltungsbereich des deutschen halten von Radionukliden im Kristallingestein. Vor Strahlenschutzgesetzes ist und fliegendes Personal ein- seinem Wechsel ans FTU war er von 2017 bis 2019 setzt, das in einem Beschäftigungsverhältnis nach dem für die Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe (KTE) deutschen Arbeitsrecht steht. im Bereich Endlagerdokumentationen für das Bun- Bereits aus den dieser Anzeige beizufügenden Unter- desendlager Konrad tätig. lagen lassen sich erste Konsequenzen für den Arbeit-

8 AEROPERS Personals hat die strahlenschutzverantwortliche Per- dert werden, was in den ungünstigsten Fällen zu ent- son beispielsweise dafür zu sorgen, dass der Pflicht sprechenden Schädigungen führen kann. zur Dosisreduzierung insbesondere bei der Aufstellung Die im Strahlenschutzrecht definierten Grenzwerte von Arbeitsplänen Rechnung getragen wird (§ 75 Abs. wie die maximal erlaubte effektive Dosis pro Kalen- 3 StrlSchV). Darüber hinaus stellen die Unterweisung derjahr von 20 mSv gelten unabhängig von der Art der des exponierten Personals vor Aufnahme der Tätigkeit Strahlung. Es wird hierbei letztlich auch nicht unter- sowie die Überwachung und Mitteilung der erhaltenen schieden, ob eine Exposition aufgrund einer äusseren Dosen (Dosimetrie) wesentliche Aspekte bei der Wahr- Strahleneinwirkung oder infolge einer unbeabsich- nehmung der Strahlenschutzaufgaben dar. tigten Aufnahme einer radioaktiven Substanz in den Das exponierte Personal selbst ist verpflichtet, die im Körper (Inkorporation) auftritt. Somit beschreibt eine Rahmen einer Strahlenschutzanweisung (ähnlich einer aufgrund der Inkorporation eines α-Strahlers ermit- Betriebsanweisung) durch den Strahlenschutzverant- telte innere Dosis von 6 mSv das gleiche Risiko einer wortlichen beziehungsweise -beauftragten festgeleg- eventuellen gesundheitlichen Schädigung, wie das ten Vorgaben einzuhalten, um eigenverantwortlich die einer äusseren Exposition der gleichen Dosis infolge Belastung durch ionisierende Strahlung zu minimieren. des Aufenthalts in einem externen γ-Strahlungsfeld. Für das fliegende Personal ergibt sich die zu ermit- Das Gesetz sieht die Minimierung der Strahlenbelas- telnde effektive Dosis ausschliesslich aus der äusse- tung vor. Welche Konsequenzen sieht das Gesetz bei ren Strahlenbelastung aufgrund kosmischer Strah- Missachtung vor? lung, wobei γ- und Neutronen-, beziehungsweise Sowohl das in Deutschland gültige Strahlenschutz- Protonenstrahlen etwa je zur Hälfte zur Dosisbela- gesetz (beispielsweise §194 StrlSchG «Bussgeldvor- stung beitragen. schriften») als auch die in Kraft befindliche Strah- lenschutzverordnung (beispielsweise § 184 StrlSchV In der Berufsfliegerei wird auf Interkontinentalstre- «Ordnungswidrigkeiten») treffen in ihren jeweiligen cken eine durchschnittliche jährliche Belastung von Paragraphen Aussagen über Ordnungswidrigkeiten, 2 bis 4 mSv berechnet. Wie ist dies im Gesamtkontext die auch mit entsprechenden Bussgeldern belegt wer- der strahlenexponierten Berufe einzuordnen? Vielleicht den können. Letzteres kam in Deutschland in den ver- könnt ihr ein paar Beispiele aus anderen Bereichen zur gangenen Jahren jedoch eher selten zur Anwendung. besseren Einschätzung nennen? Der deutschen Strahlenschutzgesetzgebung ent- Welche Arten von Strahlung gibt es überhaupt? Gelten sprechend, müssen Betreiber von Luftfahrzeugen die die Grenzwerte für alle Arten gleichermassen? aus der kosmischen Strahlung resultierende erhöhte Zu den im Strahlenschutz relevanten Strahlenarten Exposition ihres fliegenden Personals mittels amtlich zählen aufgrund ihrer hohen Energien Alpha (α)-, zugelassener Rechenprogramme ermitteln, sofern die Beta (β)- und Gamma (γ)- beziehungsweise Röntgen- resultierende effektive Dosis 1 mSv im Kalenderjahr sowie auch Neutronenstrahlung. Während α-Strahlen, überschreiten kann. Im Jahre 2017 wurde in Deutsch- β-Strahlen sowie Neutronenstrahlung zu den Par- land für rund 44 800 Personen auf diese Weise eine tikelstrahlungsformen gehören, stellen γ- beziehungs- effektive Dosis ermittelt (Abb. 1) und hierbei eine Kol- weise Röntgenstrahlen elektromagnetische Wellen, lektivdosis von 93 Sievert (Sv) festgestellt. Mit einer wie zum Beispiel auch das sichtbare Licht, dar. Jedoch daraus abgeleiteten mittleren Jahresdosis von 2,1 mSv besitzt sichtbares Licht Energien von einigen weni- pro Person stellt das fliegende Personal somit zwar gen Elektronenvolt (eV), wohingegen die Energien der die am höchsten exponierte Berufsgruppe in Deutsch- γ- oder Röntgenstrahlen in Bereichen von einigen Megaelektronenvolt liegen können. Aufgrund dieser sehr hohen Energien, die auch bei α-, β- und Neutro- nenstrahlen auftreten kön- nen, sind diese Strahlen- arten in der Lage, Mate- rie, auf die sie treffen, auf direktem Wege (elektrisch geladene Alpha- und Beta- Strahlung) oder aber auf indirektem (elektrisch neu- trale Gamma-, Röntgen- oder Neutronenstralung) zu ioni- sieren. Daher lassen sich die aufgeführten Strahlen- arten auch unter dem Begriff «ionisierende Strahlung» zu- sammenfassen. Findet diese Ionisierung an Bestandtei- len lebender Zellen statt, so Abb. 1: Effektive Dosis des fliegenden Personals bei deutschen Luftverkehrsgesell- können diese hierbei verän- schaften, 2017. Die Zahlen oberhalb der Balken geben die Gruppengrösse an.

Rundschau 3 | 2020 9 Welche Folgen sind als Berufskrankheiten aner- kannt? Als Berufskrankheiten werden arbeitsbedingte Er- krankungen bezeichnet, die nach den Erkenntnis- sen der medizinischen Wis- senschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Per- sonengruppen durch ihre berufliche Tätigkeit in er- heblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die in diesem Sinne anerkann- ten Krankheiten sind in Deutschland in der Berufs- krankheiten-Verordnung [2] aufgelistet. Die Erkrankung durch die Einwirkung ionisie- Abb. 2: Personendosis aller beruflich überwachter Personen in Deutschland für das render Strahlung ist dort Jahr 2017. Die Zahlen oberhalb der Balken geben die Gruppengrösse an. unter der Nummer 2402 aufgeführt. land dar, allerdings ist das Auftreten von hohen Dosis- Die beim fliegenden Personal durch ionisierende werten wie im medizinischen oder technischen Bereich Strahlung möglicherweise auftretenden Erkrankun- oder gar das Erreichen des Dosislimits von 20 mSv pro gen fallen in die Gruppe der Strahlenspätschäden, die Kalenderjahr praktisch ausgeschlossen. nach langzeitiger oder wiederholter Einwirkung auch Insgesamt wurden in Deutschland im Jahre 2017 kleiner Strahlendosen auftreten können. Hier sind rund 413 200 Personen während ihrer beruflichen vor allem Leukämien und andere maligne Tumore Tätigkeit auf ihre Strahlenexposition überwacht. als strahlenbedingte Spätschäden bedeutsam. Die Nur bei rund 22 Prozent dieser Personen wurde eine Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Erkrankungen ist messbare Jahrespersonendosis festgestellt. Abbil- dosisabhängig. dung 2 enthält die Ergebnisse der Per- sonendosisüberwachung in drei Grup- pierungen unterteilt (BMU Bericht 2017 [1]). Ergänzend hierzu veranschaulicht Ab- bildung 3 für verschiedene Beschäf- tigungsbereiche die Personenzahl, die eine messbare Dosis erhalten hat, sowie die mittlere Jahrespersonendosis dieser Personen (Daten BMU-Bericht 2017 [1]). Bei rund 368 000 Personen erfolgte die Überwachung mittels Personendosi- metern. Davon waren rund 81 Prozent im medizinischen Bereich tätig. Die Summe der Jahresdosis aller mit Perso- nendosimetern überwachten Personen betrug 23 Personen-Sievert, die mittlere JahresPersonendosis 0,06 mSv. Bei 86 Prozent der mit Personendosimetern überwachten Personen lagen die ermit- telten Werte unter der kleinsten fest- stellbaren Dosis von 0,05 mSv im Jahr. Für die Personen mit einer von Null ver- schiedenen Jahresdosis ergibt sich eine mittlere Jahres-Personendosis von 0,45 mSv. Der JahresGrenzwert von 20 mSv wurde im Jahr 2017 von zwei Personen Abb. 3: Mittlere Jahres-Personendosis der strahlenüberwachten Per- überschritten. Bezogen auf die Gesamt- sonen in Deutschland, für die eine Jahresdosis grösser Null ermittelt zahl der Überwachten sind dies 0,0005 wurde, in verschiedenen Beschäftigungsbereichen für das Jahr 2017. Prozent (BMU Bericht 2017 [1]). Die Zahlen oberhalb der Balken geben die Gruppengrösse an.

10 AEROPERS Berufsgruppe mit der höchsten beruflichen Exposi- Quellen tion gehört, liegen die Dosiswerte dennoch auf dem 1. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz Niveau der natürlichen Exposition der Bevölkerung. und nukleare Sicherheit, Umweltradioaktivi- Betrachtet man zusätzlich die gemittelte Exposition tät und Strahlenbelastung; Jahresberichte der Bevölkerung aus zivilisatorischen Quellen, zum 1997–2017, Beispiel durch medizinisches Röntgen, von abermals http://www.bfs.de/DE/mediathek/berichte/ 1,7 mSv pro Jahr, so ergeben sich in Summe zirka umweltradioaktivitaet/umweltradioaktivitaet. 3,7 mSv pro Jahr für nicht beruflich exponierte Perso- html nen. Das fliegende Personal erhält mit insgesamt zirka 2. Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Okto- 5,8 mSv pro Jahr eine im Durchschnitt um etwa 36 Pro- ber 1997 (BGBl. I S. 2623), die zuletzt durch zent erhöhte effektive Dosis. Dieser Vergleich verdeut- Artikel 1 der Verordnung vom 10. Juli 2017 licht die Effektivität der gesetzlich vorgeschriebenen (BGBl. I S. 2299) geändert worden ist und einzuhaltenden Strahlenschutzmassnahmen. 3. Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Anforderungen zum Schutz vor Expositionen von Per- Berufskrankheiten-Verordnung «Erkrankungen sonen durch kosmische Strahlung beim Betrieb von durch ionisierende Strahlen» Bek. des BMAS Luftfahrzeugen ist in Deutschland das Luftfahrt-Bun- vom 24.10.2011 bis IVa 4-45222-2402 – GMBl. desamt (§ 189 StrlSchG). 2011, Nr. 49-51, S. 983-993 Herzlichen Dank für das Interview und die Erklärun- gen! l

Bei der Beurteilung, ob eine Erkrankung auf eine berufsbedingte Strahlenexposition zurückzuführen ist, ist eine eingehende Arbeitsanamnese insbesondere un- ter Berücksichtigung der Ergebnisse der Personendo- sisermittlungen von entscheidender Bedeutung. Auch durch die Einhaltung der Grenzwerte ist nicht auto- matisch eine Verneinung des Kausalzusammenhanges begründet. Allerdings legen epidemiologische Untersuchungen Anzeige nahe, dass für eine Dosis von weniger als 50 mSv in relevanten Organen in der Regel der Anteil der beruf- lich verursachten, strahlenbedingten Tumore in dieser Gruppe geringer als 10 Prozent ist, was zumeist keine arbeitsbedingte Ursache des aufgetretenen Tumors impliziert. [3]

Gibt es Möglichkeiten, sich als Arbeitnehmer zu schüt- zen, auch wenn der Arbeitgeber dies nicht tut? Oberstes Gebot des Strahlenschutzes ist es, jede unnötige Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden. Auch jede Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt unterhalb der Grenzwerte ist so gering wie möglich zu halten. Hierzu sind unter Berücksichtigung aller Umstände des Ein- zelfalls je nach Tätigkeit der Stand von Wissenschaft und Technik beziehungsweise der Stand der Technik zu beachten. Zur Umsetzung dieser Strahlenschutz- grundsätze dienen bezüglich äusserer Expositionen Erbschaft- und Schenkungsteuer typischerweise die sogenannten «drei A» des Strahlen- schutzes: Abschirmungen verwenden, Abstand halten und Aufenthaltsdauern verringern. Hinsichtlich des Betriebs von Luftfahrzeugen stellt sich die Umset- zung der ersten Massnahme (Abschirmungen verwen- den) sicherlich als jene mit der kleinsten möglichen Wirkung dar. Die anderen beiden lassen sich jedoch mittels der auch gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur entsprechenden Planung der Flugzeiten und Flug- routen gut umsetzen. Die in Abbildung 3 aufgeführte mittlere jährliche effektive Dosis für das fliegende Personal von 2,1 mSv liegt im Bereich der gemittelten natürlichen, das heisst terrestrischen und extraterrestrischen Exposition der Bevölkerung durch ionisierende Strahlung (ca. 2 mSv pro Jahr). Obwohl das fliegende Personal somit zu der

Rundschau 3 | 2020 11 Der Staat eilt zur Rettung Die Corona-Krise und ihre Folgen haben die Airlines der ganzen Welt hart getroffen. Beinahe alle Marktteilnehmer werden auf die eine oder andere Weise von ihren Heimatstaaten gestützt. Dies führt zu massiven Veränderungen der Marktstruktur. Ausgerechnet Airlines wie Alitalia, die schon lange finanzielle Probleme haben, könnten zu potenziellen Gewinnern der Krise avancieren.

Text: Roman Boller den Nationalismus offen, ganze Wirtschaftsbereiche zu verstaatlichen. Italien hat damit schon früh in der Krise Vor noch nicht allzu langer Zeit lag eines der gröss- begonnen. In Frankreich und anderen europäischen Län- ten Probleme europäischer Airlines in der Bekämpfung dern freunden sich die Regierungen ebenfalls mit dem unfairer internationaler Kon- Gedanken an. Das aktuelle kurrenz. Die staatlich gestü- «Nach dem Einstieg vieler Virus kommt als Begrün- tzten Airlines, allen voran dung gerade recht. Auch diejenigen aus den Golfstaa- Staaten in ‹ihre› Airlines die Angst vor der stillen ten, der Türkei und , Übernahme wichtiger Unter- waren der Lufthansa, Air herrscht eine Marktsituation nehmen durch ausländische France KLM und IAG ein Dorn Investoren treibt den Willen im Auge. Auch das EU-Par- wie vor 30 Jahren.» für ein staatliches Einschrei- lament nahm sich der Prob- ten voran. Ein solch dras- lematik an und stimmte im März 2019 scharfen Regeln tischer Eingriff in die Privatwirtschaft ist jedoch mit gegen unfairen Wettbewerb durch Staats-Airlines zu. Mit Risiken verbunden. Bei Aktiengesellschaften resultiert diesem Schutzinstrument sollte die Diskriminierung euro- durch den meist günstigen Kaufpreis des Staates eine päischer Fluggesellschaften verhindert werden. Genau Verwässerung der Aktien bestehender Investoren. Aus- ein Jahr später lockert die EU-Kommission dann selber serdem verlieren bisherige Aktionäre an Einfluss und die Beihilferegelungen für Staatshilfen in Europa – selbst- eine Dividendenzahlung wird meist für mehrere Jahre redend vor einem ganz neuen Hintergrund. Im Kampf ausgesetzt. Viel zu reden gibt auch die Thematik des gegen die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Krise Mitspracherechts. Der Staat als Eigentümer verfolgt oft sollen die Staaten die Möglichkeit haben, ihren Unterneh- Ziele, die von denen privater, gewinnorientierter Füh- men unter die Arme greifen zu können. rungspersonen abweichen. Wie einschneidend eine sol- che staatliche Einmischung für ein Privatunternehmen Verstaatlichung: Fluch oder Segen? sein kann, zeigt die Reaktion des Lufthansa-CEOs wäh- Weil in den letzten Jahrzehnten die Wirtschaft immer rend der Verhandlungen zur Staatsunterstützung. Cars- liberaler und internationaler geworden ist, schwanden ten Spohr lehnte eine grosse Unterstützung in Form von auch die staatlichen Beteiligungen immer mehr. Bestes Eigenkapital kategorisch ab. Um ein solches Einschrei- Beispiel dafür ist die Lufthansa. Bis in die Sechziger- ten des Staates zu verhindern, zog man im Management jahre war die Airline nahezu vollständig im Staatsbesitz. der Lufthansa sogar in Betracht, den Weg der Insolvenz Erst mit dem Anbruch des Jet-Zeitalters und den damit in Eigenverwaltung zu gehen. Ein solches Schutzschirm- verbundenen hohen Inves- titionen in neue Flugzeuge erfolgte die erste Teilprivati- sierung. Der Staatsanteil sank dabei auf 75 Prozent. In den Jahren 1990–1993 musste aufgrund hoher Verluste ebenfalls Kapital beschafft werden, worauf der Staats- anteil weiter auf 35 Prozent sank. Mit der Intensivierung des Konkurrenzkampfes im Airlinemarkt verkaufte der Staat dann 1994 die Reste seiner Anteile. Man war zur Einsicht gelangt, dass ein pri- vat geführtes Unternehmen im hart geführten Wettbe- werb besser bestehen kann. Nach mehr als zwei Jahr- zehnten muss der Staat nun rettend zu Hilfe eilen. Immer mehr Politiker fordern im Namen des wiedererstarken- Marode Airlines könnten von der Krise profitieren. (Bild Alitalia)

12 AEROPERS verfahren kann nur beantragt werden, wenn ein Unter- Land wurde anders reagiert, woraus sich unterschied- nehmen droht, zahlungsunfähig zu werden, jedoch posi- lichste Arten der Staatshilfe ergaben. Ob diese erfolg- tive Sanierungsaussichten bestehen. Diese Sanierung reich enden werden, hängt nicht zuletzt davon ab, wie soll unter Beteiligung des bisherigen Managements sich der Staat als Aktionär verhalten wird. stattfinden. Dieses hat dann unter einfacheren Bedin- gungen als im Normalbetrieb die Möglichkeit, sich von Flickenteppich Europa Schulden oder Pensionslasten zu befreien, während der Soll der Staat der Schweizer Luftfahrt in ihrer wohl Betrieb weiterlaufen kann. Das ist schön für das Unter- schwersten Krise zu Hilfe eilen? Wie könnte eine solche nehmen, für die Mitarbeiter allerdings nicht unbedingt. Unterstützung aussehen? In der Schweiz hat man auf Denn auch Arbeitsverträge sind im Schutzschirmverfah- diese Fragen eine vergleichbar pragmatische Antwort ren einfacher zu kündigen und Abfindungen sind nicht gefunden, die auch in anderen europäischen Ländern in vorgesehen. Kein Wunder also, dass die Belegschaft der ähnlicher Form Anwendung findet. Die SWISS und die Lufthansa-Gruppe dieser Möglichkeit mit grosser Sorge Edelweiss erhalten einen fünfjährigen Bankkredit in der entgegensah. Höhe von 1,5 Milliarden Franken, um die Liquidität zu hat nach dem Konkurs der Muttergesellschaft sichern. Für 85 Prozent des Betrags verbürgt sich der Thomas Cook bereits vor der Corona-Krise diesen Weg Bund, während für den Rest die Banken das Risiko tra- eingeschlagen. Lange sah es so aus, als fände dieses gen. Die SWISS hinterlegt im Gegenzug ihre Aktien als Schutzschirmverfahren mit der Übernahme durch die Sicherheit beim Bund. Es fliessen also vorerst keinerlei polnische PGL-Gruppe ein gutes Ende. Nach dem Ein- Steuergelder in die grösste Airline der Schweiz. Auch setzen der Krise hat sich diese jedoch aus dem bereits soll der Kredit, anders als bei den regulären Corana- vereinbarten Vertrag zurückgezogen, wodurch dann Krediten, zu marktüblichen Konditionen mit über drei trotzdem der Staat mit 550 Millionen Rettungskredit Prozent verzinst werden. Nebst diversen anderen Bedin- einspringen musste. Die Suche nach einem neuen Käu- gungen sollen die Schweizer Staatshilfen ausserdem in fer läuft bei Condor also weiter. Das Schutzschirmver- einem angemessenen Verhältnis zum Engagement der fahren im Deutschen Insolvenzrecht basiert auf dem Muttergesellschaft Lufthansa stehen. Es war für das Vorbild des Insolvenzverfahrens nach «Chapter 11» Überleben der SWISS und der Edelweiss also auch ent- der USA. Dieses Verfahren wurde in der Vergangen- scheidend, dass sich der deutsche Staat mit der Luft- heit bereits von zahlreichen amerikanischen Airlines hansa einigt. Dort waren die Verhandlungen um einiges genutzt und ist auch in der aktuellen Krise ein wichtiges intensiver und wurden von den Medien publikums- Instrument. Unter anderem haben sich die LATAM und wirksam dramatisiert. Nach der Einigung zwischen der die Holdings bereits für das Verfahren nach deutschen Regierung, der Lufthansa und der EU-Kom- Chapter 11 angemeldet. mission stimmten auch die Aktionäre der Vereinbarung zu. Das Rettungspaket sieht vor, dass durch den staat- Kredit oder Eigentum lichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds Aktien im Wert Der Vorteil von eingeschossenem Eigenkapital des von 300 Millionen Euro gezeichnet werden. Dies würde Staates gegenüber vorübergehend zur Verfügung einer Beteiligung von 20 Prozent entsprechen. Der Kauf- gestellten Krediten besteht jedoch darin, dass es weder preis liegt dabei bei 2.56 Euro und somit deutlich unter zurückbezahlt noch verzinst werden muss. Darüber dem aktuellen Aktienkurs. Nach mehr als 20 Jahren hinaus stellt sich aber ganz grundsätzlich die Frage, Abwesenheit, könnte Deutschland nun also wieder Mit- ob der Staat, der die Spielregeln gestaltet, auch selber eigentümer und grösster Einzelaktionär der Lufthansa Mitspieler im Markt sein soll. Kleinere Airlines oder sol- werden. Insgesamt umfasst das Rettungspaket neun che, bei denen der Staat nicht Milliarden Euro und bewegt aktiv einsteigt, befürchten sich damit in einem ähnli- strategische Nachteile. Ein «Es stellt sich ganz chen Rahmen wie die Hilfe für Blick in die Vergangenheit . Frankreich eilt der zeigt, dass eine staatliche Ret- grundsätzlich die Frage, Airline mit sieben Milliarden tung langfristig nicht unbe- Euro zu Hilfe. Diese Summe dingt Erfolg verspricht. Wäh- ob der Staat, der die setzt sich aus drei Milliarden rend der Finanzkrise 2008 Staatskredit und vier Milliar- stieg der deutsche Bundes- Spielregeln gestaltet, den staatliche Garantien für staat mit 25 Prozent bei der, auch selber Mitspieler Bankkredite zusammen. Die auf finanzielle Unterstützung Partnerairline KLM erhält aus angewiesenen, Commerzbank im Markt sein soll.» den Niederlanden 3,4 Milliar- ein. Der Aktienkurs viel von den Euro. Paris und Den Haag 230 Euro auf unter 30 Euro. besitzen jeweils rund 14 Pro- Heute schwankt der Kurs im einstelligen Bereich und zent der Luftfahrtgesellschaften. Eigene Wege schien hat der Staatskasse entsprechende Verluste beschert. zu Beginn der Krise hingegen IAG zu gehen. England Noch immer hält der Staat 15 Prozent der Anteile. Einen machte keine Anstalten, die heimische komplett anderen Verlauf haben hingegen die ameri- zu unterstützen, was von dieser auch nicht erwünscht kanischen Banken nach deren Rettung in der Finanz- war. Die Konzernleitung der IAG, zu der auch die spani- krise genommen. Dort erholte sich der Kurs nachhaltig, schen Airlines und sowie die irische Aer womit für den Staat sogar ein Gewinn resultierte. Mit Lingus gehören, lehnte Staatskredite als nicht notwen- dem Aufkommen der Corona-Krise zeigte sich beson- dig ab. Laut Konzernleitung der IAG wäre eine solche ders im Airlinemarkt schnell, dass ein Überleben der Hilfe nur kurzfristiger Natur und biete keine Lösung Airlines ohne Unterstützung schwierig würde. Je nach für künftige Herausforderungen. Ausserdem dürfe von

Rundschau 3 | 2020 13 Staatliche Unterstützung muss nicht zwingend negativ für die Staatskasse sein. einer grossen Airline erwartet werden, durch eine solche lines dürfte sich jedoch nachhaltig ändern. Nach dem Krise zu kommen, ohne gleich staatliche Mittel zu bezie- Einstieg vieler Staaten in «ihre» Airlines herrscht eine hen. Gleichzeitig wurden jedoch 20 000 Mitarbeiter der Situation wie vor 30 Jahren. Mitbewerber ohne staat- IAG in Kurzarbeit geschickt. liche Beteiligung monieren Mit zunehmendem Ausmass zu Recht, dass durch diese der Krise besann man sich «Es fliessen also vorerst neue Ordnung die freie auch bei IAG darauf, dass Marktwirtschaft bedroht man auf staatliche Unter- keinerlei Steuergelder in die ist. Die Managements der stützung angewiesen sein unterstützten Luftfahrt- wird. Die spanischen Vertre- grösste Airline der Schweiz.» konzerne wiederum bekla- ter erhielten eine Milliarde gen sich über mögliche Euro, wovon 750 Millionen für Iberia bestimmt sind, Einmischungen der neuen Anspruchsgruppe. Diese während der Rest zu Vueling fliesst. British Airways hat könnten auf Kosten der Produktivität einen grösseren hingegen nach wie vor keine staatliche Unterstützung Fokus auf Emissionsthemen wie Lärm oder Umwelt erhalten. Um an zusätzliches Geld zu kommen, plant legen. Ausserdem verfolgen Politiker manchmal ihre IAG ausserdem eine Kapitalerhöhung von deutlich über Ziele nicht konsequent und langfristig, sondern pas- zwei Milliarden Euro. Die grösste IAG-Aktionärin Qatar sen sie den politischen Modeerscheinungen an. Das Airways hat bereits zugesagt, diesen Plan zu unterstüt- kann einem Unternehmen zusätzlich erschweren, eine zen. Im Schatten dieser drei grossen Konzerne wird langfristige Strategie zu verfolgen. Wirklich glücklich auch für kleinere Airlines grosszügig aus dem Staats- scheint mit der neuen Situation im Markt noch nie- haushalt geschöpft. Bei der seit längerem defizitären mand zu sein. Ob sich diese wie vor 30 Jahren wieder TAP hat Portugal seinen Anteil von 50 Prozent auf über ändern wird, muss sich zeigen. Die von der EU-Kom- 70 Prozent erhöht. Schweden und Dänemark halten mission neu geschaffene Möglichkeit, angeschlagene jeweils 15 Prozent der SAS-Anteile und verbürgen sich Unternehmungen einfacher zu unterstützen, kommt in dieser Krise für 308 Millionen Euro Bankkredite. Auch vor allem denjenigen Staaten gerade recht, bei wel- der norwegische Staat könnte sich noch mit zusätzli- chen die Airlines ohnehin schon finanzielle Probleme chen Millionen beteiligen. hatten. Gerade diese notorisch maroden Unternehmen könnten nun zu den Krisengewinnern avancieren. War Vom Sorgenkind zum Krisengewinner es vor dem Hintergrund der Wettbewerbsverzerrung Grosse Restrukturierungen sind bei allen Airlines im und unter den strengen Augen der EU-Kommission bis- Gange. Ob und wie lange diese Unterstützungen ausrei- her nur eingeschränkt möglich, staatliche Unterstüt- chen ist offen. Klar ist jedoch, dass es viele Jahre dau- zung zu rechtfertigen, können solche Hilfsprogramme ern wird, bis die jetzt aufgenommenen Schulden abbe- nun einfacher durchgeführt werden. Der offiziellen zahlt sind. Dass auch nach der Krise noch geflogen Verstaatlichung unrentabler Airlines steht nun nichts wird, ist unbestritten. Die Marktstruktur hinter den Air- mehr im Weg. l

14 AEROPERS Aus Alt wird Neu: Dock A für die Zukunft Dem Flughafen Zürich steht eines seiner umfassendsten Bauvorhaben bevor. Die Details der Durchführung werden derzeit in einem Studienwettbewerb erörtert. Jedoch sind Dimensionen und Eigenschaften des Ersatzneubaus für das 1985 eröffnete Dock A bereits publiziert. Eine Übersicht über die Herausforderungen und Möglichkeiten des Riesenprojekts.

Text: Kevin Fuchs An- und Abflüge. Dabei würde gerade diese Entflech- tung auch massgeblich zu einer erhöhten Sicherheit Mit einer Swissair DC-4, die am 14. Juni 1946 als beitragen – ganz zu schweigen von der Pünktlichkeit. erstes Flugzeug die Piste 28 zum Start nach London nutzte, wurde der Grundstein für eine Schweizer Durchdacht positioniert und kapazitätserweiternd Erfolgsgeschichte gelegt: Der Flughafen Zürich-Kloten Noch ist der seit 2017 im Bau befindliche Circle wurde feierlich eröffnet. nicht fertiggestellt und der Flughafen plant bereits Der zuvor im gemischt zivil-militärischen Betrieb sein nächstes Grossprojekt. Denn das 1985 eröffnete genutzte Flughafen Dübendorf war für den Einsatz Dock A ist in die Jahre gekommen und muss sich durch als Grossflughafen als ungeeignet eingestuft worden. einen Ersatzneubau den Herausforderungen der Luft- Nachdem vom ehemaligen Schweizer Bauunterneh- fahrt des 21. Jahrhunderts stellen können. men Locher & Cie im Auftrag der Regierung mehrere Mit einem Passagieraufkommen von jährliche über Standorte geprüft worden waren, wurde das soge- 30 Millionen Fluggästen seit 2018 und Wachstums- nannte «Projekt I» zum Favoriten. Das Projekt sah den prognosen für die kommenden Jahre müssen dringend Bau von vier Pisten im Moorgebiet zwischen Kloten neue Kapazitäten geschaffen werden. und Oberglatt vor. Andere Ideen, wie die eines Zentral- In seiner zentralen Lage wird am Dock A rund ein flughafens bei Utzenstorf, nördlich von Bern, verloren Drittel der täglichen Flüge abgefertigt. Der Neubau bei rasch an Bedeutung. laufendem Flugbetrieb stellt den Flughafen vor die In seiner mehr als 70-jährigen Geschichte hat sich wohl bisher grösste logistische Herausforderung seiner der Flughafen Zürich zu einer Grösse in der Branche Geschichte. Denn eine vorübergehende Schliessung des entwickelt. ZRH überzeugt bei Passagieren mit seinen Docks ist keine Option, da die «Alpha-Gates» auch in kurzen Wegen, einem umfangreichen Shopping-Erleb- der Bauphase dringend benötigt werden. So entstand nis und einer exemplarischen Anbindung der Schweiz das Konzept, das neue Dock A parallel an das alte an die Welt. Der Flughafen wurde 2019 zum 16. Mal in Gebäude angrenzend zu errichten. Nach Fertigstellung Folge mit dem «Europe’s Leading Airport Award» aus- des 520 Meter langen und 47 Meter breiten Gebäudes gezeichnet. Zudem ist das Unternehmen seit nunmehr wird zunächst der Betrieb auf die bereits fertiggestell- 20 Jahren im Auftrag des Bundes börsenkotiert. ten Standplätze der Nordseite verlagert, bevor die Auch Spotter zieht es seit langer Zeit aus angren- Standplätze im Süden komplettiert werden. zenden Ländern in die Region, um die startenden und Analog zum bestehenden Dock B wird das neue Dock landenden Maschinen an einem der eigens angelegten zwei Passagierebenen besitzen – eine Ankunfts- und Aussichtspunkte fotografisch festzuhalten. Doch rei- eine Abflugsebene. Ein zusätzlicher Korridor in einem bungslos ist der Betrieb leider nicht immer. Die ein- Zwischengeschoss ermöglicht die flexible Nutzung seitige deutsche Verordnung, Ränkespiele innerhalb als Non-Schengen-Bereich. So können auch interkon- der Schweizer Politik und die Anliegen der Flughafen- tinentale Flüge abgefertigt werden. Unterirdisch wird Anrainer verhindern seit Jahren die Entflechtung der ein Zugang zur Passkontrolle ermöglicht. Durch seine

Vor dem Bau: Das gegenwärtige Dock A (links) inklusive Tower wird einem Ersatzneubau weichen.

