QUELLEN UND STUDIEN

ZUR GESCHICHTE

DES DEUTSCHEN ORDENS

BAND 81

Veröffentlichungen der

INTERNATIONALEN HISTORISCHEN KOMMISSION

ZUR ERFORSCHUNG DES DEUTSCHEN ORDENS

BAND 17

herausgegeben im Auftrag des Vorstandes von

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Udo Arnold unter der Patronanz des Deutschen Ordens

VDG DAS LEBEN

IM ORDENSHAUS

Vorträge der Tagung der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens in Tallinn 2014

herausgegeben von Juhan Kreem

VDG Verantwortlicher Vorstand: Prof. Dr. Ursula Braasch-Schwersmann Prof. Dr. Dr. h. c. Roman Czaja Prof. Dr. Hubert Houben Prof. Dr. Tomasz Jasihski Dr. Juhan Kreem Prof. Dr. Johannes A. Mol

Besuchen Sie uns im Internet: www.asw-verlage.de

© VDG als Imprint von arts + science weimar GmbH, Ilmtal-Weinstraße 2019

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reprodu­ ziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme digitalisiert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Angaben zum Text und Abbildungen wurden mit großer Sorgfalt zusammengestellt und überprüft. Dennoch sind Fehler und Irrtümer nicht auszuschließen, für die Verlag und Urheber keine Haftung übernehmen.

Satz: Monika Aichinger, arts + science weimar GmbH

Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza

ISBN: 978-3-89739-919-8

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Die Vignette zeigt einen Ausschnitt aus Abb. 17 im Beitrag Boas. INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort VII

A nette Löffler Die Rolle der Liturgie im Ordenskonvent. Norm und Wirklichkeit 1

A drian J. Boas Life in Montfort in the Light of Archaeological Excavations (1926 and 2011-2014) 21

S l AWOMIR JÖZ'WIAK UND J a NUSZ T r UPINDA Das Leben auf der Marienburg zur Zeit der Hochmeister (1309-1457) nach schriftlichen mittelalterlichen Quellen 28

Ieva O se Funktion der Räume der Ordensburgen in Lettland 40

A leksander Pluskowski, A lexander Brown, Rowena Banerjea, Daniel Makowiecki, K rish Seetah, Monika Badura, Marc Jarzebowski, Eve Rannamäe, Juhan K reem and K aspars K^avitjs From the convent to the commandery: The pivotal role of the environment in defining the medieval Baltic O rdensland 55

A rvi Haak, Eve Rannamäe und Lembi Löugas Zum Lebensstil in der Ordensburg Fellin aufgrund archäologischer Quellen 80

Villu K adakas und J uhan K reem Der Baukompex von Peude auf Ösel. Eine frühe Ordensburg mit einem Nachleben? 99

V K ristjan Toomaspoeg Alltagsleben in den Ordenshäusern Siziliens am Ende des 15. Jahrhunderts 117

Ursula Braasch-Schwersmann Alltag im Deutschordenshaus Marburg im 15. Jahrhundert 144

J ohannes A. Mol Alltag im Deutschordenskonvent Utrecht im 15. Jahrhundert 164

Michel Van der Eycken Alltagsleben in den Kommenden der Ballei Biesen im 18. Jahrhundert 178

Orts- und Personenverzeichnis 191

Abbildungsnachweise 196

VI VORWORT

Beispiele für Alltag als Forschungsgegenstand der Geschichtsschreibung lassen sich leicht in der gesamten Entwicklung unserer Disziplin finden. Allerdings hat die All­ tagsgeschichte seit der Etablierung einer modernen Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert eher am Rande gestanden. Die seriöse Geschichtswissenschaft wie auch die Kulturgeschichte beschäftigten sich eher mit großen Ereignisse bzw. Spit­ zenleistungen der Menschheit. Die Darstellungen von Alltag gab es in der älteren Geschichtsschreibung in Form der Human-Interest-Geschichten oder gar von Ku­ riositäten, waren oft von Amateurhistorikern geschrieben und für das breitere Pub­ likum gedacht. Seit den 1960er Jahren hat die Geschichtswissenschaft aus unterschiedlichen Richtungen (Anthropologie, Soziologie u.a.) Impulse empfangen, die die Alltags­ forschung auf eine solidere methodische Basis führen konnten. Die bekanntesten Arbeiten dieser Zeit zeigen schon die Vielfalt der Zugänge, wenn wir z. B. neben den Ansatz von Fernand Braudel, der auf die Suche nach den breiten Strukturen des Alltags der vorindustriellen Zivilisation ging,1 2 die Mikrostudie von Emmanuell Le Roy Ladurie über ein Dorf im Languedoc stellend In der deutschsprachigen Ge­ schichtsschreibung fand diese neue Form der Historiographie nur langsam ihren Weg: Das 1973 erschienene Buch von Arno Borstüber Lebensformen im Mittelalter3 blieb lange allein und ohne Nachfolge, erst in den 1980er Jahren erlebte die Alltags­ geschichte eine richtigen Aufschwung. Natürlich haben neue Moden auch negative Auswirkungen, es ist aber nicht zu leugnen, dass die methodologischen Diskussio­ nen der 1980er Jahre diesen Forschungsbereich einzurichten halfen.4 *

1 Fernand Braudel, Civilisation materielle, economie et capitalisme (XVe—XVIIIe siecles), T. 1, Paris 1967. 2 EmmanuellLe R o y L adurie, Montaillou, village occitan de 1294 ä 1324, Paris 1975, mehrfach neu ediert; englisch: Montaillou. The promised land of error, New York 1978, mehrfach neu ediert; deutsch: Montaillou. Ein Dorf vor dem Inquisitor, Frankfurt/M. 1980, mehrfach neu ediert. 3 Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter, Frankfurt/M. 1973, mehrfach neu ediert. 4 Eine einblickreiche Bestandsaufnahme bietet derTagungsband: Mensch und Objekt im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Internationaler Kongress Krems an der Donau 27. bis 30. September 1988 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Sitzungs-

VII Das genauere Abgrenzen des Forschungsgegenstandes bleibt aber nach wie vor schwierig, weil Alltagsgeschichte von Anfang an einen allumfassenden Anspruch hat. Alltag ist einfach alles, was täglich geschieht,5 eine Einheit von Handlungs-, Bewusstseins- und Lebensformen, eine Totalität der menschlichen Erfahrungen, die von materieller Kultur und Umwelt geprägt ist. So gesehen handelt es sich um ein fast utopisches Rekonstruktionsprojekt, genauso wie Geschichtswissenschaft eine unendliche Bestrebung zur besseren Erkenntnis der Vergangenheit ist. Im Gro­ ßen und Ganzen gibt es jedoch keine Zweifel, dass Alltagsgeschichte eine legitime und ertragreiche Form der Geschichtsschreibung geworden ist. Die alltagsgeschichtlichen Ansätze in der Deutschordensforschung teilen die skizzierte Dynamik. Schon die großen Deutschordensforscher Johannes Voigt (1786-1863)6 und Leonid Arbusow der Ältere (1848-1912)7 haben Alltagsbildcr (oder Stillleben, wie sie sie bezeichnet haben) der Ordensmeister gezeichnet, die aber als Nebenprodukte ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit entstanden und an ein breiteres Publikum gerichtet waren; der Text von Arbusow erschien sogar in einem für die Schule bestimmten Lesebuch. Seit den 1980er Jahren haben aber auch die Deutschordensforscher gezeigt, dass alltagsgeschichtliche Themen in wissenschaft­ liche Publikationen gehören können. Zum Beispiel hat sich Bernhart Jähnig mit der Sachkultur des Deutschen Ordens in Preußen beschäftigt,8 Hartmut Boockmann hat eine Reihe von Aufsätzen über das Alltagsleben der Hochmeister veröffentlicht, sich vor allem auf die Angaben des Marienburger Tresslerbuchs stützend.9 Seitdem ist unser Blick auf mögliche Quellen vielfach erweitert geworden: Archäologen, Germanisten, Bauforscher und viele andere haben etwas zur Alltagsgeschichte des Deutschen Ordens beizutragen. Zielsetzung der 16. Tagung der Internationalen

berichte 586 = Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit 13), Wien 1990; Gerhard J ar it z , Zwischen Augenblick und Ewigkeit. Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien 1989. 5 Otto B orst, Alltagsleben im Mittelalter, Frankfurt/M. 1983, S. 13. 6 Johannes Voigt, Das Stilleben des Hochmeisters des Deutschen Ordens und sein Fürstenhof, in: Historisches Taschenbuch 1, hg. v. Friedrich von Raum er, 1830, S. 167-253. 7 Leonid Arbusow (der Ältere), Stilleben der Ordensmeister von Livland (Wolter von Pletten­ berg), in: Heimatbuch für die baltische Jugend, hg. von L. G o e r t z und A. B r o s s e , Zweiter Teil, 1912. 8 Bernhat Jähnig, Über Quellen zur Sachkultur des Deutschen Ordens in Preußen, in: Werkstatt des Historikers der mittelalterlichen Ritterorden. Qucllenkundliche Probleme und Forschungs­ methoden, hg. v. Zenon Hubert Nowak (Ordines Militares 4), Torun 1987, S. 77-96; Bernhart Jähnig, Organisation und Sachkultur der Deutschordensresidenz Marienburg, in: Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage, hg. v. Peter Joh anek (Residenzenforschung 1), Sigmaringen

9 Hartmut Boockmann, Alltag am Hof des Deutschordens-Hochmeisters in Preußen, in: Alltag bei Hofe. 3. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göt­ tingen. Ansbach 28. Februar bis 1. März 1992, hg. v. Werner Pa rav ici n i (Residenzenforschung 5), Sigmaringen 1995, S. 137-147. Weitere Bibliographie in Ders., Wege ins Mittelalter. Histori­ sche Aufsätze, München 2000.

VIII Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens in Reval (Tal­ linn, Estland) war es, Schlaglichter auf diese neueren Forschungen zu werfen. Das Thema „Leben im Ordenshaus“ war bewusst etwas unscharf formuliert, um eine Vielfalt von Zugängen zu ermöglichen.10 Die Tagung wurde kofinanziert von der Estnischen Wissenschaftsagentur (IUT 18-8: The Making of : Actors, Insti­ tutions and Networks in the Medival and Early Modern Baltic Sea Region), dem Estnischen Kulturkapital und dem Stadtarchiv Tallinn. Der vorliegende Band do­ kumentiert die gehaltenen Vorträge, die für die Publikation zum Teil auch weiter­ entwickelt und überarbeitet wurden. Der Deutsche Orden war ein geistlicher Ritterorden, weshalb es angebracht ist, den religiösen Aspekten dieses Zusammenlebens größere Aufmerksamkeit zu wid­ men. Anette Löffler gibt einen systematischen Überblick über die Rolle der Liturgie im Alltag der Ordensbrüder. Auch wenn es keinen Zweifel gibt, dass die Liturgie den Tagesablauf des Konvents strukturierte, weist Löffler auf das Zentralproblem von Alltagsgeschichte hin, auf das Verhältnis zwischen Norm und Praxis. Sie zeigt überzeugend, dass man bei entsprechender Vorsicht auch über die Praxis Aussagen machen kann. Darüber hinaus geht sie auf die zeitliche Dynamik und regionalen Unterschiede in der Liturgie ein sowie auf die Bemühungen zur Aufrechterhaltung der geistlichen Gemeinschaft. Sowohl hier als auch in vielen anderen Beiträge des vorliegenden Bandes wird ersichtlich, welch wichtigen Anstöße die Publikation der Visitationen des Deutschen Ordens11 zur Erforschung der Alltagsgeschichte gege­ ben hat. Slawomir Jozwiak und Janusz Trupinda nehmen in ihrem Beitrag das Leben der Hochmeister in der Burg Marienburg (Malbork) in Preußen unter genaueren Blick. Diese berühmte Anlage, Teil des UNESCO-Welterbes, ist während ihrer Geschich­ te vergessen, restauriert, zerstört und wieder aufgebaut worden, entsprechend viel­ schichtig ist auch ihre Forschungsgeschichte. Die Autoren zeigen, dass bei näherem Lesen der schriftlichen Quellen doch neue Erkenntnisse über die Nutzungstopo­ graphie der Burg gewonnen werden können. Die Frage, welche Quellenbegriffe mit welchen Realien zusammenzubringen sind, gehört zu den klassischen Fragen der Alltagsgeschichte, und wir dürfen hoffen, dass auch im Fall Marienburg in den kommenden Jahren noch viele neue Aspekte zutage kommen. Für den Deutschen Orden in Livland ist die Rekonstruktion des Raumprogramms der Burgen viel schwieriger, weil die meisten Objekte in Ruinen liegen, es mangelt

10 Tagunsgbericht: Juhan Kreem, Über das Leben im Ordenshaus. Die Konferenz im Stadtarchiv Tallinn (26.-27. September 2014), in: Forschungen zur baltischen Geschichte 10, 2015, S. 271-277. 11 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, hg. v. Marian Biskup und Irena Janosz- Biskupowa unter der Redaktion v. Udo A r nol d , Teil I: 1236—1449, Teil II: 1450—1519, Teil III: 1528-1541 und Nachträge (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/I-III = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deut­ schen Ordens 10/I-III), Marburg 2003, 2004, 2008.

IX auch an schriftlichen Quellen. Die beste Kennerin der Burgen in Lettland, leva Ose, zeigt in ihrem Beitrag, aus welchen Bruchteilen die Ergebnisse gewonnen werden müssen. In manchen Burgen ist sogar die Lokalisierung der Kapelle unsicher, aber auch in der etwas besser erhaltenen Ordensburg Riga ist es wegen der späteren Um­ bauten schwer, die ursprüngliche Funktion der Räume festzustellen. Trotzdem zeigt die Autorin, dass man in den letzten Jahren durch archäologische Ausgrabun­ gen zu neuen Interpretationen gelangt ist. Für mehrere Burgruinen bleibt aber sogar die Charakterisierung der allgemeinen Form der Burg eine Herausforderung, ge­ schweige denn die nähere Festlegung der Bauphasen. Villu Kadakas und Juhan Kreem präsentieren hier eine kleine Ordensburg, Peude (Pöide, Estland), die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand und während des Aufstands der Esten im Jahre 1343 zerstört wurde. Wie die Ordensbrüder in dieser Anlage mit der Burg und großen Pfarrkirche gelebt haben, bleibt offen, es wird aber eine Hypothese über ein Nachleben in den Ruinen zur zukünftigen Überprüfung angeboten. Die größte Zahl der Beiträge dieses Bandes beschäftigt sich mit Entdeckungen im Bereich der Archäologie. Adrian Boas aus Haifa präsentiert die neuesten Ausgra­ bungsergebnisse der Burgruine Montfort (Qal’at al-Qur’ain) im heutigen Israel, die bis zu ihrer Zerstörung im Jahre 1271 eine der wichtigsten Burgen des Deutschen Ordens im Heiligen Land war. Wie zu erwarten gehören zu den Funden zahlreiche Waffendetails, doch kann Boas auch anderen Aspekten zur Sachkultur des Ordens nachgehen und sogar die Tätigkeit von Handwerkern auf der Burg nachweisen. Ne­ ben der Wiederverwendung antiker Gegenstände zeigen die Funde von Montfort auch, dass die neueste westliche Kunst präsent war. Arvi Haak mit seinen Kollegen präsentiert die Arbeit an einer anderen Ruine, Fellin (Viljandi, Estland), die zu den wichtigsten Ordensburgen Livlands gehörte. Im Gegensatz zu dem nur kurze Zeit besiedelten Montfort hat Fellin über drei Jahr­ hunderte dem Orden gedient, was die Stratigrafie des Bodens entsprechend kompli­ ziert macht. Die in Fellin gefundenen Fragmente von importiertem Glas und Kera­ mik zeigen ein hohes Niveau der von den Ordensbrüdern benutzten Gegenstände, Fragmente von Bauplastik deuten darauf hin, dass die Burg schon im 13. Jahrhun­ dert zu den repräsentativsten Räumlichkeiten Livlands gehörte. Die Knochenfunde lassen Rückschlüsse auf die Nahrung der Brüder zu, Teile der Knochensubstanz dienten aber auch als Rohstoff für Handwerker. Einen weiteren Blick auf das Leben in Ordensburgen in Preußen und Livland bieten die Ergebnisse des von Aleksander Pluskowski geleiteten interdisziplinären Projekts „Ecology of Crusades“. Pluskowski und sein Team haben unter Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden Beispiele von Ausgrabungsfunden und Boden­ proben aus den Burgen zu einer umweltgeschichtlichen Rekonstruktion benutzt. Der Alltag in der Burg war in vielerlei Hinsicht von den Naturkonditionen des Um­ landes bedingt, die Kolonisierung der Wildnis hat in diesem Kontext ständige Ver­ änderungen mit sich gebracht; wenn Teile der Ressourcen lokaler Herkunft waren

X und lokal verbraucht wurden, so ist die Geographie des Konsums in einigen Fällen doch überraschend weit. Das Projekt von Pluskowski zeigt auch die Grenzen der unterschiedlichen Quellengattungen auf: Die Bodenfunde können Information bie­ ten zu Lebensbereichen, über die die schriftliche Quellen schweigen, und umge­ kehrt kann man manche Angaben nur aus schriftlichen Quellen gewinnen. Hauptsächlich auf schriftliche Quellen stützt sich der Beitrag von Ursula Braasch- Schwersmann über das Leben im Ordenshaus Marburg. Diese mit Übernahme des Hospitals und der Grabeskirche der heiligen Elisabeth entstandene Niederlassung des Ordens gehörte zu den ältesten und wichtigsten im Heiligen Römischen Reich. Die reiche Überlieferung aus dem 15. Jahrhundert erlaubt nicht nur eine detaillierte Rekonstruktion der Wirtschaft des Ordenshauses, die Ordensrechnungen enthal­ ten auch zahlreiche Angaben über die verschiedenen von den Ordensbrüdern er­ worbenen und benutzten Gegenstände. Ausgaben für Kirchenschmuck, Einkom­ men aus der Landwirtschaft, Investitionen in den Ausbau der Kommende und die Betätigung der Handwerker beleuchten die Lebensbereiche der Ordensbrüder, die die Autorin in drei große Lebensbereiche zusammenfasst: Kontemplation, Alimen­ tation und Administration. Auch wenn diese Bereiche aus den Quellen nicht ganz gleichmäßig vor unsere Augen treten, sehen wir hier doch die vielseitigen Möglich­ keiten der wirtschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung zur Erforschung der Alltagsge­ schichte. Auch Johannes A. Mols Aufsatz hat seinen Schwerpunkt im 15. Jahrhundert, wenn er das Leben der Ordensbrüder in der Ballei Utrecht und den Gebäudekom­ plex der Komturei darstellt. Die Quellen erlauben auch in diesem Fall die Darstel­ lung des wirtschaftlichen Lebens, die Tätigkeit der Brüder in Kirche, Küche und Hospital. Die Ergebnisse der Bauforscher und eine 3D-Rekonstruktion machen Mol die räumliche Zuordnung dieser Lebensbereiche möglich. Er hebt auch die zeit­ liche Entwicklung und die Reaktionen des Ordens auf die Krisen des 15. Jahrhun­ derts hervor, die Veränderungen, aber auch Kontinuitäten zur Folge hatten. Eine Krisenzeit steht erst recht im Fokus des Beitrages von Kristjan Toomaspoeg, der die Visitationsberichte benutzt, um das Leben in Sizilien kurz vor dem Verlust der dortigen Ballei am Ende des 15. Jahrhunderts darzustellen. Die letzte unvollen­ dete Visitation der Ballei vermittelt ein sehr düsteres Bild vom Sittenverfall der Or­ densbrüder. Toomaspoeg zeigt, wie die inneren Konflikte in der Ballei zu dieser außerordentlichen Beschreibung geführt haben. Anderseits sieht Toomaspoeg in den Visitationsberichten hinter der exzeptionellen Situation auch die Hinweise auf die Normalität des Renaissancezeitalters, die Assimilation der Ordensbrüder der Ballei an die übrige adelige und urbane Elite der Insel und die ihnen gemeinsame weltliche Lebensführung. Aus Sicht der Ordenszentrale war das natürlich ein Skan­ dal, in der sizilianischen Gesellschaft aber nicht unbedingt verdammenswert. Um daran zu erinnern, dass der Deutsche Orden auch in der Neuzeit Weiterbe­ stand und dessen Alltag ebenfalls epochenspezifische Züge trug, ist zum Schluss der

XI Beitrag von Michel Van der Eycken über das Leben in den zur Ballei Biesen gehö­ renden Kommenden Maastricht und Bekkevoort im 18. Jahrhundert hinzugenom­ men. Zum Komtureialltag gehörte damals, dass die Komture selbst selten in der Kommende residierten und die Administration und das Bewirtschaften der Güter Beamten überlassen wurde. Das Einkommen der Kommende musste die Ausgaben der Barock-Komture für ihre Wohnverhältnisse begleichen, die Van der Eycken für Möbel und Gemälde über Besteck bis zu Tabak und Zeitschriften anhand von Rech­ nungen, Inventaren und Visitationsberichten beschreiben kann. Das Ordenshaus konstituierte eine Lebenswelt überall dort, wo der Deutsche Or­ den sich niedergelassen hatte. Diese Lebenswelt war von unterschiedlichen Fakto­ ren geprägt. Es gab ordensinterne Regeln, welche das Leben der Brüder strukturier­ ten, es gab Hierarchien, die durch die Ausübung der Landesherrschaft bedingt waren, es gab Herausforderungen, die sich aus der alltäglichen Bewirtschaftung der Ordensgüter ergaben. Der Umgang der Menschen miteinander hatte in diesem All­ tag seine besondere räumliche Gliederung und brachte bestimmte Formen der Sach- kultur mit sich. Das Leben im Ordenshaus blieb über die Jahrhunderte hinweg aber keineswegs konstant. Zudem variierten die regionalen Unterschiede in den Verfas­ sungsgrundlagen der Ordensherrschaft und die klimatischen Gegebenheiten vom Mittelmeer bis zum Finnischen Meerbusen. Die im vorliegenden Band veröffent­ lichten Bausteine zur Alltagsgeschichte des Ordens helfen vielleicht, in dieser Viel­ falt das besser zu verstehen, was für den Orden spezifisch und unverändert ist.

Tallinn, Ostern 2018 Juhan Kreem

XII Die Rolle der Liturgie im Ordenskonvent. Norm und Wirklichkeit

von Anette Löffler

1. Einleitung

Die Liturgie ist eine der zentralen Eigenheiten eines Ordens. Sie regelt zum einen den Tagesablauf im Konvent und definiert zugleich den Konvent als solchen. Die Liturgie spiegelt sich jedoch keineswegs nur im divinum officium, sondern bestimmt auch stark das Alltagsleben. Dass dies für die monastischen Orden zwei­ felsohne zutrifft, bedarf keiner Diskussion. Die Frage nach der Wertigkeit von Li­ turgie stellt sich bei Ritterorden dagegen prinzipiell schon, denn das ritterliche Ele­ ment ist von seinem „Wesen“ gerade nicht geistlich geprägt. So sprach zuletzt Rasma Lazda-Cazers von einer Gemeinschaft von Männern, die miteinander lebten und kämpften, ein Bild, das zumindest die Öffentlichkeit vom Deutschen Orden hatte.1 Im folgenden gilt es zu klären, welchen Stellenwert die Liturgie innerhalb des Deut­ schen Ordens einnahm. Weiterhin ist zu untersuchen, wie der Deutsche Orden mit den liturgischen Eigenheiten umging.

2. Ort und Anlass von Liturgie

Ort und Anlass von Liturgie können sehr unterschiedlich sein. Der Ort im Sinne von Raum ist hauptsächlich auf Kirchen, Kapellen und Ordenskonvente konzent­ riert, der Ort im Sinne von Institutionen spiegelt sich im Domkapitel wieder.2

1 Rasma Lazda-Cazers, Landscape as Other in the Livländische Reimchronik, in: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 65, 2009, S. 185-209, bes. S. 187. 2 Zum Ermland bspw. Gerhard Matern, Die kirchlichen Verhältnisse in Ermland während des späten Mittelalters, Paderborn 1953. Zu Pomesanien Stefan Kwiatkowski, Klimat religijny w diecezij pomezänskiej u schylku XIV wieku i w pierbszych dziesiecioleciach XV wieku [Das reli-

1 Die in einigen Baileien gut erforschte Situation der Pfarrkirchen soll hier nicht weiter betrachtet, sondern lediglich bei einigen Ausführungen zum Vergleich her­ angezogen werden.3 Auch die spezielle Ausprägung der Liturgie an den preußischen Domkapiteln, die in ihren Strukturen und ihren liturgischen Aufgaben ebenso gut untersucht ist, wird im folgenden nicht berücksichtigt.4 Bei den Ordenskonventen ist die Forschungssituation sehr unterschiedlich. Je nach Quellenlage sind bei eini­ gen Kommenden die Kenntnisse gut, hierzu zählen beispielsweise die Ordenshäuser in Preußen. Als durchaus zufriedenstellend kann der Wissenstand auch bei großen Häusern wie Marburg,5 bei einigen mittelgroßen Häusern wie Beuggen oder Würz­ burg6 oder bei kleineren wie Münnerstadt7 bezeichnet werden. Gleichwohl wird die Liturgie bei allen Untersuchungen lediglich am Rande behandelt. Der Anlass von Liturgie beschränkt sich, wie bereits gesagt, keinesfalls auf das divinum officium alleine. Neben der natürlich zentralen Abhaltung von Stundenge­ bet und Gottesdienst gibt es eine Vielzahl liturgischer Handlungen im Alltag des Konventes, die hier in der Folge genauer beleuchtet werden sollen, auch unter der Fragestellung, ob ihre Umsetzung durchführbar war und wenn ja, auf welche Art und Weise.

giöse Klima in der Diözese Pomesanien am Ende des 14. und in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts], Toruh 1990. 3 Für Preußen Bernhart J ahn ig, Kirche im Dorf. Ihre Bedeutung für die kulturelle Entwicklung der ländlichen Gesellschaft im „Preußenland“, 13.-18. Jahrhundert. Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek der Staatli­ chen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz 2002, Berlin 2002; Christofer Herrmann,Mit­ telalterliche Architektur im Preußenland. Untersuchungen zur Frage der Kunstlandschaft und -geographie (Studien zur Internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 56), Petersberg 2007. 4 Mario Glauert, Das Domkapitel von Pomesanien (1284-1527) (Prussia sacra 1), Torun 2003; Radoslaw B i s k u p , Das Domkapitel von Samland (1285—1525) (Prussia sacra 2), Torun 2007; Ka­ rol Görski, Das Kulmer Domkapitel in den Zeiten des Deutschen Ordens. Zur Bedeutung der Priester im Deutschen Orden, in: Die geistlichen Ritterorden Europas, hg. v. Josef Flecken­ ste i n /Manfred H e 11 m a n n (Vorträge und Forschungen 26), Sigmaringen 1980, S. 329-337. Jetzt auch im Überblick: Die Domkapitel des Deutschen Ordens in Preußen und Livland, hg. v. Radoslaw Bisk u p /Mario Glauert (Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Erm- lands. Beiheft 17), Münster 2004. 5 Ursula Braasch-Schwersmann, Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwal­ tung einer spätmittelalterlichen Grundherrschaft (Untersuchungen und Materialien zur Verfas- sungs- und Landesgeschichte 11), Marburg 1989. 6 Zu Würzburg Arno Herzig, Die Deutschordenskommende Würzburg im Mittelalter (1219— 1549), in: Mainfränkisches Jahrbuch 18, 1966, S. 1—107 (auch als Einzelveröffentlichung). Zu Beuggen Peter Heim, Die Deutschordenskommende Beuggen und die Anfänge der Ballei Eisass- Burgund von ihrer Entstehung bis zur Reformationszeit (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 32), Bonn-Godesberg 1977. 7 Ekhard Schöffler, Die Deutschordenskommende Münnerstadt. Untersuchungen zur Besitz-, Wirtschafts- und Personalgeschichte (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 45), Marburg 1991.

2 3. Quellen für Liturgie: Norm

3.1. Die Statuten des Deutschen Ordens

Die von Max Perlbach edierten Statuten des Deutschen Ordens8 bergen viele Festle­ gungen, die sich mit der Liturgie im Alltag, aber auch mit sehr speziellen Ausprä­ gungen von Liturgie beschäftigen.9 Dabei streuen diese Angaben in alle Bereiche der Statuten, in Regeln, Gesetze, Gewohnheiten und Nachträge. Viele Bemerkungen werden zum Gottesdienst und seiner Durchführung vorge­ nommen.10 Festlegungen zum Empfang des Abendmahls,11 den Gebeten,12 der Kapitelversammlung,13 der Kirche,14 den Kenntnissen der Brüder,15 den Schülern,16 den liturgischen Geräten,17 den Hochfesten,18 den Priesterbrüdern,19 dem Begräbnis,20 den Seelgeräten,21 den Reisen22 sowie dem Bereich Essen, Trinken und Fasten23 um­ fassen immer auch liturgische Komponenten. Einen Sonderbereich nehmen die den Statuten nachgeordneten Teile zu den Venien, Vigilien und Gebeten ein.24

3.2. Der Liber Ordinarius (Notula)

Als liturgischer Normcodex findet sich im Liber Ordinarius die konkrete Ausge­ staltung der Liturgie.25 Neben den Texten der Festformulare, die in Form von Initi-

8 Die Statuten des Deutschen Ordens nach den ältesten Handschriften hg. v. Max Perlbach, Halle/S. 1890, ND New York 1975. 9 An dieser Stelle wird nicht auf die Entstehung und Entwicklung der Statuten eingegangen; vgl. hierzu nach wie vor grundlegend Udo Arnold, Deutschordensregeln und -Statuten, in: Die deut­ sche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin/New York 21980, Sp. 71-74. 10 Regel 8 (künftig: R), Gesetze III (künftig: G), Gesetze 16 und 23, Kapitel 1264-1298, Nachträge der Hochmeister Konrad von Feuchnvangen 1292 (künftig: KvF), Werner von Orseln (künftig: WvO), Dietrich von Altenburg (künftig: DvA) sowie Paul von Rusdorf (künftig: PvR), vgl. Statu­ ten (wie Anm. 8), S. 34-35,63, 71f., 134-137, 139-143, 147-151 und 157f. 11 R 9, PvR, vgl. ebd., S. 36 und 157. 12 R 10, Nachträge Luthers von Braunschweig (künftig: LvB), vgl. ebd., S. 36f. und 148. 13 R 27, G III, vgl. ebd., S. 49 und 63. 14 G la, G 22, Gewohnheiten 52, PvR, vgl. ebd. (wie Anm. 8), S. 57, 72 und 157f. 15 G Ile-g, vgl. ebd., S. 61 f. 16 G Ille, G 25, KvF, vgl. ebd., S. 63, 73 und 140f. 17 G Illh, G 24, vgl. ebd., S. 63 und 72f. 18 G 32, WvO, LvB, Ludolf König, Winrich von Kniprode, PvR, vgl. ebd., S. 73, 147f., 152 und 158. 19 G 2, Kapitel 1264-1289, vgl. ebd., S. 64 und 134-138. 20 G 38, vgl. ebd., S. 85. 21 Kapitel 1264-1289, DvA, PvR, vgl. ebd., S. 134-138,150 und 157f. 22 R 28, vgl. ebd., S. 50f. 23 R 13 sowie 15-16, vgl. ebd., S. 40-44. 24 Ebd., S. 119-133. 25 Anette L ö ff ler, Neue Erkenntnisse zur Entwicklung des Liber Ordinarius (Notula) OT. Hand­ schriften und Fragmente des Normcodex in Stuttgart, Danzig und Berlin, in: Preußische Landes- en wiedergegeben werden, sind im Liber Ordinarius meist rubrizierte liturgische Handlungsanweisungen vorgegeben. Die Nennung der an liturgischen Handlungen beteiligten Personen wie Prior,26 Sakristan, Kantor, Diakon oder Subdiakon, um die wesentlichen zu nennen, verdeutlicht die Ausgestaltung des divinum officium. Als weitere Personengruppe werden die Akolythen berücksichtigt; so befindet sich in den Nachträgen der Danziger Version des Liber Ordinarius beispielsweise ein eige­ nes Officium acolythorum.27 Überschneidungen mit den Statuten finden sich freilich nur an sehr wenigen Stel­ len. So kommen in beiden Normcodices die Gebete zu den Mahlzeiten vor.28 Prin­ zipiell gemeinsam ist hingegen beiden Handschriftentypen, dass eine verbindliche Norm vorgegeben wird, ohne eine konkrete Überprüfung ihrer Durchführung. Für den liturgischen Normcodex gibt es mit der Correctio Notulae allerdings eine Angleichung an die tatsächlichen Gegebenheiten. In dieser Handschrift werden Änderungen aufgegriffen, die sich zwischenzeitlich ergeben haben, sowie Fehler bereinigt. Die Correctio Notulae als Adaption der „Wirklichkeit“ zu bezeichnen führt indessen zu weit, denn ihr Inhalt besteht hauptsächlich in einer Aufnahme von Änderungen in Festgraden und -formularen und eben nicht in einer Abwand­ lung aufgrund etwa fehlender Priesterbrüder oder ähnlicher Bedingungen.

4. Quellen für Liturgie: Wirklichkeit

4.1. Die Visitationsberichte 1236-1541

Die in drei Bänden von Marian Biskup und Irena Janosz-Biskupowa veröffentlich­ ten Visitationsberichte geben Auskunft über das Leben in den Ordenskonventen.29 Ursprünglich geplant war ein regelmäßiger Besuch in allen Häusern, in denen die Visitatoren einen vorgefertigten Fragenkatalog abzuarbeiten hatten. Prinzipiell ist der Wert dieser Quelle recht hoch. Eingeschränkt wird seine Aussagekraft jedoch

geschichte. Festschrift für Bernhart Jähnig zum 60. Geburtstag, hg. v. Udo A mold /Mario Glauert/Jürgen Sarnowsky (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 22), Marburg 2001, S. 137-150. 26 Zur Diskussion der Person des Priors zuletzt Arno Mentzel-Reuters, Der Deutsche Orden als geistlicher Orden, in: Cura animarum. Seelsorge im Deutschordensland Preußen, hg. v. Stefan S a me rs k i (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 45), Köln 2013, S. 15—43, hier bes. S. 22f. 27 Biblioteca Gdanska Polska Akademia Nauk, Danzig, Q 72, f. lllv-113v. 28 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, HB I 158, f. 152rv-152vb. 29 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, hg. v. Marian Biskup /Irena Janosz-Bisku­ powa unter der Redaktion v. Udo Arnold, 3 Bde. (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/1-1 IT = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/I-III), Teil I: 1236-1449, Marburg 2003; Teil II: 1450- 1519, Marburg 2004; Teil III: 1528-1541 und Nachträge, Marburg 2008. durch das Fehlen vieler Berichte und vor allem durch eine Vorbeeinflussung der Befragten, die einerseits wussten, welche Fragen gestellt wurden und andererseits auch, wie „am besten“ darauf zu antworten ist. Eine gewisse Färbung der Antwor­ ten sollte bei der Interpretation der Berichte also immer berücksichtig werden. Gleichwohl war einer der beiden Visitatoren wegen der Beurteilung der geistlichen Fragen ein Priesterbruder, der die genannten Schwächen sehr wohl kannte. Erhalten haben sich die Instruktionen der Hoch- oder Deutschmeister, in denen ein Teil der Fragen über die Einhaltung der geistlichen Pflichten und die Erfüllung des Gottesdienstes bestand. In den Berichten werden dann mit konkreten Namen­ nennungen die Antworten wiedergegeben.

4.2. Andere Quellen

Eine ganze Reihe weiterer Quellen geben in geringerem Ausmaß Auskunft über die Liturgie im Alltag. An erster Stelle zu nennen sind hier die Inventar- und Ämterbü­ cher. Erstere benennen hauptsächlich das Vorhandensein liturgischer Gegenstände wie Handschriften oder Paramente.30 Damit können sie sowohl Aussagen über spe­ zifische Eigenheiten als auch über allgemeine Angaben zur Ausstattung der Kapelle oder Kirche im Ordenshaus geben. Ähnliches gilt für die Ämterbücher, das Große Ämterbuch des Deutschen Ordens sowie das Marienburger Ämterbuch.31 So sind im Großen Ämterbuch zur Ausstattung der Komturei Gollub im Jahr 1436 die vor­ handenen Paramente sowie die liturgischen Handschriften vermerkt.32 Im Glocken­ amt der Marienburg umfasste die Bestandsaufnahme im Jahr 1394 die große Sakris­ tei, die kleine Sakristei, die feriale Sakristei, die Sakristei des Glockenmeisters, die Kirche sowie die Annen- und Bartholomäuskapelle mit Paramenten, Gerätschaften und Büchern in erheblichem Umfang.33 In der Chronik des Peter von Dusburg werden ebenfalls allgemeine Angaben zur Frömmigkeit und zur Liturgie gemacht, wobei die Nachprüfbarkeit dieser Angaben schwer zu realisieren ist.34 So heißt es bei ihm, dass um 1250 im Konvent von Balga „klösterliche Zucht“ geherrscht habe und dass die Brüder in Engelsburg einen from-

30 Waldemar Rozynkowski, Der Marienkult in den Kapellen der Deutschordenshäuser in Preu­ ßen im Lichte der Inventarbücher, in: Terra sanctae Mariae. Mittelalterliche Bildwerke der Mari­ enverehrung im Deutschordensland Preußen, hg. v. Gerhard Eimer/Ernst Gierlich/Kazi- mierz Pospieszny (Kunsthistorische Arbeiten der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 7), Bonn 2009, S. 57-67. 31 Das Große Ämterbuch des Deutschen Ordens, hg. v. Walther Ziese me r, Danzig 1921 (künftig: GAB); Das Marienburger Ämterbuch, hg. v. Walther Z iesemer, Danzig 1916 (künftig: MÄB). 32 GÄB (wie Anm. 31), S. 406, Z. 8-12. 33 MÄB (wie Anm. 31), S. 122, Z. 35-124, Z. 34. 34 Petri de Dusburg Cronica terre Prussie, hg. v. Max To epp en, in: Scriptores rerum Prussicarum, hg. v. Theodor H i rsch /Max T öppen/Ernst St re hike, Bd. 1, Leipzig 1861.

5 men Lebenswandel pflegten.35 Eine ähnliche Wertung gilt für die auf Preußen bezo­ gene Chronik des Simon Grunau, der vor allem in Kapitel 13 im wesentlichen die Angaben in den Statuten rezipiert.36 So wiederholt er die zu den kanonischen Stun­ den vorzunehmenden Ave Maria, und Pater noster?7 Auch in einer ganzen Reihe von Urkunden wird immer wieder auf die Liturgie Bezug genommen. Neben der Nennung diverser Altäre liegt der Schwerpunkt litur­ gischer Komponenten in der Stiftung von Seelgeräten, auf die an späterer Stelle noch zurück zu kommen ist. Eine für die Liturgie im Ordenshaus untergeordnete Stellung nehmen die Syno­ dalstatuten ein.38 Diese regeln hauptsächlich in teilweise recht auskunftsfreudiger Art und Weise die Angelegenheiten der Pfarrkirchen. Sie haben sich für das Sam- land, Pomesanien, Elbing, Kulm und das Ermland erhalten. Eine weitere Quelle ist das heute in Uppsala aufbewahrte sogenannte preußische Formelbuch, eine Zusam­ menstellung für Schreiber und Notare über Aspekte des Pfarrlebens, wozu selbst­ verständlich auch der Gottesdienst und damit die Liturgie zählt.39 In den Berichten der Generalprokuratoren an der Kurie finden sich fast aus­ schließlich Bemerkungen zu den Pfarrkirchen. Ein allerdings schlechtes Licht fällt bei einem Bericht auf die Priesterbrüder des Ordenskonventes in Koblenz. Im Jahr 1405 berichtete der Koblenzer Komtur dem Hochmeister Konrad von Jungingen, dass der Priesterbruder, welcher im Jahr zuvor einen Priesterschüler beim Fast­ nachtsstechen tödlich verletzt habe sowie ein weiterer Priesterbruder, der sich durch das Antreiben des Pferdes mitschuldig gemacht habe, keine Messe mehr lesen dürf­ ten.40

35 Petri de Dusburg (wie Anm. 34), S. 63 und 123-125. Marian Arszynski, Die Deutschordens­ burg als Klosterbau, in: Die Spiritualität der Ritterorden im Mittelalter, hg. von Zenon Hubert Nowak (Ordines militares 7), Toruh 1993, S. 147-164, hier S. 149 und 162. Dazu auch Marian Dygo, Die heiligen Deutschordenritter. Didaktik und Herrschaftsideologie im Deutschen O r­ den in Preußen um 1300, in: ebd., S. 165-176, bes. S. 165-168. 36 Simon Grunau’s preussische Chronik (Die preussischen Geschichtsschreiber des 16. und 17. Jahr­ hunderts 1), Bd. 1, hg. v. Max Perlbach, Leipzig 1876. 37 Grunau (wie Anm. 36), I, cap. 13, S. 156. 38 Andrzej Radzimiriski, Synodalstatuten im Ordensland Preußen, in: ders., Kirche und Geist­ lichkeit im Mittelalter. Polen und der Deutsche Orden in Preussen, Toruh 2011, S. 291-314. 39 Radoslaw B i s k u p , Bistümer im Deutschordensstaat Preußen (bis 1525), in: Cura animarum (wie Anm. 26), S. 58-73, hier S. 72; Radoslaw B is kup/Mario G 1 auer t, Das preußische Formelbuch des 15. Jahrhunderts aus Uppsala. Vorstellung eines Editionsprojektes, in: Quellen kirchlicher Provenienz. Neue Editionsvorhaben und aktuelle EDV-Projektc, hg. v. Helmut Flachenecker/ Janusz Ta n d e c k i /Krzysztof Kopihski (Publikationen des Deutsch-Polnischen Gesprächs­ kreises für Quellendeditionen 6), Toruh 2011, S. 369—380. Jetzt neu „Formelbuch aus Uppsala1*. Das spätmittelalterliche Formelbuch der preussischen Bistümer, hg. v. Radoslaw Biskup (To- warzytwo Naukowe w Toruniu, Fontes 109), Toruh 2016. 40 Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie, Bd. 2: Peter von Wormditt (1403—1419), bearb. v. Hans K o e p p e n (Veröffentlichungen der niedersächsischen A r­ chivverwaltung 15), Köln 1960, Nr. 10, S. 65.

6 5. Die Liturgie in den Statuten des Deutschen Ordens. Norm und Wirklichkeit

5.1. Grundlegende Festlegungen

In Regel 8 mit der Überschrift D e divin o officio wird festgelegt, dass alle Brüder die Tag- und Nachtzeiten gemeinsam begehen. Differenziert heißt es konkret für die Priesterbrüder, dass sie das Offizium nach dem Ordensbrevier und der Notula be­ gehen sollen. Die Ritterbrüder mögen zur Matutin 13 Pater noster sprechen, zu den anderen Zeiten sieben, lediglich die Vesper ist mit neun Pater noster hervorgeho­ ben.41 Die gleiche Anzahl von neun P ater n oster sollen die Ritter vor dem Marien- Offizium sprechen. Nach dem Invitatorium und dem Hymnus dürfen sich alle hin­ setzen, zur Evangelienlesung, zur Laudes sowie zum Marienlob stehen alle wieder auf. Dabei soll darauf geachtet werden, dass andere Brüder nicht behindert werden. In Gesetz 32 werden die zumindest nach Aussage der Statuten für den Deutschen Orden gültigen Hochfeste aufgeführt. Dies sind im einzelnen Circumcisio domini, Epiphanias domini, Conversio sancti Pauli, Purificatio BMV, Mathias apl., Annun- tiatio BMV, Georgius mar., Philippus et Iacobus apl., Inventio sanctae crucis, Io- hannis bap., Petrus et Paulus apl., Maria Magdalena, Iacobus apl., Vincula Petri apl., Laurentius mar., Assumptio BMV, Bartholomaeus apl., Decollatio Iohannis bap., Nativitas BMV, Exaltatio sanctae crucis, Mathaeus apl., Michael arch., Simon et Iuda, Omnes sancti, Martinus eps., Elisabeth, Katharina mar., Andreas apl., Nico­ laus eps., Thomas apl., Nativitas domini, Stephanus protomar., Iohannes ev. und Innocentes infantes.42 Fast alle Hochmeister nehmen mehr oder weniger ausführliche Änderungen bei den Festen vor. Dazu gehören Änderungen im Festgrad zu Inventio und Exaltatio crucis, zu den Festen von Katharina, Wenzel, Anna und Conceptio BMV.43 In den Gesetzen lila, 16 und 23 werden die Bestimmungen zum Gottesdienst konkretisiert. Die Gesetze lila und 23 betonen nochmals die gleiche Durchführung des Gottesdienstes innerhalb des Ordens. Demzufolge muss in jedem Konvent ein Ordensbrevier vorhanden sein. Fremde Einflüsse im Gottesdienst sollen unterlas­ sen werden. Gesetz 16 mahnt an, dass die Brüder, die den Gottesdienst verschlafen, geweckt werden sollen. Teilweise konkretere Vorgaben werden auf den Kapiteln bzw. in den Gesetzen der Hochmeister vorgenommen. Die Kapitelbestimmungen 1264-1289 schreiben das

41 Ähnlich bei Grunau (wie Anm. 36), I, cap. 13, S. 156. 42 Statuten (wie Anm. 8), S. 73; Grunau (wie Anm. 36), I, tr. XIII, cap. 15, § 2, S. 677-678. 43 Dazu konkret Anette Löffler, Die liturgischen Fragmente aus dem Historischen Staatsarchiv Königsberg in Berlin. Neue Erkenntnisse zur Liturgiegeschichte des Deutschen Ordens, in: Kir­ chengeschichtliche Probleme des Preußenlandes aus Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Bern­ hart Jä h n i g (Tagungsberichte der Historischen Kommission für ost- und westpreussische Lan­ desforschung 16), Marburg 2001, S. 131-162, hier S. 140-144.

7 Singen des Gottesdienstes vor, eine Bestimmung, die 1292 von Hochmeister Kon­ rad von Feuchtwangen (1291-1296) dahingehen relativiert wird, als nur dort gesun­ gen werden muss, wo ein Priesterbruder und ein Schüler vorhanden sind. Hoch­ meister Dietrich von Altenburg (1335-1341) erweitert diese Bestimmung auf das Vorhandensein von zwei Priesterbrüdern und zwei Schülern. Gesang wird von ihm in kleineren Häusern nur an Sonntagen, Festen mit neun Lesungen sowie am Sams­ tag mit Marien-Offizium vorgeschrieben. Konrad von Feuchtwangen und Werner von Orseln (1324-1330) bekümmerten bezüglich der Einförmigkeit vor allem die Kenntnisse der Brüder. So bestimmt ers- terer, dass die Priesterbrüder innerhalb eines Jahres die Ordensmessen gelernt ha­ ben müssen. Werner von Orseln nimmt sowohl Wertungen bezüglich Ritter- und Priesterbrüder als auch der Schwierigkeit von Texten vor. Die Priesterbrüder sollen zu allen Zeiten das Salve Regina sprechen, während die anderen Brüder statt der sieben Salve Regina sieben A ve Maria sprechen. Nur ein „gelehrter“ Bruder darf auch sieben A ve R egina sprechen, nicht gelehrte Brüder können außerdem das P ater noster, Ave Maria und das Glaubensbekenntnis auch auf deutsch ablegen. Konrad von Feuchtwangen bestimmt außerdem, dass zum Agnus d ei alle Brüder aufstehen sollen. Weiterhin soll nach der Hochmesse und vor der Sext das Evangelium ln p rin - cipio erat verbum nebst einer Oratio gesprochen werden. Hochmeister Paul von Rusdorf (1422-1441) nimmt primär Änderungen zu den Angaben der Fastenzeit vor, welche einen starken liturgischen Bezug haben. Bisher galt beim Deutschen Orden offensichtlich die in der römischen Kirche übliche drei­ wöchige Fastenzeit ab dem 1. Adventssonntag, wie dies prinzipiell in Regel 15 be­ schrieben wird. Diese verlegt der Hochmeister 1422 auf drei verschiedene Termine, nämlich auf jeweils eine Woche vor Assumptio BMV (15. August), vor Allerheiligen (1. November) sowie auf Nativitas BMV (8. September). In der Folge unterscheiden sich die Aussagen der lateinischen und der deutschen Fassungen der Ordensstatu­ ten. Die lateinische Fassung geht weiterhin auf die Fastenvorschriften ein, indem sie das Fasten am Vorabend zu Epiphanias auf das profestum zu Katharina (25. Novem­ ber) und das am Vorabend der Apostel Philippus und Jacobus (1. Mai) auf das p ro fe­ stum zu Elisabeth (19. November) legt. Weiterhin erwähnt die lateinische Fassung die Venien zur Missa matutinalis an den Sonntagen und an den Anniversarfeiern. Hier findet auch erstmals die Aufnahme des Hochmeistergebets in die Messe Er­ wähnung, dazu später. In der deutschen Fassung steht stattdessen, dass die Kirchweihe mit Oktav began­ gen werden soll. Außerdem sollen Änderungen in Missale, Brevier und Regel des Ordens nachgetragen werden.

8 5.2. Spezielle Festlegungen

5.2.1. Venien und Vigilien

Die Venien, also die Kniebeugungen, werden in den Statuten in einem eigenen Ka­ pitel behandelt. Hier erfolgen genaue Angaben, zu welchen Festen Venien durchge- führt werden sollen. Ebenso sind die liturgischen Formeln angegeben sowie nach welchen liturgischen Handlungen sie vorgeschrieben sind. Auch die Vigilien, die Abende vor herausgehobenen Festen, erhalten in den Statu­ ten ein eigenes Kapitel. Es wird festgelegt, dass sie an der Nokturn mit drei Lesun­ gen begangen werden sollen. Ausnahmen gelten für diejenigen Konvente, in denen ein Meister begraben wird, hier sollen neun Lesungen gehalten werden. Ferner wer­ den weitere Ausnahmen von der Regelung mit drei Lesungen benannt. Stefan Kwiatkowski hat 2009 den mönchischen Charakter des Deutschen Ordens betont, wobei er besonders auf die Identität und Homogenität der überall gleichen Liturgie hinwies, die das kollektive Bewusstsein stärkte.44 Bereits in den Statuten wird jedoch deutlich, dass der Begriff der „einheitlichen“ Liturgie mit Vorsicht be­ trachtet werden muss, wenn man nicht nur die Venien als kollektive, leicht erlernba­ re Handlung begreifen möchte. Die verlangte oder gewünschte Einförmigkeit des Gottesdienstes wurde mehrmals betont, was bedeutet, dass dies eben noch nicht der Fall war. Die Behinderung anderer Brüder und das Verschlafen des Gottesdienstes weist auf eine andere Priorität der Ritterbrüder hinsichtlich dieses Themas. Aller­ dings erwähnt Simon Grunau in seiner Chronik, dass das Versäumen des Gottes­ dienstes eine Buße bei Wasser und Brot zur Folge hatte.45 Eine ähnliche Priorität gilt für die Kenntnisse der Ritterbrüder in liturgischer Hinsicht. Wenn diese nicht ge­ lehrt sind, spielt das keine besonders große Rolle, denn es existieren entsprechende Ersatzhandlungen. Bei den gesungenen Teilen des Offiziums spiegelt sich ebenfalls der Wunsch nach „richtiger“ Liturgie wieder, wobei ein liturgischer Wechselgesang zwischen Chören in den Ordenskonventen auch mit nur jeweils einem Priesterbruder bzw. Schüler als ausreichend definiert wurde. Bei der gesanglichen Ausführung des Gottesdienstes als auch bei der Durchführung generell steht außerdem die Frage im Hintergrund, ob für eine ordnungsgemäße Ausführung der Liturgie in allen Ordenskonventen und vor allem den Ordenskirchen auch ausreichend Handschriften gemäß des Deutschordensritus zur Verfügung gestanden haben. Kritik an den Priesterbrüdern wird freilich ebenfalls geäußert. Die Mahnung, die Tagzeiten zu halten oder das Of­ fizium rechtzeitig in allen Häusern abzuhalten, deutet auf eine gewisse Lässlichkeit.

44 Stefan Kwiatkowski, Gott, Mensch und Welt in der Sicht der Deutschordensritter, in: Terra sanctae Mariae (wie Anm. 30), S. 15-27, hier S. 15. 45 Grunau (wie Anm. 36), Tr. XI, Kap. 11, § 6, S. 531.

9 5.2.2. Sakramente

F inn-rische Handlungen finden ebenfalls bei der Stiftung der Sakramente statt. Die Letzte Ölung bzw. Angaben zur Beerdigung finden sich u. a. in Regel 13.M Zur neunte üncen stet: nur .turze Angaben in Gesetz 21, wahrend ausführlichere Be- - T T unter neu n~ersen Bestimmungen zur Buhe zu rinden smd/ Der rr-rr.i7.-r tes Abendmahls wird in Rege- 9 beschrieben/* Demnach müssen ule Brüter mmoescen- ssebenmal im Jahr das Abendmahl emptamgem -tu zwar zu Bema a m .:;. Ostern. Phngsten, Mariae Himmeifa.tr: 15. August. Marue Licht- me» X Februar), Christ: Geben '25. Dezember; sowie AJerretugen L N o m - nfT j.