Rundschau 3 | 2020 15 nach Norden verlagerte Position ergibt sich mehr Platz auf dem Hof zwischen Dock A und B. Damit ist der Hof zukünftig keine Sackgasse mehr und mit einem neuen Taxiway können Flugzeuge dereinst unab- hängig hinein- und hinausrollen. Die bisherigen Standplätze für Lang- streckenflugzeuge an der Nordseite vom Dock B müssen dafür weichen. Jedoch entstehen mittig vor dem Airside-Center fünf neue Stand- plätze für Code-C-Flugzeuge. Die Nordseite des neuen Docks A stellt Gates für bis zu zwölf Kurz- oder acht Langstreckenflugzeuge bis zum Typencode E zur Verfügung. Insgesamt wird der Flughafen durch So soll das neue Dock A im Endausbau aussehen. (Bild Flughafen Zürich) den Ersatzneubau sieben neue Standplätze gewinnen. für eine möglichst kurze Bauzeit des neuen Docks A. Die bisher an der Piste 10/28 angrenzenden India- Um für den Ersatzneubau eine seriöse Terminpla- Standplätze werden einem völlig überarbeiteten, neuen nung vornehmen zu können, ist die Baustelle in drei Rollwegkonzept weichen. So können zwei Code-E-Flug- Teilbaustellen unterteilt. zeuge oder alternativ zwei Code-C- mit einem Code-E- Die erste Baustelle wird im Bereich des neuen Tow- Flugzeug aneinander vorbeirollen – ein bedeutender ers zu finden sein. Dieser wird weiter östlich als der Fortschritt zur gegenwärtigen Lage. bisherige angesiedelt sein. Die Teilbaustellen zwei und Anfahrtswege für Passagierbusse und Zulieferer wer- drei folgen in westlicher Richtung. den künftig, ähnlich dem Terminal 2 am Münchener Aufgrund der Höhe des Gebäudes werden Portalkräne Flughafen, unter dem Gebäude verlaufen. eingesetzt. Der Bauverlauf sieht das Konzept eines Par- Das Gebäude selbst ist als eine moderne Stahlrah- allelbetriebs der Teilbaustellen vor. Hierbei ist jede Teil- menkonstruktion geplant. 24 Hauptrahmen bilden baustelle in vier Baufelder definiert: Tiefbau, Rohbau/ dabei im Abstand von 22 Metern das Grundgerüst. Beton, Stahlbau und Einbau der Betondecken. Dieser Abstand und die sich wiederholende Gebäu- Da sich das Projekt im Sicherheitsbereich des Flug- destruktur wurden spezifisch für die neuen Code-C- hafens befindet, hat man sich für eine Isolierung der Standplätze festgelegt. Baustelle mittels eines Bauzauns entschieden. Zugang wird über das Gebäude A40 gewährt werden, links Blick fürs Detail: Die wahrscheinlichsten Bauszenarien angrenzend zum OPC. Die zu Stosszeiten stark fre- Da die Baustelle den laufenden Betrieb stark ein- quentierte Zufahrtsstrasse wird dabei als Anliefe- schränken könnte, werden vor dem eigentlichen Baube- rungsweg dienen. Unmittelbar vor dem Parkhaus P60 ginn Umstrukturierungsarbeiten vorgenommen. Dafür entsteht ein Installationsplatz. werden zum Beispiel unterirdische Versorgungskanäle Komplexere Bauteile sollen wegen drohenden Kapa- oder erste Fundamente für das neue Dock erstellt. zitätsengpässen an einem weiteren Installationsplatz Die Bauzeit für die im Gesamtkontext «kleineren» Arbei- zusammengesetzt werden. Dieser wird neben den ten beträgt mehrere Jahre und ist bereits angelaufen. Gebäuden der REGA ausserhalb des Flughafenareals Abhängig vom Ausgang des aktuellen Studienwett- liegen. Die vormontierten Teile sollen in Nachtschich- bewerbs sind derzeit unterschiedliche bauliche Vor- ten über Rollwege und die Piste 10/28 zur Grossbau- gehen denkbar. Dabei steht fest, dass nach Abschluss stelle transportiert werden. So verspricht sich die Flug- der Vorarbeiten zunächst die Fingerpositionen an der hafen Zürich AG einen Zeitraum von zwei Jahren vom Nordseite des Docks A entfernt werden. Parkpositio- Baubeginn bis zur Inbetriebnahme des neuen Docks. In nen an dieser Stelle rücken bereits an die neu vor- einem weiteren Szenario ist sogar eine Verkürzung der gesehenen Stellen. Da dort aber das Gebäude noch Bauzeit vorgesehen, sollten Infrastruktur und Installa- nicht errichtet wurde, werden alle neun Standplätze tionsplätze die externe Vorfertigung ganzer Gebäude- mit Passagierbussen bedient werden müssen. Das ent- teile zulassen. Dabei ist die Idee, rund 2000 Tonnen spricht pro Gate einem Transport von 700 000 Passa- schwere Einzelsegmente des Docks, die bereits mit gieren im Jahr. grundlegender Haustechnik ausgestattet sind, in der Dies ist ebenfalls der Zeitpunkt, an dem die India- Nacht mit grossen Minenlastwagen über das Rollfeld Stands entfallen werden. bis zum Endmontageplatz zu transportieren. Die opti- Weil bis zu diesem Moment im «Innenhof» noch keine mistischste Berechnungsvariante geht dabei von einer neuen Standplätze realisiert werden können, sind voll Gesamtbauzeit von einem halben Jahr aus – die wohl ausgelastete C-, D- und G-Standplätze die Konsequenz. angenehmste Variante für die von den Baumassnah- Nicht nur die Buskapazitäten müssen somit stark men Betroffenen. erhöht, sondern auch die längeren Wege – insbeson- dere für Umsteigepassagiere – bedacht werden. Step-by-Step zum Ziel Sowohl diese Umstände als auch der wegfallende Von der Montageart des neuen Docks unabhängig, Komfort für den Fluggast, sind bedeutende Argumente wird der Bau eines neuen Towers geplant. Auf sei-

16 AEROPERS nem eigenen Fundament erfolgt die Fertigstellung des lich abfertigen kann. Denn Verspätungen sind bereits Schafts. Anschliessend wird die Kanzel als Einzelstück heute ein leidiges Thema. Trotzdem ist diese Inves- aufgesetzt. Letztere wird bereits am Installationsplatz tition begrüssenswert. Denn sie signalisiert, dass die voll ausgestattet. So kann zeitnah mit dem Schulungs- Tür zur Welt für die Schweiz nachhaltig offenbleiben betrieb begonnen und der Parallelbetrieb beider Tower soll. verhindert werden. Mit der abgeschlossenen Installation der Gebäude- Interview mit Bettina Kunz, segmente und des Towers werden die ebenfalls vor- Senior Mediensprecherin der Flughafen Zürich AG montierten nördlichen Fluggastbrücken an ihren Ele- menten platziert. «Rundschau»: Frau Kunz, wann ist der Baubeginn für Mit der Einführung der neuen, unter dem Gebäude den Umbau des Docks A vorgesehen? verlaufenden Service-Strassen für Busse und andere Bettina Kunz: Es wird keinen Umbau, sondern einen Fahrzeuge erfolgt die Verlagerung des Betriebs vom Ersatzneubau des Docks A geben. Zurzeit läuft der Stu- alten in das neue Dock. Im nächsten Schritt wird das dienwettbewerb, der Ende 2021 abgeschlossen wird. alte Dock A inklusive des alten Towers abgebrochen. Danach folgen mehrjährige Projektierungsarbeiten und Gleichzeitig können die fünf neuen Standplätze vor das dazugehörige Genehmigungsverfahren. dem Airside-Center in Betrieb genommen werden. Vom alten Dock werden wenige Teile des Unterge- Verursacht COVID-19 Bauverzögerungen, die schon schosses als Betriebsräume weiterhin existieren. Nach jetzt absehbar sind? dem Abbruch können auch die südlichen Vorfeld- Nein, denn der Terminplan für die Realisierung des türme angebracht werden und letztlich erstmals den Ersatzneubaus Dock A steht noch nicht fest. Vollbetrieb des neuen Docks A ermöglichen. Werden die Passagiere stark unter den Umbaumass- Raffiniert und einzigartig nahmen leiden? Ein derart ausgeklügeltes Projekt für einen Termi- Da es einen Ersatzneubau geben wird, kann das beste- nalersatzbau, der sowohl geografisch als auch zeitlich hende Dock A während der Bauzeit weiterhin genutzt parallel zum laufenden Flugbetrieb entsteht, sucht werden. Dabei werden mehr Passagiere auf offenen man im europäischen Umfeld vergebens. Mit dem Standplätzen, die mit Bussen erschlossen sind, abgefer- neuen Terminal 3 des Frankfurter Flughafens befin- tigt werden. det sich seit dem Spatenstich im Jahr 2015 ein ähnli- ches Grossprojekt im Bau. Es entsteht im südöstlichen Wann wird der neue Tower installiert werden? Teil des Flughafens, nahe der Piste 25L. Die gänzlich Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht neue Gebäudeeinheit verfügt über drei Flugsteige und sagen. Es wird jedoch angestrebt, den neuen Tower mög- eine Abfertigungskapazität von jährlich bis zu 21 Mil- lichst früh in Betrieb zu nehmen. Nach dem Abschluss lionen Passagieren. Da der Rollverkehr im Süden des des Studienwettbewerbs wird man dazu mehr wissen. Flughafens durch das neue Terminal enorm zunehmen wird, ist an dieser Stelle ein neuer Vorfeld-Tower mit Ist ein Parallelbetrieb des alten und neuen Towers vor- einer Gesamthöhe von 70 Metern als Teil des Projekts gesehen? unumgänglich. Die geplante Fertigstellung des Termi- Bevor der neue Tower in Betrieb genommen werden nals im Jahr 2023 nannte der Flughafenbetreiber Fra- kann, wird er eine sehr intensive Testphase durchlau- port bereits im vergangenen Juni unrealistisch. Eine fen müssen. Danach kann der alte Tower abgelöst wer- Inbetriebnahme soll frühestens 2024 erfolgen. Dies den. Im operationellen Betrieb wird es nur einen Tower sei unter anderem auf den durch die Corona-Pandemie geben. bedingten massiven Stellenabbau, der rund 3000 bis 4000 Fraport-Mitarbeiter betreffen wird, zurückzufüh- Steht das Projekt mit den neuen Standplätzen im Wes- ren. ten des Flughafens in Verbindung zu den Baumassnah- Gespannt sieht man also nicht nur bei der Flughafen men für das neue Dock A – zum Beispiel um Kapazitäts- Zürich AG dem bevorstehenden Umbau entgegen. Aus engpässe aufzufangen? Pilotensicht steht man zumindest den kurzen Bau- Einige bestehende Standplätze werden während der zeiten eher skeptisch gegenüber. Es stellt sich auch Realisierung des Ersatzneubaus temporär wegfallen. Die die Frage, ob das Layout des Flughafens mit seinen hierfür notwendigen Ersatzstandplätze sollen jedoch Einschränkungen die zusätzlichen Passagiere pünkt- östlich der Piste 16/34 bereitgestellt werden.

Welcher finanzielle Rahmen wird für den Ersatzneu- Bettina Kunz ist seit April 2020 Senior Medien- bau Dock A festgelegt? sprecherin der Flughafen Zürich AG. Sie hat an der Die Kosten für den Ersatzneubau des Docks A werden ZHAW Journalismus und Organisationskommuni- zusammen mit dem Tower rund 400 Millionen Schwei- kation studiert und sich nach dem Master an der zer Franken betragen. Die Kosten für alle weiteren damit HSG St. Gallen in Kommunikation und Management verbundenen Anpassungen, Erweiterungen, Verbin- weitergebildet. Beruflich war sie rund fünf Jahre dungsbauten und Anlagen im Hoch- und Tiefbau wer- als Redaktorin bei der Tagesschau des SRF tätig. Vor den auf weitere zirka 600 Millionen Schweizer Franken ihrem beruflichen Wechsel an den Flughafen war sie geschätzt. Die Gesamtinvestition beträgt somit gegen stellvertretende Leiterin des Informationsdienstes eine Milliarde Schweizer Franken. beim Kanton Thurgau. Frau Kunz, herzlichen Dank für das Interview. l

Rundschau 3 | 2020 17 Zu wenig Arbeit für zu viele Mitarbeiter Die letzten Jahre waren in der Luftfahrtbranche von grossem Wachstum geprägt. Viele Flug- gesellschaften und Flugzeughersteller sprachen von einem anstehenden Pilotenmangel. Durch die Corona-Pandemie hat sich dies komplett geändert. Die Fluggesellschaften gehen mit der neuen Situation bisher sehr unterschiedlich um.

Text: Dominik Haug das Verhältnis zwischen Piloten und Management nicht mehr das beste. Die Kommunikation in der aktuellen Die Luftfahrt wuchs und wuchs. Selbst die Anschläge Krise ist jedoch gut. vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008 In Dänemark wird seit Juli wieder das volle Salär aus- konnten dieses Wachstum nur kurzzeitig und in gerin- bezahlt und auch wieder 100 Prozent gearbeitet. China gem Ausmass bremsen. Alle Fluggesellschaften gingen und Hongkong werden mit Cargoflügen ohne Layover von einem weiterhin steigenden Bedarf an Piloten aus. bedient. Dafür werden sieben Piloten – drei für den Hin- Manche Gesellschaften und Flugzeughersteller spra- flug und vier für den Rückflug – eingesetzt. chen sogar von einem bevorstehenden Pilotenmangel – In Schweden liegt die Arbeitsbelastung bei nur 40 insbesondere in den USA und in Ostasien. Auch die Prozent. Mit der Unterstützung durch die schwedische «Rundschau» berichtete in der Ausgabe 03/2018 über Regierung erhalten die Angestellten 90 Prozent des dieses Thema. Lohns ausbezahlt. In Norwegen sind die Langstrecken- Durch die Corona-Pandemie ist der Flugverkehr auf piloten noch zu Hause. Ihr Salär beschränkt sich auf die der ganzen Welt in noch nie da gewesenem Ausmass staatliche Unterstützung. Am Tiefpunkt der Produktion zusammengebrochen und teilweise gar zum Erliegen in Norwegen waren nur noch sieben B737 für Inland- gekommen. Kaum eine Fluggesellschaft mit interkonti- flüge in Betrieb. Mittlerweile werden wieder 15 dieser nentalem Flugverkehr kann diese Krise ohne staatliche Flugzeuge betrieben. Unterstützung oder Garantien überleben. Wirtschafts- Momentan gibt es noch keine konkreten Veränderun- wissenschaftler gehen bekanntermassen davon aus, gen in den Arbeitsbedingungen. SAS möchte die Kos- dass die Wirtschaftskrise, die auf die Pandemie folgen ten längerfristig um 25 Prozent senken. Der Ramp-up wird, bis mindestens 2023 deutliche Folgen hinterlässt. gestaltet sich langsamer als erwartet. Momentan wer- Selbst danach rechnet die Branche noch mit einer gerin- den mit drei A330 nur Newark, Chicago und San Fran- geren Nachfrage als im Jahr 2019. Nach manchen Ein- cisco angeflogen. Auf der Kurzstrecke werden rund 50 schätzungen wird das Vor-Corona-Niveau erst im Jahr Prozent der ursprünglich geplanten Flüge angeboten. 2026 erreicht werden. Aufgrund dieser Wirtschafts- Nach Angaben des Managements sind 650 Piloten krise und dem längerfristig stagnierenden Wachstum zu viel bei SAS angestellt. Durch Frühpensionierungen werden viele Fluggesellschaften nicht nur während der zum 1. Juli konnten 100 Stellen gesichert werden. Die Pandemie ein Personalproblem haben. Die Fluggesell- verbleibenden 550 überzähligen Piloten haben ihre schaften gehen damit sehr unterschiedlich um. Nur Kündigung erhalten und die dienstjüngsten Mitarbei- teilweise ist dies den politischen Rahmenbedingungen ter sind bereits seit dem 1. August nicht mehr bei SAS geschuldet. angestellt. Rund 75 Kurzstreckenkapitäne werden an Die Entwicklung in der aktuellen Krise ist sehr jeder der drei Basen wieder als First Officers ange- schnell und täglich kommen neue Meldungen hinzu. stellt werden. Die nachfolgende Auflistung entspricht daher dem Stand des Redaktionsschlusses am 17. Au- gust. Sie soll dabei nur einen Ausschnitt der momentanen Situation zeigen. Die Kurzarbeitsvereinbarung bei SWISS und Edelweiss ist den meisten Lesern bestens bekannt. Dieser Artikel konzentriert sich daher auf die Situation bei anderen Fluggesell- schaften.

SAS – Von den ungefähr 11 000 Mitarbeitern vor der COVID-19-Pandemie wurde die Mehrheit im Frühjahr bezahlt nach Hause geschickt. Durch die unterschiedlichen Stationierungen in Dänemark, Schweden und Norwegen gibt es kleine Unterschiede in den genauen Moda- litäten. In Dänemark beispielsweise wurde 85 Prozent des Salärs ohne Pensionszahlungen bezahlt. Im Gegensatz zu den Angestellten der klassischen SAS wurden die Mitarbeiter der neueren SAS Ireland (SAIL) ohne Bezahlung Bei sollten die Piloten Aufgaben der entlassenen Kabi- freigestellt. Seit dem Streik im Jahr 2019 ist nenbesatzungen übernehmen. (Bild Icelandair)

18 AEROPERS Durch den Betrieb der SAS Ireland (SAIL) ist das Ver- gungen massiv reduziert werden. Die neuen Arbeitsbe- hältnis zwischen Management und Piloten beschädigt. dingungen sind sehr komplex. Bisher akzeptiert wurde Die neuen Pläne des Managements, ein weiteres AOC eine langfristige Gehaltskürzung von acht Prozent. Über für Kurzstreckenflüge mit den Zeitraum von zwei 100 bis 150 Passagieren «Emirates will Kunden mit Jahren gibt es eine tem- zu gründen, sorgt für poräre Gehaltskürzung in weiteres Misstrauen. Die dem Versprechen, Behandlungs- gleicher Höhe. Diese tem- Gewerkschaften haben poräre Gehaltskürzung neue Teilzeitvereinbarun- oder Beerdigungskosten zu wird dann schrittweise gen vorgelegt, um einen verringert, da die Anzahl Grossteil der Kündigun- übernehmen, locken.» überzähliger Mitarbeiter gen zu verhindern. Diese sinken wird. Ausserdem wurden vom Management aber abgelehnt, da sie an wurden Teilzeitmöglichkeiten und freiwillige Kündigun- die Aufgabe der Pläne des neuen Kurzstrecken-AOCs gen angeboten. Bei den Kündigungen liegt die Entschädi- geknüpft waren. gung bei lediglich zehn Prozent über dem gesetzlichen Minimum. Momentan hat die Fluggesellschaft ungefähr Icelandair 300 Piloten, die zwar nicht entlassen sind, aber auch Mitte Juli wurde bekannt, dass Icelandair sämtliche keine Möglichkeit haben, ihre Arbeit auszuüben. Dies Kabinenmitarbeiter entlassen hat. Die Fluggesellschaft betrifft Kapitäne und First Officers. Diesen 300 Pilo- tat dies, da die Verhandlungen mit den Vertretern der ten – hauptsächlich auf der A320-, der A380- und der Kabinenmitarbeitern nicht erfolgreich verlaufen waren. B747-Flotte – wird ein reduzierter Lohn ausbezahlt. Die Vorübergehend sollten die Piloten die Tätigkeiten der Finanzierung dieser 300 Piloten erfolgt durch die tem- Kabinenbesatzung übernehmen. Ende Juli konnten sich poräre Gehaltsreduktion der übrigen Piloten. Eine Wie- die Parteien dennoch auf einen neuen Vertrag einigen. dereinstellung aus dieser Gruppe erfolgt nach Seniori- tät. Falls nach dem Ablauf von zwei Jahren noch nicht British Airways alle 300 Piloten wiedereingestellt sind, wird es einen Auch die grösste britische Fluggesellschaft musste den neuen Plan geben müssen. Piloten auf den effiziente- Grossteil der Flotte auf den Boden stellen: Alle A380, alle ren Flotten A350 und B787 sind vor Entlassung sicher. Boeing 747, alle Flugzeuge in London Gatwick und einen Ansonsten wird der mögliche Stellenabbau aufgrund Grossteil der A320 und Boeing 777 in London Heathrow. disziplinarischen oder leistungsabhängigen Gründen Mitte Juli wurde auch bekannt, dass British Airways ihre vorgenommen, danach nach der Senioritätsliste. Über Boeing 747-400-Flotte mit sofortiger Wirkung stilllegt. einen Zeitraum von drei Jahren haben die entlassenen Über den Fortbestand der A380 und der Kurzstrecken- Piloten das Anrecht vor neuen Piloten wiedereingestellt operation von London Gatwick aus gibt es bisher nur zu werden. Die gute Vertretung der British Airways-Pilo- Gerüchte. Die Kommunikation zwischen der Fluggesell- ten durch BALPA hilft in der aktuellen Krise nicht viel. schaft und ihren Arbeitnehmern war sehr mangelhaft. Der Gewerkschaft sind durch das wenig sozialpartner- Es wurde nur über die Arbeitnehmervertretung BALPA schaftliche Verhalten der Fluggesellschaft die Hände (British Airline Pilots Association) kommuniziert. Wei- gebunden. tere Informationen erhielten die Mitarbeiter über die In den letzten Monaten war die Stimmung bei British Medien. British Airways möchte ohne staatliche Unter- Airways erwartungsgemäss schlecht. Seit dem Piloten- stützung durch die Krise kommen. Damit dies gelingen streik letzten September waren die Gewerkschaft und kann, ist ein umfangreiches Sparpaket notwendig. Zu die Fluggesellschaft darum bemüht, das Verhältnis wie- Beginn der Krise wurde eine unbezahlte Freistellung der zu verbessern. Das ist durch die Corona-Pandemie von acht Wochen über einen Zeitraum von drei Monaten hinfällig geworden. Die lückenhafte und pessimistische vereinbart. Auch bei den Flight Time Limi- tations gibt es Ausnahmen. So wird mit sieben Piloten nach Peking, und an vergleichbare Destinationen geflogen. Diese Flüge finden auf freiwilliger Basis statt. Zur weiteren Kostensenkung wur- den bei der Regionaltochter Cityflyer erste Basen geschlossen. Den Piloten des Unter- nehmens wurde ein neuer Arbeitsvertrag mit schlechteren Konditionen vorgelegt. Die Fluggesellschaft hat mit der Kündi- gung sämtlicher Piloten gedroht, falls die neuen Anstellungsbedingungen abgelehnt würden. Ausserdem wurde in Aussicht gestellt, dass keine geringe Anzahl an Piloten ohne Chance auf Wiedereinstel- lung entlassen würden. Diese Drohungen veranlassten die Gewerkschaft dazu, auf die Forderung der Fluggesellschaft ein- zugehen und die neuen Bedingungen zu akzeptieren. Dadurch konnten die Kündi- British Airways legt alle ihre Boeing 747 still. (Bild Britsh Airways)

Rundschau 3 | 2020 19 Kommunikation hilft nicht, die Stimmung in der Beleg- air zu Easyjet. Der bekannte «Orange Spirit» scheint, schaft zu verbessern. nach internen Aussagen, auf Managementebene verlo- Um mehr Geldmittel zu generieren, plant die Flugge- ren zu sein. sellschaft Teile ihres Kunstinventars zu verkaufen. Die Zu Beginn der Pandemie beantragte auch Easyjet recht Airline soll schon Kontakt zum Auktionshaus Sotheby’s schnell Kurzarbeit für ihre Angestellten in Deutschland. aufgenommen haben. Die Sammlung umfasst über 1500 Die Fluggesellschaft hat die Kurzarbeitsentschädigung Kunstobjekte aus der Geschichte der Airline, wovon freiwillig um zehn Prozent aufgestockt und weitere rund zehn zum Verkauf stehen sollen – jedes mit einem zehn Prozent als vorübergehendes Darlehen ausgelegt. Wert von rund einer Million britischer Pfund. Anfang Juli wurde bekannt, dass in Berlin langfristig ungefähr die Hälfte der Flugzeuge wegfallen sollen. Die- Air France KLM ser Schritt ist nach Aussage des Managements nötig, Auch die grösste französische Fluggesellschaft erhält da die Nachfrage nach der Pandemie insbesondere für staatliche Unterstützung. Die Hilfe besteht aus einem Inlandflüge geringer sein wird und viele Strecken ab Ber- Bankkredit von vier Milliarden Euro und einem Kredit lin nicht mehr rentabel sein werden. Nach Aussage der von der Regierung über weitere drei Milliarden Euro. Als Gewerkschaft ver.di sollen 734 der 1540 Arbeitsplätze Bedingung für diesen Kredit muss die Fluggesellschaft am Standort Berlin gestrichen werden. bestimmte Rentabilitätsziele erfüllen und den CO2-Aus- stoss senken. Emirates Der niederländische Staat ist mit 14 Prozent an der Auch Emirates hat grosse Teile der Flotte auf den Fluggesellschaft KLM beteiligt. Die staatliche Unterstüt- Boden gestellt. Zeitweise waren alle 115 Airbus 380 zung in Form von Staats- und Bankkrediten beläuft sich und 130 von insgesamt rund 150 Boeing 777 gegroun- bei KLM auf 3,4 Milliarden Euro. det. Mittlerweile fliegen wieder rund 50 bis 60 B777 Air France ist durch den strikteren Lockdown in Frank- und weniger als zehn A380. Dubai und die Vereinigten reich stärker als KLM getroffen. Arabischen Emirate sind stark von Importen abhängig, Die Fluggesellschaft versucht hauptsächlich durch insbesondere bei Nahrungsmitteln und Medikamenten. Pensionierungen, einen Einstellungsstopp und freiwil- Daher sind die Frachtpreise enorm angestiegen. Auf- lige Kündigungen die Krise zu überstehen. grund der grossen Nachfrage wird Fracht in der Kabine transportiert und einige Sitzreihen wurden dafür aus- Easyjet gebaut. Die genauen Zahlen hierzu gibt Emirates nicht Im Frühjahr stand die komplette Flotte von Easyjet am bekannt. Boden. Im gesamten Konzern steht rund ein Drittel der Die Kommunikation zwischen der Firma und ihren Arbeitsplätze auf der Kippe. Easyjet hat als transnatio- Angestellten war nicht nur schlecht, sondern nicht nale Fluggesellschaft von Land zu Land unterschiedli- existent. Das Management verschickte während der che Arbeitsverträge abgeschlossen und unterliegt dem gesamten Krise lediglich im März eine E-Mail an die jeweiligen Arbeitsrecht. Es ist auch für die Arbeitneh- Belegschaft. Dadurch entstanden eine Menge Gerüchte mervertretung schwierig, sich über Landesgrenzen hin- und Halbwahrheiten. Viele Angestellte machen sich weg zu organisieren. Die Flotte soll um zehn Prozent derart grosse Sorgen um ihre berufliche Zukunft, dass verkleinert werden. Für das laufende Jahr rechnet Easy- einige von ihnen im Minutentakt ihr E-Mail-Postfach jet mit nur 30 Prozent der Flüge im Vergleich zum Vor- kontrollieren. jahr – frühestens im Jahr 2023 ist mit einem Bedarf wie Es soll bei Emirates bereits um die 1500 Kündigun- im Jahr 2019 zu rechnen. In einer internen Umfrage zur gen bei den Piloten gegeben haben. Von den 1830 A380- Arbeit des Managements drückten 99 Prozent der Mit- Piloten bei Jahresbeginn sollen heute noch rund 700 arbeiter ihr Misstrauen gegenüber dem neuen COO aus. angestellt sein. An einem einzigen Tag seien 800 Piloten Peter Bellew wechselte Ende 2019 von Konkurrent Ryan- entlassen worden. Offizielle Zahlen veröffentlichte die Fluggesellschaft jedoch nicht. Die Kün- digungen wurden per E-Mail mitgeteilt. Zwar konnte man bei Managementpilo- ten nachfragen, wieso gekündigt wurde, die Auswahl erscheint dennoch willkür- lich und unabhängig von der eigenen Leistung oder Seniorität. Gerüchten zu- folge spielten Krankheitstage und Kos- ten für die Familie, wie Schulzugang oder Gesundheitskosten, eine Rolle. Was jedoch sicher und klar kommuniziert wurde, ist, dass die Entscheidung end- gültig und Einspruch nicht möglich ist. Dieses Verhalten ist nur möglich, da in den Vereinigten Arabischen Emira- ten Gewerkschaften verboten sind. Die Angestellten sind der Willkür des Arbeit- gebers komplett ausgeliefert. In guten Zeiten mit vielen Vergütungen und Extra- An einem einzigen Tag sollen bei Emirates um die 800 Piloten entlassen leistungen, in schlechten Zeiten mit der worden sein und dies mittels E-Mail-Nachricht. (Bild Emirates) schnellen Kündigung.

20 AEROPERS Das Salär wurde für die Monate von April bis Septem- ber um die Hälfte gekürzt. Da auch Flugentschädigungen wegfallen, ist das ausbezahlte Salär eher bei lediglich 40 Prozent des vertraglich festgelegten Lohns anzusiedeln. Die gekündigten Mitarbeiter erhielten während der 90 Tage Kündigungsfrist das volle Salär. Die Flight Time Limitations sind in der aktuellen Krise voller Ausnahmen. Teilweise wurden Turnarounds auf der Langstrecke mit acht Piloten geflogen. Die Zukunftsaussichten bei Emirates sind sehr unsi- cher. Da auch hier keine Kommunikation seitens des Managements erfolgt, breiten sich ebenfalls Gerüchte aus. Die einzige sichere Aussage der Fluggesellschaft ist, dass in absehbarer Zukunft keine Wiedereinstellun- gen möglich sein werden. Auch Emirates rechnet mit 24 bis 36 Monaten, bis die Krise grösstenteils überwunden sein wird. Aufgrund des guten Produkts und der geo- grafischen Lage stehen die Chancen nicht schlecht, dass Emirates die Krise vergleichsweise gut überstehen kann. Die soziale Verantwortung des Arbeitgebers spielt beim Ticketkauf selten eine Rolle! Gemäss Medienberichten wirbt Emirates damit, die Kosten für die medizinische Behandlung oder die Beerdigung nach einer COVID19- Erkrankung zu übernehmen, falls die Infektion an Bord eines Emirates-Flugzeugs erfolgte.

Sunexpress Deutschland Sunexpress bestand seit 1989 als Joint Venture zwi- schen Lufthansa und . Die Fluggesell- schaft war auf Ferien- und ethnischen Verkehr spezia- lisiert. Seit 2011 bestand mit Sunexpress Deutschland die dortige Tochter. Die deutsche Sparte betrieb unter anderem sieben Airbus 330 im Wet Lease auf der Lang- British Airways versteigert Kunstgegenstände aus der strecke für sowie zwei Boeing 737, die direkt Unternehmensgeschichte. für die Lufthansa im Europaverkehr unterwegs waren. Der Betrieb der Sunexpress Deutschland wurde einge- angekündigte Standortschliessungen eventuell auf- stellt und den Mitarbeitern auf den 1. September gekün- heben. Die Verhandlungen mit dem Kabinenpersonal digt. Nach Auffassung der Vereinigung Cockpit trägt die laufen noch. Ryanair-Piloten an deutschen Flughäfen Lufthansa durch ihre Beteiligung an Sunexpress auch erhalten bis 2024 im Schnitt 20 Prozent weniger Gehalt, soziale Verantwortung für die Belegschaft. Dies vor behalten aber ihre Arbeitsplätze. Die Pilotengewerk- allem auch, da die Hälfte der Flotte für die Lufthansa- schaft Vereinigung Cockpit habe den Vorschlag am Ende Tochter Eurowings und zwei weitere Maschinen für die Juli akzeptiert, sagte Ryanair-Chef Michael O’Leary. Lufthansa direkt geflogen sind. Ryanair hatte zuvor mit der Schliessung der Basen Hahn, Berlin und Weeze gedroht – die Stellen von Rund Ryanair 170 Piloten der Tochterfirma Malta Air standen auf der Mitten in der Corona-Krise fällt Ryanair wieder in Kippe. Nach dem Einlenken der Piloten werde sich Ryan- altbekannte, mitarbeiterfeindliche Verhaltensmuster air mit der Standortfrage «noch einmal befassen», sagte zurück. In den vergangenen Jahren wurde in harten O’Leary in einem Interview. Tarifverhandlungen mit der in Deutschland als Piloten- Arbeitgeber fungierenden Tochtergesellschaft Malta Air Condor viel erreicht. Das alles soll jetzt zum Grossteil im Zei- Condor rechnet wegen der Folgen der Corona-Krise chen von Corona und im Schatten der Probleme anderer mit einem Stellenabbau. Einen zweiten Anlauf für den Airlines über Bord gekippt werden. Verkauf des staatlich geretteten Ferienfliegers erwartet Ryanair hat den Sitz der Tochter Lauda Europe von Airline-Chef Ralf Teckentrup nicht vor Ende 2021. Luft- Wien nach Malta verlegt. Alle Airbus-Flugzeuge der hansa fällt seiner Einschätzung nach als Investor für Flotte werden in Zukunft mit maltesischer Registrierung Condor aus. Condor geht kleiner aus der Luftfahrtkrise im Dienst stehen. Diese neue Fluggesellschaft wird ab hervor. «Ich denke, wir werden, wie die anderen Flug- dem Winterflugplan 2020 sämtliche Flüge durchführen linien auch, etwa 15 bis 25 Prozent der Stellen abbauen und die frühere Wiener Laudamotion wird zum Jahres- müssen», sagte Ralf Teckentrup in der «Frankfurter All- ende aufgelöst. Die Basen in Düsseldorf, Palma und gemeinen Sonntagszeitung». «Das wären bei uns zwi- Wien sind vom Umzug nicht betroffen. Sie werden auch schen 650 und 1000 Stellen.» in Zukunft bestehen bleiben – unter maltesischer Flagge. Grundsätzlich sei Condor im Schutzschirmverfahren, In Deutschland stationierte Ryanair-Piloten gaben das schon vor der Corona-Krise begonnen habe, erfolg- den Forderungen nach einem Gehaltsverzicht nach. Im reich restrukturiert worden. Das Verfahren wird dem Gegenzug will das Management um Michael O’Leary Chef der Fluggesellschaft zufolge noch bis voraussicht-

Rundschau 3 | 2020 21 sich beide auf London Heathrow beschränken wer- den, machen am Flughafen im Süden von London Platz frei. Die Fluggesellschaft bietet seit Juni von seinem neuen Hub in Abu Dhabi Flüge nach Ost- europa an. Wizzair hat ausserdem 20 A321XLR (Xtra Long Range) bestellt. Es wäre also nicht ver- wunderlich, wenn bald Langstreckenflüge angebo- ten würden. Die Expansionspläne betreffen auch den deutschsprachigen Raum. In Dortmund hat Wizzair mitten in der Corona-Pandemie eine neue Basis eröffnet und drei A320 stationiert. Es werden hauptsächlich Urlaubsziele im Mittelmeerraum angeflogen. Wizzair forderte vom Flughafen Dort- mund eine Verlängerung der Landebahn, um auch mit A321neo von Dortmund aus zu operieren. Der Flughafen hat den Umbau gerade beantragt. Wie sind solche hochtrabenden Pläne mit einer Krise vereinbar? Man spart einfach anderenorts, Wizzair-Chef Józséf Váradi spart auf Kosten seiner Mitarbeiter. namentlich bei den Mitarbeitern. Bereits bis Juni (Bild Wizzair) hat man sich von 1000 Mitarbeitern getrennt. Sie können sich nach Váradi Hoffnungen auf eine Wie- lich Ende September laufen. «So können wir Verträge dereinstellung machen. Generell hat man gegenüber schneller kündigen, wie etwa für unsere Unternehmens- den eigenen Mitarbeitern bei Wizzair eine interessante zentrale.» Nach dem Rückzieher des polnischen Inves- Einstellung. So sagte der CEO gegenüber «aerotele- tors PGL/LOT bleibt Condor zunächst auf sich gestellt. graph.com»: «Gewerkschaften zerstören das Geschäft. «In der aktuellen Krise denkt niemand an Übernahmen», Das ist auch eines der Probleme bei Lufthansa. Wenn sagte Teckentrup. «Ich denke daher, dass wir frühestens die Gewerkschaften versuchen, uns zu erwischen, dann Ende nächsten Jahres einen neuen Verkaufsprozess schliessen wir einfach die Basis und ziehen weiter. Das starten werden und frühestens 2022 einen Käufer prä- ist das Schöne bei einer Airline, die so flexibel ist wie sentieren können.» unsere: Wir können einfach unsere Flugzeuge zu einem anderen Flughafen verlegen.» Wizzair Der ungarische Low-Cost-Carrier zeigt sich trotz Pan- Gemeinsam durch den Sturm demie optimistisch und ehrgeizig. Nach eigenen Anga- In der aktuellen, weltweiten Krise wird deutlich, dass ben fliegt Wizzair rund zehn Prozent der Flüge, die mit eine funktionierende Arbeitnehmervertretung für die rund 75 Prozent gut ausgelastet sind. Im Gegensatz Angestellten existenziell wichtig ist. In Ländern und zu den eigenen Angaben gibt es Berichte, dass Wizz- bei Fluggesellschaften, die keine Arbeitnehmervertre- air auch fast leere Flüge durchführt. Hauptsächlich tung haben, sind die Mitarbeiter vor willkürlichen Kün- auch deswegen, um für gebuchte, aber nicht genutzte digungen oder direkt beschlossenen Verschlechterun- Tickets keine Erstattung leisten zu müssen. Viele gen der Arbeitsbedingungen nicht geschützt. Bei uns gebuchte Wizzair-Passagiere konnten dem Vernehmen in der Schweiz hat Helvetic Airways noch vor Beantra- nach ihre Flüge nicht antreten, weil die national weiter gung der Kurzarbeit einige Piloten entlassen. Es zeigt geltenden Lockdown-Regeln dies unmöglich machten. sich aber auch, dass einzig das Vorhandensein einer Der Chef der Fluggesellschaft Józséf Váradi kritisiert Arbeitnehmervertretung nicht ausreichend ist. Ent- die Reisebeschränkungen massiv. Er fordert ein Auf- scheidend ist, ob das Verhältnis zwischen Arbeitneh- heben der Beschränkungen, um die Freiheit seiner mervertretung und Arbeitgeber sozialpartnerschaft- Kunden zu schützen. Anfang August erhielt ein Flug- lich ist. Nur gemeinsam lassen sich Wege finden, die zeug von Wizzair in Athen keine Landeerlaubnis. Die Krise bestmöglich zu bewältigen. Auch am Ende der Fluggesellschaft hatte die Einreisebestimmungen nicht Krise müssen noch genügend motivierte und qualifi- befolgt und ihre Passagiere nicht wie gefordert vorab zierte Mitarbeiter an Bord sein. Gleichzeitig muss die kontrolliert. Trotz Ermahnung durch die griechischen Fluggesellschaft aber noch existieren und idealerweise Behörden, wurde dies nicht nachgeholt. Griechenland wettbewerbsfähig sein. zeigte sich mit Entzug der Landeerlaubnis konsequent Es ist aber genauso wichtig, dass die Mitglieder ihren in der Umsetzung der Vorschriften. Es stellt sich also gewählten Arbeitnehmervertretern vertrauen und sie die Frage, ob Wizzair tatsächlich so sehr um ihre Passa- unterstützen. Für aussenstehende Verbandsmitglieder giere und nicht viel mehr um das eigene Portemonnaie sind die ganzen Hintergründe und Pläne nicht immer bemüht ist. klar ersichtlich. Hier ist es dann wichtig, den Entschei- Im Jahr 2019 hat Wizzair 345 Millionen Euro Gewinn dungsträgern des Verbandes zu vertrauen. gemacht. Trotz der Corona-Krise hält Wizzair an ihren Die Kostenstruktur der Verträge bei der SWISS und Wachstumsplänen fest und will 2020 neun neue Flug- der Edelweiss waren bereits vor der Krise günstig auf- zeuge in Betrieb nehmen und so die Kapazität um neun gestellt. Das ist eine gute Voraussetzung, erfolgreich Prozent erhöhen. Gleich achte neue Strecken wurden durch diese Krise zu kommen. Bei möglichen Spar- und kürzlich in Betrieb genommen. Die Basis in London Restrukturierungsmassnahmen ist es auch wichtig, das Gatwick soll ebenfalls ausgebaut werden. Der dortige langfristige Wohl der Mitarbeiter im Blick zu haben – so Wegfall von und British Airways, die wie es die AEROPERS in ihrer Strategie vorsieht! l