5.2 5. Kapaehenammhtnz

In Regel 27, und wiederholt in Gesetz II f, werden Bestimmungen für die Abhaltung der KapheiverSammlung aufgeführt, bei der die Liturgie ebenfalls eine Rolle spielt. So soll am Ende der Versammlung, in der die laufenden Angelegenheiten bespro­ chen wurden, ein Pater noster sowie das Ave Maria gesprochen w erden. Der Beginn des Kapitels wird mit einem Gebet eingeleitet, dessen früheste Überlieferung in das 14. Jahrhundert fällt. Erst seit 1442 wird die Oratio allerdings zu einem festen Be­ standteil/* Die Form dieses Gebets entspricht im wesentlichen derjenigen in der Allerheiligenlitanei mit einer Untergliederung in einzelne Gebetsaufforderungen. Auch die Fürbitte für den Hochmeister wird in dieser Zeit integriert. Möglicher­ weise wurde die Fürbitte, wie von Mentzel-Reuters behauptet, von den Dominika­ nern übernommen. Allerdings erscheint diese Grundform der Fürbitte bereits in dem aus dem L Viertel des 13. Jahrhunderts stammenden Berthold-Sakramentar und wurde folglich entsprechend adaptiert-ic Gerade edoch die Gebete scheinen im Deutschen Orden eine hervorgehobene Steilung gehabt zu haben, was bei Peter von Dusburgs Chronik an einigen Stellen eigens lernrir wird."' Da Uusburg, wie Manan Dvgo zeigen tonnte, einem gewissen rranzisKaniscnen EinHuss lnreriag, 1 wäre eine genaue Untersuchung über die

er rarnPTr J r -rrrrr fi. ü.üfr-1*. ■ r ebw.JL.-T. Wechselwirkungen von dominikanischen und franziskanischen Eigenheiten auf die Gebetsrituale des Deutschen Ordens sicher ein aufschlussreiches Thema.

5.2.4. Tischlesungen

Die in Regel 13 erwähnten Tischlesungen sollen vor Beginn und nach Abschluss der Mahlzeit von einem Gebet und dem entsprechenden Segen umrahmt werden.53 An­ sonsten finden sich hier keine weiteren konkreten liturgischen Handlungen.

5.2.5. A ufnahmeritual und S chw ertw eihe

In den Statuten geregelt wird außerdem das Aufnahmeritual mit der Schwertweihe, die in der Ordenskapelle oder -kirche stattfanden. Diese ordenseigene Handlung umfasst in ihrer liturgischen Formelhaftigkeit spezielle Texte, die aber inhaltlich noch unerforscht sind. Bei Perlbachs Druck der Statuten sind diese Texte denn auch außerhalb des eigentlichen Statuten-Korpus aufgeführt, was ebenfalls ihre noch zu eruierende zeitliche Stellung unterstreicht. Freilich bildet das Aufnahmeritual des Deutschen Ordens eine explizite Verbindung zwischen dem militärischen Charak­ ter des Ordens einerseits sowie der direkten Verbindung mit der Liturgie anderer­ seits.

6. Das Marianische Offizium und Literatur

Einen Sonderfall stellt das Marianische Offizium dar. Auf die besondere Stellung der Gottesmutter Maria, zugleich Ordenspatronin, wies als erster Bernhard-Maria Rosenberg hin.54 Die Thematik wurde von Udo Arnold aufgegriffen, der sich erst jüngst erneut zu dieser Thematik äußerte.55 Generell wurden alle sieben Tagzeiten, die in der Konventskirche oder -kapelle stattfanden, mit Marien-Gebeten versehen. Den Abschluss bildete immer die aus dem 12. Jahrhundert stammende Antiphon Salve regina.56 Erst im 16. Jahrhundert

53 Für Würzburg z.B. Herzig (wie Anm. 6), S. 84f. 34 Bernhard-Maria Rosenberg, Marienlob im Deutschordenslande Preußen. Beiträge zur Ge­ schichte der Marienverehrung im Deutschen Orden bis zum Jahr 1525, in: Acht Jahrhunderte Deutscher Orden in Einzeldarstellungen. Festschrift zu Ehren Sr. Exzellenz P. Dr. Marian Turn­ ier, hg. v. Klemens W i e s e r (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 1), Bad Godesberg 1967, S. 321-337. 55 Udo Arnold, Maria als Patronin des Deutschen Ordens im Mittelalter, in: Terra sanctae Mariae (wie Anm. 30), S. 29-56. 56 Arnold, Maria i wie Anm. 55 . S. 31.

11 unter dem Einfluss lutherischer Prediger wurde beispielsweise im samländischen Domkapitel diese Antiphon nicht mehr gesungen.57 Auch ansonsten bildete der Deutsche Orden marienspezifische Elemente in seiner Liturgie heraus. Im Kyrie waren Zusätze an Maria enthalten. Die große Anzahl von 26 Marien-Sequenzen zu allen im Orden gefeierten Marienfesten sind aus den litur­ gischen Handschriften und dem Liber Ordinarius bekannt. Darunter finden sich auch solche, die sehr spezifisch nur in bestimmten Regionen eingesetzt wurden wie etwa Dies laeta in drei Danziger Handschriften.58 Selbst Marien-Tropen finden sich in den Missalien des Ordens, und dies obwohl der Deutsche Orden sonst keine Tro­ pen verwendete.59 So wird zum Beispiel beim Fest von Visitatio Mariae der Tropus Ave stillans melle benutzt.60 Seit den Bestimmungen von 1422 durch Hochmeister Paul von Rusdorf war in den Statuten ein bestimmtes Gebet Nos cum p role festge­ legt. Daran lässt sich die Wertigkeit der alten und jungen Marienfeste erkennen. Insgesamt waren dem Mariengedenken die relativ hohe Anzahl von circa 100 Mes­ sen gewidmet, also jeden Samstag und an ihren eigenen Festen mit Vigil und Oktav. Die Wertschätzung Marias in der Liturgie und dem liturgischen Leben zeigt sich aber auch an anderen Eigenheiten. So gab es eine Vielzahl von Mariendarstellungen, deren prominenteste die im Portal der Annenkapelle auf der Marienburg war.61 In vielen Ordensburgen waren die Kapellen Maria geweiht, etwa in Neidenburg oder Schlochau. In den Burgkapellen wiederum standen besonders häufig Marienaltäre, wie dies zum Beispiel in Danzig, Elbing, Osterode, Koblenz oder Alden Biesen der Fall war.62 Marienfiguren fanden sich nicht nur auf der Marienburg, sondern ebenso in Balga und Insterburg, aber auch in der Kapelle des livländischen Schlosses Kar- kus.63 Alle fünf Jahre wurden am 1. Mai in der Schlosskirche der Marienburg Mari­ enreliquien „ausgestellt".64 Und schließlich sei auf die Anzahl von ca. 40 Marienkir­ chen allein im Ordensland Preußen verwiesen.

57 Biskup (wie Anm. 4), S. 131f. unter Berufung auf Simon von Grunau, Chronik II (wie Anm. 36), Tract. XXII, § 61, S. 731-732. 58 Analecta hymnica medii aevi, hg. v. Clemens Blume/Henry Bannister, 55 Bde., hier Bd. 54, Leipzig 1915, Nr. 180. Vgl. hierzu Biblioteca Gdahska Polska Akademia Nauk, Ms. Mar. F 91, f. 18tv; Ms. Mar. F 332, f. 260r; Ms. Mar. 403, f. 168v. Erst in den beiden Inkunbeldrucken von Mis­ salien des Ordens tauchen diese Sequenzen wieder auf. 59 Rosenberg (wie Anm. 54), S. 525. Für den Hinweis auf die sonst fehlende Verwendung von Tropen danke ich Dr. Hanna Zühlke (Würzburg). 60 Analecta Hymnica Medii Aevi, hg. v. Guido Maria Dreves, Bd. 48, Leipzig 1905, Nr. 426. Hier in Anette Löffler, Fragmente liturgischer Handschriften des Deutschen Ordens aus dem Histo­ rischen Staatsarchiv Königsberg (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 18), Lüneburg 2001, Nr. 4, S. 10f. 61 Rozy n ko wski (wie Anm. 30), S. 61. 62 Ebd., S. 62f.; Arnold, Maria (wie Anm. 55), S. 48. 63 Erwähnt in einer Urkunde vom 18. April 1441; Livländische Güterurkunden (aus den Jahren 1207 bis 1500), hg. v. Hermann von B r u i n i n g k /Nicolaus Busch, Riga 1908, Nr. 305, S. 286f. 64 Kazimierz Pospieszny, Die Organisation des liturgischen Raums des Deutschordens-Kon- ventshauses in Preußen unter besonderer Berücksichtigung der Marienburg, in: Die sakrale Back-

12 Selbst in der dem Orden nahestehenden Literatur gibt es eine große Nähe zur Ordenspatronin. Der Kartäuser Bruder Philipp schrieb um 1300 sein Marienleben, ein Buch, das sich in den Ordensbibliotheken im Ordensland Preußen häufig nach- weisen lässt. Auch dem Ende des 13. Jahrhunderts abgeschlossenen Passional, einer Legendensammlung, ist das erste Buch hauptsächlich Maria gewidmet. Es lässt sich gleichfalls häufig in den Büchersammlungen des Ordens nachweisen.

7. Die Berichte der Visitatoren. Norm und Wirklichkeit

7.1. Die Instruktionen

Erst im 15. Jahrhundert gab es entsprechende Instruktionen für Probleme des d ivi­ num officium. Um 1420 erteilt Hochmeister Michael Küchmeister solche Instrukti­ onen für die Konvente in Preußen.65 Um 1442/46 folgen Instruktionen seines Nach­ folgers Konrad von Erlichshausen für das Kulmerland.66 Die deutschen Lande werden um 1450/57 entsprechend ins Visier genommen.67 Deutschmeister Walter von Cronberg erließ schließlich 1528 und 1531 Instruktionen für die Ballei Lothrin­ gen und 1530 solche für die Ballei Österreich.68 Die hier aufgeführten Fragen in allen Instruktionen sind sehr ähnlich und ent­ sprechen sehr stark den Vorgaben in den Statuten. So sollten die Visitatoren schau­ en, ob die Priesterbrüder die Messe gemäß der Ordensnotula in der vorgeschriebe­ nen Einheitlichkeit halten. Auch sollte darauf geachtet werden, ob die Notula und weitere liturgische Bücher für den Gebrauch der Priesterbrüder vorhanden sind, da beispielsweise dort auch die Venien dargestellt würden, und die anderen sich nach ihnen [den Priesterbrüdern] richten. Generell sollte von den Visitatoren in Erfah­ rung gebracht werden, ob die Priesterbrüder die Gezeiten Tag und Nacht nach der Notula halten. Das Augenmerk des Hochmeisters lag auch auf der Frage, ob das Marien-Offizium vollständig gehalten werde. Weiterhin kommen Fragen wie nach der Durchführung der Hochfeste mit Gesang und der Gezeiten in den Instruktio­ nen vor. Letzteres war an die Anzahl der Priesterbrüder gebunden. Deren Anzahl sowie auch die Zahl an Kaplänen und Schülern in dem vorgeschriebenen Rahmen sollte eruiert werden.

Steinarchitektur des südlichen Ostseeraums - der theologische Aspekt, hg. v. Gerhard Eimer/ Ernst Gierlich (Kunsthistorische Arbeiten der Kulturstiftung der Vertriebenen 2), Berlin 2000, S. 101-115, hier S. 109. 65 Visitationen (wie Anm. 29), Bd. I, Nr. 70, S. 83f. 66 Ebd., Nr. 114, S. 193-197. 67 Ebd., Bd. II, Nr. 138, S. 3-6. 68 Ebd., Bd. III, Nr. 248, S. 3-6, Nr. 251a, S. 18-21 und Nr. 250, S. 10-14.

13 Lediglich die Instruktionen für die deutschen Lande weichen von den eben ge­ nannten Vorgaben insofern ab, als weiterhin nach den Venien und den Tischlesun­ gen gefragt wird. Auch wird die in den Statuten aufgeführte Strafe für Ritterbrüder, die den Gottesdienst versäumen, hinterfragt. Als Neuerung wird außerdem aufge­ führt, dass darauf geachtet werden solle, dass das neu eingeführte Gebet für den Hochmeister auch gehalten werde. Bezüglich der Sakramente sollen die Visitatoren eruieren, ob diese ordentlich durchgeführt werden. Im speziellen hieß das, dass keine Teilung der Beichte zu er­ folgen hatte, das Abendmahl zu den sieben vorgeschriebenen Terminen gespendet wurde und dass die Begräbnisse der Brüder ordentlich von statten gingen.

7.2. Die Berichte

Der Grundtenor der Berichte seitens der Visitatoren ist durchweg gleich. Da zu wenige Priesterbrüder vorhanden seien, nehme der Gottesdienst sehr ab bzw. werde auch nicht mehr gesungen, wie die Berichte aus den Jahren 1441 für Preußen, 1451 für die deutschen Lande und 1488 für Livland übereinstimmend vermerken.69 Bei weiteren Berichten aus dem 16. Jahrhundert für die Ballei Koblenz mit den Konven­ ten in Koblenz und Köln 1531, für die Ballei Westfalen mit den Konventen Mülheim und Ootmarsum 1533, die Ballei An der Etsch und im Gebirge mit den Häusern Lengmoos, Schlanders, Bozen und Sterzing für 1534 sowie die Ballei Utrecht 1539 wird dezidiert auf den Mangel an Priesterbrüdern verwiesen. Dennoch werde der Gottesdienst ordnungsgemäß durchgeführt. Diese Aussage überrascht doch einigermaßen, denn die Personaldecke an Pries­ terbrüdern war während des Mittelalters teilweise schon recht dünn. Möglicherwei­ se waren die Ritter- und Priesterbrüder in den befragten Konventen auf diese Fra­ gen vorbereitet und formulierten ihre Antworten entsprechend, auch wenn der Wahrheitsgehalt nicht mehr der Wirklichkeit entsprach. Auch ist etwa aus Tirol für das Jahr 1461 ein eklatanter Mangel an Priesterbrüdern bekannt, was 1534 dahinge­ hend dokumentiert wird, dass 32 Priesterbrüder notwendig wären, aber nur sechs vorhanden seien.70 Bezüglich der Spendung der Sakramente sind lediglich aus der Ballei Koblenz 1531 sowie der Ballei An der Etsch und im Gebirge für 1534 Einschränkungen in Erfahrung zu bringen. Im Haus Koblenz werde das Abendmahl nicht wie im Or­

69 Ebd., Bd. I, Nr. 101, S. 161-163; Bd. 2, Nr. 157, S. 88f. und Nr. 202, S. 189-192. 70 1550 ist gar kein Priesterbruder mehr vorhanden; vgl. Ulrich Gasser, Die Priesterkonvente des Deutschen Ordens. Peter Rigler und ihre Wiedererrichtung 1854-1897 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 28), Bonn 1973, S. 5f.

14 densbuch vorgesehen gehalten. Im Haus Köln sowie den Häusern Lengmoos und Sterzing werde das Abendmahl zudem nur noch an Ostern gespendet.

8. Weitere liturgische „Handlungen“

8.1. Reliquien, Prozessionen und Wallfahrten

Der Besitz von Reliquien war für die Orden und ihre Häuser von besonderer Be­ deutung. Häufig war die Präsentation der Reliquien an den entsprechenden Festta­ gen mit einschlägigen liturgischen Handlungen verbunden. Das Haupt der heiligen Barbara, das aus dem Besitz der pommerellischen Herzoge stammte, wurde im Or­ denshaus Althaus bei Kulm aufbewahrt.71 Eine Reliquie der heiligen Katharina schenkte Kaiser Karl IV. 1378 dem Komtur von Brandenburg Günther von Hohen­ stein.72 Besondere Bedeutung für den Deutschen Orden besaßen die Reliquien des Heiligen Kreuzes, deren besondere Verehrung auf Hochmeister Werner von Orseln zurückgeht. Kreuzpartikel befanden sich u.a. in der Schlosskapelle in Elbing, in der Lorenzkapelle der Marienburg sowie der dortigen Schlosskapelle, dem Dom in Ma­ rienwerder und der Pfarrkirche Strasburg. Alle diese Partikel werden im 14. Jahr­ hundert erstmals im Besitz des Ordens erwähnt.73 Im Jahr 1484 gelangte eine Reli­ quie eines Beins der 10000 Ritter in den Besitz des livländischen Ordensmeisters.74 75 Entsprechend der Bedeutung des Heiligen und dem Vorhandensein von Reliquien wurden Prozessionen durchgeführt. Am 25. November, dem Festtag der heiligen Katharina, gab es zu ihren Ehren eine Prozession. Eine hervorgehobene Stellung kam hier der Marienburg mit ihrer reichen Sammlung an Reliquien zu. Nach dem Umzug des Hauptkonventes wurde nach 1312 ein neuer, spektakulärer Prozessions­ weg rings um das Hauptgebäude der Marienburg zur Gruftkapelle der Hochmeister sowie zur Begräbnisstätte der Ordensbrüder auf der Ostterrasse eingerichtet. Eine konkrete Prozessionsfolge ist erstmals 1394 schriftlich überliefert.73

71 Michat W o z n i a k , Die Kirchen der Stadt Thorn - Beiträge zur Liturgie im Deutschordensland Preußen, in: Backsteinarchitektur (wie Anm. 64), S. 179-193, hier S. 181. 72 Ebd., S. 181. 73 Marian D y g o , Die Kultur des Deutschordenslandes Preußen. Das Problem der Eigentümlichkeit der Region, in: Mittelalterliche Kultur und Literatur im Deutschordensstaat in Preußen, hg. v. Jarostaw Went a/Sieglinde H ar t m ann/Gisela V ol 1 m an n - Profe, Toruri 2008, S. 57-79, hier S. 59. 74 Johannes Voigt, Geschichte Preussens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herr­ schaft des Deutschen Ordens, Bd. 9: Die Zeit vom Tode des Hochmeisters Ludwig von Erlichshau- sen 1467 bis zum Untergange der Herrschaft des Ordens unter dem Hochmeister Albrecht von Brandenburg 1525, Königsberg 1839, S. 148. 75 Pospieszny (wie Anm. 64), S. 108.

15 Auch Wallfahrten zu konkreten Kapellen, Altäre oder Reliquien waren an das Vorhandensein von Priesterbrüdern geknüpft, die für einen Konvent insofern von Relevanz waren, als diese Brüder für die Liturgie vor Ort nicht zur Verfügung stan­ den. Das Fehlen dieser Brüder für die Liturgie dürfte allerdings in finanzieller Hin­ sicht durch die Ablässe „ausgeglichen“ worden sein. Prominente Beispiele sind die Kapelle von Tenkitten, dem Todesort des heiligen Adalbert von Prag, des preußi­ schen Missionars und Landespatrons, oder die 1411 erbaute Marienkapelle Tannen­ berg, über deren Liturgie bzw. die liturgische Ausstattung mit Büchern und Gegen­ ständen sowie die Besetzung mit Priesterbrüdern wir vergleichsweise gut unterrichtet sind.76 Die liturgische Zuständigkeit oblag dem Komtur von Königs­ berg bzw. von Marienburg. Auch die Elisabethkirche in Marburg war ein beliebtes Wallfahrtsziel.

8.2. Die Ordensmemoria

Die memoria bildet einen der wichtigsten Bereiche nicht nur der Liturgie, sondern vor allem auch der kollektiven Festigung eines Ordens (von wirtschaftlichen As­ pekten ganz abgesehen). Einträge in das Buch des Lebens, die entsprechenden Nek­ rolog-Anniversare, sicherten das Seelenheil der Brüder.77 Die dort vorgenommenen Einträge waren am Todestag mit einer speziellen Seelmesse zu begehen, die je nach Stiftungsaufkommen mehr oder weniger umfangreich war. Anniversar- und Mess­ stiftungen sind sowohl für Ordenshäuser als auch die Pfarrkirchen belegt. Der Eli­ sabethaltar der Münnerstadter Pfarrkirche erhielt beispielsweise 1338 eine umfang­ reiche Seelstiftung, wobei in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Münnerstädter Bürger klagten, die Stiftungen würden nicht mehr ordentlich abge­ halten. Für die Elisabethkirche in Marburg haben sich Stiftungsurkunden für Seel­ messen erhalten,78 die von Stiftungen aus dem Nekrolog ergänzt werden.79 Leider haben sich nur von einigen wenigen Ordenskonventen Nekrologien überliefert, so aus Altenbiesen, Marburg, Sachsenhausen und Hitzkirch.80 In jüngster Zeit skiz­

76 Sven Ekdahl, Ein Inventar der Propstei auf dem Schlachtfeld von Tannenberg aus dem Jahre 1442, in: Preußenland 21, 1983, S. 1—9; dazu auch Bernhart Jähnig, Der Pfarrer zwischen Ver­ kündigung und Gelehrsamkeit, in: Kirche im Dorf (wie Anm. 3), S. 57-66, hier S. 59-61. 77 Zur Memoria s. Grunau (wie Anm. 36), I, cap. 13, § 3, S. 157. 78 Andreas K ö s 1 1 e r, Die Ausstattung der Marburger Elisabethkirche. Zur Ästhetisierung des Kul­ traumes im Mittelalter, Berlin 1995, S. 113. 79 Ebd., S. 115. Die Marburger Nekrologe in: Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen, hg. v. Arthur Wyss, Bd. 3: Von 1360 bis 1399 (Publikationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven 73), Leipzig 1899, Nr. 1290, S. 235-270. 80 Zu den Deutschordensnekrologen allgemein Max Perlbach, Deutsch-Ordens Necrologe, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 17,1877, S. 357-371. Zu den Nekrologien von Aldcn Biesen u nd Mergentheim Udo Arnold, Die Deutschordensnckrologien von Alden Biesen und Mergent­ heim, in: Editionswissenschaftliches Kolloquium (wie Anm. 39), S. 145-159.

16 zierte Gustavs Strenga die memorialen Verbindungen innerhalb des Ordens anhand der Einträge livländischer Ordensangehöriger sowie von Einträgen, die auf in Liv­ land gefallene Mitglieder schließen lassen, in den verschiedenen Nekrologen.81 Die Seelmessen in der Schlosskirche auf der Marienburg wurden besonders in der 1341 fertiggestellten Annen-Kapelle bei drei Altären vorgenommen. Für diesen li­ turgischen Dienst waren eigens eine bestimmte Gruppe von Priesterbrüdern zu­ ständig. Neben der Marienburg war auch in Marburg eine umfangreiche Memorial­ kultur entstanden.82 In gut ausgestatteten Anniversarstiftungen wurde der Gesang eines Schülerchors vergütet. Eine Besonderheit ist in Marburg das Amt des Pitanz- meisters, der seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts fassbar ist. In einem eigenen Pi- tanzregister wurden zudem die Stiftungen für den Konvent verwaltet.83 Dass der Pitanzmeister keine Alleinstellungsmerkmal für Marburg darstellte, zeigt sein Vor­ handensein u.a. 1318 im Konvent in Rothenburg oder in Sachsenhausen. Sehr wohl lassen sich allerdings Rückschlüsse auf die Menge an Stiftungen ziehen, wenn ein eigenes Amt dafür notwendig war.

9. Ordenskirchen und -kapellen

Marian Arszynski formulierte 1993, dass die Ordensburgen die Voraussetzungen zur Wahrnehmung der mönchischen Aufgaben schaffen müssen.84 Die vita commu­ nis stelle aber bekanntermaßen bestimmte Bedingungen an das Bauprogramm be­ züglich der Raumfolgen. Infolgedessen gibt es, so Arszynski, im 14. Jahrhundert zwei Hauptkategorien von Ordenshäusern in Preußen. Kleine Anlagen, die Vogtei­ oder Pflegersitz waren und die mit geistlichen Aufgaben nichts zu tun haben sollen sowie große Anlagen, meist Sitz eines Komturs, die im ersten Obergeschoß Ge­ meinschaftsräume für eine entsprechende Nutzung aufweisen. Arszynskis Modell basiert folglich auf einer von Anfang an klaren Vorstellung über die Raumvertei- lung. Diesem klaren Nutzungsprogramm widersprach Christofer Herrmann in seiner Habilitationsschrift.85 Auf die Frage, ob die Wahl eines Kirchentyps von liturgi­ schen Notwendigkeiten geprägt ist, antwortet Herrmann klar mit „nein“. Ordens­

81 Gustavs Strenga, Remembering the Common Past: Livonia as a lieu de memoire of the Teutonic Order in the Empire, in: Livland - eine Region am Ende der Welt? Forschungen zum Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie im späten Mittelalter / Livonia - a Region at the End of the World? Studies on the Relations between Centre and Periphery in the Later Middle Ages, hg. v. Anti S e la r t /Matthias Thumser (Quellen und Studien zur baltischen Geschichte 27), Wien 2017, S. 347-370. 82 Braasch-Schwersmann (wie Anm. 5), S. 209. 83 Ebd.,S.229f. 84 A rszy n sk i (wie Anm. 35), S. 147. 85 Herrmann (wie Anm. 3 ),S. 220-225.

17 kirchen oder -kapellen bilden einen Flügel des Ordenskonventes, liegen in der Vor­ burg oder befinden sich im Vorfeld der Burg. Problematisch erscheinen Arszynskis Ausführungen auch bezüglich der kleinen Anlagen und ihrer angeblich nicht vorhandenen Liturgie. Aber zweifelsohne muss auch hier das divinum officium durchgeführt werden können, zumal etwa im Pfle­ gersitz Barten 1420 eine Kapelle erwähnt wird. Gerade in Preußen sind die großen Anlagen im späten Mittelalter häufig architektonisch verändert worden. Dabei er­ forderte u.a. die Vermehrung der Mess-Stiftungen meist in Pfarrkirchen eine Er­ richtung zusätzlicher Altäre, was zu Kapellenkränzen im Langhaus und im Chor führen konnte.86 Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die preußischen Konvente, sowohl die großen als auch die kleinen Anlagen, einer Grundkompositi­ on folgten. In den großen Anlagen befand sich die Kirche/Kapelle fast immer im ersten Obergeschoß im Südflügel. Sie bildete eine Raumkombination mit dem Kapi­ telsaal und dem Remter. Beispiele hierfür sind die Konvente in Papau, Gollub, Graudenz, Marienburg, Osterode, Ragnit, Rehden, Rhein, Roggenhausen, Stras­ burg oder Thorn. Die kleinen Anlagen sind insgesamt uneinheitlicher, aber meist befinden sich auch hier im ersten Geschoß im Nord- oder Südteil eine Raumkombi­ nation bestehend aus Kapelle, Remter und den Wohnräumen des Pflegers, wie in Rastenburg, Sehesten, Soldau oder Taplacken. Über die Ausstattung solcher Kapel­ len geben Quellen für Neidenburg 1404 oder Lochstädt Auskunft. Ein gewisses Problem scheint es mit der Reinlichkeit in den Kirchen gegeben zu haben, wie in Gesetz 22 eigens betont wird. So sollen der Mist vom Estrich entfernt oder die Stühle ordentlich aufgestellt werden.87

10. Die Priesterbrüder

Die Ausführenden von Liturgie sind die Priesterbrüder. In den Statuten wird in den Gesetz 2 über die Priesterbrüder gehandelt und eigens auf ihre Ehre hingewiesen. In der Hierarchie des Ordens standen bis auf wenige Ausnahmen die Ritterbrüder al­ lerdings meist höher als die Priester.88 Es wird betont, dass sich unter den 12 Brü­ dern, die einen Konvent bilden, sich idealerweise mindestens ein Priesterbruder befindet. In der Realität war die Anzahl der Priesterbrüder wie der Brüder insge­

86 Zu Kapellen und ihrer Ausstattung auch Marian K u tz n e r, Die spätmittelalterliche Ausstattung der . larienkirche als Ausdruck der intellektuellen Empfindsamkeit und Religiosität der Danziger Burger im ausgehenden Mittelalter, in: Backsteinarchitektur (wie Anm. 64), S. 131-154, hier S. 158. 87 Statuten (wie Anm. 8), S. 72. 88 Martin A rmga rt, Die Handfesten der preußischen Oberlande bis 1410 und ihre Aussteller. Dip­ lomatische und prosopographische Untersuchungen zur Kanzleigeschichte (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Beiheft 2), Köln 1995, S. 286f.

18 samt einer relativ starken Schwankung unterworfen. Dies geht eindeutig aus den jüngsten prosopographischen Forschungen, aber auch aus älteren personenge­ schichtlichen Studien hervor.89 Gleichwohl gab es neben Ordenshäusern mit sehr wenigen oder zeitweise gar keinen Priesterbrüdern auch reine Priesterkonvente, wie Nees, Schoten, Zschillen,90 Plauen91 oder Bern. Auch Mühlhausen besaß zeitweise fast ausschließlich Priesterbrüder.92 Das Große Ämterbuch nennt für die Ballei Preußen 329 Ritterbrüder und nur 37 Priesterbrüder.93 Zumindest stellt sich die Fra­ ge, wie Liturgie in einem Ordenshaus durchgeführt wurde, dass zeitweise keinen einzigen Priesterbruder beherbergte. Wie angespannt sich mitunter die Personalsituation gestaltete, ist auch vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass die wenigen Priesterbrüder in den Konventen häu­ fig zusätzlich die Seelsorge in den Pfarrkirchen durchzuführen hatten. Immerhin konnten in den Pfarrkirchen Weltgeistliche ebenso das divinum officium überneh­ men. Bei dem grundsätzlichen Mangel an Priesterbrüdern stellt sich aber auch die Frage, warum die Klagen über geregelte liturgische Handlungen erst so spät auftre- ten. Ob dies lediglich am Fehlen von einschlägigen Quellen liegt, greift vermutlich zu kurz. Unter Zugrundlegung des bisher Gesagten zeichnet sich das Bild mit der Durch­ führung einer Grundliturgie durch die vorhandenen Priesterbrüder, die das litur­ gisch absolut notwendige und die Prestigehandlungen umfasste. Letzteres war zum Beispiel die Gestaltung der Liturgie an hohen Festen oder die Durchführung von Prozessionen. Eine geregelte Liturgie gab es natürlich in den großen Ordenshäusern wie auf der Marienburg oder in Marburg, wo Anfang des 15. Jahrhunderts 11 Rit­ ter- und 12 Priesterbrüder genannt werden.94 Gleichwohl wurde die Liturgie in den Konventen des Deutschen Ordens als kollektive Handlung und verbindendes Ele­ ment wahrgenommen. Dieses „wir“-Gefühl umfasste auch repräsentative liturgi­ sche Handlungen, wenngleich selbst diese nur begrenzt mit der Liturgie und ihrer

89 Dieter Wojtecki, Studien zur Personengeschichte des Deutschen Ordens im 13. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Geschichte des Östlichen Europa 3), Wiesbaden 1971; Friedrich Ben- nighoven, Zur Zahl und Standortverteilung der Brüder des Deutschen Ordens in den Baileien um 1400, in: Preußcnland 26, 1988, S. 1-20; Bernhart Jä h n ig, Der Deutsche Orden und seine Ballei Thüringen im Mittelalter, in: Deutscher Orden 1190-1990, hg. v. Udo Arnold (Tagungs­ berichte der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 11), Lüne­ burg 1997, S. 303-358; Maciej Dorna, Die Brüder des Deutschen Ordens in Preußen 1228-1309. Eine prosopographische Studie, Köln 2012. 90 W oj t eck i (wie Anm. 89), S. 62f. 91 Ebd., S. 59. 92 Ebd., S. 56-58; Bernhart Jä h n ig , Der Danziger Ordenskonvent in der Mitte des 15. Jahrhun­ derts. Ein Beitrag zur Personengeschichte des Deutschen Ordens, in: Danzig in acht Jahrhunder­ ten. Beiträge zur Geschichte eines hansischen und preußischen Mittelpunktes, hg. v. Bernhart Jähnig/Peter Letkemann (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens 23), Münster 1985, S. 151-184, hier S. 158. 93 Jäh n ig , Ordenskonvent (wie Anm. 92), S. 151—184; A rmgar t (wie Anm. 88), S. 287. 94 J ä h n i g , Ordenskonvent (wie Anm. 92), S. 158.

19 Stellung etwa bei Benediktinern, Cluniazensern oder Zisterziensern zu vergleichen sein dürfte. Die Liturgie verbindet die Gemeinschaft. Nicht umsonst wird in den Statuten immer wieder auf ihre Rolle hingewiesen.

20 Life in Montfort in the Light of Archaeological Excavations (1926 and 2011-2014)

by Adrian J. Boas

In the spring of 1926 an expedition from the Metropolitan Museum of Art in New York carried out the first archaeological excavations of a Crusader period site, at Montfort Castle — a Teutonic castle in the western Galilee (ill. 1, colour). They exca­ vated the central part of the castle over a period of four weeks, removing 4.451 tons of debris. The aim of the expedition was the recovery of a suit of thirteenth century armour to fill a gap in the collection of the museum, and in this endeavor the expe­ dition was a failure. The only armour that was recovered consisted of three badly corroded lumps of iron chainmail. On the other hand, these excavations entirely exposed the architectural remains of the central part of the castle and recovered a large quantity of material finds that throw considerable light on the daily life of the garrison of German knights that had occupied Montfort for about 45 years from its construction in the 1220s up to its fall and dismantling by the Mamluks in 1271.1 Since 1926 no major excavations took place at Montfort until 2006 when a new program of research, excavations, conservation and development commenced under the direction of Adrian Boas on behalf of the Zinman Institute of Archaeology of the University of Haifa and the Society for the Study of the Crusades and the Latin East. The Montfort Castle Project has just completed its fifth season of excavations2 and the first major publication of past and ongoing research is just published.3

1 Bashford Dean, The Exploration of a Crusader’s Fortress (Montfort) in Palestine, in: The Metro­ politan Museum of Art, Annual Bulletin 22, no. 9, Part II: A Crusaders Fortress in Palestine: A Report of Explorations Made by the Museum 1926, New York 1927. 2 The Montfort Castle Projekt (MCP) is run by the University of Haifa (Zinman Institute of Arche- ology), sponsored by the Society for the Study of the Crusades and the Latin East (SSCLE) and funded by the Israel Science Foundation (grant no. 1032/14). It is directed by the author of this paper assisted by Dr. Rabei Kamishy. 3 Montfort. History, Early Research and Recent Studies of the Principal Fortress of the Teutonic Order in the Latin East, ed. by Adrian J. B o a s , With the Assistance of Rabai G. K h a m i s y (The Medieval Mediterranean 107), Leiden/Boston 2017; see also Adrian J. Boas, Evidence for Daily

21 Montfort is a fairly large spur castle, that is, a castle that was constructed on a mountain spur between two converging valleys, taking full advantage of the steep topography and requiring major defenses only in one direction - that facing the extension of the spur, the most easily approachable part of the castle. Such castles first appeared in the Latin East in the 1140s but are most typical of the castles con­ structed by the military orders in the late twelfth and thirteenth centuries. Mont- fort was built by the Teutonic Order, partly in order to supplement administrative activities carried out by the order’s central house in Acre. After an abortive siege by the Mamluk army in 1266, in the summer of 1271 it was again besieged and fell to the Mamluk sultan Baybars after which it was systematically dismantled.

The castle consisted of four principal elements:

1. a massive tower on the east defending the castle at its principal weak point (ill. 2, colour),

2. the central domestic wing (ill. 3, colour) - a two-storey structure with various service rooms on the ground level and the brothers’ living quarters above,

3. the western administrative wing (ill. 4, colour) — a three storey structure rising on its southern side to over 35 metres in height, and containing a basement level, above which was the ceremonial hall and above that, what was probably the living quarters of the castellan or the Grand Master,

4. an outer defensive line and within it an outer ward (ill. 5, colour) along the north­ ern and western sides of the hill below the main buildings.

Although the 1926 expedition failed to recover the desired suit of armour, today we are aware of the considerable value of the finds that were recovered, and the extent to which these can illuminate various aspects of daily life in a thirteenth century military order castle in the Latin East. The five seasons of excavations by the Mont- fort Castle Project have added to the numerous finds briefly described by Dean in his 1927 publication in the Metropolitan Museum bulletin.

The finds can be categorized into eight groups: 1. Items relating to warfare 2. Items relating to prayer and liturgy

Life in Montfort Castle in the Light of Past an Recent Archeological Exploration, in: W stuzbie zabytkow, ed. by Janusz Hochleitner and Karol Polejowski, Malbork 2017, pp. 257-270.

22 3. Items relating to dress and grooming 4. Items relating to food, cooking and eating 5. Items relating to industry, crafts and household activities 6. Household furnishings 7. Coins 8. Architectural finds

Among the finds are a number of objects of a perishable nature which have ironi­ cally survived due to the efforts of Baybars to dismantle the castle. Baybars’ main method of destroying the buildings was by fire, and evidence of a huge conflagra­ tion can be seen in the shattered and discolored masonry found in most of the central parts of the castle. The fire turned the limestone into lime which with the winter rains turned to slaked lime or calcium hydrochloride which serves as a preservative against decomposing agents. It covered and encased objects of wood, leather and cloth and preserved items which are unique among finds from crusad­ er castles.

Military Related Objects

Regarding evidence for military activity, other, of course, from the abundant ar­ chitectural evidence of fortifications, over 50 large stone projectiles were recov­ ered in and around the castle in 1926 (ill. 6, colour) and several more have come to light in the ongoing excavations. These were used by both sides in the two sieges in 1266 and in 1271. Arrow and spearheads are common finds in castles and are plentiful and occasionally well-preserved at Montfort, both the more common Eastern type with a tang and the Western type with a socket (ill. 7, colour). Excep­ tional finds are arrow shafts (ill. 8, colour). These were painted, perhaps to identi­ fy them as property of a certain archer, or possibly to facilitate finding shot ar­ rows after a battle. All parts of the shaft were found including the end with a groove to fit on the bowstring and the pointed end used on shafts with the West­ ern type socket arrowheads. One wooden find was identified by the excavator as a tent peg but its form and the intricate manner in which it was constructed, with inserted wooden pegs makes that doubtful and it has been suggestion that it may be part of a composite bow (ill. 9, colour). Composite bows were made of various woods and bone or antler glued and pegged together. This piece has a small heraldic motive incised on one side. A number of small cylindrical objects of bone were found in 1926 (ill. 10, colour). These were part of the trigger mechanism of crossbows. Also related to archery are thimbles, probably used by archers. Fragments of a sword blade were found as well as a number of chapes - copper bases of dagger sheaths.

23 Liturgical Objects

Three objects found in 1926 possibly relate to the liturgical activity of the brothers. The first of these is a carved stone cross found and still located where it apparently fell in 1271 on the south side of the castle, directly below the keep. It may be a con­ secration cross that decorated the chapel and its present location below the keep, supports my contention that the chapel of the castle was not located in the west as the excavators of 1926 suggested, but rather in the keep (an apsidal structure which, more or less, faces the east, and was located conveniently near the brothers dormi­ tory, as is the desirable in a monastic and military order compound). A second object relating to liturgy is the base of an icon (ill. 11, colour) on which the feet of two saints can be seen, one with imperial red buskins, the other sandaled. It is another example of remarkable preservation, although only the lower part has sur­ vived. Its presence here in a Western Catholic community is of particular interest and the art historian Jaroslav Folda has referred to it and other Crusader icons as evidence of the influence of the Eastern Church on Latin clergy and laity in the Crusader states. The third find which possibly was located in the chapel is a large stone basin carved with lions’ feet and heads, as well as a figure riding a dolphin (ill. 12, colour). This imperial roman fountain was apparently brought to the castle from some un­ known location by the brothers and perhaps used as a font.

Items of Dress

A few items relate to dress and grooming. According to the field notes of 1926 the excava­ tors found a child’s shoe, but I have been unable to trace this. Several buckles were found in 1926,2012, also bronze ear probes, and the blade of a razor - statute 12 of the Teutonic rule notes that all brethren shall have their hair shaved in a regular and clerical m anner... And as for beard and moustache care shall be taken that they be neither too short nor too full, while brother clerks shall have a tonsure o f not too small size and shall shave their beards,4

Food Cooking and Eating Utensils

Well represented among the finds of 1926 and the ongoing excavations are items re­ lating to food, food storage, cooking and eating. Many animal bones were recovered

4 Alle die brüdere sulen ir bar also ordenlichen unde geistlichen ban beschom... An den barten unde ouch an den granen sol man ouch des nemen tear, daz da iht zu wenic si oder ubermäze. Die brüderphaffen sulen ir blatten unde ir här niht zu u-enic beschom ban ... unde sulen ouch die berte scheren; Die Statuten des Deutschen Ordens nach den ältesten Handschriften hg. v. Max Perlbach, Halle/S. 1890, Regel 12, p. 40.

24 by our excavations in the past two years. These have not yet been studied but appear to be mainly pig, some sheep, goat, deer and fowl. Of importance are European pig bones found with a cooking pot on the floor of the great hall. The context was a destruction layer but one that preceded the fall of the castle in 1271. And the pres­ ence of pig shows that the building was still in Crusader hands after this destruc­ tion. Consequently we are able to date the damage here to an event prior to the fall of the castle - either an earthquake in 1259 or the first unsuccessful Mamluk siege that took place in 1266. Some organic finds including peas were found in 1926. These have languished in the storerooms of the Rockefeller Museum in Jerusalem for nearly nine decades but will now be examined along with recent finds of plant remains. With analysis of animal and plant remains we will be able to expand on work done at other military order castles and make comparisons of the archaeological evidence with descrip­ tions of the brothers’ diet as laid down in the orders’ rules. Also related to food are ceramic storage vessels, cooking pots and bowls, wooden spoons, iron knives and a number of stone basins and mortars that could have served in preparation of food (ill. 13, colour).

Other Ceramic Finds

Other ceramic finds are oil lamps (ill. 14, colour). Three types commonly in use in the Crusader period were found - saucer lamps, mould-made lamps and bottle lamps.

Coins

About 25 coins were found in the castle in 1926. Most of these were unfortunately lost but there is record of some of them and we have found additional coins now undergoing study in Jerusalem. Most of these fall into the roughly fifty year time span of the castle.

Crafts

A number of items relate to industry and crafts, including lumps of sulphur found in the basement below the great hall. One possible use of sulphur is an ingredient in Greek Fire an inflammable substance used as an incendiary weapon. A wooden spindle (ill. 15, colour), whetstones of schist and rough limestone used for sharpen­ ing tools and knives, claw hammers and numerous carpentry nails and horseshoe

25 nails have been recovered. Perhaps the most valued find from the 1926 excavations was made in the basement below the great hall - two remarkable limestone moulds finely incised with various floral motifs including a number of fleurs-de-lis, stars, fish, and the German heraldic eagle on a diapered shield (ill. 16, colour). The eagle and the fleurs-de-lis are armorial elements belonging to the Teutonic Order. These finds generated a great deal of interest and some debate as to their intended use. The Metropolitan Museum excavator, William Calver called them “the real prizes” of the excavation and suggested that they were “designed for embossing fine leather used on the equipment of the Teutonic knights or upon the trappings of their steeds”. In a 1989 paper published by Helmut Nickel, curator of the Arms and Armor De­ partment of the Metropolitan Museum of Art, the suggestion was made that these moulds were intended to produce raised gesso heraldic designs on shields.5 Howev­ er, a new suggestion which will be published by Andrea Wähning in our forthcom­ ing volume notes that they were not suitable for stamping leather and raises the possibility that they were intended to make tin foil decorative elements that were cut, strengthened with gesso and glued on to panels, wall painting and sculpture and gilded - decoration referred to as “tin relief” a technique at first used to reproduce objects of gold in the paintings to which they were attached, and in the late gothic art more commonly used on sculpture to represent luxurious fabric like brocades. If this suggestion is correct these are the only known surviving moulds for this art form.6

Architectural Finds

In spite of the extensive dismantling of the castle by Baybars, a large number of ar­ chitectural pieces have been recovered from the debris (ill. 17, colour). Both the ex­ cavations of 1926 and the ongoing work has revealed abundant examples of the fine gothic stonewors which once decorated the upper floors of the main buildings — the central domestic wing where the dormitory, refectorv, chapterhouse and chapel were located and the Great Hall and castellan or Grand Master’s apartments located La the west. . be style is typical thirteenth century French/German Gothic. Nurith Ke- ~-._~-Kedar examined the pieces found in 1926 and has observed in a forthcoming r ---- cation, _ocal contemporary comparisons of French stvle such as the capitals ot *-* ------^ ~ John in bebasua and consols in the gates of Caesarea attributed to

5 Henau: Fnsnenrs Focsd it Castle Moorfocti SciAecbey in !92t>. and ~ :: - ir - : £ : - M :::'::..::- —i. > WOT, pp. 35-«*. S Atsirei B e Scoot Stances boss Moerfort: Abo« lfookk. Tin Relief lu i tise Pbb- 04110:43 ■ Tiur a e-rb Cencary. in: Montiert see tsxe 3 . pc. 266-Z-^

: 3 the fortification work carried out by Louis IX in the early 1250s), and Western com­ parisons in the Cistercian abbeys of Pontigny in France and Walkenried in lower Saxony as well as examples from Naumburg, Veselay and Autun.7 In addition to these fine pieces, examination of the vault ribs, cornices and minor decorations in both the main central part of the castle and in the ongoing excava­ tions of the outer ward, enables us to carry out a reconstruction of the luxurious surroundings in which the brothers of the order were living in this isolated outpost. We have identified three types of Gothic rib vaulting and various examples of orna­ mentation from the upper floor of the central, domestic wing of the castle. Also, a large quantity of stained glass was found in 1926 and several additional pieces were recovered in 2011.These are also typical of thirteenth century Western Gothic stained glass, although chemical analysis has shown that they were produced locally in workshops on the coast north of Acre. Together with evidence that the walls were decorated with wall painting, fragmentary finds possibly from furnishings, such as fragments of gilded wood, bone inlays and the mentioned piece of an icon, support Dean’s statement: “The outstanding feature in the present study is the evidence that the knights of Montfort were living not under conditions of stress or hardship, but on very much the same material level which they would have occupied in western Europe”.8 Certainly conditions at Montfort would not by any means have fallen short of those in larger and more important of the military order castles like Cha­ teau Pelerin or Crac des Chevaliers and Margat.

7 Nurith Kenaan-Kedar, The Architectural Sculpture of Montfort Castle Revisited, in: Mont­ fort (see note 3), pp. 273-281. 8 Dean (see note 1), p. 46.

27 Das Leben auf der Marienburg zur Zeit der Hochmeister (1309-1457) nach schriftlichen mittelalterlichen Quellen

von Slawomir Jözwiak und Janusz Trupinda

Die Marienburg war im Mittelalter die Hauptresidenz des Deutschen Ordens und spielte eine große Rolle in der Geschichte Mitteleuropas. Selbstverständlich hat die Burg eine große Bibliographie mit vielen historischen, kunsthistorischen, archäolo­ gischen, architektonischen und anderen Publikationen zahlreicher Verfasser. Jedoch hat niemand eine umfassende Untersuchung der schriftlichen Quellen unternom­ men. Das bisherige Bild erweist sich dadurch als eine Art kompliziertes, unvollstän­ diges und teilweise auch falsch zusammengesetztes Puzzle, das sich aus einer recht zufälligen Auswahl und Untersuchung mittelalterlicher Quellen, ähnlich unvoll­ ständigen archäologisch-architektonischen Untersuchungen sowie aus der Projekti­ on von Idealvorstellungen einzelner Forscher des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf die vorhandene historische Bausubstanz während der in dieser Zeit durchgeführten Restaurierungsmaßnahmen ergab.1

1 Die neuesten Arbeiten zum Thema Marienburg zu Zeiten des Deutschen Ordens, die vor allem von Kunsthistorikern veröffentlicht wurden, sind leider nach wie vor voll von denselben methodischen und sachlichen Fehlern. Sie zeichnen sich durch ein gemeinsames charakteristisches Merkmal aus: Die Autoren berücksichtigen die schriftlichen mittelalterlichen Quellen nicht, lassen aus oder igno­ rieren (bewusst?) auch einen beträchtlichen Teil der wissenschaftlichen Literatur. Vgl. zuletzt To- masz Torbus, Zamki konwentualne pahstwa krzyzackiego w Prusach [Konventsburgen des Deutschordensstaates in Preußen], Gdansk 2014, S. 106-126, 301-336; Kazimierz Pospieszny, Domus Malbork. Zamek krzyzacki wtypie regularnym [Domus Malbork. Eine Deutschordensburg des regulären Typs], Toruh 2014; Christofer Herrmann, Der Hochmeisterpalast auf der Marien- burg. Rekonstruktionsversuch der Raumfunktionen, in: Magister operis. Beiträge zur mittelalterli­ chen Architektur Europas. Festgabe für Dethard von Winterfeld zum 70. Geburtstag, hg. v. Gabriel Dett e, Laura Heeg und Klaus T. Weber, Regensburg 2008, S. 261-294; ders., Kloster - Burg - Residenz: Der Hochmeisterpalast auf der Marienburg im Kontext der Burgenarchitektur des Deutschen Ordens in Preußen, in: Ritter, Verwalter und Repräsentanten — Priester und Seelsorger: Burgen, Residenzen und Kirchen des Deutschen Ordens, hg. v. Helmut Flachenecker (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 79 = Veröffentlichungen der Forschungsstelle Deutscher Orden an der Universität Würzburg 1), Weimar 2016, S. 37-57; d e r s ., Die herrschaftli­ chen Wohnräume im Hochmeisterpalast der Marienburg (Malbork) — ein frühes Beispiel des Stuben-

28 Unsere Absicht war, alle vorhandenen mittelalterlichen Schriftquellen zur Mari­ enburg zu untersuchen und auf den Ergebnissen basierend das Leben auf der Mari­ enburg im Zeitraum von 1309 bis 1457 umfassend darzustellen. Zu diesem Zweck wurden sowohl bereits veröffentlichte als auch von der bisherigen Forschung nicht beachtete Quellen herangezogen. Besondere Bedeutung hatten für uns Urkunden und Briefe aus dem Historischen Staatsarchiv Königsberg im Geheimen Staatsar­ chiv Preußischer Kulturbesitz Berlin und dem Deutschordenszentralarchiv Wien, vor allem Notariatsinstrumente, die bisher zu diesem Zweck eigentlich nicht be­ nutzt wurden. Die Untersuchung der Schriftquellen als Forschungsgrundlage brachte zahlreiche interessante Erkenntnisse, die jedoch an dieser Stelle nur in Aus­ wahl dargelegt werden können. Die umfassende Darstellung unserer Forschungser­ gebnisse kann man in unserem Buch und in weiteren Artikeln finden.2 Vor allem ist es durch die Analyse der in den Quellen vorkommenden Begriffe und Bezeichnungen in Bezug auf verschiedene Teile des Schlosses gelungen, die ein­ zelnen Teile und Räume zu konkretisieren. Die Analyse erleichterte in erheblichem Maße, die häufig auf den ersten Blick recht verwirrenden und nicht eindeutigen Quellentexte richtig zu verstehen und ermöglichte, zahlreiche, terminologisch be­ dingte Missverständnisse auszuräumen. Hier haben wir den einfachen Grundsatz befolgt, die heute nicht mehr geläufigen Begriffe und Bezeichnungen aus den Zu­ sammenhängen in den mittelalterlichen Quellentexten zu erklären. So zeigte sich beispielsweise ganz eindeutig, dass man die Marienburg in der zweiten Hälfte des 14. und in den ersten zwei Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts grundsätzlich als aus zwei Teilen bestehend ansah: den Konventsbau (heute Hochschloss) und der Vor­ burg. Zur Vorburg zählten noch zu Beginn des dritten Jahrzehnts des 15. Jahrhun­ derts sämtliche Gebäude sowohl innerhalb des heute sogenannten Mittelschlosses (erste innere Vorburg) als auch diejenigen, die östlich, aber möglicherweise auch westlich davor, selbstverständlich aber innerhalb der Wehranlagen standen (erste äußere Vorburg). So gesehen befand sich auch der Hochmeisterpalast (der im Mit­

appartements im Spätmittelalter, in: INSITU. Zeitschrift für Architekturgeschichte 2017, H. 2, S. 211-228. All das verursacht, dass diese Abhandlungen nichts Neues zum Thema bringen. Was noch schlimmer ist, sie führen zu unnötiger Verwirrung im aktuellen Wissen zum Thema der Wehr­ bauten des Deutschen Ordens im mittelalterlichen Preußen. Diese Abhandlungen stellen also einen Rückschritt in den Untersuchungen dieser Problematik dar. 2 Slawomir Jö z wiak/Janusz Trupinda, Nazwy pomieszczefi zamku malborskiego w instru- mentach notarialnych z kohca XIV - pierwszej polowy XV wieku [Die Namen der Räume in der Marienburger Burg in notariellen Urkunden vom Ende des 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahr­ hunderts], in: Zapiski Historyczne 72, 2007, H. 4, S. 41-56; dies., Organizacja zycia na zamku krzyzackim w Malborku w czasach wielkich mistrzöw (1309—1457) [Die Organisation des Lebens auf der Marienburg zurZeit der Hochmeister 1309-1457], Malbork 22011; dies., Miejsca wystawi- ania instrumentöw notarialnych w przestrzeni zamku malborskiego w XIV i w pierwszej polowie XV wieku [Orte der Ausstellungsorte von Notariatsinstrumenten in der Deutschordensburg Ma­ rienburg im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts], in: Zapiski Historyczne 77, 2012, H. 2, S. 7-34.