22 AEROPERS On The Air… Text: Zbigniew Bankowski ing as stand-in freighters, in addition to its B777Fs. Virgin Atlantic has increased its cargo-only flights by Local News … more than one-third to nearly 600 during June. The Ju-Air kann ihre Rundflüge mit den Ju-52 nicht wie troubled UK airline has been introducing daily services geplant ab dem Frühjahr 2021, sondern frühestens to Brussels and Beijing, both from London Heathrow, 2022 wieder aufnehmen. Der Grund dafür ist, dass die as well as flights to Atlanta, Chicago and Mumbai. Finn- Totalüberholung der drei historischen Flugzeuge der- air was one of the first European airlines to add to its zeit ruht, die nach dem tödlichen Unglück der HB-HOT cargo capacity by removing economy-class seats from vom August 2018 vom BAZL angeordnet worden war. the cabin of two of its A330, doubling available space. Laut dem BAZL ist das mit den Wartungs- und Unter- Icelandair as well has removed seats from aircraft haltungsarbeiten beauftragte Junkers Flugzeugwerk to turn them into instant freighters, this time with daran, eine europäische Lizenz als Unterhaltsbetrieb 3 Boeing B767-300s. British Airways is one of the zu erwerben. Der für die Wiederaufnahme des Flug- latest airlines to dispense with seating to increase betriebs notwendige Schlussbericht des Unglücks ist capacity, using two B777-200s. The carrier began oper- ebenfalls in Verzug geraten. Zudem hat die Überset- ating cargo-only flights on passenger aircraft, initially zung des Berichtsentwurfs ins Englische mehr Zeit in with cargo on seats. Combi aircraft have been largely Anspruch genommen als geplant. out of fashion for decades. But since the outbreak of Das Geschäftsjahr 2019 war für Pilatus wieder sehr the coronavirus crisis, three of the B747-400M com- erfolgreich. Mit über 1,1 Milliarden Schweizer Franken bis of KLM, one of the few surviving fleets, have been Umsatz wurde die Milliardengrenze erneut übertrof- granted a reprieve to operate cargo-only flights. fen. Pilatus hat mit 134 Flugzeugen das umfassend- ste Produktionsprogramm überhaupt gemeistert. Crash News … 83 PC-12NG, 40 PC-24 und 11 PC-21 wurden abgeliefert. Preliminary findings from the fatal Pakistan Inter- Pilatus hat mit der brandneuen PC-24 den Markteintritt national Airlines Airbus A320 crash in Karachi have geschafft und ist aus der Aufbauphase herausgeflogen. yet to emerge, but there is increasing evidence that Bis zum aktuellen Tag wurden 75 PC-24 ausgeliefert, its both engines suffered damage from runway cont- die mittlerweile auf allen Kontinenten im Einsatz sind. act, before losing thrust during a go-around attempt. Um den Super Versatile Jet für den Betrieb auf Natur- Investigators have revealed that the crew did lower pisten und unter weiteren Bedingungen zu zertifizie- the landing gear during their first approach, but ren, wurde 2019 zudem eine umfangreiche Nachzer- raised the gear lever again during the descent, about tifizierungs-Testkampagne durchgeführt. Sämtliche 5 NM from touchdown. The crew reported descending PC-24 können ab sofort auch auf nassen und schnee- through 3,500 feet and being established on the instrum- bedeckten Natur- und Graspisten operieren. Im Herbst ent landing system, just 2 min 30 sec before the go- 2019 hat Pilatus die PC-12NGX lanciert. Die Weiterent- around, pointing to the A320 being considerably high wicklung des weltweit erfolgreichsten einmotorigen on the glideslope, while just 5 NM from the runway. Turboprops seiner Klasse verfügt im Vergleich zu sei- The A320 touched down on Karachi’s runway 25L with nem Vorgänger über ein verbessertes Triebwerk, eine its undercarriage retracted. Reverse-thrust and bra- smartere Avionik und eine komplett neu gestaltete king was initially applied, as the powerplants scraped Kabine mit grösseren Fenstern. along the runway, before the crew executed a go- around. While the aircraft climbed away, the engines failed one by one, the ram-air turbine deployed but the aircraft was unable to maintain height and the crew declared emergency. While the inquiry has yet to detail the circumstances of the accident, the absence of any recommendations from Airbus indicates that there was nothing technically wrong about the aircraft. Pakistan’s aviation minister told parliament the pilots had been discussing the coronavirus as they attempt- ed to land. The minister also pointed to a troubling review of pilot credentials that is bound to reverberate through the country’s airline industry. He said a probe last year found that 262 of Pakistan’s 860 active pilots Die PC-24 operiert in Australien schon auf unbefestig- had fake licenses or had cheated on exams, including ten Pisten. an unspecified number of PIA pilots. Investigators have found that a (Italy) Boe- World News … ing B737-800 continued to descend, unnoticed by With most passenger flights grounded, urgent cargo the crew, during an aborted landing at Bristol, after demand is keeping many airlines solvent. Emirates a rushed approach meant the go-around altitude was admitted that the critical need for cargo capacity was not correctly set. It dipped below 460 feet as it tra- helping prevent a financial disaster for the Dubai-based velled over the runway, with its landing-gear retract- airline after it halted all but a handful of its passenger ed, before the pilot realises the situation and climbed flights. 85 of Emirates’ Boeing B777-300ER are operat- away. The aircraft had been vectored to a shortened

Rundschau 3 | 2020 23 arrival route by approach controllers. As a result, the dem Vertrag über den Kauf der Condor aussteigt. aircraft’s descent was rushed and became unstable. It EasyJet verschob die Lieferungen von 24 A320 auf sank some 250 feet below the designated flightpath unbestimmte Zeit. Ausserdem sollen bis zu 24 auslau- on short final, travelling with excessive airspeed, and fende Leasingverträge nicht verlängert werden. the tower controller instructed the crew to perform a (Portugal) hat ihren A380 wieder in Betrieb go-around. Take-off thrust was engaged and the air- genommen und fliegt ebenfalls Fracht damit. Es ging craft began to climb. But the altitude setting remained zum Beispiel nonstop in 16 Stunden 10 Minuten von at 1,000 feet because the crew has omitted to select Tianjin nach Santo Domingo. the go-around altitude of 3,000 feet. The pilot manu- Die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) meldete ally followed the flight director, which attempted to Insolvenz an, da Eurowings und die Lufthansa die guide the aircraft to level off at 1,000 feet. The crew Auftragsfliegerei mit den Dash-8-Q400 infolge der then set the correct go-around altitude of 3,000 feet, Corona-Krise gekündigt hatten. Alle verbliebenen 15 causing the aircraft to switch to vertical speed mode Dash-8-Q400 sind in Bratislava abgestellt. Alleine in which was, at that time, a descent rate of 300 ft/min. Europa ist die Zahl der stillgelegten Q400 nahe an 100 The jet started to lose height as the pilot continued to Stück (, LGW, Austrian, Air Baltic). follow the flight director. The gear-horn warning was Momentan hat Norwegian sieben Flugzeuge inner- still active, owing to the low thrust and flap settings, halb Norwegens im Einsatz, wofür es Rettungsgelder followed by a «too low, gear» warning from the ground der norwegischen Regierung gab. Die vor der Corona- proximity warning system. The jet was descending for Krise aus 168 Flugzeugen bestehende Flotte soll bis 32 seconds, reaching a minimum height of 457 feet 2022 auf 110 reduziert werden. Mehr als 7000 Mit- above ground after passing almost the entire length arbeiter wurden entlassen. of the runway. Virgin Atlantic Airways will sämtliche sieben B747- 400 nicht mehr aktivieren und sich ausserdem kom- Short News … plett aus London-Gatwick zurückziehen. Ein Drittel Die Leasinggesellschaft Avolon stornierte gleich 75 der Mitarbeiter, mehr als 3000 Personen, wird entlas- Boeing B737MAX und verschiebt die Lieferungen wei- sen. terer 16 B737MAX auf den Zeitraum nach 2024. JetBlue hat 146 Flugzeuge in der Sonora-Wüste abge- GECAS zog nach und stornierte 69 B737MAX, damit stellt (65 A320, 41 A321 und 40 Embraer E190). bleiben noch 82 offene Bestellungen. Die chinesische CDB Leasing stornierte 29 von 99 B737MAX und verschiebt die Lieferungen. GOL (Brasil) stornierte 34 B737MAX. Ein ungenannter Kunde stornierte seine Bestellung über 35 B737MAX. Vermutlich handelt es sich um die russische Avia Capital Leasing, die ihre 50 B737 meist an vermietet hat. Die Leasinggesellschaft Alafco aus Kuwait verklagte Boeing auf Rückgabe der Anzahlungen für eine Bestel- lung von 40 B737MAX, die angeblich im März storniert wurden. Im April stornierte die chinesische ICBC Leasing (Industrial and Commercial Bank of China) zehn von 40 bestellten B737MAX, die unter «ungenannter Kunde» im Auftragsbuch geführt waren. Air Baltic liess verlauten, dass man die letzten Boe- ing B737 nach der Krise nicht wieder aktivieren werde, JetBlue hat mehrere Flugzeuge in Marana (Arizona) und nur noch mit Airbus A220 operieren will. Die abgestellt. Dash-8-Q400 werden auch alle abgestellt. meldet eine Halbierung der B767- und Air Canada Rouge kündigten die 300-Flotte und plant eine Ausmusterung der sieben vorzeitige Ausmusterung von 79 Flugzeugen an, von A319. denen ein Grossteil überhaupt nicht mehr in den Braathens Regional Airlines (Schweden) beantragte Einsatz gehen wird. Es geht um 30 B767-300ER, um Anfang April Insolvenz und entliess mehrere Hundert die letzten 14 Embraer E190 sowie um sämtliche 35 Mitarbeiter. Airbus A319. Dies alles zusätzlich zur schon vorher British Airways hat mindestens vier B747-400 vor- geplanten Ausmusterung von 25 alten A320. zeitig ausgemustert und nach St. Athan sowie Kemble hat ihre letzten 17 B767-300ER zum Ausschlachten überführt. Weitere B747 parken in sowie 20 Embraer E190 vorzeitig und endgültig ausser Teruel (Spanien). Alle A380 sind aktuell in Château- Dienst gestellt. Sämtliche der 34 B757 stehen ebenfalls roux (Frankreich) abgestellt. am Boden, ebenso die neun A330-300 aus früheren US will ihre Flotte von 54 Flugzeugen Airways-Beständen und 19 Canadair CRJ200 von Ame- auf 38 reduzieren. Etwa 25 Prozent der Mitarbeiter sol- rican Eagle. Man spricht auch von der Ausmusterung len gehen und es werden mehr als 20 Zielorte aus dem von 76 älteren B737-800. Streckennetz gestrichen. hat auch die letzten 30 McDon- Am Ostermontag gab die Polish Aviation Group nell Douglas MD-88 ausgemustert. Alle MD-90 sowie (Muttergesellschaft der LOT) bekannt, dass sie aus diverse ältere B757 und B767 stehen auch am Boden.

24 AEROPERS Mitten in der Corona-Krise hat ihre neue Low-cost-Tochter-Airline präsentiert: OTT Airlines. Sie soll sich künftig mit einer rein chinesi- schen Flugzeugflotte um den Inlandverkehr in Chinas Küstenregionen kümmern. Die Abkürzung OTT steht für «One, Two, Three», nach den Daoismus-Prinzipien des einheimischen Philosophen Laozi. 20 C919 und 35 ARJ-21-700 sind bestellt. l

Delta-Flugzeuge stehen am Boden in Victorville (Kali- fornien).

Die Muttergesellschaft Avianca Holdings, die erstaunlicherweise in den USA ansässig ist, beantragte Gläubigerschutz nach Chapter 11. Die Tochter Avianca Peru soll komplett aufgelöst werden. Für die anderen beiden Avianca-Ableger in Kolumbien und Mittelame- rika hofft man auf eine Reorganisation. Ein OTT Airlines COMAC ARJ-21 frisch aus dem Werk.

Gelesen

Text: Henry Lüscher

Diamanten im – oder doch nicht? kommt ums Leben. Genug, um Studer auf Trab zu Ralf Weber hat in seinem halten. dritten Roman sein Hobby, die Weber schreibt in zwei zeitlichen Ebenen und ver- Fliegerei, zum zentralen Thema mittelt so der Leserin und dem Leser Informationen, gemacht. Deshalb kann ich was es mit der geheimnisvollen Fracht auf sich hat: diesen Krimi auch den Aviati- Es handelt sich um zwölf Diamanten von unschätz- kern empfehlen: Bis auf wenige barem Wert, die 1915 in Namibia entdeckt worden Details stimmen Szenen und sind und bisher jedem Besitzer den Tod gebracht Technik in und um die Chal- haben. Trotz dieses Fluchs ersteht der Besitzer der lenger 604, die in den Urner- Fluggesellschaft diese Preziosen und beauftragt die see abstürzt. Die Armeespitze Besatzung und zwei Passagiere, diese von Namibia macht sich Sorgen um die nach Basel zu bringen. Beim Fuelstop in Dakar ver- Munition, die bis in die Sechzi- suchen die Pilotin, ein Passagier und sogar der Hand- ger Jahre im Urnersee versenkt ling Agent, sich der Diamanten anzunehmen. Daher worden ist, denn das Flugzeug hat sie womöglich ist nicht klar, ob in der Challenger im Urnersee wirk- beschädigt, was ein Freisetzen von Giftstoffen nach lich die Originale, ausgetauschte Duplikate oder gar sich ziehen würde. Der Ermittler der SUST will so keine Diamanten sind. schnell wie möglich die Flugschreiber bergen, und Wie in «Gone Girl» von Gilian Flynn oder «Die die Geschäftsführerin der kleinen Fluggesellschaft Wahrheit über den Fall Harry Quebert» von Joël plant, die wertvolle Fracht an Bord mit einem Mini- Dicker präsentiert Weber laufend neue, durchaus U-Boot zu bergen. plausible Szenarien, wer mit wem kooperiert, wer Die Pilotin taucht plötzlich aus den Fluten auf. Tot. sich die Steine angeeignet hat oder wer sie gegen Als an ihrem Kopf eine Schusswunde entdeckt wird, Kopien ausgetauscht hat. Bis zur letzten Seite hat kommt Frank Studer von der Luzerner Mordkom- man keine Gewissheit – und auch beim letzten fina- mission zum Zug. Er setzt sich «Tatort»-mässig in len Cliffhanger kommt unweigerlich die Frage: Ja, Szene und trotzt energisch dem Dauerregen, der alle wer hat sie denn nun? Spuren zu verwischen droht und die Stimmung auf einen Tiefpunkt sinken lässt. Die Armeespitze rie- Ralf Weber: Tränen im Vierwaldstättersee. gelt die Unfallstelle sofort hermetisch ab, der SUST- Gmeiner Verlag, Messkirch 2020 Experte verschwindet, und eine Umweltschützerin ISBN 978-3-8392-2599-8

Rundschau 3 | 2020 25 Ein Leben in den Diensten der Luftfahrt schlägen zusammensetzt. Die Umschulungen, das Béatrice Thal? Der Name scheint Upgrading, die krönende Ausbildung zum Fluglehrer bekannt, und ja, es handelt sich und die Mitarbeit im Projektteam A320 nehmen ihn voll um die Frau von Alex Thal, den in Anspruch, und Marlis klagt leise, dass sie während aufgestellten ehemaligen Swiss- dieser Zeit zu kurz gekommen sei, aber auch das gehöre air-Captain, Fluglehrer und Simu- zur Luftfahrt. Wieder ist eine Stunde in der Abflughalle latorinstruktor bei SAT und LAT. vergangen, und noch immer sitzt Gregor in Oslo fest: Béatrice (im Roman heisst sie Diesmal fällt gefrierender Regen, und die Abflugzeit ist Marlis) war während acht Jahren auf unbestimmte Zeit verschoben. Warten. als Flying Nurse unterwegs und Das prägendste Ereignis für Gregor ist auch heute lernte Alex (Gregor) in der Flugha- noch sein München-Flug mit Rauchentwicklung im Cock- fenkantine kennen. Er war damals pit der MD-80, der in komprimierter Form auch im Buch junger Flugschüler in einer priva- «Geschichten, die das Fliegen schrieb» (siehe «Rund- ten Flugschule. schau»-Ausgabe 4/2019) erschienen ist. Die detailge- Hier setzt der Roman ein, als gedankliche Rückblen- naue Schilderung lässt uns streckenweise das aviatische den von Marlis, während sie in der Ankunftshalle auf Blut in den Adern gefrieren, und man fiebert mit der Gregor wartet, der in Oslo mit den Tücken das Winter- Besatzung mit, ob und wie sie diese Emergency bewälti- wetters kämpft. Das Warten zieht sich durch das Leben gen. Es geht um Sekunden. von Fliegenden und ihren Angehörigen, und es ist für Gegen Ende des Jahrhunderts häufen sich negative uns interessant zu lesen, wie es die Ehefrau eines Piloten Ereignisse: Beim Absturz der MD-11 in Halifax verliert erlebt. Sie kennt die Fliegerei, hat viel Verständnis, aber Gregor seinen besten Freund; die finanziellen Turbulen- ab und zu war sie doch überfordert, zum Beispiel bei zen der Fluggesellschaft wecken Existenzängste; «9-11» der Geburt der Kinder, als Gregor auf einer Rotation war. ist ein Schock, und das Grounding bedeutet für Gregor Marlis denkt auch an ihre Einsätze als Kinderbegleite- die Frühpensionierung. Marlis sieht nur noch schwarz, rin, die ihren Anfang häufig in Afrika oder Indien nah- aber Gregor mit seinem immerwährenden Optimismus men und einen nachhaltigen Eindruck hinterliessen, blickt vorwärts und überzeugt Marlis: Es kommt gut, es vor allem, wenn es sich um Adoptivkinder handelte. kommt wieder etwas Neues! Viele Kinder wuchsen ihr ans Herz, und man spürt das Eine Konstante im Leben von Marlis ist das Fabelwe- beim Lesen. Vor allem ihr letzter Einsatz war ergrei- sen «Hoi», das dem Roman den Namen gegeben hat. Der fend, denn die ursprünglich angesagten zwei Kleinkin- prachtvolle Vogel erscheint ihr, wenn sie es nötig hat. der entpuppten sich in Wahrheit als vier Baby-Waisen, Er sagt nie etwas, aber gibt ihr neue Kraft, die Situation die in einem mitleiderweckenden Zustand aufs Flug- durchzustehen. Und weil nur sie den Vogel gesehen hat, zeug gebracht worden waren. Marlis organisierte gegen war es naheliegend, dass sie ihn auch gleich selber für den Widerstand der Bodenorganisation das notwen- das Titelbild des Buches gemalt hat. dige Material wie Windeln, Medikamente, Nahrung und Wer das Buch online bestellen will, kann das einfach Schoppen. Während des Flugs hatte sie alle Hände voll per E-Mail direkt beim Verlag tun, unter: zu tun und war bei der Landung in Zürich todmüde. [email protected]. Aber ihr Auftrag lautete, die Babys bis nach Amster- dam zu begleiten. Béatrice Thal: Hoitage. Marlis lässt auch Gregor zu Wort kommen, dessen Hofer Media GmbH & CoKG, Retz 2020 Karriere sich aus vielen Hochs, aber auch einigen Tief- ISBN 978-3-902111-68-5

Pilots & Controllers «GET TOGETHER»

Nächste Treffs 29. September 2020 l 27. Oktober 2020 l 24. November 2020 (Vorbehältlich der aktuellen Situation. Der Entscheid wird jeweils kurzfristig gefällt und kommuniziert.)

Wir treffen uns jeweils ab 17 Uhr in der Angels’ Wine Tower Bar im Radisson Blu am Flughafen Zürich.

[email protected]

26 AEROPERS Gelesen

Text: Viktor Sturzenegger

Deutschlands Hypothek Peter Prange: Eine Familie in Deutschland. Zeit zu Familie Ising in Fallers- hoffen, Zeit zu leben. leben bildet das Rückgrat der S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2018 Geschichte, die uns die Ent- ISBN 978-3-596-29988-1 wicklung der Deutschen im Nationalsozialismus schildert, Peter Prange: Eine Familie in Deutschland. Am von der Wahl Hitlers zum Ende die Hoffnung. Kanzler bis zum Ende des S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2019 Zweiten Weltkriegs. ISBN 978-3-596-03605-9 Natürlich ist es eng gespon- nen, das Netz der Familie des Zuckerfabrikanten aus dem Heimaten Wolfsburger Land, muss doch Dass Saša Stanišic seine Magis- jedes Mitglied für einen Teil terarbeit über Wolf Haas ver- des ganzen Volks, das sich fasste, wusste ich nicht, als ich so in der Rassenfrage verhed- seinen neuesten Roman «Her- derte, stehen: vom blinden kunft» gelesen habe. Doch hat Gefolgsmann über das intellek- sich mir beim Lesen so ein «Haas- tuelle Chamäleon; vom genia- Gefühl» eingestellt, so direkt, so len Juden bis zur sich selbst assoziativ – frage nicht. und ihr Volk verleugnenden Und vielleicht ist es diese blonden Verräterin; von den Unmittelbarkeit, die das präzise beiden Schwestern, die, jede Erinnern an die Unschärfe der auf ihre Weise, die Liebe im für Vergangenheit erst glaubwürdig das arische Volk Undenkbaren macht. finden; vom zum Ortsgruppen- Die Brücke über die Drina ist durch Ivo Andric mit leiter gewählten Fabrikdirektor literarischer Verewigung bedacht worden. Višegrad bis zu seiner ihre musische Seite verdrängenden ist die Stadt auf der bosnischen Seite der Brücke über Frau, die sich beide mit der Frage des «unwerten den Fluss und der geografische Herkunftsort Stanišic Lebens» im Dritten Reich durch ihren jüngsten an Zufall? Das Meisterwerk des Architekten Sinan spielt Trisomie 21 erkrankten Sohn konfrontiert sehen. allerdings in diesem Roman keine bedeutende Rolle, Alle Protagonisten tragen ihren Teil zur Entwick- so dient sie afghanischen Flüchtlingen zwischenzeit- lung der deutschen Gesellschaft in den Dreissiger- lich als Unterschlupf und wird nur nebenbei erwähnt. und Vierzigerjahren bei. Wichtiger sind Stanišic Land und Leute und seine Ver- Die Corona-Pause ermöglichte mir die Lektüre wandten, namentlich seine Grossmutter Kristina, die dieses über 1400 Seiten reichenden Epos. Man Mutter seines Vaters, deren schwindende Erinnerung bleibt dran beim Lesen, nicht nur weil mit den Kapi- den Lauf der Geschichte vom Beginn bis zum Ende teln in Kürze die Schauplätze wechseln – eigentlich begleitet. eine etwas mühsame Methode, die sich jeweils der Saša wird von seinen gebildeten Eltern, die sich in von mir ungeliebten «Cliffhanger» bedient, hier Deutschland nach der Flucht aus dem jugoslawischen aber für fortwährende Spannung an der Entwick- Krieg 1992 mangels Deutschkenntnissen mit unquali- lung des Romans sorgt. Sondern auch die Tatsache, fizierten Arbeiten über Wasser halten mussten, trotz dass man den handelnden Akteuren die Kenntnis knapper Mittel in die fortschrittliche «Internationale der historischen Entwicklung voraus hat, sorgt für Gesamtschule Heidelberg» geschickt, wo er in deren einiges «Mitfiebern». weltoffener Atmosphäre und durch aufgeschlossene Sehr glaubwürdig sind die Charaktere gezeichnet, Lehrende gefördert werden konnte. alle nicht frei von Wunschdenken und Verdrängung, Im Wohnviertel Emmertsgrund leben besonders viele Ehrgeiz und Anpassung. Ich kann mir beim Lesen Migranten. «Migranten wohnen meistens irgendwo im durchaus ähnliches Verhalten von an sich friedfer- Besondersviel», heisst es im Buch. Die ARAL-Tankstelle tigen Menschen auch in heutiger Zeit vorstellen – ist der Treffpunkt der Quartier-Jugend, ein Völkerge- und bekomme dabei ein beklemmendes Gefühl. misch, das Stanišic wie folgt beschreibt: «An Sonnta- Gerade jetzt, wo die ganze Welt sich durch autori- gen war es besonders schön. Mittags gesellten sich die täres Verhalten eines die freie Meinungsäusserung Polen nach der Kirche dazu und soffen sich langsam unterdrückenden Staates aus der Bahn geworfen in den Nachmittag hinein. Grosszügige, blonde Männer, sieht, erkenne ich Parallelen, fürchte ich, dass wir noch leicht benommen vom Blut Christi, mit schmalen immer wieder zu wenig aus der Geschichte lernen. Schnurrbärten und diesen immer eine Spur zu grossen Der Zweiteiler ist eine Zeitreise durch eine all- Sakkos. Gespräche über Ausbildung, Felgen, Bundes- gegenwärtige Vergangenheit und trotz seiner Länge liga, Bundeswehr, Leberwerte und immer irgendwann: durchaus lesbar. Fortpflanzung.»

Rundschau 3 | 2020 27 Der Autor erinnert sich an seine Anfänge in der deut- Zu Beginn fährt Benjamin, der seit 30 Jahren von schen Sprache und wir uns mit ihm. Dieses Interesse an Selbstzweifeln geplagt an seinem ersten, ausufern- der Sprache ist es auch, das ihm den Steigbügel in die den Roman schreibt, mit seinem Vater Colin, einem deutsche Gesellschaft hält. Es lässt ihn immer wieder pensionierten Fabrikarbeiter einer inzwischen einem forschen und fragen. Er lässt nicht locker, seine Erin- Einkaufszentrum gewichenen Automobilfabrik, nach nerung an das Leben in Jugoslawien mit den Erinne- der Beisetzung seiner Mutter in seine Mühle am Ufer rungen seiner noch in Bosnien lebenden Verwandten des Severn. Dort erwarten ihn seine Schwester Lois abzugleichen, aufzufrischen, auch als er mit den Eltern und sein Freund Doug schon ungeduldig. Die Ein- zusammen die immer schwächer werdende Grossmut- gangsszenen bieten die Möglichkeit, die Protagonis- ter besucht. Und dabei wird Erinnerung zu einem Frag- ten kennenzulernen. Alle haben ihre Probleme mit ment der Vorstellung eines mit der Zeit schwindenden Beziehungen und in ihren Beschäftigungen. Doug ist Geistes. Labour-lastiger Journalist und hat als Informanten Interessant ist auch der Schlussteil des Buchs, der Nigel, den stellvertretenden Kommunikationschef in einer interaktiven Weise das Ende der Geschichte der Tories, die noch unter der Führung von David um die Grossmutter bildet. Ähnlich einem Computer- Cameron die Abstimmung über einen im Volk «Bre- spiel, worin man eine Figur in einer an sich vorgegebe- xit» genannten Austritt Grossbritanniens aus der nen Handlung spielt und, je nach Antwort auf Fragen Europäischen Union vorbereiten. Lois arbeitet in der digitalen Gegenüber, sich die Geschichte so oder York und sieht ihren Mann Chris, der in Birmingham anders entwickelt, finden die Lesenden auf diese Weise lebt, nur an Wochenenden. Deren Tochter Sophie, die ihren ganz persönlichen Schluss. nach der Annahme ihrer Doktorarbeit eine Stelle an der Uni in Birmingham bekommen hat, kann ihren Saša Stanišic: Heimat. geschätzten Onkel Benjamin nun häufiger sehen und Luchterhand Literaturverlag, München 2019 zieht wieder in ihr Elternhaus – wo allerdings einzig ISBN 978-3-630-87473-9 ihr Vater übriggeblieben scheint. Den Intellektuellen in der Familie fehlt das Ver- ständnis für die Anliegen der Unterstützer des Inselvolk «Brexit». Colin und seine Generation scheinen frus- Demokratien erscheinen mir triert über die wachsende Zahl von Mitgliedern des immer mehr als Auslaufmo- Commonwealth, die die kargen Verhältnisse in ihrer delle einer politischen Über- Heimat nur zu gern mit einer lukrativen Beschäfti- zeugung. Mit dem langsamen gung im Königreich tauschen würden und deshalb Übergang aus einer westlich für viele Briten und Britinnen diffus als Bedrohung dominierten Welt mit einem ihrer Arbeitsplätze wahrgenommen werden. Hinzu zentralen Spannungsverhältnis kommt ein ebenso diffuses Misstrauen gegenüber zwischen Europa und Amerika der Obrigkeit. Wie Colin auf dem Weg in die Mühle in ein neues Weltgefüge mit nach der Beerdigung über Geschwindigkeitskontrol- Zentrum in Ostasien, ändern len sagt: «Bei jeder Gelegenheit wollen diese Arsch- sich die wahrnehmbaren Aus- geigen einem noch mehr Geld abknöpfen.» Doug for- prägungen von Macht und Geld. muliert es so: «Die Leute sind sauer, richtig sauer, In England und damit für auch wenn sie gar nicht so genau sagen können, ganz Grossbritannien haben einer überkomme- warum oder auf wen.» nen Weltvorstellung verhaftete (Wut-)Bürgerin- Die umfangreiche Geschichte windet sich durch nen und Bürger einem Referendum zugestimmt, die zahlreichen Beziehungen der erwähnten Prot- das die Unabhängigkeit gegenüber einem ver- agonisten und Entwicklungen in Grossbritannien einigten Europa verlangte. Dafür haben sie sich zwischen 2010 und den Wochen nach der «Brexit»- gleich noch die dazu passende Regierung gewählt. Abstimmung und zeichnet das vielfältige Bild eines Ungarn, Polen, Russland und einige andere Länder Volks im Umbruch. Wie es sich gehört, spielen dabei haben sich auch schon autokratische Herrschende Rassenprobleme, Mobbing und weitere Verästelun- gewählt, und dabei möchte ich von den USA gar gen der allgemeinen Konzentration auf Wesentliches nicht sprechen. eine Rolle, so dass sich damit eine zwingende Ent- Wo liegen die Beweggründe für eine Abkehr von wicklung hin zu den aktuell breit diskutierten Pro- demokratischem Gedankengut, sozialer Partner- blemen erklären könnte. Aber vielleicht liegt der schaft, einer Welt, in der Mani Matters Ballade über Schlüssel zu einer Erklärung für destruktive Abstim- «dene wos guet geit» als Zielvorstellung für eine mungsentscheidungen in Demokratien einfach in bessere Zukunft für alle dient? einer ohnmächtigen Abneigung grosser Teile der Vielleicht gibt uns Jonathan Coe mit seinem Bevölkerung gegenüber rationalen Argumenten herr- jüngsten Roman eine mögliche Antwort auf diese schender Klassen, so dass auch noch so abstruse Fragen. Das 2018 geschriebene und dieses Jahr auf Meinungen mehrheitsfähig scheinen. Auch Lügen Deutsch herausgegebene Buch beschreibt anhand werden für Unkundige zur Wahrheit, wenn sie nur einer sorgfältig komponierten Besetzung (derer er oft genug wiederholt werden. sich zum Teil schon in früher erschienenen Roma- Wenn ich auf meine letzten Zeilen zurückschaue, nen bediente) die Befindlichkeit der britischen Seele entsteht der Eindruck, dass das fast 500 Seiten im 21. Jahrhundert. starke Buch sperrig zu lesen sein könnte. Im Gegen-

28 AEROPERS teil, finde ich, zeichnet Coe seine Charaktere doch Die poetischen, kurzen Epi- mit britischem Humor in unzähligen unterhalt- soden reihen sich scheinbar samen Situationen, einzig das letzte Fünftel des zusammenhanglos aneinan- Buches erscheint mir in seiner Aufarbeitung von vor- der und ergeben dennoch ein her schon Erwähntem etwas redundant. stimmungsvolles Bild von Men- schen in einer abgelegenen Jonathan Coe: Middle England. Ecke der Welt. Deswegen sind Folio Verlag Wien, Bozen 2020 sie noch lange nicht weltfremd. ISBN 978-3-85256-801-0 Die Grossmutter steckt Nadeln in eine Weltkarte und träumt sich zurück an von ihr besuchte «Realität» vs Poesie Orte. Sie liest auch Zeitung und Wieso sind die Hauptak- ereifert sich dabei über Rede- teure in heutigen Romanen wendungen: «Oh», macht sie plötzlich, «da hat einer oft so zerstörte Existenzen? den Tod gefunden! Als hätte er ihn gesucht! Als Warum muss der Psychologe würde irgendjemand den Tod finden wollen – aus- in Michael Robothams Roman ser den Selbstmördern. Und die müssen ihn ja nicht «Schweige still», der sich einer suchen, die sind mit ihm befreundet», räsoniert sie Waise annimmt, die die Fähig- vor dem Kind, das ja den eigenen Bruder verloren keit besitzt, bei allen Menschen hat. Die Zwei erhalten auch Besuch von seltsamen erkennen zu können, wenn sie Menschen, die ihnen in ihrer Seltsamkeit einen Aus- lügen, in seiner Kindheit erlebt bruch aus dörflicher Enge ermöglichen. Elsa zum haben, wie sein Bruder den Rest Beispiel, die mit Elvis befreundet ist. Ja genau, der seiner Familie auslöscht? Wieso Elvis ist dabei, wenn sie die Grossmutter und das muss die Kommissarin, die die Kind besucht und sie sehen «seinen blöden Tarn- Nachfolge von Proteo Lauren- anzug, den weissen mit den glitzernden Pailletten», tis in Veit Heinichens neuem und der Kaminfeger steht, schwarz wie er ist, an der Roman «Borderless» antritt, Theke. «Er muss immer viel trinken, um all den Russ massiv klaustrophobisch und aus seiner Kehle zu spülen», meinte die Grossmut- bindungsunfähig sein? Sollen ter, wenn die Rede auf ihn kam, «und er machte das wir uns etwa mit diesen kaput- prophylaktisch schon am Morgen früh.» ten Menschen identifizieren? Die Geschichten um das Kind und die Grossmut- Oder soll es einfach ein Spiegel ter wurden zum 75. Geburtstag der Autorin in einer unserer modernen Welt, der noch um elf weitere ergänzten «Edition blau» neu Menschen in einer sich zer- herausgegeben und sind so bezaubernd und bildhaft setzenden Gesellschaft, sein? wie Dylan Thomas’ «Under Milkwood». Eine Freude Zugegeben, spannend sind die zu lesen! erwähnten Romane allemal. Allerdings finde ich es gewis- Leta Semadeni: Tamangur. sermassen entspannender, den Edition blau. rotpunkt Verlag, Zürich 2019 neuesten Fall von Donna Leons ISBN 978-3-85869-842-1 Brunetti zu lesen und mich in Gesellschaft von Guido, Paola, Michael Robotham: Schweige still. Chiara und Raffi auch kulina- Goldmann Verlag, München 2019 risch anheimeln zu lassen. ISBN 978-3-442-31505-5

Und dann noch dies: Veit Heinichen: Borderless. Mit Freude habe ich diese Piper Verlag, München 2019 rührende Geschichte aus dem ISBN 978-3-492-06147-6 Bündnerland gelesen. Das namenlose Kind lebt im Dorf Donna Leon: Geheime Quellen. mit seiner Grossmutter. Der dritte Platz am Tisch ist Diogenes Verlag, Zürich 2020 leer, der Grossvater ist in Tamangur. ISBN 978-3-257-07099-6

Phantasie ist mächtiger als Wissen, « denn Wissen ist begrenzt. Albert Einstein

Rundschau 3 | 2020 29 Zeitreise Ein Rückblick über wichtige, erheiternde oder auch banale Facts aus 100 Jahren Luftfahrtgeschichte. Von Juli bis September …

Text: Oliver Reist und initiierte damit den Bau des neuen Grossraum- flugzeugs. Erstmalig wurden grössere Flugzeugkom- … vor 50 Jahren ponenten durch Subunternehmen in der ganzen Welt Steigende Passagierzahlen und lärmgeplagte Anwoh- hergestellt. Die Flügel kamen aus Ontario, Canada, ner veranlassten 1966 American Airlines, sich auf die die Rumpfteile aus San Diego und Teile des Höhen- Suche nach einem neuen Flugzeug für transkontinen- leitwerks wurden in Italien gefertigt. Die Endmontage tale Nonstop-Flüge über den USA zu begeben. Der im wurde in Long Beach durchgeführt. In Anwesenheit kalifornischen Long Beach beheimatete Flugzeugher- von Ronald Reagan, dem damaligen Gouverneur von steller Douglas erstellte mehrere Entwürfe, musste Kalifornien, fand am 23. Juli 1970 der Roll-out statt. dann aber wegen Insolvenz die Arbeit zeitweilig ein- Wie bereits bei früheren Präsentationen wurde dabei stellen. Erst 1967, nach dem Zusammenschluss mit an das schottische Erbe von McDonnell erinnert und McDonnell, wurde die Projektierung fortgesetzt. Je die Zeremonie mit Dudelsackklängen begleitet. Bereits nach Auslegung sollte der Grossraumjet bis zu 380 Pas- einen Monat später, am 19. August 1970, fand der Erst- sagiere aufnehmen können. Die erste Version war zwei- flug statt. Nach drei Stunden und 26 Minuten landete motorig und glich, wegen des kurzen Oberdecks hin- der erste Prototyp wohlbehalten auf der Edwards Air ter dem Cockpit, einem Jumbo-Jet. Darauf folgte eine Force Base. Der Flug verlief problemlos. Bis Ende 1970 doppelstöckige Version, die sehr dem heutigen Airbus befanden sich vier DC-10 in der Flugerprobung. Bereits A380 ähnelte. Unter der Bezeichnung DC-10 wurde der hatten weitere Airlines das neue Flugzeug bestellt, die finale Entwurf Anfang 1968 den Vorstandsmitgliedern Serienproduktion war gesichert. Ende Juni 1971 erhiel- von American Airlines präsentiert. Charakteristisch ten American Airlines und ihre ersten an der dreimotorigen Auslegung war das im Seiten- DC-10. leitwerk integrierte Triebwerk. Die Konkurrenz blieb Am 16. November 1970 war es auch bei Lockheed jedoch nicht untätig. Fast gleichzeitig präsentierte der so weit. Die L-1011 TriStar startete erfolgreich zum aus Burbank (Kalifornien) stammende Flugzeugher- Erstflug vom Werksflugplatz in Palmdale. Doch schon steller Lockheed die L-1011 TriStar. Der Flugzeugent- bald ereigneten sich ernsthafte Probleme. Im Gegen- wurf glich der DC-10 sehr. Äusserlich unterschieden satz zur DC-10, die wahlweise mit Triebwerken von sich die Kontrahenten einzig durch die Triebwerksan- Pratt & Whitney oder General Electric ausgerüstet wer- ordnung. Im Lockheed-Dreistrahler befindet sich das den konnte, entschied sich Lockheed, die TriStar ein- Antriebsaggregat im Gegensatz zum Douglas-Jet nicht zig mit Rolls-Royce-Turbinen anzubieten. Speziell für in der Seitenflosse, sondern im Rumpfheck. Die Luftzu- dieses Flugzeug wurde ein neuartiges Dreiwellentrieb- fuhr erfolgte über einen s-förmigen Ansaugkanal. Am werk (RB211) entwickelt. Technische Probleme bei der 19. Februar 1968 bestellte American Airlines 25 DC-10 Konstruktion der Brennkammern und der Schaufelblät- von McDonnell Douglas. Die Freude in Long Beach ter, die aus neuartigen Kohlefaserverbundstoffen her- währte nicht lange. Die Suche nach weiteren Abneh- gestellt wurden, führten zu finanziellen Schwierigkei- mern war äusserst schwierig. Um mit dem Bau eines ten bei der britischen Traditionsfirma. Am 4. Februar Prototyps beginnen zu können, brauchte McDonell 1971 blieb Rolls-Royce daraufhin nichts anderes übrig, Douglas mindestens noch einen weiteren Kunden. Eas- als Konkurs anzumelden. Durch die Verstaatlichung tern Airlines, Delta und TWA entschieden sich für die konnte der Zusammenbruch des Unternehmens ver- Lockheed TriStar. Nach vielen Anpassungen bestellte hindert werden. Doch die Produktion der TriStar ver- schliesslich United Airlines im Frühling 1968 30 DC-10 zögerte sich und das Vertrauen in den Hersteller wurde beschädigt. Als Ergänzung zur grösseren Boeing 747 interessierten sich auch viele europäische Airlines für die neuen dreistrahligen Flugzeuge aus Kalifornien. KLM, SAS und Swissair gründeten 1968 unter dem Namen KSS ein Konsortium. Durch gemeinsame Spezi- fikationen und Aufgabenteilung sollten die Anschaf- fungs- und Betriebskosten künftiger Flugzeuge gesenkt werden. Etwas später schloss sich dich französische Fluggesellschaft UTA der Allianz an (KSSU). Die DC-10- 10, wie die erste Version benannt wurde, verfügte über eine Reichweite von etwa 5500 Kilometern. Damit erfüllte sie die Anforderungen der Europäer, die einen Jet für interkontinentale Flüge benötigten, nur bedingt. Während neun Monaten verhandelte die KSS mit beiden Herstellern. McDonnell Douglas offerierte eine Variante mit einer um 30 Prozent erhöhten Reichweite (DC-10). Am 7. Juni 1969 bestellte die KSS-Gruppe 14 DC-10 und 22 Optionen und gab somit den Startschuss für den Bau Bau der ersten Serien-DC-10. der «30er»-Serie. Am 8. Dezember 1972 überflog der