29 telalter unter dieser Bezeichnung nicht vorkommt) in dem Vorburge, also in der ersten inneren Vorburg.3 Seit Beginn des 15. Jahrhunderts kommt in den Quellen auch die zweite Vorburg vor (suburbium secundum - diese Bezeichnung in notariel­ len Aufzeichnungen),4 womit das Gelände nördlich der genannten Schlossteile, auch innerhalb der Wehranlagen, gemeint ist. Seit dem dritten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts ist in den Quellen die Tendenz zu beobachten, die gesamte Marien­ burg unter einer Bezeichnung zusammenzufassen. Eine Ausnahme bildet hier le­ diglich das sog. Hochschloss, das als rechtes bus oder rechtes schloss immer geson­ dert hervorgehoben wird. Bis zum Ende der Deutschordensherrschaft konnte sich diese Tendenz indessen nicht eindeutig durchsetzen. Hier muss man zugeben, dass die heutige Nomenklatur (Hoch-, Mittel- und Unterschloss oder Vorburg) aus pol­ nischen Zeiten (in Schriftquellen nach 1565) stammt.5 Als Bezeichnung für größere Räume oder Geschosse innerhalb eines Gebäudes war im späten 14. und im 15. Jahrhundert das Wort gem a ch gebräuchlich, das zu­ weilen auch ein freistehendes Gebäude meinte; so haben wir im Hochmeisterpalast gebietiger gemach (Erdgeschoss) und meisters gemach, sommergemach oder winter- gem ach (1. Obergeschoss). Der Hochmeisterpalast wurde als ganzes Gebäude auch als meisters gemach bezeichnet.6 Der Begriff hus (uf dem huse, uff dem rechten huse, off dem obirsten huse) stand in jener Zeit überwiegend für das sog. Hochschloss, den eigentlichen Konventsbau, wozu auch offenbar die auf dem umgebenden Parchamgelände gelegenen Gebäude gezählt wurden. In bestimmten Konfigurationen allerdings (z. B. zum husze, vor dem huse, hy im huse, alhy im huwse, alhy vor dem huwse) konnte dasselbe Wort auch die gesamte Burganlage bedeuten. Es besaß zudem weitere Bedeutungen - so bezeichnete es zuweilen bestimmte Räume innerhalb verschiedener Gebäude des gesamten Burggeländes, welche sowohl Repräsentations- als auch wirtschaftlichen und Wohnzwecken dienten, z. B. bakhus, slouffhußse usw. Es konnte auch um klei­ ne freistehende Häuser innerhalb der Vorburg gehen, z. B. snyczhuse, satilhuse, ap- pelbuse, pferdearst huse, falkeners huvcsze usw.7

- Ausführlich zum Thema der Topographie und Benennung der einzelnen Teile der Marienburg in schriftlichen Quellen ans dem 14. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Jözwiak/Tru- pinda. Orgamzacia wrie Aam. 1 . S. 71—85; dies.. Krzyzackie zamki komrarskie w Prusach. To- regruiia t vklau przestrzenny na podstawie sredniowiecznych zrbdei visanvch [Somturburgen -es Oe'—sehen Ordens in Preuüen. Topograpnie unrl Raumplanung au* Orunenaze der mrrreial-er- -lehiai SchrlrtqseiienU Torun 1ZIZ. S. öe-8S. ” 5*. Tyiru aer Aessce*iU-gsorr zevanrr aonerm Biiöicntrellirusrav^fjnBfinecss^iorr- — - 3 ' v-ji scexulj in z: rer L neunee vom 1. Mz: 14Ü-: Codex dipzomanreus amramsis oder degesteu unc Urkunden zur Gesc—ehte Ermlunds. hg. t. Carl >‘esrT ^Toe.xv. 3 d. EU. 3öunarer$ t£ +. Nr. rr.V -1-“ ' z _a aresem - rem a .:ar;:;a. Orgauurucra 'wne Arm. E . 5. iE—$8 ; des- 3- a ■'arve rarmd -wie Asm. - . i U -* 'ü Tr ar.adi Orgarruac-a v~e Amu. 2 . S. iS --- 2S7'-2U nbu_ 5. iuC—.w Das Wort stuba, stöbe, Stube (auch stubchen, Stübchen) hingegen stand im Unter­ schied zu dem häufiger verwendeten und universellen camera (kamer) niemals für Werkstatt- oder Lagerräume.8 In Notariatsinstrumenten jener Zeit kommt auch der lateinische Begriff estuarium vor, der einen Remter mit Fußbodenheizung nach Hy- pokaustensystem bedeutete.9 Die Verifizierung der in den Quellen verwendeten Begriffe zur Bezeichnung ein­ zelner Schlossteile und -räume machte es möglich, die funktionale Raumordnung der Marienburg neu zu interpretieren und erlaubte ebenfalls Schlüsse zur Bauchro­ nologie. Die interessanteste Erkenntnis, die sich aus der Untersuchung der Termi­ nologie ergab, ist die Feststellung, dass das Hochschloss offensichtlich nie einen speziellen „Kapitelsaal” besaß. Der Begriff kommt in den Quellen nicht vor. Im Westteil des Nordflügels des ersten Geschosses befand sich indessen der zweifelsoh­ ne einzige Konventsremter.10 Bei dieser Gelegenheit konnte auch festgestellt wer­ den, dass die Versammlungen des Kapitels seit 1337 im Großen Remter stattfanden, der den mittleren Teil des Westflügels im Hof der inneren Vorburg einnahm.11 Der chronologische Umfang der hier vorliegenden Überlegungen beschränkt sich auf die Zeit der ständigen Anwesenheit der Großgebietiger des Ordens auf der Ma­ rienburg. Deswegen gilt ein besonderes Augenmerk der baulichen Gestalt und

8 Ebd.,S. 108-116. 9 Ebd., S. 103-108; dies., Miejsca wystawiania (wie Anm. 2), S. 11-16. 10 Die erste Quellennotiz, aus der deutlich hervorgeht, dass der Saal im ersten Geschoss im westlichen Teil des Nordflügels des Hochschlosses (in Nachbarschaft zur St. Marien-Burgkirche) Konvents­ remter war, befand sich in dem am 30. März 1404 aufgestellten Verzeichnis, das Menge und Aufbe­ wahrungsorte von Getreide registrierte, das in Speichern und Magazinräumen gelagert wurde, die auf dem Gebiet der gesamten damaligen Burg untergebracht waren. In Bezug auf den Nordflügel des Hochschlosses war in dieser Quelle die Rede von über 126 Kornlasten, die in Dachgeschossen über dem Remter (obirdem remptoer) und über der Kirche (ober der kirchen) gelagert wurden; Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, XX. Hauptabteilung: Historisches Staatsarchiv Kö­ nigsberg, Ordensbriefarchiv, Nr. 740. Spätere schriftliche Quellen aus dem 15. Jahrhundert bestäti­ gen, dass sich der Konventsremter eben dort im Hochschloss der Marienburg befand. Ausführlich zu diesem ThemaJöz w iak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 160-170, 339-343; dies., Krzyzackie zamki (wie Anm. 3), S. 311-318. Das erwähnte Getreideverzeichnis vom 30. März 1404 veröffentlichte als Anlage zu seinem Beitrag Bernhart Jähnig, Organisation und Sachkultur der Deutschordensresidenz Marienburg, in: Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage, hg. v. Pe­ ter Johanek (Residenzforschung 1), Sigmaringen 1990, S. 45-75, hier S. 68, 72-73. Leider übernahm er kritiklos unbegründete Vorstellungen früherer Forscher, die diese Quelle nicht kann­ ten (vgl. z. B. Conrad Steinbrecht, Die Wiederherstellung des Marienburger Schlosses, Berlin 1896, S. 16; ders., Schloss Marienburg in Preussen. Führer durch seine Geschichte und Bauwerke, Berlin 1897, S. 17 f.), und nahm an, dass der in diesem Getreideverzeichnis erwähnte Remter sich im Westteil im zweiten Geschoss des südlichen Flügels des Hochschlosses befand. Die letztens durch­ geführten genauen Untersuchungen zur Raumplanung der Komturburgen des Deutschen Ordens in Preußen lassen währenddessen mit voller Sicherheit feststellen, dass man im zweiten Geschoss der eigentlichen Burgen nie Repräsentativ- oder Wohnräume plazierte. Es befanden sich dort ausschließ­ lich Dachböden mit Speichern und Kornmagazinen; vgl. Jözwiak/Trupinda, Krzyzackie zam­ ki (wie Anm. 3), S. 267-283,415-420. Marienburg bildete darin also keine Ausnahme. 11 Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 157-170; dies., Miejsca wystawiania (wie Anm. 2), S. 24-26; dies., Krzyzackie zamki (wie Anm. 3), S. 310-323.

31 Funktionsweise des Hochmeisterpalastes sowie dem Repräsentationscharakter der gesamten Anlage der Marienburg als Hauptort des Deutschordensterritoriums. In der heutigen Geschichtsschreibung wird der Teil der Marienburg, der dem Hoch­ meister als Wohnsitz diente, als „Palast“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist historisch nicht belegt. Vielmehr nannte man das Gebäude des meysters gemach (domus habita- cionis magistri generalis). Es ist überaus zweifelhaft, dass - wie einige Forscher an­ nehmen - seine Anfänge bis ins Ende des 13. oder den Beginn des 14. Jahrhunderts zurückreichen. Alle Erwägungen, die in diese Richtung hindeuten, sind reine Speku­ lation. In den Quellen findet sich nicht der geringste Hinweis darauf, dass vor 1309 überlegt wurde, den Hauptsitz des Deutschen Ordens nach Preußen zu verlegen, noch dazu auf die Marienburg, die angeblich bereits zu diesem Zweck erweitert wor­ den sei. Die wenigen überlieferten, relevanten Informationen deuten eher in die Rich­ tung, dass diese Burg recht zufällig zur Residenz des Hochmeisters geworden ist.12 Die Bauchronologie des „Palastes” ist auch in der Forschung alles andere als unum­ stritten. Unserer Meinung nach ist sein Baubeginn frühestens gegen Ende der 20er Jahre des 14. Jahrhunderts anzusetzen (der erste eindeutige Hinweis auf seine Exis­ tenz findet sich in den schriftlichen Quellen erst 1333).13 Auch der angenommene Zeitpunkt der Vollendung des Umbaues des „Palastes“ bedarf einer Korrektur. Die

12 Zum Thema der Umstände der Verlegung des Hauptsitzes des Deutschen Ordens aus Venedig nach Marienburg vergleiche letztens Udo Arnold,Z Wenecji do Malborka. Wielcy mistrzowie zakonu krzyzackiego pod koniec XIII i na poczqtku XIV wieku [Von Venedig nach Marienburg. Die Hochmeister des Deutschen Ordens am Ende des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts], in: „Rzez Gdanska“ z 1308 roku w swictle najnowszych badaii [Das „Danziger Blutbad“ des Jahres 1308 im Lichte der neuesten Forschungen], hg. v. Btazej Sliw i hski, Gdansk 2009, S. 43-49; Klaus M i 1 i t z e r , Die Übersiedlung Siegfrieds von Feuchtwangen in die Marienburg, in: Die Ritterorden in Umbruchs- und Krisenzeiten, hg. v. Roman C z aj a /Jürgen Sarnowsky (Ordines Militares. Colloquia Torunensia Historica XVI), Torun 2011, S. 47-61; Udo Arnold, Die Marienburg auf dem Weg zum Machtzentrum des Deutschen Ordens, in: Castrum Sanctae Mariae. Die Marienburg als Burg, Residenz und Museum, hg. v. Arno Mentzel-Reuters/Stefan Samerski, 2019 (im Satz). Ausführlich zur Entstehungschronologie und zur Raumordnung des Marienburger „Palas­ tes“ der Hochmeister Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 197-269. 13 Noch in den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts wurden alle notariellen Urkunden ausschließ­ lich im Hochschloss ausgestellt (in Castro sancte Marie; in domo principali Castro sancte M arie; in principali domo et Castro ordinis hospitalis beate Marie Theutbonicorum); Codex diplomaticus Prussicus, hg. v. Johannes Voi g t , Bd. I, Königsberg 1836, Nr. 100; Geheimes Staatsarchiv Preu­ ßischer Kulturbesitz Berlin, XX. Hauptabteilung: Historisches Staatsarchiv Königsberg, Perg.- Urk., Schicbl. 50, Nr. 1: 1325 Juni 14 und 15, Regest in Regesta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum 1198-1525, bearb. v. Erich J o a c h i m , hg. v. Walther H u b a t s c h , Pars II, Göttingen 1948, Nr. 545 und 546. Am 21. März 1333 wurde aber schon ein Transumpt gefertigt in domo babitacionis sue [des Hochmeisters] apud domum principalcm ordinis eiusdem in Marien- bürg, also im „Palast des Hochmeisters errichtet in der Nachbarschaft (apud) des Hochschlosses; Preußisches Urkundenbuch. Politische Abteilung, Bd. II, hg. v. Max Hein /Erich Maschke, Königsberg 1939, Nr. 777. Die Informationen der nächsten Notariatsurkunden der 30er und 40er Jahre des 14. Jahrhunderts bestätigen, dass in dieser Zeit der „Palast” existierte, ln den Urkunden werden auch seine einzelnen Innenräume erwähnt; vgl. Jözwiak/Trupinda, Miejsca wysta- wiania (wie Anm. 2), S. 9-17.

32 älteren Forscher (bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts) stimmten darin über­ ein, der Westteil des Gebäudes samt dem Winter- und dem sog. Sommerremter sei in den Jahren 1380 (1382) bis 1398/99 entstanden. Die von uns durchgeführte Untersu­ chung der Quellen aus den 1370er Jahren ergab jedoch, dass bereits damals innerhalb des Gebäudes ein Winterremter existierte. Handelt es sich bei der genannten Räum­ lichkeit um dieselbe, die heute diesen Namen trägt (im Obergeschoss im südwestli­ chen Teil des „Palastes“ gelegen), so folgt daraus, dass dieser Teil des Gebäudes zu dem Zeitpunkt bereits existierte. Möglich wäre indessen auch, dass sich diese Infor­ mation auf einen woanders gelegenen Vorgänger des heutigen Winterremters bezieht, der später umgestaltet oder beseitigt wurde, während der Vergrößerung des „Palastes“.14 15 Auch die Datierung der letzten Bauphase des „Palastes“ selbst, die den westlichen Teil umfassen sollte und nach bisher einhelliger Meinung auf die Jahre 1380 (1382)— 1398/1399 fällt, ist alles andere als ausreichend belegt. Der herrliche Raum mit seinem auf einen Pfeiler gestützten Schirmgewölbe, heute als Sommerremter bekannt, wird zum ersten Mal 1412 erwähnt. Dabei ist zu bemerken, dass dieser Name erst nach dem Ende der Ordensherrschaft auf der Marienburg erscheint, während in den Quellen der Deutschordenszeit Bezeichnungen wie meisters somerhus, großer somerzale des (...) hern homeisters oder aula m inor estiualis15 geläufig sind. Somit ist erst für diese Zeit (1412) belegt, dass das Gebäude den uns heute bekannten Umfang nach Westen erreichte. Die bisher von der Forschung immer wieder angegebene Zeit der Vollen­ dung des „Palastes“ (1398-1399) beruht auf der Annahme, dass er auch die Räumlich­ keiten des Tresslers beherbergte, was unserer Meinung nach nicht zutrifft. Es gibt nämlich Hinweise darauf, dass die „Finanzverwaltung“ des Ordens bis 1398 im West­ flügel des Konventshauses untergebracht war. In diesem Jahr wurde dem Tressler dann ein neuer Sitz (gem a ch ) zur Verfügung gestellt, aller Wahrscheinlichkeit nach ein hinlänglich großes Gebäude auf dem nördlichen Parchamgelände des Hochschlos­ ses, in direkter Nachbarschaft zur Annenkapelle. Möglicherweise lehnte sich das Ge­ bäude an die östliche Parchammauer.16 In Bezug auf die Lage der Privatgemächer des Hochmeisters konnten die bisheri­ gen Mutmaßungen bestätigt werden, und es gelang nachzuweisen, dass sie sich im nordöstlichen Teil des „Palastes“ befanden. Hier und in den Nachbargebäuden war der „Hof” der Hochmeister ansässig; es hielten sich dort nicht nur die Ordensgebie- tiger selbst auf, sondern ebenfalls unzählige Hofangehörige aller Kategorien, von

14 Ausführlich dazu Jo z wiak/Trupi nda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 197-209. 15 Das Ausgabebuch des Marienburger Hauskomturs für die Jahre 1410-1420, hg. v. Walther Ziese - mer, Königsberg 1911, S. 46 f., 73, 75, 282, 284; Johannes Voigt, Geschichte Marienburgs, der Stadt und des Haupthauses des deutschen Ritter-Ordens in Preußen, Königsberg 1824, Quelle Nr. 25, S. 564 = Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, XX. Hauptabteilung: Histo­ risches Staatsarchiv Königsberg, Perg.-Urk. v. 1456 Mai 14, Schiebl. L.S. XXVIII 6; Regesta (wie Anm. 13), Nr. 3004. 16 Zur Lokalisierung des Tresslerssitzes (des treselers gemach) im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vgl. Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 280-296.

33 der Dienerschaft bis zu Ärzten und Personen, deren Aufgabe es war, die hohen Her­ ren zu unterhalten.17 Die Quellen erlauben auch die Feststellung, dass sicher im Ost­ flügel der ersten inneren Vorburg (und möglicherweise auch in der Nähe der An- nenkapelle) die Gästekammern für Ordensmitglieder lagen. Indessen gibt es auch Hinweise, dass die Zahl der freigehaltenen Räume in späterer Zeit immer mehr re­ duziert wurde, was mutmaßlich mit der stets zunehmenden Zahl der sich auf dem Schloss ständig aufhaltenden Personen zusammenhängt, die hauptsächlich der Die­ nerschaft und dem übrigen Hilfspersonal zuzurechnen sind. Als Folge waren teil­ weise auch Ordensmitglieder, die als Besucher nach Marienburg kamen, gezwun­ gen, sich auf eigene Faust und Kosten in der Stadt ein Quartier zu suchen.18 Am Sitz des Hochmeisters funktionierten auch solch wichtige Ordenseinrichtun­ gen wie Kanzlei und Archiv. Grundsätzlich gilt ihre Lokalisierung im Unterge­ schoss des Hochmeisterpalastes als gesichert. Auch konnte das dort tätige Personal identifiziert werden, obwohl sicherlich noch nicht in vollem Umfang.19 Die Funktionen, die die Marienburg in der besprochenen Zeit erfüllte, können im Allgemeinen in zwei Gruppen zusammengefasst werden: Die eine hing mit ihrer Rolle als Hauptort des Deutschordenslandes und Sitz seines Oberhaupts zusam­ men, die andere war durch die Anwesenheit des Konvents bestimmt. Daher war uns wichtig, die verschiedensten Aspekte des Konventslebens zu beleuchten. Vor allem war unser Bestreben, den zahlenmäßigen Umfang des Konvents möglichst genau einzuschätzen. Aus den Quellen der 1430er und 1440er Jahre ergibt sich, dass sich auf der Marienburg zu dieser Zeit zusammen etwa 45 Ordensmitglieder ständig aufhielten. Dazu zählten sowohl Ordensritter als auch -priester. Danach war die Marienburg zahlenmäßig der nach Königsberg zweitstärkste Konvent in Preußen. Die Quellen der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts geben auch Aufschluss über die maximale Stärke der Burgbesatzung während kriegerischer Auseinandersetzungen. Sie betrug etwa 3500 bis 4000 Personen.20

17 Eine umfangreiche Analyse der Raumgestaltung, der Bestimmung der Innenräume und der Funk­ tionen des „Palastes“ im Mittelalter bei Jözwiak/ Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 197-267; dies., Miejsca wystawiania (wie Anm. 2), S. 10-22. Der 1995 von Jack L oh man, For how many and for whom was the Grand Master’s Palace built?, in: Sztuka w kr?gu zakonu krzyzackiego w Prusach i Inflantach [Kunst im Umkreis des Deutschen Ordens in Preußen und Livland], hg. v. Micha! Wo z n i a k , Toruh 1995, S. 279—292 unternommene Versuch der Bespre­ chung dieser Fragen bei voller Unkenntnis der Schriftquellen der Epoche ist völlig inakzeptabel. Eine ähnliche Analyse unternahm letztens Herrmann, Hochmeisterpalast (wie Anm. 1), S. 261-294. Auch in seinem Fall ist der Versuch zur Erklärung der Bestimmung und Funktion einzelner Gemächer, die sich in vier Geschossen des mittelalterlichen Marienburger Hochmeister­ palastes befanden, größtenteils fchlgegangen, weil der Autor seine Thesen formulierte, ohne die Schriftquellen der Epoche gekannt zu haben; ders., Kloster - Burg — Residenz (wie Anm. 1), S. 37- 57; ders., Wohnräume (wie Anm. 1), S. 211-228. 18 Vgl. Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 310-321. 19 Ebd., S. 229-241; dies., Krzyzackie zamki (wie Anm. 3), S. 398-406. 20 Slawomir Jözwiak, Liczebnosc konwentöw zakonu krzyzackiego w Prusach w pierwszej polowie XV wieku [Zur Personalstärke der Deutschordenskonvente in Preußen in der ersten

34 Um das Konventsleben der Ordenszeit zu rekonstruieren ist es notwendig, möglichst genau die Lokalisierung der in den Quellen genannten Räumlichkeiten zu ermitteln. Dazu hat sich die ältere Forschung des Öfteren geäußert, doch scheint es, dass dabei seit etwa einhundert Jahren keine wirklichen Fortschritte gemacht wurden. Die Untersu­ chung der Quellen ergab, dass sich in der Ordenszeit die wichtigsten Räume des Hoch­ schlosses im ersten Obergeschoss befanden. Dazu gehörten die Schlosskirche, der Rem­ ter (Speisesaal) sowie eine Reihe von der Unterbringung der Konventsmitglieder dienenden Räumlichkeiten (dormitorium , verschiedene Kammern, danzker als Sanitär­ anlage). Da sich in einer solchen Burganlage ständig viele Menschen auf hielten, durften auch Einrichtungen nicht fehlen, die es ermöglichten, ihre täglichen Bedürfnisse zu be­ friedigen. Dazu zählen beispielsweise Brunnen, Bäder, Waschgelegenheiten, Toiletten oder Wäschereien. Hinsichtlich der Hygiene wurden für die damalige Zeit hohe Maß­ stäbe angelegt. Ein ausgeklügeltes Abwassersystem gewährleistete eine möglichst gerin­ ge Belastung des intensiv genutzten Raumes mit unerwünschten Produkten des tägli­ chen Lebens. Die Burg verfügte auch über ein effizientes Heiz- und Beleuchtungssystem, darunter auch Außenbeleuchtung. Die Konventsmitglieder wurden von einer bestimm­ ten, ebenfalls dort ständig untergebrachten Anzahl von dienern, jungen und knechten versorgt. Für Sicherheit sorgten bezahlte Wachleute. Innerhalb der Marienburg befan­ den sich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts mindestens drei, mutmaßlich sogar vier Firmarien (Herren- und Großkomturfirmarie im Nordflügel des heutigen Mittel­ schlosses, Knechtsfirmarie bei der St. Lorenz-Kirche und eine Firmarie auf dem nörd­ lichen Parcham des Konventshauses).21 Ausführlich wurden die Standorte und Kompetenzen der acht Ämter des Kon­ vents untersucht, von denen alle bis auf den Tormeister, der im Nordflügel der ers­ ten inneren Vorburg untergebracht war, innerhalb des Konventshauses (Hoch­ schloss) zu lokalisieren sind. Daraus ist indessen nicht zu schließen, dass es diese Ämter in ihrer zahlen- und kompetenzmäßigen Gestalt vor 1350 noch nicht gab. Sie hatten möglicherweise nur andere Standorte, die sich vermutlich zum Teil auch auf der Vorburg befanden. Dazu lässt sich aber aufgrund knapper Quelleninformatio­ nen nur wenig sagen. Genauer sind wir darüber erst für das Ende des 14. und die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts unterrichtet. Besonders interessant sind die aus den Quellen zu ziehenden Schlüsse in Bezug auf den Sitz des Marienburger Haus­ komturs. Die bisherige Forschung wollte ihn nach einhelliger Meinung im Oberge­ schoss des Westflügels des Konventshauses lokalisiert haben. Diese Idee ist zwar ansprechend, doch sie beruht lediglich auf Überlegungen, die sich auf keine Weise auf überprüfbare Ergebnisse von Untersuchungen, welcher Art auch immer, stüt-

Hälfte des 15. Jahrhunderts], in: Zapiski Historyczne 72, 2007, H. 1, S. 7-22; Jözwiak/Tru- p i n d a, Organizacja (wie Anm. 2), S. 333-337; dies., Krzyzackie zamki (wie Anm. 3), S. 53-64. 21 Al] diese Fragen wurden ausführlich besprochen in Jozwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2),S. 333-411.

35 zen können, denn bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts fehlt jedwede Nachricht dazu. Die Vorstellung ergibt sich vielmehr aus der tiefen Überzeugung, dass sich die Lokalitäten des Konventsoberhaupts logischerweise in einer exponierten Lage in­ nerhalb des Hochschlossvierecks befinden mussten. In Wirklichkeit verfügte der Hauskomtur über ein gem a ch (= Gebäude) in unmittelbarer Nähe zum Sitz des Tresslers. Die bisherige Forschung nahm ebenfalls an, das Amt des Glockenmeisters sei ausschließlich Ordenspriestern Vorbehalten gewesen. Zwar scheint es tatsäch­ lich, dass dem so gewesen ist, doch zeigen die Quellen auch die Ausnahme, dass sich das Amt in der zweiten Hälfte der 1420er Jahre aus unbekannten Gründen vorüber­ gehend in Händen ritterlicher Ordensmitglieder befand.22 Eine Analogie zwischen Marienburg und Elbing hat unsere letzte Frage an die Schriftquellen erbracht, vor allem die Aufteilung der Burg in einen geistlichen und einen weltlichen Teil. Die erste Residenz des Deutschen Ordens in Preußen (Elbing) hat aus zwei Teilen bestanden: Konventshaus und Vorburg, wo sich seit den dreißi­ ger Jahren des 14. Jahrhunderts drei „Gemächer” befanden, des Hochmeisters, des Komturs (gleichzeitig Oberster Spittler) und des Hauskomturs. Es geht um die nördliche Vorburg. Es gab also eine deutliche Grenze zwischen dem geistlichen Le­ ben im Konvent und den weltlichen Verpflichtungen der Brüder als Amtsträger, die mit der Verwaltung des Ordenslandes verbunden waren.23 Eine ähnliche Situation gab es wahrscheinlich auf anderen Konventsburgen des Ordens in Preußen - zurzeit aber haben wir zu wenige Angaben zur definitiven Entscheidung. Eine besondere, vor allem wirtschaftliche Rolle spielten innerhalb der gesamten Anlage der Marienburg die erste äußere und die zweite Vorburg. Etwa in den 1320er oder den 1330er Jahren sind sie zu ihrem dritten, flächenmäßig größten, durch eige­ ne Mauern umwehrten Teil geworden. In der Zeit vor Verlegung des Hochmeister­ sitzes an die Nogat (1309) gab es natürlich nur eine Vorburg, die das Gelände nörd­ lich des Konventshauses, des späteren Hochschlosses, einnahm. Der Begriff „Vorburg“ unterlag in den Quellen zwischen 1309 und 1457 Wandlungen.24 Wenn daher hier von den auf der Vorburg untergebrachten Amtsträgern die Rede ist, ver­ stehen wir darunter die 13 Ordensverwalter, die ihre Räumlichkeiten außerhalb des Hochschlosses und des bis 1350 entstandenen, geschlossenen Gebäudekomplexes der ersten inneren Vorburg hatten, jedoch innerhalb der Gesamtanlage der Marien- burg. Es waren: Karwansherr, Kornmeister, Steinmeister, Schuhmeister, Schnitz­ meister, Gartenmeister, Viehmeister, Tempelmeister, Mühlmeister, Zimmermeister,

22 Ebd.,S. 411-446. 23 Jozwiak/Trupinda, Krzyzackie zamki (wie Anm. 3), S. 117—121; dies., Zamek krzyzacki w Elbiqgu. Topografia i uklad przestrzenny na podstawie sredniowiecznych zrödel pisanych [Die Bin g des Deutschen Ordens in Elbing. Iopographie und Raumgestaltung anhand mittelalterlicher Schriftquellen], in: Studia z Dziejöw Sredniowiecza 19, 2015, S. 197-223. 24 Jozwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 71-88, 447-492.

36 Schmiedemeister, Spittelmeister/Spittler.25 Unsere letzten Forschungen betreffen das Steinmeisteramt (lateinische Bezeichnungen: magister lapidum; magister later­ um). Es ist sehr interessant, dass dieses Amt nur existierte, um konkrete bauliche Aufgaben zu erfüllen und es nach dieser Zeit immer wieder aufgelöst wurde. Der erste Steinmeister (frater Rudolfus magister laterum) kommt am 8. November 1343 vor, und man kann seine Person mit Bauarbeiten verbinden, die in 30er und 40er Jahren in Marienburg durchgeführt wurden (u. a. Umbau des Nordflügels des Kon­ ventshauses mit der Schlosskirche und St.-Annen Kapelle, außerdem Arbeiten am Großen Remter bis 1337). Dann sehen w ir einen Steinmeister in einer Urkunde von 1379, was wahrscheinlich mit dem Umbau des Hochmeisterpalastes zu verbinden ist, dann erscheint er erst wieder am Ende des Jahrhunderts. Er hatte eigenen Raum (sog. steynhoff), wo sich Werkstätte, Lagerräume und Wohnungen befanden. Die Aufgaben des Steinmeisters wurden in den Jahren 1398-1403 im Marienburger Tresslerbuch ausführlicher registriert. Die dort aufgeführten Positionen betreffen fast ausschließlich den Erwerb von Lebensmitteln und die Anschaffung und Repa­ ratur von Waffen, insbesondere für den Marienburger Konvent und den Hochmeis­ ter. Diese Hinweise lassen den Schluss zu, dass unmittelbar vor der Auflösung des Amtes der Steinmeister zu unterschiedlichen Aufgaben herangezogen wurde.26 Besondere Aufmerksamkeit haben wir dem religiösen Leben der auf der Marien­ burg lebenden Deutschordensmitglieder gewidmet. Die Quellen der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ergeben, dass sich auf der Marienburg etwa zehn Priester stän­ dig aufhielten. Mit großer Wahrscheinlichkeit konnte festgestellt werden, dass die meisten von ihnen im nördlich der Marienkirche gelegenen, sog. Pfaffenturm unter­ gebracht waren, der heute als Rekonstruktion des 19. Jahrhunderts existiert.27 Wei­ ter beschäftigten wir uns mit der Frage, wie sich die gelebte Frömmigkeit außerhalb der Sakralräume äußerte und bezogen Stellung insbesondere gegenüber den von Rainer Zacharias aufgestellten Thesen. Seit dreißig Jahren versucht er nachzuwei­ sen, dass die Marienburg und besonders die innerhalb des Konventsbaus gelegene Schlosskirche St. Marien im 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Hauptwallfahrtsort des preußischen Deutschordenslandes waren. Dort sollen zahl­ reiche, vom Orden erworbene, wertvolle Reliquien aufbewahrt worden sein, die an Feiertagen öffentlich ausgestellt worden seien und viele Pilger angezogen hätten, die auf diese Weise auch Ablässe für ihre Sündenstrafen erhalten konnten.28 Die unter­

25 Ebd., S. 447-492. 26 Slawomir J 6 7. w i a k / Janusz Tr u p i n d a , Das Amt des „Bauleiters“ („magister lapidum“; „magis­ ter laterum“; „steinmeister“; „czygelmeyster“; „muwermeister“) im Deutschordensstaat im 14. Jh. und in der ersten Hälfte des 15. Jh., in: Ordines Militares. Colloquia Torunensia Historica XX, Toruh 2015, S. 239-268. 27 Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 493-518. 28 Vgl. u.a. Rainer Zacharias, Die Reliquienwallfahrt zur Hochmeisterresidenz Marienburg, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 50, 2001, S. 11-35; ders., Die St. Marien-Burgkirche. Zentralort für Spiritualität und Demonstration, in: Spotkania malborskie

37 suchten Quellen widersprechen diesen Thesen in wichtigsten Punkten. Zacharias und andere Forscher, die seinen Ideen folgten, ließen mehrere Quellen außer Acht und interpretierten andere fehl. Es finden sich nämlich nicht die geringsten Hinwei­ se, dass die in der Schlosskirche aufbewahrten Heiligtümer den in Scharen herbei­ strömenden Wallfahrern gezeigt worden wären. Dies geschah vielmehr nur bei Pro­ zessionen, die anlässlich bestimmter Feiertage aus der Burg nach außen führten.29 Zu den spektakulärsten und in vielerlei Hinsicht sehr interessanten Ereignissen religiöser Art gehörten die von den Quellen der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bezeugten, auf der Marienburg stattfindenden „Krönungen“ neu gewählter Bischö­ fe.30 Diese Zeremonien bringen anschaulich das Bestreben des Deutschen Ordens und seinen Erfolg zum Ausdruck, sich die kirchlichen Strukturen im eigenen Terri­ torium unterzuordnen, sowohl in Preußen als auch in Livland. Leider ist der genaue Ablauf einer solchen Zeremonie unbekannt. Die „Krönung“ ging mutmaßlich der eigentlichen Inthronisation des Bischofs voraus. Es scheint auch, dass die Verlei­ hung der weltlichen Macht über das jeweilige Hochstift an den Bischof zu Anfang des 15. Jahrhunderts am häufigsten auf der Marienburg stattfand. Wahrscheinlich legte der Bischof bei dieser Gelegenheit auch einen Lehns- und Treueid gegenüber dem Hochmeister als Herrscher über Preußen und Livland ab. Die Einbindung der kirchlichen Strukturen in das Herrschaftsgefüge des Deutschen Ordens äußerte sich nicht zuletzt dadurch, dass gleichzeitig bis dahin dem Orden nicht angehörende Geistliche in ihn aufgenommen wurden.31 Leider erlauben die vorhandenen Quellen kaum, Schlüsse auf die private Frömmig­ keit der Hochmeister zu ziehen, allenfalls für die Zeit der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert. Über die Mitglieder des Marienburger Konvents lässt sich hierzu gar keine Aussage machen. Die Verpflichtung, Almosen zu geben und für die Bedürftigen

[Marienburger Treffen], T. 1-3, hg. v. Artur D ob ry , Malbork 2010, S. 67-80. Auf dem gleichen Schema basierend zeigt letztens Kazimierz Pospieszny Orte der Reliquienpräsentation für die ver­ muteten Pilger in Hochschlosskirchen des Deutschen Ordens in Preußen; Kazimierz Pospiesz- n y> Orte der Reliquienpräsentation in den Deutschordensburgen in Preußen. Ein Beitrag zu neu­ eren Forschungen, in: Ecclesiae ornatae. Kirchenausstattungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit zwischen Denkmalwert und Funktionalität, hg. v. Gerhard Eimer/Ernst Gier 1 ich/ Matthias Müller, Bonn 2009, S. 311-326; ders., Domus Malbork (wie Anm. 1), S. 204 f., 207, 210-213. Diese Überlegungen sind nicht durch Quellen belegt, sondern ausschließlich ein Ergeb­ nis beliebiger Assoziationen und missgelungener Analogien ihrer Autoren. 29 Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 518-532. 30 Mario Glauert nahm an, dass sich hinter dieser Bezeichnung die Weihe der neu gewählten Bischö­ fe verbirgt; Mario Glauert, Die Bischofswahlen in den altpreußischen Bistümern Kulm, Pome- sanien, Ermland und Samland im 14. Jahrhundert, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 94,1999, H. 1-2, S. 82-130, hier S. 105 f., 110. Das ist aber nicht so klar. Er stützt sich auf Quellen aus dem 14. Jahrhundert, in denen es meist keine Informa­ tionen über den Ort solcher „Krönungen" gibt. Für die erste und zweite Dekade des 15. Jahrhun­ derts gibt es allerdings öfter Belege dafür, dass solche Feierlichkeiten nicht selten auf der Marien­ burg stattfanden. 31 Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 529-531.

38 zu sorgen, wird bereits in der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Ordensregel mehrfach betont. In Marienburg, dem Hauptort des Ordens, wird sicherlich dafür gesorgt worden sein, dieses Gebot mit Leben zu füllen, obschon die Quellen darüber schweigen. Aus dem zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts gibt es Überlieferungen, die als eindeutige Hinweise darauf zu verstehen sind, dass während der Mahlzeiten im Konventsremter fromme Texte vorgelesen wurden. Die Ordensgeistlichen sorgten selbstverständlich auch für die Abhaltung der vorgeschriebenen Gottesdienste und kanonischen Gebete in der Schlosskirche St. Marien. Dazu finden sich zahlreiche in­ teressante Einzelheiten in der aus den 1440er Jahren stammenden Liturgieordnung dieses Gotteshauses.32 Leider lässt sich aufgrund der Quellenlage keine Aussage dar­ über machen, wie aktiv die Ordensritter am liturgischen Leben beteiligt waren. Wir versuchten auch, den letzten Weg der Ordensmitglieder zu rekonstruieren. Es konnte festgestellt werden, dass der Sarg eines verstorbenen Hochmeisters während der Trauerfeierlichkeiten mit einem weißen Tuch mit goldenem Kreuz und einem Adler bedeckt wurde, während die Särge anderer Ordensmitglieder mit einem wei­ ßen Tuch, das lediglich ein schwarzes Kreuz zierte, bescheidener auskommen muss­ ten. Die Gebietiger des Ordens fanden ihre letzte Ruhestätte üblicherweise in der St. Annen-Kirche, die Ordensritter und -priester hingegen wurden auf dem südlich dieser Kirche gelegenen Parchamgelände bestattet.33 Die hier vorgestellten Forschungen brachten zahlreiche weitere Einzelerkenntnis­ se, die im Rahmen einer Zusammenfassung nicht alle aufgezählt werden können. Dabei haben sich auch neue Fragen und Zweifel ergeben. Sie resultieren einerseits aus der Beschränktheit der von den Quellen gelieferten Informationen, andererseits aus der Unmöglichkeit, alle Funktionen eines derart vielseitigen Organismus wie der Marienburg, des Hauptsitzes des Deutschen Ordens, während ihrer Blütezeit von 150 Jahren in ihrer gesamten Komplexität zu erfassen. Da die Forschung über die Marienburg und andere Burgen des Deutschen Ordens in Preußen im Mittelal­ ter, geführt aus der Sicht unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, stets fortschreitet, ist damit zu rechnen, dass uns die Zukunft noch manche Überra­ schungen und unerwartete, neue Erkenntnisse zu diesem Thema bringen wird.

32 Vgl. Sfawomir Jö z w i a k / Waldemar Rozynkowski, Porz^dek liturgiczny na zamku w Mal- borku w pierwszej polowic XV wieku. Zrödfo do dziejdw liturgii w zakonie krzyzackim [Die li­ turgische Ordnung auf der Marienburg in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Eine Quelle zur Geschichte der Liturgie im Deutschen Orden], in: Zapiski Historyczne 73,2008, H. 4, S. 123—132; Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 532-540. 33 Jözwiak/Trupinda, Organizacja (wie Anm. 2), S. 540-543.

39 Funktion der Räume der Ordensburgen in Lettland

von leva Ose

Die Statuten des Deutschen Ordens forderten, dass die Brüder in Friedenszeiten ein gemeinsames Leben in den Ordensburgen ähnlich den Mönchen im Kloster führ­ ten.1 Deshalb wurden in allen Burgen, in denen ständig ein Konvent von Ordens­ brüdern lebte, entsprechend grosse Räume gebaut, und zwar eine Kapelle für ge­ meinsame Gottesdienste, ein Kapitelsaal für Versammlungen, ein Remter oder Speisesaal, ein Dormitorium oder Schlafraum sowie Räume für den Komtur oder Meister, Wirtschaftsräume u.a. Schon im späten 19. Jahrhundert wurden in den grö­ ßeren preußischen Ordensburgen mehrere solcher Gemeinschaftsräume, meistens Kapellen, identifiziert,2 und die Forschungen werden bis heute fortgesetzt.3 Leider hat sich der größte Teil der ehemaligen livländischen Ordensburgen nur als spärliche Ruine erhalten. Deshalb ist es nicht einfach, die Lage der Räume und ihre Funktion in der Ordenszeit festzustellen. In diesem Beitrag wird zuerst kurz auf die Forschungsgeschichte zur Funktion der Räume der livländischen Ordensburgen hingewiesen, dann werden die Entdeckungen verschiedener Forscher der letzten Jahrzehnte genannt. Es gibt mehrere deutschbaltische Autoren, die schon im späten 19. Jahrhundert ihr Interesse der Architektur der mittelalterlichen Burgen zugewandt und auf die ehemalige Funktion einiger Räume hingewiesen haben. Die livländischen Burgen­ forscher haben am Ende des 19. Jahrhunderts ein gutes Vorbild gehabt, kurz vor­ her wurden Publikationen über die mittelalterlichen Burgen in Preussen von Con­ rad Steinbrecht herausgegeben. Er war seinerzeit ein ausgezeichneter Kenner der

1 Klaus M i 1 i t z e r, Von Akkon zur Marienburg. Verfassung, Verwaltung und Sozialstru ktur des Deutschen Ordens 1190—1309 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 56 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deut­ schen Ordens 9), Marburg 1999, S. 47. 2 Conrad Steinbrecht, Preussen zur Zeit der Landmeister. Beiträge zur Baukunst des Deutschen Ritterordens, Berlin 1888. 3 lomasz To r b u s, Die Konventsburgen im Deutschordensland Preussen (Schriften des Bundesin­ stituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 11), München 1998, S. 307-314.

40 Architektur des Deutschen Ordens. 1885 kam in Berlin sein Beitrag über die Burg Thorn,4 1888 dann seine umfangreiche Monographie über die Deutschordensbur­ gen in Preussen heraus.5 Er bot fast 200 Abbildungen, Fotos der Burgen mit ihren Details, Pläne und Aufmessungen sowie Rekonstruktionszeichnungen. Die Pub­ likationen und Vorträge von Steinbrecht wurden sehr gut aufgenommen. Mit Un­ terstützung des preußischen Königs und deutschen Kaisers Wilhelms II. wurde Steinbrecht zum Leiter der Erneuerung der Marienburg, der ehemaligen Residenz der Hochmeister des Deutschen Ordens ernannt.6 In persönlichen Kontakten mit Steinbrecht, der 1889 einige Burgen in Livland besucht hat, sowie in seinen Bü­ chern haben die livländischen Burgenforscher Anregung und Vorbild gefunden,7 als sie ähnliche Raumstrukturen in den örtlichen Burgen zu finden versuchten. Leider gab es in Livland keine reichen Auftraggeber, weshalb die livländischen Burgenforscher nur in ihrer Freizeit und in begrenztem Umfang ihre Untersu­ chungen durchführen konnten. Regelmäßig haben sie ihre Ergebnisse in den jähr­ lichen Sitzungsberichten der Rigaschen und Kurländischen Gesellschaften für Altertumskunde oder in der Reihe „Mitteilungen aus der livländischen Geschichte”publiziert. In diesen Aufsätzen gibt es auch einige Hinweise auf die Aufteilung der Räume in den Ordensburgen. Unter den damaligen Forschern muss man zuerst den ersten bedeutenden livlän­ dischen Burgenforscher Karl von Löwis of Menar sowie die Architekten Wilhelm Neumann und Reinhold Guleke nennen. Schon 1888 hat Karl von Löwis of Menar - Bibliothekar der livländischen Ritterschaft - in einem seiner ersten Beiträge eine neue Entdeckung publiziert, und zwar hatte er in der mehrmals umgebauten Or­ densburg Riga aufgrund alter Pläne und persönlicher Aufmessungen den baulichen Umfang der ehemaligen Kapelle gefunden und in Grundriss und Querschnitt re­ konstruiert.8 Es war eine komplizierte Aufgabe, weil seit dem 18. Jahrhundert die Kapelle in zwei Geschosse und mehrere Räume unterteilt war.

4 Conrad Steinbrecht, Thorn im Mittelalter. Ein Beitrag zur Baukunst des Deutschen Ritteror­ dens, Berlin 1885. 5 Steinbrecht, Preussen (wie Anm. 2). 6 Rainer Zacharias, Bernhard Schmid - Abhandlungen eines deutschen Konservators zur Denk­ malpflege in Kurland, Litauen, Kujawien, Masowien und Neu-Ostpreussen während beider Welt­ kriege, in: Petljumi un avoti par Livonijas ordeppilTm (Latvijas viduslaiku pilis VII) [Forschungen und Quellen zu den livländischen Ordensburgen (Die mittelalterlichen Burgen Lettlands VII)], Riga 2011, S. 518-541, hier S. 518-520. 7 Barbara und Kazimierz Pospieszny, Carl von Löwis of Menar und Conrad Steinbrecht - Be­ merkungen zur Geschichte der Burgenforschung zwischen Riga und Marienburg in Preussen, in: Petljumi par Vidzemes un Zemgales pillm (Latvijas viduslaiku pilis VI) [Forschungen zu den Bur­ gen in Livland und Semgallen (Die mittelalterlichen Burgen Lettlands VI)], Riga 2010, S. 399-412. 8 CarlvonLöwis of M e na r, Schloss Riga und seine St. Andreascapelle, in: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1887, Riga 1888, S. 67-71.

41 Ein paar Jahre später, 1890, hat Karl von Löwis of Menar seinen sorgfältig ausgear­ beiteten Beitrag über die Ordensburg Wenden publiziert.9 Damals war er schon in Stockholm gewesen und hatte im dortigen Archiv unbekannte Grundrisse der Burg aus dem 17. Jahrhundert gefunden. Aufgrund dieser Pläne sowie eigener Beobachtun­ gen hat er sich zur ehemaligen Lage und Funktion einiger Räume geäußert. Ebenso hat er die mittelalterlichen Baureste der Ordensburgen Windau, Mitau, Doblen, Goldingen,10 11 Trikaten und Adsel" sowie anderer erforscht und entsprechend veröf­ fentlicht. Da meist nur spärliche Ruinen zu finden waren und es an anderen Quellen fehlte, konnte er nicht immer die ehemaligen Innenräume und ihren Zweck bestim­ men. Seine Publikationen hat Löwis of Menar durch eigenhändig gezeichnete Pläne ergänzt, um seine Texte besser verständlich zu machen. Die Kenntnisse für Aufmes­ sung und Zeichnung hat er selbst erarbeitet, weshalb seine Zeichnungen amateurhaft sind. Dagegen hat er als Bibliothekar sorgfältig die historischen Daten aus allen zu­ gänglichen Schriftquellen und Publikationen gesammelt und ausgewertet. Der Erforschung einiger livländischen Burgruinen hat sich auch der in Dorpat lebende Architekt Reinhold Guleke zugewandt. Parallel zu seiner Arbeit an der Universität und der Projektierung ihrer Neubauten hat er seit den 1880er Jahren Materialien über mittelalterliche Baudenkmäler Livlands gesammelt. 1896 wurde in Leipzig die von ihm zusammengestellte Sammlung von Fotos und Aufmessungen der alten Burgen und Kirchen unter dem Titel „Alt-Livland” herausgegeben, in der gezeichnete Rekonstruktionen des Remters und der Kapelle der Burg Riga und der Meisterkammer der Burg Wenden publiziert wurden.12 Der von Guleke geplante Textband über die romanische und gotische Architektur Livlands wurde leider nie vollendet. In den 1960er Jahren wurden Gulekes Entwür­ fe im Nachlass seiner Familie in Deutschland vom deutschbaltischen Bibliophilen Otto Bong aufgefunden. 1995 erhielt die Lettische Nationalbibliothek den Nachlass Gulekes, wo diese Materialien jetzt zugänglich sind.13 Ein weiterer livländischer Burgenforscher des ausgehenden 19. Jahrhunderts war der Architekt Wilhelm Neumann. 1895 wurde er zum Leiter der Restaurierung der

9 Ders., Schloss Wenden vor 200 Jahren, in: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1889, Riga 1890, S. 47-78. 10 Ders., Zur Baugeschichte der Komtureien des Deutschen Ordens in Kurland, in: Sitzungsberichte der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst aus dem Jahre 1895, Mitau 1896, S. 33-58. 11 Ders., Die Deutschordensburg Trikaten, in: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte u nd Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1890, Riga 1891, S. 37-50; ders., Die Burg Adsel in Livland. Eine Komturei des Deutschen Ordens, in: Sitzungsberichte der Gesell­ schaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1911, Riga 1912, S. 436-443. 12 Reinhold Guleke, Alt-Livland: Mittelalterliche Baudenkmäler Liv-, Est-, Kurlands und Oeseis: 8. Lfg. Leipzig 1896, F. II, Taf. II; Taf. VIII. 13 leva Ose, Latvijas viduslaiku pi|u petnieclba 18.-20. gadsimtä (Latvijas viduslaiku pilis II) [Die Erforschung der mittelalterlichen Burgen in Lettland im 18.-20. Jahrhundert (Die mittelalterli­ chen Burgen Lettlands II)], Riga 2001, S. 189.

42 Rigaer Domkirche ernannt. Paralell zu seiner Arbeit hat er sich für Kunstgeschich­ te interessiert und den Burgen mehrere Publikationen gewidmet. Ebenso wie Gule- ke publizierte er 1892 eine Rekonstruktionszeichnung des Remters der Ordensburg Riga.14 Im Unterschied zu Gulekes Zeichnung hat Neumann die Fensternischen mit Spitzbogen und den Fussboden mit einfarbigen Fliesen gezeigt. Es scheint aber, dass weder Guleke noch Neumann eine gründliche Bauforschung durchführen konnten, weil die umgebaute Burg damals von verschiedenen Behörden genutzt wurde. Des­ halb haben beide nur eine annähernde Vorstellung über den gotischen Innenraum gegeben. Wie die Kapelle wurde auch der Remter der Rigaer Ordensburg bei den Umbauten des 18. Jahrhunderts aufgeteilt. Deshalb konnte man im 19. Jahrhundert ihren Gesamteindruck nur zeichnerisch rekonstruieren. Während des Ersten Weltkrieges wurde Kurland - der westliche Teil des jetzigen Lettland - vom Architekten Bernhard Schmid besucht.15 Er war Nachfolger des Marienburger Bauforschers und Restaurators Steinbrecht. Schmid hat die kurländi­ schen Ordensburgen professionell aufgemessen und beschrieben. Seine Ergebnisse präsentierte er in einer umfangreichen Publikation.16 Dort gab er auch Hinweise auf Aufteilung und ehemalige Funktion der Räume mehrerer Burgen. Einige seiner Hy­ pothesen wurden später jedoch bestritten, zum Beispiel über die Lage der Kapelle in Windau, worauf zurückzukommen ist. 1942 wurde in Dorpat die Dissertation des estnischen Kunsthistorikers Armin Tu- ulse über die Burgen in Estland und Lettland publiziert. Tuulse äußerte sich auch zu den Innenräumen der Ordensburg Riga.17 Am Anfang des 21. Jahrhunderts sind die Forscher jedoch anderer Meinung, worauf ebenfalls zurückzukommen sein wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine längere Pause in der Burgenforschung. Erst seit den 1960er Jahren wurden neue Untersuchungen begonnen. Man hat archäologische Grabungen, Konservierung und teilweise Restaurierung der Burgruinen durchgeführt.18 Neue Nachweise über die Aufteilung der Räume und ihre Funktion wurden in den schrift­ lichen Quellen gefunden. Die Historiker Aleksandrs Jansons und Jänis Zemzaris haben in Moskau im Archiv der Alten Akten die in den 1580er und 1590er Jahren von Polen geschriebenen Revisionsprotokolle der livländischen Ordensburgen gefunden. Obwohl damals der Orden in Livland nicht mehr existierte und ein Teil der Räume in den ehema­ ligen Ordensburgen leer standen oder für andere Zwecke genutzt wurden, kann man in diesen Quellen einige Hinweise über die frühere Funktion der Räume finden.

14 Wilhelm Neumann, Das mittelalterliche Riga. Ein Beitrag zur Geschichte der norddeutschen Baukunst, Berlin 1892, S. 48. 15 Zacharias, Schmid (wie Anm. 6). 16 Bernhard Schmid, Die Burgen des Deutschen Ritterordens in Kurland, in: Zeitschrift für Bau­ wesen, Heft 7-9, Berlin 1921, S. 199-238. 17 Armin Tuulse, Die Burgen in Estland und Lettland, Dorpat 1942, S. 153-157, 324-326. 18 leva Ose, Erforschung der mittelalterlichen Burgen in Lettland während der letzten 50 Jahre, in: Castellologica Bohemica 6, hg. v. Tomäs D u rd ik , Praha 1998, S. 117-138.

43 Leider wurde in der Sowjetzeit nur ein kleiner Teil dieser polnischen Inventarisati­ onsmaterialien im Moskauer Archiv abgeschrieben und bearbeitet. Deshalb sind bis­ her nur die polnischen Revisionen über die Ordensburgen Wenden19 und Segewold20 in lettischer Übersetzung publiziert. Sie erschienen in den Bänden der Reihe „Latvijas viduslaiku pilis” (Die mittelalterlichen Burgen Lettlands), die seit 1999 vom Institut für die Geschichte Lettlands herausgegeben wird. Bis 2016 wurden neun Bände ediert. Darin sind die von verschiedenen Autoren erarbeiteten neuen Forschungen zu den Burgen Lettlands zusammengefasst. Aufgrund dieser Materialien kann man auch eine Vorstellung über Aufteilung und Funktion einiger Räume der Ordensburgen gewin­ nen, alte Hypothesen präzisieren und neue Überlegungen hinzufügen. Ebenso wie im Deutschordensland Preussen wurden auch in Livland seit dem spä­ ten 13. Jahrhundert bedeutende Konventsburgen in Form großer Vierflügelanlagen gebaut. In diesen Burgen nutzte man das Kellergeschoss als Lagerräume, im Erdgeschoss lagen Wirtschaftsräume, im ersten Stockwerk oder Hauptgeschoss wurden prächtige Räume für das tägliche Leben der Ordensbrüder errichtet. Als Beispiel sei hier das Keller- und Erdgeschoss der Ordenburg Riga gezeigt (Abb. 1), wo der Historiker und Archäologe Jänis Ciglis entsprechend der polni­ schen Revision des Jahres 1590 sowie eigener Beobachtungen die ehemaligen Räume lokalisiert und teils auch ihre Funktion bestimmt hat.21 Auf Grund seiner Beobach­ tungen ist Ciglis der Meinung, dass sich die Wände der Keller aus sorgfälltig behau­ enem Dolomitstein von der 1330 vom Ordensmeister Monheim errichteten Burg erhalten haben.22 Bei den Ausgrabungen im Innenhof wurde eine ziemlich dicke Kulturschicht von Trümmern aus dem Ende des 15. Jahrhunderts gefunden, als die Ordensburg von den Bürgern Rigas zerstört wurde. Auf ihr wurden am Anfang des 16. Jahrhunderts die oberirdischen Geschosse der neuen Burg errichtet. Deren Wände bestehen aus verschiedenen alten und neuen Baumaterialien. Das weist dar­ auf hin, dass keine Wände der Obergeschosse aus dem 14. Jahrhundert erhalten ge­ blieben sind. Diese Meinung vertritt auch der Bauforscher Ilmärs Dirveiks.23

19 Cesu pils 16. gs. beigu revlziju protokoli [Revisionsprotokolle der Burg Wenden aus dem Ende des 16. Jahrhunderts], in: Petljumi un avoti par Livonijas ordertpilim (Latvijas viduslaiku pilis VII) (wie Anm. 6), S. 427-447. 20 Siguldas pils 1582. un 1590. gada revlziju protokoli [Revisionsprotokolle der Burg Segewold aus den Jahren 1582 und 1590], in: Petljumi par ordeppilim Latvijä (Latvijas viduslaiku pilis III) [For­ schungen zu den livländischen Ordensburgen in Lettland (Die mittelalterlichen Burgen Lettlands III)], Riga 2002, S. 469-499. 21 Jänis Ciglis, Rigas pils 16. gadsimta telpu izvietojuma rekonstrukcijas meginäjums [Summary: An attempt to reconstruct the 16th century plan of Riga Castle], in: Petljumi par ordenpillm Latvijä (Latvijas viduslaiku pilis III) (wie Anm. 20), S. 119-163. 22 Ciglis, Rigas pils (wie Anm. 21), S. 138. 23 Ilmärs Dirveiks, Rigas pils pagraba 14.—16. gadsimta arhitektüras petljumi [Summary: Ar­ chitectural researches on the basement of the Riga Castle], in: Petljumi par Vidzemes un Zemgales pilim (Latvijas viduslaiku pilis VI) (wie Anm. 7), S. 193-223.

44 Abb. 1: Rekonstruktion der Räume im Erdgeschoss der Ordensburg Riga 1590.

Entsprechend der polnischen Revision wurde das Erdgeschoss dei Burg Riga wie folgt genutzt. In der nördlichen Vorburg lagen an der Ostseite des Hofes meh­ rere Pferdeställe, an der Westseite Wohnungen für die Diener des polnischen Kö­ nigs. In der Kernburg war in der nordöstlichen Ecke ein Getreidelagcr, im I Iof voi

45 dem östlichen Flügel befand sich ein hölzernes Badehaus, im östlichen Flügel gab es Lagerräume mit vier Schießscharten in der Außenwand, im südlichen Flügel in der Ostseite die Rüstkammer und im Turm eine Pulverkammer. In der Westseite des südlichen Flügels wurde von Ciglis entsprechend der Revision der ehemalige Spei­ sesaal der Ritter vermutet.2,1 Die Lage des Remters der Brüder im Erdgeschoss wäre ungewöhnlich, doch bis jetzt gibt es keine anderen Quellen dazu. Daneben gab es im westlichen Flügel zwei Mantelschornsteine und darunter ein Brauhaus, eine Kü­ che und eine Bäckerei. Man kann annehmen, dass es ähnliche Lager- und Wirtschaftsräume im Keller und Erdgeschoss der anderen Ordensburgen gegeben hat. Leider existieren nicht für alle Burgen so detaillierte Beschreibungen, und die Forschungen sind wegen der spärlichen Ruinen schwierig. Zum Beispiel wird in der polnischen Revision der ehe­ maligen Ordensburg L u d s e n 1590 für die Kernburg nur ein Brauhaus erwähnt.24 25 Die erhaltenen Mauern zeigen aber, dass im Erdgeschoss zwei mächtige Mantel­ schornsteine gewesen sind. Also ist zu vermuten, dass sich dort neben dem Brau­ haus auch eine Küche und eine Bäckerei befanden.26 In der Ordensburg Windau wurden seit den 1980er Jahren bis 2004 umfassende Bauforschung, Restaurierung und Einrichtung eines Museums durchgeführt. Während dieser Arbeiten hat man Reste eines Mantelschornsteins gefunden und konnte dadurch den Ort der Küche im Erdgeschoss lokalisieren.27 Um die Funktion der Räume imFIauptgeschoss , also dem ersten Oberge­ schoss einer livländischen Ordensburg zu charakterisieren, wird auch hier als Bei­ spiel die Ordensburg Riga gezeigt, wo die ehemaligen Räume entsprechend der polnischen Revision aus dem Jahre 1590 von Ciglis im erwähnten Beitrag lokalisiert wurden (Abb. 2). Zum Flauptgeschoss führte eine offene Treppe vom Innenhof, entlang allen Flügeln gab es eine Galerie. Der polnische Beamte schreibt, dass die Treppe gerade zum Eingang der Schlosskirche führte. Daneben lagen im südlichen Flügel die Appartements und das Esszimmer des polnischen Königs. Ciglis vermu­ tet, dass der polnische König dieselben Räume bewohnt hat, die zuvor als Meister­ kammer, also Arbeitsraum und Gastzimmer verwendet wurden, weil der Remter der Ritter schon vorher im Erdgeschoss erwähnt wurde.28 Nach Meinung Neu-

24 Ciglis, Rigas pils (wie Anm. 21), S. 148. 25 leva Ose, Ieskats Ludzas ordenpils vesture un nocietinäjumu attlstlbä [Zusammenfassung: Ein­ sicht in die Geschichte und Entwicklung der Befestigungen der Ordensburg /Ludsen], in: Petljumi un avoti par Livonijas ordenpillm (Latvijas viduslaiku pilis VII) (wie Anm. 6), Riga 2011, 354-380, hier S. 362. 26 Ebd., S. 372. 27 Ilmärs D i r ve i k s, Ventspils Livonijas ordenapils büvvestures agrinais periods, 13. gs. oträ puse- 14. gs. [Summary: Ventspils [Windau] Livonian Order Castle: Early period of the construction history 2nd half of the 13th- 14th century], in: Ventspils muzeja raksti [Beiträge des Museums Ventspils] IV, Riga 2004, S. 133-172, hier S. 164 f. 28 Ciglis, Rigas pils (wie Anm. 21), S. 148, 153.

46 Abb. 2: Rekonstruktion der Räume im Hauptgeschoss der Ordenburg Riga 1590. manns lag der Remter jedoch neben der Kapelle.J,) Entsprechend der polnischen Re­ vision befand sich in der südwestlichen Ecke des Hauptgeschosses die königliche Schlafkammer, vermutlich das frühere Schlafzimmer des Ordensmeisters. Im west- 29

29 Neumann, Das mittelalterliche Riga (wie Anm. 14), Taf. XXII.

47 liehen Flügel längs der Düna gab es einen Abtritt und einen weiteren Saal. Für den Nordflügel wird in der polnischen Revision ein Saal und den Ostflügel ein großer gewölbter Saal beschrieben. Diese Säle wurden schon von Neumann als Dormitori- um und Kapitelsaal gedeutet, Ciglis stimmt dem zu.30 Es ist aber kaum anzuneh­ men, dass der polnische Beamte die ehemalige Funktion der Räume der Ordensburg Riga gut kannte, weil Ordensmeister Wolter von Plettenberg wie auch die letzten Ordensmeister die 1515 in Riga neugebaute Burg selten besuchten und ständig in der Residenz Wenden wohnten.31 Andere Ordensburgen haben sich nicht so gut wie Riga erhalten. Deshalb ist es schwer, in den Ruinen alle ehemaligen Räume zu finden und ihre Funktion zu deu­ ten. Bis jetzt wurden die Daten über die K a p e 11 e n zusammengefasst.32 Leider gibt es keine Quellen, ob in jeder Ordensburg eine Kapelle gebaut wurde. Die Kapellen sind mit Sicherheit in den größeren Burgen gewesen, in denen auch Priesterbrüder wohnten. In der Instruktion zur Visitation der livländischen Ordensburgen aus dem Jahre 1451 wird erwähnt, dass in den grossen Burgen zwei, aber in den kleine­ ren ein Priester sein solle.33 Die vom Hochmeister gesandten Visitatoren haben 1451 jedoch nur die Vogteien und Komtureien besucht, kleinere Wirtschaftsburgen aber ausser Acht gelassen.34 Die Angaben zeigen, dass die Zahl der Priester manchmal grösser gewesen ist, es in einigen Burgen jedoch zu der Zeit keine Priester gab. So lebten 1451 in der Burg Riga sechs Priesterbrüder, je drei in Segewold und Wenden, je zwei in Windau, Goldingen, Mitau und Bauske, nur einer in Kandau, Doblen, Marienburg, Ascheraden und Grobin. In Rositen sowie in zwei Burgen in Estland gab es damals keinen Priesterbruder. Entsprechend der Tradition der christlichen Kirche weist eine Kapelle normaler­ weise für den Hauptaltar eine Ostorientierung auf. Deshalb haben die Forscher frü-

30 Ciglis, Rigas pils (wie Anm. 21), S. 157. 31 Klaus Ne i t m a n n , Rat und Ratsgebietiger Wolters von Plettenberg. Beobachtungen zum Regie­ rungs- und Verwaltungsstil des Ordensmeisters, in: Wolter von Plettenberg und das mittelalterli­ che Livland, hg. v. Norbert Angermann und Ilgvars M i s ä n s (Schriften der Baltischen Histo­ rischen Kommission 7), Lüneburg 2001, S. 85-111, hier Anhang II: Itinerar des Ordensmeisters Wolter von Plettenberg 1494-1510. 32 leva Ose, Kapelas un baznicas Latvijas viduslaiku pills [Zusammenfassung: Kapellen und Kir­ chen der mittelalterlichen Burgen Lettlands], in: Petljumi un avoti par Livonijas ordenpillm (Lat­ vijas viduslaiku pilis VII) (wie Anm. 6), S. 95-144. 33 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter. Teil II: 1450-1519, hg. v. Marian Biskup u. Irena Janosz-Biskupowa unter der Redaktion v. Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/11 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/11), Marburg 2004, Nr. 145, S. 14-17, hier S. 16; Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch, begründet v. F. G. von Bunge, fortgesetzt v. Hermann H i 1 de b r a n d , Philipp S ch wa r t z und Leonid A r bu s o w, Abt. I, Bd. 11, Riga, Mos­ kau 1905, Nr. 102, S. 74. 34 Visitationen (wie Anm. 34), Nr. 147, S. 19-40 mit Karte in Teil III (Quellen und Studien ... 50/111 = Veröffentlichungen ... 10/III), Marburg 2008, S. 253; Liv-, est- und kurländisches Urkunden­ buch (wie Anm. 33), Nr. 160, S. 124-132.

48 her in den Ruinen der Vierflügelanlagen die Kapelle hypothetisch im Nord- oder Südflügel angenommen. Ob diese Orientierung der Kapellen der Burgen zutrifft, wird noch zu untersuchen sein. Johann Christoph Brotze, fleißiger Zeichner der Inländischen Denkmäler, hat zwei Fassaden der Ordensburg Riga während ihres Umbaus 1783 gezeichnet, als die gro­ ßen Fenster in den Wänden noch gut zu sehen waren.35 Entsprechend der normalen Orientierung und den Bauforschungen hat Karl von Löwis of Menar 1887 die Kapelle im Ostteil des südlichen Flügels angenommen.36 In der polnischen Revision aus dem Jahre 1590 wurde erwähnt, wenn man die Treppe zur Gallerie hinaufgehe, befinde man sich gegenüber einer gewölbten Kirche mit allem Zubehör. Hinter dem Altar gab es an der östlichen Seite zwei grosse Fenster mit eisernem Gitter, die zur Stadt gerich­ tet waren, in der südlichen Seite drei ebenso große Fenster.37 Lage und Zahl der Fens­ ter der Kapelle in der Beschreibung von 1590 entspricht voll der Zeichnung von Brot­ ze. Also gibt es keine Zweifel, dass die Lage der Kapelle richtig angenommen wurde. Die Kapelle war 21 m lang und 10 m breit. Die ehemalige Höhe des Raumes betrug nach den Messungen von Löwis of Menar Ende des 19. Jahrunderts etwa 10 m. Im 17. Jahrhundert wurden in der Kapelle die Gottesdienste eingestellt, im 18. Jahrhun­ dert hat man den Raum in zwei Geschosse und mehrere kleine Räume unterteilt. Die gesamte Größe der Kapelle kann man sich nur aufgrund der 1896 publizierten Rekonstruktionszeichnung von Guleke vorstellen.38 Löwis of Menar meinte, dass die Kapelle dem heiligen Andreas geweiht war.39 Doch der Historiker Herrmann von Bruiningk hat schon 1900 vermutet, dass die Andreas-Kapelle ein freistehendes Gebäude in der Vorburg gewesen ist. Seiner Mei­ nung nach sei die Kapelle im Hauptgeschoss eher der Gottesmutter, der Patronin des Ordens, gewidmet gewesen.40 Tuulse hat das Gewölbe der Kapelle dem 14. Jahr­ hundert zugeschrieben.41 Die erwähnten neueren Bauforschungen erlauben aber zu behaupten, dass die oberen Geschosse der Burg völlig neu am Anfang des 16. Jahr- hundets gebaut wurden. Man kann noch einen Hinweis in dem 1491 geschlossenen Friedensvertrag (sog. Wolmersche affsproke) erwähnen, in dem der Orden forderte, dass die Stadt Riga die neue Ordensburg mit einer ebenso großen Kirche erneuere, wie sie zuvor gewesen sei.42

35 Johans Kristofs B r o c e , Zlmejumi un apraksti [Zeichnungen und Beschreibungen], 1. sej.: Rigas ska- ci, laudis un ekas [Rigas Ansichten, Leute und Gebäude], hg. v. Teodors Zeids, Riga 1992, S. 181. 36 Löwis of Menar, Schloss Riga (wie Anm. 8). 37 Ci gl is , Rigas pils (wie Anm. 21), S. 153. 38 Guleke, Alt-Livland (wie Anm. 12), F. II, Taf. II. 39 Löwis of Menar, Schloss Riga (wie Anm. 8). 40 Hermann von Bruiningk, Die ehemalige Andreaskapelle bei dem Schloss des Deutschen Or­ dens zu Riga, in: Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ost­ seeprovinzen Russlands aus dem Jahre 1900, Riga 1901, S. 178-183. 41 Tuu lse, Burgen (wie Anm. 17), S. 154. 42 Mära Caune, Rigas pils — senä un mainlgä [Die Burg Riga - alte und wechselnde], Riga 2004, S. 96.

49 Eine Kapelle aus der Ordenszeit wurde in der Burg Windau unlängst restau­ riert. Schon Löwis of Menar war 1895 der Meinung, dass sich die Burgkapelle an derselben Stelle befunden habe, an dem später die Stadtkirche eingerichtet wurde, im Ostflügel.43 Er vermutete, dass bereits im Mittelalter der Chor über die Mauer des Burgvierecks nach Osten hinausragte. Der preußische Architekt Bernhard Schmid stellte jedoch nach seiner Untersuchung fest, dass der Vorsprung erst in der Neuzeit gebaut wurde und deshalb die Orientierung des Hauptaltars nach Osten in einer so gelagerten Kapelle unmöglich gewesen wäre. Deshalb hat er vermutet, dass die Kapelle im großen Turm lag.44 Bei den archäologischen Ausgrabungen in Windau hat man allerdings festgestellt, dass die Fundamente des östlichen Vorsprungs aus dem Mittelalter stammen, aber die oberen Geschosse am Anfang des 18. Jahrhunderts umgebaut wurden.45 Bei den Untersuchungen im Innenraum des Hauptgeschosses wurden mehrere auf den Wänden aufgemalte Konsekrationskreuze freigelegt. Daraus konnte man folgern, dass dort wirklich seit dem Mittelalter eine Kapelle existierte, wie schon Karl von Löwis of Menar Ende des 19. Jahrunderts vermutet hatte. Die Burg Windau ist fast zweimal kleiner als die Burg Riga, deshalb ist auch ihre Kapelle wesentlich kleiner gewesen. Das Kirchenschiff oder Langhaus war 13,5 m lang und 6 m breit, der nach Osten vorspringende Chor 5,2 x 5 m. Die Ordensburg Wenden hat sich als Ruine erhalten, doch an der Stelle der ehemaligen Kapelle gibt es wenig Bausubstanz. Eine Kapelle in der Burg ist mehr­ mals in den schriftlichen Quellen erwähnt. In einer Urkunde von 1502 wird eine Vikarie mit der Patronin Maria genannt: viccarie in des slates kerken Unser Leven VroHwen droffnisse in tituleret.46 Vielleicht war nicht nur die Vikarie, sondern auch die Kapelle der Burg der Heiligen Jungfrau geweiht. Auf einem schwedischen Grundriss der Burg vom Ende des 17. Jahrhunderts wur­ de der Ort der Kapelle eindeutig als alte Kirche vermerkt (Abb. 3, im Farbteil).47 Schon damals ist die Kapelle teilweise zerstört gewesen. Ein Jahrhundert vorher wurde die polnische Revision durchgeführt, und in den Inventarisationen der Jahre 1582 und 1590 ist erwähnt, dass es in der Burgkirche zwei Türen, fünf Fenster und drei Altäre mit Bildnissen gab und dass daneben eine kleine Sakristei gewesen ist.48

43 Löwis of Menar, Baugeschichte (wie Anm. 10),Taf. IV. 44 Schmid, Burgen (wie Anm. 16), S. 230. 45 Märtips Lüsens, Arheologiskic petljumi Ventspils pill [Summary: Archaeological research in Ventspils [Windau] Castle], in: Ventspils muzeja raksti IV (wie Anm. 27), S. 19-106, hier S. 46-47. 46 Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (wie Anm. 33), II Abt., Bd. 2, Nr. 244, hier S. 168: Unserer Lieben Frau Betrübnis oder der trauernden Gottersmutter. 47 leva Ose, Vidzemes un Latgales pilu 17. gs. pläni un zlmejumi no Stokholmas arhiviem [Pläne und Zeichnungen des 17. Jahrhunderts der Burgen Livlands und Lettgallens aus den Archiven Stockholms], in: Petljumi un avoti par Livonijas ordenpillm (Latvijas viduslaiku pilis VII) (wie Anm. 6), S. 478-490, Abb. IX. 48 Cesu pils 16. gs. (wie Anm. 19), S. 429, 441 f.

50 Die Kapelle ist demnach während des Livländischen Krieges unzerstört geblieben, aber in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde sie vernichtet. Von der Zerstö­ rung zeugen zwei Funde während der archäologischen Ausgrabungen. 2007 wurde im Hof eine ganze steinerne Platte mit eingemeißelten Kreuzen gefunden, schon vorher hatte man ein ähnliches Fragment mit Kreuzen ausgegraben. Diese Funde kann man als Altartische oder Mensen deuten.49 In der Fassade der über der Erde erhaltenen Ruine der Kernburg inSegewold sieht man ein Ordenskreuz aus roten Ziegeln. Gerade in diesem Gebäude wurde die ehemali­ ge Kapelle vermutet. Die Vermutung wird durch die Beschreibung der polnischen Inven­ tarisationen aus dem Jahre 1590 bestätigt: Der Text sagt, dass die Kapelle sich über dem Eingangstor von der Vorburg zum Innenhof der Kernburg befinde.50 Sie hatte damals prächtige Türen und Gewölbe sowie zwei Altäre, vier große Fenster und gute Bänke. Diese Kapelle wurde im westlichen Flügel mit der Achse in Nord-Süd-Richtung angelegt. Der Raum hat die Form eines Trapezes - knapp 10 m breit, mit einer mit 27 m kürzeren Westwand und einer 29 m langen Ostwand. In den 1970er und 1980er Jahren wurden Bauforschung und Restauration von der Architektin Tatjana VTtola durchgeführt. Sie hat angenommen, dass der Hauptaltar an der kurzen Südwand geplant war und deshalb schon während des Baues die Fensterflucht schräg nach Südosten ausgerichtet wurde (Abb. 4), damit das Licht wenigstens von Südosten her auf den Altar fiel.51 Die Frage der Orientierung bleibt aber offen - vielleicht stand der Hauptaltar auch an der längeren Ostwand. Aus den neueren Forschungen muss man noch die Meisterkammer der Burg Wenden erwähnen. So wird der Raum mit prächtigem Sterngewölbe im ersten Obergeschoss des westlichen Turms bezeichnet. 1896 hat Guleke eine Rekonstruk­ tion dieses Raumes gezeichnet und die große Wandnische in der Ecke als Schlafni­ sche gedeutet.52 Tuulse nahm 1942 an, dass die Meisterkammer in der Zeit des Or­ densmeisters Plettenberg zu Beginn des 16. Jahrhunderts errichtet wurde.53 Diese Annahme wurde in der neueren Bauforschung 2006 und 2008 vom Architekten Ilmärs Dirveiks bestätigt.54

49 Zigrida A p a 1 a, Cesu ordeppils kapelas menzas [Zusammenfassung: Die Mensen aus der Kapelle der Ordensburg Cesis/Wenden], in: Petljumi un avoti par Livonijas ordenpillm (Latvijas viduslai- ku pilis VII) (wie Anm. 6), S. 147-159. 50 Siguldas pils (wie Anm. 20), S. 471, 485. 51 Tatjana VTtola, Siguldas pilsdrupu konserväcijas un restauräcijas darbi [Zusammenfassung: Konservicrungs- und Restaurierungsarbeiten der Burgruine Sigulda/Segewold], in: Petljumi par ordeppillm Latvijä (Latvijas viduslaiku pilis III) (wie Anm. 20), S. 215-255. 52 Gu 1 eke, Alt-Livland (wie Anm. 12), Taf. V lllb. 53 Tuulse, Burgen (wie Anm. 17), S. 328. 54 Ilmärs D i rv e i k s , Jauni atkläjumi par Cesu ordenpils rietumu torpa Mestra is tabu [Cesis (Wen­ den) Castle Master’s chamber in the western tower], in: Petljumi un avoti par Livonijas ordenpillm (Latvijas viduslaiku pilis VII) (wie Anm. 6), S. 383-413.

51 Abb. 4: Grundriss der Ordensburg Segewold: 1 - über der Erde erhaltene Mauer, 2 - Fundamente der Mauer, 3 - Situation der Mauer im Grundriss des 17. Jahrhunderts, A - Ort der Kapelle über dem Tor zur Kernburg.

Die Meisterkammer ist im Grundriss fast quadratisch - 8 x 7,7 m, und ihre Höhe bis zum Schlussstein des Gewölbes beträgt 8,3 m (Abb. 5). Die Kammer hat drei Türen und drei Fenster, einen Kamin, eine Schlafnische und zwei kleine Wandni­ schen, ehemals Schränke. In der nordwestlichen Ecke gab es den Abtritt mit einer Luftluke nach oben und einem Schacht nach unten. Da der Abtritt sich hinter zwei

32 e

‘.■■-■■■■■■A 1 0 3 m i ] 2 1 __ I___I___i C = 3 3 Abb. 3: Grundriss der Meisterkammer im westlichen Turm der Ordensburg Wenden: 1 - Mauer aus der Zeit um 1400, 2 - Mauer aus der Zeit um 1300, 3 - Umbau im 18.-19. Jh.

Türen befindet, darf man den Raum für einen Wohnort mit guter Hygiene halten. Der Raum war wichtiger Knotenpunkt der vertikalen und horizontalen Kommuni­ kation, hier öffneten sich zwei Wendeltreppen. Eine Treppe hat keine Stufen nach oben mehr, sie wurden während des Umbaues am Anfang des 16. Jahrhunderts zer­ stört, als die Schlafnische in der nordöstlichen Ecke errichtet wurde. Während der

53 Bauforschung wurden an den Wänden der Meisterkammer einige Malereifragmente freigelegt. Solche gab es bereits zu Plettenbergs Zeit, doch darüber wurde ein größe­ res Fragment entdeckt, das auf das späte 16. Jahrhundert datiert wird.55 Die Wände des Raumes wurden aus Dolomitstein errichtet, aber das Sterngewölbe besteht aus roten Ziegeln, profilierten Stücken und zylindrischen Schlusssteinen. Fragmentarisch hat sich der Bewurf erhalten, aber anstelle der ehemaligen hölzernen und vergoldeten Sterne gibt es nur Löcher der Nägel. In allen vier Ecken wird das Gewölbe von plastischen Konsolen mit Weintrauben und Blättern getragen. Früher wurde vermutet, dass sowohl die Schlusssteine als auch die Konsolen aus Dolomit oder Kalkstein gehauen wurden. Die neuere Analyse des Materials hat aber gezeigt, dass für die plastischen Elemente Steinguss verwendet wurde.56 Dieses Material wurde zum ersten Mal in den mittelalterlichen Bauten Lettlands festgestellt. Wie aus diesem Beitrag folgt, muss man die Funktion der Räume der livländischen Ordensburgen, ihre Lage, den Umfang und den Schmuck der Innenräume meist aus den älteren Beschreibungen, Fragmenten der Entdeckungen in der Bauforschung und Funden der Ausgrabungen zusammenstellen. Es bleibt nur zu hoffen, dass we­ nigstens die räumliche Struktur der ehemaligen Kapelle der Ordensburg Riga nach der Restauration in den kommenden Jahren wieder im mittelalterlichen Umfang zu sehen sein wird.

55 Ebd., S. 404 f. 56 Ebd, S. 402.

54 From the convent to the commandery: The pivotal role of the environment in defining the medieval Baltic O rdensland

by Aleksander Pluskowski, Alexander Brown, Rowena Banerjea, Daniel Makowiecki, Krish Seetah, Monika Badura, Marc Jarzebowski, Eve Rannamäe, Juhan Kreem and Kaspars Kjavins*

Introduction

The events of the crusades in north-eastern Europe are well known. By the end of the thirteenth century, conquered tribal territories in the eastern Baltic had been re-organised into a theocratic polity, stretching from the northern border of the Polish Kingdom to the western edges of the patrimonium of the Republic of Novgorod (fig. I).1 Although crusading in this region had originally been initiated by bishops and territory under episcopal control remained extensive, the conquer­ ing theocracy was dominated by the Teutonic Order. Northern Estonia remained a duchy of the Danish crown for little over a century, after which it was sold to the Livonian branch of the Order.2 The authority of the new regime was most visible in the construction of castles - better understood as fortified monasteries - where de facto power was exercised by individual commanders and their convents, under the

* The research leading to these results has received funding from the European Union’s Seventh Framework Programme (FP7/2007-2013) under grant agreement n° 263735. 1 The most recent comprehensive studies of the multiple aspects of the Teutonic Order have been compiled by Polish historians; for Prussia: Paristwo zakonu krzyzackiego w Prusach. Wladza i spoieczenstwo, redakcja naukowa Marian B i s k u p /Roman C z aj a [The Teutonic Order’s State in Prussia: Government and Society], Warszawa 2009; for Prussia and Livonia: Zakon krzyzacki w Prusach i Inflantach. Podzialy polityczne i koscielne w XIII-XVI wieku, ed. by Roman C z a - j a /Andrzej R a d z im in s k i, Torun 2013, available in translation as: The Teutonic Order in Prus­ sia and Livonia. The Political and Ecclesiastical Structures 13th - 16th Century, Torun/Köln 2015. 2 Henceforth referred to as the Livonian Order.

55 N * Reval 50 kms '- n,

W ' l jl t / V , 1

G01X-AND

COMMANDERIES 1. Fellin 7. Elbing 2. Master's district 8. Marienburg ck (p«v. Wenden) 9. Graudenz 3. Memel io. Rehden 4. Ragnit 11. Thorn 5. Brandenburg 12. Nessau 6. Balga J Episcopal territories fig. 1: Simplified map of the medieval Baltic Ordensland showing the location of sites mentioned in the text. overarching leadership of the grand master.3 The architecture and layout of these central nodes of power in the O rdensland have been the focus of research for over a

3 The term ‘castle’ is used in this paper to refer to the fortified houses of the Teutonic Order; the terms Castrum, Domus and German Hus (house) and its variants were typically used in the Or­ der’s documents to refer to its fortified convents; Stawomir J 6z w i ak , /Janusz T ru p in d a , Krzyzackie zamki komturskie w Prusach. Topografia i ukfad przestrzenny na podstawie srednio- wiecznych zrödel pisanych [The Teutonic Order’s conventual castles in Prussia], Maibork 2012, pp. 96-98. See also the references in note 1.

56 century, demonstrating how there is a remarkable degree of consistency in the forms of the Konventsburgen or ‘claustral castles’.4 This reinforces the impression of the Teutonic Order as a monolithic theocratic corporation, controlling its territories with a rigid and effective hierarchy. Each convent governed a defined landscape called a commandery or K om m ende, which could be further sub-divided into dis­ tricts or Ämter. These were ruled by lesser officials based in smaller, fortified resi­ dences. Through this network, the Order managed its subjects, a variable mixture of multiple generations of external and internal colonists, and indigenous commu­ nities, by the systematic granting of privileges and the use of regulations controlling everything from trade and mobility to property sizes. The economic basis of the commandery system was entirely dependent on a combination of teneurial dues, duties levied on trade and the export of timber, grain, fur, amber and wax. However, these resources were found unevenly across the O rdensland and there were also differences between the monopoly of gover­ nance exercised by the Order in Prussia and Livonia, resulting in contrasting eco­ nomic models proposed by historians for both regions. In Prussia, where the Or­ der’s organisation was more centralised, the last two decades of the fourteenth century saw a dramatic expansion in agriculture and charges levied on the Order’s subjects, followed by a sudden decline in the fifteenth century, which was not re­ versed despite some stabilisation c. 1450.5 In Livonia, on the other hand, where the organisation of the Order’s trade was not as well developed as in Prussia, its eco­ nomic basis remained modest until the later fifteenth century which then saw a focus on more intensive grain production. These models are based on syntheses of written sources predominantly surviving from the last two centuries of the medi­ eval Baltic Ordensland, but they indicate a fundamental connection between the Order’s power structure and the landscape that has, until recently, been taken for granted. From 2010-2014, a multi-scalar, multi-disciplinary and inter-regional project - “The Ecology of Crusading”, investigated the environmental impact of the crusades and the associated processes of colonisation and resulting cultural transformation.6

4 The literature on the Teutonic Order’s architecture, and in particular its castles, is vast. Three works are useful to mention in relation to this: Tomasz T orb u s, Die Konventsburgen im Deut- schordensland Preussen, München 1998; Christofer H e rrm a n n , Mittelalterliche Architektur in Preussenland. Untersuchungen zur Frage der Kunstlandschaft und -geographie, Petersberg 2007, pp. 81-83; and the most recent summaries on Prussia and Livonia by Marian A rsz y n sk i,Z a m k i i umocnienia zakonu Krzyzackiego i hierarchii koscielnej w Prusach [The castles and fortifica­ tions of the Teutonic Order and ecclesiastical hierarchy in Prussia], and Zamki i umocnienia za­ konu krzyzackiego i biskupow w inflantach [The castles and fortifications of the Teutonic Order and bishops in Livonia], in: Zakon krzyzacki (see note 1), pp. 55-80, 183-213. 5 Jürgen S a rn o w s k y , Die Wirtschaftsführung des Deutschen Ordens in Preußen (1382-1454), Köln 1993, pp. 435-436. 6 FP7 grant agreement n° 263735 (2010-2014).

57 Drawing on archaeological, palaeoenvironmental and written data, it situated this impact within the longue duree of cultural and environmental change across the eastern Baltic region, and connected the construction and use of castles with their associated landscapes. This paper contains some of the findings of this project to make a case for the significance of the entangled relationship between the Order’s castles and their territories. Focusing on select case studies, rather than a compre­ hensive overview, it will firstly characterise the environmental archaeology of the Teutonic Order’s castles in the eastern Baltic and consider the fundamental impor­ tance of moving beyond the physical bounds of these sites. This will then be sup­ ported by four case studies of select castles in Prussia and Livonia, highlighting the exploitation of different environmental contexts. It is argued that activities taking place within the castles cannot be understood in isolation from their landscape con­ text. In fact, in the particular case of the medieval Ordensland, this connection de­ fined the nature of the ruling theocracy and its relations with both colonising and colonised populations.

Characterising the Teutonic Order’s castles

Castles in the medieval eastern Baltic were occupied by composite communities, with the larger convents consisting of a nominally regular number of brethren as established in the Order’ rule, although in reality this figure varied dramatically over time, with an extended household which included sergeants, priests and chap­ lains, half-brothers, half-sisters, servants and administrators, as well as visiting guests.7 In Livonia, and perhaps in parts of Prussia as well, this household could include a proportion of the indigenous population alongside those recruited from towns and outside the Ordensland. With subsequent generations, the line between colonists and colonising became blurred, and the evident ‘Germanisation’ of the Prussian population resulted in the gradual abandonment of the native language and related identity.8 From an archaeological perspective, the taphonomic complexity of the Order’s castles, resulting from many centuries of occupation and modification after their initial construction, and thus affecting the extent and character of the archaeological record, severely limits our understanding of the socio-topography of

7 JanuszT andecki, Zakon krzyzacki [Teutonic Order], in: Panstwo (see note 1), pp. 405-419, at pp. 406-411. 8 Sven E k d ah l, Crusades and colonisation in the Baltic: a historiographic analysis, in: Rocznik Instytutu Polsko-skandynawskiego 19, 2004, pp. 1-42, at p. 7; Evalds M u g u re v ic s , Viduslaiku ciems un pils novadä [The medieval village and castle in the district of Salaspils/Kirch- holm], Riga 2008, pp. 170-172; Kaspars K | a v i p s , The significance of the local Baltic peoples in the defence of Livonia (late thirteenth — sixteenth centuries), in: The Clash of Cultures on the Medieval Baltic Frontier, ed. by Alan V. M u rra y , Aldershot 2009, pp. 321-340.

58 these communities. It is sometimes possible to identify specific areas of activity, particularly in outer wards or V orburgen (see below). Moats were used for waste disposal, but it is difficult to link material from these contexts with specific activity areas. At best, the archaeological record of these sites can be sub-divided into phases. However, the chronological resolution of activities is not as precise as that provid­ ed by individual historical sources. In relation to the Order’s castles, two broad occupation phases can be usefully defined: the period of active crusading (Livonia c. 1198-1291; Prussia c. 1230-1283) representing the first phase of castle construc­ tion, often from timber and earth in Prussia, in several instances re-using existing earthworks and fortifications, and largely destroyed or truncated by the second phase of building.9 In Livonia relatively simple stone castles were used from the very onset of crusading, but again their earliest phases are difficult to identify.10 The re­ building and expansion of these sites into the better known Konventsburgen saw the widespread use of more durable materials, primarily brick and field stones in Prus­ sia, and stone, as well as brick, in Livonia. Timber structures continued to be con­ structed into the fifteenth century, both as single tower-houses and as ancillary buildings within outer wards.11 This second phase can sometimes be sub-divided into various periods of expansion and rebuilding. Building work at the Order’s head­ quarters in Marienburg (Malbork) (fig. 2, colour),12 13 for example, took over a century and its final phase was associated with the construction of a massive embankment outside the north-eastern flank of the castle’s lower Vorburg.li Excavations at Graudenz (Grudziqdz) revealed six distinct phases of construction and dismantling from the mid-thirteenth until the eighteenth century.14 * The P flegers residence at Pehen (Pien) on the other hand, constructed by the Order in 1410, had one phase of occupation

9 Aleksander P lu s k o w s k i, The Archaeology of the Prussian Crusade: Holy War and Colonisa­ tion, London 2013, pp. 97-101. 10 Valter Lang/Heiki V a lk , An archaeological reading of the Chronicle of Henry of Livonia: Events, traces, contexts and interpretations, in: Crusading and Chronicle Writing on the Medieval Baltic Frontier, ed. by Marek T a mm /Linda K a l j u nd i /Carsten Selch Je n s e n , Aldershot 2011, pp. 291-316. 11 Dariusz Po 1 i n s k i , Krzyzackie warownie drewniano-ziemne w swietle badari archeologicznych [The Teutonic Order's timber-earthen fortifications in the light of archaeology], in: Archaeologia Historica Polona 17, 2007, pp. 241-257. 12 For consistency, medieval German names are used to refer to all place names with modern names indicated where appropriate. It is recognised that archaeological sites are referred to in the context of modern geography, but this has not been done here to avoid confusion. 13 Bogdan B obow ski/Patryk M u n to w s k i/Pawel M ic y k , Wyniki badah archeologicznych na wale Plauena w Malborku [The results of archaeological investigations on Plauen’s rampart in Malbork], in: XVIII Sesja Pomorzoznawca(II), ed. by EwaFud zi ns ka,Malbork2013,pp. 11-36. 14 Zamek w Grudzi^dzu w swietle badan archeologiczno-architektonicznych. Materialy i studia [The castle in Grudzi^dz in the light of archaeological and architectural research. Materials and studies], ed. by Marcin W i e w i 6 r a , Torun 2012, pp. 359-378.

59 which lasted no more than a dozen years.15 Virtually nothing is known about the manning of the Order’s smallest outposts, which have survived in the landscape as tentatively identified mounds and remain poorly known archaeologically.16 The Order’s castles had impressive outer baileys, referred to as suburbii or Vor- burgen, where documentary sources record the presence of a diverse range of ser­ vice buildings and industrial facilities. However, these were not purely industrial quarters. They could also contain infirmaries, additional chapels and even refecto­ ries; the Vorburg of the Königsberg convent contained, most likely, two chapels in addition to the one within the castle, whilst Marienburg had six within its grounds, in addition to the grand master’s private chapel.17 The shape, size, number and char­ acter of Vorburgen varied from one site to the next, with smaller residences lacking enclosed wards typically associated with an adjacent farm or Vorwerk. The few ex­ cavations of these wards have confirmed the locations of buildings and spaces dedi­ cated to specific activities, and more importantly how these changed over time.18 The Order’s inventories also contain precise information about resources located within these precincts.19 Alongside armour and raw materials, this included stores of food and drink, cereals and livestock; the latter categorised further according to their age, sex (especially cattle) and purpose (such as for breeding, fattening or trac­ tion). Evidence of storage and the processing of plant products have been less com­ monly found during excavations at the Order’s sites due to the limitations of previ­ ous archaeological recovery techniques. However, traces of food preparation which includes plants remains, derived from kitchens, have most often been found in exca­ vations of moats. At Marienburg plant macrofossils from the moat adjacent to the inner curtain wall included large numbers of cherry and plum seeds, reflecting consumption of fruits

15 Dariusz. P o lin s k i, Pien: Siedziba krzyzackich prokuratoröw w ziemi chclmiriskiej [Pien: The residence of the Teutonic Order’s procurators in the Kulmerland], Toruh 2013. 16 Jerzy A n to n ie w ic z ,Z zagadnieh ochrony zabytköw wczesnosredniowiecznego budownictwa obronnego na warmii i mazurach [On the issues relating to the protection of early medieval forti­ fication monuments in Warmia and Masuria], in: Sprawozdari P.M.A. 3/1-4,1950, pp. 51-77, at pp. 60-64; Izabela M i rk o w sk a/Jerzy M i aid u n , Nieznane lub prawie nieznane kopce z okolicy Rynu woj. Warmirisko-Mazurskie [Unknown or barely known mounds in the vicinity of Ryn, Warmian-Masurian ], in: Badania archeologiczne w Polsce pölnocno-wschodniej i na zachodniej Bialorusi w latach 2000-2001, ed. by Malgorzata K arczew ska/M aciej K a rc z e - w s k i , Bialystok 2002, pp. 333-346, at p. 333. 17 Jo zw iak / T ru p in d a,Z am k i (see note 3), pp. 182-184. 18 Maria D q b ro w sk a , Badania archeologiczno-architektoniczne na terenie zamku niskiego w Malborku w latach 1998-2004 [Archaeological-architectural research in the lower castle in Mal- bork in 1998-2004], in: XV Sesja Pomorzoznawcza, ed. by Grazyna Nawrolska, Elblqg 2007, pp.

19 One of the best recent studies to demonstrate the use of this detailed material is Slawomir J 6 z w i - a k /Janusz Tr upi n d a , Organizacja zycia na zamku krzyzackim w Malborku w czasach wiel- kich mistrzöw (1309-1457) [The Organisation of Life in the Teutonic Order’s Castle in Malbork during the Time of the Grand Masters (1309-1457)], Malbork 2007.

60 from trees most probably located within orchards around or near the Vorburg. A l­ though a Gartenmeister is mentioned at the convent in the fifteenth century,20 there is evidence for the early presence of a garden at the site. Sediments from the high castle courtyard include distinct organic layers that in the case of the uppermost, radiocarbon dated to c. 1266-1388, included large quantities of herbaceous pollen of the carrot and cabbage families (fig. 3, colour). Both the carrot and cabbage family comprise a wide range of edible plants - vegetables and herbs - the former including carrot, celery, caraway, coriander, fennel, parsley, and parsnip, and in the latter in­ cluding cabbages, mustards and turnip. It seems highly probable that the courtyard of the high castle was being utilised as a herb garden, for vegetables or for a mixture of both. The expansion of the convent of Wenden (Cesis) in the latter half of the fourteenth century coincides with the installation of a timber structure in the base of the moat, dated by dendrochronology to 1374/5,21 presumably to aid with flush­ ing increasing quantities of effluent (fig. 4, colour). Seeds of cereals, vegetables, spic­ es and fruits (including fig) were recorded from the moat, along with large quantities of pollen of cereals reflecting both kitchen and human waste, but also the storage of agricultural produce in the Vorburg for both human and animal consumption. The relatively more abundant quantities of animal bone from these sites represent the end of a process of slaughter, butchery, disarticulation and the segregation of meat from materials used in manufacturing.22 Written sources provide a sense of quantity that is not mirrored in the zooarchaeological record. For example, in Marienburg in 1409 at least 1200 billy-goat horns and 36,000 sinews used in the production of crossbows are documented.23 Archaeologically, more general levels of activity in the Vorburg are visible in diverse evidence for horn, antler, bone and leather working, the latter particularly abundant in undisturbed waterlogged de­ posits.24 Building materials have also been uncovered. During the expansion of the convent at Marienburg in the fourteenth century, the outer Vorburg was used for storing building materials, particularly bricks, as suggested by remains of discrete sand deposits, caches of clay as well as fragmentary and loose, whole bricks, which in the case of one example was similar in size to the bricks in the high castle tradi­ tionally dated to c.1280.25 Geochemical analysis of soil, virtually absent from past archaeological investigations of the Order’s sites, may also be used to reconstruct

20 Jo fw ia k / T ru p in d a , Organizacja (see note 19), pp. 422-425. 21 Date provided by Märis Zunde. 22 Mark M altby/Aleksander Plu sko w sk i/Krish S e e ta h , Animal bones from an industrial quarter at Malbork, Poland: towards and ecology of a castle built in Prussia by the Teutonic Order, in: Crusades 8, 2009, pp. 191-212. 23 Sven E k d ah l, Horses and crossbows: two important warfare advantages of the Teutonic Order in Prussia, in: The Military Orders: Welfare and Warfare, ed. by Helen N ic h o ls o n , Farnham 1998, pp. 119-151. 24 M altb y et al., (see note22), pp. 198-199,206-210. 25 Dqbr ow sk a , (see note 18).

61 specific types of activities and their changing intensity over time, ranging from the presence of animal pens through to smithies.26 If the environmental assemblages from Vorburgen, moats and other internal waste dumps, combined with fragmentary written sources, provide a diachronic represen­ tation of the relative importance of environmental resources at the Order’s castles, they cannot be understood in isolation from the landscapes associated with these sites. The main technique used for reconstructing changes in vegetation and landuse is palynology, although this depends on the availability of preserved pollen cores in suitable depositional basins - lakes and peat bogs. Their uneven distribution and preservation limits the reconstruction of entire commandery landscapes, but where possible multiple cores were taken from different locations to provide a broader picture of changing landuse within defined micro-regions. The pollen data can be complemented with geochemistry to identify local soil erosion resulting from vege­ tation removal around sites.27 The relationships between sites and their landscape are fundamental to understanding how the Order’s nodes of power were main­ tained, and how the activities of castle communities impacted on the territories un­ der their administration. During the period of active crusading, castles were sometimes built on the rem­ nants of existing earthworks where this was strategically useful, often strongholds which had been previously abandoned (e.g. Thorn) or had been destroyed by cru­ sading armies (e.g. Fellin). However, more often castle siting was dominated by a series of pragmatic concerns, particularly communications, raw materials and pro­ visioning. The thought-process behind this can be glimpsed in the correspondence between the commander of Ragnit (Neman) and the grand master, concerning the construction of a new castrum on the Samogitian frontier in 1406. The survey of the territory where the Dubysa joined the Nemunas included detailed consideration of the topography, suitable timber to provide building materials, concerns over the placement of water-powered mills and concluded that the Dubysa could be easily diverted to power the wheel of the grain mill. The string of correspondence ended by highlighting the importance of siting mills within proximity of the stronghold.28 It is easy to detach such pragmatic observations from the more complex definition of the theocracy, and the inventories, account books, visitations and correspondence

26 Clare A. W i 1 s o n /Donald A. D a vid so n /Malcolm S .C re ss er, Multi-element soil analysis: an assessment of its potential as an aid to archaeological interpretation, in: Journal of Archaeological Science 35, 2008, pp. 412-424. 27 Alexander Brown/Rowena Banerjea/Amanda Dawn-Wynne/Normunds Stivrips/ Marc Jarzebow ski/Lisa-M arie Sh i 11 it o /Aleksander P lu s k o w s k i, The ecological impact of conquest and colonization on a medieval frontier landscape: combined palynological and geo­ chemical analysis of lake sediments from Radzyn Chelminski, northern Poland, in: Geoarchaeol­ ogy, 2015, 30/6, 511-527. 28 Codex Epistolaris Vitoldi, ed. by A. Prochaska, Krakow 1882, nr. 351, p. 136; reproduced in Mar­ ian Arszynski, Budownictwo, in: Zakon Krzyzacki (see note 1), pp. 545-573.

62 of the Order certainly indicate a sustained and even overwhelming concern with resource management. Indeed, the emphasis placed on exploiting the landscape by the Order frustrated clerics intent on evangelising the indigenous population; as late as 1427, the Bishop of Kulm complained that Prussian peasants had barely any knowledge of Christianity as the Order had forced them to work on holy days.29 The hierarchical character of the commandery system, with discrete, nestled terri­ tories run by Vogts, Pflegers and K äm m erer, offices adopted from the Empire, rein­ forces this impression of the Order’s houses as, first and foremost, centres of admin­ istration. But this was not a wholly one-way, top-down process, despite the corporate authority expressed by the Order, for the landscape and the spectrum of encounters with the conquered indigenous populations of the eastern Baltic, in turn, shaped the lifestyle of individual communities and explains the variability encountered across the Ordensland. This variability, and the importance of the multi-scalar relation­ ship, will be demonstrated through case studies of different types of sites in Livonia and Prussia, emphasising key themes.

Castles and the intensification of cultivation

The intensive production of grain in Livonia is only noticeable in written sources from the fifteenth century. However, there is evidence to suggest that both the in­ tent and infrastructure was already developing in the thirteenth century. One of the most striking archaeological examples of how this functioned can be seen in the castle at Karkus (Karksi), in the territory of the Sackalians in southern Estonia. Although tribal resistance against the crusaders continued further south in Semi- gallia until 1290, mainland Estonia had already been nominally pacified decades earlier. Work on a new castle within the destroyed ruins of the Sackalian stronghold at Fellin (Viljandi) had begun in 1224, with the associated town first mentioned in 1283, the core element of which may have already been established in previous de­ cades.30 At Karkus (Karksi), an official of the order and probably also a Vogt is/are mentioned in 1248, whilst excavations in the central part of the courtyard of the high castle uncovered a marshy hollow used as a rubbish pit during the earliest

29 Joachim S te p h a n , Prusowie w gospodarstwie krzyzakow [The Prussians in the Teutonic Or­ der’s economy], in: Gospodarka ludow morza baltyckiego starozytnosc i sredniowiecze: Mare Integrans — Studia nad dziejami wybrzezy Morza Baltyckiego, ed. by Michal Bogacki/Maciej Franz/Zbigniew Pi la rc z y k, Torun 2009, pp. 317-325, at p. 329. 30 The specific chronological development of the town remains disputed, but it was not a substantial settlement until the end of the thirteenth century: Arvi Haak/Erki R u sso w , On the develop­ ment of the town of Viljandi in the light of earliest archaeological find complexes, in: Estonian Journal of Archaeology 17/1, 2013, pp. 57—86.

63 known phase of the site (fig. 5, colour).31 This phase, dating to the last quarter of the thirteenth century, can be associated with a period of increased stability, associated in Livonia (and much more so in Prussia) with a new phase of colonisation and the beginnings of significant investment in castle construction. This new phase reflect­ ed the central role of castles in re-organising conquered tribal landscapes. The sig­ natures of the colonising, German lifestyle of the first inhabitants at the site are marked by the complete absence of local wheel-thrown pottery and the use of stave bowls. As construction work proceeded within this area that would become the most important part of the castle, the rubbish pit was sealed with a layer of clay and covered with a cobbled surface. The pit contained a range of organic waste, but three elements in particular could be linked to the management of the local landscape. Given the absence of colonists within the castle’s hinterland, the resident officials of the Livonian Order at this new power centre would have been dependent on a co-operative or subservient in­ digenous population. However these relations were managed, the end result was the storage of significant quantities of agrarian produce at the castle. This was particu­ larly indicated by the presence of an unusually high proportion of pollen deriving from cereals. The quantity is too high to reflect the pollen rain from nearby agricul­ tural fields as most cereals only produce small numbers of large pollen grains which are transported over relatively short distances. It seems more likely that the cereal pollen is derived from cereal processing within the immediate vicinity. Processing waste may have served as animal fodder, as coprolites from sheep or goat found within the pit included millet.32 There were also rare examples of wooden tally sticks, direct evidence of the taxes and tithes which are documented even in the ear­ ly years of the Livonian Crusade (fig. 6, colour). A pollen core from a peat deposit located five kilometres south-east of the castle within the vicinity of Arikiila, shows evidence for changes in vegetation from the early/mid thirteenth century, including a decline in spruce that has been widely linked across Livonia with the clearance of woodland from the most fertile soils.33

31 According to modelled radiocarbon dates, the midden had been used from 1272-1290; Heiki Valk/Eve Rannamäe/Alex Brown/Alexander Pluskowski/Monika Badura/Lembi L ö u gas, Thirteenth century cultural deposits at the castle of the Teutonic Order in Karksi, in: Archaeological Fieldwork in Estonia, 2012/2013, pp. 73—92. See also [uhan K re e m /Märkmeid Karksi linnusepiirkonnast ja seile kirikuelust [Notes on the castle district of Karkus and its eccle­ siastic life], in: Järelevastamine. Kaur Alttoale, ed. by Anneli R and la (Eesti Kunstiakadeemia Toimetised 22), Tallinn 2017, pp. 33-50. 32 Rowena Ba ner j ea/Monika B a d u ra , Settlement life in Livonia and the impact on hinterlands: The geoarchaeological and archaeobotanical evidence, in: Environment, Colonisation, and the Crusader States in Medieval Livonia and Prussia, ed. by Aleks P 1 u s k o w s k i , Turnhout 2018 (in press). 33 Leili Saarse/Eve N ii nernets/Anneli Poska/Siim V e sk i, Is there a relationship between crop farming and the Alnus decline in the eastern Baltic? in: Vegetation History and Archaeobot- any 19, 2010, pp. 17-28; Triin R e ita lu /Heikki S e p p ä /Shinya Su g it a/Mihkel K ang u r/Tiiu

64 At Äriküla although the decline in spruce pollen is not associated with an increase in pollen from arable or pastoral land, it is likely that cultivation was limited to small plots in the woodland, severely constraining the dispersal of cereal and herb pollen; an intensification in agrarian land-use is only apparent from the second half of the fourteenth century.34 This reinforces the difficulty of rapidly imposing the type of landscape management evident in parts of Prussia on a more diffuse, con­ quered population. Karkus castle was situated in a landscape where indigenous strongholds had been destroyed during the crusades, but much of the population remained intact. In many regions of Estonia following the crusades there is evidence for the incorporation of the indigenous elites into the new power structures.35 This suggests that co-operation existed alongside coercion, although the absence of in­ digenous material culture from within the castle itself reinforces a picture of a de­ gree of social polarisation between colonists and colonised. It is clear that select castles in the O rdensland became major repositories for agrarian produce, with grain regularly recorded in their inventories and visitation reports.36 A portion of this would be intended for the use of the castle’s household, as indicated by the presence of mills situated within or nearby Vorburgen. At the frontier castle attached to the town of Memel (Klaipeda) for example, the invento­ ries from 1404-1447 record rye, barley, oats, malt, hops, flour, peas and salt along­ side the more exotic onions, figs, raisins, almonds, mustard and vinegar.37 Whilst Memel’s precarious position on the Samogitian border required certain staples to be imported,38 in the more stable heartlands of the O rdensland there is evidence for the collection of grain, and in particular rye, for export. As a result, grain also became concentrated in major port towns. Aside from discrete quantities of cereals surviv­ ing in well-preserved archaeological contexts within castle grounds, it is possible to see evidence for differentiation in produce intended for the castle community and

Koff/Kersti Kihno/Jüri Vassiljev/Hans Renssen/Dan Hammarlund/Maija Heik- kilä/Leili Saarse/Anneli Poska/Siim V e sk i, Long-term drivers of forest composition in a boreonemoral region: the relative importance of climate and human impact, in: Journal of Bioge­ ography 40,2013, pp. 1524-1534. 34 Heiki Val k /Aleksander P lu s k o w s k i /David T h o r n ley/Alex B ro wn/Chantel Sum m er- fie ld , Fluxgate gradiometry survey in the ruins of Karksi Castle and palaeoenvironmental anal­ ysis in its hinterlands, in: Archaeological Fieldwork in Estonia, 2009, pp. 134-140, at p. 138. 35 Aleksander P lu s k o w sk i /Heiki Va 1 k , Conquest and Europeanisation: The archaeology of the crusades in Livonia, Prussia and Lithuania, in: The Crusader World, ed. by Adrian B oas, London 2015, pp. 568-592. 36 Friedrich B e n n in g h o v e n , Die Burgen als Grundpfeiler des spätmittelalterlichen Wehrwesens im preußisch-livländischen Deutschordensstaat, in: Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung, tom.l, ed. by Hans P atze (Vorträge und For­ schungen 19), Sigmaringen 1976, pp. 565-601. 37 Gerhard W i 11 o w e i t , Die Wirtschaftsgeschichte des Memellandes I (Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas 85/1), Marburg 1969, pp. 79-80. 38 Vladas 2ulkus/L inas D a u g n o ra , What did the Order’s brothers eat in the Klaipeda castle? (The historical and zooarchaeological data), in: Archaeologica Baltica 9, 2010, pp. 74-87.