30 AEROPERS Swissair bereits nach kurzer Zeit ihre DC-10 wieder im Flugdienst ein. Der öffentliche Druck veranlasste jedoch das US-Luftamt für alle DC-10-Muster ein Start- verbot zu erlassen und forderte alle Luftämter der DC- 10-Betreiber-Staaten auf, ihrem Beispiel zu folgen. Da der Absturz nachweislich auf einen Unterhalts- und nicht auf einen Konstruktionsmangel zurückzuführen war, kämpfte die Swissair gegen ein Startverbot und schrieb an das Eidgenössische Luftamt: «Aufgrund einer eingehenden Lagebeurteilung ist die Swissair nach wie vor davon überzeugt, dass unsere DC-10-Flugzeuge den Lufttüchtigkeitsanforderungen in jeder Beziehung Lockheed L1011 TriStar. entsprechen. Aus diesem Grund muss sich die Swissair in aller Form gegen eine Stilllegung zu Wehr setzten.» Chefpilot der Swissair, Robert Staubli, die erste DC-10 Es half nichts. Die DC-10 Flotte der Swiss wurde am 6. von Long Beach nach Zürich. Die DC-10 ritt auf einer Juni für 12 Tage gegroundet. Erfolgswelle. Airlines und Passagiere schätzten den Trotz dieser schwierigen Phase entwickelte sich die Grossraumjet. Doch nach einer Serie von Unfällen wen- DC-10 bei der Swissair zu einem verlässlichen Flugzeug. dete sich das Blatt. Am 13. Juni 1972 verlor eine DC-10- In den 1980er Jahren wurde die Flotte mit DC-10-30ER- 10 der American Airlines nach dem Start in Detroit, Maschinen ergänzt, die über eine grössere Reichweite auf einer Höhe von 12 000 Fuss, die hintere Frachttüre. verfügten. McDonnell Douglas fertigte bis zum Produk- Obwohl dabei das Höhenleitwerk beschädigt wurde, tionsende 1988 insgesamt 446 DC-10 an. Davon wurden gelang es der Besatzung, das Flugzeug sicher in Det- 60 Flugzeuge als militärische Betankungs- und Fracht- roit zu landen. Die Untersuchungen förderten Kons- variante KC-10 an die US Air Force ausgeliefert. Der truktionsmängel am Verriegelungsmechanismus der letzte Passagierflug einer DC-10 fand 2014 von Dhaka Frachttüre zutage. Die infolge von McDonnell Douglas nach London statt. Als Frachtflugzeug erlebte die DC-10 erlassenen Modifikationsvorschriften wurden jedoch eine Renaissance. Auf Anregung von FedEx wurden 89 nicht mit der notwendigen Dringlichkeit durchgesetzt. DC-10 modernisiert (Zwei-Mann-Glascockpit) und unter Im März 1974 stürzte eine DC-10 der Turkish Airlines der Bezeichnung MD-10 an das Nachfolgemodell (MD- nach dem Start in Paris ab. Es dauerte nicht lange, um 11) angeglichen. Die «Unverwüstlichkeit» der DC-10 die Unfallursache zu ermitteln. Die hintere Frachttüre zeigt sich auch an den Spezialumbauten. Das Unter- und sechs Passagiersitze wurden 15 Kilometer weit ent- nehmen «10 Tanker» setzt in den USA vier DC-10 zur fernt von der Hauptabsturzstelle gefunden. Durch die Brandbekämpfung ein. Bis zu 35 000 Liter Löschflüssig- Dekompression im Frachtraum wurden die Steuerlei- keit kann die umgebaute DC-10 in drei Aussentanks tungen des Höhen- und Seitenruders zerstört. Das Flug- aufnehmen. Der Löscheinsatz erfolgt idealerweise auf zeug war praktisch nicht mehr steuerbar. Zudem fiel einer Abwurfhöhe von 60 bis 100 Metern über Boden. das mittlere Triebwerk aus. Es dauerte einige Jahre, bis das gute Image der DC-10 wieder hergestellt wurde und sich die Auftragsbücher wieder füllten. Am 25. Mai 1979 kam es jedoch bis zum dahin folgenschwersten Unfall der amerikanischen Zivilluftfahrt. Nach dem Start am Flughafen O’Hare in Chicago verlor eine DC-10-10 der American Airlines das linke Triebwerk und stürzte ab. Die Turbine wurde nach einer Wartung entgegen den Vorschriften des Herstellers montiert. Dies führte zum Bruch eines Aufhängebolzens. Drei Tage später erlies- sen die US-Behörden ein Flugverbot für die DC-10-10. Die Langstreckenversion der Swissair war nicht direkt vom Verbot betroffen. Nach einer Überprüfung der Bol- zen, bei der keine Risse entdeckt wurden, setzte die

Eine DC-10 im Einsatz als Löschflugzeug.

Eine besondere MD-10 fliegt seit mehreren Jahren für die Non-Profit-Organisation «ORBIS». Der ehema- lige FedEx-Frachter wurde in eine fliegende Augen- klinik umgebaut und ist als Operationssaal und Aus- bildungszentrum in Ländern ohne flächendeckende medizinische Versorgung unterwegs. Die Lockheed TriStar war weniger erfolgreich. Es wurden nur 250 Stück hergestellt. Gemäss der «New York Times» erlitt Lockheed mit der TriStar einen Milliardenverlust. Infolgedessen stellte Lockheed die zivile Flugzeugpro- duktion ein und konzentrierte sich auf die militärische Grounding der DC-10-Flotte. Luftfahrt. l

Rundschau 3 | 2020 31 Rückspiegel In dieser Rubrik wird eine Auswahl von Kommentaren über Luftverkehr und Flughäfen präsentiert.

Text und Bilder: Thomas O. Koller, Vizepräsident Komitee «Weltoffenes Zürich»

Kurzstrecke generell auf die Schiene? keiten und die Lust hat, aus Zürich heraus eine 21. Juli 2020 interkontinentale Drehscheibe zu betreiben, wird schwierig werden. Und selbst wenn sich eine solche Linke und grüne Politiker machen uns weis, die Bahn Airline fände, dann würde sie zunächst einmal ihren wäre «die» Lösung für klimaschonende Mobilität. eigenen Heimatflughafen mit Schweizer Passagieren Sie fordern, dass Reisen unter 1500 Kilometer gene- «füttern», um von dort aus ihr eigenes Netzwerk rell auf die Schiene verlegt werden müssen. Diese zu betreiben. Und wenn das geschähe, dann hätten Idee ist absurd, was ein einfaches Beispiel belegt. wir ab Zürich nur noch eine Handvoll direkter Inter- Zürich und Warschau liegen – Luftlinie – rund 1000 kontinentalverbindungen. Und wenn das so eintritt, Kilometer auseinander. Die Reise von Zürich nach würden unsere Exportfirmen, der Tourismus, Wis- Warschau dauert von Zentrum zu Zentrum mit der senschaft und Forschung leiden. International tätige schnellsten Zugverbindung über 15 Stunden, per Unternehmen, Firmenzentralen und Forschungsins- Bus über 20 Stunden, mit dem Auto rund zwölf titute würden abwandern – und dann bräuchte es Stunden und mit dem Flugzeug viereinhalb Stun- auch die Handvoll interkontinentaler Direktverbin- den. Kein vernunftbegabter Mensch – es sei denn, er dungen nicht mehr.» mache die Zugreise zu seinem persönlichen Erleb- nis – wird unter diesen Voraussetzungen den Zug wählen. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten sind Fragezeichen zu setzen. Mit dem Zug werden die Reisenden 1500 Kilometer durch Europa gekarrt. Ob das gesamtheitlich betrachtet wirklich besser als ein Flug ist, ist zu bezweifeln. Denn es gilt den Ener- gieverbrauch, den eingespeisten Strom (thermische Kraftwerke lassen grüssen) oder schlimmer noch, den Dieselverbrauch, die Bodenversiegelung für die Bahntrassen, die Anzahl lärmexponierten Personen, die Feinstaubemission und einiges mehr zu berück- sichtigen.

Mobilitätskosten: Überraschender Befund 30. Juni 2020

Mobilität verursacht Nutzen und Kosten. Das Bun- desamt für Raumplanung hat die externen Kosten

Frage an Radio Eriwan 7. Juli 2020

Frage an Radio Eriwan: «Stimmt es, dass eine andere Fluggesellschaft sofort in die Lücke springen würde, wenn es die SWISS am Flughafen Zürich nicht mehr gäbe?» Antwort von Radio Eriwan:«Im Prinzip ja, aber eine Airline zu finden, welche die Möglich-

32 AEROPERS der verschiedenen Verkehrsträger ermittelt. Als «extern» werden Kosten bezeichnet, die von den komitee Verursachern nicht selbst getragen werden und bei der Allgemeinheit anfallen. Dazu gehören unter anderem Unfall- oder Umweltkosten. Das Resul- weltoffenes zürich tat ist erstaunlich und belegt einmal mehr, dass der Luftverkehr zu Unrecht verunglimpft wird. Die externen Kosten des «guten» ÖV, des Schienenver- Das Komitee «Weltoffenes Zürich» vertritt Wirt- kehrs und des öffentlichen Strassenverkehrs also, schaftsinteressen. Die Pflege der internationa- sind genau gleich hoch wie jene des vom politischen len Verkehrsanbindung der Schweiz, namentlich Mainstream als «schlecht» gebrandmarkten Luftver- die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit des Hubs kehrs! Sie machen je zehn Prozent beziehungsweise Zürich, steht im Zentrum der Arbeit. Medien- und je 1,4 Milliarden Franken aller externen Mobilitäts- Öffentlichkeitsarbeit sowie systematische Interes- kosten aus. Fazit: Vorgefasste Meinungen sind das senvertretung gegenüber Politik und Verwaltung Gegenteil von Fakten. definieren das Tätigkeitsspektrum auf kantonaler und nationaler Ebene. Thomas O. Koller, Kloten, ist Vizepräsident des Komitees «Weltoffenes Zürich» und führt dessen Analyse richtig – Folgerung falsch Geschäfte. Hauptberuflich ist er Inhaber einer PR- 23. Juni 2020 Agentur in Zürich.

Im Wirtschaftsteil des «Tages-Anzeigers» ana- lysierte Konrad Staehelin zwar korrekt, dass die Die Beiträge auf diesen Seiten wurden erstmals auf SWISS dank Umsteigebeziehungen ab Zürich 25 Facebook publiziert. Für den direkten Link den Bild- statt nur fünf direkte Interkontinentalverbindun- code per Smartphone mit einer entsprechenden QR- gen rentabel anbieten kann. Bei der Folgerung App scannen! tappt er aber in eine Falle, in die zahlreiche Beob- achter der Aviatik tappen. Er reduziert den Nut- Weitere Informationen: zen von Umsteigepassagieren auf den ökonomi- www.weltoffenes-zuerich.ch schen Erfolg der Airline. Dabei hat Staehelin den Schlüssel zur ökonomisch korrekten Einordnung des Umsteigeverkehrs selbst genannt: Dank der Umsteigepassagiere stehen nicht nur fünf, sondern

eben 25 regelmässig bediente Interkontinentalver- bindungen zur Verfügung, täglich oder mindestens fünfmal wöchentlich, hin und zurück. Das ist für die Schweizer Wirtschaft sowie für Forschung und Wissenschaft zentral. Ohne diese Leistung litte deren internationale Konkurrenzfähigkeit massiv. Und damit litte auch der Wohlstand unseres klei- nen, aussenhandelsabhängigen Landes, dessen ein- zige natürliche Ressource die Innovationskraft von Unternehmen und Forschung ist

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Rundschau 3 | 2020 33 Pensionierungen Marc Bertram

Eintritt: 1.1.1988 Pensionierung: 30.6.2020 Total Flugstunden: 17 100

Karriere F/O: MD80, MD11 CMD: A320, A330/340

Mit grosser Vorfreude auf einen neuen Lebensabschnitt habe ich mich im letzten Dezember für die Möglichkeit der Frühpensionierung entschieden. Viele schöne und spannende Momente durfte ich erleben und geniessen. Unvergess- lich werden mir die bereichernden Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen bleiben. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die zu dieser sehr schönen Zeit beigetragen haben. Ein ganz spezieller Dank gilt all jenen, die tagtäglich ihren Beitrag für eine sichere Operation leisten und mich so in meiner Arbeit unterstützt haben. Ich wünsche Euch und unserer SWISS viel Kraft und die notwendige Solidarität, um die aktuelle Krise meistern zu können, und die Zuversicht, dass wieder bessere Zeiten kommen werden. Herzlichst, Marc

Pierre Wannaz

Eintritt: 30.5.1983 Pensionierung: 31.8.2020 Total Flugstunden: > 21 000

Karriere F/O: MD80, A310, A320 CMD: A320, A330/340

Aviation, civil and military, what a life. The earth seen from above, the use of the third dimension, the discovery of the world and the beauty of our planet. Understanding other cultures, appreciating human contact, discovering new food and a lot more. Some colleagues helped and encouraged me toward new challenges in aviation, such as acceptance flights, instruction and finally flight accident investigation. Theses 45 years of flying have passed so quickly. Thanks to everybody involved for allowing the complex clockwork that aviation is to be so safe. Thanks to all my colleagues in the cockpit and in the cabin. It was a pleasure working with you! I will definitively miss this part of the job. I wish everybody the best, resilience and luck while overcoming the current situation.

Blue sky to all and looking forward to enjoying your work. Until next time from – now as a passenger, Pierre

Beat Siegrist

Eintritt: Januar 1987 Pensionierung: 31.8.2020 Total Flugstunden: > 20 000

Karriere F/O: MD80, B747, A320 CMD: A320, A330/340

Erst beim Rückblick auf ein schönes Fliegerleben merkt man, wie viel man eigentlich erlebt hat. Leider sind die Bedingun- gen zurzeit nicht angenehm. Auch wir können nicht immer «at controls» sein und müssen zuschauen, wie das Manage- ment das Luftschiff schaukelt (obwohl jeder Pilot es doch besser weiss …). Ich bin froh, dass ich vorher aussteigen konnte. Ich wünsche Euch viele wunderbare Flüge, genügend Luft unter den Flügeln, Fuel in den Tanks und Piste vor Euch (Letz- teres ist mit einem A340 schwierig). Auf dass die Winde, die von hinten kommen, nicht Eure eigenen sind.

Händ Sorg und bx, Beat

34 AEROPERS Stephan Burri

Eintritt: 20.1.1986 Pensionierung: 31.8.2020 Total Flugstunden: 22 400

Karriere F/O: MD81 (1987–1991), MD11 (1991–2000) CMD: A320 (2000–2012), A330/340 (2012–202)

Trotz Corona durfte ich mit dem Lastflight nach Montreal die klassische Pilotenkarriere abschliessen. Danke an alle – am Boden und in der Luft – die es möglich gemacht haben, die Ausbildungen, Flüge und Layover erleben zu dürfen. Die Crews nahm ich als zuverlässige, motivierte und liebenswürdige Mitarbeiter war. Das war super mit Euch! Ein Schutzengel war auch immer dabei. Es gab auch belastende Zeiten, aber wenn wirklich notwendig, war die Hilfe der Flottenchefs spürbar! Die AEROPERS als Vertragsmacher versuchte das Beste herauszuholen, für mich hat es gestimmt! Meine Frau und ich freuen uns vom Kanton Zug in den Kanton Obwalden zu ziehen, wo wir unser Projekt, ein Hausbau mit B&B in der Stockenmatt 39 ob Stalden, realisieren werden! Ich wünsche Euch viel Zuver- sicht und wieder viele Erlebnisse unterwegs!

Bis bald im B&B und «machets guet», Stefan

René Zweifel

Eintritt: 22.4.1985 Pensionierung: 31.8.2020 Total Flugstunden: 22 450

Karriere PIL-F/E: DC-10 F/O: MD80, MD11 CMD: A320, A330/340

Nach 35 Jahren «über den Wolken» freue ich mich auf einen neuen Lebensabschnitt auf «festem» Untergrund. Viele schöne und spannende Begegnungen bleiben mir erhalten. Ein herzliches Dankeschön geht an alle Kollegin- nen und Kollegen für die vielen einmaligen und interessanten Erlebnisse. Es war eine unvergessliche Zeit. In der Hoffnung, dass sich die COVID-19-Situation im nächsten Jahr entschärft, wünsche ich allen viel Kraft für diese aktuell unsichere Phase. Mit Sicherheit kommen wieder bessere Zeiten.

Mit de beschte Wünsch! En liebe Gruess, René

Paolo Corti

Eintritt: 17.10.1983 Pensionierung: 31.8.2020 Total Flugstunden: etwas mehr als 20 000

Karriere F/O: DC-9, F100, MD11 CMD: A320, A330/340, B777

Am 20. Juni 1985 hatte ich meinen ersten Flug als S/O: SR404 ZRH-CPH auf der DC-9-32. Ende August musste ich nach 35 Jahren Linienpilot als Captain B777 und als letzter der Pilotenklasse SLS PK IV/83 in Pension gehen. Von diesen Jahren werden mir die vielen schönen Rotationen mit den tollen Crews in Erinnerung bleiben. Was ich auch immer genossen habe, war unsere Welt aus 10 000 Metern zu beobachten – so wechselhaft und beeindruckend! Aber der Flie- gerei werde ich nicht den Rücken kehren. Als VFR-Pilot und Fluglehrer werde ich noch unterwegs sein, auch wenn in einem viel kleineren Einsatzgebiet. Vielleicht werde ich den einen oder anderen von Euch antreffen. E adesso é ora di appendere il cappello al chiodo, di augurarvi buona fortuna per il futuro e many happy landings.

Saluti, Paolo

Rundschau 3 | 2020 35 Wir trauern

Folgendes Mitglied ist seit der letzten Ausgabe verstorben:

Jakob Maag 21.10.1929 – 7.6.2020 Flight-Engineer, pensioniert am 31.10.1984

Augusto Summerer 6.1.1926 – 12.8.2020 Captain B747, pensioniert am 31.3.1982

Wir werden den Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren.

Termine & Mitteilungen

Vorstandswochen Diverses Pensionierten-Stamm ATC-Piloten-Stamm

21.–25.9.2020 29.9.2020 29.9.2020

26.–30.10.2020 27.10.2020 27.10.2020 19./20.11.2020: Vorstands- 23.–27.11.2020 und Spezialistenseminar 24.11.2020 24.11.2020

Der Pensionierten-Stamm findet im Restaurant des Fliegermuseums, Überlandstrasse 255, 8600 Dübendorf, statt. Zeit: ab 14 Uhr.

Der ATC-Piloten-Stamm findet im Radisson Blu Hotel, Angels’ Wine Tower Bar, statt. Zeit: ab 17 Uhr

Eintritte

n Simon Geisseler (EDW) n Bruno Rychen (EDW)

Wir heissen alle AEROPERS-Neumitglieder herzlich willkommen!

36 AEROPERS Insertionstarife AEROPERS-«Rundschau»

Herausgeber, Inseratewesen, Layout AEROPERS Airline Pilots Association Ewiges Wegli 10, 8302 Kloten Telefon 044 816 90 70 [email protected] 2 (Gfi) 1 (Gfa) Druck 182 x 264 185 x 242 Akeret Druck AG 4-farbig Wallisellenstrasse 2 4-farbig 8600 Dubendorf Telefon 044 801 80 10 [email protected] Ausgebucht

Format A4 – 210 x 297mm Satzspiegel: 186 x 272 mm

Drucktechnisches Daten ab CD oder per E-Mail-Übermittlung (.pdf, .eps vektorisiert, .tiff)

Programme 4 (G) Photoshop, Indesign, Illustrator (Bitte nehmen Sie fur Details Kontakt mit der Redaktion auf.) 182 x 264 einfarbig Druckverfahren 3 (Afi) Offset (Schwarz und Pantone 187 C, CMYK) 182 x 132 4-farbig Redaktion Ein Team von Piloten und der Geschäftsfuhrer des Verbands

Auflage 3000 Exemplare; Leserschaft: 1450 aktive Pilotinnen und Piloten, 830 Pensionäre, Luftfahrtunternehmen, Behörden, Medien usw.

Erscheinungsweise Viermal im Jahr (März, Mai, September, November) 6 (A2) 86 x 264 Annahmeschluss Inserate 2020/2021 einfarbig 4/2020: 18. November 2020 5 (A1) 1/2021: 7. Februar 2021 182 x 132 2/2021: 9. Mai 2021 einfarbig 3/2021: 8. August 2021 4/2021: 14. November 2021 (Bitte Inserate frühzeitig anmelden)

Tarife in CHF Format 1-mal 2-mal 4-mal 1 (Gfa) 1500.– 2700.– 4800.– 2 (Gfi) 1200.– 2150.– 3850.– 3(Afi) 800.– 1450.– 2550.– 4 (G) 850.– 1700.– 2700.– 8 (B2) 5/6 (A1/2) 550.– 1000.– 1750.– 86 x 132 7/8 (B1/2) 425.– 765.– 1360.– 7 (B1) 182 x 66 einfarbig Weitere Formate auf Anfrage (2-mal –10% / 4-mal –20%) einfarbig AEROPERS-Mitglieder erhalten 10% Ermässigung.

Rundschau 3 | 2020 37 Shooter’s Corner Fotos clever verwalten (Teil 1): Das Konzept Fotografie hört nicht nach dem Druck auf den Auslöser auf. Die Digitaltechnik erlaubt heute günstiges Fotografieren, bringt aber auch eine Bilderflut mit sich. Was also tun mit den unzähligen Bildern, die wir täglich knipsen oder von einer Reise zurückbringen? In einer mehrteiligen Serie möchte ich darlegen, warum sich eine durchdachte Bildverwaltung lohnt und wie diese aussehen könnte.

Text: Dominique Wirz seltes System zu benutzen. Ist erst mal alles auf die Reihe gebracht und Während des Corona-Lockdowns wurde ich mit Anfra- flüssig gestaltet, zahlt sich eine durchdachte Bildverwal- gen überhäuft. Viele meiner Kunden und Bekannten nutz- tung schnell aus und bietet folgende Vorteile: ten die geschenkte Zeit und packten an, was offenbar n Steigert die Produktivität: Indem Sie unterschiedlichste im hektischen Vor-Corona-Alltag liegen geblieben ist. Sie Informationen zu Ihren Bildern ablegen können, legen wollten konkret wissen, wie sie ihren Bildhaufen organi- Sie die Basis für Ihre spätere Produktivität. Sie können in sieren können und beanspruchten viele Online-Beratungs- Ihrem Bildhaufen einfach suchen, virtuelle Zusammen- stunden, bei denen ich aus der Ferne direkt auf ihren stellungen machen und zum Beispiel die Qualität der Computer zugreifen konnte. Das Schönste dabei war für Bilder dank einer Bewertung mit inhaltlichen Informatio- mich zu sehen, wie sehr den Leuten ein Stein vom Her- nen, wie beispielsweise Stichwörtern, verknüpfen. Wenn zen fiel, als sie ihre Fotosammlung dann endlich im Griff Sie erst mal mit den Möglichkeiten der Bildverwaltungs- hatten. Viele bedauerten, diesen Schritt nicht schon früher Software vertraut sind, werden Sie wesentlich weniger gemacht zu haben und freuten sich nun darüber, endlich Zeit für die Sortierung und Vorbereitung von Dateien mehr aus ihren Bildern machen zu können. Eine Freude, verwenden und dafür mehr Zeit für das Fotografieren. die nicht zuletzt auch die Motivation zu fotografieren wie- n Erhöht den Wert der Bilder: Indem Sie in der Lage sind, der deutlich gesteigert hat. Mit dieser Aussage schliesst schnell die gewünschten Bilder wiederzufinden und für sich der Kreis: Zum Fotografieren gehört heute unbedingt einen Zweck verfügbar zu machen, erhöhen Sie deren eine systematische Verwaltung sowie die Optimierung der Wert. Denn Sie können mehr aus Ihren Bildern machen, Bilder. Dies wiederum sorgt dafür, dass die Freude am Bild als Sie einfach auf Ihren Festplatten schlummern zu las- und an der Fotografie selbst langfristig erhalten bleiben. sen. Dies führt nicht zuletzt dazu, dass Sie motivierter fotografieren werden. Was ist eine Bildverwaltung? n Verlängert das Leben Ihrer Bilder: Eine gute Bildverwal- Die Grundlage jeder Bildverwaltung ist eine systemati- tung hilft Ihnen – mittels kluger Datenorganisation und sche Ablage auf dem Computer: Alle Bilder sind an einem lückenloser Sicherung – die Vollständigkeit Ihrer Samm- zentralen Ort abgelegt und können so einfach und zuver- lung zu bewahren. Dies wird sehr wertvoll sein, wenn lässig im Blick behalten und gesichert werden. Aus Grün- die Bilder eines Tages von einem Programm, einem Spei- den, die später noch erläutert werden, eignet sich eine chersystem oder Formatsystem in ein anderes verscho- streng chronologische Ablage viel besser als eine Ablage in ben – in der Fachsprache «migriert» – werden müssen. Themenordnern. Ich persönlich lege auch Videoclips und n Bringt Sie fotografisch weiter: Auch der Prozess der Bild- Fotos anderer Leute in derselben chronologischen Struktur verwaltung, insbesondere wenn Sie rigoros aussortieren ab. So sehe ich auf einen Blick, was für Material an einem und bewerten, bringt Ihnen einen nicht zu unterschät- bestimmten Tag erstellt wurde. Hilfreich ist es auch, wenn zenden Gewinn. Indem Sie nämlich Ihre Fotos eingehend jedes Bild einen eindeutigen Dateinamen hat. Dies erfor- betrachten und miteinander vergleichen, lernen Sie mit dert eine systematische Umbenennung der Bilder. der Zeit, was es für ein gutes Foto braucht und was Sie in Die eigentliche Verwaltung beginnt mit der Inspektion Zukunft anders machen müssen. Nur so können Sie sich der Bilder: Weg mit den schlechten und nichtssagenden fotografisch überhaupt weiterentwickeln! Fotos! Sie verstellen uns nur die Sicht auf die guten Bilder und kosten uns wertvolle Zeit. Die ausgewählten Fotos wer- Regeln für die Bildverwaltung den mit Sternen bewertet, sodass wir später unsere Top- Damit Ihnen der Einstieg in die Bildverwaltung gelingt, Shots von mittelmässigen Bildern unterscheiden können. sollten Sie folgende grundsätzlichen Tipps beherzigen. Weiter erleichtern bildbeschreibende Daten, sogenannte Wir können sogar von Regeln sprechen, die Sie unbedingt Metadaten, dass wir später unsere Fotos im Bildhaufen fin- beachten müssen: den. Zu diesem Zweck werden ganzen Bildgruppen oder n Arbeiten Sie universell: Gehen Sie mit allen Bildern nach einzelnen Fotos Ortsangaben, Free-Text-Beschreibungen einem einheitlichen System vor. Passen Sie auch Ihre und Stichworte zugeordnet. alten Bildbestände neueren Techniken an. Mit einer einheitlichen Organisation können Sie Ihre Sammlung Vorteile der Bildverwaltung schneller und zuverlässiger durchsuchen. Sie können Eine umfassende und einheitliche Bildverwaltung auf- so Ihre Bilder mit ihren jeweiligen Bezügen zueinander zubauen mag zunächst abschreckend erscheinen, kostet zusammenführen und den Wert jedes einzelnen Bildes aber wirklich nicht mehr Arbeit, als ein zusammengestöp- maximieren.

38 AEROPERS n Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Gedächtnis: Wir über- rührt. Durch sogenannte virtuelle Sammlungen können schätzen unser Erinnerungsvermögen häufig. Bei der Sie eine unbegrenzte Anzahl von Bildgruppen speichern. Ablage der Bilder scheint uns noch alles sonnenklar. Somit sparen Sie Suchzeit. Sie steigern also von Anfang Doch nach zehn Jahren haben Sie viele Einzelheiten ver- an Ihre Produktivität. gessen. Darum lohnt es sich zum Beispiel, Bilder mit n Übertreiben Sie es nicht: Es gilt ein Gleichgewicht zwi- Stichworten zu verwalten. schen dem zu finden, was nützlich ist, und dem, was n Bauen Sie für die Zukunft: Ihr System soll um ein Mehr- Zeitverschwendung ist. Überlegen Sie sich, nach wel- faches wachsen können, ohne dass alles komplett chen Stichworten Sie Bilder später suchen wollen. So umstrukturiert werden muss. Es muss daher einfach zu ist es sicher vorteilhaft zu vermerken, wer auf einem skalieren, zu transferieren und notfalls zu konvertieren Foto abgebildet ist. Jedoch bei jedem Bild zu schreiben sein. «schaut nach links/rechts» wäre des Guten zu viel. n Tun Sie es nur einmal: Indem Sie Bilder bezüglich Qua- lität bewerten und mit Anmerkungen zum Inhalt ver- Eine funktionierende Bildverwaltung trägt wesentlich sehen, erhöhen Sie deren Wert. Wenn Sie dies systema- dazu bei, dass Sie Ihre Bilder wiederfinden und Sie somit tisch in einer Bildverwaltungs-Software tun, können Sie auf effiziente Weise etwas aus Ihren Bildern machen kön- diese Informationen immer wieder benutzen. Wenn Sie nen. Über den Foto-Workflow, also wie Sie konkret mit stattdessen die Organisationsstruktur für neue Projekte Ihren Bildern verfahren könnten, schreibe ich in der nächs- immer wieder manuell ändern, ist das einerseits sehr ten Folge. zeitaufwendig. Andererseits müssen Sie es für jedes nächste Projekt erneut tun. Bildverwaltungssoftware Aktuelle Fotokurse (auch «Lightroom Classic») hingegen speichert nur die eine gewünschte Sortierrei- auf fotowerkstatt-kreativ.ch henfolge und Gruppierung und lässt die Bilder unbe- Weitere Fototipps auf dominique-wirz.ch/blog l

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3 4 Ortsangabe: Um den Piz Lischana, Unterengadin bei Scuol, GR, Schweiz 1. Die ausgewählten Fotos werden mit Sternen bewertet, sodass wir später unsere Top-Shots von mittelmässigen Bildern unterscheiden können. Dateiname: Wirz_200721_DWZ7219. Stichworte: Murmeltier, Säugetier, Tiere. 2. Erst wenn die schlechten und nichtssagenden Fotos aussortiert sind, können wir uns mit den guten Bildern beschäftigen und uns daran freuen. Dateiname: Dorschner_200721_4131. Stichworte: Berge, Filmen, Foto- grafieren, Gebirge, Landschaft, Wirz Dominique. 3. Bildbeschreibende Daten, sogenannte Metadaten, ermöglichen, dass wir unsere Fotos später im Bildhaufen fin- den. Dateiname: Wirz_200721_DWZ6827. Stichworte: Berge, Camping, Gebirge, Kochen, Landschaft, Lorenz, Person, Trinken, Wirz Dominique, Zelt. 4. Stichworte eignen sich für Bildeigenschaften, die immer wieder vorkommen und nach denen die Fotosammlung später durchsucht werden soll. Dateiname: Wirz_200721_DWZ6796. Stichworte: Berge, Gebirge, Komet, Land- schaft, Nacht, Sterne, Sternenhimmel, Stimmung.

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14.04.20 08:40 The President’s Voice

Nach rund sechs Monaten Corona-Krise ist es Zeit für ein Zwischenfazit. Die Luftfahrt gehört unstrittig zu den am meisten gebeutelten Branchen. Dies ist besonders schmerzhaft, da der Einbruch nach mehreren Rekordjahren so plötzlich und unerwartet kam und die Entwicklungen der Zukunft kaum vor- hersehbar sind. Mit jedem Monat, der vergeht, werden die Auswirkungen der Corona-Krise deutlicher. Es sind überwiegend exogene Faktoren, die darüber entscheiden, ob und wie sich Tourismus und Luftverkehr erholen werden. Während sich die Wirtschaft insgesamt zügig zu erholen scheint, sieht es so aus, als müsste sich unsere Branche auf einen längeren Weg einstellen. Ich bleibe trotzdem weiterhin bei meiner Überzeugung, dass die Luftfahrt am Ende auch diese Krise überstehen wird und daran sogar gesunden kann. Das Wachstum und der groteske Verdrängungskampf der letzten Jahre hat- ten ein Ausmass erreicht, bei dem ich mich schon länger gefragt habe, wie lange das noch gut gehen kann. Nun muss sich die gesamte Branche weltweit auf brutale Weise neu sortie- ren. Wie erwartet, ist auch die SWISS inzwischen mit konkreten Forderun- gen an die AEROPERS herangetreten, um über substantielle unterstützende Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise zu verhandeln. Die Piloten gehören zu der Personalgruppe mit der längsten Verweildauer im Unternehmen. Wer hätte sonst noch ein so grundlegendes Interesse an einem langfristigen Fortbestand des Unternehmens? Die Fluktuation in den Vorstandsetagen der Lufthansa Group glich in den letzten Jahren fast einem Taubenschlag. Die Pilotenkorps der gesamten Gruppe sind da im Verhältnis wesentlich beständiger unterwegs. Die Situation um uns herum ist eindeutig besorgniserregend – die Zukunft ist ungewiss. Wir alle wissen, dass es ohne Flugzeuge für Piloten nichts zu fliegen gibt. Die Krisenlage wird derzeit vielerorts schamlos ausgenutzt, vor allem in Firmen ohne starke Personalvertretung. Von der SWISS und der AEROPERS erwarte ich eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Her- ausforderungen. In schwierigen Zeiten zeigt sich oft erst der wahre Charak- ter des (Sozial-)Partners. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem die SWISS beweisen kann, wie viel schweizerische Sozialpartnerschaft in ihr steckt. In schlechten Zeiten nehmen zu dürfen und in guten Zeiten selbstverständ- lich wieder zu geben, das entspräche meiner Erwartung an die Sozialpart- nerschaft. Im Rekordjahr 2018 wurden wir mit unserem Antrag auf Ver- besserungen der Arbeitsbedingungen jedoch zurückgewiesen und als naiv

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 bezeichnet. Und trotzdem treten wir als verlässlicher Sozialpartner an den Verhandlungstisch. Es wird in den nächsten Monaten intensive Verhandlungen geben, deren Ausgang jetzt noch ungewiss ist. Wir haben aus allen Abweisungen und Miss- erfolgen unsere Lehren gezogen. Krisen kommen unterschiedlich hart daher, aber bis jetzt sind sie immer wieder vergangen. Beginnt eine Krise, werden Überbestände umgehend korrigiert. Klar, denn der wirtschaftliche Druck ist gross. Schliessungen der Flugschulen, Einstellungsstopps, Pensionierungen, Kündigungen und diverse andere Massnahmen werden sofort diskutiert. Wie das Amen in der Kirche folgte am Ende immer ein Unterbestand – und ohne Piloten fliegen auch keine Flugzeuge. Erfahrungsgemäss wird der Unterbestand auch nach der Rückkehr zu soliden Ergebnissen trotzdem nur zögerlich korrigiert. Der Arbeitnehmer schlittert gefühlt von einer Krise in die nächste – von der Existenzangst in die Überbelastung. Die daraus folgenden Arbeitsbelastun- gen spüren nur die Mitarbeiter. Mein Anspruch besteht darin, den Turn-around der Unternehmung nicht vom Turn-around der Arbeitsbedingungen zu entkoppeln. Es gibt nach über- standener Krise keinen Grund, den Wert unserer Leistungen in Frage zu stel- len, weder bei der SWISS noch bei der Edelweiss. Piloten sind hochspezialisierte Fachkräfte in den Diensten der Aviatik, was unter anderem auch unseren Wert begründet. Alternativen für Piloten gibt es in qualifizierten Berufen auf dem Arbeitsmarkt hingegen wenige oder keine. In den letzten Monaten ist dem einen oder anderen der Gedanke vom berühmten zweiten Standbein sicher wieder vermehrt in den Sinn gekom- men. Glücklich, wer einen zusätzlichen Abschluss in der Tasche hat. Aus- bildung und Qualifikationen sind das Fundament für beruflichen Erfolg und Sicherheit. Daher appellieren Pilotenvertretungen schon länger an die kommenden Generationen, neben der Fliegerei weitere Fähigkeiten zu erwerben und sich stets fortzubilden. Die kommenden Monate werden für uns alle herausfordernd. Wir werden verhandeln. Wir werden uns für das langfristige Wohl der Mitglieder am Arbeitsplatz einsetzen. Ich bleibe dabei, es wird eine Zeit nach der Krise geben – auch wenn heute noch nicht klar ist, wann das sein wird.