65 — ■~

for export within the inventories. At Rehden (Radzyn Chelminski) in the Kulmer- land, large quantities of unspecified grain documented between 1377 and 1449 con­ trast with more diverse but significantly smaller amounts of named cereals. These can plausibly be interpreted as distinguishing between produce intended for the convent and its household, and that which was segregated for export (fig. 7, colour). A large proportion, if not all of this grain would have been obtained from the con­ vent’s commandery. However, the same inventories record significant quantities of livestock, particularly sheep. This would have required access to both cultivated fields and pasture, which are represented diachronically on pollen profiles of cores taken from the lake next to the castle.39 Combined with the geochemical evidence, the pollen suggests some reduction in the intensity of agricultural activity within the immediate hinterland of the castle particularly during the mid-fourteenth cen­ tury, despite the intensification of settlement within the wider landscape. This may reflect a shift in the focus of agricultural production away from the immediate castle hinterland and its conversion to pasture, particularly given the fact that livestock were housed within the castle’s island Vorburgen as suggested by documentary ref­ erences to stables and pig sties. This shift must surely reflect changes in the wider organisation of landuse within the commandery, the establishment of mills and dedicated farms or Vorwerken, and the choice to invest in substantial herds.40

Castles and the intensive husbandry of livestock

Whilst a convent such as Rehden concentrated a diverse range of resources from its commandery within its precincts, a more specialised relationship with the landscape can be seen in the functioning of the castle at Arrasch (Araisi) (fig. 8, colour). The lo­ cation of this small castle at the southern edge of Wendens commandery and its prox­ imity to the route linking the convent with Riga clearly defined its strategic roles. The impact of the castle is evident from multi-proxy analyses of cores taken from the lake, as well as from peat deposits within the nearby landscape.41 This points to a continui­ ty, perhaps even a slight decline, in agricultural practises from the Late Iron Age into the Livonian Order’s period, and cultivation would only intensify from the eighteenth century. At first the Order would have encountered a developed landscape already

39 B ro wn et. al (see note 27). 40 Jan G a n c e w s k i, Rola zamköw krzyzackich w ziemi chelminskiej od polowy XIV wieku do 1454 roku [The role of the Teutonic Order’s castles in the Kulmerland from the mid-14th century to 1454], Olsztyn 2001, p. 46. 41 Normunds S ti vri p s/Alex Brown/Triin Reitalu/Siim Veski/Atko H e i ns alu/Rowena Ba ner j ea/Kati El m i, Landscape change in central Latvia since the Iron Age: multi-proxy anal­ ysis of the vegetation impact of conflict, colonization and economic expansion during the last 2,000 years, in: Vegetation History and Archaeobotany 24, 2015, pp. 377-391.

66 cleared of much woodland, and the decline in agricultural productivity may have been symptomatic of the demographic impact of the crusades in the region. Rather than seeking to intensify cereal production, an adaptive strategy was implemented. The faunal assemblage recovered from excavations inside the castle indicated that, along­ side the virtual absence of wild species, the rest of the peninsula, cut off from the castle by a moat and embanked on its western flank, would have functioned in part as pasture for the household’s livestock, particularly sheep and goats. The low quantities of coprophilous fungi from the pollen core suggests this would have been limited, compared to the intensity of animal activity around the lake in the eleventh century. It is also clear the animals were slaughtered, butchered and processed within the castle precinct itself, but the presence of multiple age groups points to a selective process of culling for different types of primary products. Older animals supplied wool, in this case of a relatively low-grade intended for local consumption. This faunal signature is typical of many of the Order’s sites. The range of skeletal elements from skull to tail indicates that live animals were brought into, housed and slaughtered within the V orburgen, and almost certainly derived from the herds rou­ tinely listed in castle inventories. The register of the Viehmeister of Marienburg, the official in charge of livestock and dairy, records 250 horned cattle, 925 pigs and 2300 sheep in 1381.42 At the same time, this was supplemented by meat purchased from suppliers in towns and villages, or provided as payment in kind for taxes or tithes. The range of tools evident in the cut marks on bone indicates the presence of spe­ cialist butchers in both castles and towns, a group that is rarely mentioned in docu­ mentary sources until the fifteenth or sixteenth centuries.43 Butchery marks are most often linked to food preparation, providing direct evidence of the household’s diet. By 1264, the Order had officially clarified a new dietary regime, distancing it­ self from the initial model based on the Templars.44 This regime allowed the con­ sumption of more meat - three times each week, with two weekly fast days when fish and other aquatic species such as beaver could be eaten. The widespread presence of horse bones at the Order’s sites also indicates that carcasses of older individuals, considered surplus to requirement, were disarticulat­ ed and dumped in waste pits. The strategic role of the horse during the crusading period and the mass breeding of horses in the O rdensland is well documented, standing out in the Order’s inventories as having the most diverse roles of any ani­

42 Jo z w ia k / T ru p in d a , Organizacja (see note 19), p. 426. 43 Krish Seetah/Aleksander Pluskowski/Daniel Makowiecki/Linas Daugnora, New technology or adaptation at the frontier? Butchery as a signifier of cultural transitions in the me­ dieval eastern Baltic, in: Archaeologia Baltica 20, 2014, pp. 59-76. 44 Indrikis S te rn s , The Statutes of the Teutonic Knights: A Study of Religious Chivalry, Universi­ ty of Pennsylvania (unpublished dissertation) 1969, pp. 70-71.

67 mals.45 Whilst mares were largely kept on the Order’s rural estates, stud-horses were usually stabled within castle wards.46 In the largest convents, such as Marienburg, these stables were impressive buildings, although herds may have been housed in a number of structures; an estimated thousand horses could have been stabled within the confines of Marienburg in the mid-fifteenth century.47 Horse meat was not typ­ ically consumed except in times of crisis usually associated with active military zones; during the Second Prussian Insurrection, some of the Order’s garrisons were reduced to starvation and were forced to eat even the hides of their horses.48 Disar­ ticulation was therefore the most effective means of disposing of large carcasses, and the absence of gnawing marks or meat removal cuts suggests horses were not typi­ cally knackered for feeding to dogs. This contrasts with indigenous horse consump­ tion which continues into the post-crusade period, as indicated by butchered re­ mains from the Liv quarter in Riga and the nearby riverine island of Märtigala.49 The animal resources controlled by the Order were formidable. Numbers of live­ stock have been estimated for its Prussian estates during the economic boom of the Ordensland; in 1370, there were 10,482 cattle, 18,992 pigs and most of all, 61,252 sheep. By 1400, numbers of documented cattle had decreased whilst sheep and pig had increased. By this time, there were also an estimated 16,000 horses in Prussia.50 Much of this management would have taken place at the smallest type of site managed by the Order, at the frontline of resource exploitation: the Vorwerk. Unfortunately no exca­ vations of these have been conducted to indicate how they related to the Order’s hier­ archy of sites, although written sources indicate many were highly specialised.51 What the archaeological data contributes is how castles were important centres for carcass processing and related manufacture, and the presence of young sheep at Arrasch would have provided an obvious supply of prime meat, as well as skin for the house-

45 Sven E k d a h 1, Das Pferd und seine Rolle im Kriegswesen des Deutschen Ordens, in: Das Krieg­ swesen der Ritterorden im Mittelalter, ed. by Zenon N ow ak (Ordines Militares 6), Toruh 1991, pp. 29-47. 46 Rowena B a n e r j e a , Settlement life in Prussia at the microscopic scale and the impact on hinter­ lands, in: Environment, Colonisation, and the Crusader States in Medieval Livonia and Prussia, ed. by Aleks PIu sko w sk i , Turnhout 2018 (in press). 47 Jo z w ia k / T ru p in d a , Organizacja(see note 19), p. 440. 48 1 he Chronicle of Prussia by Nicolaus von Jeroschin: A History of the Teutonic Knights in Prus­ sia, 1190-1331, ed. by Mary F isc h e r, Farnham 2010, pp. 138-139. 49 M ugu re v ic s (see note 8). 50 Bernhard J ä h n i g, Die Wirtschaftsführung des Deutschen Ordens in Preussen vornehmlich vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert, in: Zur Wirtschaftsentwicklung des Deutschen Ordens im Mittelalter, ed. by Udo A rn o ld (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 38), Marburg 1989, pp. 113-147 at p. 125. 51 Adam C h^c, Folwarki krzyzackie na terenie komturstwa malborskiego w swietle zrödel archeo- logicznych i historycznych, proba lokalizacji [The Teutonic Order’s farms within the command- cry of Malbork (Marienburg) in the light of archaeological and historical sources, an attempt at localisation], in: Pogranicze polsko-pruskie i krzyzackie, ed. by Kazimierz G r^ z a w s k i, Wloclawek 2003, pp. 325-338.

68 9

, Butchery marks, i.e. cut and chop marks (no. of specimens). Total: 97 specimens (including 2 cranium fragments with a cut mark on the internal surface).

X Skinning marks, i.e. cut marks (no. of specimens).Total: 22 specimens. fig. 9: The prevalence of cut marks on sheep/goat bones recovered from excavations in the castle at Viljandi (Fellin).

hold, the nearby convent and perhaps the town. A more pronounced emphasis on young sheep and goat is evident in the assemblage from the Order’s castle in Fellin, where 40% of the specimens belong to individuals slaughtered before they had aged ten months. Clear skinning marks on the cranium and extremities of both younger and older individuals show designated carcass processing (fig. 9).52 Along with wax, the importance of which is largely defined in terms of its export without noting its regular use in illumination, liturgical contexts and sealing, skin was central to the articulation of power in the Ordensland.

52 Arvi H a a k /Eve R an n am äe /Heidi L u i k /Liina M a 1 d r e , Worked and unworked bone from the Viljandi castle of the Livonian Order (13th—16th centuries), in: Lietuvos Archcologija 38,2012, pp. 295-338, at pp. 303-305.

69 Castles and the consumption of skin

The key to the effective management of the Order’s territories was a formidable bureaucracy, which from 1309 was centred on the convent in Marienburg, the seat of the grand master until 1457. This generated precise registers of its incomes, estates and resources, which for Prussia largely date from the second half of the fourteenth century through to the sixteenth century.53 For Livonia, with the exception of Reval (Tallinn), extant sources are more scattered and primarily date from the fifteenth and sixteenth century,54 but the rare examples of thirteenth-century tally sticks from Karkus, or the accidentally preserved inventory from mid-fourteenth-century Goldingen (Kuldiga) indicate the variety of recordkeeping once used. Regular visi­ tations of the Order’s houses, principally used as a means of maintaining the unity of its organisation. This bureaucracy, more sophisticated than the chancelleries of neighbouring regions until the fifteenth century,55 required significant quantities of parchment (fig. 10, colour). This material consisted of carefully prepared and dressed skins of young animals, most often sheep, goats and calves, and perhaps even other species. The parchment used by the Order, charta theutonica, has been noted as thicker and harder than southern European skins, and dressed on both sides. An annual supply of animal skins as well as bird feathers (usually goose or swan) for use as styli, was needed,56 and these, in turn, required a complex and well-connected chain of specialist artisans, skinners, tanners, butchers and farmers. The boom in demand for beef and wool associated with the urbanisation of the eastern Baltic from the later thirteenth century would have provided a large and regionally diffused supply of skin, and there was certainly a burgeoning market in the fourteenth century. A similar connection has been proposed between the emer­ gence of significant wool markets and the availability of sheep skin in England from the twelfth century, coinciding with the rise of an unprecedented government bu­ reaucracy following the Norman Conquest.57 The towns associated with the Or­ der’s castles would have been important mediators of this fundamental commodity,

53 Kancelarie Krzyzackie. Stan badan i perspektywy badawcze [The Teutonic Order’s chancellery. The state of research and scholarly perspectives], ed. by Janusz T r u p i n d a , Malbork 2002. 54 Juhan K reera, The Town and its Lord: Reval and the Teutonic Order (in the Fifteenth Century), Tallinn 2002, p. 23. 55 Zenon No w ak , Czy Prusy Krzyzackie byfy panstwem nowozytnym? [Was the Teutonic Or­ der’s Prussia a modern state?], in: Architectura et historia, ed. by Michal W o z n i a k , Toruri 1999, pp. 79-89, at p. 83. 56 Kancelaria Wielkich Mistrzöw w Malborku, ed. by Janusz T ru p in d a [The chancellery of the Grand Masters in Malbork], Malbork 2001, p. 29. 57 Jim B lox a m , The beast, the book and the belt: an introduction to the study of girdle or belt books from the medieval period, in: Breaking and Shaping Beastly Bodies: Animals as Material Culture in the Middle Ages, ed. by Aleksander P lu s k o w s k i, Oxford 2007, pp. 81-98, at p. 83. On the development of Norman bureaucracy see Michael C la n c h y , From Memory to Written Record: England 1066-1307, London 1979.

70 which was also required by episcopal and monastic communities, as well as the ur­ ban patriciates that emerged to eventually challenge the authority of the Order. However, the supply of local animals began in the fields and meadows within the parcel of territories encompassed within the Order’s commanderies; husbandry re­ gimes maintained by both conquered indigenous communities and colonists, in­ cluding subsequent generations of internal migrants. The maintenance of herds would, in turn, have required significant quantities of fodder; a truism of the inter­ connectedness of medieval rural society.58 By the mid-fourteenth century paper, which was cheaper than parchment, began to be used in the Order’s chancellery, also coinciding with the general adoption of German as the language of correspon­ dence.59 By the turn of the fifteenth century, the Marienburger Tresslerbuch indi­ cates that around 5000 sheets of paper and 100 skins of parchment were used each year.60 But there was no correlation with husbandry regimes, for in the decades that paper was becoming increasingly popular the size of sheep herds in Prussia was growing.61 This also suggests that parchment production was a vital but compara­ tively small-scale industry, compared to other products derived from these herds. Whether skins were purchased from towns or obtained from the Order’s precincts - and the limited references to parchment production within the Order’s own docu­ mentation has been interpreted as reflecting the use of external suppliers - they would only represent one of many primary products derived from animals; the tip of a com­ plex industry handling livestock and disseminating deadstock. Relatively little is known about the economic connections between castles and towns. Urban artisans would have obtained raw materials, such as wool and hides, from the Order and sold back finished products, but the level of dependency between the two remains an open question. The archaeological evidence suggests that a range of manufacturing activi­ ties took place within the Order’s Vorburgen, on the other hand written sources indi­ cate that Order outsourced a number of its activities, not least of all the construction of its castles in the fourteenth century.62 Whilst it is not possible at this stage to com­ pare the supply of livestock and deadstock betw een castles and their adjacent towns (fig. 11, colour), it is clear from slaughter patterns that animals destined for urban markets were also exploited for the full range of primary and secondary products. The assemblage from excavations inside the town of Mewe (Gniew), adjacent to the Or-

58 On medieval urban-rural connections see papers in: Town and Country in Medieval North West­ ern Europe: Dynamic Interactions, ed. by Alexis W ilkin/John N aylor/D erek Keene/Ar- n o u d -Jan B ijsterveld , Leiden 2015. 59 Kancelarie Krzyzackie (see note 53) pp. 15, 31. 60 Mario d a u e r t , Schreiben auf der Marienburg. Anmerkungen zur nichturkundlichen Schrift­ lichkeit in der zentralen Kanzlei des Deutschen Ordens im 14. Jahrhundert, in: Kancelarie Krzyzackie (see note 53), pp. 89-106, at p. 98. 61 J ä h n i g , Wirtschaftsführung (see note 50), p. 125. 62 Roman C z a j a , Dzialalnosc gospodarcza [Economic activity], in: Zakon Krzyzacki (see note 1), pp. 109-121, at p. 110.

71 fig. 12: Fish gills in thin-section from excavations in Karksi (Karkus) castle.

der’s convent situated on the western bank of the Vistula, contained the remains of sheep and goats within three broad age categories: 9-12 months (most likely male animals, ideal for parchment and lamb), 12-19 months (for mutton and leather), and older than three years (kept for breeding and wool production).63

Castles and access to fish

The thirteenth-century midden at Karkus castle contained a large quantity of fish bone (and even fish gills and scales evident in thin-section, fig. 12), a material that has only been recovered in any quantity when contexts are sieved. The relative impor­

63 Marian Sobocinski/D aniel M a k o w ic c k i, Zwierz^ce szcz^tki kostne z wykopalisk w Gniewie nad Wisl^. Stanowisko 2 [The animal remains from excavations in Gniew on the Vistula. Site 2], in: Roczniki Akademii Rolniczej w Poznani 237, 1992, pp. 161-195.

72 tance of fish between sites, especially within the Order’s smaller residences, is there­ fore difficult to gauge. However, it is clear that local resources were fully exploited. At Karkus, cyprinids, one of the largest categories of freshwater fish, dominated the thir­ teenth-century assemblage, representing access to the nearby river and lakes. Again, this was almost certainly dependent on the fishing practises of the indigenous popu­ lation, a tendency that can also be seen in Riga where there is multi-proxy evidence for the handling and processing of fish within by the Liv community.64 Marine fish, spe­ cifically cod, were only evident from later contexts indicating the gradual connection of the castle with the provisioning systems of the coastline. In fact, the presence of distinct marine species within the Order’s inland castles is striking. Excavations at the short-lived convent of Nessau (Mala Nieszawka), recovered 1301 identifiable fish bone fragments. From this it was clear the convent largely consumed marine fish - cod and herring, as well as sturgeon, bream and carp.65 The convent was situated on the left bank of the Vistula and thus directly connected to the Baltic, but the particular species may also have been deliberately chosen. The documentation of at least two types of carp within the Order’s inventories, along with bones from castle excava­ tions, represents the first evidence for the widespread consumption of this species in the south-eastern Baltic. Along with cod, it has been linked to the introduction of German culinary culture, already evident in the faunal assemblages from Danzig (Gdansk) and Kolberg (Kolobrzeg) before the crusades.66 It is not surprising that such investment in fish resources prompted the creation of offices dedicated to their man­ agement, and the fish master (Fischmeister) would reside within a castle (as for exam­ ple at Elbing and Graudenz), or within a specific farm located within the command- ery (as at Marienburg or Reval). Combined with the iconic role of fish within Christian fasting culture, it is clear that a significant market emerged within the O rdensland in both castles and towns, the demands of which local rivers and lakes, and certainly not the fishponds of the Order which represented a conspicuous luxury and a visible ex­ pression of authority,67 could have consistently met.

64 Hui Yu an-Yei/Aleksander P luskow ski/U ldis Kalejs/Piers M itc h e ll, Intestinal parasites in a mid-14th century latrine from Riga, Latvia: fish tapeworm and the consumption of uncooked fish in the medieval eastern Baltic region, in: journal of Archaeological Science 9, 2014, pp. 83-89; Rowena Banerjea/Monika Badura/Uldis Kalejs/Aija Cer in a/Krzysztof Gos/Shiela Ham i 11 on -D y e r /Mark Ma 11 by/Krish S eet a h /Aleks P lu s k o w sk i. A multi-proxy, dia­ chronic and spatial perspective on the urban activities within an indigenous community in medie­ val Riga, Latvia, in: Quaternary International 460, 2017, pp. 3-21. 65 DanielMakowiecki,HistoriarybirybolowstwawholocenienaNizu Polskim wswietlebadan archeoichtiologicznych [The history of fish and fishing in the Holocene in the Polish Lowland in the light of archaeoichthyology], Poznan 2003, pp. 126-127. 66 Daniel M a k o w ie c k i, Some remarks on medieval fishing in Poland, in: Animals and Man in the Past, ed. by Hijlke B u i tenhu is/Wietschke P r u m m el, Groningen 2001, pp. 236-241. 67 Andrzej M. W y r wa /Daniel M a k o w ie c k i, Fish in the menu of the Cistercians from Lekno and Bierzwnik (Poland). An historical and archaeoicthyological consideration, in: Fishes — Culture — Environment Through Archaeoichthyology, Ethnography and History, ed. by Daniel M ak o -

73 When the Order became involved in the eastern Baltic, it entered a rapidly expand­ ing world of commercial fishing that it subsequently contributed to developing. A noticeable trade in fish is already evident in the southern Baltic from the tenth centu­ ry, with significant quantities of fish bones and fishing equipment recovered from excavations in Gdansk and Stettin (Szczecin); the strengthening of Christianity in twelfth-century Pomerania with the regular observance of 150 fasting days would have prompted a high demand in urban centres.68 Fish were certainly recognised as a valuable resource early on in the crusading period. From the very onset of founding towns, the Order controlled all fishing rights within their gradually expanding terri­ tory and distributed privileged access to rivers and lakes, amongst other natural re­ sources, to their subjects. The uneven access to different types of aquatic resources across the Order’s territories was mitigated by the connectedness of its network. For example, the frontier convent of Memel, initially administered by the Livonian branch of the Order and from 1328 by the Prussian branch, was located on the southern Cu­ ronian coast between the two main territories of the Ordensland. As such, its location was ideal for supplying fish to convents in both Prussia and Livonia from the lagoon, marine, riverine and lacustrine resources within its commandery. As elsewhere, the brethren at Memel always took their share of fish catches, even after the townspeople were granted the right to fish in the sea and bay in the second half of the fifteenth century.69 The demand for fish generated after the crusades is encapsulated by the emergence of a local fishing industry, with isotopic studies demonstrating the sourc­ ing of cod from local Baltic waters.70 Surplus produced by the Order’s fisheries merged seamlessly with the Hanseatic network, with herring and cod in particular traded as far away as Scandinavia and England. The combined demand appears to have resulted in the localised collapse of certain fish stocks. Herring appears to have become rare in Prussian waters in the fourteenth century, and by the end of the fifteenth century, its export had been replaced with German and Scandinavian imports to Danzig and Me­ mel.71 Access to fish, though partially dependent on the aquatic resources located within territories attached to castles, was clearly met by the effective functioning of the Order’s network at the supranational level, and its interaction with the Hanse.

wiecki/Shiela Hamilton-Dyer/Ian Riddler/Nicola Trzaska-N artowski, Poznan 2009, pp. 62-68; Janusz T a n d eck i, Struktura wewnetrzna [The interna] structure], in: Zakon Krzyzacki: wybör tekstow zrödlowych, ed. by Andrzej R a d z im in s k i, Torun 2005, pp. 43-58 at p. 53. 68 Marian R u le w ic z , Rybolowstwo Gdaitska na tie osrodköw miejskich pomorze od IX do XIII wieku [Fishing in Gdansk in the context of Pomeranian urban centres from the 9th to 13th century], Wroclaw 1994. 69 2ulkus/Daugnora (see note38), pp. 78-79. 70 David O rto n /Daniel M ak o w ie c k i /Tessa de Ro o /Cluny Jo h n s to ne /Jennifer H a rla nd et. ah, Stable isotope evidence for late medieval (14th—15th C) origins of the Eastern Baltic cod (Gadus morbua) fishery, in: PLoS ONE 6/11 (2011): e27568. doi:10.1371/journal.pone.0027568. 71 2 u lk u s/ D a u g n o ra (see note 38), p. 79; Carsten Ja h n k e , Das Silber des Meeres: Fang und Vertrieb von Ostseehering zwischen Norwegen und Italien (12.-16. Jahrhundert), Wien 2000.

74 Castles and access to wilderness

A typical signifier of authority for medieval elites was hunting, and the majority of secular high-status sites across Europe contain relatively higher, but nonetheless small, percentages of species designated as game.72 Hunting (except with hounds and hawks) was permitted in the Order’s rule, but as in the case of the other military orders this was primarily intended as an opportunity for training retinues in the use of weapons, tactical formations and experience in the field; more useful than the simulated settings of the convents.73 The representation of game was limited relative to other food sources, as indicated in both faunal assemblages from castle sites and in the inventories, although there were examples of significant quantities stored in the fifteenth century, particularly in frontier convents.74 From the very start of the Order’s involvement in the Baltic, wild meat was treated as a commodity governed by familiar teneurial customs. The foundation charter for Kulm and Thorn (1233) stipulated the landed townspeople could hunt wild boar, bear and roe deer, and provide the Order with the right shoulder from each carcass. In 1278, the marshal of the Order in Prussia, Konrad von Thierberg, renewing the hunting rights of Polish knightly vassals in the Kulmerland, allowed them to hunt on the Order’s territories providing they hand over the usual portions of game.75 An extreme example of this can be seen in the value attached to bison and auroch, rare enough by the fifteenth century for the former to be a suitable gift from the Polish king to the grand master in 1406.76 This confinement of bison and aurochs to the western frontiers of the Grand Duchy of Lithuania is indicative of the uneven distribution of wild resources within the Ordensland. This is clearly visible archaeologically, for whilst docu­ mented game in barrels reflects the mobility of these products within the Order’s networks, the biodiversity of faunal assemblages varies dramatically between cas­ tles. Species representation at Memel dating to the latter half of the fifteenth century included aurochs (or potentially bison), elk, beaver, fox, red deer and wild boar,77 in

72 Aleksander P lu s k o w s k i, The zooarchaeology of medieval ‘Christendom’: Ideology, the treat­ ment of animals and the making of medieval Europe, in: World Archaeology 42/2,2010, pp. 201-214. 73 S te rn s (see note 44), pp. 219-220; Klaus M i 1 itz e r , Jagd und Deutscher Orden, in: Jagd und höfische Kultur in Mittelalter, cd. by Werner Rösener, Göttingen 1997, pp. 325-363; also in: Klaus M i 1 i t z e r, Zentrale und Region. Gesammelte Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen, Livland und im Deutschen Reich (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 75 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 13), Weimar 2015, pp. 189-223. 74 Das große Ämterbuch des deutschen Ordens, ed. by Walther Z iesem er, Danzig 1921, reprint Wiesbaden 1968, pp. 46, 96, 222, 255, 296. 75 T andecki (see note 67), pp. 47, 53. 76 M i 1 i t z e r (see note 73), p. 357 or 218. 77 Zulkus/Daugnora (see note38), p. 82.

75 contrast with the virtual absence of wild species from the significantly larger assem­ blage from Wenden.78 Beyond the convents, hunting was actively practised by the Order’s officials and their retinues where suitable prey was available. Recent excavations at the centre of the easternmost Pflegerämter established on the Prussian/Lithuanian borderland at Lyck (Elk), revealed the earliest phase of the residence, dating to the start of the fifteenth century, consisted of a fortified tower surrounded by a moat and situated within an island in a lake.79 Clearly security remained an issue in the borderlands throughout the first half of the fifteenth century, although it was counterbalanced by the impulse to exploit the abundant woods and wetlands of the ‘Great Wilder­ ness’. The animal bone assemblage from the Teutonic Order phases of the site indi­ cated a reliance on livestock for local consumption, with a small but diverse propor­ tion of wild species, including auroch, bison, roe deer, red deer, wild boar and elk. It was these frontier Pflegerämter and the highly specialised W aldämter that provid­ ed prized game for the cellars of major convents, particularly those situated deep in the heart of the Ordensland. The purpose of this provision was arguably the visible reinforcement of an aristocratic identity, which can be linked from the fourteenth century to both trends in recruitment and the entertainment of secular knights. Within the east Prussian Pflegerämter of Lötzen (Gizycko), villagers were permit­ ted to hunt only by assignment and predominantly to protect the fields against dam­ age caused by game. They were allowed to keep the meat except for the front parts, which they had to deliver to the castle.80 However, this impulse was clearly present from the 1230s in the earliest definitions of lordship used by the theocracy in the eastern Baltic. In those territories with the highest degrees of biodiversity, the officials of the Order were arguably more interested in procuring furs. Along with timber and honey, fur represented a valuable native commodity in the eastern Baltic woods that could be easily exported via the Hanseatic trading networks to luxury European

78 A rnisM ugurevis,unpublished report; see also Evalds M u g u revis,F orest animals and hunt­ ing in medieval Livonia, in: Centre, Region, Periphery. Medieval Europe Basel 2002. 3rd Interna­ tional Conference of Medieval and Later Archaeology, Basel (Switzerland) 10-15. September 2002, Vol L, ed. by Guido Hel mig/Barbara Scholkm ann/M atthias U n te rm a n n , Basel 2002, pp. 177-181. 79 Radoslaw H e r ma n/Wojciech D u d ak , Wyniki badah naukowych a projekt adaptacji zamku. Wzajemne uwarunkowania na przykladach zamkow w Uniejowie, Lidzbarku i Elku [The results of scientific research and the project of adapting a castle. Mutual conditions using the examples of the castles in Uniejow, Lidzbark/Heilsberg and Efk/Lyck], in: Renovatio et restitutio. Materialy do badan i ochrony zaioz?n rezydencjonalnych i obronnych, ed. by Piotr Lasek/Piotr S y p - czu k, Warszawa 2015, pp. 27-57. 80 Helmuth M e y e , Die erneuerte Handfeste von Neuendorf vor Lötzen vom Jahre 1475, in: Lötzen- er Fragmente. Nachrichten aus verlorenen Quellen 1700-1900, ed. by Reinhold H el i n g (Sonder­ schriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen 32), Hamburg 1976, pp.

76 markets. The remains of fur-bearing species in some of the Order’s castles indicate that processing occasionally took place within the Vorburg, such as represented by the remains of fox, bear and wolf found at Lyck which point to such opportunistic acquisitions, although these were not as sought after as the pelts of mustelids and squirrels. But the sites that saw the most involvement in preparing pelts - the rural settlements of medieval Prussia and Livonia - remain virtually unknown archaeo- logically. The regulations issued by the P fleger of Lötzen indicate that villagers were expected to bring skins, rather than carcasses, in exchange for fixed prices, with a particular emphasis on Marten pelts.81 In this respect, and in contrast to the dramat­ ic increase in hunting linked to the highly visible expression of a new political re­ gime following the Norman Conquest of England,82 the Teutonic Order focused its attention on the handling of fur, with its castles serving as nexus for the storage and redistribution of this luxury commodity. The castles of Lötzen and Lyck, and the districts they governed, were situated within the expansive Masurian Lake District where there is only patchy evidence for significant clearance and cultivation before the sixteenth century. For example, some of the southern parts of the Pflegerämter of Lötzen had already been cleared several centuries before the arrival of the Order. Laminated sediments from Lake Milkowski produced evidence for substantial anthropogenic impact on the vegeta­ tion from c. 1100, linked to indigenous Galindian settlement, a pattern replicated at nearby Lake Wojnowo.83 Some Galindian communities survived here and became the Order’s tenants, alongside colonists invited from outside the region. For exam­ ple, in the commandery of Brandenburg, which included the Pflegerämter of Löt­ zen, 1,598 Prussian families were listed at the end of the fourteenth / start of the fifteenth century, amounting to an estimated 8,000 people.84 Lyck, on the other hand, was relatively more remote and the systematic exploitation of timber, which is attested in this region on the basis of dendrochronology and dendro-provenancing, would only become possible with the stabilisation of the border at this time, which is also reflected by the dramatic surge in colonisation of this region.85 The develop­ ment of the timber trade in east Prussia (and Livonia) was facilitated by the network

81 M ey e (see note 80). 82 Naomi S y k e s , The Norman Conquest: A Zooarchaeological Perspective, Oxford 2007. 83 Agnieszka Wacnik/Miroslawa Kupryjanowicz/Aldona Mueller-Bieniek/Maciej K a rc z e w sk i /Katarzyna C y w a , The environmental and cultural contexts of the late Iron Age and medieval settlement in the Mazurian Lake District, NE Poland: combined palaeobotanical and archaeological data, in: Vegetation History and Archaeobotany 23, 2014, pp. 439-459, DOI 10.1007/s00334-014-0458-y. 84 Maigorzata Karczew ska/M aciej K arczew ski/R ob ert K em p a/ E w aP iro zn ik o w , Milki: Monografia krajoznawcza gmniy mazurskiej [Milki/Milken: A tourism monograph of the Masur­ ian district], Biafystok/Mifki 2005, p. 55. 85 Tomasz W a z n y , The origin, assortments and transport of Baltic timber, in: Constructing Wood­ en Images, ed. by Carl Van de VeIde/Hans Beeckman/Joris Van Acker/Franz Verhae- ghe, Brussels 2005, pp. 115-126.

77 of dense waterways which connected the interior with coastal centres.86 Around Lake Wigrv, close to the modern border with Lithuania, pollen analysis indicates that significant clearance of woodland for arable and pastoral activities did not oc­ cur until the seventeenth century, although the first signs of rye and buckwheat cultivation date to the later medieval period, after the military conquest of Sudovia by the Teutonic Order.87 These final case studies emphasise that even within the context of a centralised and flourishing Ordensland, there were still regions that were only beginning to be exploited using the mechanism of the commandery sys­ tem. However, here more than anywhere, the engagement with the indigenous pop­ ulation is significantly under-represented, whose presence is known from fragment­ ed written sources and a few cemeteries, and whose later medieval settlements, and an acknowledgement of the agency of these surviving communities, remain to be investigated.

Conclusion: from the commandery to the convent

The success of the crusading enterprise led by the Teutonic Order and the establish­ ment of their theocratic polity in the eastern Baltic was underpinned by the success­ ful re-organisation of local resources - the management of a fundamental and recog­ nised connection with the conquered landscape and its inhabitants. The contrast between the centralised organisation of Prussia and the more flexible structure of Livonia does not extend to significant differences in the functioning of the Order’s castles within the two regions, where the commandery system created a series of linkages between the surrounding countryside and the central nodes of power. Within both it is also possible to see a level of structural integrity into the first half of the fifteenth century, as reflected by the internal mobility of resources.88 This has been widely regarded as a sophisticated economy, particularly in Prussia, but it is important to remember its practical caveats. With the survival of the indigenous population in Livonia, the successful articulation of this network required co-ope­ ration between colonists and colonised. As with the organisation of military resour­ ces and trade, this was variously negotiated by individual commanders and some of its more extreme outcomes, from the perspective of religious authorities, saw the tolerance of pre-Christian customs and sacred sites. This forms more than a back­ drop, but rather a framework for understanding the character of multiculturalism,

$6 Maris 2 un de. Timber and its use from the Late Iron Age to the end of the medieval period in Latvia, in: Ecologies of Crusading, Colonization, and Religious Conversion in the Medieval Bal­ tic: Terra Sacra II, ed. by Aleksander P 1 u s k o w s k i , Turnhout 2018, in press. 87 Mirosiawa K u p ry ja n o w ic z , Postglacial Development of Vegetation in the Vicinity of the Wi- gry lake, in: Geochronometria 27,2007, pp. 53-66. 88 K reem (see note 54), pp. 104-105.

78 cultural transformation, inter-cultural relations and the problems of Christianisati- on following the crusades. At the same time, the role of towns is an extremely im­ portant avenue for future research. Towns, developed varying levels of autonomy, particularly Reval and Riga, and a relationship with the Teutonic Order was as much about business partnerships as it was about subject and overlord.89 Compari­ sons with episcopal territories and the Danish duchy of Estonia (1219-1346) were also beyond the project’s remit but represent important foci for future research. Nonetheless, by focusing on a range of sites in both Prussia and Livonia, the project has demonstrated the validity of linking activities and lifestyles in the Order’s cast­ les with their associated territories. Future comparative research focusing on the local scale will, as a result, significantly contribute to our understanding of the fun­ damental development and functioning of the O rdensland and how, despite its cul­ tural confrontations and the tragedies of the crusading period, it came to be one of the most successful and flourishing societies of the European Middle Ages.

89 See K reera (note 54) and the work of Roman C za ja , Miasta pruskie a zakon krzyzacki. Studia nad stosunkami miydzy miastem a wtadz^ terytorialn^ w poznym sredniowieczu [Prussian towns and the Teutonic Order. Studies of the relationship between the town and the regional authority in the late Middle Ages], Torun 1999, for the best discussion of this complex and multi-faceted topic.

79 Zum Lebensstil in der Ordensburg Fellin aufgrund archäologischer Quellen

von Arvi Haak, Eve Rannamäe und Lembi Löugas*

Die Ordensburg Fellin (Viljandi) gehörte zu den mächtigsten und wichtigsten des In­ ländischen Zweigs des Deutschen Ordens. Das Konventhaus mit der außerordentlichen Seitenlänge von 55 m war von drei Vorburgen umgeben, denen sich auf der nördlichen Seite noch die von der Stadtmauer geschützte Stadt anschloss (Abb. I).1 Eine solche Burg brauchte vielfältiges Personal, das sich mit unterschiedlichen Aufgaben beschäftigte, was auch in einigen schriftlichen Quellen seinen Niederschlag gefunden hat.2 Eine gründlichere Erforschung der Entwicklungsgeschichte der Burg begann in den Jahren 1878/79,3 als unter Leitung von Theodor Schiemann, Lehrer am dama­ ligen Landesgymnasium und später als Historiker und Publizist bekannt, die Mehr­ heit der Räume der Hauptburg von Schutt befreit und eine Fundsammlung angelegt wurde, die bis heute Untersuchungsmöglichkeiten bietet. Von den späteren Unter­ suchungen sollten vor allem die 1939 vom Kunsthistoriker Armin Tuulse geleiteten Ausgrabungen im südlichen Teil der Burg4 und die in den 1970er Jahren vom Archi-

* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der von der estnischen Wissenschaftsförderung finanzierten Pro­ jekte PRG29 abgefasst. Wir danken Herki Helves (Museum von Viljandi) für die Photos, Heidi Luik (Talliner Universität) für Abbildung 2: 3 und Jaana Ratas für die Bearbeitung der Abbildungen. 1 Über die Rolle der Stadt im Verteidigungssystem der Burg Fellin vgl. z. B. -Paul Johansen, Lippstadt, Freckenhorst und Fellin in Livland, in: Westfalen, Hanse, Ostseeraum, hg. v. Franz Petri (Veröffentlichung des Provinzialinstituts für westfälische Landes- und Volkskunde, Reihe I, Heft 7), Münster, S. 95-160, hier S. 119-121. 2 Paul Johansen, Ein Verzeichnis der Ordensbeamten und Diener im Gebiete Fellin vom Jahre 1554, in: Sitzungsberichte der Altertumforschenden Gesellschaft zu Pernau 9, 1926-1929, Pernau 1930, S. 121-132. 3 Aare K odar, Esimesed arheoloogilised väljakaevamised Viljandi linnusevaremetes 1878—1879.a [Die ersten archäologischen Ausgrabungen in den Burgruinen von Fellin 1878-1879], in: Viljandi muuseumi aastaraamat [Jahrbuch des Felliner Museums], 1997, Viljandi 1998, S. 20-33. 4 Andres Tvau r i, Arheoloogilised kaevamised Viljandi linnuses 1939. a [Die archäologischen Aus­ grabungen in der Burg Fellin im Jahre 1939], in: Viljandi muuseumi aastaraamat [Jahrbuch des Felliner Museums], 1999, Viljandi 2000, S. 79-94.

80 0 25 50 m

Abb. 1: Plan der Burg Fellin: A -archäologische Ausgrabungen (1998-2006); B - Bauetappe des 13. Jhs.; C - Konventhaus aus dem Beginn des 14. Jhs.; D - Bauetappen des 14. bis zur ersten Hälfte des 16 Jhs.

tekturhistoriker Kaur Alttoa geleiteten Arbeiten erwähnt werden. In den Jahren 1998 und 1999 hat der Archäologe Andres Tvauri,5 2000-2004 und 2006 auch einer

5 Andres Tvau r i, Arheoioogilised uuringud Viljandi linnuses 1998. aastal [Arhäologische Unter­ suchungen in der Burg Fellinn im Jahr 1998], in: Viljandi muuseumi aastaraamat [Jahrbuch des Felliner Museums], 1998, Viljandi 1999, S. 20-27; Andres Tvau r i, The archaeological investiga­ tions in Viljandi, Tartu and Kärkna, in: Archaeological Field Works in Estonia 1999, Tallinn 2000, S. 54-62, hier S. 54.

81 der Autoren dieses Beitrags in Fellin geringflächige Ausgrabungen durchgeführt.6 2007 und 2008 wurden die Untersuchungen unter Leitung des Archäologen Heiki Valk fortgesetzt.7 Die Zusammenführung der gesamten Fundsammlung und der stratigraphischen Informationen ist momentan noch im Anfangsstadium, in Druck­ form ist nur eine kurze Übersicht über die Entwicklungsetappen der Burg und des heutigen Schlossparks veröffentlicht worden.8 Um sich auf die Analyse des für die Ordensburg Fellin charakteristischen Lebens­ stils konzentrieren zu können, müssen wir mit den Bauetappen der Burg beginnen. Dadurch wird geklärt, welche Gebäude und Räume im jeweils behandelten Zeit­ raum in Gebrauch waren. Betrachten wir zunächst das 13. Jahrhundert. Nach schriftlichen Quellen wurde mit der Befestigung von Fellin schon 1224 begonnen,9 aber über die äußere Gestalt der aus der Zeit des Schwertbrüderordens stammenden Burg fehlen bis heute jegliche Angaben. Die Fertigstellung des Konventhauses kann man kaum früher als für die letzten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts ansetzen.10 So­ mit ist die äußere Gestalt der Burg im 13. Jahrhundert nach wie vor eine aktuelle Forschungsfrage. Der Architekturhistoriker Kaur Alttoa hat im Laufe der Jahr­ zehnte Möglichkeiten vorgeschlagen, in welchem Teil der jetzigen Burg nach der Burg des 13. Jahrhunderts, vor der Zeit des Konventhauses, gesucht werden sollte."

6 Arvi H aak, Archaeological investigations of the Castle Ruins and at Pikk Street in Viljandi, in: Archaeological Field Works in Estonia 2000, Tallinn 2001, S. 108-116; ders.,/Heiki V alk, Archa­ eological investigations of medieval and post-medieval Viljandi, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2001, Tallinn 2002, S. 91-104, hier S. 91-95; Arvi H aak , Excavations at Viljandi Castle of the Teutonic Order, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2002, Tallinn 2003, S. 71-83; ders., Archaeological investigations at Viljandi Castle of the Teutonic Order and in medieval Viljandi, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2003, Tallinn 2004, S. 107-121, hier S. 107-117; ders., Archaeo­ logical investigations at the Late Iron Age settlement site of Huntaugu and at the Castle of Teutonic- Order in Viljandi, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2004, Tallinn 2005, S. 89-101, hier S. 91— 99; ders./Riina J u u r i k , Archaeological investigations in medieval Viljandi in 2006: the castle, and the surroundings, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2006, Tallinn 2007, S. 85-98, hierS. 85-93. 7 Anti L i 11 a k /Riina J u u r i k /Heiki V a lk , Archaeological investigations at the castle of the Teu­ tonic Order in Viljandi, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2007, Tallinn 2008, S. 75-83; Heiki V alk , Trial investigations at ‘Villu’s Cellar’ in the ruins of Viljandi Order Castle, in: Ar­ cheological Fieldwork in Estonia 2008, Tallinn 2009, S. 151-154. 8 Viljandi ordulinnus ja lossimäed läbi aja. The Teutonic Order’s Castle and Castle Hills in Viljandi through Time, hg. v. Ain Vi slap uu (Viljandi muuseumi toimetised [Verhandlungen des Felliner Museums] 5), Viljandi 2015. 9 Heinrichs Livländische Chronik (Heinrici Chronicon Livoniae), bearb. v. Leonid Arbusow / Albert Bauer, Hannover 21955, XXVIII, 9; Kaur A lt t o a , Viljandi ordulinnus. Uurimisseis ja probleemid [OrdensburgFellin. Forschungsstand und Probleme], in: Viljandi Muuseumi aastaraa- mat [Jahrbuch des Felliner Museums] 2002, Viljandi 2003, S. 92-108, hier S. 92; ders., Die Kapitel­ le der Ordensburg Fellin (Viljandi) - Dinge aus zweiter Hand aus Alt-Pernau (Vana-Pärnu)?, in: Baltic Journal of Art History 13,2017, S. i 1-38, hier S. 14. 10 Kaur A ltto a , Das Konventhaus in Estland, in: Castella Maris Baltici 1, hg. v. Knut Drake, Stockholm 1993, S. 9-16, hier S. 12; ders., Kapitelle (wie Anm. 9), S. 15. 11 Ders., Konventhaus (wie Anm. 8), S. 11 f.; Kalle L ange/K aur A I tto a , Die Turmburg in Est­ land, in: Castella Maris Baltici 1, hg. v. Knut D ra k e . Stockholm 1993, S. 117-122, hier S. 121; A ltto a .Viljandi ordulinnus (wie Anm. 9), S. 102-104.

82 Mehrere archäologische Untersuchungen an der Hauptburg und auf dem diese um­ gebenden Gelände der ersten Vorburg haben sich darauf fokussiert. Der aktuelle Kenntnisstand ist wie folgt: Die älteste bekannte Anlage ist die erste Ringmauer (Abb. 1: B), die die Hauptburg umgeben hat, und innerhalb derer ein Areal öst­ lich des Konventhauses fragmentarisch erhalten und ausgegraben ist.12 Die Mehr­ heit der bekannten, mit dem 13. Jahrhundert zu verbindenden Funde stammt von dem zwischen der Ringmauer und dem Konventhaus liegenden Gelände, eben­ falls von der südlich des Konventhauses befindlichen Umgebung des turmartigen Bauwerks.13 Obwohl diese Angaben unzureichend sind, um das Ordenshaus Fel­ lin im 13. Jahrhundert zu rekonstruieren, können wir dennoch einige Schlussfol­ gerungen über die Verbrauchsgewohnheiten der damaligen Burgbewohner zie­ hen. Die nachfolgende Abhandlung stützt sich hauptsächlich auf die vertiefte Analyse des bei der südöstlichen Ecke des Konventhauses während der archäolo­ gischen Ausgrabungen 2004-2004 entdeckten Fundmaterials aus den Schichten, die mit dem 13. Jahrhundert Zusammenhängen.14 Letztlich bleibt die Möglich­ keit, dass der Turm an der Nordwestecke des Konventhauses, Langer Hermann genannt, und früher als das Konventhaus errichtet,15 auch aus der ersten Bauetap­ pe stammt. Die archäologische Fundsubstanz (Abb. 2) erlaubt es, sich auf zwei Bereiche zu konzentrieren: damaliges Tafel- und Kochgeschirr und Tätigkeitsbereiche der Burg­ bewohner. Bezüglich des Tafelgeschirrs fällt in dieser Periode der große Anteil von Importgeschirr auf: Proto- und Frühsteinzeug Siegburger Art, grün glasierte Ir­ denware aus den Niederlanden usw.16 Bemerkenswert sind auch die Fragmente der emailbemalten Glasbecher, die wahrscheinlich in Venedig hergestellt wurden. Auf der Burg Fellin sind Fragmente von zwei solchen Glasbechern gefunden worden, das Korallenmuster auf den Fragmenten des blauen Glasbechers (Abb. 2: 1) ist nach dem bisherigen Kenntnisstand die einzige existierende Verzierung dieser Art auf Glasbechern. Nach Angaben von Ingeborg Krüger, die sich mit diesem Typ gründ­ lich befasst hat, konzentrieren sich die Funde derartiger Becher nach ihrem Kennt-

12 H a a k, Excavations at Viljandi Castle (wie Anm. 6), S. 71, 76; tiers., Archaeological investigations at Viljandi (wie Anm. 6), S. 114. 13 Ders., The castle of Viljandi (Fellin), Estonia; The role of its location on its construction (13th - 16th century), in: Burg und ihr Bauplatz, hg. v. Tomas D u rd ik (Castrum Bene 9), Praha 2006, S. 127-138, hier S. 134." 14 Ders./Eve R a n n a m äe .Tracing the castle crew. (Zoo)archaeological search for the inhabitants of Viljandi castle (South Estonia) in the late 13th century, in: The Castle as Social Space, hg. v. Kate­ rina P re d o v n ik (Castrum Bene 12), Ljubljana 2014, S. 139-152; Arvi H a a k , Arheoloogiaand- med Viljandi ordulinnuse kesk- ja varauusaja kohta. Archaeological Data about the Viljandi Cast­ le in the Medieval and Early Modern Period, in: Viljandi ordulinnus (wie Anm. 8), S. 35-39. 15 L ange/A I t t o a ,Turmburg (wie Anm. 11), S. 121; A 11 t o a , Kapitelle (wie Anm. 9), S. 16. 16 H aak / R an n am äe, Tracing (wie Anm. 14), S. 142-144, Fig. 4 und 5.

83 Abb. 2: Archäologische Funde der Schichten des 13. Jahrhunderts: 1 - Fragmente emailbemalter Glasbecher (mit Korallenmuster); 2 - Armbrustbolzen; 3 - die Fertigung von Armbrustniissen. nisstand im Ostseeraum;17 jetzt lässt sich mit Hilfe der Elementaranalyse für diese Gläser sagen, dass auch sie in Venedig gefertigt wurden.18

17 Ingeborg K ru eg er, A second Aldrevandin beaker and an update on a group of enameled glasses, in: Journal of Glass Studies 44,2002, S. 111-132, hier S. 119. 18 Ahti Ni ilisk/Peeter R itsla id /Jaak K ik a s /Arvi H aak/A in M ä e sa lu , Elemental and Ra- man investigation of 13th - 14th and 16th century enamelled glass beakers found in Estonia, in: Journal of Archaeological Science, Reports 16, 2017, S. 205-212, hier S. 211.

84 Über die Verbrauchsgewohnheiten der Burgbewohner des 13. Jahrhunderts wissen wir durch die Analyse der aus den damaligen Schichten gesammelten Tierknochen, die Eve Rannamäe durchgeführt hat.19 Die überwiegende Mehrheit der untersuchten ca. 7300 Knochenfragmente stammen von Rind und Ziege/Schaf; über 58% sind Schädelfragmente.20 Anhand der Analyse der Tierknochen stellte sich heraus, dass der Großteil der auf der Burg gefundenen tierischen Reste von Schädeln und anderen fleischarmen Körperbereichen stammt. Weil deren Nährwert gering ist, hat man überlegt, ob diese Fragmente auf eine handwerkliche Tätigkeit, nicht auf den Verzehr als Nahrung hinweisen könnten. Es könnte Fleischerarbeit in Frage kommen, auch hat man die Möglichkeit erwogen, dass zum Ledergerben notwendiges Material ge­ sammelt wurde.21 Hoffentlich werden weitere Nachforschungen in dieser Frage zu­ sätzliche Erkenntnisse liefern. Auch anhand jener Tierknochen, die mit Speiseabfällen in Verbindung gebracht werden könnten, fällt die Unterrepräsentiertheit von Schweineknochen auf, beson­ ders im Vergleich zum zeitgemäßen städtischen Material. An den Tierknochen gibt es ebenfalls Spuren, die auf Fleischerarbeit hindeuten, und aufgrund der schlechten Erhaltung einiger Fragmente wurde vermutet, dass diese ausgekocht sein könnten. Etwa 40% der Ziegen-/Schafsknochen, deren Alter festgestellt werden konnte, stammen von unter zehn Monate alten Tieren, die vermutlich als Nahrung dienten. Anhand des Materials aus der Burg Fellin lag das übliche Schlachtalter von Ziegen/ Schafen bei 2-4 Jahren, von Rindern bei 3-5 Jahren. Das Vorkommen einer großen Menge von Jungtieren ist bemerkenswert und weist mit Sicherheit auf die Ver­ brauchspräferenzen der Bewohner des Ordenshauses hin. Von Wildtieren sind Hirsch, Hase und Bär (nur Prankenknochen!) repräsentiert.22 Das Vorkommen von Geflügelknochen ist unerwartet gering (nur einige Knochenfragmente von Hüh­ nern und Enten); vielleicht kann dies mit der Besonderheit der Fundsammlung er­ klärt werden. Parallele Untersuchungen von zeitgenössischem Material aus der Burg Karkus/Karksi, ungefähr 30 Kilometer südlich von Fellin, erlauben jedenfalls die Schlussfolgerung, dass in Fellin auch Geflügel gegessen wurde.23 Laut der von Lembi Löugas durchgeführten Analyse der Fischgräten stammen diese meist von Binnenfischen, wie Hecht (Esox lucius), Flussbarsch (Perca fluviati- lis), Zährte (Vimba vimba) u. a., von Seefischen stammen nur ein Stück vom Dorsch (Gadus morhua) und einige vom Strömling (Clupea harengus).

19 Arvi H a a k / Eve R an n a m äe / Heidi L u i k / Liina M a I d r e, Worked and unworked bone from the Viljandi castle of the Livonian Order (13th-16thcenturies), in: Lietuvos archeologija 38,2012, S. 295-338. 20 H a a k / R a n n a m ä e ,Tracing (wie Anna. 14), S. 146-148, Abb. 6. 21 H aak u.a., Worked and unworked (wie Anm. 19), S. 309 f. 22 Eve Rannamäe / Lembi Löugas, Animal exploitation in Karksi and Viljandi during the Late Prehistoric Times and the Middle Ages, in: The Ecology of Crusading, Colonisation and Religious Conversion in the Medieval Eastern Baltic. Terra Sacra II, hg. v. Aleks G. Pluskowski (im Druck); Haak u.a, Worked and unworked (wie Anm. 19), S. 308 f. 23 Rannamäe/Löugas (wie Anm. 22).