Kilian Kraus, Präsident

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Editorial

Bestes Sommerwetter, gepaart mit den Lockerungen der Covid-19-Mass- nahmen könnten einen fast vergessen lassen, dass wir noch immer mitten in einer Krise stecken. Denn die neue Normalität im Alltag gleicht stellenweise bereits sehr der alten – abgesehen von der einen oder anderen Plexiglastrenn- wand und den Masken im öffentlichen Verkehr. Betrachtet man hingegen die Aviatik, wird einem augenblicklich klar, dass wir von einer Normalität noch weit entfernt sind – alt oder neu. Der Luftverkehr in Europa hat wieder zuge- nommen, doch die Erträge sind keineswegs so hoch, wie es nötig wäre. Täg- lich oder gar stündlich werden die Regeln geändert, was der gesamten Beleg- schaft der Edelweiss und der SWISS ein hohes Mass an Flexibilität abverlangt. Besonders die sonst so ertragreiche Langstrecke leidet unter den Restriktio- nen. Immerhin bewegen wir dort neben Fracht nun auch wieder eine gewisse Anzahl Passagiere. All das reisst selbstredend ein gewaltiges Loch in die Kasse. Wie viele andere Airlines auch, sind die SWISS und die Edelweiss auf Staatshilfe angewiesen. Dabei waren genau diese Unternehmen vor der Krise hervorragend aufgestellt. Weil der internationale Geldhahn nun aber überall aufgedreht wird, besteht die Möglichkeit, dass marode Unternehmen von der Krise profitieren könnten. Roman Boller beleuchtet dieses Phänomen in dieser Ausgabe und schaut sich genauer an, welche Unternehmen Hilfe in Anspruch nehmen und in welcher Form. Staatshilfe allein wird aber niemandem reichen, um die Krise zu überste- hen. Restrukturierungen sind unumgänglich. So überdenkt manch eine Flug- gesellschaft die Zusammensetzung ihres Flugzeugparks. Die Zeit der Vier- strahler neigt sich immer schneller ihrem Ende zu. Was aber geschieht mit diesen Riesen der Lüfte? Patrick Herr berichtet über das Schicksal der aus- gemusterten Flugzeuge und zeigt auf, dass sich auch mit Altmetall ziemlich viel Geld verdienen lässt. Auch der Personalkörper bietet sich dem einen oder anderen Manager als Sparmöglichkeit an. Wo eine ge-sunde und starke Personalvertretung fehlt, hat das Management freie Hand, um ihren Mitarbeitern willkürlich zu kün- digen. So haben sich einige Airlines beim Umgang mit ihrer Belegschaft ziemlich unrühmlich hervorgetan. Dabei werden mancherorts Drohkulissen aufgebaut, um die Mitarbeiter in die Knie zu zwingen. Andernorts macht man sich selbst die Mühe nicht und entlässt gleich ohne Begründung Hun- dertschaften. Dass das aus moralischer Sicht kaum erträglich ist, ist offen- sichtlich. Es zeigt die Gleichgültigkeit einiger Unternehmen gegenüber den

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Schicksalen ihrer Belegschaft in aller Deutlichkeit auf. Es ist aber auch wirt- schaftlich kurzsichtig. Denn auf diese Krise wird wieder Wachstum folgen, wo man genau diese Mitarbeiter schneller wieder brauchen wird, als dass man sie schulen kann. Dass es aber neben Negativbeispielen auch anders gehen kann, zeigt Dominik Haug. Er beschreibt die Lösungsansätze verschie- dener Airlines in dieser Krise. Bei der Betrachtung wird einem schnell klar, wie wichtig ein Personalverband für die Piloten tatsächlich ist. Wir haben mit der AEROPERS und ihrem Vorstand einen Verband mit hoher Fachkom- petenz. Daher können wir mit Vertrauen in die Zukunft blicken, auch wenn wir als einzelne Piloten nicht immer hinter die Kulissen sehen können. Wenn auch die Airline eine gesunde Sozialpartnerschaft kultiviert, so steht einer allseits verträglichen Lösung kaum mehr etwas im Weg. Der Flughafen Zürich blickt nicht nur mit Vertrauen, sondern mit Optimis- mus in die Zukunft. Auch er wird von der Krise gebeutelt, doch die Planung des Ersatzneubaus für das Dock A schreitet stetig voran. Das Projekt soll hel- fen, das zukünftige Passagierwachstum besser zu bewältigen. Kevin Fuchs erklärt uns, wie ein solcher Ersatzneubau zustande kommen soll, ohne den laufenden Betrieb zum Erliegen zu bringen.

Wir wünschen Euch viel Spass mit der neuen Ausgabe und hebed zäme, hebed dure, bliibet gsund, Janos Fazekas

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Flugzeug zu verkaufen Den Hausmüll rauszubringen ist mitunter unbequem, aber nicht besonders schwer. Ein Flugzeug loszuwerden ist dann schon et- was aufwendiger. Was passiert eigentlich mit Flugzeugen, die kei- ner mehr haben will? Und was bedeutet die derzeitige Krise für die Leasingfirmen?

Text: Patrick Herr

Um ein altes Sprichwort zu bemühen: Das einzig Beständige in der Luftfahrt ist der Wandel. Das zeigte sich gerade in der Anfangszeit der Luftfahrt in den 1920er-Jahren. Die Innovationen überschlugen sich geradezu, neue Modelle und Designentwürfe erschienen im Monatstakt und verschwanden oft auch genauso schnell wieder. Jedes erfolgreiche neue Modell verdrängte ein altes, teilweise in andere Märkte, teilweise direkt in die Bedeutungslosigkeit. Mittlerweile scheint das Tempo etwas abgenommen zu haben. Die grossen Hersteller brachten in den letzten 20 Jahren nur vier neue Flugzeugtypen auf den Markt. Imposantestes Beispiel davon war der Airbus 380. Gerade einmal 15 Jahre nach dem Erstflug stellt Airbus das Projekt jetzt ein. Damals wie heute stellte sich den Eigentümern ein recht ähnliches Problem – wohin mit einem Flugzeug, das nicht mehr gebraucht wird? Und damals wie heute sind die Optionen praktisch gleich: Verkaufen, Vermieten oder Verschrotten. Für die beiden ersten benötigt es zahlungskräftige Interessenten. Für die letzte Option braucht es vor allem Platz. Der Einbruch der Nachfrage im Zuge der Corona-Krise scheint den vier- strahligen Riesen endgültig den Todesstoss zu versetzen. Die Lufthansa legte bereits sechs von 14 A380 still, geplant war der Verkauf an Airbus eigentlich erst 2022. Ebenfalls ausgeflottet werden fünf von 13 Boeing 747- 400 sowie ein grosser Teil der A340-600-Flotte. Bei anderen Airlines zeigt sich ein ähnliches Bild. Emirates prüft eine vorzeitige Stilllegung vieler A380, Qantas verabschiedete erst kürzlich seine letzte 747-400 in den Ruhestand.

Eingemottete Riesen Und damit verwandelt sich ein Flugzeug, das je nach Bestuhlung bis zu 853 Passagiere befördern kann, gewissermassen zu einem Haufen Altme- tall und Recyclingmasse mit einem Gewicht von über 270 Tonnen. Während in der Vergangenheit zahlreiche Flugzeuge, deren wirtschaftliche Lebens- dauer überschritten wurde, oft noch in Afrika oder Südamerika eingesetzt

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 wurden, entfällt diese Option für Giganten wie den A380 und die B747. Für die klassischen Zweitmärkte sind sie einfach zu gross. Und so finden mehr und mehr Flugzeuge ihre vorübergehende oder letzte Ruhestätte an Orten wie Tucson in Arizona, Teruel in Spanien oder der Mojave-Wüste. All diese Orte haben ein paar Gemeinsamkeiten, die sie besonders attraktiv für die Zwischen- oder Endlagerung von Flugzeugen machen. Zu allererst bieten sie genügend Raum für den enormen Platzbedarf. Auf der Davis-Monthan Air Force Base in Tucson ist unter anderem die 309th Aerospace Mainte- nance and Regeneration Group zu Hause. Über 600 Mitarbeiter kümmern sich hier auf einer Abstellfläche von über zehn Quadratkilometern um über 4000 Flugzeuge. Auf dem Gelände befinden sich überwiegend Flugzeuge und Fluggeräte der US-Streitkräfte, teils zur Zwischenlagerung, teils als Ersatz- teillager, teils einfach zur Verschrottung. Weiterer wichtiger Faktor sind die klimatischen Bedingungen. Um Korrosion an den Flugzeugen zu vermeiden, werden die Flugzeugfriedhöfe gerne in trockenen, warmen Regionen ange- siedelt. In Europa findet man diese Bedingungen zum Beispiel in Teruel nahe Zaragoza im Nordosten Spaniens. Dort stehen insgesamt 225 Abstellplätze für Flugzeuge zur Verfügung. Im Zuge der Corona-Krise erlebte der Flug- platz einen regelrechten Boom, sehr zur Freude des Hauptnutzers Tarmac Aerosave, Europas grösstem Flugzeugrecycler. Nachdem die Firma bereits 2019 ein Rekordjahr mit 200 Neuzugängen verzeichnen konnte, sorgt die Corona-Krise für einen weiteren kräftigen Wachstumsschub. Während der grösste Teil der Flugzeugindustrie blutet und die Produktion zurückfährt, erhöhte TARMAC Aerosave im Juni dieses Jahres seine Kapazität mit einer neuen Lagerstätte in Paris-Vatry um weitere 30 Stellplätze. Das bedeutet eine Kapazitätserhöhung von mehr als zehn Prozent. Für Airbus ist das angesichts der aktuellen Auftragsflaute vielleicht ein kleines Trostpflaster – der Flugzeugbauer hält mehr als ein Drittel der Anteile an TARMAC Aero- save. Neben der Langzeitlagerung von Flugzeugen, die irgendwann wieder reaktiviert werden sollen, bietet die Firma auch die komplette Zerlegung und Entsorgung ganzer Flugzeuge an.

Recycling Hat ein Flugzeug endgültig das Ende seiner Lebensdauer erreicht, beginnt ein präzise organisierter Recyclingprozess. Zunächst müssen alle Restflüs- sigkeiten wie Öl, Hydraulikflüssigkeit und Kerosin abgelassen werden. Da die meisten Flugzeugfriedhöfe auf unversiegeltem Wüstenboden stehen, ist das in puncto Umweltschutz elementar wichtig. Dann wird alles ausgebaut, was

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 nicht niet- und nagelfest ist. Sitze, Cockpitelemente, Fenster und vieles mehr werden entfernt. Je nach Alter des Flugzeugs und Zustand der entfernten Teile gelangen diese dann entweder zurück an die jeweiligen Kunden, etwa als Ersatzteil für die bestehende Flotte, oder werden verkauft. Der Markt für ausrangierte Flugzeugteile und Memorabilia ist gross. Spezialisierte Händ- ler verkaufen so ziemlich jedes verfügbare Teil an Sammler und Enthusi- asten, vom Kaffeelöffel bis hin zum ganzen Sitz. Aus den Sitzgurten wer- den Gürtel, aus einem Flugzeugfenster samt Rahmen ein Dekorationsstück, aus einer Cockpitscheibe ein Beistelltischchen. Wer etwas mehr Platz auf dem Balkon hat, kann sich auch gleich aus dem Triebwerkeinlass einer A320 einen Whirlpool basteln lassen. Die Summen, die für solche Stücke fällig werden, zeigen, dass sich aus einem ausrangierten Flugzeug noch eine Menge Geld machen lässt. Die Zahlungsbereitschaft der Sammler ist hoch – eine Doppelbank aus zwei Economy-Sitzen kostet je nach Zustand, Alter und ehe- maliger Airline zwischen 500 bis weit über 1000 Euro. Für besonders seltene Stücke ist die Preisskala nach oben weit offen. Sind die direkt verwertbaren Teile erstmal entfernt, geht es der Struktur an den Kragen. Mit Drahtsägen werden die Flügel, das Leitwerk und der Rumpf zersägt und auf handlichere Grössen gestutzt. Bewegliche Teile, wie zum Beispiel Landeklappen, können je nach Zustand wiederverwendet wer- den. Allerdings müssen sie dafür erneut zertifiziert werden. Der nicht mehr brauchbare Rest wird nach Materialien sortiert, verpackt und in den Wie- derverwertungskreislauf gebracht. Bei Flugzeugen ist das vor allem Alumi- nium, das eingeschmolzen und erneut verwendet werden kann. Nicht selten landet dieses recycelte Aluminium dann übrigens wieder in der Neuproduk- tion. Ausrangierte Airliner werden damit gewissermassen nochmal Teil eines Flugzeugs. Laut TARMAC Aerosave können so bis zu 92 Prozent des Gesamtgewichts eines Flugzeugs wiederverwendet werden.

Leasing Weitere Gewinner der Krise könnten langfristig auch grosse Leasinggeber werden, sofern sie über die nötigen Reserven verfügen. Einer der Grossen auf diesem Markt ist Avolon. Die Firma mit Hauptsitz in Dublin verleast derzeit über 800 Flugzeuge an 145 Airlines. Nach eigenen Angaben verfügt sie derzeit über liquide Mittel von mehr als fünf Milliarden US-Dollar und ist damit recht gut aufgestellt. Kurzfristig rechnet man bei Avolon wohl zurecht mit einem Rückgang des Geschäfts — in der derzeitigen Lage möchte kaum

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 eine Airline neue Verbindlichkeiten eingehen. Das zeigt sich in der Stornie- rung von über 100 Flugzeugbestellungen seitens der Leasingfirma bei Boeing und Airbus. Langfristig aber können Leasinganbieter gewinnen, weil sie mit der entsprechenden Bargeldreserve zum Rettungsanker für angeschlagene Airlines werden könnten. Das passende Modell heisst «sale-and-leaseback». Dabei verkauft eine Airline ein Flugzeug an die Leasingfirma und least es direkt wieder. Für die Airline ist das langfristig zwar teurer, kurzfristig spült es aber frisches Bargeld in die Kassen. In Krisenzeiten kann das überlebens- wichtig sein. Das Geschäftsmodell von Leasinggesellschaften ist auch sonst bis zu einem gewissen Grad relativ krisenfest. Werden keine anderweitigen Vereinbarungen getroffen, kann es dem Leasinggeber nämlich relativ egal sein, ob das Flugzeug fliegt oder ob es irgendwo in der Wüste abgestellt ist. Die Leasingrate ist je nach Vereinbarung ohnehin fällig. Kritisch wird es für die Leasinggeber erst, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Kunden droht. Ver- schiedene Vertragsmodelle sorgen dann noch dafür, dass der Markt spannend bleibt. Wurde ein Vertrag mit einer bestimmten Laufzeit, beispielsweise über zehn Jahre, geschlossen, erhält die Leasingfirma am Ende ein Flugzeug mit deutlich weniger Abnutzung zurück, wenn es längerfristig stillgelegt wurde. Das wiederum schlägt sich dann in einem höheren Restwert des Flugzeugs nieder. Besteht hingegen ein Vertrag nach tatsächlicher Nutzung, also etwa nach Flugstunden, profitiert eher die Airline, da sie das Flugzeug über einen längeren Zeitraum nutzen kann. Welche Bedeutung das Leasing in der Air- linebranche hat, zeigt sich, wenn man sich die Struktur einzelner Airlines genauer anschaut. Die ungarische Fluglinie Wizzair beispielsweise hat alle ihre Flugzeuge geleast – die Möglichkeit, mit dem Verkauf von Tafelsilber in Form von Flugzeugen zu frischem Kapital zu kommen, ist also gleich null. Global betrachtet, ist fast die Hälfte aller kommerziellen Flugzeuge geleast.

Abwrackprämie Aus den USA kommt gerade ein Vorschlag, der zwar nicht ganz neu ist, aber durch sein wirtschaftliches Potenzial Aufsehen erregen könnte. Ähnlich der Abwrackprämie für Autos, bei der Autobesitzer eine Prämie erhalten, wenn sie ihre alten Fahrzeuge verschrotten lassen, könnte der schwächelnde Flug- zeugmarkt mit einer entsprechenden Prämie angeheizt werden. Der Entwurf sieht vor, dass die US-Regierung alte Flugzeuge von den Airlines kauft und selbst verschrottet oder als Ersatzteile weiterverkauft. Damit, so die Idee, hätten die Airlines und Leasingfirmen einen Anreiz zum Kauf neuer Flug- zeuge und für die Regierung entstünden potenzielle Einkünfte aus dem Ver-

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 kauf von Ersatzteilen. Gerade Leasinggesellschaften wären sicher glücklich über eine staatlich subventionierte Flottenerneuerung – wäre da nicht das Nachfrageproblem vonseiten der Airlines. Denn die haben, Prämie hin oder her, eher wenig Interesse am Kauf oder Leasing neuer Flugzeuge, solange sich die Passagierzahlen nicht deutlich erholen.

Abrüstung Eine ganz andere Bedeutung hat die Lagerung zerlegter Flugzeuge unter freiem Himmel übrigens für militärische Fluggeräte. Im Rahmen des Abrüs- tungsabkommens «START» (Strategic Arms Reduction Treaty) verpflichteten sich die USA und die Sowjetunion unter anderem zur Reduktion ihrer stra- tegischen Bomberflotte. Dafür wurden Bomber in grosse Einzelteile zerlegt. Diese mussten dann für mindestens 90 Tage gut sichtbar unter freiem Him- mel gelagert werden, damit sie von den Aufklärungssatelliten der Gegenseite erfasst und ihre Abrüstung bestätigt werden konnte.

Hotspot für Touristen Alternativ kann man alte Flugzeuge auch einfach im Meer versenken. Vor der Küste von Bahrain wurde letztes Jahr eine Boeing 747 in 20 Metern Tiefe versenkt. Auf dem Grund des Golfs von Saros in der türkischen Ägäis liegt mittlerweile eine alte A330, ausrangiert im Jahr 2018. Seither dienen die bei- den Flieger als aussergewöhnliche Tauchreviere, die zahlungskräftige Tou- risten anlocken sollen. Was beweist, dass selbst für Flugzeuge das Leben nach der Pensionierung weitergehen kann. l

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Strahlenschutz ist auch juristisch relevant Auch wenn momentan kaum geflogen wird, ist Strahlenschutz nach wie vor ein wichtiges Thema. In den vorigen Ausgaben der «Rundschau» haben wir bereits wiederholt darüber berichtet. In dieser Ausgabe folgen nun grundlegende juristische Hinter- gründe zu diesem Bereich.

Text: Dominik Haug

Die «Rundschau» hatte die Möglichkeit, mit zwei Strahlenschutzexperten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ein Interview zu führen. Dr. Florian Huber und Dr. Frank Feßler sind Kursleitende im Bereich Strahlen- schutz am Fortbildungszentrum für Technik und Umwelt (FTU) am KIT.

In der Schweiz zählt die Luftfahrt zu den strahlenexponierten Berufen. In Deutschland ist das sicher genauso. Fliegendes Personal ist aufgrund der Flughöhen und der Flugrouten einer erhöhten Exposition durch ionisierende Strahlung in Form von extraterrest- rischer Höhenstrahlung (kosmischer Strahlung) ausgesetzt. Nach deutschem Strahlenschutzrecht unterliegt das fliegende Personal daher einer berufli- chen Strahlenexposition. Es ist nicht auszuschliessen, dass durch den Flug- einsatz Personen eine effektive Dosis von mehr als 1 Millisievert (mSv) im Kalenderjahr erhalten können, so unterliegen sie der strahlenschutzrechtli- chen Überwachung. Hierbei kann eine Dosis ganz allgemein als ein Mass für die Gefährlichkeit einer Strahlenexposition angesehen werden. Die rechnerisch ermittelte effektive Dosis mit der zugehörigen Einheit «Sie- vert (Sv)» leitet sich von der Energiedosis (Einheit «Gray (Gy)») ab. Diese wird mit weiteren Faktoren für die Strahlungsart und die Gewebeempfindlichkeit multipliziert, um schliesslich die Schutzgrösse «effektive Dosis» zu erhalten. Im Unterschied zur vorherigen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) spre- chen das seit 31.12.2018 in Deutschland vollumfänglich in Kraft getretene Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) sowie die neue Strahlenschutzverordnung nicht mehr von beruflich strahlenexponierten, sondern nur noch von beruf- lich exponierten Personen.

Welche Konsequenzen hat dies für Arbeitgeber und -nehmer? Gemäss Paragraph 50 des deutschen Strahlenschutzgesetzes bedeutet dies zunächst einmal, dass, wer beabsichtigt ein Luftfahrzeug zu betreiben, das

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 in der deutschen Luftfahrzeugrolle eingetragen ist, dies der zuständigen Behörde vier Wochen vor der beabsichtigten Aufnahme des Betriebs anzu- zeigen hat. Dies kann auch entsprechend für den Betrieb von Luftfahrzeu- gen, die in einem anderen Land registriert sind, gelten. Namentlich dann, wenn der Betreiber deutscher Staatsangehöriger oder eine juristische Per- son oder Personengesellschaft mit Sitz im Geltungsbereich des deutschen Strahlenschutzgesetzes ist und fliegendes Personal einsetzt, das in einem Beschäftigungsverhältnis nach dem deutschen Arbeitsrecht steht. Bereits aus den dieser Anzeige beizufügenden Unterlagen lassen sich erste Konsequenzen für den Arbeitgeber ableiten. So bedarf es beispielsweise des Nachweises der Bestellung der für die sichere Durchführung der Tätigkeit notwendigen Anzahl von fachkundigen Strahlenschutzbeauftragten. Ausser- dem muss sichergestellt sein, dass die bei der Tätigkeit sonst tätigen Perso- nen das notwendige Wissen und die notwendigen Fertigkeiten im Hinblick auf eine mögliche Strahlengefährdung und die anzuwendenden Schutzmass- nahmen besitzen. Generell sind Arbeitgeber verpflichtet, alle gesetzlich vorgeschriebenen Massnahmen zu ergreifen, Arbeitnehmer einer möglichst geringen Strah- lenexposition auszusetzen und vor möglichen Schäden durch ionisierende Strahlung zu schützen. Das nationale Strahlenschutzrecht definiert hierfür umfangreiche administrative und organisatorische Massnahmen. Im Falle des fliegenden Personals hat die strahlenschutzverantwortliche Person beispiels- weise dafür zu sorgen, dass der Pflicht zur Dosisreduzierung insbesondere bei der Aufstellung von Arbeitsplänen Rechnung getragen wird (§ 75 Abs. 3 StrlSchV). Darüber hinaus stellen die Unterweisung des exponierten Perso- nals vor Aufnahme der Tätigkeit sowie die Überwachung und Mitteilung der erhaltenen Dosen (Dosimetrie) wesentliche Aspekte bei der Wahrnehmung der Strahlenschutzaufgaben dar. Das exponierte Personal selbst ist verpflichtet, die im Rahmen einer Strah- lenschutzanweisung (ähnlich einer Betriebsanweisung) durch den Strahlen- schutzverantwortlichen beziehungsweise -beauftragten festgelegten Vorga- ben einzuhalten, um eigenverantwortlich die Belastung durch ionisierende Strahlung zu minimieren.

Das Gesetz sieht die Minimierung der Strahlenbelastung vor. Welche Kon- sequenzen sieht das Gesetz bei Missachtung vor? Sowohl das in Deutschland gültige Strahlenschutzgesetz (beispielsweise §194 StrlSchG «Bussgeldvorschriften») als auch die in Kraft befindliche Strah-

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 lenschutzverordnung (beispielsweise § 184 StrlSchV «Ordnungswidrigkei- ten») treffen in ihren jeweiligen Paragraphen Aussagen über Ordnungswid- rigkeiten, die auch mit entsprechenden Bussgeldern belegt werden können. Letzteres kam in Deutschland in den vergangenen Jahren jedoch eher selten zur Anwendung.

Welche Arten von Strahlung gibt es überhaupt? Gelten die Grenzwerte für alle Arten gleichermassen? Zu den im Strahlenschutz relevanten Strahlenarten zählen aufgrund ihrer hohen Energien Alpha (α)-, Beta (β)- und Gamma (γ)- beziehungsweise Rönt- gen- sowie auch Neutronenstrahlung. Während α-Strahlen, β-Strahlen sowie Neutronenstrahlung zu den Partikelstrahlungsformen gehören, stellen γ- beziehungsweise Röntgenstrahlen elektromagnetische Wellen, wie zum Bei- spiel auch das sichtbare Licht, dar. Jedoch besitzt sichtbares Licht Energien von einigen wenigen Elektronenvolt (eV), wohingegen die Energien der γ- oder Röntgenstrahlen in Bereichen von einigen Megaelektronenvolt liegen kön- nen. Aufgrund dieser sehr hohen Energien, die auch bei α-, β- und Neutro- nenstrahlen auftreten können, sind diese Strahlenarten in der Lage, Materie, auf die sie treffen, auf direktem Wege (elektrisch geladene Alpha- und Beta- Strahlung) oder aber auf indirektem (elektrisch neutrale Gamma-, Röntgen- oder Neutronenstralung) zu ionisieren. Daher lassen sich die aufgeführten Strahlenarten auch unter dem Begriff «ionisierende Strahlung» zusammen- fassen. Findet diese Ionisierung an Bestandteilen lebender Zellen statt, so können diese hierbei verändert werden, was in den ungünstigsten Fällen zu entsprechenden Schädigungen führen kann. Die im Strahlenschutzrecht definierten Grenzwerte wie die maximal erlaubte effektive Dosis pro Kalenderjahr von 20 mSv gelten unabhängig von der Art der Strahlung. Es wird hierbei letztlich auch nicht unterschieden, ob eine Expo- sition aufgrund einer äusseren Strahleneinwirkung oder infolge einer unbeab- sichtigten Aufnahme einer radioaktiven Substanz in den Körper (Inkorporation) auftritt. Somit beschreibt eine aufgrund der Inkorporation eines α-Strahlers ermittelte innere Dosis von 6 mSv das gleiche Risiko einer eventuellen gesund- heitlichen Schädigung, wie das einer äusseren Exposition der gleichen Dosis infolge des Aufenthalts in einem externen γ-Strahlungsfeld. Für das fliegende Personal ergibt sich die zu ermittelnde effektive Dosis ausschliesslich aus der äusseren Strahlenbelastung aufgrund kosmischer Strahlung, wobei γ- und Neutronen-, beziehungsweise Protonenstrahlen etwa je zur Hälfte zur Dosisbelastung beitragen.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 In der Berufsfliegerei wird auf Interkontinentalstrecken eine durchschnitt- liche jährliche Belastung von 2 bis 4 mSv berechnet. Wie ist dies im Gesamt- kontext der strahlenexponierten Berufe einzuordnen? Vielleicht könnt ihr ein paar Beispiele aus anderen Bereichen zur besseren Einschätzung nennen? Der deutschen Strahlenschutzgesetzgebung entsprechend, müssen Betrei- ber von Luftfahrzeugen die aus der kosmischen Strahlung resultierende erhöhte Exposition ihres fliegenden Personals mittels amtlich zugelassener Rechenprogramme ermitteln, sofern die resultierende effektive Dosis 1 mSv im Kalenderjahr überschreiten kann. Im Jahre 2017 wurde in Deutschland für rund 44 800 Personen auf diese Weise eine effektive Dosis ermittelt (Abb. 1) und hierbei eine Kollektivdosis von 93 Sievert (Sv) festgestellt. Mit einer daraus abgeleiteten mittleren Jahresdosis von 2,1 mSv pro Person stellt das fliegende Personal somit zwar die am höchsten exponierte Berufsgruppe in Deutschland dar, allerdings ist das Auftreten von hohen Dosiswerten wie im medizinischen oder technischen Bereich oder gar das Erreichen des Dosisli- mits von 20 mSv pro Kalenderjahr praktisch ausgeschlossen. Insgesamt wurden in Deutschland im Jahre 2017 rund 413 200 Personen während ihrer beruflichen Tätigkeit auf ihre Strahlenexposition überwacht. Nur bei rund 22 Prozent dieser Personen wurde eine messbare Jahresperson- endosis festgestellt. Abbildung 2 enthält die Ergebnisse der Personendosis- überwachung in drei Gruppierungen unterteilt (BMU Bericht 2017 [1]). Ergänzend hierzu veranschaulicht Abbildung 3 für verschiedene Beschäfti- gungsbereiche die Personenzahl, die eine messbare Dosis erhalten hat, sowie die mittlere Jahrespersonendosis dieser Personen (Daten BMU-Bericht 2017 [1]). Bei rund 368 000 Personen erfolgte die Überwachung mittels Personendo- simetern. Davon waren rund 81 Prozent im medizinischen Bereich tätig. Die Summe der Jahresdosis aller mit Personendosimetern überwachten Personen betrug 23 Personen-Sievert, die mittlere JahresPersonendosis 0,06 mSv. Bei 86 Prozent der mit Personendosimetern überwachten Personen lagen die ermit- telten Werte unter der kleinsten feststellbaren Dosis von 0,05 mSv im Jahr. Für die Personen mit einer von Null verschiedenen Jahresdosis ergibt sich eine mittlere Jahres-Personendosis von 0,45 mSv. Der JahresGrenzwert von 20 mSv wurde im Jahr 2017 von zwei Personen überschritten. Bezogen auf die Gesamtzahl der Überwachten sind dies 0,0005 Prozent (BMU Bericht 2017 [1]).

Welche Folgen sind als Berufskrankheiten anerkannt? Als Berufskrankheiten werden arbeitsbedingte Erkrankungen bezeichnet, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch beson-

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 dere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre berufliche Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die in diesem Sinne anerkannten Krankheiten sind in Deutschland in der Berufskrankheiten-Verordnung [2] aufgelistet. Die Erkrankung durch die Einwirkung ionisierender Strahlung ist dort unter der Nummer 2402 aufgeführt. Die beim fliegenden Personal durch ionisierende Strahlung möglicherweise auftretenden Erkrankungen fallen in die Gruppe der Strahlenspätschäden, die nach langzeitiger oder wiederholter Einwirkung auch kleiner Strahlen- dosen auftreten können. Hier sind vor allem Leukämien und andere mali- gne Tumore als strahlenbedingte Spätschäden bedeutsam. Die Eintrittswahr- scheinlichkeit dieser Erkrankungen ist dosisabhängig. Bei der Beurteilung, ob eine Erkrankung auf eine berufsbedingte Strahlenex- position zurückzuführen ist, ist eine eingehende Arbeitsanamnese insbeson- dere un-ter Berücksichtigung der Ergebnisse der Personendosisermittlungen von entscheidender Bedeutung. Auch durch die Einhaltung der Grenzwerte ist nicht automatisch eine Verneinung des Kausalzusammenhanges begrün- det. Allerdings legen epidemiologische Untersuchungen nahe, dass für eine Dosis von weniger als 50 mSv in relevanten Organen in der Regel der Anteil der beruflich verursachten, strahlenbedingten Tumore in dieser Gruppe geringer als 10 Prozent ist, was zumeist keine arbeitsbedingte Ursache des aufgetretenen Tumors impliziert. [3]

Gibt es Möglichkeiten, sich als Arbeitnehmer zu schützen, auch wenn der Arbeitgeber dies nicht tut? Oberstes Gebot des Strahlenschutzes ist es, jede unnötige Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt zu vermeiden. Auch jede Exposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt unterhalb der Grenzwerte ist so gering wie möglich zu halten. Hierzu sind unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls je nach Tätigkeit der Stand von Wissenschaft und Technik beziehungsweise der Stand der Technik zu beachten. Zur Umset- zung dieser Strahlenschutzgrundsätze dienen bezüglich äusserer Expositio- nen typischerweise die sogenannten «drei A» des Strahlenschutzes: Abschir- mungen verwenden, Abstand halten und Aufenthaltsdauern verringern. Hinsichtlich des Betriebs von Luftfahrzeugen stellt sich die Umsetzung der ersten Massnahme (Abschirmungen verwenden) sicherlich als jene mit der kleinsten möglichen Wirkung dar. Die anderen beiden lassen sich jedoch

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 mittels der auch gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur entsprechenden Planung der Flugzeiten und Flugrouten gut umsetzen. Die in Abbildung 3 aufgeführte mittlere jährliche effektive Dosis für das fliegende Personal von 2,1 mSv liegt im Bereich der gemittelten natürlichen, das heisst terrestrischen und extraterrestrischen Exposition der Bevölkerung durch ionisierende Strahlung (ca. 2 mSv pro Jahr). Obwohl das fliegende Per- sonal somit zu der Berufsgruppe mit der höchsten beruflichen Exposition gehört, liegen die Dosiswerte dennoch auf dem Niveau der natürlichen Expo- sition der Bevölkerung. Betrachtet man zusätzlich die gemittelte Exposition der Bevölkerung aus zivilisatorischen Quellen, zum Beispiel durch medizini- sches Röntgen, von abermals 1,7 mSv pro Jahr, so ergeben sich in Summe zirka 3,7 mSv pro Jahr für nicht beruflich exponierte Personen. Das fliegende Per- sonal erhält mit insgesamt zirka 5,8 mSv pro Jahr eine im Durchschnitt um etwa 36 Prozent erhöhte effektive Dosis. Dieser Vergleich verdeutlicht die Effektivität der gesetzlich vorgeschriebenen und einzuhaltenden Strahlen- schutzmassnahmen. Zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Anforderungen zum Schutz vor Expositionen von Personen durch kosmische Strahlung beim Betrieb von Luftfahrzeugen ist in Deutschland das Luftfahrt-Bundesamt (§ 189 StrlSchG). Herzlichen Dank für das Interview und die Erklärungen! l

Quellen 1. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung; Jahresberichte 1997– 2017, http://www.bfs.de/DE/mediathek/berichte/umweltradioaktivitaet/ umweltradioaktivitaet.html 2. Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 10. Juli 2017 (BGBl. I S. 2299) geändert worden ist 3. Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung «Erkrankungen durch ionisierende Strahlen» Bek. des BMAS vom 24.10.2011 bis IVa 4-45222-2402 – GMBl. 2011, Nr. 49-51, S. 983-993

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Der Staat eilt zur Rettung Die Corona-Krise und ihre Folgen haben die Airlines der ganzen Welt hart getroffen. Beinahe alle Marktteilnehmer werden auf die eine oder andere Weise von ihren Heimatstaaten gestützt. Dies führt zu massiven Veränderungen der Marktstruktur. Ausgerech- net Airlines wie Alitalia, die schon lange finanzielle Probleme haben, könnten zu potenziellen Gewinnern der Krise avancieren.

Text: Roman Boller

Vor noch nicht allzu langer Zeit lag eines der grössten Probleme europäi- scher Airlines in der Bekämpfung unfairer internationaler Konkurrenz. Die staatlich gestü-tzten Airlines, allen voran diejenigen aus den Golfstaaten, der Türkei und China, waren der Lufthansa, Air France KLM und IAG ein Dorn im Auge. Auch das EU-Parlament nahm sich der Problematik an und stimmte im März 2019 scharfen Regeln gegen unfairen Wettbewerb durch Staats-Airlines zu. Mit diesem Schutzinstrument sollte die Diskriminierung europäischer Fluggesellschaften verhindert werden. Genau ein Jahr später lockert die EU-Kommission dann selber die Beihilferegelungen für Staatshil- fen in Europa – selbstredend vor einem ganz neuen Hintergrund. Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Krise sollen die Staaten die Möglichkeit haben, ihren Unternehmen unter die Arme greifen zu können.

Verstaatlichung: Fluch oder Segen? Weil in den letzten Jahrzehnten die Wirtschaft immer liberaler und interna- tionaler geworden ist, schwanden auch die staatlichen Beteiligungen immer mehr. Bestes Beispiel dafür ist die Lufthansa. Bis in die Sechzigerjahre war die Airline nahezu vollständig im Staatsbesitz. Erst mit dem Anbruch des Jet-Zeitalters und den damit verbundenen hohen Investitionen in neue Flugzeuge erfolgte die erste Teilprivatisierung. Der Staatsanteil sank dabei auf 75 Prozent. In den Jahren 1990–1993 musste aufgrund hoher Verluste ebenfalls Kapital beschafft werden, worauf der Staatsanteil weiter auf 35 Prozent sank. Mit der Intensivierung des Konkurrenzkampfes im Airline- markt verkaufte der Staat dann 1994 die Reste seiner Anteile. Man war zur Einsicht gelangt, dass ein privat geführtes Unternehmen im hart geführ- ten Wettbewerb besser bestehen kann. Nach mehr als zwei Jahrzehnten muss der Staat nun rettend zu Hilfe eilen. Immer mehr Politiker fordern im Namen des wiedererstarkenden Nationalismus offen, ganze Wirtschaftsbe-

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 reiche zu verstaatlichen. Italien hat damit schon früh in der Krise begon- nen. In Frankreich und anderen europäischen Ländern freunden sich die Regierungen ebenfalls mit dem Gedanken an. Das aktuelle Virus kommt als Begründung gerade recht. Auch die Angst vor der stillen Übernahme wich- tiger Unternehmen durch ausländische Investoren treibt den Willen für ein staatliches Einschreiten voran. Ein solch drastischer Eingriff in die Privat- wirtschaft ist jedoch mit Risiken verbunden. Bei Aktiengesellschaften resul- tiert durch den meist günstigen Kaufpreis des Staates eine Verwässerung der Aktien bestehender Investoren. Ausserdem verlieren bisherige Aktio- näre an Einfluss und eine Dividendenzahlung wird meist für mehrere Jahre ausgesetzt. Viel zu reden gibt auch die Thematik des Mitspracherechts. Der Staat als Eigentümer verfolgt oft Ziele, die von denen privater, gewinnorien- tierter Führungspersonen abweichen. Wie einschneidend eine solche staat- liche Einmischung für ein Privatunternehmen sein kann, zeigt die Reaktion des Lufthansa-CEOs während der Verhandlungen zur Staatsunterstützung. Carsten Spohr lehnte eine grosse Unterstützung in Form von Eigenkapital kategorisch ab. Um ein solches Einschreiten des Staates zu verhindern, zog man im Management der Lufthansa sogar in Betracht, den Weg der Insol- venz in Eigenverwaltung zu gehen. Ein solches Schutzschirmverfahren kann nur beantragt werden, wenn ein Unternehmen droht, zahlungsunfähig zu werden, jedoch positive Sanierungsaussichten bestehen. Diese Sanierung soll unter Beteiligung des bisherigen Managements stattfinden. Dieses hat dann unter einfacheren Bedingungen als im Normalbetrieb die Möglichkeit, sich von Schulden oder Pensionslasten zu befreien, während der Betrieb wei- terlaufen kann. Das ist schön für das Unternehmen, für die Mitarbeiter aller- dings nicht unbedingt. Denn auch Arbeitsverträge sind im Schutzschirmver- fahren einfacher zu kündigen und Abfindungen sind nicht vorgesehen. Kein Wunder also, dass die Belegschaft der Lufthansa-Gruppe dieser Möglichkeit mit grosser Sorge entgegensah. Condor hat nach dem Konkurs der Muttergesellschaft Thomas Cook bereits vor der Corona-Krise diesen Weg eingeschlagen. Lange sah es so aus, als fände dieses Schutzschirmverfahren mit der Übernahme durch die polnische PGL-Gruppe ein gutes Ende. Nach dem Einsetzen der Krise hat sich diese jedoch aus dem bereits vereinbarten Vertrag zurückgezogen, wodurch dann trotzdem der Staat mit 550 Millionen Rettungskredit einspringen musste. Die Suche nach einem neuen Käufer läuft bei Condor also weiter. Das Schutz- schirmverfahren im Deutschen Insolvenzrecht basiert auf dem Vorbild des Insolvenzverfahrens nach «Chapter 11» der USA. Dieses Verfahren wurde in

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 der Vergangenheit bereits von zahlreichen amerikanischen Airlines genutzt und ist auch in der aktuellen Krise ein wichtiges Instrument. Unter anderem haben sich die LATAM und die Avianca Holdings bereits für das Verfahren nach Chapter 11 angemeldet.

Kredit oder Eigentum Der Vorteil von eingeschossenem Eigenkapital des Staates gegenüber vorü- bergehend zur Verfügung gestellten Krediten besteht jedoch darin, dass es weder zurückbezahlt noch verzinst werden muss. Darüber hinaus stellt sich aber ganz grundsätzlich die Frage, ob der Staat, der die Spielregeln gestal- tet, auch selber Mitspieler im Markt sein soll. Kleinere Airlines oder solche, bei denen der Staat nicht aktiv einsteigt, befürchten strategische Nachteile. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass eine staatliche Rettung langfris- tig nicht unbedingt Erfolg verspricht. Während der Finanzkrise 2008 stieg der deutsche Bundesstaat mit 25 Prozent bei der, auf finanzielle Unterstüt- zung angewiesenen, Commerzbank ein. Der Aktienkurs viel von 230 Euro auf unter 30 Euro. Heute schwankt der Kurs im einstelligen Bereich und hat der Staatskasse entsprechende Verluste beschert. Noch immer hält der Staat 15 Prozent der Anteile. Einen komplett anderen Verlauf haben hingegen die amerikanischen Banken nach deren Rettung in der Finanzkrise genommen. Dort erholte sich der Kurs nachhaltig, womit für den Staat sogar ein Gewinn resultierte. Mit dem Aufkommen der Corona-Krise zeigte sich besonders im Airlinemarkt schnell, dass ein Überleben der Airlines ohne Unterstützung schwierig würde. Je nach Land wurde anders reagiert, woraus sich unter- schiedlichste Arten der Staatshilfe ergaben. Ob diese erfolgreich enden wer- den, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sich der Staat als Aktionär verhalten wird.

Flickenteppich Europa Soll der Staat der Schweizer Luftfahrt in ihrer wohl schwersten Krise zu Hilfe eilen? Wie könnte eine solche Unterstützung aussehen? In der Schweiz hat man auf diese Fragen eine vergleichbar pragmatische Antwort gefunden, die auch in anderen europäischen Ländern in ähnlicher Form Anwendung findet. Die SWISS und die Edelweiss erhalten einen fünfjährigen Bankkredit in der Höhe von 1,5 Milliarden Franken, um die Liquidität zu sichern. Für 85 Prozent des Betrags verbürgt sich der Bund, während für den Rest die Banken das Risiko tragen. Die SWISS hinterlegt im Gegenzug ihre Aktien als Sicherheit beim Bund. Es fliessen also vorerst keinerlei Steuergelder in die

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 grösste Airline der Schweiz. Auch soll der Kredit, anders als bei den regulä- ren Corana-Krediten, zu marktüblichen Konditionen mit über drei Prozent verzinst werden. Nebst diversen anderen Bedingungen sollen die Schweizer Staatshilfen ausserdem in einem angemessenen Verhältnis zum Engagement der Muttergesellschaft Lufthansa stehen. Es war für das Überleben der SWISS und der Edelweiss also auch entscheidend, dass sich der deutsche Staat mit der Lufthansa einigt. Dort waren die Verhandlungen um einiges intensiver und wurden von den Medien publikumswirksam dramatisiert. Nach der Eini- gung zwischen der deutschen Regierung, der Lufthansa und der EU-Kommis- sion stimmten auch die Aktionäre der Vereinbarung zu. Das Rettungspaket sieht vor, dass durch den staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds Aktien im Wert von 300 Millionen Euro gezeichnet werden. Dies würde einer Betei- ligung von 20 Prozent entsprechen. Der Kaufpreis liegt dabei bei 2.56 Euro und somit deutlich unter dem aktuellen Aktienkurs. Nach mehr als 20 Jah- ren Abwesenheit, könnte Deutschland nun also wieder Miteigentümer und grösster Einzelaktionär der Lufthansa werden. Insgesamt umfasst das Ret- tungspaket neun Milliarden Euro und bewegt sich damit in einem ähnlichen Rahmen wie die Hilfe für Air France. Frankreich eilt der Airline mit sieben Milliarden Euro zu Hilfe. Diese Summe setzt sich aus drei Milliarden Staats- kredit und vier Milliarden staatliche Garantien für Bankkredite zusammen. Die Partnerairline KLM erhält aus den Niederlanden 3,4 Milliarden Euro. Paris und Den Haag besitzen jeweils rund 14 Prozent der Luftfahrtgesellschaften. Eigene Wege schien zu Beginn der Krise hingegen IAG zu gehen. England machte keine Anstalten, die heimische British Airways zu unterstützen, was von dieser auch nicht erwünscht war. Die Konzernleitung der IAG, zu der auch die spanischen Airlines Iberia und Vueling sowie die irische gehören, lehnte Staatskredite als nicht notwendig ab. Laut Konzernleitung der IAG wäre eine solche Hilfe nur kurzfristiger Natur und biete keine Lösung für künftige Herausforderungen. Ausserdem dürfe von einer grossen Airline erwartet werden, durch eine solche Krise zu kommen, ohne gleich staatliche Mittel zu beziehen. Gleichzeitig wurden jedoch 20 000 Mitarbeiter der IAG in Kurzarbeit geschickt. Mit zunehmendem Ausmass der Krise besann man sich auch bei IAG darauf, dass man auf staatliche Unterstützung angewiesen sein wird. Die spanischen Vertreter erhielten eine Milliarde Euro, wovon 750 Mil- lionen für Iberia bestimmt sind, während der Rest zu Vueling fliesst. British Airways hat hingegen nach wie vor keine staatliche Unterstützung erhalten. Um an zusätzliches Geld zu kommen, plant IAG ausserdem eine Kapitaler- höhung von deutlich über zwei Milliarden Euro. Die grösste IAG-Aktionärin

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 hat bereits zugesagt, diesen Plan zu unterstützen. Im Schat- ten dieser drei grossen Konzerne wird auch für kleinere Airlines grosszügig aus dem Staatshaushalt geschöpft. Bei der seit längerem defizitären TAP hat Portugal seinen Anteil von 50 Prozent auf über 70 Prozent erhöht. Schweden und Dänemark halten jeweils 15 Prozent der SAS-Anteile und verbürgen sich in dieser Krise für 308 Millionen Euro Bankkredite. Auch der norwegische Staat könnte sich noch mit zusätzlichen Millionen beteiligen.

Vom Sorgenkind zum Krisengewinner Grosse Restrukturierungen sind bei allen Airlines im Gange. Ob und wie lange diese Unterstützungen ausreichen ist offen. Klar ist jedoch, dass es viele Jahre dauern wird, bis die jetzt aufgenommenen Schulden abbezahlt sind. Dass auch nach der Krise noch geflogen wird, ist unbestritten. Die Marktstruktur hinter den Airlines dürfte sich jedoch nachhaltig ändern. Nach dem Einstieg vieler Staaten in «ihre» Airlines herrscht eine Situation wie vor 30 Jahren. Mitbewerber ohne staatliche Beteiligung monieren zu Recht, dass durch diese neue Ordnung die freie Marktwirtschaft bedroht ist. Die Managements der unterstützten Luftfahrtkonzerne wiederum beklagen sich über mögliche Einmischungen der neuen Anspruchsgruppe. Diese könnten auf Kosten der Produktivität einen grösseren Fokus auf Emissionsthemen wie Lärm oder Umwelt legen. Ausserdem verfolgen Politiker manchmal ihre Ziele nicht konsequent und langfristig, sondern passen sie den politischen Modeerscheinungen an. Das kann einem Unternehmen zusätzlich erschwe- ren, eine langfristige Strategie zu verfolgen. Wirklich glücklich scheint mit der neuen Situation im Markt noch niemand zu sein. Ob sich diese wie vor 30 Jahren wieder ändern wird, muss sich zeigen. Die von der EU-Kommission neu geschaffene Möglichkeit, angeschlagene Unternehmungen einfacher zu unterstützen, kommt vor allem denjenigen Staaten gerade recht, bei welchen die Airlines ohnehin schon finanzielle Probleme hatten. Gerade diese noto- risch maroden Unternehmen könnten nun zu den Krisengewinnern avan- cieren. War es vor dem Hintergrund der Wettbewerbsverzerrung und unter den strengen Augen der EU-Kommission bisher nur eingeschränkt möglich, staatliche Unterstützung zu rechtfertigen, können solche Hilfsprogramme nun einfacher durchgeführt werden. Der offiziellen Verstaatlichung unren- tabler Airlines steht nun nichts mehr im Weg. l

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Aus Alt wird Neu: Dock A für die Zukunft Dem Flughafen Zürich steht eines seiner umfassendsten Bauvor- haben bevor. Die Details der Durchführung werden derzeit in ei- nem Studienwettbewerb erörtert. Jedoch sind Dimensionen und Eigenschaften des Ersatzneubaus für das 1985 eröffnete Dock A bereits publiziert. Eine Übersicht über die Herausforderungen und Möglichkeiten des Riesenprojekts.

Text: Kevin Fuchs

Mit einer Swissair DC-4, die am 14. Juni 1946 als erstes Flugzeug die Piste 28 zum Start nach London nutzte, wurde der Grundstein für eine Schwei- zer Erfolgsgeschichte gelegt: Der Flughafen Zürich-Kloten wurde feierlich eröffnet. Der zuvor im gemischt zivil-militärischen Betrieb genutzte Flughafen Dübendorf war für den Einsatz als Grossflughafen als ungeeignet eingestuft worden. Nachdem vom ehemaligen Schweizer Bauunternehmen Locher & Cie im Auftrag der Regierung mehrere Standorte geprüft worden waren, wurde das sogenannte «Projekt I» zum Favoriten. Das Projekt sah den Bau von vier Pisten im Moorgebiet zwischen Kloten und Oberglatt vor. Andere Ideen, wie die eines Zentralflughafens bei Utzenstorf, nördlich von Bern, verloren rasch an Bedeutung. In seiner mehr als 70-jährigen Geschichte hat sich der Flughafen Zürich zu einer Grösse in der Branche entwickelt. ZRH überzeugt bei Passagie- ren mit seinen kurzen Wegen, einem umfangreichen Shopping-Erlebnis und einer exemplarischen Anbindung der Schweiz an die Welt. Der Flug- hafen wurde 2019 zum 16. Mal in Folge mit dem «Europe’s Leading Air- port Award» ausgezeichnet. Zudem ist das Unternehmen seit nunmehr 20 Jahren im Auftrag des Bundes börsenkotiert. Auch Spotter zieht es seit langer Zeit aus angrenzenden Ländern in die Region, um die startenden und landenden Maschinen an einem der eigens angelegten Aussichtspunkte fotografisch festzuhalten. Doch reibungs- los ist der Betrieb leider nicht immer. Die einseitige deutsche Verord- nung, Ränkespiele innerhalb der Schweizer Politik und die Anliegen der Flughafen-Anrainer verhindern seit Jahren die Entflechtung der An- und Abflüge. Dabei würde gerade diese Entflechtung auch massgeblich zu einer erhöhten Sicherheit beitragen – ganz zu schweigen von der Pünkt- lichkeit.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Durchdacht positioniert und kapazitätserweiternd Noch ist der seit 2017 im Bau befindliche Circle nicht fertiggestellt und der Flughafen plant bereits sein nächstes Grossprojekt. Denn das 1985 eröffnete Dock A ist in die Jahre gekommen und muss sich durch einen Ersatzneubau den Herausforderungen der Luftfahrt des 21. Jahrhunderts stellen können. Mit einem Passagieraufkommen von jährliche über 30 Millionen Fluggästen seit 2018 und Wachstumsprognosen für die kommenden Jahre müssen drin- gend neue Kapazitäten geschaffen werden. In seiner zentralen Lage wird am Dock A rund ein Drittel der täglichen Flüge abgefertigt. Der Neubau bei laufendem Flugbetrieb stellt den Flughafen vor die wohl bisher grösste logistische Herausforderung seiner Geschichte. Denn eine vorübergehende Schliessung des Docks ist keine Option, da die «Alpha-Gates» auch in der Bauphase dringend benötigt werden. So entstand das Konzept, das neue Dock A parallel an das alte Gebäude angrenzend zu errichten. Nach Fertigstellung des 520 Meter langen und 47 Meter breiten Gebäudes wird zunächst der Betrieb auf die bereits fertiggestellten Stand- plätze der Nordseite verlagert, bevor die Standplätze im Süden komplettiert werden. Analog zum bestehenden Dock B wird das neue Dock zwei Passagierebenen besitzen – eine Ankunfts- und eine Abflugsebene. Ein zusätzlicher Korri- dor in einem Zwischengeschoss ermöglicht die flexible Nutzung als Non- Schengen-Bereich. So können auch interkontinentale Flüge abgefertigt wer- den. Unterirdisch wird ein Zugang zur Passkontrolle ermöglicht. Durch seine nach Norden verlagerte Position ergibt sich mehr Platz auf dem Hof zwi- schen Dock A und B. Damit ist der Hof zukünftig keine Sackgasse mehr und mit einem neuen Taxiway können Flugzeuge dereinst unabhängig hinein- und hinausrollen. Die bisherigen Standplätze für Langstreckenflugzeuge an der Nordseite vom Dock B müssen dafür weichen. Jedoch entstehen mittig vor dem Airside-Center fünf neue Standplätze für Code-C-Flugzeuge. Die Nordseite des neuen Docks A stellt Gates für bis zu zwölf Kurz- oder acht Langstreckenflugzeuge bis zum Typencode E zur Verfügung. Insgesamt wird der Flughafen durch den Ersatzneubau sieben neue Standplätze gewinnen. Die bisher an der Piste 10/28 angrenzenden India-Standplätze werden einem völlig überarbeiteten, neuen Rollwegkonzept weichen. So können zwei Code- E-Flugzeuge oder alternativ zwei Code-C- mit einem Code-E- Flugzeug anei- nander vorbeirollen – ein bedeutender Fortschritt zur gegenwärtigen Lage. Anfahrtswege für Passagierbusse und Zulieferer werden künftig, ähnlich dem Terminal 2 am Münchener Flughafen, unter dem Gebäude verlaufen.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Das Gebäude selbst ist als eine moderne Stahlrahmenkonstruktion geplant. 24 Hauptrahmen bilden dabei im Abstand von 22 Metern das Grundgerüst. Dieser Abstand und die sich wiederholende Gebäudestruktur wurden spezi- fisch für die neuen Code-C-Standplätze festgelegt.

Blick fürs Detail: Die wahrscheinlichsten Bauszenarien Da die Baustelle den laufenden Betrieb stark einschränken könnte, werden vor dem eigentlichen Baubeginn Umstrukturierungsarbeiten vorgenommen. Dafür werden zum Beispiel unterirdische Versorgungskanäle oder erste Fun- damente für das neue Dock erstellt. Die Bauzeit für die im Gesamtkontext «kleineren» Arbeiten beträgt meh- rere Jahre und ist bereits angelaufen. Abhängig vom Ausgang des aktuellen Studienwettbewerbs sind derzeit unterschiedliche bauliche Vorgehen denkbar. Dabei steht fest, dass nach Abschluss der Vorarbeiten zunächst die Fingerpositionen an der Nordseite des Docks A entfernt werden. Parkpositionen an dieser Stelle rücken bereits an die neu vorgesehenen Stellen. Da dort aber das Gebäude noch nicht errich- tet wurde, werden alle neun Standplätze mit Passagierbussen bedient wer- den müssen. Das entspricht pro Gate einem Transport von 700 000 Passagie- ren im Jahr. Dies ist ebenfalls der Zeitpunkt, an dem die India-Stands entfallen werden. Weil bis zu diesem Moment im «Innenhof» noch keine neuen Standplätze realisiert werden können, sind voll ausgelastete C-, D- und G-Standplätze die Konsequenz. Nicht nur die Buskapazitäten müssen somit stark erhöht, sondern auch die längeren Wege – insbesondere für Umsteigepassagiere – bedacht werden. Sowohl diese Umstände als auch der wegfallende Komfort für den Fluggast, sind bedeutende Argumente für eine möglichst kurze Bauzeit des neuen Docks A. Um für den Ersatzneubau eine seriöse Terminplanung vornehmen zu kön- nen, ist die Baustelle in drei Teilbaustellen unterteilt. Die erste Baustelle wird im Bereich des neuen Towers zu finden sein. Dieser wird weiter östlich als der bisherige angesiedelt sein. Die Teilbaustellen zwei und drei folgen in westlicher Richtung. Aufgrund der Höhe des Gebäudes werden Portalkräne eingesetzt. Der Bau- verlauf sieht das Konzept eines Parallelbetriebs der Teilbaustellen vor. Hier- bei ist jede Teilbaustelle in vier Baufelder definiert: Tiefbau, Rohbau/Beton, Stahlbau und Einbau der Betondecken.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Da sich das Projekt im Sicherheitsbereich des Flughafens befindet, hat man sich für eine Isolierung der Baustelle mittels eines Bauzauns entschieden. Zugang wird über das Gebäude A40 gewährt werden, links angrenzend zum OPC. Die zu Stosszeiten stark frequentierte Zufahrtsstrasse wird dabei als Anlieferungsweg dienen. Unmittelbar vor dem Parkhaus P60 entsteht ein Installationsplatz. Komplexere Bauteile sollen wegen drohenden Kapazitätsengpässen an einem weiteren Installationsplatz zusammengesetzt werden. Dieser wird neben den Gebäuden der REGA ausserhalb des Flughafenareals liegen. Die vormontierten Teile sollen in Nachtschichten über Rollwege und die Piste 10/28 zur Grossbaustelle transportiert werden. So verspricht sich die Flug- hafen Zürich AG einen Zeitraum von zwei Jahren vom Baubeginn bis zur Inbetriebnahme des neuen Docks. In einem weiteren Szenario ist sogar eine Verkürzung der Bauzeit vorgesehen, sollten Infrastruktur und Installati- onsplätze die externe Vorfertigung ganzer Gebäudeteile zulassen. Dabei ist die Idee, rund 2000 Tonnen schwere Einzelsegmente des Docks, die bereits mit grundlegender Haustechnik ausgestattet sind, in der Nacht mit grossen Minenlastwagen über das Rollfeld bis zum Endmontageplatz zu transportie- ren. Die optimistischste Berechnungsvariante geht dabei von einer Gesamt- bauzeit von einem halben Jahr aus – die wohl angenehmste Variante für die von den Baumassnahmen Betroffenen.

Step-by-Step zum Ziel Von der Montageart des neuen Docks unabhängig, wird der Bau eines neuen Towers geplant. Auf seinem eigenen Fundament erfolgt die Fertigstellung des Schafts. Anschliessend wird die Kanzel als Einzelstück aufgesetzt. Letz- tere wird bereits am Installationsplatz voll ausgestattet. So kann zeitnah mit dem Schulungsbetrieb begonnen und der Parallelbetrieb beider Tower verhindert werden. Mit der abgeschlossenen Installation der Gebäudesegmente und des Tow- ers werden die ebenfalls vormontierten nördlichen Fluggastbrücken an ihren Elementen platziert. Mit der Einführung der neuen, unter dem Gebäude verlaufenden Ser- vice-Strassen für Busse und andere Fahrzeuge erfolgt die Verlagerung des Betriebs vom alten in das neue Dock. Im nächsten Schritt wird das alte Dock A inklusive des alten Towers abgebrochen. Gleichzeitig können die fünf neuen Standplätze vor dem Airside-Center in Betrieb genommen werden. Vom alten Dock werden wenige Teile des Untergeschosses als Betriebsräume

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 weiterhin existieren. Nach dem Abbruch können auch die südlichen Vorfeld- türme angebracht werden und letztlich erstmals den Vollbetrieb des neuen Docks A ermöglichen.

Raffiniert und einzigartig Ein derart ausgeklügeltes Projekt für einen Terminalersatzbau, der sowohl geografisch als auch zeitlich parallel zum laufenden Flugbetrieb entsteht, sucht man im europäischen Umfeld vergebens. Mit dem neuen Terminal 3 des Frankfurter Flughafens befindet sich seit dem Spatenstich im Jahr 2015 ein ähnliches Grossprojekt im Bau. Es entsteht im südöstlichen Teil des Flug- hafens, nahe der Piste 25L. Die gänzlich neue Gebäudeeinheit verfügt über drei Flugsteige und eine Abfertigungskapazität von jährlich bis zu 21 Mil- lionen Passagieren. Da der Rollverkehr im Süden des Flughafens durch das neue Terminal enorm zunehmen wird, ist an dieser Stelle ein neuer Vorfeld- Tower mit einer Gesamthöhe von 70 Metern als Teil des Projekts unum- gänglich. Die geplante Fertigstellung des Terminals im Jahr 2023 nannte der Flughafenbetreiber Fraport bereits im vergangenen Juni unrealistisch. Eine Inbetriebnahme soll frühestens 2024 erfolgen. Dies sei unter anderem auf den durch die Corona-Pandemie bedingten massiven Stellenabbau, der rund 3000 bis 4000 Fraport-Mitarbeiter betreffen wird, zurückzuführen. Gespannt sieht man also nicht nur bei der Flughafen Zürich AG dem bevor- stehenden Umbau entgegen. Aus Pilotensicht steht man zumindest den kurzen Bauzeiten eher skeptisch gegenüber. Es stellt sich auch die Frage, ob das Layout des Flughafens mit seinen Einschränkungen die zusätzli- chen Passagiere pünktlich abfertigen kann. Denn Verspätungen sind bereits heute ein leidiges Thema. Trotzdem ist diese Investition begrüssenswert. Denn sie signalisiert, dass die Tür zur Welt für die Schweiz nachhaltig offenbleiben soll.

Interview mit Bettina Kunz, Senior Mediensprecherin der Flughafen Zürich AG

«Rundschau»: Frau Kunz, wann ist der Baubeginn für den Umbau des Docks A vorgesehen? Bettina Kunz: Es wird keinen Umbau, sondern einen Ersatzneubau des Docks A geben. Zurzeit läuft der Studienwettbewerb, der Ende 2021 abge- schlossen wird. Danach folgen mehrjährige Projektierungsarbeiten und das dazugehörige Genehmigungsverfahren.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Verursacht COVID-19 Bauverzögerungen, die schon jetzt absehbar sind? Nein, denn der Terminplan für die Realisierung des Ersatzneubaus Dock A steht noch nicht fest.

Werden die Passagiere stark unter den Umbaumassnahmen leiden? Da es einen Ersatzneubau geben wird, kann das bestehende Dock A wäh- rend der Bauzeit weiterhin genutzt werden. Dabei werden mehr Passagiere auf offenen Standplätzen, die mit Bussen erschlossen sind, abgefertigt wer- den.

Wann wird der neue Tower installiert werden? Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Es wird jedoch angestrebt, den neuen Tower möglichst früh in Betrieb zu nehmen. Nach dem Abschluss des Studienwettbewerbs wird man dazu mehr wissen.

Ist ein Parallelbetrieb des alten und neuen Towers vorgesehen? Bevor der neue Tower in Betrieb genommen werden kann, wird er eine sehr intensive Testphase durchlaufen müssen. Danach kann der alte Tower abge- löst werden. Im operationellen Betrieb wird es nur einen Tower geben.

Steht das Projekt mit den neuen Standplätzen im Westen des Flughafens in Verbindung zu den Baumassnahmen für das neue Dock A – zum Beispiel um Kapazitätsengpässe aufzufangen? Einige bestehende Standplätze werden während der Realisierung des Ersatz- neubaus temporär wegfallen. Die hierfür notwendigen Ersatzstandplätze sollen jedoch östlich der Piste 16/34 bereitgestellt werden.

Welcher finanzielle Rahmen wird für den Ersatzneubau Dock A festgelegt? Die Kosten für den Ersatzneubau des Docks A werden zusammen mit dem Tower rund 400 Millionen Schweizer Franken betragen. Die Kosten für alle weiteren damit verbundenen Anpassungen, Erweiterungen, Verbindungs- bauten und Anlagen im Hoch- und Tiefbau werden auf weitere zirka 600 Millionen Schweizer Franken geschätzt. Die Gesamtinvestition beträgt somit gegen eine Milliarde Schweizer Franken.

Frau Kunz, herzlichen Dank für das Interview. l

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Zu wenig Arbeit für zu viele Mitarbeiter

Die letzten Jahre waren in der Luftfahrtbranche von grossem Wachstum geprägt. Viele Flug-gesellschaften und Flugzeughersteller sprachen von einem anstehenden Pilotenmangel. Durch die Corona-Pandemie hat sich dies komplett geändert. Die Fluggesellschaften gehen mit der neuen Situation bisher sehr unterschiedlich um.

Text: Dominik Haug

Die Luftfahrt wuchs und wuchs. Selbst die Anschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008 konnten dieses Wachstum nur kurzzei- tig und in geringem Ausmass bremsen. Alle Fluggesellschaften gingen von einem weiterhin steigenden Bedarf an Piloten aus. Manche Gesellschaften und Flugzeughersteller sprachen sogar von einem bevorstehenden Piloten- mangel – insbesondere in den USA und in Ostasien. Auch die «Rundschau» berichtete in der Ausgabe 03/2018 über dieses Thema. Durch die Corona-Pandemie ist der Flugverkehr auf der ganzen Welt in noch nie da gewesenem Ausmass zusammengebrochen und teilweise gar zum Erliegen gekommen. Kaum eine Fluggesellschaft mit interkontinenta- lem Flugverkehr kann diese Krise ohne staatliche Unterstützung oder Garan- tien überleben. Wirtschaftswissenschaftler gehen bekanntermassen davon aus, dass die Wirtschaftskrise, die auf die Pandemie folgen wird, bis min- destens 2023 deutliche Folgen hinterlässt. Selbst danach rechnet die Bran- che noch mit einer geringeren Nachfrage als im Jahr 2019. Nach manchen Einschätzungen wird das Vor-Corona-Niveau erst im Jahr 2026 erreicht wer- den. Aufgrund dieser Wirtschaftskrise und dem längerfristig stagnierenden Wachstum werden viele Fluggesellschaften nicht nur während der Pandemie ein Personalproblem haben. Die Fluggesellschaften gehen damit sehr unter- schiedlich um. Nur teilweise ist dies den politischen Rahmenbedingungen geschuldet. Die Entwicklung in der aktuellen Krise ist sehr schnell und täglich kommen neue Meldungen hinzu. Die nachfolgende Auflistung entspricht daher dem Stand des Redaktionsschlusses am 17. August. Sie soll dabei nur einen Aus- schnitt der momentanen Situation zeigen. Die Kurzarbeitsvereinbarung bei SWISS und Edelweiss ist den meisten Lesern bestens bekannt. Dieser Artikel konzentriert sich daher auf die Situ- ation bei anderen Fluggesellschaften.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 SAS – Scandinavian Airlines Von den ungefähr 11 000 Mitarbeitern vor der COVID-19-Pandemie wurde die Mehrheit im Frühjahr bezahlt nach Hause geschickt. Durch die unter- schiedlichen Stationierungen in Dänemark, Schweden und Norwegen gibt es kleine Unterschiede in den genauen Modalitäten. In Dänemark beispielsweise wurde 85 Prozent des Salärs ohne Pensionszahlungen bezahlt. Im Gegensatz zu den Angestellten der klassischen SAS wurden die Mitarbeiter der neueren SAS Ireland (SAIL) ohne Bezahlung freigestellt. Seit dem Streik im Jahr 2019 ist das Verhältnis zwischen Piloten und Management nicht mehr das beste. Die Kommunikation in der aktuellen Krise ist jedoch gut. In Dänemark wird seit Juli wieder das volle Salär ausbezahlt und auch wie- der 100 Prozent gearbeitet. China und Hongkong werden mit Cargoflügen ohne Layover bedient. Dafür werden sieben Piloten – drei für den Hinflug und vier für den Rückflug – eingesetzt. In Schweden liegt die Arbeitsbelastung bei nur 40 Prozent. Mit der Unter- stützung durch die schwedische Regierung erhalten die Angestellten 90 Pro- zent des Lohns ausbezahlt. In Norwegen sind die Langstreckenpiloten noch zu Hause. Ihr Salär beschränkt sich auf die staatliche Unterstützung. Am Tief- punkt der Produktion in Norwegen waren nur noch sieben B737 für Inland- flüge in Betrieb. Mittlerweile werden wieder 15 dieser Flugzeuge betrieben. Momentan gibt es noch keine konkreten Veränderungen in den Arbeitsbe- dingungen. SAS möchte die Kosten längerfristig um 25 Prozent senken. Der Ramp-up gestaltet sich langsamer als erwartet. Momentan werden mit drei A330 nur Newark, Chicago und San Francisco angeflogen. Auf der Kurzstre- cke werden rund 50 Prozent der ursprünglich geplanten Flüge angeboten. Nach Angaben des Managements sind 650 Piloten zu viel bei SAS ange- stellt. Durch Frühpensionierungen zum 1. Juli konnten 100 Stellen gesichert werden. Die verbleibenden 550 überzähligen Piloten haben ihre Kündigung erhalten und die dienstjüngsten Mitarbeiter sind bereits seit dem 1. August nicht mehr bei SAS angestellt. Rund 75 Kurzstreckenkapitäne werden an jeder der drei Basen wieder als First Officers angestellt werden. Durch den Betrieb der SAS Ireland (SAIL) ist das Verhältnis zwischen Manage- ment und Piloten beschädigt. Die neuen Pläne des Managements, ein weiteres AOC für Kurzstreckenflüge mit 100 bis 150 Passagieren zu gründen, sorgt für weiteres Misstrauen. Die Gewerkschaften haben neue Teilzeitvereinba- rungen vorgelegt, um einen Grossteil der Kündigungen zu verhindern. Diese wurden vom Management aber abgelehnt, da sie an die Aufgabe der Pläne des neuen Kurzstrecken-AOCs geknüpft waren.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Icelandair Mitte Juli wurde bekannt, dass Icelandair sämtliche Kabinenmitarbeiter entlassen hat. Die Fluggesellschaft tat dies, da die Verhandlungen mit den Vertretern der Kabinenmitarbeitern nicht erfolgreich verlaufen waren. Vor- übergehend sollten die Piloten die Tätigkeiten der Kabinenbesatzung über- nehmen. Ende Juli konnten sich die Parteien dennoch auf einen neuen Ver- trag einigen.

British Airways Auch die grösste britische Fluggesellschaft musste den Grossteil der Flotte auf den Boden stellen: Alle A380, alle Boeing 747, alle Flugzeuge in London Gatwick und einen Grossteil der A320 und Boeing 777 in London Heathrow. Mitte Juli wurde auch bekannt, dass British Airways ihre Boeing 747-400-Flotte mit sofortiger Wirkung stilllegt. Über den Fortbestand der A380 und der Kurzstreckenoperation von London Gatwick aus gibt es bisher nur Gerüchte. Die Kommunikation zwischen der Fluggesellschaft und ihren Arbeitnehmern war sehr mangelhaft. Es wurde nur über die Arbeitnehmer- vertretung BALPA (British Airline Pilots Association) kommuniziert. Weitere Informationen erhielten die Mitarbeiter über die Medien. British Airways möchte ohne staatliche Unterstützung durch die Krise kommen. Damit dies gelingen kann, ist ein umfangreiches Sparpaket notwendig. Zu Beginn der Krise wurde eine unbezahlte Freistellung von acht Wochen über einen Zeit- raum von drei Monaten vereinbart. Auch bei den Flight Time Limi-tations gibt es Ausnahmen. So wird mit sieben Piloten nach Peking, Shanghai und an ver- gleichbare Destinationen geflogen. Diese Flüge finden auf freiwilliger Basis statt. Zur weiteren Kostensenkung wurden bei der Regionaltochter Cityflyer erste Basen geschlossen. Den Piloten des Unternehmens wurde ein neuer Arbeitsvertrag mit schlechteren Konditionen vorgelegt. Die Fluggesellschaft hat mit der Kündigung sämtlicher Piloten gedroht, falls die neuen Anstel- lungsbedingungen abgelehnt würden. Ausserdem wurde in Aussicht gestellt, dass keine geringe Anzahl an Piloten ohne Chance auf Wiedereinstellung entlassen würden. Diese Drohungen veranlassten die Gewerkschaft dazu, auf die Forderung der Fluggesellschaft einzugehen und die neuen Bedingun- gen zu akzeptieren. Dadurch konnten die Kündigungen massiv reduziert werden. Die neuen Arbeitsbedingungen sind sehr komplex. Bisher akzeptiert wurde eine langfristige Gehaltskürzung von acht Prozent. Über den Zeitraum von zwei Jahren gibt es eine temporäre Gehaltskürzung in gleicher Höhe. Diese temporäre Gehaltskürzung wird dann schrittweise verringert, da die

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Anzahl überzähliger Mitarbeiter sinken wird. Ausserdem wurden Teilzeit- möglichkeiten und freiwillige Kündigungen angeboten. Bei den Kündigungen liegt die Entschädigung bei lediglich zehn Prozent über dem gesetzlichen Minimum. Momentan hat die Fluggesellschaft ungefähr 300 Piloten, die zwar nicht entlassen sind, aber auch keine Möglichkeit haben, ihre Arbeit auszu- üben. Dies betrifft Kapitäne und First Officers. Diesen 300 Piloten – haupt- sächlich auf der A320-, der A380- und der B747-Flotte – wird ein reduzier- ter Lohn ausbezahlt. Die Finanzierung dieser 300 Piloten erfolgt durch die temporäre Gehaltsreduktion der übrigen Piloten. Eine Wiedereinstellung aus dieser Gruppe erfolgt nach Seniorität. Falls nach dem Ablauf von zwei Jah- ren noch nicht alle 300 Piloten wiedereingestellt sind, wird es einen neuen Plan geben müssen. Piloten auf den effizienteren Flotten A350 und B787 sind vor Entlassung sicher. Ansonsten wird der mögliche Stellenabbau auf- grund disziplinarischen oder leistungsabhängigen Gründen vorgenommen, danach nach der Senioritätsliste. Über einen Zeitraum von drei Jahren haben die entlassenen Piloten das Anrecht vor neuen Piloten wiedereingestellt zu werden. Die gute Vertretung der British Airways-Piloten durch BALPA hilft in der aktuellen Krise nicht viel. Der Gewerkschaft sind durch das wenig sozi- alpartnerschaftliche Verhalten der Fluggesellschaft die Hände gebunden. In den letzten Monaten war die Stimmung bei British Airways erwartungs- gemäss schlecht. Seit dem Pilotenstreik letzten September waren die Gewerk- schaft und die Fluggesellschaft darum bemüht, das Verhältnis wieder zu verbessern. Das ist durch die Corona-Pandemie hinfällig geworden. Die lückenhafte und pessimistische Kommunikation hilft nicht, die Stimmung in der Belegschaft zu verbessern. Um mehr Geldmittel zu generieren, plant die Fluggesellschaft Teile ihres Kunstinventars zu verkaufen. Die Airline soll schon Kontakt zum Aukti- onshaus Sotheby’s aufgenommen haben. Die Sammlung umfasst über 1500 Kunstobjekte aus der Geschichte der Airline, wovon rund zehn zum Ver- kauf stehen sollen – jedes mit einem Wert von rund einer Million britischer Pfund.