85 Neben den Angaben über die Nahrung auf der Burg dienen die bei archäologischen Ausgrabungen gefundenen unvollendeten Erzeugnisse und Verarbeitungsrestc als di­ rekter Hinweis auf die auf der Ordensburg stattgefundenen Aktivitäten. Bisher haben sich zwei im 13. Jahrhunderts tätige Handwerksbereiche herausgestellt. Zahlreiche Reste von Knochen- und Hornverarbeitung zeigen, dass man sich mit diesem Bereich auf der Hauptburg, wahrscheinlich in deren südlichem Teil beschäftigt hat. Neben vielen Schlagspänen kommen auch rechteckige Hebelchen und Spuren der Verwen­ dung eines zirkelähnlichen Werkzeugs vor, Drechseln ist gleichfalls nicht ausgeschlos­ sen. Heidi Luik, die knöcherne Gegenstände untersucht hat, schlug vor, dass wenigs­ tens einige der gefundenen Abfälle aus der Herstellung von Armbrustnüssen aus Horn aus dem Ordenshaus stammen (Abb. 2: 3)24 - ein Tätigkeitsbereich, der mit der Vorstellung über die Tätigkeiten auf der Burg durchaus vereinbar ist.25 Alle Verarbei­ tungsreste sind zeitlich nicht so gut datierbar, und so ist es wahrscheinlich, dass diese teilweise auch auf die Herstellung von Würfeln oder Handgriffsplatten aus Geweih oder Gegenständen aus Knochen zurückzuführen sind,26 für deren Verbindung mit dem 13. Jahrhundert es bisher keine Grundlage gibt. Auch andere, in den Schichten des 13. Jahrhunderts vertretenen und auf handwerkliche Tätigkeit hinweisenden Funde hängen mit dem Bereich der Rüstung zusammen. Es wur­ den über 50 aus Draht gebogene Ringelchen gefunden (Durchmesser 10-12 mm, an den Enden breiter gebogen).27 Nach Einschätzung von Ain Mäesalu wurden diese zur Repa­ ratur von Ringpanzerhemden benutzt.28 Es ist normal, dass die Rüstungen der Ordens­ ritter von Zeit zu Zeit der Instandsetzung bedurften und man sich damit wahrscheinlich gerade auf der Burg beschäftigte. Aus Preußen sind Schnitzhäuser des Ordens bekannt, in denen solche Arbeiten vorgenommen wurden.29 Auch die aus den damaligen Schichten gesammelten Waffenfunde, z. B. Armbrustbolzen (Abb. 2:2),30 gehören zur Rüstung. Wenn wir die aus dem 13. Jahrhundert und dem Anfang des 14. Jahrhunderts stammenden archäologischen Daten auf der Burg Fellin zusammenfassen, stellen

24 Haak u.a., Worked and unworked (wie Anm. 19), S. 311-313, Abb. 16; Heidi Lu ik , Bone-wor- kers in medieval Viljandi, Estonia: comparison of finds from downtown and the Order’s castle, in: Everyday Products in the Middle Ages: Crafts, Consumption and the Individual in Northern Europe c. AD 800-1600, hg. v. Gitte Hansen/Steven Ashby/Irene Baug, Oxford 2015, S. 91-109, hier S. 97-99, Abb. 6: 9. 25 Siehe auch Sven Ekdahl, Horses and Crossbows: Two Important Warfare Advantages of the Teutonic Order in Prussia, in: Welfare and Warfare, hg. v. Helen Nicholson (The Military or­ ders 2), Aldershot 1998, S. 119-151, hier S. 147 f. 26 Haak u.a, Worked and unworked (wie Anm. 19), S. 311, 315, 319, 321-324, Abb. 26,27. 27 Haak, Arheoloogiaandmed (wie Anm. 14), S. 36, Abb. 28 H a a k , Archaeological investigations at the Late Iron Age settlement (wie Anm. 6), S. 98. 29 Friedrich Benninghoven, Die Burgen als Grundpfeiler des spätmittelalterlichen Wehrwesens im preußisch-livländischen Deutschordensstaat, in: Die Burgen im deutschen Sprachraum. Ihre rechts- und verfassungsgeschichtliche Bedeutung 1, hg. v. Hans Patze (Vorträge und Forschun­ gen 19), Sigmaringen 1976, S. 565-601, hier S. 593 f. ^ 2' 4ll ^' ^ rc^aeo^°8'ca' investigations at the Late Iron Age settlement (wie Anm. 6), S. 97, Abb. 6:

86 wir fest, dass 1) die Angaben über die damaligen Lebensvorgänge sich auf den süd­ lichen Teil der jetzigen Hauptburg konzentrieren; 2) auf der Burg sich eindeutige Spuren sowohl von Reparaturen von Ringpanzerhemden als auch von Geweihver­ arbeitung finden; es kann sein, dass dies wenigstens teilweise mit der Herstellung oder Instandsetzung von Armbrüsten zusammenhängt; 3) die Schichten sich nicht an deren ursprünglichem Entstehungsort befinden, weshalb eine genauere Analyse der Verwendung des Burgraums beim jetzigen Forschungsstand nicht möglich ist, und 4) das damals in der Burg benutzte Tafelgeschirr deutlich luxuriöser war als das in den Städten normalerweise gebrauchte. Die Behandlung der Lebensumstände vom 14. bis zur Mitte des 16. Jahr­ hunderts soll wesentlich knapper Angaben behandelt werden, weil die Fundsub­ stanz gegenüber der früheren und späteren Periode sehr begrenzt ist. Nach der Fertig­ stellung des Konventhauses (Abb. 1: C) ungefähr um 130031 hatte die Hauptburg die auch heute erkennbare Gestalt, es bestand nur aus einem Hauptstockwerk und dem Kellergeschoss. Die Erdarbeiten haben einige Spuren auch in der archäologischen Stratigraphie hinterlassen, leider sind diese aber nicht genauer als auf das letzte Drittel des 13. / erste Drittel des 14. Jahrhunderts datierbar.32 Die Erhöhung des Konventhau­ ses um ein weiteres Stockwerk fand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts statt.33 Der Innenraum des Konventhauses war bemerkenswert prächtig dekoriert. Die Sammlung der Kapitelle hat schon früher wissenschaftliche Beachtung gefunden,34 zu­ letzt ist vorgeschlagen worden, dass ein Teil von ihnen nur sekundär in Fellin verwendet worden sei.35 Auch in den Feldarbeiten von 2000-2004 wurden einige Kapitelle (und Fragmente) gefunden: 2000 zwei im Südflügel, 2001 eins in der Kapellenruine (Abb. 3:1) und 2004 ein komplettes Exemplar nördlich des Nordflügels sowie ein weiteres Frag­ ment mit teilweise erhaltener roter Farbfassung im Hof östlich des Ostflügels.36 Ebenso bestätigen Fragmente von bemaltem Putz aus der Kapelle (Abb. 3: 3) und polychrome Ofenkacheln37 die kostbare Innenausstattung des Konventhauses.

31 Kaur A lt toa, Viljandi ordulinnuse arhitektuur. On the Architecture of Viljandi Castle; in; Vil- jandi ordulinnus (wie Anm. 8), S. 87-110, hier S. 102; A lt toa, Kapitelle (wie Anm. 8), S. 15. 32 H a a k , Excavations at Viljandi Castle (wie Anm. 6), S. 75; ders., Archaeological investigations at Viljandi (wie Anm. 6), S. 109; ders., Archaeological investigations at the Late Iron Age settlement (wie Anm. 6), S. 92. 33 A i t toa, Viljandi ordulinnuse arhitektuur (wie Anm. 31), S. 103 f. 34 Armin Tuulse, Viljandi ordulossi kapiteelid [Die Kapitelle der Ordensburg Fellin], in; Littera- rum Societas Esthonica 1838-1938. Liber saecularis, Tartu 1938, S. 755-769; Alttoa, Kapitelle (wie Anm. 8). 35 Alttoa, Kapitelle (wie Anm. 8), S. 24 f., 28. 36 Haak, Archaeological investigations of the Castle Ruins (wie Anm. 6), Abb. 2; ders./ Valk, Archaeological investigations (wie Anm. 6), Abb. 3; Haak, Archaeological investigations at the Late Iron Age settlement (wie Anm. 6), S. 98, Abb. 5. 37 Ders., Arheoloogiaandmed (wie Anm. 14), S. 46 f. und Abb.

87 Abb. 3: Archäologische Funde des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts: 1 - Kapitel; 2 - Glättstein aus Glas; 3 - Putz aus dem Kapellenareal; 4 - Luntenschloss.

In derselben Periode wurde auch östlich des Konventhauses, zwischen dem Kon­ venthaus und der ursprünglichen Ringmauer, ein neues Gebäude errichtet.18 Von diesem sind nur die Ostwand und ein Ziegelfußboden erhalten. Dort war es mög- 38

38 Ders., Archaeological investigations at Viljandi (wie Anm. 6), S. 111 f.; ders.. Archaeological inves­ tigations at the Late Iron Age settlement (wie Anm. 6), S. 92-94.

88 lieh, Schichten über dem Boden, die in der Nutzungszeit des Hauses entstanden, archäologisch zu untersuchen. Einige dort gefundene Gegenstände, wie Würfel,39 Münzen aus dem 15. Jahrhundert,40 einige mit militärischer Ausstattung verbunde­ ne Funde wie Armbrustnüsse usw. erlauben, dieses Gebäude mit der besoldeten Wachmannschaft zu verbinden und die Benutzungszeit ins 15. und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zu datieren. Gegen Ende dieser Periode haben die Bauarbeiten auch die erste Vorburg erreicht, wo man das an der Seeseite der Burg befindliche Gebäude, das in kleine Räume un­ terteilt war, errichtete. Früher wurde es als Wohnhaus für Söldnern bezeichnet,41 Kaur Alttoa hat das Gebäude jedoch mit der Notwendigkeit zur Unterbringung zusätzlicher Amtsträger auf dem Burggelände verbunden.42 Man hat ebenfalls vermutet, dass im 14. Jahrhundert der umfangreichere Ausbau der zweiten und dritten Vorburg begann, jedoch stehen archäologische Untersuchungen zur Klärung der Entstehungsgeschichte der dortigen Bauten noch aus. 2006-2007 wurde die Westseite der dritten Vorburg untersucht, wo Fragmente des Haupttors der Burg mit einer Schlupfpforte gefunden wurden43 und eines Hauses mit Warmlufthei­ zung, das wahrscheinlich als Wohnung der Stalljungen gedient hat.44 Schließlich sollen die die Hauptburg und die Hauptachse der Stadt - die Schloss­ straße - verbindenden Brücken aufgezeigt werden. Die Entstehung der mittelalter­ lichen Stadt Fellin in der Gestalt, wie sie aufgrund der Stadtmauer und des Straßen­ netzes rekonstruierbar ist, ist ohne das Vorhandensein der die Vorburgen mit dem Stadtgelände verbindenden Brücken nicht denkbar.45 Somit darf angenommen wer­ den, dass spätestens im 14. Jahrhundert, als nach den jetzigen Erkenntnissen die Stadtmauer Fellins zusammen mit den wichtigsten Toren erbaut wurde,46 vielleicht

39 Ders., Archaeological investigations at Viljandi (wie Anm. 6), Abb. 5: 3, 5, 6. 40 Mauri Kiudsoo, New interesting coin finds in 2003, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2003, Tallinn 2004, S. 201-206, hier: Appendix I, Nr. 23, 26, 31; Mauri Kiudsoo, New interes­ ting coin finds in 2004, in: Archaeological Fieldwork in Estonia 2004, Tallinn 2005, S. 181-188, hier Appendix I, Nr. 13, 14, 16 und 20. 41 August Westren-Doll, Burg und Stadt Fellin zu polnischer Zeit, in: Sitzungsberichte der Ge­ lehrten Estnischen Gesellschaft 1928, Dorpat 1929, S. 67-83, hier S. 82 f., Plan und Erklärungen. 42 Alttoa, Viljandi ordulinnus (wie Anm. 9), S. 99 f.; Alttoa, Viljandi ordulinnuse arhitektuur (wie Anm. 31), S. 93. 43 Haak/Juurik, Archaeological investigations (wie Anm. 6), S. 90 f., Abb 7. 44 Andres T vauri/A ivar Kriiska/Rivo Bernotas, Archaeological research in Viljandi, in: A r­ chaeological Fieldwork in Estonia 2007, Tallinn 2008, S. 153-163, hier S. 154-158. 45 Kaur Alttoa, Viljandi linna kujunemisest [Zur Entstehung der Stadt Fellin], in: Ehitus ja arhitek­ tuur 2, 1978, S. 48-54, hier S. 53; Heiki Valk.The Genesis of Viljandi (Fellin): Archaeological Data, in: Riga und der Ostseeraum. Von der Gründung 1201 bis in die Frühe Neuzeit, hg. v. Ilgvars M i s - ans /Horst Wernicke (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 22), Marburg 2005, S. 95-107. 46 Andres Tvauri, Viljandi linnamüüri arheoloogilised uuringud aastatel 1997-1999 [Archäologi­ sche Untersuchungen an der Felliner Stadtmauer in den Jahrn 1997-1999], in: Viljandi Muuseumi aastaraamat 2000, Viljandi 2001, S. 92-110, hier S. 105-107; Rivo Bernotas, Estonian small towns in the Middle Ages: archaeology and the history of urban defense, in: Ajalooline ajakiri 3, 2013, S. 265-297, hier S. 286.

89 sogar schon in den 1270er/1280er Jahren,47 der Verkehr zwischen Burg und Stadt auf der Linie der Schlossstraße, somit durch die Vorburgen stattgefunden hat. Die unberührten archäologischen Schichten des 14. bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind ebenfalls vor allem östlich des Konventhauses, auf dem Gelände zwischen dem Konventhaus und der ursprünglichen Ringmauer, untersucht worden,48 ebenso in der Nähe des turmartigen Gebäudes südlich des Konventhauses,49 und am südlichen Flügel der Burg. Mehrere Funde wurden während der 1878/79 vorgenommenen Ausgrabungen gemacht, bei denen nicht ganz klar ist, aus welchen Räumen sie stammen. Es wäre möglich, dass diese Ausgrabungen neben den Schich­ ten der Endperiode der Burg, die die Burgräume mit Bauschutt füllte, auch frühere Schichten erreicht wurden. Obwohl die Fundsubstanz für die Zeit des 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts nicht sehr reichhaltig ist, sind einige Schlussfolgerungen dennoch möglich. Einige Gegenstände der Periode (Abb. 3-5) zeugen davon, dass auch in diesem Zeitraum sich in der Burg ein ziemlich luxuriöses Verbrauchsmodell fortsetzte, das deutlich repräsentativer war als das sich anhand der damaligen Schichten der Stadt Fellin herausstellt. Unter der Keramiksubstanz fallen in dieser Periode neben der meist- verbreiteten Produktion des Töpferzentrums Siegburg noch einige Importwaren aus südsächsischen Zentren und das sog. Igelgefäß aus Waldenburg auf. Vor Ort hergestellte Keramik fehlt in diesen Schichten fast völlig, dagegen wurden Frag­ mente von Metallkochgeschirr gefunden. Ein ähnliches Bild - Verringerung der Anzahl des mit der Essenszubereitung verbundenen Geschirrs und die führende Rolle der Importkeramik unter den Funden - gewinnt man auch anhand der Fundkomplexe der Latrinen der damaligen Stadt Dorpat/Tartu50 und der Funde aus der Stadt Fellin. Kleine Fragmente von Glasgeschirr mit Emailbemalung, möglicherweise von Schalen, stammen aus Nordböhmen, möglicherweise aus der Werkstatt des Glasmachers Christoph Schürer.51 Auch das Aquamanile (Abb. 4) ist ein sehr seltener Fund. Das in den zeitgenössischen Schichten gefundene Lun­ tenschloss (Abb. 3: 4)52 ist das früheste Detail von Feuerwaffen in der Burg Fellin, neben einer Menge späterer Exemplare. Eine große Kollektion von Spielsteinen,

47 Hero Heinloo, Development of the town Viljandi in light of the studies at Lossi Street, in: Ar­ chaeological Fieldwork in Estonia 2014, Tallinn 2015, S. 133-144, hier S. 142 f. 48 Haak, Archaeological investigations at Viljandi (wie Anm. 6), S. 109-112, 114-117; ders., Archa­ eological investigations at the Late Iron Age settlement (wie Anm. 6), S. 92-94, 96-98. 49 Tvau r i, Arheoloogilised kaevamised (wie Anm. 4), S. 89-92. 50 Arvi Haak/Erki Russow, Interpreting find complexes from the medieval cesspits of Tartu, in: Archaeological Textiles in Northern Europe, hg. v. Arvi Haak /Riina R a m m o (Muinasaja tea- dus 22), Tartu 2012, S. 147-172, hier S. 158, Tabelle 2. 51 Niilisk u.a (wie Anm. 18), S. 209. 52 Haak, Archaeological investigations of the Castle Ruins (wie Anm. 6), Abb. 3.

90 Abb. 4: Aquamanile aus Bronze.

Schachfiguren und Würfeln (Abb. 5)53 gibt einen Hinweis auf den Zeitvertreib auf der Burg. Im Knochenmaterial dominieren ebenfalls die Knochen von Ziegen, Schafen und Rindern; auch Schweineknochen sind recht zahlreich.54 Es handelt sich in der Mehr­ zahl um von fleischreichen Körperbereichen stammende Knochensubstanz. Somit scheint, dass die aus den damaligen Schichten gesammelten Funde von Tierknochen Küchenabfälle sind und die Essgewohnheiten der Burgbewohner widerspiegeln, je­ doch nicht mit handwerklicher Tätigkeit in Verbindung stehen, wie die zuvor unter­ suchten Knochenfunde aus den Schichten der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.55 Einige Nachweise über Knochen- und Geweihverarbeitung gibt es allerdings auch aus dieser Periode.56 Von Wildtieren stammen in diesen Schichten eine größere Menge an Hasenkno­ chen, außerdem wurden einige von Reh, Elch und Luchs gefunden. Hühner-, En­ ten- und Gänseknochen gibt es deutlich mehr als Vogelknochen. Die größere Zahl

53 H aak u.a., Worked and unworked (wie Anm. 19), S. 314-315, Abb. 18. 54 Ra nna mäe/Löu gas (wie Anm. 22). 55 Ebd. 56 Haak u.a., Worked and unworked (wie Anm. 19), S. 321-327.

91 Abb. 5: Spielsteine und Schachfiguren aus Fellin. von Vogelknochen im Vergleich zu den städtischen und vorstädtischen Schichten von Fellin ist auffallend.57 Die Analyse der Fischknochen hat ergeben, dass Binnen­ fische, wie Flussbarsch, Hecht, Karpfen (Cyprinidae), Brachse (Abramis brama), Quappe (Lota Iota) und Zander (Sander lucioperca) überwiegen. Auch die Zahl der Meeresfische, wie Dorsch und Strömling, ist höher als früher. Das Visitationsproto­ koll von 1451 verzeichnet zusammen mit anderen Vorräten an Lebensmitteln zahl­ reiche Fischarten wie getrocknete Hechte, Strömlinge, Salzheringe, Neunaugen,

57 Rannamäe/Löu gas (wie Anm. 22).

92 getrocknete Dorsche und Lachse aus Bergen.58 In derselben Quelle werden Speck­ seiten, getrocknete Rinder und Schafe erwähnt,59 die mit der Analyse der Tierkno­ chen in Einklang stehen. Die Burg Fellin hat im Laufe des Livländischen Kriegs in August 1560 den Eigen­ tümer gewechselt, als der vorletzte Ordensmeister Wilhelm von Fürstenberg, der in Fellin residierte, nach zweiwöchiger Belagerung vor den russischen Truppen kapitulierte,60 und mit dem Friedensvertrag von Jam Zapolski 1582 wurde Polen zum Besitzer der Burg.61 Im Schwedisch-Polnischen Krieg von 1600 bis 1622 wurde Fellin dreimal erobert und laut Dionysios Fabricius 1611 völlig zerstört.62 Die Rui­ nen des Konventhauses waren schon 1878/79 bis zum Bodenniveau abgeräumt und aus archäologischer Sicht sind die Reste aus den Machtperioden Russlands, Polens und Schwedens stratigraphisch in der Regel nicht zu unterscheiden. Eine Ausnahme, dass Schichten dieser Perioden erkennbar sein könnten, bildet der vorkragende Chorraum an der Nordostecke. 2001 und 2006 wurde der tonnenge­ wölbte Kellerraum unter dem Kapellenchor untersucht, und direkt über dem Fuß­ boden war eine Brandschicht mit Funden aus dem Ende des 16. Jahrhunderts erhal­ ten.63 Unter ihnen sind Fragmente eines Eisenhelmes (Abb. 7:2) sowie Schlösser und Schlüssel64 bemerkenswert. Auch im Gebäude südlich des Chorraums wurde eine Brandschicht mit ähnlicher Datierung gefunden,65 zusammen mit einem runden Abfallloch, das eine Menge an Fischgräten enthielt und den Backsteinboden dieses Raumes durchschnitt. Das weist auf eine Funktionsänderung des Raumes hin, der jetzt als Wohn- oder Küchenraum diente. Ebenso passt der im Innenhof, unter dem Kreuzgang errichtete Backofen mit Backsteinboden66 nicht zur gewöhnlichen Nut­ zung des Konventhauses und wurde wahrscheinlich in derselben Zeit gebaut.

58 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter. Teil II: 1450-1519, hg. v. Marian Biskup u. Irena Janosz-Biskupowa unter der Redaktion v. Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/11 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Iordens 10/11), Marburg 2004, Nr. 147, S. 19-40, hier S. 36; Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch, Bd. 11, hg. v. Philipp Schwartz, Dorpat 1905, Nr. 160; Juhan K reem, Saksa ordu ja Viljandi linnus. The Teutonic Order and Viljandi Castle, in: Viljandi ordulinnus (wie Anm. 8), S. 65-85, hier S. 74 f. 59 Liv-, est- und kurländisches Urkundenbuch (wie Anm. 58), Nr. 160. 60 Johann Renner’s Livländische Historien, hg. v. Richard Hausmann /Konstantin H ö h 1 b a u m , Göttingen 1876, S. 320 f., 326-329; Balthasar Russow, Chronica der Prouinz Lyfflandt (Scripto- res Rerum Livonicarum 2), Riga/Leipzig 1853, S. 60 f. 61 Christian Kelch, Liefländische Historia, oder Kurtze Beschreibung der Denckwürdigsten Kriegs- und Friedens-Geschichte Esth- Lief- und Lettlandes, Reval 1695, S. 371—374. 62 Dionysius Fabricius, Liivimaa ajaloo lühiülevaadc. Livonicae historiae compendiosa series, Tartu 2010, S. 354-357. 63 Haak/Valk, Archaeological investigations (wie Anm. 6), S. 93; Haak/Juurik, Archaeologi­ cal investigations (wie Anm. 6), S. 89 f. 64 Haak/Valk, Archaeological investigations (wie Anm. 6), Abb. 4. 65 Ebd., S. 93 f.; H a a k , Excavations at Viljandi Castle (wie Anm. 6), S. 75 f. 66 H a a k , Excavations at Viljandi Castle (wie Anm. 6), S. 78 f., Abb. 5. Abb. 6: Archäologische Funde aus russischer und polnischer Zeit: 1 - Perlen; 2 - Anhänger.

Auch im nördlichen Teil der ersten Vorburg war ein Kellerraum in dieser Zeit bewohnt,67 da über einer Schicht Bauschutt eine Feuerstelle mit offenem Herd ange­ legt war. Unter den Funde gibt es eine Reiseflasche russischer Herkunft und einen schwedischer Schilling von Johann III. (1568-1592). Ebenfalls gefundene Schmuck­ gegenstände (Abb. 6) wie Perlen und ein knöcherner Anhänger68 zeigen, dass es hier in der russischen, vielleicht auch in der polnischen Zeit gleichfalls weibliche Bewoh­ ner gab. Die genaueste Revision der Burg Fellin fand während der polnischen Periode 1599 statt69. Auf deren Angaben beruhen die meisten Informationen über die Funktion der Räume, auch für das Mittelalter (wenngleich sie aus den etwa 40 Jahre nach Ende der Ordenszeit geschriebenen Angaben eruiert werden müssen) sowie für die Kriegsjahre. Im Fundmaterial der Ausgrabungen 1878/79 gibt es viele Rüstungsfragmente, da­ runter von Feuerwaffen, sowie ein Pulverhorn (Abb. 7: 5),70 aber auch Berdysche {bardiche, Streitäxte) russischer Art (Abb. 7 :3)71 usw. Die auf der Hauptburg gefun-

67 Haak/Juurik, Archaeological investigations (wie Anm. 6),S. 87-89, Abb. 3. 68 Ebd., Abb. 4. hl Jan Jakubowski/Jözef Kordzikowski, Inflanty, 1 (Polska XVI wieku pod wzglfdem geo- graficzno-statystycznym XIII/1), Warszawa 1915, S. 162-172. 70 H a a k , Arheoloogiaandmed (wie Anm. 14), S. 57, Abb. 71 Ebd., S. 58, Abb.

94 \bb. 7: Archäologische Funde aus russischer und polnischer Zeit: 1 - Feldflasche russischer Herkunft; 2 - Fragmente eines Eisenhelms; 3 - Berdysche; 4 - Keramik russischer Herkunft; 3 - Pulverhorn; 6 - Steinzeug Frechener Art.

95 denen Sensen, Landäxte und anderes Ackerwerkzeug72 weisen auf die Möglichkeit hin, dass Eisenmaterial damals auf der Burg zusammengetragen worden war. In der gut erhaltenen Keramiksubstanz ist wieder in größerer Zahl das Kochgeschirr rus­ sischer Art aus weißem und grauem Ton vertreten (Abb. 7: 4),73 zusammen mit ke­ ramischen Feldflaschen (Abb. 7: 1) und luxuriöseren Importwaren (Abb. 7: 6).74 Das allgemeine Bild der Tierknochen in den Schichten aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stellt sich ganz ähnlich wie in der früheren Periode dar. Hier fällt das Vorkommen von Knochen auch von fleischarmen Bereichen (Schädel- und Ex­ tremitätenteile) auf,75 was darauf hinweisen könnte, dass mindestens ein Teil der Tie­ re lebend in die Burg gebracht wurden und die weitere Verarbeitung dort stattge­ funden hat. Hinsichtlich des Knochenmaterials sind die Proportionen von Rindern, Ziegen/Schafen und Schweinen den früheren sehr ähnlich, nur der Anteil an Rin­ derknochen ist etwas größer als in der letzten Periode. Auch bei den Wildtieren gibt es keine größeren Unterschiede zu älteren Schichten: Die Mehrzahl sind Hasenkno­ chen, einige stammen von Reh, Rothirsch und Biber. Auch Hühner, Enten und Gänse wurden verzehrt.76 Es ist ziemlich schwer, sich Fleischerarbeiten während der Herrschaft des Ordens in unmittelbarer Nähe zum Flügel mit Burgkapelle und Wohnräumen vorzustellen. Daher ist es wahrscheinlich, dass diese Schichten aus der Zeit stammen, als schon die nächsten Eigentümer auf der Burg lebten. Fisch­ knochen aus dieser Zeit sind leider noch nicht näher untersucht.

Beim Vergleich der Ergebnisse müssen wir zunächst betonen, dass es in der Entste­ hungsgeschichte der Burg Fellin mehrere offene Fragen gibt. Auch spiegeln die aus den archäologischen Ausgrabungen stammenden Funde und Befunde bei weitem nicht alle Etappen der Nutzungszeit der Burg in gleichem Maße wider. Über die Situation am Ende des 13. Jahrhunderts sind gründlichere Schlussfolgerungen mög­ lich, weil wegen der zu planenden oder schon begonnenen Bauarbeiten als Boden­ füllung des Hofs der ersten Vorburg die damaligen Überreste des Lebens verwendet wurden, die dann unter dem lehmhaltigen Boden erfolgreich erhalten geblieben sind. Die zweite, ein reichhaltigeres Fundmaterial umfassende Periode ist die Zeit vor der Zerstörung der Burg, jedoch sollte hier berücksichtigt werden, dass das ge­ fundene Material von mehreren Eigentümern aus der Endperiode der Burg stammt;

72 Ebd., S. 60, Abb. 73 Andres Tvauri, Liivi söja aegne Vene keraamika Eesti linnustes ja Linnades. in: Linnusest ja linnast. Uurimusi Vilma Trummali auks [Über Burg und Stadt. Aufsätze für Vilma Trummal], hg. v. Arvi H aak/Erki Russo w/AndresTvau ri (Muinasaja teadus 14),Tartu 2004, S. 395—419, hier S. 398-406, Abb. 2 : 1-5, 4: 1, 5. 74 H a a k , Arheoloogiaandmed (wie Anm. 14), S. 62, Abb. 75 Ehajä r v, Viljandi ordulinnuses2002. aastaarhcoloogilistel kaevamistel leitud loomaluudeosteo- loogiline ekspertiis [Osteologische Untersuchung der Tierknochen, bei Ausgrabungen in der Burg Eellin 2002 gefunden], Tartu 2003 (Manuskript, Archäologische Abteilung der Universität Tartu). 76 Rannamäe/Löugas (wie Anm. 22).

96 obwohl ein Teil davon auch bei den unterschiedlichen Besitzern in Gebrauch sein konnte, muss diese Schlussfolgerung bei weitem nicht für alle Gegenstände gelten. Somit haben wir eine Menge Daten, die nur teilweise über die Tätigkeit des Ordens sprechen. Ein Teil der auf der Burg überlieferten Funde kann auch in der Umgebung gesammelt und auf der Burg aufbewahrt worden sein, so dass diese mehr Informa­ tionen über die Verhältnisse in Livland während der Kriegsperiode im 16. Jahrhun­ dert als über den Lebensstil einer der mächtigsten Burgen des livländischen Ordens­ zweiges bieten. Auch bei der Bearbeitung der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Funde steht noch große Arbeit an, jedoch können wir beim jetzigen Forschungs­ stand bereits feststellen, dass die mit der Endperiode der Burg Fellin verbundene Fundsubstanz bemerkenswert groß sowie von vielfältiger Zusammensetzung und wahrscheinlich auch Herkunft ist. Der zeitliche Vergleich der über die vier Jahrhunderte der Ordensburg Fellin ge­ sammelten archäologischen Fundsubstanz erlaubt es, einige Änderungen in der Welt der Burgbewohner hervorzuheben. Nach dem Konzept des belgischen Zooar­ chäologen Ervynck kann die mittelalterliche Burg als Spitzenprädator in der mittel­ alterlichen Verbrauchsstrukturbetrachtet werden,77 in dem Sinn, dass die Burgbe­ wohner die Möglichkeit hatten, zahlreiche Luxusobjekte und erstklassige Nahrungsmittel zu erhalten, bei Bedarf auch durch Fernhandel. In dem vorgestell­ ten Material von Fellin gibt es ebenfalls einige Beispiele dafür. Obwohl aufgrund des Tafelgeschirrs und der Tierknochen der Bereich der Essgewohnheiten zahlrei­ cher vertreten ist, können wir uns einige Verallgemeinerungen erlauben. Wenn an­ hand des Materials aus dem 13. und dem Anfang 14. Jahrhunderts auf der Burg überdurchschnittlich kostspieliges Geschirr verwendet wurde, was auch auf die Möglichkeit hinweist, dass man z. B. Gästen die Zugehörigkeit zu den wohlhaben­ deren Verbrauchern dieser Kulturtradition demonstrieren konnte, dann ist in den nächsten Jahrhunderten eine derart auffällige Unterscheidung im archäologischen Material nicht mehr gegeben, obwohl einzelne luxuriösere Gegenstände natürlich Vorkommen. Die archäologische Fundsubstanz für die Nutzungszeit des Konvent­ hauses ist wesentlich knapper, aber das gilt nicht für die Vielfalt der Sachkultur dieser Zeit. Somit ist es wahrscheinlich, dass das Geschirr im täglichen Leben des Ordenshauses damals nicht das Mittel war, durch das man größere Aufmerksamkeit hätte gewinnen können. Die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stattgefun­ dene Diversifizierung des Materials spiegelt aber wahrscheinlich die andersartigen Bedürfnisse der neuen Burgbesitzer wider. Auch anhand des Knochenmaterials können wir folgern — wobei wir die aus dem 13. Jahrhundert stammende besondere Überlieferung beiseite lassen -, dass es Rinder-, Ziegen-/Schafs- und Schweinekno­ chen im ähnlichen Verhältnis über die gesamte Existenz der Ordensburg Fellin gab.

77 Anton Ervynck, Medieval castles as top predators in the feudal system: an archaeozoological approach, in: Chateau Gaillard 15, 1992, S. 151-159, hier S. 154.

97 Im Vergleich zu den damaligen städtischen Schichten fällt das Vorkommen von Wildtierknochen, besonders Hasenknochen auf, was auf Jagd hinweisen könnte. Die wenigen Reste von Bär, Biber und Luchs können neben Jagd auch auf Pelzhan­ del hinweisen. Produktionsreste und Objekte von Rothirschgeweih zeigen, dass für handwerkliche Produktion neben dem lokalen Elchgeweih auch Importrohstoff be­ nutzt wurde. Wahrscheinlich gab es ebenfalls Vogelfang, obwohl die Bestimmung von Haus- und Wildente sowie -gans kompliziert ist und zusätzliche Untersuchun­ gen benötigt. Die angeführten Beispiele über die Möglichkeiten zur Erforschung des Lebens auf dem Ordenshaus Fellin anhand des archäologischen Materials zeigen, wieviel größer die Möglichkeiten sind, auf Grundlage des auf einen engeren Zeitraum da­ tierten stratifizierten Materials zu Ergebnissen zu gelangen, andererseits aber auch die Notwendigkeit weiterer Vergleiche bei der Interpretation der gesammelten Er­ gebnisse. Erste Schlussfolgerungen über den auf der Burg Fellin charakteristischen Lebensstil sind dennoch möglich.

98 Der Baukompex von Peude auf Ösel. Eine frühe Ordensburg mit einem Nachleben?

von Villu Kadakas und Juhan Kreerrr'

Die Burg Peude (Pöide) liegt im östlichen Teil der Insel Ösel (Abb. 1), im Zentrum des gleichnamigen Kirchspiels auf einem Bergabhang dicht bei der Kirche und hat eine ei­ genartige Verbindung mit der Kirche gebildet. Von der Burg sind heute nur noch gerin­ ge Mauerreste zu sehen (Abb. 2, im Farbteil). Allein die Kirche, ein mittelalterlicher Bau, ist sehr gut erhalten (Abb. 3). Allgemein verbreitet ist die Meinung, die Burg Peude habe im Vergleich mit anderen Burgen des Ordens in Estland eine sehr kurze Geschich­ te gehabt: Sie wurde zwischen 1255 und 1290 als Machtzentrum des Deutschen Ordens auf Ösel gegründet und nach der Belagerung von 1343 verlassen und niemals wieder aufgebaut.1 Daher wird die Burg Peude in der Geschichtsschreibung nur sehr flüchtig erwähnt und hat in der Architekturforschung des Ordens bislang fast keine Rolle ge­ spielt. Es gibt nur eine Publikation, die sich ausschließlich mit den Problemen der Burg Peude beschäftigt,2 doch ist sie ein unvollendeter Ausgrabungsbericht aus dem 19. Jahr­ hundert. Der vorliegende Beitrag führt die in den neueren Ausgrabungen gewonnenen Angaben damit zusammen und überprüft die bisherigen Schlussfolgerungen. Vorgrei­ fend kann man sagen, dass ausgehend von den Bauresten, trotz der sehr kleinen Zahl der schriftlichen Quellen, die Geschichte dieses Baukomplexes wahrscheinlich nicht so kurz ist und dass auch andere Institutionen außer dem Orden zu ihrer Ausgestaltung beigetragen haben könnten. *

* Die Untersuchung wurde mit Unterstützung des Forschungsprojekts IUT18-8 der Estnischen Wissenschaftsagentur erarbeitet. 1 Jean Baptiste Holzmayer, Ordensvogtei Poida, in: Publikationen des Vereins zur Kunde Ösels, H. 1, Arensburg 1891, S. 2-34, hier S. 22-24; Karl von Löwis of Menar, Burgenlexikon für Alt-Livland, Riga 1922, S. 92; Armin Tu u 1 s e , Die Burgen in Estland und Lettland, Dorpat 1942, S. 86; Kalvi Aluve, Eesti keskaegsed linnused [Die mittelalterlichen Burgen Estlands], Tallinn 1993, S. 37 f. Folgende Abkürzungen werden benutzt: ERA — Eesti Ravusarhiv (Estnisches Nationalarchiv), Tal­ linn; LEKUB - Liv-, Est- und Kurländisches Urkundenbuch, hg. v. Friedrich Georg von Bunge. 2 Holzmayer (wieAnm. 1).

99 REVAL/ TALLINN

• PADISKLOSTER/ PADISE KLOOSTER \ HARRIEN/ \HARJUMAA

WIEK/ i'A , LÄÄNEMAA

NEU-PERNAU, UUS-PÄRNU

Abb. 1: West-Estland im 14. Jahr­ hundert. 1 - Gebiet des Deutschen *1 100 km j Ordens, 2 - Bistum Ösel-Wiek, 3 -H erzogtum Estland (unter dä- 1 J 2 .1. ] 3.[ . ] nischer Krone bis 1346).

Abb. 3: Kirche von Peude mit Sa­ kristei und Stelle der Burg (rechts) von Nordost 1925.

100 Die Schriftquellen

Es gibt sehr wenig schriftliche Quellen über Peude. Die Entstehung der Burg steht in Zusammenhang mit der Etablierung der Ordensmacht auf der Insel. Das verei­ nigte Heer des Ordens der Schwertbrüder, des Bischofs von Riga und der Stadt Riga hat die Insel erstmals 1227 erfolgreich erobert.3 Die Teilnehmer des Kreuzzugs teil­ ten die Gebiete durch Los zuerst vorläufig.4 Die Schwertbrüder haben auf diese Art unter anderem den Ostteil der Insel bekommen, in früheren Quellen Horele ge­ nannt, aber mit dem späteren Kirchspiel Peude identisch.5 Doch blieb die Herr­ schaft der Kreuzfahrer vorerst fragil. Die Brüder des Deutschen Ordens erbten die­ ses Gebiet von den Schwertbrüdern im Jahre 1237 einschließlich seiner Probleme. Während des 13. Jahrhunderts haben die Öseler sich zweimal erhoben, in den Jah­ ren 1236-1241 und 1261/62.6 Der Deutsche Orden entwickelte in Peude ein Zentrum, von dem aus alle Gebiete des Ordens auf den Inseln verwaltet wurden. Es entstand in der Nähe des alten Mittelpunkts der heidnischen Öseler - des Burgbergs, der nach dem nächsten Dorf Kahutsi oder nach dem Gau Peude benannt ist. Die Ordensburg und die etwas älte­ re Kirchspielkirche von Peude wurden ungefähr 2 km östlich des alten Burgbergs auf einer flachen Erhöhung erbaut (Abb. 4, im Farbteil). Der Ortsname Peude kommt zum ersten Mal 1254 vor und stammt nach Enn Tarvel wahrscheinlich von dem estnischen Wort paas (Kalkstein), als Genitiv Plural paede, wie z. B. auch der estnische Ortsname Paide für Weißenstein. Im Fall Weißenstein ist der deutsche Ortsname durch Übersetzung mit dem Estnischen verbunden, in Peude dient das estnische Wort als Ortsname in beiden Sprachen.7 Wann aber ist die Burg Peude erbaut worden? Eine Antwort lässt sich nur mit eini­ ger Wahrscheinlichkeit finden. Die Burg wird nur in wenigen Urkunden erwähnt. Im Jahre 1241, bald nach dem ersten Aufstand, hat der Ordensmeister Andreas von Fel­ ben mit den Öselern einen Vertrag geschlossen, in dem unter anderem bestimmt wur­ de, dass die Öseler einmal im Jahr einen Vogt bei sich aufnehmen sollen, der vom Michaelistag (29. September) bis in die Fasten Gericht halten sollte.8 Fast dasselbe

3 Heinrici Chronicon Livoniac, bearb. v. Leonid A r b u s o w /Albert Bauer, Hannover 1955, XXX, 35. 4 Liv-, Est- und Kurländisches Urkundenbuch, hg. v. Friedrich Georg von Bunge, Bd. 1, Reval 1853, Nr. 139; siehe auch Marika M ägi, Districts and centres on Saaremaa 1100—1400, in: Culture Clash or Compromise? The Europanisation of the Baltic Sea Area 1100-1400 AD, hg. v. Nils Blomkvist (Acta Visbyensia XI), Visby 1998, S. 147-157,hier. S. 150; JaakMail, Verwaltungs­ geschichte und Christianisierung der Insel Ösel im 13.—14, Jahrhundert, in: ebd, S. 158—166, hier. S. 159 f. 5 Mag i (wie Anm. 4), S. 151. 6 LEKUB, Bd. 1 (wie Anm. 4), Nr. 169; Livländische Reimchronik, hg. von Leo Meyer, Paderborn 1876, Verse 6105-6314. 7 Enn Tarvel, Kuressaare ja Pöide [Arensburg und Peude], in: Keel ja Kirjandus 10, 2004, S. 778- 780, hierS. 779. 8 LEKUB, Bd. 1 (wie Anm. 4), Nr. 169. 101 wird in einer weiteren Friedensurkunde von 1255 wiederholt.9 Aus diesen Angaben hat schon Jean Baptiste Holzmayer, der erste Erforscher der Burg im 19. Jahrhundert, geschlossen, dass der Vogt 1255 noch keinen festen Sitz auf Ösel hatte, und dass dem­ entsprechend die Burg Peude 1255 auch noch nicht erbaut war.10 Dieser Schlussfolge­ rung haben fast alle späteren Forscher zugestimmt." Bloß Tarvel hat behauptet, dass man aus den Verträgen von 1241 und 1255 eigentlich nichts über die Existenz der Burg oder ein Residieren des Vogts auf Ösel schließen kann, weil darin nur von der Dauer der Rechtsprechung die Rede ist, nicht jedoch von der Residenz des Vogts.12 Der Vogt von Peude wurde 1290 erwähnt in einer Urkunde des Ordensmeisters Holte (Halt), in der er die Einkünfte der Komtureien Goldingen und Windau in Kurland teilt.13 Daraus ist ersichtlich, dass die kurländischen Ordenshäuser durch die Ordensvögte in Jerwen und Peude beträchtlich unterstützt wurden. Offenbar konnten diese zwei Ordensämter damals bedeutende Überschüsse erwirtschaften. Diese alte Beziehung ist noch in der Mitte des 14. Jahrhunderts belegbar.14 Aus dem Faktum, dass 1290 der Öseler Vogt voget von Poyden hieß, hat schon Holzmayer geschlossen, dass er in Peude residieren musste und dass das Schloss in irgendeiner Form schon einige Jahre früher erbaut worden war.15 Auf Grund dieser Argumente haben die meisten Forscher angenommen, die Erbauung der Burg dürfte in die Zeit zwischen 1255 und 1290 fallen.16 Wenn man aber die Meinung von Tarvel in Be­ tracht zieht, könnte die Burg theoretisch auch früher gegründet sein, vielleicht schon sofort nachdem die Öseler 1241 unterworfen waren.17 Im Zeugenverhör des Franciscus de Moliano aus dem Jahre 1312 sind die Ereignis­ se von 1299 beschrieben, wobei ein Turm von Peude zum ersten Mal erwähnt wird. Die Ordensbrüder hatten in diesem Turm achtzig Öseler, die in der Fehde mit dem Bischof von Ösel-Wiek auf der Seite des Bischofs standen, gefangen gehalten.18 Zur Zeit des großen Estenaufstandes 1343, des Aufstandes der Georgsnacht, wurde die

9 Ebd., Nr. 285. 10 Holzmayer (wie Anm. 1), S. 19. 11 Tuu lse, Burgen (wie Anm. 1), S. 85; Aluve, Eesti keskaegsed linnused (wie Anm. 1), S. 37 f.; Kaur A 111 oa, Saaremaa keskaegsed linnused [Die mittelalterlichen Burgen Ösels], in: Saaremaa 2: Ajalugu, majandus, kultuur [Osel Bd. 2: Geschichte, Wirtschaft, Kutur], Tallinn 2007, S. 821— 825, hier S. 824 f. 12 Tarvel (wie Anm. 7), S. 780. 13 LEKUB, Bd. 1 (wie Anm. 4), Nr. 536. 14 Albert Bauer, Die Wartgutsteuerliste der Komturei Goldingen, in: Mitteilungen aus der Livlän- dischen Geschichte 25, Riga 1933, Anhang S. 182-185; LEKUB, Bd. 2, 1855, Nr. 803, 805. 15 Holzmayer (wie Anm. 1), S. 19. Daraufhin hat Tu u 1 s e , Burgen (wie Anm. 1), S. 85 behauptet, in dieser Urkunde werde schon die Burg von Peude erwähnt, doch ist hier nur der Vogt genannt. 16 Tu ulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 85; A luve, Eesti keskaegsed linnused (wie Anm. 1), S. 37; Alt- toa (wie Anm. 11), S. 824. 17 Tarvel (wie Anm. 7), S. 780. 18 Das Zeugenverhör des Franciscus de Moliano (1312). Quellen zur Geschichte des Deutschen Or­ dens, bearb. v. August Seraphim, Königsberg 1912, S. 15, 158; siehe auch Mail (wie A nm . 4), S. 161.

102 Burg Peude von den Öselern belagert. Die Besatzung, die auf keine Hilfe hoffen durfte, musste kapitulieren. Der Vogt handelte freien Abzug für sich selbst und für seine Mannschaft aus. Als er jedoch mit dem Rest der Burgbesatzung abziehen woll­ te, haben die Öseler alle umgebracht.19 Die Burg Peude verschwand nach dem Aufstand von 1343 völlig aus den Quellen. Der Vogt von Peude ist nur noch 1347 erwähnt worden.20 Holzmayer hat vermutet, dass er schon nicht mehr in der Burg residierte, sondern möglicherweise bereits im neuen Zentrum des Ordens auf Ösel, Soneburg.21 Der Bau der neuen Burg war bald nach dem Aufstand in der Zeit des Ordensmeisters Burchhard von Dreileben be­ gonnen worden, aber die Vogtei konnte 1347 durchaus noch Peude heißen. Nach der chronikalischen Überlieferung waren die Öseler verpflichtet, anstelle der während des Aufstandes zerstörten Burg Peude eine neue zu erbauen, worauf auch der nie­ derdeutsche Name Soneburg (Sühneburg) hinweist.22 Die neue Burg wurde am Nordrand des Kirchspiels Peude erbaut (Abb. 1), bei einem günstigen Platz für ei­ nen Hafen. Soneburg ist das Zentrum des Ordens für alle Besitzungen auf den west­ lichen Inseln Estlands bis zum Ende der Ordenszeit, bis zum Livländischen Krieg in der Mitte des 16. Jahrhunderts geblieben.23 Aber was wurde nach der Gründung von Soneburg aus der Ordensburg Peude? All­ gemein bekannt ist die Meinung, dass die Burg von den aufständischen Öselern zerstört und später nie wieder aufgebaut wurde.24 In den mittelalterlichen Urkunden und Chro­ niken findet man aber keine Angaben über die Zerstörung oder ein endgültiges Verlas­ sen der Burg. Es ist wahrscheinlicher, dass sie wegen ihrer veralteten Fortifikationsanla- gen, vielleicht auch wegen der während des Aufstandes erlittenen Beschädigungen vom Orden aufgegeben wurde, wahrscheinlich während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun­ derts.25 Die topographische Lage, das Fehlen eines Hafens neben der Burg (im Vergleich mit Soneburg), könnten eine Rolle gespielt haben, warum Peude verlassen wurde. Auf jeden Fall ist dieses Schicksal für die Ordensburgen in Estland eine Ausnah­ me, normalerweise haben sie bis zum Ende der Ordenszeit existiert. Zu dem Prob­ lem, was mit dem Gebäude passiert ist, bleibt zurückzukommen.

19 Johann Renner’s Livländische Historien, hg. v. Richard Hausmann /Konstantin H ö h 1 b au m , Göttingen 1876, S. 92; Hermanni de Wartberge Chronicon Livoniae, hg. v. Ernst Strehlke, in: Scriptores Rerum Prussicarum, hg. v. Theodor Hirsch/Max Töppen/Ernst Strehlke, Bd.2, Leipzig 1863, S. 1-116, hier S. 71 f.; siehe auch Mail (wie Anm. 4), S. 161. 20 LEKUB, Bd. 2 (wie Anm. 14), Nr. 880, 881; siehe auch Mail (wie Anm. 4), S. 161. 21 H ol z m ay er (wie Anm. 1), S. 24. 22 Balthasar Russow, Chronica der Provinz Lyfflandt (Scriptores Rerum Livonicarum 2), Riga und Leipzig 1853, S. 25 f. 23 Tuu lse, Burgen (wie Anm. 1), S. 185-187. 24 Löwis of M enar (wie Anm. 1), S. 92; Tuulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 86; Aluve, Eesti keskaegsed linnused (wie Anm. 1), S. 37. 25 Jaak Mä 11/Villu K ad a kas, Pökle kirik. Ehituslooline ülevaade [Die Kirche zu Peude. Eine bau­ geschichtliche Übersicht], Tallinn 1996, Manuskript im Archiv des estnischen Denkmalamts (ERA.5025.2.6828), S. 12; siehe auch Mail (wie Anm. 1), S. 161.

103 Die Topographie

Der von den Erbauern zum Bau der Burg gewählte Ort war ein breiter Hügel (Abb. 5), der die Gegend um die Kirche weithin beherrscht. Auf der Nordseite der Anhöhe erhob sich die Burg. Nach Norden und Osten ist tiefliegendes Feld, haupt­ sächlich aber feuchter Grund und Heuschlag vorgelagert. Nach Süden und Westen dehnt sich die Anhöhe breit aus, und gegen Süden stellte sich vor die Burg die Kir­ che. Von dem Gebäudekomplex ist nur die Kirche erhalten. Sie war aber angelegt wie ein Südflügel des gesamten Baukomplexes. In Estland gibt es einige Kombinati­ onen von einer Burganlage mit einer Kirche bei den Konventshäusern der Bischofs­ burgen (Hapsal/Haapsalu) und befestigten Zisterzienserklöstern (Padis/Padise, Falkenau/Kärkna),26 aber nicht mit einer Pfarrkirche. Unter den Ordensburgen Livlands trefft man keine Beispiele, wo die Pfarrkirche als Flügel des Burgkomple­ xes in die Anlage integriert wurde, aber in Ostpreußen gab es einige, wie Germau (Russkoe) oder Rudau (Melnikowo).27

Die Burg nach den Ausgrabungen von 1888/89

Von den Räumen der Burg ist nur ein Raum, der als die Sakristei genutzt wurde, erhalten. In der 80er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es auf dem Platz der ehemali­ gen Burg nur Trümmer. 1888/89 hat der erste Erforscher der Burg, der schon er­ wähnte Jean Baptiste Holzmayer, umfangreiche Ausgrabungen durchgeführt. Sie waren eine der ersten umfangreichen Grabungen auf einer mittelalterlichen Burg in Estland, neben den Grabungen auf der Burg Fellin (1878/79).28 Holzmayer war Oberlehrer für Alte Sprachen und Deutsch im Gymnasium von Arensburg (Kures­ saare), der Hauptstadt von Ösel. Er war auch gesellschaftlich aktiv: leidenschaftlich begeistert für die Altertumsforschung auf Ösel, Initiator und Vizepräsident des Vereins zur Kunde Ösels, zuständig für viele Ausgrabungen. Leider ist er ein Jahr

26 Vgl. Kaur A 111 o a, Einige Beispiele der Kombinationen von Burg und Kirche in Estland, in: Cas- tella Maris Baltici 3-4, hg. v. Kaur Alttoa undKnutDrake (Archaeologia Medii Aevii Finlan- diae 5), Turku, Tartu, Malbork 2001, S. 11-17. 27 Christofer Herrmann, Wer baute und finanzierte die ländlichen Pfarrkirchen im mittelalterli­ chen Preußen?, in: Kirche im Dorf. Ihre Bedeutung für die kulturelle Entwicklung der ländlichen Gesellschaft im „Preußenland“ 13.-18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 49-56, hier S.49 f.; dcrs., Wehrhaftigkeit von Sakralbauten im mittelalterlichen Ordensland Preussen. Mythos oder Reali­ tät?, in: Die mittelalterliche Dorfkirche in den neuen Bundesländern, II, Form — Funktion - Be­ deutung, hg. v. Dirk Höhne/Christine Kratzke (Hallesche Beiträge zur Kunstgeschichte 8), Halle 2006, S. 91-100, hier S. 93 f. 28 Erki Rus so w/Heiki Valk/Arvi H a a k/Anton Pä r n /Ain M äes alu, Medieval archaeology of the European context: towns, churches, monasteries and castles, in: Archaeological research in Estonia 1865-2005, hg. v. Valter Lang/Margot Laneman (Estonian Archaeology 1), Tartu 2006, S. 159-192, hier S. 181.

104 .^-9,,0-

Abb. 3: Plan der Burg und Kirche zu Peude. 1 - Ursprüngliche Steinkirche, 2. Viertel 13. Jh.; 2 - Erwei­ terung der Kirche, 4. Viertel 13. Jh.; 3 - Sakristei; 4-1989/99 ausgegrabene und exponierte Mauern der Ringmauer und des südlichen Nebengebäudes; 3 - Mauern des Kellergeschosses der Burg, aufgemessen von J. B. Holzmayer 1889. 6 — Höhenlinien gemessen 1974 von U. Hermann; A —J — Explikationen nach Holzmayer: A - Kirche, B — westliche Ringmauer, D —F — Schloss (Hauptgebäude): E) — westlicher Flügel, E — Mittelbau, F — öst­ licher Flügel, G — östliches Nebengebäude, H — Brunnen, I - Schlossbau (Hauptgebäude), J — östliche Ringmauer.