Air France KLM Auch die grösste französische Fluggesellschaft erhält staatliche Unterstüt- zung. Die Hilfe besteht aus einem Bankkredit von vier Milliarden Euro und einem Kredit von der Regierung über weitere drei Milliarden Euro. Als Bedin- gung für diesen Kredit muss die Fluggesellschaft bestimmte Rentabilitäts- ziele erfüllen und den CO2-Ausstoss senken.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Der niederländische Staat ist mit 14 Prozent an der Fluggesellschaft KLM beteiligt. Die staatliche Unterstützung in Form von Staats- und Bankkrediten beläuft sich bei KLM auf 3,4 Milliarden Euro. Air France ist durch den strikteren Lockdown in Frankreich stärker als KLM getroffen. Die Fluggesellschaft versucht hauptsächlich durch Pensionierungen, einen Einstellungsstopp und freiwillige Kündigungen die Krise zu überstehen.

Easyjet Im Frühjahr stand die komplette Flotte von Easyjet am Boden. Im gesam- ten Konzern steht rund ein Drittel der Arbeitsplätze auf der Kippe. Easyjet hat als transnationale Fluggesellschaft von Land zu Land unterschiedliche Arbeitsverträge abgeschlossen und unterliegt dem jeweiligen Arbeitsrecht. Es ist auch für die Arbeitnehmervertretung schwierig, sich über Landesgren- zen hinweg zu organisieren. Die Flotte soll um zehn Prozent verkleinert werden. Für das laufende Jahr rechnet Easyjet mit nur 30 Prozent der Flüge im Vergleich zum Vorjahr – frühestens im Jahr 2023 ist mit einem Bedarf wie im Jahr 2019 zu rechnen. In einer internen Umfrage zur Arbeit des Manage- ments drückten 99 Prozent der Mitarbeiter ihr Misstrauen gegenüber dem neuen COO aus. Peter Bellew wechselte Ende 2019 von Konkurrent Ryanair zu Easyjet. Der bekannte «Orange Spirit» scheint, nach internen Aussagen, auf Managementebene verloren zu sein. Zu Beginn der Pandemie beantragte auch Easyjet recht schnell Kurzarbeit für ihre Angestellten in Deutschland. Die Fluggesellschaft hat die Kurzar- beitsentschädigung freiwillig um zehn Prozent aufgestockt und weitere zehn Prozent als vorübergehendes Darlehen ausgelegt. Anfang Juli wurde bekannt, dass in Berlin langfristig ungefähr die Hälfte der Flugzeuge weg- fallen sollen. Dieser Schritt ist nach Aussage des Managements nötig, da die Nachfrage nach der Pandemie insbesondere für Inlandflüge geringer sein wird und viele Strecken ab Berlin nicht mehr rentabel sein werden. Nach Aus- sage der Gewerkschaft ver.di sollen 734 der 1540 Arbeitsplätze am Standort Berlin gestrichen werden.

Emirates Auch Emirates hat grosse Teile der Flotte auf den Boden gestellt. Zeitweise waren alle 115 Airbus 380 und 130 von insgesamt rund 150 Boeing 777 gegroundet. Mittlerweile fliegen wieder rund 50 bis 60 B777 und weniger als zehn A380. Dubai und die Vereinigten Arabischen Emirate sind stark von

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Importen abhängig, insbesondere bei Nahrungsmitteln und Medikamenten. Daher sind die Frachtpreise enorm angestiegen. Aufgrund der grossen Nach- frage wird Fracht in der Kabine transportiert und einige Sitzreihen wurden dafür ausgebaut. Die genauen Zahlen hierzu gibt Emirates nicht bekannt. Die Kommunikation zwischen der Firma und ihren Angestellten war nicht nur schlecht, sondern nicht existent. Das Management verschickte während der gesamten Krise lediglich im März eine E-Mail an die Belegschaft. Dadurch entstanden eine Menge Gerüchte und Halbwahrheiten. Viele Angestellte machen sich derart grosse Sorgen um ihre berufliche Zukunft, dass einige von ihnen im Minutentakt ihr E-Mail-Postfach kontrollieren. Es soll bei Emirates bereits um die 1500 Kündigungen bei den Piloten gege- ben haben. Von den 1830 A380- Piloten bei Jahresbeginn sollen heute noch rund 700 angestellt sein. An einem einzigen Tag seien 800 Piloten entlassen worden. Offizielle Zahlen veröffentlichte die Fluggesellschaft jedoch nicht. Die Kündigungen wurden per E-Mail mitgeteilt. Zwar konnte man bei Manage- mentpiloten nachfragen, wieso gekündigt wurde, die Auswahl erscheint den- noch willkürlich und unabhängig von der eigenen Leistung oder Seniorität. Gerüchten zu-folge spielten Krankheitstage und Kosten für die Familie, wie Schulzugang oder Gesundheitskosten, eine Rolle. Was jedoch sicher und klar kommuniziert wurde, ist, dass die Entscheidung endgültig und Einspruch nicht möglich ist. Dieses Verhalten ist nur möglich, da in den Vereinigten Arabischen Emiraten Gewerkschaften verboten sind. Die Angestellten sind der Willkür des Arbeitgebers komplett ausgeliefert. In guten Zeiten mit vie- len Vergütungen und Extraleistungen, in schlechten Zeiten mit der schnellen Kündigung. Das Salär wurde für die Monate von April bis September um die Hälfte gekürzt. Da auch Flugentschädigungen wegfallen, ist das ausbezahlte Salär eher bei lediglich 40 Prozent des vertraglich festgelegten Lohns anzusiedeln. Die gekündigten Mitarbeiter erhielten während der 90 Tage Kündigungsfrist das volle Salär. Die Flight Time Limitations sind in der aktuellen Krise voller Ausnahmen. Teilweise wurden Turnarounds auf der Langstrecke mit acht Piloten geflo- gen. Die Zukunftsaussichten bei Emirates sind sehr unsicher. Da auch hier keine Kommunikation seitens des Managements erfolgt, breiten sich ebenfalls Gerüchte aus. Die einzige sichere Aussage der Fluggesellschaft ist, dass in absehbarer Zukunft keine Wiedereinstellungen möglich sein werden. Auch Emirates rechnet mit 24 bis 36 Monaten, bis die Krise grösstenteils überwun-

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 den sein wird. Aufgrund des guten Produkts und der geografischen Lage ste- hen die Chancen nicht schlecht, dass Emirates die Krise vergleichsweise gut überstehen kann. Die soziale Verantwortung des Arbeitgebers spielt beim Ticketkauf selten eine Rolle! Gemäss Medienberichten wirbt Emirates damit, die Kosten für die medizinische Behandlung oder die Beerdigung nach einer COVID19-Erkrankung zu übernehmen, falls die Infektion an Bord eines Emi- rates-Flugzeugs erfolgte.

Sunexpress Deutschland Sunexpress bestand seit 1989 als Joint Venture zwischen Lufthansa und Turkish Airlines. Die Fluggesellschaft war auf Ferien- und ethnischen Ver- kehr spezialisiert. Seit 2011 bestand mit Sunexpress Deutschland die dor- tige Tochter. Die deutsche Sparte betrieb unter anderem sieben Airbus 330 im Wet Lease auf der Langstrecke für Eurowings sowie zwei Boeing 737, die direkt für die Lufthansa im Europaverkehr unterwegs waren. Der Betrieb der Sunexpress Deutschland wurde eingestellt und den Mitarbeitern auf den 1. September gekündigt. Nach Auffassung der Vereinigung Cockpit trägt die Lufthansa durch ihre Beteiligung an Sunexpress auch soziale Verantwortung für die Belegschaft. Dies vor allem auch, da die Hälfte der Flotte für die Lufthansa-Tochter Eurowings und zwei weitere Maschinen für die Lufthansa direkt geflogen sind.

Ryanair Mitten in der Corona-Krise fällt Ryanair wieder in altbekannte, mitarbeiter- feindliche Verhaltensmuster zurück. In den vergangenen Jahren wurde in harten Tarifverhandlungen mit der in Deutschland als Piloten-Arbeitgeber fungierenden Tochtergesellschaft Malta Air viel erreicht. Das alles soll jetzt zum Grossteil im Zeichen von Corona und im Schatten der Probleme anderer Airlines über Bord gekippt werden. Ryanair hat den Sitz der Tochter Lauda Europe von Wien nach Malta verlegt. Alle Airbus-Flugzeuge der Flotte werden in Zukunft mit maltesischer Regis- trierung im Dienst stehen. Diese neue Fluggesellschaft wird ab dem Winter- flugplan 2020 sämtliche Flüge durchführen und die frühere Wiener Lauda- motion wird zum Jahresende aufgelöst. Die Basen in Düsseldorf, Palma und Wien sind vom Umzug nicht betroffen. Sie werden auch in Zukunft bestehen bleiben – unter maltesischer Flagge. In Deutschland stationierte Ryanair-Piloten gaben den Forderungen nach einem Gehaltsverzicht nach. Im Gegenzug will das Management um Michael

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 O’Leary angekündigte Standortschliessungen eventuell aufheben. Die Ver- handlungen mit dem Kabinenpersonal laufen noch. Ryanair-Piloten an deut- schen Flughäfen erhalten bis 2024 im Schnitt 20 Prozent weniger Gehalt, behalten aber ihre Arbeitsplätze. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cock- pit habe den Vorschlag am Ende Juli akzeptiert, sagte Ryanair-Chef Michael O’Leary. Ryanair hatte zuvor mit der Schliessung der Basen Hahn, Berlin und Weeze gedroht – die Stellen von Rund 170 Piloten der Tochterfirma Malta Air standen auf der Kippe. Nach dem Einlenken der Piloten werde sich Ryanair mit der Standortfrage «noch einmal befassen», sagte O’Leary in einem Inter- view.

Condor Condor rechnet wegen der Folgen der Corona-Krise mit einem Stellenabbau. Einen zweiten Anlauf für den Verkauf des staatlich geretteten Ferienfliegers erwartet Airline-Chef Ralf Teckentrup nicht vor Ende 2021. Lufthansa fällt seiner Einschätzung nach als Investor für Condor aus. Condor geht kleiner aus der Luftfahrtkrise hervor. «Ich denke, wir werden, wie die anderen Flug- linien auch, etwa 15 bis 25 Prozent der Stellen abbauen müssen», sagte Ralf Teckentrup in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». «Das wären bei uns zwischen 650 und 1000 Stellen.» Grundsätzlich sei Condor im Schutzschirmverfahren, das schon vor der Corona-Krise begonnen habe, erfolgreich restrukturiert worden. Das Verfah- ren wird dem Chef der Fluggesellschaft zufolge noch bis voraussichtlich Ende September laufen. «So können wir Verträge schneller kündigen, wie etwa für unsere Unternehmenszentrale.» Nach dem Rückzieher des polnischen Inves- tors PGL/LOT bleibt Condor zunächst auf sich gestellt. «In der aktuellen Krise denkt niemand an Übernahmen», sagte Teckentrup. «Ich denke daher, dass wir frühestens Ende nächsten Jahres einen neuen Verkaufsprozess star- ten werden und frühestens 2022 einen Käufer präsentieren können.»

Wizzair Der ungarische Low-Cost-Carrier zeigt sich trotz Pandemie optimistisch und ehrgeizig. Nach eigenen Angaben fliegt Wizzair rund zehn Prozent der Flüge, die mit rund 75 Prozent gut ausgelastet sind. Im Gegensatz zu den eigenen Angaben gibt es Berichte, dass Wizz-air auch fast leere Flüge durchführt. Hauptsächlich auch deswegen, um für gebuchte, aber nicht genutzte Tickets keine Erstattung leisten zu müssen. Viele gebuchte Wizzair-Passagiere konn- ten dem Vernehmen nach ihre Flüge nicht antreten, weil die national weiter

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 geltenden Lockdown-Regeln dies unmöglich machten. Der Chef der Flugge- sellschaft Józséf Váradi kritisiert die Reisebeschränkungen massiv. Er fordert ein Aufheben der Beschränkungen, um die Freiheit seiner Kunden zu schüt- zen. Anfang August erhielt ein Flugzeug von Wizzair in Athen keine Lande- erlaubnis. Die Fluggesellschaft hatte die Einreisebestimmungen nicht befolgt und ihre Passagiere nicht wie gefordert vorab kontrolliert. Trotz Ermahnung durch die griechischen Behörden, wurde dies nicht nachgeholt. Griechenland zeigte sich mit Entzug der Landeerlaubnis konsequent in der Umsetzung der Vorschriften. Es stellt sich also die Frage, ob Wizzair tatsächlich so sehr um ihre Passagiere und nicht viel mehr um das eigene Portemonnaie bemüht ist. Im Jahr 2019 hat Wizzair 345 Millionen Euro Gewinn gemacht. Trotz der Corona-Krise hält Wizzair an ihren Wachstumsplänen fest und will 2020 neun neue Flugzeuge in Betrieb nehmen und so die Kapazität um neun Prozent erhöhen. Gleich achte neue Strecken wurden kürzlich in Betrieb genommen. Die Basis in London Gatwick soll ebenfalls ausgebaut werden. Der dortige Wegfall von Virgin Atlantic und British Airways, die sich beide auf London Heathrow beschränken werden, machen am Flughafen im Süden von Lon- don Platz frei. Die Fluggesellschaft bietet seit Juni von seinem neuen Hub in Abu Dhabi Flüge nach Osteuropa an. Wizzair hat ausserdem 20 A321XLR (Xtra Long Range) bestellt. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn bald Lang- streckenflüge angeboten würden. Die Expansionspläne betreffen auch den deutschsprachigen Raum. In Dortmund hat Wizzair mitten in der Corona- Pandemie eine neue Basis eröffnet und drei A320 stationiert. Es werden hauptsächlich Urlaubsziele im Mittelmeerraum angeflogen. Wizzair forderte vom Flughafen Dortmund eine Verlängerung der Landebahn, um auch mit A321neo von Dortmund aus zu operieren. Der Flughafen hat den Umbau gerade beantragt. Wie sind solche hochtrabenden Pläne mit einer Krise vereinbar? Man spart einfach anderenorts, namentlich bei den Mitarbeitern. Bereits bis Juni hat man sich von 1000 Mitarbeitern getrennt. Sie können sich nach Váradi Hoff- nungen auf eine Wiedereinstellung machen. Generell hat man gegenüber den eigenen Mitarbeitern bei Wizzair eine interessante Einstellung. So sagte der CEO gegenüber «aerotelegraph.com»: «Gewerkschaften zerstören das Geschäft. Das ist auch eines der Probleme bei Lufthansa. Wenn die Gewerk- schaften versuchen, uns zu erwischen, dann schliessen wir einfach die Basis und ziehen weiter. Das ist das Schöne bei einer Airline, die so flexibel ist wie unsere: Wir können einfach unsere Flugzeuge zu einem anderen Flughafen verlegen.»

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Gemeinsam durch den Sturm In der aktuellen, weltweiten Krise wird deutlich, dass eine funktionierende Arbeitnehmervertretung für die Angestellten existenziell wichtig ist. In Län- dern und bei Fluggesellschaften, die keine Arbeitnehmervertretung haben, sind die Mitarbeiter vor willkürlichen Kündigungen oder direkt beschlosse- nen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen nicht geschützt. Bei uns in der Schweiz hat Helvetic Airways noch vor Beantragung der Kurzarbeit einige Piloten entlassen. Es zeigt sich aber auch, dass einzig das Vorhan- densein einer Arbeitnehmervertretung nicht ausreichend ist. Entscheidend ist, ob das Verhältnis zwischen Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeber sozialpartnerschaftlich ist. Nur gemeinsam lassen sich Wege finden, die Krise bestmöglich zu bewältigen. Auch am Ende der Krise müssen noch genügend motivierte und qualifizierte Mitarbeiter an Bord sein. Gleichzei- tig muss die Fluggesellschaft aber noch existieren und idealerweise wett- bewerbsfähig sein. Es ist aber genauso wichtig, dass die Mitglieder ihren gewählten Arbeit- nehmervertretern vertrauen und sie unterstützen. Für aussenstehende Ver- bandsmitglieder sind die ganzen Hintergründe und Pläne nicht immer klar ersichtlich. Hier ist es dann wichtig, den Entscheidungsträgern des Verban- des zu vertrauen. Die Kostenstruktur der Verträge bei der SWISS und der Edelweiss waren bereits vor der Krise günstig aufgestellt. Das ist eine gute Voraussetzung, erfolgreich durch diese Krise zu kommen. Bei möglichen Spar- und Restruk- turierungsmassnahmen ist es auch wichtig, das langfristige Wohl der Mit- arbeiter im Blick zu haben – so wie es die AEROPERS in ihrer Strategie vor- sieht! l

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 On The Air…

Text: Zbigniew Bankowski

Local News … Ju-Air kann ihre Rundflüge mit den Ju-52 nicht wie geplant ab dem Früh- jahr 2021, sondern frühestens 2022 wieder aufnehmen. Der Grund dafür ist, dass die Totalüberholung der drei historischen Flugzeuge derzeit ruht, die nach dem tödlichen Unglück der HB-HOT vom August 2018 vom BAZL ange- ordnet worden war. Laut dem BAZL ist das mit den Wartungs- und Unterhal- tungsarbeiten beauftragte Junkers Flugzeugwerk daran, eine europäische Lizenz als Unterhaltsbetrieb zu erwerben. Der für die Wiederaufnahme des Flugbetriebs notwendige Schlussbericht des Unglücks ist ebenfalls in Ver- zug geraten. Zudem hat die Übersetzung des Berichtsentwurfs ins Englische mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant. Das Geschäftsjahr 2019 war für Pilatus wieder sehr erfolgreich. Mit über 1,1 Milliarden Schweizer Franken Umsatz wurde die Milliardengrenze erneut übertroffen. Pilatus hat mit 134 Flugzeugen das umfassendste Produktions- programm überhaupt gemeistert. 83 PC-12NG, 40 PC-24 und 11 PC-21 wurden abgeliefert. Pilatus hat mit der brandneuen PC-24 den Markteintritt geschafft und ist aus der Aufbauphase herausgeflogen. Bis zum aktuellen Tag wurden 75 PC-24 ausgeliefert, die mittlerweile auf allen Kontinenten im Einsatz sind. Um den Super Versatile Jet für den Betrieb auf Naturpisten und unter wei- teren Bedingungen zu zertifizieren, wurde 2019 zudem eine umfangreiche Nachzertifizierungs-Testkampagne durchgeführt. Sämtliche PC-24 können ab sofort auch auf nassen und schneebedeckten Natur- und Graspisten ope- rieren. Im Herbst 2019 hat Pilatus die PC-12NGX lanciert. Die Weiterentwick- lung des weltweit erfolgreichsten einmotorigen Turboprops seiner Klasse verfügt im Vergleich zu seinem Vorgänger über ein verbessertes Triebwerk, eine smartere Avionik und eine komplett neu gestaltete Kabine mit grösse- ren Fenstern.

World News … With most passenger flights grounded, urgent cargo demand is keeping many airlines solvent. Emirates admitted that the critical need for cargo capacity was helping prevent a financial disaster for the Dubai-based air- line after it halted all but a handful of its passenger flights. 85 of Emirates’ Boeing B777-300ER are operat-ing as stand-in freighters, in addition to its

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 B777Fs. Virgin Atlantic has increased its cargo-only flights by more than one-third to nearly 600 during June. The troubled UK airline has been intro- ducing daily services to Brussels and Beijing, both from London Heathrow, as well as flights to Atlanta, Chicago and Mumbai. was one of the first European airlines to add to its cargo capacity by removing economy-class seats from the cabin of two of its A330, doubling available space. Icelandair as well has removed seats from aircraft to turn them into instant freighters, this time with 3 Boeing B767-300s. British Airways is one of the latest air- lines to dispense with seating to increase capacity, using two B777-200s. The carrier began oper-ating cargo-only flights on passenger aircraft, initially with cargo on seats. Combi aircraft have been largely out of fashion for deca- des. But since the outbreak of the coronavirus crisis, three of the B747-400M combis of KLM, one of the few surviving fleets, have been granted a reprieve to operate cargo-only flights.

Crash News … Preliminary findings from the fatal Pakistan International Airlines Airbus A320 crash in Karachi have yet to emerge, but there is increa- sing evidence that its both engines suffered damage from runway cont- act, before losing thrust during a go-around attempt. Investigators have revealed that the crew did lower the landing gear during their first approach, but raised the gear lever again during the descent, about 5 NM from touchdown. The crew reported descending through 3,500 feet and being established on the instrument landing system, just 2 min 30 sec before the go-around, pointing to the A320 being considerably high on the glideslope, while just 5 NM from the runway. The A320 touched down on Karachi’s runway 25L with its undercarriage retracted. Reverse- thrust and braking was initially applied, as the powerplants scraped along the runway, before the crew executed a go-around. While the aircraft climbed away, the engines failed one by one, the ram-air turbine deplo- yed but the aircraft was unable to maintain height and the crew declared emergency. While the inquiry has yet to detail the circumstances of the accident, the absence of any recommendations from Airbus indicates that there was nothing technically wrong about the aircraft. Pakistan’s aviation minister told parliament the pilots had been discussing the coronavirus as they attempt-ed to land. The minister also pointed to a troubling review of pilot credentials that is bound to reverberate through the country’s airline industry. He said a probe last year found that 262 of Pakistan’s 860 active

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 pilots had fake licenses or had cheated on exams, including an unspecified number of PIA pilots. Investigators have found that a Neos (Italy) Boeing B737-800 continued to descend, unnoticed by the crew, during an aborted landing at Bristol, after a rushed approach meant the go-around altitude was not correctly set. It dipped below 460 feet as it travelled over the runway, with its landing-gear retract-ed, before the pilot realises the situation and climbed away. The air- craft had been vectored to a shortened arrival route by approach controllers. As a result, the aircraft’s descent was rushed and became unstable. It sank some 250 feet below the designated flightpath on short final, travelling with excessive airspeed, and the tower controller instructed the crew to perform a go-around. Take-off thrust was engaged and the aircraft began to climb. But the altitude setting remained at 1,000 feet because the crew has omitted to select the go-around altitude of 3,000 feet. The pilot manually followed the flight director, which attempted to guide the aircraft to level off at 1,000 feet. The crew then set the correct go-around altitude of 3,000 feet, causing the aircraft to switch to vertical speed mode which was, at that time, a descent rate of 300 ft/min. The jet started to lose height as the pilot continued to fol- low the flight director. The gear-horn warning was still active, owing to the low thrust and flap settings, followed by a «too low, gear» warning from the ground proximity warning system. The jet was descending for 32 seconds, reaching a minimum height of 457 feet above ground after passing almost the entire length of the runway.

Short News … Die Leasinggesellschaft Avolon stornierte gleich 75 Boeing B737MAX und verschiebt die Lieferungen weiterer 16 B737MAX auf den Zeitraum nach 2024. GECAS zog nach und stornierte 69 B737MAX, damit bleiben noch 82 offene Bestellungen. Die chinesische CDB Leasing stornierte 29 von 99 B737MAX und verschiebt die Lieferungen. GOL (Brasil) stornierte 34 B737MAX. Ein ungenannter Kunde stornierte seine Bestellung über 35 B737MAX. Ver- mutlich handelt es sich um die russische Avia Capital Leasing, die ihre 50 B737 meist an Aeroflot vermietet hat. Die Leasinggesellschaft Alafco aus Kuwait verklagte Boeing auf Rückgabe der Anzahlungen für eine Bestellung von 40 B737MAX, die angeblich im März storniert wurden.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Im April stornierte die chinesische ICBC Leasing (Industrial and Commer- cial Bank of China) zehn von 40 bestellten B737MAX, die unter «ungenannter Kunde» im Auftragsbuch geführt waren. Air Baltic liess verlauten, dass man die letzten Boeing B737 nach der Krise nicht wieder aktivieren werde, und nur noch mit Airbus A220 operieren will. Die Dash-8-Q400 werden auch alle abgestellt. Austrian Airlines meldet eine Halbierung der B767-300-Flotte und plant eine Ausmusterung der sieben A319. Braathens Regional Airlines (Schweden) beantragte Anfang April Insolvenz und entliess mehrere Hundert Mitarbeiter. British Airways hat mindestens vier B747-400 vorzeitig ausgemustert und nach St. Athan sowie Kemble zum Ausschlachten überführt. Weitere B747 parken in Teruel (Spanien). Alle A380 sind aktuell in Châteauroux (Frank- reich) abgestellt. Brussels Airlines will ihre Flotte von 54 Flugzeugen auf 38 reduzieren. Etwa 25 Prozent der Mitarbeiter sollen gehen und es werden mehr als 20 Zielorte aus dem Streckennetz gestrichen. Am Ostermontag gab die Polish Aviation Group (Muttergesellschaft der LOT) bekannt, dass sie aus dem Vertrag über den Kauf der Condor aussteigt. EasyJet verschob die Lieferungen von 24 A320 auf unbestimmte Zeit. Ausser- dem sollen bis zu 24 auslaufende Leasingverträge nicht verlängert werden. Hi Fly (Portugal) hat ihren A380 wieder in Betrieb genommen und fliegt ebenfalls Fracht damit. Es ging zum Beispiel nonstop in 16 Stunden 10 Minu- ten von Tianjin nach Santo Domingo. Die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW) meldete Insolvenz an, da Euro- wings und die Lufthansa die Auftragsfliegerei mit den Dash-8-Q400 infolge der Corona-Krise gekündigt hatten. Alle verbliebenen 15 Dash-8-Q400 sind in Bratislava abgestellt. Alleine in Europa ist die Zahl der stillgelegten Q400 nahe an 100 Stück (FlyBe, LGW, Austrian, Air Baltic). Momentan hat Norwegian sieben Flugzeuge innerhalb Norwegens im Ein- satz, wofür es Rettungsgelder der norwegischen Regierung gab. Die vor der Corona-Krise aus 168 Flugzeugen bestehende Flotte soll bis 2022 auf 110 reduziert werden. Mehr als 7000 Mitarbeiter wurden entlassen. Virgin Atlantic Airways will sämtliche sieben B747-400 nicht mehr akti- vieren und sich ausserdem komplett aus London-Gatwick zurückziehen. Ein Drittel der Mitarbeiter, mehr als 3000 Personen, wird entlassen. JetBlue hat 146 Flugzeuge in der Sonora-Wüste abgestellt (65 A320, 41 A321 und 40 Embraer E190).

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Air Canada und Air Canada Rouge kündigten die vorzeitige Ausmusterung von 79 Flugzeugen an, von denen ein Grossteil überhaupt nicht mehr in den Einsatz gehen wird. Es geht um 30 B767-300ER, um die letzten 14 Embraer E190 sowie um sämtliche 35 Airbus A319. Dies alles zusätzlich zur schon vorher geplanten Ausmusterung von 25 alten A320. American Airlines hat ihre letzten 17 B767-300ER sowie 20 Embraer E190 vorzeitig und endgültig ausser Dienst gestellt. Sämtliche der 34 B757 stehen ebenfalls am Boden, ebenso die neun A330-300 aus früheren US Airways- Beständen und 19 Canadair CRJ200 von American Eagle. Man spricht auch von der Ausmusterung von 76 älteren B737-800. Delta Air Lines hat auch die letzten 30 McDonnell Douglas MD-88 ausge- mustert. Alle MD-90 sowie diverse ältere B757 und B767 stehen auch am Boden. Die Muttergesellschaft Avianca Holdings, die erstaunlicherweise in den USA ansässig ist, beantragte Gläubigerschutz nach Chapter 11. Die Tochter Avianca Peru soll komplett aufgelöst werden. Für die anderen beiden Avianca- Ableger in Kolumbien und Mittelamerika hofft man auf eine Reorganisation. Mitten in der Corona-Krise hat China Eastern Airlines ihre neue Low-cost- Tochter-Airline präsentiert: OTT Airlines. Sie soll sich künftig mit einer rein chinesischen Flugzeugflotte um den Inlandverkehr in Chinas Küstenregio- nen kümmern. Die Abkürzung OTT steht für «One, Two, Three», nach den Daoismus-Prinzipien des einheimischen Philosophen Laozi. 20 Comac C919 und 35 ARJ-21-700 sind bestellt. l

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Gelesen

Text: Henry Lüscher

Diamanten im Business Jet – oder doch nicht? Ralf Weber hat in seinem dritten Roman sein Hobby, die Fliegerei, zum zen- tralen Thema gemacht. Deshalb kann ich diesen Krimi auch den Aviatikern empfehlen: Bis auf wenige Details stimmen Szenen und Technik in und um die Challenger 604, die in den Urnersee abstürzt. Die Armeespitze macht sich Sorgen um die Munition, die bis in die Sechziger Jahre im Urnersee ver- senkt worden ist, denn das Flugzeug hat sie womöglich beschädigt, was ein Freisetzen von Giftstoffen nach sich ziehen würde. Der Ermittler der SUST will so schnell wie möglich die Flugschreiber bergen, und die Geschäftsfüh- rerin der kleinen Fluggesellschaft plant, die wertvolle Fracht an Bord mit einem Mini-U-Boot zu bergen. Die Pilotin taucht plötzlich aus den Fluten auf. Tot. Als an ihrem Kopf eine Schusswunde entdeckt wird, kommt Frank Studer von der Luzerner Mord- kommission zum Zug. Er setzt sich «Tatort»-mässig in Szene und trotzt energisch dem Dauerregen, der alle Spuren zu verwischen droht und die Stimmung auf einen Tiefpunkt sinken lässt. Die Armeespitze riegelt die Unfallstelle sofort hermetisch ab, der SUST-Experte verschwindet, und eine Umweltschützerin kommt ums Leben. Genug, um Studer auf Trab zu halten. Weber schreibt in zwei zeitlichen Ebenen und vermittelt so der Leserin und dem Leser Informationen, was es mit der geheimnisvollen Fracht auf sich hat: Es handelt sich um zwölf Diamanten von unschätzbarem Wert, die 1915 in Namibia entdeckt worden sind und bisher jedem Besitzer den Tod gebracht haben. Trotz dieses Fluchs ersteht der Besitzer der Fluggesellschaft diese Preziosen und beauftragt die Besatzung und zwei Passagiere, diese von Namibia nach Basel zu bringen. Beim Fuelstop in Dakar versuchen die Pilo- tin, ein Passagier und sogar der Handling Agent, sich der Diamanten anzu- nehmen. Daher ist nicht klar, ob in der Challenger im Urnersee wirklich die Originale, ausgetauschte Duplikate oder gar keine Diamanten sind. Wie in «Gone Girl» von Gilian Flynn oder «Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert» von Joël Dicker präsentiert Weber laufend neue, durchaus plausi- ble Szenarien, wer mit wem kooperiert, wer sich die Steine angeeignet hat oder wer sie gegen Kopien ausgetauscht hat. Bis zur letzten Seite hat man keine Gewissheit – und auch beim letzten finalen Cliffhanger kommt unwei- gerlich die Frage: Ja, wer hat sie denn nun?

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Ralf Weber: Tränen im Vierwaldstättersee. Gmeiner Verlag, Messkirch 2020 ISBN 978-3-8392-2599-8

Ein Leben in den Diensten der Luftfahrt Béatrice Thal? Der Name scheint bekannt, und ja, es handelt sich um die Frau von Alex Thal, den aufgestellten ehemaligen Swissair-Captain, Flug- lehrer und Simulatorinstruktor bei SAT und LAT. Béatrice (im Roman heisst sie Marlis) war während acht Jahren als Flying Nurse unterwegs und lernte Alex (Gregor) in der Flughafenkantine kennen. Er war damals junger Flug- schüler in einer privaten Flugschule. Hier setzt der Roman ein, als gedankliche Rückblenden von Marlis, wäh- rend sie in der Ankunftshalle auf Gregor wartet, der in Oslo mit den Tücken das Winterwetters kämpft. Das Warten zieht sich durch das Leben von Flie- genden und ihren Angehörigen, und es ist für uns interessant zu lesen, wie es die Ehefrau eines Piloten erlebt. Sie kennt die Fliegerei, hat viel Verständ- nis, aber ab und zu war sie doch überfordert, zum Beispiel bei der Geburt der Kinder, als Gregor auf einer Rotation war. Marlis denkt auch an ihre Einsätze als Kinderbegleiterin, die ihren Anfang häufig in Afrika oder Indien nahmen und einen nachhaltigen Eindruck hinterliessen, vor allem, wenn es sich um Adoptivkinder handelte. Viele Kinder wuchsen ihr ans Herz, und man spürt das beim Lesen. Vor allem ihr letzter Einsatz war ergreifend, denn die ursprünglich angesagten zwei Kleinkinder entpuppten sich in Wahrheit als vier Baby-Waisen, die in einem mitleiderweckenden Zustand aufs Flugzeug gebracht worden waren. Mar- lis organisierte gegen den Widerstand der Bodenorganisation das notwen- dige Material wie Windeln, Medikamente, Nahrung und Schoppen. Während des Flugs hatte sie alle Hände voll zu tun und war bei der Landung in Zürich todmüde. Aber ihr Auftrag lautete, die Babys bis nach Amsterdam zu begleiten. Marlis lässt auch Gregor zu Wort kommen, dessen Karriere sich aus vielen Hochs, aber auch einigen Tiefschlägen zusammensetzt. Die Umschulun- gen, das Upgrading, die krönende Ausbildung zum Fluglehrer und die Mit- arbeit im Projektteam A320 nehmen ihn voll in Anspruch, und Marlis klagt leise, dass sie während dieser Zeit zu kurz gekommen sei, aber auch das gehöre zur Luftfahrt. Wieder ist eine Stunde in der Abflughalle vergangen, und noch immer sitzt Gregor in Oslo fest: Diesmal fällt gefrierender Regen, und die Abflugzeit ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Warten.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Das prägendste Ereignis für Gregor ist auch heute noch sein München-Flug mit Rauchentwicklung im Cockpit der MD-80, der in komprimierter Form auch im Buch «Geschichten, die das Fliegen schrieb» (siehe «Rundschau»- Ausgabe 4/2019) erschienen ist. Die detailgenaue Schilderung lässt uns stre- ckenweise das aviatische Blut in den Adern gefrieren, und man fiebert mit der Besatzung mit, ob und wie sie diese Emergency bewältigen. Es geht um Sekunden. Gegen Ende des Jahrhunderts häufen sich negative Ereignisse: Beim Absturz der MD-11 in Halifax verliert Gregor seinen besten Freund; die finanziel- len Turbulenzen der Fluggesellschaft wecken Existenzängste; «9-11» ist ein Schock, und das Grounding bedeutet für Gregor die Frühpensionierung. Mar- lis sieht nur noch schwarz, aber Gregor mit seinem immerwährenden Opti- mismus blickt vorwärts und überzeugt Marlis: Es kommt gut, es kommt wie- der etwas Neues! Eine Konstante im Leben von Marlis ist das Fabelwesen «Hoi», das dem Roman den Namen gegeben hat. Der prachtvolle Vogel erscheint ihr, wenn sie es nötig hat. Er sagt nie etwas, aber gibt ihr neue Kraft, die Situation durchzustehen. Und weil nur sie den Vogel gesehen hat, war es naheliegend, dass sie ihn auch gleich selber für das Titelbild des Buches gemalt hat. Wer das Buch online bestellen will, kann das einfach per E-Mail direkt beim Verlag tun, unter: [email protected].

Béatrice Thal: Hoitage. Hofer Media GmbH & CoKG, Retz 2020 ISBN 978-3-902111-68-5

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Text: Viktor Sturzenegger

Deutschlands Hypothek Familie Ising in Fallersleben bildet das Rückgrat der Geschichte, die uns die Entwicklung der Deutschen im Nationalsozialismus schildert, von der Wahl Hitlers zum Kanzler bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Natürlich ist es eng gesponnen, das Netz der Familie des Zuckerfabri- kanten aus dem Wolfsburger Land, muss doch jedes Mitglied für einen Teil des ganzen Volks, das sich so in der Rassenfrage verhedderte, ste- hen: vom blinden Gefolgsmann über das intellektuelle Chamäleon; vom genialen Juden bis zur sich selbst und ihr Volk verleugnenden blonden Verräterin; von den beiden Schwestern, die, jede auf ihre Weise, die Liebe im für das arische Volk Undenkbaren finden; vom zum Ortsgruppenleiter gewählten Fabrikdirektor bis zu seiner ihre musische Seite verdrängenden Frau, die sich beide mit der Frage des «unwerten Lebens» im Dritten Reich durch ihren jüngsten an Trisomie 21 erkrankten Sohn konfrontiert sehen. Alle Protagonisten tragen ihren Teil zur Entwicklung der deutschen Gesell- schaft in den Dreissiger- und Vierzigerjahren bei. Die Corona-Pause ermöglichte mir die Lektüre dieses über 1400 Seiten reichenden Epos. Man bleibt dran beim Lesen, nicht nur weil mit den Kapi- teln in Kürze die Schauplätze wechseln – eigentlich eine etwas mühsame Methode, die sich jeweils der von mir ungeliebten «Cliffhanger» bedient, hier aber für fortwährende Spannung an der Entwicklung des Romans sorgt. Sondern auch die Tatsache, dass man den handelnden Akteuren die Kennt- nis der historischen Entwicklung voraus hat, sorgt für einiges «Mitfiebern». Sehr glaubwürdig sind die Charaktere gezeichnet, alle nicht frei von Wunschdenken und Verdrängung, Ehrgeiz und Anpassung. Ich kann mir beim Lesen durchaus ähnliches Verhalten von an sich friedfertigen Men- schen auch in heutiger Zeit vorstellen – und bekomme dabei ein beklem- mendes Gefühl. Gerade jetzt, wo die ganze Welt sich durch autoritäres Verhalten eines die freie Meinungsäusserung unterdrückenden Staates aus der Bahn geworfen sieht, erkenne ich Parallelen, fürchte ich, dass wir immer wieder zu wenig aus der Geschichte lernen. Der Zweiteiler ist eine Zeitreise durch eine allgegenwärtige Vergangenheit und trotz seiner Länge durchaus lesbar.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Peter Prange: Eine Familie in Deutschland. Zeit zu hoffen, Zeit zu leben. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2018 ISBN 978-3-596-29988-1

Peter Prange: Eine Familie in Deutschland. Am Ende die Hoffnung. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2019 ISBN 978-3-596-03605-9

Heimaten Dass Saša Stanišic seine Magisterarbeit über Wolf Haas verfasste, wusste ich nicht, als ich seinen neuesten Roman «Herkunft» gelesen habe. Doch hat sich mir beim Lesen so ein «Haas-Gefühl» eingestellt, so direkt, so assoziativ – frage nicht. Und vielleicht ist es diese Unmittelbarkeit, die das präzise Erinnern an die Unschärfe der Vergangenheit erst glaubwürdig macht. Die Brücke über die Drina ist durch Ivo Andric mit literarischer Verewigung bedacht worden. Višegrad ist die Stadt auf der bosnischen Seite der Brü- cke über den Fluss und der geografische Herkunftsort Stanišic Zufall? Das Meisterwerk des Architekten Sinan spielt allerdings in diesem Roman keine bedeutende Rolle, so dient sie afghanischen Flüchtlingen zwischenzeitlich als Unterschlupf und wird nur nebenbei erwähnt. Wichtiger sind Stanišic Land und Leute und seine Verwandten, namentlich seine Grossmutter Kris- tina, die Mutter seines Vaters, deren schwindende Erinnerung den Lauf der Geschichte vom Beginn bis zum Ende begleitet. Saša wird von seinen gebildeten Eltern, die sich in Deutschland nach der Flucht aus dem jugoslawischen Krieg 1992 mangels Deutschkenntnissen mit unqualifizierten Arbeiten über Wasser halten mussten, trotz knapper Mittel in die fortschrittliche «Internationale Gesamtschule Heidelberg» geschickt, wo er in deren weltoffener Atmosphäre und durch aufgeschlossene Lehrende gefördert werden konnte. Im Wohnviertel Emmertsgrund leben besonders viele Migranten. «Mig- ranten wohnen meistens irgendwo im Besondersviel», heisst es im Buch. Die ARAL-Tankstelle ist der Treffpunkt der Quartier-Jugend, ein Völker- gemisch, das Stanišic wie folgt beschreibt: «An Sonntagen war es beson- ders schön. Mittags gesellten sich die Polen nach der Kirche dazu und sof- fen sich langsam in den Nachmittag hinein. Grosszügige, blonde Männer, noch leicht benommen vom Blut Christi, mit schmalen Schnurrbärten und diesen immer eine Spur zu grossen Sakkos. Gespräche über Ausbildung,

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Felgen, Bundesliga, Bundeswehr, Leberwerte und immer irgendwann: Fort- pflanzung.» Der Autor erinnert sich an seine Anfänge in der deutschen Sprache und wir uns mit ihm. Dieses Interesse an der Sprache ist es auch, das ihm den Steig- bügel in die deutsche Gesellschaft hält. Es lässt ihn immer wieder forschen und fragen. Er lässt nicht locker, seine Erinnerung an das Leben in Jugos- lawien mit den Erinnerungen seiner noch in Bosnien lebenden Verwandten abzugleichen, aufzufrischen, auch als er mit den Eltern zusammen die immer schwächer werdende Grossmutter besucht. Und dabei wird Erinnerung zu einem Fragment der Vorstellung eines mit der Zeit schwindenden Geistes. Interessant ist auch der Schlussteil des Buchs, der in einer interaktiven Weise das Ende der Geschichte um die Grossmutter bildet. Ähnlich einem Computerspiel, worin man eine Figur in einer an sich vorgegebenen Hand- lung spielt und, je nach Antwort auf Fragen der digitalen Gegenüber, sich die Geschichte so oder anders entwickelt, finden die Lesenden auf diese Weise ihren ganz persönlichen Schluss.

Saša Stanišic: Heimat. Luchterhand Literaturverlag, München 2019 ISBN 978-3-630-87473-9

Inselvolk Demokratien erscheinen mir immer mehr als Auslaufmodelle einer politi- schen Überzeugung. Mit dem langsamen Übergang aus einer westlich domi- nierten Welt mit einem zentralen Spannungsverhältnis zwischen Europa und Amerika in ein neues Weltgefüge mit Zentrum in Ostasien, ändern sich die wahrnehmbaren Ausprägungen von Macht und Geld. In England und damit für ganz Grossbritannien haben einer überkomme- nen Weltvorstellung verhaftete (Wut-)Bürgerinnen und Bürger einem Refe- rendum zugestimmt, das die Unabhängigkeit gegenüber einem vereinigten Europa verlangte. Dafür haben sie sich gleich noch die dazu passende Regie- rung gewählt. Ungarn, Polen, Russland und einige andere Länder haben sich auch schon autokratische Herrschende gewählt, und dabei möchte ich von den USA gar nicht sprechen. Wo liegen die Beweggründe für eine Abkehr von demokratischem Gedan- kengut, sozialer Partnerschaft, einer Welt, in der Mani Matters Ballade über «dene wos guet geit» als Zielvorstellung für eine bessere Zukunft für alle dient?

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Vielleicht gibt uns Jonathan Coe mit seinem jüngsten Roman eine mögli- che Antwort auf diese Fragen. Das 2018 geschriebene und dieses Jahr auf Deutsch herausgegebene Buch beschreibt anhand einer sorgfältig komponier- ten Besetzung (derer er sich zum Teil schon in früher erschienenen Roma- nen bediente) die Befindlichkeit der britischen Seele im 21. Jahrhundert. Zu Beginn fährt Benjamin, der seit 30 Jahren von Selbstzweifeln geplagt an seinem ersten, ausufernden Roman schreibt, mit seinem Vater Colin, einem pensionierten Fabrikarbeiter einer inzwischen einem Einkaufszentrum gewi- chenen Automobilfabrik, nach der Beisetzung seiner Mutter in seine Mühle am Ufer des Severn. Dort erwarten ihn seine Schwester Lois und sein Freund Doug schon ungeduldig. Die Eingangsszenen bieten die Möglichkeit, die Pro- tagonisten kennenzulernen. Alle haben ihre Probleme mit Beziehungen und in ihren Beschäftigungen. Doug ist Labour-lastiger Journalist und hat als Informanten Nigel, den stellvertretenden Kommunikationschef der Tories, die noch unter der Führung von David Cameron die Abstimmung über einen im Volk «Brexit» genannten Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union vorbereiten. Lois arbeitet in York und sieht ihren Mann Chris, der in Birmingham lebt, nur an Wochenenden. Deren Tochter Sophie, die nach der Annahme ihrer Doktorarbeit eine Stelle an der Uni in Birmingham bekom- men hat, kann ihren geschätzten Onkel Benjamin nun häufiger sehen und zieht wieder in ihr Elternhaus – wo allerdings einzig ihr Vater übriggeblieben scheint. Den Intellektuellen in der Familie fehlt das Verständnis für die Anliegen der Unterstützer des «Brexit». Colin und seine Generation scheinen frustriert über die wachsende Zahl von Mitgliedern des Commonwealth, die die kargen Verhältnisse in ihrer Heimat nur zu gern mit einer lukrativen Beschäftigung im Königreich tauschen würden und deshalb für viele Briten und Britinnen diffus als Bedrohung ihrer Arbeitsplätze wahrgenommen werden. Hinzu kommt ein ebenso diffuses Misstrauen gegenüber der Obrigkeit. Wie Colin auf dem Weg in die Mühle nach der Beerdigung über Geschwindigkeitskon- trollen sagt: «Bei jeder Gelegenheit wollen diese Arschgeigen einem noch mehr Geld abknöpfen.» Doug formuliert es so: «Die Leute sind sauer, richtig sauer, auch wenn sie gar nicht so genau sagen können, warum oder auf wen.» Die umfangreiche Geschichte windet sich durch die zahlreichen Beziehun- gen der erwähnten Protagonisten und Entwicklungen in Grossbritannien zwischen 2010 und den Wochen nach der «Brexit»-Abstimmung und zeich- net das vielfältige Bild eines Volks im Umbruch. Wie es sich gehört, spielen dabei Rassenprobleme, Mobbing und weitere Verästelungen der allgemeinen

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Konzentration auf Wesentliches eine Rolle, so dass sich damit eine zwin- gende Entwicklung hin zu den aktuell breit diskutierten Problemen erklären könnte. Aber vielleicht liegt der Schlüssel zu einer Erklärung für destruktive Abstimmungsentscheidungen in Demokratien einfach in einer ohnmächti- gen Abneigung grosser Teile der Bevölkerung gegenüber rationalen Argu- menten herrschender Klassen, so dass auch noch so abstruse Meinungen mehrheitsfähig scheinen. Auch Lügen werden für Unkundige zur Wahrheit, wenn sie nur oft genug wiederholt werden. Wenn ich auf meine letzten Zeilen zurückschaue, entsteht der Eindruck, dass das fast 500 Seiten starke Buch sperrig zu lesen sein könnte. Im Gegen- teil, finde ich, zeichnet Coe seine Charaktere doch mit britischem Humor in unzähligen unterhaltsamen Situationen, einzig das letzte Fünftel des Buches erscheint mir in seiner Aufarbeitung von vorher schon Erwähntem etwas redundant.

Jonathan Coe: Middle England. Folio Verlag Wien, Bozen 2020 ISBN 978-3-85256-801-0

«Realität» vs Poesie Wieso sind die Hauptakteure in heutigen Romanen oft so zerstörte Existen- zen? Warum muss der Psychologe in Michael Robothams Roman «Schweige still», der sich einer Waise annimmt, die die Fähigkeit besitzt, bei allen Men- schen erkennen zu können, wenn sie lügen, in seiner Kindheit erlebt haben, wie sein Bruder den Rest seiner Familie auslöscht? Wieso muss die Kom- missarin, die die Nachfolge von Proteo Laurentis in Veit Heinichens neuem Roman «Borderless» antritt, massiv klaustrophobisch und bindungsunfähig sein? Sollen wir uns etwa mit diesen kaputten Menschen identifizieren? Oder soll es einfach ein Spiegel unserer modernen Welt, der Menschen in einer sich zersetzenden Gesellschaft, sein? Zugegeben, spannend sind die erwähnten Romane allemal. Allerdings finde ich es gewissermassen entspannender, den neuesten Fall von Donna Leons Brunetti zu lesen und mich in Gesellschaft von Guido, Paola, Chiara und Raffi auch kulinarisch anheimeln zu lassen.

Und dann noch dies: Mit Freude habe ich diese rührende Geschichte aus dem Bündnerland gele- sen. Das namenlose Kind lebt im Dorf mit seiner Grossmutter. Der dritte Platz am Tisch ist leer, der Grossvater ist in Tamangur.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Die poetischen, kurzen Episoden reihen sich scheinbar zusammenhanglos aneinander und ergeben dennoch ein stimmungsvolles Bild von Menschen in einer abgelegenen Ecke der Welt. Deswegen sind sie noch lange nicht welt- fremd. Die Grossmutter steckt Nadeln in eine Weltkarte und träumt sich zurück an von ihr besuchte Orte. Sie liest auch Zeitung und ereifert sich dabei über Redewendungen: «Oh», macht sie plötzlich, «da hat einer den Tod gefunden! Als hätte er ihn gesucht! Als würde irgendjemand den Tod finden wollen – ausser den Selbstmördern. Und die müssen ihn ja nicht suchen, die sind mit ihm befreundet», räsoniert sie vor dem Kind, das ja den eigenen Bruder verloren hat. Die Zwei erhalten auch Besuch von seltsamen Menschen, die ihnen in ihrer Seltsamkeit einen Ausbruch aus dörflicher Enge ermöglichen. Elsa zum Beispiel, die mit Elvis befreundet ist. Ja genau, der Elvis ist dabei, wenn sie die Grossmutter und das Kind besucht und sie sehen «seinen blöden Tarnanzug, den weissen mit den glitzernden Pailletten», und der Kaminfeger steht, schwarz wie er ist, an der Theke. «Er muss immer viel trinken, um all den Russ aus seiner Kehle zu spülen», meinte die Grossmut- ter, wenn die Rede auf ihn kam, «und er machte das prophylaktisch schon am Morgen früh.» Die Geschichten um das Kind und die Grossmutter wurden zum 75. Geburts- tag der Autorin in einer noch um elf weitere ergänzten «Edition blau» neu herausgegeben und sind so bezaubernd und bildhaft wie Dylan Thomas’ «Under Milkwood». Eine Freude zu lesen!

Leta Semadeni: Tamangur. Edition blau. rotpunkt Verlag, Zürich 2019 ISBN 978-3-85869-842-1

Michael Robotham: Schweige still. Goldmann Verlag, München 2019 ISBN 978-3-442-31505-5

Veit Heinichen: Borderless. Piper Verlag, München 2019 ISBN 978-3-492-06147-6

Donna Leon: Geheime Quellen. Diogenes Verlag, Zürich 2020 ISBN 978-3-257-07099-6

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Zeitreise Ein Rückblick über wichtige, erheiternde oder auch banale Facts aus 100 Jahren Luftfahrtgeschichte. Von Juli bis September …

Text: Oliver Reist

… vor 50 Jahren Steigende Passagierzahlen und lärmgeplagte Anwohner veranlassten 1966 American Airlines, sich auf die Suche nach einem neuen Flugzeug für trans- kontinentale Nonstop-Flüge über den USA zu begeben. Der im kalifornischen Long Beach beheimatete Flugzeughersteller Douglas erstellte mehrere Ent- würfe, musste dann aber wegen Insolvenz die Arbeit zeitweilig einstellen. Erst 1967, nach dem Zusammenschluss mit McDonnell, wurde die Projektierung fortgesetzt. Je nach Auslegung sollte der Grossraumjet bis zu 380 Passagiere aufnehmen können. Die erste Version war zweimotorig und glich, wegen des kurzen Oberdecks hinter dem Cockpit, einem Jumbo-Jet. Darauf folgte eine doppelstöckige Version, die sehr dem heutigen Airbus A380 ähnelte. Unter der Bezeichnung DC-10 wurde der finale Entwurf Anfang 1968 den Vorstands- mitgliedern von American Airlines präsentiert. Charakteristisch an der drei- motorigen Auslegung war das im Seitenleitwerk integrierte Triebwerk. Die Konkurrenz blieb jedoch nicht untätig. Fast gleichzeitig präsentierte der aus Burbank (Kalifornien) stammende Flugzeughersteller Lockheed die L-1011 TriStar. Der Flugzeugentwurf glich der DC-10 sehr. Äusserlich unterschieden sich die Kontrahenten einzig durch die Triebwerksanordnung. Im Lockheed- Dreistrahler befindet sich das Antriebsaggregat im Gegensatz zum Douglas- Jet nicht in der Seitenflosse, sondern im Rumpfheck. Die Luftzufuhr erfolgte über einen s-förmigen Ansaugkanal. Am 19. Februar 1968 bestellte American Airlines 25 DC-10 von McDonnell Douglas. Die Freude in Long Beach währte nicht lange. Die Suche nach weiteren Abnehmern war äusserst schwierig. Um mit dem Bau eines Prototyps beginnen zu können, brauchte McDonell Douglas mindestens noch einen weiteren Kunden. Eastern Airlines, Delta und TWA entschieden sich für die Lockheed TriStar. Nach vielen Anpassun- gen bestellte schliesslich United Airlines im Frühling 1968 30 DC-10 und initiierte damit den Bau des neuen Grossraumflugzeugs. Erstmalig wurden grössere Flugzeugkomponenten durch Subunternehmen in der ganzen Welt hergestellt. Die Flügel kamen aus Ontario, Canada, die Rumpfteile aus San Diego und Teile des Höhenleitwerks wurden in Italien gefertigt. Die End- montage wurde in Long Beach durchgeführt. In Anwesenheit von Ronald

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Reagan, dem damaligen Gouverneur von Kalifornien, fand am 23. Juli 1970 der Roll-out statt. Wie bereits bei früheren Präsentationen wurde dabei an das schottische Erbe von McDonnell erinnert und die Zeremonie mit Dudel- sackklängen begleitet. Bereits einen Monat später, am 19. August 1970, fand der Erstflug statt. Nach drei Stunden und 26 Minuten landete der erste Proto- typ wohlbehalten auf der Edwards Air Force Base. Der Flug verlief problem- los. Bis Ende 1970 befanden sich vier DC-10 in der Flugerprobung. Bereits hatten weitere Airlines das neue Flugzeug bestellt, die Serienproduktion war gesichert. Ende Juni 1971 erhielten American Airlines und United Airlines ihre ersten DC-10. Am 16. November 1970 war es auch bei Lockheed so weit. Die L-1011 TriS- tar startete erfolgreich zum Erstflug vom Werksflugplatz in Palmdale. Doch schon bald ereigneten sich ernsthafte Probleme. Im Gegensatz zur DC-10, die wahlweise mit Triebwerken von Pratt & Whitney oder General Electric ausgerüstet werden konnte, entschied sich Lockheed, die TriStar einzig mit Rolls-Royce-Turbinen anzubieten. Speziell für dieses Flugzeug wurde ein neuartiges Dreiwellentriebwerk (RB211) entwickelt. Technische Probleme bei der Konstruktion der Brennkammern und der Schaufelblätter, die aus neu- artigen Kohlefaserverbundstoffen hergestellt wurden, führten zu finanziel- len Schwierigkeiten bei der britischen Traditionsfirma. Am 4. Februar 1971 blieb Rolls-Royce daraufhin nichts anderes übrig, als Konkurs anzumelden. Durch die Verstaatlichung konnte der Zusammenbruch des Unternehmens verhindert werden. Doch die Produktion der TriStar verzögerte sich und das Vertrauen in den Hersteller wurde beschädigt. Als Ergänzung zur grösseren Boeing 747 interessierten sich auch viele europäische Airlines für die neuen dreistrahligen Flugzeuge aus Kalifornien. KLM, SAS und Swissair gründeten 1968 unter dem Namen KSS ein Konsortium. Durch gemeinsame Spezifika- tionen und Aufgabenteilung sollten die Anschaffungs- und Betriebskosten künftiger Flugzeuge gesenkt werden. Etwas später schloss sich dich fran- zösische Fluggesellschaft UTA der Allianz an (KSSU). Die DC-10-10, wie die erste Version benannt wurde, verfügte über eine Reichweite von etwa 5500 Kilometern. Damit erfüllte sie die Anforderungen der Europäer, die einen Jet für interkontinentale Flüge benötigten, nur bedingt. Während neun Monaten verhandelte die KSS mit beiden Herstellern. McDonnell Douglas offerierte eine Variante mit einer um 30 Prozent erhöhten Reichweite (DC-10). Am 7. Juni 1969 bestellte die KSS-Gruppe 14 DC-10 und 22 Optionen und gab somit den Startschuss für den Bau der «30er»-Serie. Am 8. Dezember 1972 überflog der Chefpilot der Swissair, Robert Staubli, die erste DC-10 von Long Beach nach

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Zürich. Die DC-10 ritt auf einer Erfolgswelle. Airlines und Passagiere schätz- ten den Grossraumjet. Doch nach einer Serie von Unfällen wendete sich das Blatt. Am 13. Juni 1972 verlor eine DC-10-10 der American Airlines nach dem Start in Detroit, auf einer Höhe von 12 000 Fuss, die hintere Frachttüre. Obwohl dabei das Höhenleitwerk beschädigt wurde, gelang es der Besatzung, das Flugzeug sicher in Detroit zu landen. Die Untersuchungen förderten Konstruktionsmängel am Verriegelungsmechanismus der Frachttüre zutage. Die infolge von McDonnell Douglas erlassenen Modifikationsvorschriften wurden jedoch nicht mit der notwendigen Dringlichkeit durchgesetzt. Im März 1974 stürzte eine DC-10 der Turkish Airlines nach dem Start in Paris ab. Es dauerte nicht lange, um die Unfallursache zu ermitteln. Die hintere Frachttüre und sechs Passagiersitze wurden 15 Kilometer weit entfernt von der Hauptabsturzstelle gefunden. Durch die Dekompression im Frachtraum wurden die Steuerleitungen des Höhen- und Seitenruders zerstört. Das Flug- zeug war praktisch nicht mehr steuerbar. Zudem fiel das mittlere Triebwerk aus. Es dauerte einige Jahre, bis das gute Image der DC-10 wieder hergestellt wurde und sich die Auftragsbücher wieder füllten. Am 25. Mai 1979 kam es jedoch bis zum dahin folgenschwersten Unfall der amerikanischen Zivilluft- fahrt. Nach dem Start am Flughafen O’Hare in Chicago verlor eine DC-10-10 der American Airlines das linke Triebwerk und stürzte ab. Die Turbine wurde nach einer Wartung entgegen den Vorschriften des Herstellers montiert. Dies führte zum Bruch eines Aufhängebolzens. Drei Tage später erliessen die US-Behörden ein Flugverbot für die DC-10-10. Die Langstreckenversion der Swissair war nicht direkt vom Verbot betroffen. Nach einer Überprüfung der Bolzen, bei der keine Risse entdeckt wurden, setzte die Swissair bereits nach kurzer Zeit ihre DC-10 wieder im Flugdienst ein. Der öffentliche Druck veranlasste jedoch das US-Luftamt für alle DC-10-Muster ein Startverbot zu erlassen und forderte alle Luftämter der DC-10-Betreiber-Staaten auf, ihrem Beispiel zu folgen. Da der Absturz nachweislich auf einen Unterhalts- und nicht auf einen Konstruktionsmangel zurückzuführen war, kämpfte die Swissair gegen ein Startverbot und schrieb an das Eidgenössische Luftamt: «Aufgrund einer eingehenden Lagebeurteilung ist die Swissair nach wie vor davon überzeugt, dass unsere DC-10-Flugzeuge den Lufttüchtigkeitsanfor- derungen in jeder Beziehung entsprechen. Aus diesem Grund muss sich die Swissair in aller Form gegen eine Stilllegung zu Wehr setzten.» Es half nichts. Die DC-10 Flotte der Swiss wurde am 6. Juni für 12 Tage gegroundet. Trotz dieser schwierigen Phase entwickelte sich die DC-10 bei der Swissair zu einem verlässlichen Flugzeug. In den 1980er Jahren wurde die Flotte mit

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 DC-10-30ER-Maschinen ergänzt, die über eine grössere Reichweite verfüg- ten. McDonnell Douglas fertigte bis zum Produktionsende 1988 insgesamt 446 DC-10 an. Davon wurden 60 Flugzeuge als militärische Betankungs- und Frachtvariante KC-10 an die US Air Force ausgeliefert. Der letzte Passagier- flug einer DC-10 fand 2014 von Dhaka nach London statt. Als Frachtflug- zeug erlebte die DC-10 eine Renaissance. Auf Anregung von FedEx wurden 89 DC-10 modernisiert (Zwei-Mann-Glascockpit) und unter der Bezeichnung MD-10 an das Nachfolgemodell (MD-11) angeglichen. Die «Unverwüstlich- keit» der DC-10 zeigt sich auch an den Spezialumbauten. Das Unternehmen «10 Tanker» setzt in den USA vier DC-10 zur Brandbekämpfung ein. Bis zu 35 000 Liter Löschflüssigkeit kann die umgebaute DC-10 in drei Aussentanks aufnehmen. Der Löscheinsatz erfolgt idealerweise auf einer Abwurfhöhe von 60 bis 100 Metern über Boden. Eine besondere MD-10 fliegt seit mehreren Jahren für die Non-Profit-Orga- nisation «ORBIS». Der ehemalige FedEx-Frachter wurde in eine fliegende Augenklinik umgebaut und ist als Operationssaal und Ausbildungszentrum in Ländern ohne flächendeckende medizinische Versorgung unterwegs. Die Lockheed TriStar war weniger erfolgreich. Es wurden nur 250 Stück herge- stellt. Gemäss der «New York Times» erlitt Lockheed mit der TriStar einen Milliardenverlust. Infolgedessen stellte Lockheed die zivile Flugzeugproduk- tion ein und konzentrierte sich auf die militärische Luftfahrt. l

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Rückspiegel In dieser Rubrik wird eine Auswahl von Kommentaren über Luftverkehr und Flughäfen präsentiert.

Text und Bilder: Thomas O. Koller, Vizepräsident Komitee «Weltoffenes Zürich»

Kurzstrecke generell auf die Schiene? 21. Juli 2020 Linke und grüne Politiker machen uns weis, die Bahn wäre «die» Lösung für klimaschonende Mobilität. Sie fordern, dass Reisen unter 1500 Kilometer generell auf die Schiene verlegt werden müssen. Diese Idee ist absurd, was ein einfaches Beispiel belegt. Zürich und Warschau liegen – Luftlinie – rund 1000 Kilometer auseinander. Die Reise von Zürich nach Warschau dauert von Zentrum zu Zentrum mit der schnellsten Zugverbindung über 15 Stunden, per Bus über 20 Stunden, mit dem Auto rund zwölf Stunden und mit dem Flugzeug viereinhalb Stunden. Kein vernunftbegabter Mensch – es sei denn, er mache die Zugreise zu seinem persönlichen Erlebnis – wird unter diesen Voraussetzungen den Zug wählen. Auch unter ökologischen Gesichtspunk- ten sind Fragezeichen zu setzen. Mit dem Zug werden die Reisenden 1500 Kilometer durch Europa gekarrt. Ob das gesamtheitlich betrachtet wirklich besser als ein Flug ist, ist zu bezweifeln. Denn es gilt den Energieverbrauch, den eingespeisten Strom (thermische Kraftwerke lassen grüssen) oder schlim- mer noch, den Dieselverbrauch, die Bodenversiegelung für die Bahntrassen, die Anzahl lärmexponierten Personen, die Feinstaubemission und einiges mehr zu berücksichtigen.

Frage an Radio Eriwan 7. Juli 2020 Frage an Radio Eriwan: «Stimmt es, dass eine andere Fluggesellschaft sofort in die Lücke springen würde, wenn es die SWISS am Flughafen Zürich nicht mehr gäbe?» Antwort von Radio Eriwan:«Im Prinzip ja, aber eine Airline zu finden, welche die Möglichkeiten und die Lust hat, aus Zürich heraus eine interkontinentale Drehscheibe zu betreiben, wird schwierig werden. Und selbst wenn sich eine solche Airline fände, dann würde sie zunächst einmal ihren eigenen Heimatflughafen mit Schweizer Passagieren «füttern», um von dort aus ihr eigenes Netzwerk zu betreiben. Und wenn das geschähe, dann

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 hätten wir ab Zürich nur noch eine Handvoll direkter Interkontinentalverbin- dungen. Und wenn das so eintritt, würden unsere Exportfirmen, der Touris- mus, Wissenschaft und Forschung leiden. International tätige Unternehmen, Firmenzentralen und Forschungsinstitute würden abwandern – und dann bräuchte es auch die Handvoll interkontinentaler Direktverbindungen nicht mehr.»

Mobilitätskosten: Überraschender Befund 30. Juni 2020 Mobilität verursacht Nutzen und Kosten. Das Bundesamt für Raumplanung hat die externen Kosten der verschiedenen Verkehrsträger ermittelt. Als «extern» werden Kosten bezeichnet, die von den Verursachern nicht selbst getragen werden und bei der Allgemeinheit anfallen. Dazu gehören unter anderem Unfall- oder Umweltkosten. Das Resultat ist erstaunlich und belegt einmal mehr, dass der Luftverkehr zu Unrecht verunglimpft wird. Die exter- nen Kosten des «guten» ÖV, des Schienenverkehrs und des öffentlichen Strassenverkehrs also, sind genau gleich hoch wie jene des vom politischen Mainstream als «schlecht» gebrandmarkten Luftverkehrs! Sie machen je zehn Prozent beziehungsweise je 1,4 Milliarden Franken aller externen Mobilitäts- kosten aus. Fazit: Vorgefasste Meinungen sind das Gegenteil von Fakten.

Analyse richtig – Folgerung falsch 23. Juni 2020 Im Wirtschaftsteil des «Tages-Anzeigers» analysierte Konrad Staehelin zwar korrekt, dass die SWISS dank Umsteigebeziehungen ab Zürich 25 statt nur fünf direkte Interkontinentalverbindungen rentabel anbieten kann. Bei der Folgerung tappt er aber in eine Falle, in die zahlreiche Beobachter der Avia- tik tappen. Er reduziert den Nutzen von Umsteigepassagieren auf den öko- nomischen Erfolg der Airline. Dabei hat Staehelin den Schlüssel zur öko- nomisch korrekten Einordnung des Umsteigeverkehrs selbst genannt: Dank der Umsteigepassagiere stehen nicht nur fünf, sondern eben 25 regelmässig bediente Interkontinentalverbindungen zur Verfügung, täglich oder mindes- tens fünfmal wöchentlich, hin und zurück. Das ist für die Schweizer Wirt- schaft sowie für Forschung und Wissenschaft zentral. Ohne diese Leistung litte deren internationale Konkurrenzfähigkeit massiv. Und damit litte auch der Wohlstand unseres kleinen, aussenhandelsabhängigen Landes, dessen einzige natürliche Ressource die Innovationskraft von Unternehmen und Forschung ist. l

Ende Artikel AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Shooter’s Corner Fotos clever verwalten (Teil 1): Das Konzept Fotografie hört nicht nach dem Druck auf den Auslöser auf. Die Digitaltechnik erlaubt heute günstiges Fotografieren, bringt aber auch eine Bilderflut mit sich. Was also tun mit den unzähligen Bildern, die wir täglich knipsen oder von einer Reise zurückbringen? In einer mehrteiligen Serie möchte ich darlegen, warum sich eine durchdachte Bildverwaltung lohnt und wie diese aussehen könnte.

Text: Dominique Wirz

Während des Corona-Lockdowns wurde ich mit Anfragen überhäuft. Viele meiner Kunden und Bekannten nutzten die geschenkte Zeit und packten an, was offenbar im hektischen Vor-Corona-Alltag liegen geblieben ist. Sie woll- ten konkret wissen, wie sie ihren Bildhaufen organisieren können und bean- spruchten viele Online-Beratungsstunden, bei denen ich aus der Ferne direkt auf ihren Computer zugreifen konnte. Das Schönste dabei war für mich zu sehen, wie sehr den Leuten ein Stein vom Herzen fiel, als sie ihre Fotosamm- lung dann endlich im Griff hatten. Viele bedauerten, diesen Schritt nicht schon früher gemacht zu haben und freuten sich nun darüber, endlich mehr aus ihren Bildern machen zu können. Eine Freude, die nicht zuletzt auch die Motivation zu fotografieren wieder deutlich gesteigert hat. Mit dieser Aus- sage schliesst sich der Kreis: Zum Fotografieren gehört heute unbedingt eine systematische Verwaltung sowie die Optimierung der Bilder. Dies wiederum sorgt dafür, dass die Freude am Bild und an der Fotografie selbst langfristig erhalten bleiben.

Was ist eine Bildverwaltung? Die Grundlage jeder Bildverwaltung ist eine systematische Ablage auf dem Computer: Alle Bilder sind an einem zentralen Ort abgelegt und können so einfach und zuverlässig im Blick behalten und gesichert werden. Aus Grün- den, die später noch erläutert werden, eignet sich eine streng chronologi- sche Ablage viel besser als eine Ablage in Themenordnern. Ich persönlich lege auch Videoclips und Fotos anderer Leute in derselben chronologischen Struktur ab. So sehe ich auf einen Blick, was für Material an einem bestimm- ten Tag erstellt wurde. Hilfreich ist es auch, wenn jedes Bild einen eindeu- tigen Dateinamen hat. Dies erfordert eine systematische Umbenennung der Bilder.

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 Die eigentliche Verwaltung beginnt mit der Inspektion der Bilder: Weg mit den schlechten und nichtssagenden Fotos! Sie verstellen uns nur die Sicht auf die guten Bilder und kosten uns wertvolle Zeit. Die ausgewählten Fotos werden mit Sternen bewertet, sodass wir später unsere Top-Shots von mit- telmässigen Bildern unterscheiden können. Weiter erleichtern bildbeschrei- bende Daten, sogenannte Metadaten, dass wir später unsere Fotos im Bild- haufen finden. Zu diesem Zweck werden ganzen Bildgruppen oder einzelnen Fotos Ortsangaben, Free-Text-Beschreibungen und Stichworte zugeordnet.

Vorteile der Bildverwaltung Eine umfassende und einheitliche Bildverwaltung aufzubauen mag zunächst abschreckend erscheinen, kostet aber wirklich nicht mehr Arbeit, als ein zusammengestöpseltes System zu benutzen. Ist erst mal alles auf die Reihe gebracht und flüssig gestaltet, zahlt sich eine durchdachte Bildverwaltung schnell aus und bietet folgende Vorteile: n Steigert die Produktivität: Indem Sie unterschiedlichste Informationen zu Ihren Bildern ablegen können, legen Sie die Basis für Ihre spätere Produk- tivität. Sie können in Ihrem Bildhaufen einfach suchen, virtuelle Zusam- menstellungen machen und zum Beispiel die Qualität der Bilder dank einer Bewertung mit inhaltlichen Informationen, wie beispielsweise Stich- wörtern, verknüpfen. Wenn Sie erst mal mit den Möglichkeiten der Bild- verwaltungs-Software vertraut sind, werden Sie wesentlich weniger Zeit für die Sortierung und Vorbereitung von Dateien verwenden und dafür mehr Zeit für das Fotografieren. n Erhöht den Wert der Bilder: Indem Sie in der Lage sind, schnell die gewünschten Bilder wiederzufinden und für einen Zweck verfügbar zu machen, erhöhen Sie deren Wert. Denn Sie können mehr aus Ihren Bildern machen, als Sie einfach auf Ihren Festplatten schlummern zu lassen. Dies führt nicht zuletzt dazu, dass Sie motivierter fotografieren werden. n Verlängert das Leben Ihrer Bilder: Eine gute Bildverwaltung hilft Ihnen – mittels kluger Datenorganisation und lückenloser Sicherung – die Voll- ständigkeit Ihrer Sammlung zu bewahren. Dies wird sehr wertvoll sein, wenn die Bilder eines Tages von einem Programm, einem Speichersystem oder Formatsystem in ein anderes verschoben – in der Fachsprache «mig- riert» – werden müssen. n Bringt Sie fotografisch weiter: Auch der Prozess der Bildverwaltung, insbe- sondere wenn Sie rigoros aussortieren und bewerten, bringt Ihnen einen nicht zu unterschätzenden Gewinn. Indem Sie nämlich Ihre Fotos einge-

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 hend betrachten und miteinander vergleichen, lernen Sie mit der Zeit, was es für ein gutes Foto braucht und was Sie in Zukunft anders machen müssen. Nur so können Sie sich fotografisch überhaupt weiterentwickeln!

Regeln für die Bildverwaltung Damit Ihnen der Einstieg in die Bildverwaltung gelingt, sollten Sie folgende grundsätzlichen Tipps beherzigen. Wir können sogar von Regeln sprechen, die Sie unbedingt beachten müssen: n Arbeiten Sie universell: Gehen Sie mit allen Bildern nach einem einheitli- chen System vor. Passen Sie auch Ihre alten Bildbestände neueren Tech- niken an. Mit einer einheitlichen Organisation können Sie Ihre Sammlung schneller und zuverlässiger durchsuchen. Sie können so Ihre Bilder mit ihren jeweiligen Bezügen zueinander zusammenführen und den Wert jedes einzelnen Bildes maximieren. n Verlassen Sie sich nicht auf Ihr Gedächtnis: Wir überschätzen unser Erin- nerungsvermögen häufig. Bei der Ablage der Bilder scheint uns noch alles sonnenklar. Doch nach zehn Jahren haben Sie viele Einzelheiten verges- sen. Darum lohnt es sich zum Beispiel, Bilder mit Stichworten zu verwal- ten. n Bauen Sie für die Zukunft: Ihr System soll um ein Mehrfaches wachsen können, ohne dass alles komplett umstrukturiert werden muss. Es muss daher einfach zu skalieren, zu transferieren und notfalls zu konvertieren sein. n Tun Sie es nur einmal: Indem Sie Bilder bezüglich Qualität bewerten und mit Anmerkungen zum Inhalt versehen, erhöhen Sie deren Wert. Wenn Sie dies systematisch in einer Bildverwaltungs-Software tun, können Sie diese Informationen immer wieder benutzen. Wenn Sie stattdessen die Orga- nisationsstruktur für neue Projekte immer wieder manuell ändern, ist das einerseits sehr zeitaufwendig. Andererseits müssen Sie es für jedes nächste Projekt erneut tun. Bildverwaltungssoftware hingegen speichert nur die eine gewünschte Sortierreihenfolge und Gruppierung und lässt die Bilder unberührt. Durch sogenannte virtuelle Sammlungen können Sie eine unbegrenzte Anzahl von Bildgruppen speichern. Somit sparen Sie Suchzeit. Sie steigern also von Anfang an Ihre Produktivität. n Übertreiben Sie es nicht: Es gilt ein Gleichgewicht zwischen dem zu fin- den, was nützlich ist, und dem, was Zeitverschwendung ist. Überlegen Sie sich, nach welchen Stichworten Sie Bilder später suchen wollen. So ist es sicher vorteilhaft zu vermerken, wer auf einem Foto abgebildet ist. Jedoch

AEROPERS  Rundschau 3 | 2020 bei jedem Bild zu schreiben «schaut nach links/rechts» wäre des Guten zu viel.

Eine funktionierende Bildverwaltung trägt wesentlich dazu bei, dass Sie Ihre Bilder wiederfinden und Sie somit auf effiziente Weise etwas aus Ihren Bildern machen können. Über den Foto-Workflow, also wie Sie konkret mit Ihren Bildern verfahren könnten, schreibe ich in der nächsten Folge.

Aktuelle Fotokurse (auch «Lightroom Classic») auf fotowerkstatt-kreativ.ch Weitere Fototipps auf dominique-wirz.ch/blog l

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