105 nach den Ausgrabungen von Peude gestorben. Er konnte nur den Gesamtplan der ausgegrabenen Mauer (Abb. 5: 5) und einen kurzen Text fertigen, der nur ungefähr ein Drittel der Informationen, die während der Ausgrabungen gewonnen wurden, wiedergibt. Dieser Text wurde von anderen Mitgliedern des Vereins etwas ergänzt und ein Jahr nach seinem Tod mit dem Gesamtplan publiziert. Wenn wir diesen Gesamtplan von Holzmayer ansehen (Abb. 5: 5), scheint auf den ersten Blick, dass dort wirklich sehr umfangreiche Ausgrabungen stattgefunden ha­ ben, während derer die Mauern fast auf dem gesamten Gebiet der Burg aufgedeckt wurden. Später, während des 20. Jahrhunderts, hat niemand diese Mauern gesehen, und auch heute können wir dort nichts davon feststellen, ausgenommen ein kurzer Teil der östlichen Außenmauer bei der Sakristei. Von den Ausgrabungen von Holz­ mayer haben wir auch keine Fotos. Anhand des Grundrisses von Holzmayer erhält man eine gute Vorstellung vom Gesamtplan der Burg, wie er sie gesehen hat. Die Ringmauer lehnte sich an die Nordost- und Nordwestecke der Kirche an. An der Nordostecke der Kirche ist die Ringmauer noch heute gut erhalten; dort liegt die Sakristei, die als ein Raum der Burg an die Kirche angebaut war (Abb. 5: 3). Die Ringmauer maß ca. 160 m, ohne die Kirche gemessen, und hat eine Fläche von unregelmäßigem Grundriss von un­ gefähr 2300 m2 umgegeben. Nach Holzmayer stand das Hauptgebäude auf der Nordseite der Anlage (Abb. 5 :1), aber nicht parallel zur Kirche. Das Hauptgebäude war in drei deutlich unterscheidbare Teile geteilt, Holzmayer hat sie als Westflügel D, Mittelbau E und Ostflügel F benannt (Abb. 5). Nur bei dem Westflügel (Abb. 5: D) und dem Mittel­ gebäude (Abb. 5: E) hatten sich niedrige Reste der Mauern des obersten Stockwerks erhalten. Holzmayer hat den südlichen Raum des zweiten Geschosses des Westflü­ gels als Remter und den südlichen Raum im zweiten Geschoss des Mittelgebäudes als Rittersaal identifiziert. An die östliche Ringmauer stieß ein selbstständiges lan­ ges Gebäude (G).

Die Suche nach der Turmburg

Während des 20. Jahrhunderts haben die Erforscher der Burg Peude sich meist nur mit dem Problem beschäftigt, wo der Turm gelegen hat, der im Zusammenhang mit den Ereignissen im Jahre 1299 erwähnt ist. Holzmayer vermutete, ein Turm könnte am nördlichen Ende des Westflügels gestanden haben (Abb. 5: D).29 Er hat diesen vermuteten Turm nicht direkt mit den Angaben über die achtzig gefangenen Öseler in Zusammenhang gebracht, aber vielleicht hat er daran gedacht, weil sein Bericht unvollendet blieb.

29 Holzmayer (wie Anm. 1), S. 31.

106 Ein halbes Jahrhundert später hat Armin Tuulse die Turmburg nach dem Plan von Holzmayer als erste Bauphase mit dem südlichen Bereich des Mittelgebäudes (Abb. 5: E) identifiziert. Der viereckige Raum des vermutlichen Turms ist mit di­ cken Mauern und einem Mittelpfeiler versehen. Nach Tuulse ist das Mittelgebäude später erweitert worden, und später sind auch um den Hof herum Bauten errichtet worden, die in der Nordostecke einen regelmäßigen Komplex bildeten. Nach Tuulse war es möglich, dass die Turmburg Peude im 13. Jahrhundert unmittelbar nach got- ländischen Vorbildern aufgeführt und in der Art eines Kastale mit der nahe gelege­ nen Kirche verbunden war.30 Ein halbes Jahrhundert später, im Jahre 1990, haben Kalle Lange und Kaur Alttoa dieses Konzept kritisiert. Sie haben zugegeben, dass die Wände des Raumes, den Tuulse als Turm interpretiert hat, im Vergleich mit den anderen Burgmauern wirk­ lich dicker sind. Aber sie betonten, dass Holzmayer für diese Mauern mehrere Bau­ details und Konstruktionen erwähnt, die das Ausmaß der Wände bedingen können, und wahrscheinlich seien diese Mauern später dicker gemacht worden. Lange und Alttoa haben festgestellt, dass die Wände dieses Raumes zu unterschiedlich sind für einen turmähnlichen mehrstöckigen selbstständigen Bau, schon eine Bausenkung hätte eine solche Konstruktion instabil machen können. Demnach ist für sie die Existenz einer Turmburg in Peude sehr fraglich.31 Dieser Argumentation ist voll zuzustimmen. Der einzige Turm, der im Baukomplex von Peude eindeutig identifizierbar ist, steht noch heute über dem Westjoch der Kirche (Abb. 3). Er ist nicht vor die West­ fassade des Langhauses gesetzt, sondern sekundär dem Westjoch aufgesetzt.32 Alle anderen mittelalterlichen Westtürme der Pfarrkirchen Estlands, die dem Westteil des Langhauses aufgesetzt wurden, sind wesentlich schmaler als das Langhaus, der Turm der Kirche von Peude jedoch stützt sich in voller Breite auf das Langhaus (ca. 13,5 m). Die Räume der beiden unteren Turmgeschosse haben schlichte unverputzte Wände, ein oder zwei kleine Fenster in jeder Seitenwand. Das untere Geschoss be­ sitzt auch eine Tür in der Nordwand (Abb. 3), mit einem Loch darüber für einen Balken, um über einen Rollenzug Waren aus dem Burghof emporzuziehen. Diese beiden umfangreichen Geschosse (ca. 10x12 m) haben offensichtlich als Warenräu­ me gedient. Das dritte, oberste Stockwerk hat zwei gleichartige Schallluken in der westlichen, drei in der nördlichen und südlichen Wand. Hier sind wahrscheinlich von Anfang an schon Glocken vorgesehen worden.

30 Tuulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 349. 31 Kalle Lange/Kaur A Ittoa, Die Turmburg in Estland, in: Castella Maris Baltici 1, hg. v. Knut Drake (Archaeologia Medii Aevii Finlandiae I), Stockholm 1993, S. 117-122, hier S. 120. 32 Schon vor dem Bau des Turmes, während der Bauphase der sogenannten gotischen Kirche, waren eigenartige verputzte Räume auf dem Westjoch, hinter dem Westgiebel gebaut, als frühe Residenz des Vogtes interpretiert worden; Mäll/Kadakas (wie Anm. 25), S. 12; siehe auch Mail (wie Anm. 4), S. 165.

107 Es gibt eigentlich keinen Grund für die Errichtung eines so außergewöhnlich breiten und massiven Turms, der mehr an einen Burgturm als an einen Kirchturm erinnert, nur für die Glocken der Pfarrkirche. Trotzdem haben die älteren Forscher diesen Turm, wenngleich ohne überzeugende Argumentation, in das 15.“ oder so­ gar 17. Jahrhundert3'* datiert. Doch passen der Mörtel und die Backsteine (für die Fenster) des Turmes überzeugend zu den entsprechenden Materialen der Mauern des ausgegrabenen südlichen Nebengebäudes der Burg, nicht jedoch zu den späteren Bauelementen der Kirche.33 3435 Die neuere Forschung sieht deshalb keinen Grund, die­ sen Turm in die Periode nach dem Aufstand von 1343 zu datieren, und interpretiert ihn als Teil des Baukomplexes der Burg.36 Es ist nicht möglich zu bestimmen, ob dieser Turm schon 1299 existierte und genau dort die 80 Oseler gefangen gehalten wurden, aber man kann es auch nicht widerlegen.

Die Burg nach den Ausgrabungen des 20. Jahrhunderts

Fast genau ein Jahrhundert später als die Ausgrabungen von Holzmayer, am Ende der achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, wurden neue Ausgrabungen im Bereich der Burg Peude unternommen. Im Zusammenhang mit der feuchtigkeitsbedingten Sanierung der nördlichen Mauer der Kirche wurde der Boden in der Nähe der Kir­ che entfernt.37 Diese Arbeit blieb unvollendet und wurde erst zehn Jahre später zu Ende gebracht.38 Dabei wurden verschiedene Mauern aus Kalkstein aufgedeckt (Abb. 5:4). Dies war eine Überraschung, hatte Holzmayer in diesem Bereich doch überhaupt keine Mauern dargestellt, ausgenommen die Ringmauer der Burg. Die neuentdeckten Mauern bildeten die Grundmauern für einen Gebäudekomplex, den

33 Armin Tuu lse, Die Kirche zu Karja und die Wehrkirchen Saaremaas (Tartu Ülikooli Kunstiaja- loo Instituudi väljaanded/ Publications de L’institut d’historie de l’art de l’universite de Tartu 8), Tartu 1940, S. 38; Viilem R a a m , Pöide Maarja kirik [Die Marienkirche zu Peude], in: Läänemaa. Saaremaa. Hiiumaa. Pärnumaa. Viljandimaa, he. v. Viilem Raam (Eesti arhitektuur 2), Tallinn 1996, S. 77 f. 34 Kalvi Aluve, Uusi andmeid Pöide kiriku ehitusajaloost ja mahulis-ruumilisest ülesehitusest [Neue Angaben zur Baugeschichte der Kirche zu Peude und deren räumliche Gestaltung], in: Ehitus ja arhitektuur 3,1970, S. 38-46, hier S. 44. 35 Mäll/Kadakas, Pöide kirik (wie Anm.25),S.5f. 36 Ebd., S. 8-10. 37 Tönu Sepp, Pöide kiriku ehitustööde arheoloogiline järclevalve [Archeologische Überwachung der Bauarbeiten in der Kirche zu Peude], Tallinn 1991. Manuskript im Archiv des Denkmalamts Estlands (ERA.5025.2.16419). 38 Jaak Mail, Arheoloogilised uuringud Pöide kiriku pöhjaküljel (Pöide ordulinnuse löunatiib) [Ar­ cheologische Untersuchungen an der Nordseite der Kirche zu Peude (Südflügel der Ordenburg Peude)], Tallinn 2000. Manuskript im Archiv des Denkmalamts Estlands (ERA.5025.2.8162). Bei diesen Ausgrabungen war Villu Kadakas verantwortlich für die Dokumentierung und die Inter­ pretation der ausgegrabenen Mauern.

108 man als südliche Nebengebäude der Burg interpretieren kann. Die Mauern liegen noch heute offen. Wenn man die Mauern von Holzmayer und die ein Jahrhundert später entdeckten Mauern auf einen Plan einzeichnet (Abb. 5: 4, 5), passen sie ziemlich gut zu einan­ der. Der Gesamtplan von Holzmayer, zumindest die äußere Ringmauer, passt auch zu einem Plan des Hügels, der 1975 genau vermessen wurde (Abb. 5: 5, 6).39 Die Ausgrabungen von 1999 haben ebenfalls das Problem der Lage des Tors gelöst. Schon Holzmayer vermutete, dass in der Westmauer die Einfahrt in den Burghof gewesen sein muss, hat aber kein Tor gefunden. Seine Vermutung stützte sich auf die Tatsache, dass man sich von drei Seiten der Burg nicht nähern konnte: Der Hang auf der Nord- und Ostseite war zu steil, auf der Südseite lag Kirche.40 1999 wurden die Reste eines Tors im südlichen Teil der westlichen Ringmauer entdeckt.

Die Kirche

Das Problem, was wurde früher gebaut war, Burg oder Kirche, hat die Forscher Jahrhunderte lang beschäftigt. Hier muss man einen kurzen Überblick über die Bauphasen der Kirche geben, weil ihre Geschichte eng mit der Burg verbunden ist. Alle Bauphasen der Burg und der Kirche haben meist lokalen Kalkstein, zuweilen auch Feldstein genutzt. Schon Armin Tuulse bemerkte, dass die Kirche in zwei Etappen erbaut wurde: Die ursprüngliche Kirche ist an beiden Enden später verlän­ gert worden. Nur die Seitenwände des Langhauses der ursprünglichen Kirche blie­ ben als Seitenwände der zwei mittleren Joche des Langhauses der neuen verlänger­ ten Kirche erhalten (Abb. 5: 1, 2). Verschiedene neue Details der Baugeschichte der ursprünglichen Kirche, z. B. Reste der Fenster, sind während der Feldarbeiten von 1958-1961 zum Vorschein gekommen.41 1994 wurde ein Fragment aus dem Chor­ raum der ursprünglichen Kirche in einer Testgrube gefunden.42 Nach dem Vorbild der Kirche von Wolde (Valjala) kann man vermuten, dass der Chorraum eine halb­ rund geschlossene Apsis besaß (Abb. 5: 1). Aufgrund der Reste der rundbogigen Tür- und Fensteröffnungen des ersten Kir­ chengebäudes hat man diesen Bau in die Periode der Spätromanik bzw. des Über­ gangsstils datiert. Die ursprüngliche Kirche von Peude und die Kirche von Wolde im Nachbarkirchspiel sind die einzigen Kirchbauten — nicht nur auf der Insel, son­ dern auch in ganz Estland —, die rundbogige Öffnungen haben und stilistisch in die

39 Uno Hermann, Pöide linnus ja kirik. Asendiplaan [Burg und Kirche zu Peude, Lageplan.], 1975. Vermessungsbericht im Archiv des Denkmalamt Estlands (ERA.T-76.1.2222). 40 H ol zmayer (wie Anm. 1), S. 29. 41 A lu ve, Uusi andmeid (wie Anm. 34), S. 38-46. 42 M äl 1 /Kadakas, Pöide kirik (wie Anm. 25), S. 3 f.

109 Romanik datiert werden können/3 Alle Forscher sind sich einig, dass die romani­ sche Kirche von Peude früher erbaut wurde als die Ordensburg. Die Kirche ist bei den älteren Forschern nicht genau, bei den neueren in das zweite Drittel“ des drei­ zehnten Jahrhunderts datiert worden. Die komplizierten Forschungsprobleme in Verbindung mit dieser romanischen Kirche wäre ein eigenständiges Thema. Die zweite Bauphase der Kirche von Peude, die sogenannte frühgotische Kirche - die Verlängerung des ursprünglichen Baues an beiden Enden - ist nach Tuulse kurz vor dem Aufstand der Georgsnacht (1343) begonnen und nach dem Aufstand voll­ endet worden/5 Die jüngere Forschung ist der Meinung, dass die gotische Kirche schon während der Existenz der Ordensburg bestanden hat, wahrscheinlich im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts oder zu Anfang des 14. Jahrhunderts/6 Trotzdem ist in der populärwissenschaftlichen Literatur die irrtümliche Behaup­ tung sehr verbreitet, dass die Kirche auf den Trümmern der Ordensburg erbaut wurde. Schon die Ausgrabungen von 1888/89 haben diese Vermutung widerlegt: Es stellte sich heraus, dass die beiden Enden der Ringmauer ohne Verbund gegen die Mauern der beiden Endjoche stießen,43 45464744 48 was nur in der gotischen Periode gemacht werden konnte. Doch ist die chronologische Abfolge von Burg und Kirche damit nicht völlig gelöst: Es ist nicht klar, ob diese Teile der Ringmauer aus der ursprüng­ lichen Periode der Burg stammen oder erst später, nach der Verlängerung der Kir­ che, hinzugefügt sind. Die sogenannte gotische Kirche war in den Burgkomplex integriert oder schon von Anfang an zusammen mit der Burg entworfen. Doch sieht sie aus wie eine nor­ male unbefestigte Kirche: Die Wände sind dick, doch die Fenster sind in einer für diese Periode normalen Größe, nicht zu schmal, nicht zu hoch liegend. Das Südpor­ tal der Kirche war natürlich der schwächste Punkt des Burgkomplexes. Vielleicht trug die unbefestigte Kirche Schuld, dass der Vogt 1343 die Burg nicht verteidigen konnte. Doch ist auch vermutet worden, dass die Kirche in der Zeit der Belagerung von der Burg isoliert gewesen sein könnte. In der Tat waren Kirche und Burg nur durch ein schmales Nordportal der Kirche miteinander verbunden. In der Nord­ wand des mittleren Joches der Kirche, einige Meter über dem Boden, hat Aluve zwei kleine zugemauerte Türöffnungen identifiziert/8 Sie waren vom zweiten Geschoss des südlichen Nebengebäudes der Burg zugänglich. Wahrscheinlich konnten die Ordensbrüder durch diese Türöffnungen aus der Burg auf einen eigenen Balkon in

43 Tu u 1 s e, Die Kirche zu Karja (wie Anm. 33), S. 35 f. 44 R aa m , Pöide Maar ja kirik (wie Anm. 33); Kaur A 111 o a , Saaremaa keskaegne sakraalarhitektuur [Die mittelalterliche Sakralarchitektur Ösels], in: Saaremaa (wie Anm. 11), S. 803-818, hier S. 815. 45 Tuulse, Die Kirche zu Karja (wie Anm. 33), S. 39. 46 Raa in, Pöide Maarja kirik (wie Anm. 33); A 111 o a , Saaremaa keskaegne sakraalarhitektuur (wie Anm. 44), S. 815. 47 Holzmayer (wie Anm. 1), S. 29. 48 Aluve, Eesti keskaegsed linnused (wie Anm. 1), S. 38.

110 der Kirche kommen, der während einer Belagerung zur Verteidigung, aber normal­ weise zur Teilnahme an der Messe genutzt werden konnte.

Das Hauptgebäude der Burg

Was kann man anhand des Gesamtplans über das Hauptgebäude der Burg sagen? Auf den ersten Blick findet man dort kein Konventhaus. Als Hauptgebäude könnte man, sofern man dem Plan von Holzmayer vertraut, zwei rechteckige längliche Bau­ ten bezeichnen, die dicht nebeneinander erbaut sind (Abb. 5: D und E). Obwohl viele Ordensburgen Estlands ein Konventhaus als Hauptgebäude besaßen,49 gab es einige, die nie ein solches hatten, wie Helmet (Helme), Lais (Laiuse), Tarwast (Tar- vastu). Von den Hauptgebäuden der frühen Ordensburgen (13.-14. Jahrhundert) ohne Konventhäuser oder Ordensburgen vor der Bauphase des Konventhauses in Estland weiß man sehr wenig, von deren Raumprogramm fast nichts. Dementspre­ chend ist es schwer, das Hauptgebäude der Burg Peude mit anderen Ordensburgen zu vergleichen. Man könnte natürlich das Hauptgebäude von Peude mit dem Hauptgebäude von Soneburg, dem direkten Nachfolger, vergleichen. Tuulse hat das dort am besten er­ haltene Gebäude als Nordflügel eines reduzierten Konventhauses interpretiert.50 Kalvi Aluve behauptete, dass nur dieser langgestreckte Bau das gesamte Hauptge­ bäude gebildet hat.51 Wie dem auch sei, der Überrest der Burg ist noch heute ein Bauschutthügel, und man kann nur dieses einzige Gebäude mit dem Hauptgebäude von Peude vergleichen. Vergleichbar ist eigentlich nur die Breite der Gebäude (ca. 12,2 m). Das Hauptgebäude von Soneburg war ursprünglich ein rechteckiger Bau (ca. 12,2 x ca. 20,8 m) mit einem Raum in jedem Geschoss. Später wurde das Gebäu­ de verlängert: An einem Ende wurde später ein Bau (ca. 12,2 x ca. 26,1 m) mit zwei Räumen in jedem Geschoss errichtet, so dass der Komplex schließlich eine Länge von ca. 46,9 m hatte.52 53 Das Hauptgeschoss von Soneburg ist zwar 2001-2003 teilwei­ se ausgegraben, aber leider nicht genügend dokumentiert und analysiert worden,33 um das Raumprogramm auf dem heutigen Forschungsstand mit Peude zu verglei­

49 Kaur A 1 lto a , Das Konventshaus in Estland, in: Castelia Maris Baltici (wie Anra. 31), S. 11—16. 50 Tuulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 186. 51 Aluve, Eesti kcskaegsed linnused (wie Anm. 1), S. 28. 52 Ebd. 53 Tönu Sepp, Maasi ordulinnuse uurimisest ja konserveerimisest [Über die Forschung und Kon­ servierung der Ordensburg Soneburg], in: Pühakud, piiskopid, linnad ja linnused. Ajarännakuid kesk- ja varauusacga. Uurimusi Jaan Tamme auks [Heilige, Bischöfe, Städte und Burgen. Zeitrei­ sen ins Mittelalter und die Neuzeit. Festschrift für Jaan Tamm], hg. v. Erki Russow/Valter Lang (Muinasaja Teadus 27) Tallinn/Tartu 2018, S. 327-352.

111 chen. Sich auf die Angaben des Chronisten Wartberge stützend,54 hat Aluve die zwei Bauphasen des Hauptgebäudes in die Periode der Ordensmeister Burchard von Dreileben (1340-1345) und Goswin von Herike (1345-1359) datiert.55 Doch bieten die erhaltenen Überreste des Hauptgebäudes selbst keine Details, die befriedigend genau datiert worden könnten, um seine Datierung zu bestätigen. Der Plan des Bauteils E des Hauptgebäudes in Peude erinnert an die zweiräumi- gen Bauten einiger befestigten Höfe oder Kleinburgen in Nordestland, z. B. Türpsal (Järve)56 und Angern (Angerja)57. Ein Gebäudetyp mit zwei Räumen war auch bei Kaufmannshäusern von Reval, bei Ordensburgen und Klöstern verbreitet, wenn­ gleich mit unterschiedlichen Funktionen.58 Den Plan von Tüpsal kann man leicht mit dem Gebäude E von Peude verbinden (Abb. 6). An derselben Stelle, in der Nord­ ecke des südöstlichen Raums im Erdgeschoss des Gebäudes E in Peude, findet man einen Ofen, wahrscheinlich eine ähnliche Hypokausten-Warmluftheizung wie in Türpsal (Abb. 6:4). Mit diesem hat man offensichtlich den großen Raum des Haupt­ geschosses - die Diele - vom Kellergeschoss aus geheizt. Eine Mauertreppe hat die Diele mit dem Keller des Hinterraums verbunden (Abb. 6: 5). Es gibt nur ein großes Problem, falls man die Gebäude E - den offensichtlichen Kern der Hauptburg Peu­ de - mit einem solchen zweiräumigen Haustyp der befestigten Höfe in Verbindung bringen will - die Datierung. All diese befestigten Häuser sind in das Spätmittelal­ ter datiert.

Die Diskussion: Probleme der Datierung

Bei den Mauern des südlichen Nebengebäudes (Abb. 6: 4) der Burg Peude, die man heute selbst untersuchen kann, ist ein Aspekt überraschend. Dieser Bau wurde nicht in einem Zug erbaut, sondern in drei Abschnitten. In die erste Bauphase ge­ hört die östliche Ringmauer, in die zweite das Gebäude an der Ostringmauer und ein kleines, mit einem Keller versehenes Gebäude vor dem Nordportal der Kirche, ln der dritten Bauphase wurden diese Gebäude vereinigt und das südliche Neben­ gebäude in seiner vollen Länge ausgebildet. Auf dem Gesamtplan von Holzmayer sind fast keine Vertikalfugen angegeben, und er kommentierte dieses Problem auch nicht. Das Hauptgebäude hat aber einen so komplizierten Plan, dass es kaum glaub-

54 Hermanni de Wartberge Chronicon Livoniae (wie Anm. 19), S. 72. 55 Aluve, Eesti keskaegsed linnused (wie Anm. 1), S. 29. 56 Tuulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 119; Villem Raam, Järve ja Purtse kindlustatud möisamajad [Die befestigten Gutshäuser in Türpsal und Alt-Isenhof], in: Kohtla-Järve rajoonis. Kodu-uurija- te seminarkokkutulek 18.-21. augustini 1983 [Im Bezirk Kohtla-Järve. Seminar der Heimatfor­ scher von 18. bis 21. August 1983], Tallinn 1983, S. 173-187, hier S. 175-177. 57 Tuulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 121 f. 58 Raa m Järve ja Purtse (wie Anm. 56), S. 175.

112 0 5 10m 1 _i__ i__ i__ i__ I__ i__ i__ i__ i__ I Abb. 6: Plan des Hauptgeschosses des festen Hauses Türpsal (Järve). Rekonstruktion. 1 - Diele, 2 - Wohnraum, 3 - Hauptportal, 4 - Unterboden-Warmluftheizung, 3 - Treppe zum Kellergeschoss, 6 - Treppe zum Obergeschoss, 7 - vermutliche Stelle des Danskers.

haft ist, dass es keine Vertikalfugen gab. Wahrscheinlich hatte Holzmayer keine Konzeption für die vorhandenen Vertikalfugen, er erwartete auch nicht mehrere Bauphasen in einer Burg, die nach den schriftlichen Quellen eine so kurze Ge­ schichte haben sollte. Bei dem Plan von Holzmayer ist aber unwahrscheinlich, dass alle Teile des Hauptgebäudes zusammen in einer Bauphase errichtet wurden. Wenn die Ordensburg Peude nur so kurz existierte, wie die schriftlichen Quellen zeigen - weniger als ein Jahrhundert -, ist es dann glaubwürdig, dass in einer so kurzen Zeit und so früh alle Gebäude komplett aus Stein errichtet waren? Bei vielen anderen Ordensburgen Estlands ist am eindeutigsten nur die früheste Etappe der Ringmauer oder auch nur ein einzelnes Gebäude in die Periode vor dem Aufstand

113 der Georgsnacht 1343 datiert. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Gebäude der Or­ densburg Peude nach dem Aufstand wirklich völlig verlassen waren? Vielleicht wurde zumindest ein Teil der Gebäude später weiter benutzt und ergänzt, aber nicht als Ordensburg, sondern anders? Das datierbare Fundmaterial der Ausgrabungen ist sehr gering. Auf diese Befunde gestützt kann man nicht sagen, dass alle entdeck­ ten Mauern sicher vor 1343 erbaut wurden, doch genau so wenig kann man sagen, dass einige Teile der Gebäude mit Sicherheit später zugefügt wurden.

Ein Leben danach: Pfarrei und Hof in Peude

Peude wurde später in den Urkunden nie als Ordensburg oder überhaupt als Burg erwähnt. Auch über die Position der Pfarrkirche und dessen Kirchherrn ist nicht viel bekannt. Leonid Arbusow hat vermutet, dass Peude eine wichtige Pfründe wur­ de, die in der Kanzlei des Meisters dienende Ordensgeistliche bekommen haben.5’ In der Tat treffen wir Dr. Hermann Ronneberg 1506/07 als Pfarrer von Peude und gleichzeitig als Unterkomissar für den livländischen Ablass in Leipzig.59 60 Die Ein­ künfte der Pfarrkirche Peude waren also ausreichend, um für einen Leipziger Dok­ tor, der im Namen des Ordens unterwegs war, attraktiv zu sein. Wie hoch die Pfarr­ kirche genau dotiert und wie beträchtlich die Eigenwirtschaft des Kirchengutes war, lässt sich wegen fehlender Quellen aber nicht sagen. Es handelt sich um eine Frage, über die aus dem mittelalterlichen Livland insgesamt sehr wenig bekannt ist.61 Über die Entwicklung der Gutshöfe in der Gegend ist genauso wenig bekannt. Die Kirche und die Burgruine Peude befinden sich in der Neuzeit auf dem Land des Pastorats, daneben existierte aber ein Hof Peude (Otimöis). In der Neuzeit erscheint der Hof Peude auf den Karten ungefähr 1 km südöstlich der Kirche (Abb. 4),62 wo die Gebäude sich noch heute befinden. Der Hof Peude war sicher der der Kirche nächstgelegene Hof, und seine Ländereien legen sich um das kleine Landstück des Pastorats wie ein Halbkreis von Süd-West bis Nord-Ost. Der deutsche Name des

59 Leonid Arbusow, Die Einführung der Reformation in Liv-, Est- und Kurland, Leipzig/Riga 1919, S. 45. 60 Kanzler des Meisters wurde er aber erst später (und noch später Bischof von Kurland). Siehe Ron­ neberg, in: Leonid Arbusow, Livlands Geistlichkeit vom Ende des 12. bis ins 16. Jahrhundert: Separatabdruck aus dem Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphragistik, Jg. 1900, 1901 und 1902. Mitau 1904, S. 1—160; Dritter Nachtrag, in: Jahrbuch für Genealogie, Heraldik und Sphra­ gistik 1911/1912, Mitau 1913, S. 1-432. 61 Erkki Olavi Ku u jo, Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Pfarrkirchen in Alt-Livland (Annales Academiae Scientiarum Fennicae B 79), Helsinki 1953, S. 156-164; Bernhart Jahnig, \crtassung und Verwaltung des Deutschen Ordens und seiner Herrschaft in Livland (Schriften der Baltischen Historischen Kommission 16), Berlin 2011, S. 114. 62 ERA, EAA.2072.3.390. Kirchspiel Peude, ca 1800.

114 Hofes verweist auf eine enge Verbindung des Hofs mit dem Kirchort. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die späteren Pastoratsländer und der Hof Peude im Spätmittel­ alter ein gemeinsames Landstück gebildet haben. Nach eine Karte von 1698 handelt es sich aber schon um zwei verschiedene Einheiten.63 Der Hof Peude ist ein uralter Besitz der Familie Üxküll. Wann die Üxkülls dort­ hin gekommen sind, ist schwer zu sagen. Im Jahre 1604 behaupteten sie, dass die alten Urkunden beim Schlossbrand in Soneburg 1575 vernichtet wurden.64 Im Landbuch der Vogtei Soneburg 1569-1571 kommen die Güter um die Kirche nicht vor,65 waren also damals sicher verlehnt. Im Jahre 1436 kommt ein Vasall Johan Ikeskole van Poyde urkundlich vor, was bedeuten kann, das die Üxkülls schon da­ mals in der Gegend saßen.66 Peude blieb in Händen der Familie bis 1725, als die männliche Linie Üxküll von Peude ausstarb. Ihre Nachfolger, die von Aderkas, ha­ ben den Hof Peude bis 1919 besetzt. Das heutige Herrenhaus des Hofes Peude stammt ursprünglich vielleicht aus dem 18. Jahrhundert und wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts gründlich umgebaut.67 Nach den schriftlichen Quellen wurde der Hof 1710 verheert und die Gebäude nie­ dergebrannt.68 Es ist aber nicht sicher, ob der Hof schon damals am Ort des späte­ ren Herrenhauses lag oder an anderer Stelle. Es kann auch sein, dass das Zentrum des Hofes Peude erst in der Neuzeit an den Ort des heutigen Herrenhauses verlegt wurde. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die von Üxküll das Hauptgebäude der alten Ordensburg als eine kleine Vasallenburg oder ein befestigtes Haus als ihre Residenz benutzt haben. Die Familie von Üxküll war eins der wichtigsten Vasallengeschlechter im mittel­ alterlichen Livland, besonders im Bistum Ösel-Wiek, und hat verschiedene Klein­ burgen besessen, zum Beispiel Fickel (Vigala), Feix (Velise), Kasty (Kasti) und Wer­ der (Virtsu) im Bischofsgebiet von Wiek.69 Obwohl meistens in Diensten der Bischöfe von Ösel-Wiek und Dorpat, haben die von Üxküll auch im Ordensgebiet Landbesitz bekommen. Dieses Geschlecht könnte genug Einfluss besessen haben, Ort und Gebäude der alten Ordensburg irgendwann im Spätmittelalter als Lehen

63 ERA, EAA.308.2.66: Peude kirckspill Neuenboff och en deel des bonder, Möllershoff mädh een deel bonder sambt en deel bonder under Peudehoff och Pastoratt sä och Grenz bonder under Holmhoffs ambt. 64 Friedrich von Buxhövden, Zweite Fortsetzung von des Herrn Hofraths von Hagemeister Ma­ terialien zur Gütergeschichte Livlands, enthaltend Beiträge zu einer älteren Geschichte der Oesel- schen Landgüter und ihrer Besitzer, Riga 1851, S. 137. 65 Saaremaa Maasilinna foogtkonna maaraamatud 1569-1571 = Landbücher der Vogtei Soneburg auf Ösel 1569-1571, bearb. v. Leo Ti ik , Tallinn 1992. 66 Genealogisches Handbuch der Oeselschen Ritterschaft, bearb. v. Nicolai von Essen (Genealogi­ sches Handbuch der baltischen Ritterschaften, Teil Oesel), Tartu 1935, S. 612. 67 Epp K a n g i 1 a s k i , Oti möis [Der Gutshof Oti], in: Läänemaa. Saaremaa. Hiiumaa. Pärnumaa. Viljandimaa, hg. v. Villem R a a m (Eesti arhitektuur 2), Tallinn 1996, S. 74 f. 68 Buxhövden, Zweite Fortsetzung (wie Anm. 64), S. 137. 69 Tuulse, Burgen (wie Anm. 1), S. 317.

115 bekommen zu haben und genug Einnahmen gehabt zu haben, um dort eine Klein­ burg zu halten. In dem Fall könnten Teile der Gebäude der Burgruine Peude sogar erst aus dieser Periode stammen. Die zweiräumigen Gebäude E (Abb. 5) passen gut zu einem spätmittelalterlichen Haus, dem Kern einer Vasallenburg oder eines befes­ tigten Hofs.

Schluss

Zusammenfassend bleiben im Fall der Burg Peude mehr Fragen offen als beantwor­ tet. Die Burg ist ohne Zweifel eine wichtige Ordensniederlassung vor dem Aufstand der Esten im Jahre 1343 gewesen. Leider erlauben die zweifelhaften Angaben von Holzmayer und die wenigen späteren Ausgrabungen nicht einmal mit Sicherheit zu sagen, welche Teile des Baukomplexes in der Zeit des Aufstandes von 1343 schon gestanden haben. Es ist durchaus möglich, dass eine kleine Burg oder Teile davon als Wirtschaftshof des Ordens, Wohnort des Pfarrers oder der Familie Üxküll weiter­ genutzt wurden und Teile der Anlage erst später gebaut sind. Um die Hypothese von einer späteren Weiternutzung der Burg zu bestätigen oder zu widerlegen, auch um festzustellen, ob die Mauern, die Holzmayer im 19. Jahrhundert entdeckt hat, total verfallen oder erneut mit Trümmer bedeckt und erhalten sind, benötigt es wei­ tere archäologische Untersuchungen vor Ort.

116 Boas, Abb. 1: Montfort (Q al’at al-Q ur’ain) from the south. Boas, Abb. 2: Keep of Mont fort from the south.

■ V.--

.V. - h -

Boas, Abb. 3: Central domestic building. Boas, Abb. 4: Western administrative building from the south.

Boas, Abb. 5: Outer defensive line. Boas, Abb. 6: Stone projectile.

WWW Boas, Abb. 7: Arrow heads. Boas, Abb. 9: Possible part of a composite bow. Boas, Abb. 11: Base of a painted icon. Boas, Abb. 13: Stone basin.

Boas, Abb. 14: Oil lamp. Boas, Abb. 15: Wooden painted spindle.

Boas, Abb. 17: Gothic vault keystone. Boas, Abb. 16: Limestone with heraldic emblems.

Ose, Abb. 3: Ort der Kapelle mit dem Text alte Kirche auf einem schwedischen Grundriss der Ordensburg Wenden um 1690 (Norden links); Ausschnitt.

J Pluskovski et al.y Abb. 2: ‘High castle* in Malbork (Marienburg) from the east today.

Pluskovski et al., Abb. 3: The courtyard of the ‘high castle' in Malbork (Marienburg) today. Between the foundation of the convent and the mid-fourteenth century, part of this space appears to have been used as a garden. Pluskovski et al., Abb. 4: The timber structure at the base of the moat at the castle in Cesis (Wenden).

Pluskovski et al., Abb. 5: Tally sticks from the thirteenth-century midden in Karksi (Karkus) castle, Estonia.

14000

— flour — grain __ (unspec) __ wheat barley oat rye hop — m alt peas

Pluskovski ct al., Abb. 7: Grain recorded in the inventories of Rehden castle, Prussia, in the fourteenth and fifteenth century.

Pluskovski et al., Abb. 8: Reconstruction of the castle at Araisi (Arrascb). This reconstruction replaces the original plan of the castle which envisaged a claustral form. Excavations in 2012 demonstrated an absence of additional wings, but the focus of the reconstruction is on the use of the surrounding landscape (by Peter Dennis).

The Grand the ofTeutonicMaster OrderHeinrich Dusemerprivileges confirms the ofReval,June 3 1347. Pluskovski Abb. al.y et Typical 10: produced by documents the Teutonic Order in mid-fourteenththe century: Pluskovski et al„ Abb. 11: Evidence for the processing of goat horns from excavations inside the castle (a) and within the town (b) at Cesis (Wenden), indicating this activity took place in both. Kadakas/Kreem, Abb. 2: Areal des Hauptgebäudes der Burg 2012. Ansicht von der Kirche.

j i i r u A i x / i ' j.

t L fiY fiX ttx J 01*1' i

•liAlvudtDo^.

\BaA.tet* ß e r

R i kSoi M ic r itl. P c u d e l l o f ;

I r r e U o rT Kadakas/Kreem, Abb. 4: Karte des Kirchspiel Peude, ca. 1800, Ausschnitt. Geonetkbcher - ( tri'ih d - ijwn A b r iä " IkniHaficnTf uff Oien-RJi/qtOnlrns- H&uftJfflU Dmn LcOaüdcn lind UiiiticpoKicn Baüin*Cras>ünd Luft- Carlo), iiiuh Biroen /UKrr, KtitfWu- Garfcn,MuAI und Insülii

I IIWIMEJJ IKr^dviiidoi,. .iturar»?VHATf( »

iI jiDiFii»]it-VUi,r llrfwnry > fcu>\n*trni whfübfMViJKhuiVttV MWMMUit. •u U ti iiu x r iidufc - I'Müwl UtKili *!“• Mr •i»HwHfrrn InpjKiiroVcrvralrif li Klril' uDalÄ'ri/OnJnnliylf fariftukn r» nut J. uflo(ii^ki«dk l ikr.ViiHnfr-ftnf t-^rAunrirtii Jnnlkm» i & n* u£ y i H<\ «iaUhT Maui» i' llk l/r- pf.il .trhuur «Dk IibuI H LUq.Jticvnvprik mHaqltil ulkflBiifciUbi* H IW lln^Mul iu w dm aiyI . . «UkUiIi. Lai:.W»anf DtrOaiini m t n Hiüb nvlltunhi. .liiFJim W hin CUiftu fttl\rlltin*viiikliti3»l.»«ll*A/f- •oDufÜl'Ol.iulk - iii-u„itr.j.i jrlui MlHrKt'.tviu.wlui ■a» IVv» I Ip»*o> ii Zu nli i ik i TV.wp m u “ ♦»Di. Hudri»nf.nrtB«,>rii i4rlur ••i DrrWiMWraV.f>l(mibi»jiimniilH(r fc UrrRiratu yUKir Thor Ja nt tk m R.\ct)- (>i.\L r> i( und ■f Di. Thi/inrir» und .‘•rfliuWtr. .iPk M.iMiiy Ja Fw.IiNii s> UrMuMlUl - » Dr* H< n i> if m mulli r I «x (i («a b n . DuMiJtos{iJiitfdrmH«r > (L u & in r sirif*Mi.uiJir!U..... J» PiC V>'-*naiHiJf/r S th iiv r itb «PK.Vfcwr/fmiij/üiiitJH*ÄÄälMf.tllr__ .M al« K”1 <#ßa.vAmiibr«i- Htd ■*» UrtHrrn Uanhmalhi lin d » »DatPr.«iVf(.iul< , . **Dirlliiil vor IxiiJcn C(Wan) »ltol&.Mfciftf - l u t HfH »-•lirifeu mil drin ruswKullnfUKI-JitHf, •

Braasch-Schwersmann, Abb. 1: Geometrischer Grund- und Abriß von dem Hohen Teutschen Ritter Ordens Haus (Königl. Fürstl. Hess. Landmesser Johann Engelhard Rudolphi 1750, kopiert von J.L. Jungert). Braasch-Schwersmann, Abb. 2: Plan des Hauses Marburg 1750 (Ausschnitt): 9. Elisabethkirche, 2. Firmanei, 13. Hospitalscheune, 15. Hospital, 22. Trappend und Schmiede, 26. Kommende-Schcuer, 27. Schafstall, 28 und 29. Schn'dzerei und Ställe, 31. Brauhaus, 32. Backhaus.

Mol, Abb. 3: Westflügel des Hauptgebäudes mit vermutlichem Kapitelsaal im Erdgeschoss.

Mol, Abb. 4: Wohnung des Landkomturs, um 1400.

Alltagsleben in den Ordenshäusern Siziliens am Ende des 15. Jahrhunderts

von Kristjan Toomaspoeg

Im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts verlor der Deutsche Orden seine Nieder­ lassungen in Sizilien. Die genauen Umstände dieses Verlusts beschrieb schon Bruno Schumacher.1 Von Antonio de la Torre überprüft und bestätigt wurde die Ursache: der Wille König Ferdinands des Katholischen, auf Basis des reichen Ordensbesitzes auf der Insel eine königliche „Kommende“ aufzubauen.2 Dieser Prozess ist durch zahlreiche Quellen dokumentiert, von denen zwei für unser Thema besonderes In­ teresse finden. Vor allem geht es um den Bericht der am 28. September 1491 begonnenen, aber nicht vollendeten Visitation der Ballei. Er bietet eine der eigenartigsten Quellen zur Geschichte des religiösen Lebens im Spätmittelalter, wird doch der damalige Or­ denskonvent Palermo wie eine Gruppe von Unzüchtigen, Gewalttätigen, Säufern und Dieben dargestellt. Neben moralischen und ethischen Aspekten vermittelt die­ se Quelle jedoch auch eine Reihe wertvoller Zeugnisse zu Details des Alltagslebens der Ordensbrüder auf der Insel. Der von Marian Biskup und Irena Janosz-Biskupowa veröffentlichte Visitationsbe­ richt3 ist zum Glück nicht die einzige Quelle zu dieser Frage. Weiteres kann man in den gleichfalls edierten sizilianischen und apulischen Visitationsberichten und Ballei­

1 Bruno S c h u m a c h e r, Studien zur Geschichte der Deutschordensbaileien Apulien und Sizilien, in: Altpreußische Forschungen 18,1941, S. 187-230 (I) u. 19,1942, S. 1-25 (II). Siehe auch Kristjan T oo m asp o eg, Ultimi Teutonici di Sicilia (1491-1492), in: Sacra Militia. Rivista di storia degli Ordini militari 2, 2001, S. 155-177. 2 Antonio de la To r re , Unas noticias de la Orden militar de Caballeros teutones, in: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 13/3, 1958, S. 270-274. 3 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, Teil II: 1450-1519, hg. v. Marian B iskup / Irena J a n o s z -B is k u p o w a unter der Redaktion v. Udo A rn o ld (Quellen und Studien zur Ge­ schichte des Deutschen Ordens 50/11 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/11), Marburg 2004, Nr. 210, S. 201—216.

117 rechnungen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts finden,'1 die größte Hilfe bieten jedoch zwei Inventare des Ordensbesitzes in Sizilien von 1436 und 1494, die man mit ähnlichen und gleichzeitigen Quellen aus Venedig vergleichen kann. Das Inventar von 1436 ist jetzt innerhalb einer umfangreichen Quellenedition von Genevieve Bresc- Bautier und Henri Bresc zugänglich geworden,4 5 das andere bleibt leider noch unver­ öffentlicht. Die Quelle von 1494 wurde im Januar verfasst6 und enthält die offizielle Besitznahme der wichtigsten Häuser der Ordensballei durch den königlichen Hof (der durch den Tressler des Königreichs Sizilien Alferio de Leofante und einen Offi­ zier, den „Algozir“ Goffredo de Yhalia, vertreten war), mit einem Inventar aller wert­ vollen Güter und Gegenstände der Ordenskirche in Palermo (7. Januar 14947) und der Burgen Risalaimi (8. Januar8) und Margana (9. Januar9). Dieses Inventar ist vergleich­ bar mit dem Visitationsbericht von 1491, da nur eine kurze Zeitspanne zwischen der Redaktion beider Quellen liegt. Ihr Wert ist bedeutend, auch weil es sich um eine durch Ordensfremde erstellte Quelle handelt, in einer Situation, in der die Ordens­ brüder keine Zeit oder Möglichkeit hatten, ihre Werte und Sachen fortzubringen. Das gilt eigentlich auch für das Inventar von 1436, das unter ähnlichen Bedingungen ent­ stand, als König Alfons der Großmütige die Ballei Sizilien sequestrierte.10 Schließlich kommen auch nichtschriftliche Quellen zur Hilfe, da eines der drei 1494 inventarisierten Ordenshäuser, die Burg Margana, bis heute ihr mittelalterliches Ausse­ hen erhalten hat.11 Mit Ausnahme eines in der Neuzeit hinzugefügten Turmes ist die Struktur der Burg völlig unverändert geblieben und zeigt die Lebensbedingungen der

4 1440 Anfang Januar-28. April (Sizilien); Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, Teil I: 1236-1449, hg. v. Marian B isk u p /Irena J a n o s z -B is k u p o w a unter der Redaktion v. Udo A rn o ld (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/1 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/1), Marburg 2002, Nr. 99, S. 129-160. 1448 Juni-August (Apulien); ebd., Nr. 136, S. 327-485, kom­ mentierte italienische Edition: La contabilitä delle Case dell’Ordine Teutonico in Puglia ein Sicilia nel Quattrocento, hg. v. K ristjanT oom aspoeg (Acta Theutonica 2), Galatina2005. 5 Genevieve Bresc-B autier/H enri B resc, Une maison de mots. Inventaires de maisons, de boutiques, d’ateliers et de chateaux de Sicile. XIIIe-XVc siecles, Palermo 2014, Nr. CCCXXXII1, S. 921-938. Ohne diese Edition wäre auch eine Studie des Inventars von 1494 zweifellos viel kom­ plizierter gewesen, da man hier ein sehr hilfreiches Glossar findet (S. 1615-1729); gleichfalls gibt diese Edition die Möglichkeit, die Ordensinventare mit 520 anderen Inventaren (die Edition reicht bis April 1462) zu vergleichen. 6 Palermo, Archivio di Stato, Notai Defunti, I Stanza, 1407, fol. 184r-192v. 7 Ebd., fol. 184r-186r. 8 Ebd., fol. 186r-189v. 9 Ebd., fol. 189v-192v. 10 Vgl. Salvatore F odale, Antonio Olzina: un Cavaliere di Santiago precettore dei teutonici nella Sicilia alfonsina, in: Territorio, culture e poteri nel Medioevo e oltre. Scritti in onore di Benedetto Vetere, hg. v. Carmela Massaro/Luciana P e tra c c a (Universitä del Salento. Dipartimento dei Beni delle Arti e della Storia. Saggi e testi 46), Galatina 20 11,1, S. 277-282. 11 Zu den Bauten des Deutschen Ordens in Sizilien siehe Giulia R o ssi V a iro , Originality and daptation: the Architecture of the Teutonic Order in Italy, in: Architecture and Archeology ot the Military Orders, hg. v. Mathias P i a n a / Christer C a r 1 s s o n , Farnham 2014, S. 193-218.

118 lokalen Ordensbrüder am Ende des 15. Jahrhunderts. Die andere Ordensburg, Risalaimi, wurde in der Neuzeit umgebaut und ist heute nur noch eine Ruine, deren Grundplan jedoch mittelalterlich geblieben ist, so dass man das kleine Kapellengebäude und das Por­ tal der ehemaligen Burg noch sehen kann. In Palermo erlitt die Ordenskirche „La Magi- one“ starke Schäden während des Zweiten Weltkriegs, wurde danach aber restauriert, wobei fast alle in der Neuzeit hinzufügten Architekturelemente entfernt wurden, damit die Kirche ihr ursprüngliches Aussehen wieder erhalten sollte. Die Nebengebäude der Kirche, mit den Wohnräumen der Ordensbrüder, sind allerdings nicht mehr erhalten.12 Dieser Beitrag versucht, durch Prüfung der genannten schriftlichen und materiellen Quellen zu einigen Überlegungen für das Alltagsleben der Deutschordensbrüder in Sizilien zu kommen. Dazu muss man zuerst die in mehrfacher Hinsicht gegebene Besonderheit der Ballei Sizilien beachten. Die Ordensbaileien am Mittelmeer lagen geographisch von den Kerngebieten des Deutschen Ordens deutlich entfernt.13 Die im 15. Jahrhundert sichtbaren Probleme mit der Disziplin der Ordensmitglieder waren allerdings in den vorhergehenden Zeiten nicht unbedingt vorhanden. Damit stimme ich der Studie von Indrikis Sterns über die Umstände der Entlassung und Verhaftung des livländischen Landmeisters Johann Wolthuss von Heerse 1471 hinsichtlich einer Reihe von allgemeinen Aussagen zur Disziplin des Deutschen Ordens14 nicht zu. Für Sterns wäre der Deutsche Orden potenziell ein Zufluchtsort für Kriminelle gewe­ sen.15 Das kann man jedoch weder im Fall des Ordens in seiner Gesamtheit noch im Fall Siziliens vor dem 15. Jahrhundert absolut nicht behaupten.

Die Visitation

Die Visitation von 1491 in Palermo war das Ergebnis einer Kette von Intrigen, Provo­ kationen und Reaktionen. Zuerst hat der Ordensbruder Nikolaus Kirsten in Sizilien einem lokalen hochrangigen Deutschen, Johannes Adam, Beamter des Königshofs

12 Außer dem Aufsatz von R o ssi V a iro siehe auch für das Schicksal der Kirche nach 1500 und Bild­ material Rocco R u ss o , La „Magione“ di Palermo negli otto secoli della sua storia, Palermo 1975. 13 Siehe K ristjan T oom aspoeg, Die Behauptung des Deutschen Ordens in Italien, in: Herrschaft, Netzwerke, Brüder des Deutschen Ordens im Mittelalter und Neuzeit. Vorträge der Tagung der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens in Marburg 2010, hg. v. Klaus M ilit z e r (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 72 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deut­ schen Ordens 12), Weimar 2012, S. 133-148. 14 Indrikis S te rn s , Crime and Punishment among the Teutonic Knights, in: Speculum 57, 1982, S. 84-111. 15 E bd., S. 105, Anm. 114; Kritik daran: Kristjan T oo m asp o eg, Manquements et dereglements dans 1’OrdreTeutonique (Xlle-XVe siede), in: Enfermements II. Regies et dereglements en milieu clos (IVe-XIXe siede). Actes du colloque, Troyes, 4—6 octobre 1212, hg. v. Isabelle H eul lan t- Donat/JulieC1 austre/filisabet Lusset/Falk Bretschneider (Hommeet societe49), Paris 2015, S. 353-373.

119 (Statthalter des Konservators des königlichen Patrimoniums) und Mitglied des Stadt­ rats von Palermo,16 eine Reihe von Hinweisen über das schlechte Verhalten des Land­ komturs Heinrich Hoemeister gegeben, die dann in Form eines Briefes im Mai 1491 dem Hochmeister Johann von Tiefen bekanntgemacht wurden.17 Der Brief bedurfte einer schnellen Antwort, da in ihm behauptet wurde, dass Hoemeister eine Veräuße­ rung der Ballei Sizilien vorbereite und Johannes Adam drohte, dass er diese Sache auch dem Papst und dem Kaiser bekanntmachen werde (was er auch getan hat). Da­ raufhin hat der Hochmeister dem Deutschmeister Andreas von Grumbach, Oberer der italienischen Ordensballeien, diese „heiße Kartoffel“ weitergereicht. Daher kün­ digte bereits am 16. Juni 1491 Grumbach der Ballei Sizilien die Visitation an.18 Dabei sind zwei Tatsachen von Interesse. Zum ersten hatte der Ankläger Johannes Adam in der Vergangenheit von der Ballei Sizilien ein Darlehen von 55 Goldunzen erhalten,19 was nicht wenig war, um seine anderen Gläubiger zu bezahlen, und war dementsprechend vielleicht nicht ganz neutral. Zweitens hatte der genannte Bruder Nikolaus Kirsten seit langem gegen den Landkomtur agiert und war dazu sogar in Rom gewesen.20 Was allerdings die deutschmeisterlichen Visitatoren, den Land­ komtur in Lamparten Wilhelm von Waiblingen und den Ordenspriester aus Brixen- ei Adolf von Geroldseck, wirklich interessierte, war der Gehorsam des Landkom­ turs Hoemeister und die Gefahr einer Enteignung der Ballei Sizilien - man hatte als bedrohliches Beispiel den Verlust der Nachbarballei Apulien in den 1470er Jahren vor Augen.21 Die im Visitationsbericht festgehaltenen Anklagen gegen den Landkomtur und andere Brüder betrafen jedoch mehr zwei andere Hauptpunkte: Keuschheit und Armut. Bei der Befragung der einzelnen Brüder haben alle eine lange Reihe vielfäl-

16 Johannes Adam kommt in den Protokollen des Stadtrats von Palermo seit 1466 vor (Michele De V io , Felicis et fidelissimae urbis Panormitanae selecta aliquot ad civitatis decus et commodum spectantia Privilegia per instrumenta varia Siciliae a regibus sive proregibus collata S.P.Q.P. auc- thoritate et sumptibus edita et in unum hoc congesta volumen atque quadruplici novoque Indici locupletata, Palermo 1706, S. 367, 396 u. 400). Am 13. Mai 1478 ist er als Mitglied des Stadtrats nachgewiesen (Rosario G re g o rio , Considerazioni sopra la Storia di Sicilia dai tempi Normanni sino ai presenti, Palermo 1831, III, S. 100-102 u. 104). 1480 war er Regiu locumtenens di conserva- turi et juratus und wohnte in Palermo im Viertel von Kalsa, wo auch das Ordenshaus lag, mit seiner Frau, zwei Söhnen und einer Tochter sowie drei weiblichen und vier männlichen Sklaven (Arman­ do Di P asquale, Palermo nel 1480. La popolazione del quartiere della Kalsa, Palermo 1975, S. 66 f.). Im Mai 1491 stellte er sich als „Konsul der Deutschen in Palermo“ vor. 17 1491 Mai 4; Geheimes Staatsarchiv Preussischer Kulturbesitz Berlin, XX. HA, Ordensbriefarchiv, Nr. 17608; Rcgcsta historico-diplomatica Ordinis S. Mariae Theutonicorum 1198-1525, Pars I, vol. 2, bearb. v. Erich Jo ach im , hg. v. Walther H u b a tsc h , Göttingen 1950, Nr. 17608. 18 Visitationen II (wie Anm. 3), Nr. 205, S. 195 f. 19 Das sagte Landkomtur Hoemeister während der Visitation aus; eb d ., S. 204. 20 Aussage des Bruders Hans Lochner; eb d ., S. 208. 21 Vgl. Hubert H ou b e n , Zur Geschichte der Deutschordensballei Apulien. Abschriften und Reges­ ten verlorener Urkunden aus Neapel in Graz und Wien, in: Mitteilungen des Instituts für österrei­ chische Geschichtsforschung 107/1-2,1999, S. 50-110.

120 tiger Vorwürfe gegen die anderen erhoben, wobei besonders Aspekte des Sexualle­ bens und der Völlerei ihren Platz hatten. Die Visitation wurde nicht vollständig durchgeführt, und nur ihr erster Teil mit der Vernehmung des Landkomturs und der Brüder Nikolaus Kirsten, Hans Lochner und Jost von Muhr wurde notiert. Was fehlt ist u. a. eine Liste des Ordensbesitzes und eine Kopie der Jahresrechnungen der Ballei. Zum ersten kann man mit Hilfe der vorhandenen Inventare der drei größten Ordenshäuser Auskünfte finden. Zum zweiten darf man annehmen, dass die Ballei Sizilien um 1491 überhaupt keine Jahresrechnungen mehr besaß: Sie hatte keinen Tressler, und die tägliche Verwaltung wurde von einem weltlichen Prokurator, dem Vertrauten des Landkomturs Hoemeister, Johann Saro, geführt. Die Verwaltung der Ballei hatte unter Hoemeister auch andere wichtige Verände­ rungen erlebt. Aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gibt es noch Zeugnisse über eine gewisse Kollegialität des lokalen Ordenskapitels. So haben wir beispiels­ weise das Protokoll einer in der C am era sacra des Kapitelgebäudes durchgeführten Wahl des Balleistatthalters und Tresslers vom Juni 1428.22 Gleichfalls sind ähnliche Vorgänge bekannt, dass das Kapitel gemeinsame Entscheidungen getroffen hat.23 Die Persönlichkeit des Landkomturs selbst blieb in dieser Zeit meist relativ im Hin­ tergrund: Da der Landkomtur der Ballei seit 1343 ein Vasall des Königs von Sizilien war, haben die Deutschmeister oft vorgezogen, die Ballei durch einen Statthalter verwalten zu lassen, der möglicherweise auch ein Priesterbruder war, so dass der König ihm nicht den Treueid abverlangen konnte.24 Das Personal der Ballei bestand überwiegend aus Priesterbrüdern, wie die bekannten Tressler des 15. Jahrhunderts Konrad Teufel und Kristoph Rieder.25 Unter Hoemeister ging alles ganz anders. Er war selbst Priesterbruder, von Deutschmeister Ulrich von Lentersheim kurz vor 1470 nach Sizilien gesandt, wo er seit Januar 1470 als Tressler der Ballei nachweisbar ist.26 Im Dezember 1471 war Lentersheim gezwungen, ihn zum Balleistatthalter in Sizilien zu ernennen27 (sein

22 1428 Juni 6; Palermo, Archivio di Stato, Notai Defunti, I Stanza, 342, fol. 300r-301v. 23 Vgl. z.B. Kristjan T o o m asp o e g , Les Teutoniques en Sicile (1197-1492) (Collection de 1’f.cole frangaise de Rome 321), Roma 2003, Nr. 846, S. 837 u. Nr. 852, S. 838. 24 Für genauere Auskünfte zur Geschichte der Ballei Sizilien vgl. T oo m asp o eg, Les Teutoniques (wie Anm. 23). 25 Zur Geschichte des Ordenspersonals in Sizilien vgl. Kristjan T oo m asp o eg, Die Brüder des Deutschen Ordens in Italien, in: Ordines Militares. ColloquiaTorunensia Historica, Yearbook for the Study of the Military Orders 19, 2014, S. 87-113. 26 1470 Januar 2; Palermo, Archivio di Stato, Notai Defunti, I Stanza, 1151; Mariuccia K ra sn c r,L a comunita ebraica palermitana nel XV secolo attraverso uno studio sui documenti notarili, Disser­ tation University of Tel Aviv, Tel Aviv 2002, S. 351 f. (falsch datiert). 27 1471 Dezember 6; Staatsarchiv Ludwigsburg, JL 425, Bd. 4, Qu. 99. Diese Quelle erwähnt als einzige den Status Homeisters als Priesterbruder. Dass Hoemeister ein Priester war, steht aller­ dings außer Zweifel, da der Inhalt seiner Briefe einen Mann mit guter theologischer Ausbildung zeigt.

121 Wunschkandidat war eigentlich Jost Stuler gewesen28), da Hoemeister im August dieses Jahres einen Bestätigungsbrief des Stadtrats von Palermo für seine Stellung als magnus preceptor, also Landkomtur der Ballci erhalten hatte.29 Heinrich Hoe­ meister hat aber seine Urkunden immer nur als p recep tor (also weder locumtenens noch magnus preceptor) unterschrieben, bis er um 1484-1486 vom Deutschmeister offiziell als Landkomtur anerkannt wurde.30 Diese Anerkennung Hoemeisters als Landkomtur war ein Kompromiss im Rahmen des mindestens seit dem Untergang der Ballei Apulien (1474) andauernden Streits zwischen ihm und Deutschmeister Lentersheim. Seit 1483 befand Hoemeister sich eigentlich unter dem Schutz König Ferdinands des Katholischen von Aragon, und der Deutsche Orden besaß fast keine Kontrolle mehr über seine Tätigkeit. Wir wissen, dass Hoemeister 1491 ein alter Mann war, er starb schon im Sommer 1493.31 Er war nicht adelig, Herkunftsort und -familie sind nicht bekannt. Es kann sein, dass er aus einer Familie deutscher Ein­ wanderer in Padua in Norditalien stammte, doch das ist nicht gesichert.32

28 Stuler kommt in den Quellen zuerst 1470 als Ordensbruder in Palermo vor. Im folgendem Jahr war er der Kandidat des Deutschmeisters für die Stelle des Statthalters in Sizilien, musste aber nachgeben, als Heinrich Hoemeister das Amt für sich erhielt, und wurde 1473 Balleistatthalter in Lamparten. Von 1478 bis 1480 residierte er wieder als einfacher Bruder in Palermo, kehrte dann aber nach Lamparten zurück: 1489 war er Komtur in Venedig, 1492 einfacher Ordensbruder in Padua und 1500-1501 noch­ mals Komtur in Venedig. Vgl. u.a. Palermo, Archiv io di Stato, Commend a della Magione, 11, fol. 239r-241r, 15, fol. 5r-7r u. 9r-llr; Padua, Archivio di Stato, Corporazioni Religiose Soppresse, Gesu- iti, 149, Nr. 5,10 u. 11; Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Welschland, 127/1, fol. 263r-270v; Visitationen II (wie Anm. 3), Nr. 220, S. 232-238, hier S. 234. 29 1471 August 25; Antonio M o n g ito re , Monumenta historica sacrae domus mansionis Ss. Trini­ tatis militaris ordinis Theutonicorum urbis Panormi et magni ejus praeceptoris. Origo, privilegia, immunitates, praeceptores, commendatarii, ecclesiae suffraganae, proventus, aliaque memorabilia ejusdem sacrae domus recensentur et illustrantur, Palermo 1721, S. 162. 30 Brief des Deutschmeisters an Hochmeister Truchsess von 1486 Oktober 30; Joach im -H u ­ batsch (wie Anm. 17), Nr. 17270. 31 Schu m acher, Studien (wie Anm. 1), II, S. 16, auf Basis der Quellen in Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Hs. 164. 32 Der genaue Status und die Herkunft Hoemeisters bleiben unklar. Es gibt keine Verbindung zu einer der Familien Homeister oder Homester, die in der Neuzeit fast überall in Deutschland, be­ sonders aber in Braunschweig Vorkommen oder zu dem im Dezember 1381 in Nürnberg anwesen­ den Edelknecht Ulrich Hofmeister (Die Urkunden des Deutschordens-Zentralarchivs in Wien. Regesten, hg. v. Udo A rn o ld (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 60/1— III), Marburg 2006-2007, Teil II, Nr. 2440 f., S. 745 f.). Hier könnte eine Urkunde des Ordensar­ chivs in Padua zur Hilfe kommen. Mit dieser hat 1460 ein Meister Henricus matiarius theutonicus filius quondam Johannis de Franchefordia, Einwohner Paduas, seine Rechte an einem Haus in der Stadt bestätigt (1460 Februar 11-19; Padua, Archivio di Stato, Corporazioni Religose Soppresse, Gesuiti, 155, Nr. 4). Da diese Urkunde im Balleiarchiv liegt, muss das Haus später Ordensbesitz geworden sein, wohl durch eine Schenkung von Heinrich Sohn des Johannes selbst, der 1467 als Stellvertreter und Prokurator des Landkomturs in Lamparten agierte (1467 Oktober 12; ebd., Nr. 6) und der unser Heinrich Hoemeister sein könnte. Es handelte sich hier um einen matiarius, Metzger, aus Frankfurt am Main, der zum Ordenspriester geweiht sein soll. Die nichtadelige Her- kuntt Hoemeisters ist auch anhand einer indirekten Quelle sichtbar: In der Bildreihe des Künstlers ommaso de Vigilia im Hof von Risalaimi hat Hoemeister auch sich selbst darstellen lassen; auf

122 Heinrich Hoemeister war ein ausgezeichneter Diplomat. Er ist immer König Fer­ dinand treu geblieben, jedoch äußerte er sich in seinen Schreiben an seinen Vorge­ setzten im Deutschen Orden voller Demut und Unterwerfung,33 wenngleich er in­ nerhalb der Mauern des Ordenshauses ganz andere Worte benutzte.34 Seine Verwaltung des Hauses war hart und autoritär. So wurde der alte Priesterbruder Hans Buckenheimer, aus einer bekannten Frankfurter Familie stammend, der nicht willens war, eine Urkunde zu unterschreiben, in der die Ballei Land an die Liebha­ berin des Landkomturs verpachtete, so hart von Hoemeister und seinem Prokura­ tor Saro verprügelt und geschlagen, dass er daran später starb.35 Wann dieser An­ griff genau stattgefunden hat, ist nicht sicher, es muss im Zeitraum zwischen der Visitation und der letzten Erwähnung Buckenheimers als Zeuge einer Urkunde vom 18. Mai 149136 gewesen sein. Im ehemaligen Ordensarchiv in Palermo findet man übrigens eine Urkunde, mit der Hoemeister schon im Januar 1484 seiner Konkubine Elisabetta ein Haus in Palermo vermietet hat.37 Andere Brüder wurden, auch wenn vielleicht sogar mit Recht, gefangen gesetzt. In Palermo wurden sie einfach in ihren Zimmern eingeschlossen, in der Burg Mar- gana existierte dagegen ein spezielles Gefängnis, cammara munitionis que serviebat pro carcere, in der es auch vier Handschellen gab;38 zwei weitere Handschellen lagen in der Waffenkammer der Burg Risalaimi.39 Während der Visitation befand Bruder Jost von Muhr sich im Gefängnis in Palermo, Hans Lochner war seit kurzem aus der Burg Margana freigelassen worden und den letzten Bruder, Nikolaus Kirsten, hatte der Landkomtur als lokalen Komtur nach Margana, weit weg aufs Land verbannt. Hoemeister hatte während seines langen Aufenthalts auf der Insel die lokale Kul­ tur und Tradition vollständig adaptiert, wie z. B. ein auf Sizilianisch geschriebener Brief an den Visitator Adolf von Geroldseck zeigt, den er als „Rigo Hoemeister“ unterschrieb.40 In seinem Briefwechsel benutzte er niemals die deutsche Sprache, seine bekannten Briefe sind auf Lateinisch oder Sizilianisch geschrieben.41 Mögli-

dem Rahmen des Gemäldes befindet sich ein Wappen mit Ordenskreuz sowie ein anderes mit dem Kopf des hl. Mauritius, kein Familienwappen Hoemeistcrs, das vermutlich auch nicht existierte. 33 1476 August 10; Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Welschland 125, fol. 421r-v und 1492 Februar 22; Visitationen II (wie Anm. 3), Nr. 214, S. 222-223. 34 Bruder Jost von Muhr behauptete, Hoemeister habe gesagt,... wann der meisten selber hier queme, so walte er im die thiir vor der nasen zu schlahen und vor dem huss lossen sten. Was meisten, ich bin her und meisten hie... (Visitationen II (wie Anm. 3), S. 214) und ... er schisse den visitierern uff ihre müler, wann sy sindt alle betteier, sy haben kein gelt (ebd., S. 215). 35 Ebd., S. 215. 36 Palermo, Archivio di Stato, Commenda della Magione, 10, fol. 7r-9r. 37 1484 Januar 15; Palermo, Archivio di Stato, Commenda della Magione, 2, fol. 158r—160r. 38 Inventar von 1494 (wie Anm. 6), fol. 190v. 39 Ebd., fol. 187r. 40 1492 Februar 22; Visitationen II (wie Anm. 3), Nr. 214, S. 222 f. 41 Hauptquelle ist der Brief Hoemeisters an Deutschmeister Lentersheim von 1476 August 10; Original in Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Welschland 125, fol. 421r—v (Papier, 400 x 300 mm, ursprünglich in der Länge sechsfach, in der Breite vierfach gefaltet, heute zweifach gefaltet

123 cherweise hat er seine Ausbildung gar nicht in Deutschland, sondern in Italien er­ halten. Der Inhalt seiner Briefe zeigt uns einen kultivierten Mann, mit guter Kennt­ nis von Rhetorik und Kirchenliteratur. Das Leben Hoemeisters, wie es im Visitationsbericht dargestellt ist, verrät einiges über die Alltagsgewohnheiten der Ordensbrüder. Die Beziehungen zur lokalen Ge­ sellschaft waren intensiv. Der Deutsche Orden gehörte seit je zur High Society von Palermo, wie z. B. eine um 1460 erstellte Liste der Familiären der Ballei zeigt.42 Hoemeister verbrachte viel Zeit mit seinen hochrangigen Freunden wie Giovanni Jaime di Ventimiglia,43 besonders beim Kartenspiel. Auch die anderen Brüder, so­ fern sie es sich erlauben konnten, sind nicht im Hause sitzen geblieben. So verbrach­ te der junge Jost von Muhr oft die Nacht mit Laien in der Stadt, dem Orden zu Schande und Spott.44 Hoemeister wurde auch beschuldigt, dass er sich wie ein Laie gekleidet habe, ohne Ordenskreuz, mit einer Goldkette und Ring; damit der Ring besser sichtbar wäre, habe er seine Handschuhe ausgeschnitten. Nicht nur sich selbst, auch seine Liebha­ berinnen habe er wie Fürstinnen gekleidet. Bruder Nikolaus Kirsten habe sich ebenfalls weltlich gekleidet.45 Die anderen Quellen teilen nur wenig mit über die Kleidung der Ordensbrüder. Wir wissen nur, dass der während der Visitation von Januar bis April 1440 aus sei­ nem Amt entlassene Landkomtur Siziliens Hans Kolb überproportional viel Geld für den Einkauf eines Mantels ausgegeben hatte.46 Sonst kommt der Einkauf von Kleidern in den Balleirechnungen nicht vor. Die einzigen Bildquellen, zwei Darstel­ lungen eines Ordensbruders aus Palermo47 und Risalaimi,48 zeigen uns Heinrich Hoemeister selbst, im ersten Fall in der klassische Kleidung eines Ordensbruders mit regelgemäßer einfacher brauner Tunika unter dem Ordensmantel, im zweiten Fall in einer etwas luxuriöseren Version mit einer großen goldenen Schnalle. Der Bericht von 1491 führt auch einen ganz anderen Fall an, den des Bruders Jost von Muhr, eines exzentrischen Mannes des Kapitels: Er habe die Gewohnheit gehabt,

und in den Handschriftenband eingebunden; durch die Falten und durch Feuchtigkeit leicht beschä­ digt; Spuren eines hellroten Wachssiegels); Kopie des 18. Jhs. ebd., 126/1, fol. llr-13r. 42 Kristjan Foomaspoeg,Terra,uominiedenaro. Un ineditocensuale siciliano del Quattrocento, in: Annali dellTstituto Italiano per gli Studi Storici 27, 2012-2013, S. 379-456. 43 Ventimiglia ist eine der wichtigsten Adelsfamilien im spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Sizi­ lien; im 14. Jh. haben sie sogar, zusammen mit zwei andere Familien, für eine gewisse Zeit die Insel beherrscht. Es gibt keine Gesamtstudie zur Familie; vgl. vor allem Maria Antonietta Ru sso, Gio­ vanni I Ventimiglia: un uomo al servizio della monarchia, in: Archivio Storico Siciliano Reihe 4, 34-35,2008-2009, S. 43-93. 44 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 213. 45 Ebd., S. 205; das behauptete jedoch nur Landkomtur Hoemeister. 46 Visitationen I (wie Anm. 4), S. 155. 47 Palermo, Kirche Santissima Trinitä della Magione, Fresko der Kreuzigung, 1472. 48 I alermo, Galleria Interdisciplinare Regionale di Palazzo Abatellis, Tommaso de Vigilia, Fresko mit Portrait Heinrich Hoemeisters, um 1488 (meine Datierung).

124 seine Kleider unnötig und freiwillig zu zerreißen und, so behauptet die Quelle, habe diese dann den huren versetz t,49 Die vorhandenen Inventare erwähnen nur die litur­ gischen Gewänder. Die am Anfang des 16. Jahrhunderts in Venedig verfassten In­ ventare sind dagegen ausführlicher, erwähnen sie doch ebenso Alltagskleidung wie Leinenhemden, einen dunkellila mit Fuchs gefütterten Rock sowie zwei weitere, einer blau und einer rot.50 In Venedig gab es auch Juwelen, die im Ordenshaus je­ doch zusammen mit Bargeld in einer Kiste verwahrt wurden, sowie zwei Goldrin­ ge, davon einer mit Wappen, einem Türkis, einem Rubin und einem Diamant in punta.51 Im Ordenshaus Palermo gab es genug zu essen, aber nicht für alle Brüder. Nach dem Zeugnis des Bruders Jost von Muhr habe Landkomtur Hoemeister seiner Kon­ kubine Elisabetta jeden Tag acht Brote, zwei Krüge Wein und (umgerechnet) ca. 200 Gramm Fleisch gegeben, während die Ordensbrüder nur wenig erhielten;52 das könnte vielleicht die Motivation einiger Diebstähle erklären. Die besten Quellen über die Nahrung der Ordensbrüder sind die Balleirechnungen aus Apulien und Sizilien aus der ersten biälfte des 15. Jahrhunderts, aus denen hervorgeht, dass ein bedeutender Teil der beachtenswert hohen Agrarproduktion der Ordenshäuser an Wein, Öl, Weizen, Fleisch, Käse, Eiern, Früchten usw. direkt in den lokalen Kon­ venten landete und dass, z. B. im Fall des Weins, die Ordensbrüder den qualitativ besseren Teil für sich behielten.53 1494 findet man in Risalaimi 5360 Liter Wein (dazu Malvasier und „lateinischen Wein“), 2100 Liter Weinessig, mehr als 2000 Li­ ter Weizen, 13 Liter Butter, gesalzenes Schweinefleisch, 40 Liter Mandeln, des wei­ teren kandierte Früchte, getrocknete Kichererbsen, Gewürze und Kräuter und ein kleines Quantum an Zucker. In Margana gab es 2500 Liter Weizen, 460 Liter Gers­ te und ca. 5000 Liter Wein. Dazu kommen auch, in beiden Häusern zusammen, 11 Gänse und Enten, 94 Tauben, 58 Hühner und zwei Schweine, die in den Innenhöfen den Burgen frei herumliefen. Es geht dabei um eine riesige Menge an Lebensmitteln, wenn man bedenkt, dass die Zahl der Ordensbrüder und ihrer Familiären insgesamt nicht hoch war (so gab es ca. 1,5 Liter Wein pro Tag für jeden Bewohner der Burg Risalaimi). Auf den ers­ ten Blick eigenartig ist, dass man in dieser reichhaltigen Aufstellung keine Ausgaben für Fisch findet. Das lässt sich vielleicht damit erklären, dass Fisch direkt aus den Ordensbesitzungen kam und nicht gekauft wurde, so dass die Balleirechnungen da­ rüber nichts sagen. So erhielten die Ordensbrüder beispielsweise einen königlichen

49 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 213; so behauptet von Nikolaus Kirsten. 50 1512 Oktober 12; Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Welschland 127/1, fol. 309r-311v. 51 1500; ebd., fol. 263r-266v, hier fol. 263r. 52 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 214. 53 Vgl. die Tabellen in La contabilitä (wie Anm. 4), S. CXIII-CXXXVI.

125 Fischzins in Palermo.54 Auch die Ausstattung der Küchen und Bäckereien ist in manchen Fällen bekannt. So besaßen die Brüder 1436 in Palermo ein Paar Mörser­ mühlen zum Zerkleinern der Samen von Senfrauke (Eruca sativa), um daraus eine Sauce zuzubereiten55; 1436 und 1494 findet man überall eiserne Rüstböcke, Spieße, Zahnstangen, verschiedenartige Fässer, Pfannen, Töpfe usw. und beide Typen von Waagen jener Zeit, die statera („römische“ oder Balkenwaage) und Brückenwaage. Charakteristisch für Sizilien war, dass man in den Ordenshäusern nicht im Kamin, sondern auf dem Pferd kochte.56 Der Verbrauch von Wein war erheblich, auch in Zeiten mit mehr Disziplin als 1491, durchaus höher, als es in den Ordensstatuten vorgesehen war.57 Der Deutsche Orden produzierte selbst ausgezeichnete Weine, wie Aglianico in der Ballei Apulien oder Rotwein im Gebiet von Corleone in Sizilien. 1491 stellte der Wein ein Problem besonders für Bruder Hans Lochner dar, der zwar, wie die drei anderen Mitbrüder betonten, sich sonst ganz korrekt verhielt, leider aber die Gewohnheit hatte, zu viel zu trinken, anschließend viel zu reden und damit eine Schande für den Deutschen Orden darstellte.58 Kommen wir zum Problem der Armut. Landkomtur Hoemeister hielt überhaupt nichts vom Gelübde der Armut und verwendete die Ressourcen des Ordenshauses, als wären sie sein persönliches Eigentum. Hin und wieder sandte er Geldsummen an den Deutschmeister,59 den größeren Teil nutzte er aber für seine eigenen Intrigen. Sein Lebensstil entsprach dem eines weltlichen Adeligen, und er selbst und seine Liebhabe­ rinnen benahmen sich wie Mitglieder der hochrangigen Familien Palermos. Ein Zeugnis des Lebensstils Hoemeisters ist die von ihm als Sommerresidenz erbaute Burg Risalaimi, deren Kapelle in seinem Auftrag von Tommaso de Vigilia, vielleicht dem berühmtesten Künstler Siziliens am Ende des 15. Jahrhunderts,60 mit einer Reihe von Gemälden ausgestattet wurde, deren Mehrzahl heute noch erhalten ist.61

54 Eine Schenkung Friedrichs II. vom Februar 1219 (Jean Louis Alphonse H u i! la r d - B re h o lle s, Historia diplomatica Friderici secundi, I, Paris 1859, S. 588-590), um 1460 nach wie vor gültig (T oom aspoeg, Terra (wie Anm. 42), S. 409). 55 Bresc-Bautier, Bresc (wie Anm. 5), S. 234. 56 Ebd., S. 209. 57 Vgl. Die Statuten des Deutschen Ordens nach den ältesten Handschriften hg. v. Max P erlbach, Halle/Saale 1890, S. 57. 58 So berichtete Jost von Muhr: ... erwiss nit anders, dann alles gutes von dem genanten heren Han­ sen Lochner, dann allein, das er zun ziten frölich wirt vom win und dann vil redt; Visitationen II (wie Anm. 3), S. 216. 59 Siehe u. a. seinen Brief von 1476 August 10 (oben Anm. 41). 60 Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Ulrich T h i e m e / Felix B e c k e r / Hans Vo 11 m e r , Bd. XXXIV, Leipzig 1940, S. 350. 61 Die Wandmalereien wurden 1881, als die Kapelle von Überschwemmung durch den Fluss Eleutero bedroht war, abgenommen, nach Palermo gebracht und restauriert; Giuseppe C a ld e ro n e , Anti- chitü siciliane in specie memorie storico-geografiche di Marineo e suoi dintorni. Opera corredata di una carta topografica comparata del sacerdote Giuseppe Calderone, Palermo 1892—1894 und Luisa S p a to la , Gli affreschi di Risalaimi. Vicende conservative in etä sabauda, in: Gli uomini e

126 Die anderen Brüder hatten keinen Zugang zu den Geldressourcen der Ballei, je­ doch ließ der Landkomtur ihnen die Freiheit, sich selbst zu finanzieren. So hat Ni­ kolaus Kirsten eine eigene industria aufgebaut: Nach dem Zeugnis Hans Lochners stellte er Branntwein her, was ihm ausreichend Geldmitteln eingebracht hätte.62 Die anderen drei Brüder waren jedoch entweder nicht interessiert oder nicht aktiv genug für solche Unternehmungen. Hans Lochner war der einzige Bruder, der in Armut lebte, was eigentlich normal gewesen sein sollte. Jost von Muhr dagegen wurde mehrmals wegen Diebstahls inner- und außerhalb des Hauses angeklagt. So fand inan z. B. bei ihm einige Tücher, die dem adeligen Herrn von Requesens entwendet waren,63 und er soll sogar das Vermögen der Hausdiener gestohlen haben. Nikolaus Kirsten warf dem Landkomtur Hoemeister vor, er hätte Balleigüter entfremdet, und Hans Lochner wurde wegen Diebstahls einer großen Geldsumme ein paar Jah­ re in Margana im Gefängnis gehalten, auch wenn er vielleicht nur der Vernachlässi­ gung schuldig war und das Geld wohl von einem Hausdiener gestohlen worden war. Dazu ist allerdings zu bemerken, dass die sogenannte n otd u rf also die kleine Geld­ summe, eine Art von Taschengeld, die die Landkomture nach Ausweis der ältere Balleirechnungen64 den Brüdern regelmäßig austeilten, von Hoemeister nicht mehr gegeben wurde. Die Keuschheit war ein Problem für drei der vier Brüder. Dieses Problem kommt in den älteren Quellen nur selten vor. So wissen wir, dank einem königlichem Man­ dat, dass 1269 ein Ordensbruder der Ballei Apulien, Heinrich Wolf, den Deutschen Orden verlassen hatte und mit einer Konkubine in Melfi lebte.65 Aus anderen Man­

ie cose I. Figure di restauratori e casi di restauro in Italia tra XVIII e XX secolo, hg. v. Paola D ’A lc o n z o , Neapel 2007, S. 219-239. Heute sind sie in der Galleria Interdisciplinare Regionale di Palazzo Abatellis in Palermo verwahrt. 62 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 208. 63 Ebd., S. 209. Die Requesens, katalanischen Ursprungs, waren zurzeit eine der berühmtesten Adelsfamilien der Insel; Pietro C o r ra o , Governare un regno. Potere, societä e istituzioni in Sici­ lia fra Trecento e Quattrocento, Napoli 1991, S. 256 u. 258. Ein Berengarius de Requesens war 1470 Kriegskapitän; Fond aragonesi III. Frammento del „Quaternus sigilli pendentis“ di Alfonso I (1452-1453). II registro „Sigillorum Summarie Magni Sigilli XLVI“ (1469—1470), hg. v. Bianca M a z z o le n i (Testi e documenti di storia napoletana pubblicati dall’Accademia Pontaniana, Rei­ he II 3), Napoli 1963, S. 99. Galcerano de Requesens war 1484 Graf von Trivento und Avellino; Regesto della Cancelleria aragonese di Napoli, hg. v. Jole M a z z o le n i (Ministem dell Interno. Pubblicazioni degli Archivi di Stato 7), Napoli 1951, S. 39 f. Bernat war Pretor von Palermo seit etwa 1528. Jost von Muhr hätte einige „fazzoletti“, also Kopftücher gestohlen. 64 Dazu mehr in La contabilitä (wie Anm. 4), S. LXII—LXIII u. XCV. Es ging nicht um feste und vorbestimmte Summen, so erhielt z. B. der Landkomtur von Apulien 1448-1449 mehr als 13 Du­ katen, die anderen Brüder aber Summen in der Höhe von 0,3, dann 3, dann 5 und zuletzt 7—8 Dukaten. Außer der notdurf gab es auch andere Zuschüsse für die Erstattung von Reisekosten usw., die man zerung nannte. In Sizilien rechnete man, in den 1430er Jahren, etwa 5 Goldunzen (30 Dukaten) für den Landkomtur und 9 Unzen (54 Dukaten) für alle anderen Brüdern insgesamt. 65 1269; I Registri della cancelleria Angioina, Bd. V, 1266-1272, hg. v. Riccardo F ila n g ie ri (Testi e documenti della storia napoletana pubblicati dall’Accademia Pontaniana 5), Neapel 1953, S. 115, Hubert H o u b e n , Der Deutsche Orden in Melfi. Urkunden (1231—1330) aus dem Nachlass Gius-

127 daten vom Ende des 13. und des Anfang des 14. Jahrhunderts geht hervor, dass es erneut solche Fälle gab,66 jedoch handelte es sich diesmal wahrscheinlich nicht um Ordensbrüder, sondern um weltliche Familiären. 1491 haben wir es aber mit drei verschiedenen Formen von Unkeuschheit zu tun. Der Bruder Nikolaus Kirsten wohnte seit neun oder zehn Jahren ruhig und unauffällig zusammen mit einer Hausdienerin genannt Isabetta. Der junge Jost von Muhr dagegen verbrachte seine Nächte in der Stadt, wo er zahlreiche teils intime Beziehungen gleichermaßen mit Frauen und Männern aller Art hatte, weswegen (wie Hans Lochner behauptete) er so müde war, dass er am folgenden Tag bis spät im Bett geblieben sei.67 Der alte Landkomtur ist aber ein Spezialfall, wo alle vorhandenen Formen der Unkeuschheit zusammentrafen. Er hatte nicht nur oft und regelmäßig Verhältnisse mit Frauen, er war auch ein Konkubinator. Im Laufe der Zeit hatte er mit sechs Frauen zusammengelebt und, noch schlimmer, hatte von diesen auch zahlreiche Kinder. Mindestens eine dieser Frauen, Eleonora, war verheiratet mit einem Fami­ liären des Deutschen Ordens, Salvatore Maculoso.68 Die Frauen wohnten nicht im Ordenshaus, waren dort aber ständig anwesend. Für einige von ihnen hat Hoemeis- ter Häuser gekauft oder erbauen gelassen, alle erhielten aber ihren Unterhalt aus den Balleiressourcen, und der Landkomtur hat für sie und ihre Verwandten Schmuck, Kleider und anderes gekauft. So hatte Hoemeister mehr dauerhafte intime Bezie­ hungen als Jost von Muhr, der meist einfach zu Prostituierten ging. Das Konkubinat gestaltete sich allerdings auch problematischer, da es in diesem Fall illegitime Kin­ der gab. Sodomie fehlte im Ordenshaus Palermo ebenfalls nicht. Bruder Jost von Muhr wurde beschuldigt, er habe „wie ein Ketzer mit Mönchen und Laien“ sich der Sünde wider die Natur hingeben. Der Hauptakteur war aber, auch in diesem Fall, der alte Landkomtur. Aus dem Zeugnis des Bruders Nikolaus Kirsten stammt die folgende Passage, die in ihrer bunten und detaillierten Beschreibung aus einem Kapitel des D ecam erone zukommen scheint: Item by zweien jaren vergangen fügt es sich, das der benant lantheompthure hat ein knecht genant Matheo de Banera, daruff die bem elte dirn [Elisabetta di Tiritia69] verdeckt hat, das der lantheomphur mit im in de

tino Fortunato, in: De litteris, manuscriptis, inscriptionibus ... Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Koch, hg. v. Theo Kölzer/Franz-Albrecht B o r nsch 1 eg e l/Christian Fried!/ G eorgVogeler, Wien 2007, S. 113-134, hierS. 126. 66 S. 1307 Juli 6; Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Wclschland 125, fol. 378r-v. 67 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 209: Wol hab er underziten des morgens geschloffen byss umb ter- zezit..., also bis um 9 Uhr. 68 Die Familie Macaluso arbeitete für die Ballei mindestens seit den 1430er Jahren; La contabilitä (wie Anm. 4), S. LXXXVIII; T oom aspoeg, Les Teutoniques (wie Anm. 23), S. 387. Mitglieder der Familie kommen auch in der um 1460 geschriebenen Zinsliste der Ballei vor; T oom aspoeg, Terra (wie Anm. 42). 69 Der Name der Frau kommt einige Zeilen früher vor. In der Originalurkunde (Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Handschriften, 164, S. 12) handelt es sich um Isabetta de Tiritia und nicht Cirina wie in der Edition.

128 verbauten und stumende froide zu thun bette wider natur. Und verbag sich under das bett und über etliche stunden kam der knecht in di chammer. Was sy do ver­ brachten ist gut zu versten. Denne die dim e sprang herfur, die under dem bette lag, und sprach sy an mit unhubschen Worten und schlug den lanthcompthur mit einer planeilen an sinem kopff und den genanten knecht mit einem stecken über sin oren und sprach: „ Es stinckt hie alles von dreck buseronatz de merda“.70 Dazu zwei Bemerkungen. Zum einen standen die Betten zu der Zeit, wie es auch aus den Inventaren ersichtlich ist und manchmal noch heute in Sizilien anzutreffen ist, auf sehr hohen Pfosten, so dass es unter dem Bett so viel Platz gab, dass eine Person wirklich für etliche Stunden darunter bleiben konnte. Zweitens ist die von Elisabetta gebrauchte Terminologie sehr interessant, da hier das Wort bugeronagi, aus französisch bou geron , benutzt wird,71 das auf Bulgaren hinweist: Sie galten als Schismatiker und, da sie das Sakrament der Ehe in der römisch-katholischen Form nicht kennen, automatisch auch als Sodomiten. Das Problem war, dass die Diener des Ordenshauses, wie die Volkszählung von Paler­ mo 1480 zeigt, normalerweise junge sechzehnjährige Knaben waren.72 73 Mit mindestens drei von diesen hatte Hoemeister verbotene Beziehungen gehabt. Wie Hans Lochner behauptete, hatte einmal ein Geselle von Erfurt, zu Besuch in Sizilien, in der Burg Ri- salaimi den Landkomtur mit einem Diener im Bett entdeckt und war schnell geflohen, da er befürchtete, dass jetzt Risalaimi mit grund und bodem undergingP Die Sündenliste der Ordensbrüder in Palermo könnte man noch verlängern. So waren beispielsweise der Landkomtur wie auch Bruder Jost von Muhr gewalttätig, in Wort und Tat. Kommen wir aber jetzt zu den Ursachen dieser eigenartigen Lage im Ordenshaus Palermo. Vor allem haben wir es mit der Tatsache zu tun, dass der Deutschmeister seit den 1460er Jahren keine entscheidende Kontrolle mehr über die Ballei Sizilien auszuüben vermochte, so dass sie praktisch autonom vom Landkom­ tur verwaltet wurde. Gleichzeitig war die Ballei sehr wohlhabend, und ihr Personal besaß eine wichtige Stellung in der lokalen Gesellschaft. Wir haben es hier mit dem­ selben Prozess zu tun, der kurz später auch den Verlust der Ballei Lamparten er­ klärt. Bis um 1460 sah die Lage der Ballei Sizilien aber noch ganz regelgemäß aus. Hinzu kommt die moralische Schwächung des Deutschen Ordens selbst, die z. B. in Livland im Fall des Johann Wolthus von Heerse 1471 sichtbar wird.74 In Italien wurde

70 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 211. D 71 Siehe Frederic G o d e fr o y , Dictionnaire de I’ancienne langue franijaise et de tous ses dialects du IXe au XVe siede, Bd. I, Paris 1880, S. 698. 72 Di P a sq u a le , Palermo (wie Anm. 16), S. 99 f. Im Ordenshaus wohnten damals der Komtur (also der Statthalter Hoemeister), vier andere Ordensbrüder, zwei Kapläne (ordensfremd), drei junge Hausdiener und ein Stallknecht. 73 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 206. Der Gesell hieß Hans Zeringer, der Knecht Giovanni Virgi- letto. 74 V g l.S te rn s (wie Anm. 14), S. 106—111; Bernhart Jä h n ig, Verfassung und Verwaltung des Deut­ schen Ordens und seiner Herrschaft in Livland (Schriften der Baltischen Historischen Kommissi-

129 dies aber schon 1431 erkennbar, als zwei Ordensbrüder aus Preußen, Hans Ochse und Eberhart Stibur, nach Rom zum Generalprokurator kamen, um Vorwürfe gegen ih­ ren Oberen vorzutragen; dies zeigt, dass es in preußischen Ordenshäusern bereits innere Spannungen, Befehlsverweigerung und Gewalttätigkeit gab.75 Das alles trifft zusammen mit der während des großen Schismas der Kirche beginnenden morali­ schen Krise Süditaliens. Im 15. Jahrhundert wurden die Sizilianer als „Schüler des Verderbens“ bezeichnet.76 Gleichzeitig gab es auch auf dem Festland Fälle, wo Frau­ enklöster von Prostituierten bewohnt wurden usw.77 Eine lange Reihe von Beispielen über verschiedenen Sünden der Mitglieder des sizilianischen Klerus, wo z. B. das Konkubinat zur Gewohnheit geworden war, bestätigt, dass die Ordensbrüder einfach dem Lebensstil der sie umgebenden Gesellschaft gefolgt sind.78 So hatten z. B. einige Bischöfe von Agrigent, M azara und Syrakus sowie der Kap­ lan des Königspalasts in Messina Söhne, und es gibt eine sehr lange Liste von ver­ schiedenen Kanonikern und Priestern mit Familie und Kindern. All diese Fälle sind bekannt, da die Söhne später vom König legitimiert wurden. Gleichzeitig gab es einen sichtbaren moralischen Untergang in den Klöstern, so z. B. das Frauenkloster der hl. Katharina in Palermo, in das jeder hineingehen konnte. Das Kloster von Santa Maria de Arco in Noto wurde von seinen Mönchen verlassen, die Einkünfte wurden ad usum viles et inhonestos benutzt. Auf dem Friedhof des Johanniteror­ dens in Messina spielte man Glücksspiele, mit häufigen Streitereien zwischen den Spielern. Es gibt auch einige Fälle von Klerikern, die von anderen Klerikern getötet oder verletzt wurden, und ein Kanoniker aus Palermo hat seine eigene Konkubine getötet, ohne strafrechtliche Folgen. Auch Räubereien und Diebstahl waren den Kirchenmännern in Sizilien nicht unbekannt.

Die Inventare

Auch das Alltagsleben der Ordensbrüder erklärt in gewisser Weise, wie es zu der katastrophalen Lage des Jahres 1491 gekommen ist. Die Inventare des 15. Jahrhun­ derts und die noch vorhandenen Baureste stellen uns eine Welt vor, in der es - wahr­ scheinlich schon seit dem 13. Jahrhundert - keine gemeinsamen dorm itoria gab, wo jeder Bruder ein eigenes Zimmer besaß. Palermo mit seinen vier bis sieben Brüdern

on 16), Berlin 2011, S. 181. 75 Jan-Erik B e u 11 e 1, Studien zu den Besitzungen des Deutschen Ordens in Apulien, in: Sacra Mili­ tia. Rivista di storia degli Ordini militari 3, 2002, S. 161-212, hier S. 208-212 (Exkurs: Die Flucht des Ordensbruders Hans Ochse aus Preussen nach Italien). 76 Vgl. Salvatore F o d a 1 e , Alunni della perdizione. Chiesa e potere in Sicilia durante il grande scisma (1372-1416) (Nuovi studi storici 80), Rom 2008. 77 Pietro D a 1 e n a, Dagli Itinera ai percorsi. Viaggiare nel Mezzogiorno medievale, Bari 2003, S. 166. 78 Alle folgenden Beispiele kommen aus F o d a 1 e, Alunni (wie Anm. 76), S. 745-772.

130 war schon eine relativ große Kommende. Dagegen hatten die anderen fünf bis sechs übrigen Kommenden Siziliens nur sehr selten mehr als einen Ordensbruder, also nur den Komtur selbst, und am Ende des 15. Jahrhunderts waren alle, mit Ausnah­ me von Margana, einfache Prokuratorensitze geworden/9 Die Lage war deutlich anders als z. B. in der Ballei Lamparten, in der man versuchte, in jeder Kommende ständig zwei Brüder - einen Ritter und einen Priester - vor Ort zu halten.79 80 Das Inventar von 1494 stellt drei ganz unterschiedliche Situationen dar. In Paler­ mo wurde das Ordenshaus selbst eigentlich nicht inventarisiert - mit Ausnahme der Kirche -, wegen der ganz eigenartigen Lage des Hauses im Januar 1494: Der Kö­ nigshof hielte seit Januar 1492 die Besitzungen der Ballei unter seiner Kontrolle81 und hatte diese im Juni desselben Jahres auch offiziell sequestriert.82 Trotzdem ge­ hörte die Ballei noch nominell zur römischen Kirche und wurde erst im März 1495 dem Kardinal von Saragossa, Alfons, Sohn des Königs Ferdinand, und damit de facto dem Königshof übergeben.83 In der Zwischenzeit und sogar später noch, bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts, sind Ordensbrüder, wie die ehemaligen Visitato­ ren Waiblingen und Geroldseck, als vom Deutschmeister ernannte Landkomture und Balleistatthalter in Palermo geblieben. Waiblingen war schon 1493 nach Kasti­ lien und Aragon gereist, Geroldseck aber, mit Ausnahme einer Reise nach Spanien in den Jahren 1496/97, bis zu seinem Tod im Februar 1508 in Sizilien tätig.84 Wir finden im Balleiarchiv sogar eine von ihm unterschriebene Urkunde vom November 1494 mit Kopien von verschieden Wirtschaftsvorgängen.85 Er wohnte also im Or­ denshaus und hatte Zugang zum Balleiarchiv, welches wahrscheinlich immer noch,

79 Zur Verwaltung und zu den Kommenden der Ballei Sizilien im 15. Jh. Toom asp oeg , Les Teuto- niques (wie Anm. 23), S. 317-341. 80 Vgl. Kristjan T o o m asp o e g .L a fondazione della provincia di „Lombardia“ dell’Ordine dei Ca­ valieri Teutonici (secoli XII1-XIV), in: Sacra Militia. Rivista di storia degli Ordini militari 3,2003, S. 111-159; Piotr C i er z n ia k o w s k i, L’Ordine Teutonico nell’Italia settentrionale, in: L’Ordine Teutonico nel Mediterraneo. Atti del Convegno internazionale di studio. Torre Alemanna (Cerig- nola)-Mesagne-Lecce 16-18 ottobre 2003, hg. v. Hubert H ouben (Acta Theutonica 1), Galatina 2004, S. 217-235. Der Personalbestand der Baileien im Mittelmeerraum im Bericht der großen hochmeisterlichen Visitation von 1451; Visitationen II (wie Anm. 3), Nr. 149, S. 67 f. (Lamparten), S. 68 (Apulien), S. 68 f. (Sizilien), S. 69 (Etsch) und Nr. 163, S. 96-97 (Apulien und Sizilien). Die Lage der Ballei Lamparten ist aber am besten in dem um 1451 geschriebenen Verzeichnis des Per­ sonalbestandes in Deutschen und Welschen Landen dargestellt; ebd., Nr. 175, S. 128 f. 81 1492 Januar 13; Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Hs. 409; Wien, Österreichische Nati­ onalbibliothek, Hs. 6368, S. 114-122. 82 1492 Juni 14; Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Hs. 164, S. 71. 83 Diese Transaktion kommt zum ersten Mal in einem Brief des Borgia-Papstes Alexander VI. an den Bischof von Cartagena und den Erzbischof von Palermo vom 11. März 1495 vor; M o n g ito re , Monumenta (wie Anm. 29), S. 148-151. 84 Dazu siehe den Briefwechsel Geroldsecks mit dem Deutschmeister, u.a. in Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Hs. 164. Einige Briefe von 1492 in: Visitationen II (wie Anm. 3), Nr. 219, S. 230-232, Nr. 220, S. 232-238 und Nr. 221, S. 238-240; der Briefwechsel geht aber weiter, bis zum Ende des 15. Jhs. 85 Palermo, Archivio di Stato, Commenda della Magione, 364, fol. lr-2r.

131 wie auch 1436, im Zimmer des Landkomturs lag.86 So wurden die von den Ordens­ brüdern benutzten Wohnräume, Küche, Speisekammer usw. 1494 nicht inventari­ siert, und wir müssen das Inventar von 1436 benutzen, um eine Vorstellung vom Ordenshaus Palermo zu gewinnen. Eine gewisse Hilfe ist auch durch den Plan der Kirche La Magione und ihrer Umgebung von 1789 gegeben; leider ist die Legende dieser Karte nicht mehr erhalten.87 1436 ging es, außer der Kirche selbst, um die Sakristei hinter dem Altar, eine Spei­ sekammer (dispensa), ein kleines Lager (repositum), die Küche, ein anderes etwas größeres Lager (magasenum a lu lordu) und ein drittes, großes Lager im Hof (ma- gasenum magnum in cortili), den Pferdestall und schließlich drei Wohnzimmer: „Zimmer im Eingang des Hofs“, „Zimmer des Bartholomeus vor die Kirche“ und „Zimmer des Statthalters“ (bzw. Landkomturs).88 89 Es ist klar, dass man hier nur eine Auswahl der vorhandenen Zimmer inventarisierte, und auch die von 1428 bekannte Camera sacra89 oder ein anderer Gemeinderaum wurde nicht erwähnt. Wichtig ist, dass alle Nebengebäude der Kirche La Magione am Ende der 1450er und am Anfang der 1460er Jahre vom energischen Balleistatthalter Leonhard Hedersdorfer umge­ baut wurden: Er errichtete ein neues Wohngebäude und eine neue, außerhalb der Kirche liegende Kapelle.90 Die Informationen sind dagegen sehr detailliert für die Burg Margana, die 1436 wie auch 1494 inventarisiert wurde.91 Margana war in der Mitte des 14. Jahrhun­ derts erbaut worden, um die Einwohner des lokalen Ordenshofs gegen die Angriffe der benachbarten Adelsfamilie Valguarnerio zu schützen, wurde aber zwischen 1427 und 1430 stark umgebaut und verstärkt.92 1430 wurde auch der viereckige Turm errichtet (ca. 12 x 6 m, 9 m hoch), der als Kern der Burg angesehen werden kann. Der von Ordenswappen bekrönte Turmeingang führt zu einem Raum, den man mit der in den Inventaren erwähnten sala m agna oder cammara maior identi­ fizieren kann; ursprünglich gab es auch einen zweiten Stock, in dem vielleicht der andere bekannte Saal lag, cammara famulorum videlicet sala. Östlich vom Turm steht die Kapelle der Burg, wo man noch Fresken mit der Darstellung der hl. Katha­ rina sehen kann; vor der Kapelle liegt die in den Inventaren dokumentierte Weizen­ grube. Die drei Wohnstuben der Brüder findet man neben und hinter der Kapelle:

86 Am 10. März 1436 notierte der königliche Offizier Miamis de Gangio in seinem Inventar, dass man im Zimmer des Balleistatthalters ... babuit omnes scripturas, bullas infra reperta in domo; B resc- B au tier/ B resc (wie Anm. 5), S. 938. 87 Palermo, Archivio di Stato, Carte, Busta 1671, Nr. 21. Die Umgebung der Kirche hatte damals schon starke Veränderungen erlebt; R u s s o , La „Magione“ (wie Anm. 12). 88 B re sc -B au tie r/ B re sc (wie Anm. 5), S. 930-938. 89 Siehe Anm. 22. 90 To om as p oe g, Les Teutoniques (wie Anm. 23), S. 402 und Quellen Nr. 983, S. 876 und Nr. 991, S. 878. 91 1436: B re sc -B au tie r/ B re sc (wie Anm. 5), S. 924-930; 1494: siehe oben, Anm. 6. 92 Hier und später folge ich Ros s i V a iro , Originality (wie Anm. 11).

132 das Zimmer des Komturs, ein anderes Zimmer, das 1436 vom Balleistatthalter be­ nutzt wurde, wenn er Margana besuchte und 1494 als cammara sancti Georgii be­ schrieben ist, und ein drittes, das man „Grabenzimmer“ (cammara della fossa) nannte. Andere wichtige Räume waren die großen Ställe am Eingang der Burg, die Küche, die Speisekammer und eine kleine Pferdemühle - die Burg befand sich in voller Belagerungsbereitschaft. Auch wenn Margana seit 1351 zu den Baronenburgen (castra baronalia) des Kö­ nigreichs Sizilien gehörte,93 handelte es sich eigentlich um einen Bau von bescheide­ ner Größe, dessen Verteidigung vor allem auf dem durch den 470 m hohen Hügel Petra della Margana gegebenen natürlichen Schutz basierte. Trotzdem wurde die Burg bemerkenswert gut ausgerüstet, wie die beiden Inventare zeigen. In Margana, wie 1436 auch in Palermo und 1494 in Risalaimi, wurde eine bedeutende Zahl an Waffen inventarisiert, was in den Inventaren der europäischen Häuser der mittelal­ terlichen Ritteroden eigentlich eine Ausnahme ist.94 Zum einen findet man verschie­ dene Typen von Schwertern, vor allem den stocco, das Bohrschwert, das lange und schlanke Schwert zum Stechen, dann aber auch 1436 vier „ungarische Schwerter“, ein Zeugnis - nach Henri Bresc - für die Zugehörigkeit der Ordensbrüder zur her­ ausgehobenen Elite der Gesellschaft,95 und 1494 einen Scimitar (orientalischer Sä­ bel). Hinzu kommen eine bedeutende Zahl von Speeren und überall Elemente von Ritterrüstungen: 1494 lagerten in Risalaimi vier komplette Rüstungen mit einem Lederkoller, in Margana siebeir Visierhelme (celate); ebenso findet man in Risalaimi und Margana insgesamt 24 Targen (Schilde) mit Ordenswappen. Die beiden Ordensburgen besaßen eine Menge von Armbrüsten verschiedener Art, aus Eisen, Holz und Knochen, mit ihren zahlreichen Elementen und Zube­ hör.96 Hinzu kamen Feuerwaffen. So finden wir im Januar 1494 in der Burg Marga­ na drei und in Risalaimi sechs Spingarden aus Bronze und in Margana zwei große Bombarden. 1436 besaß der Komtur in Margana auch eine bombardella, also Ha­ kenbüchse, ein Vorgänger der Handfeuerwaffen. Die Ausrüstung von Margana kann man vergleichen mit anderen nicht königlichen Burgen Siziliens des 15. Jahr­ hunderts, für die Inventare vorhanden sind: Die Ordensburg ist in gleichem Maße, nicht selten sogar besser bewaffnet.97 Wenn man die Inventare von 1436 und 1494 betrachtet, gelangt man zu einigen Folgerungen über den Charakter des Alltags in einer Ordensburg, wo man in ständigem Kontakt mit Waffen lebte. In Risalaimi

93 Vgl. T o o m asp o eg , Les Teutoniques (wie Anm. 23), S. 185-187, 208 f. u. 402 f. 94 So kommen die Waffen z. B. in den von Jochen Burgtorf erforschten Inventaren der Häuser des Templerordens in Frankreich praktisch nicht vor; Jochen B u r g t o r t , The trial inventories of the Templar houses in France: selected aspects, in: The Debate on the Trial of the Templars (1307— 1314), hg. v. Jochen B u r g to r f / Paul F. C ra w fo rd /Helen J. N ic h o lso n , Farnham-Burlington 2010, S. 105-115. 95 B re s c -B a u tie r/ B re s c (wie Anm. 5), S. 264. 96 Dazu ebd., S. 267 f. 97 Ebd., S. 261-288.

133 lagen die Waffen und Ausrüstungen 1494 in einer speziellen Waffenkammer, in Margana findet man dagegen 1436 Waffen überall in der Burg, vom Speisesaal bis zu den Schlafzimmern, mit einer einzigen Ausnahme: das Schlafzimmer des Kom­ turs.''8 1494, als Margana eine weniger wichtige Rolle im Leben der Ballei spielte, findet man dagegen den Hauptteil den Waffen im großen Turm. Wenn Margana ein gutes Beispiel einer spätmittelalterlichen bewohnten Festung bietet, zeigt sich Risalaimi" in einem ganz anderen Kontext. Es handelte sich, wie gesagt, um eine Gründung Heinrich Hoemeisters: Sein Prokurator Johann Saro be­ auftragte 1488 zwei Baumeister (einen aus Neapel, den anderen aus Cernobbio in der Lombardei), in Risalaimi einen Gebäudekomplex zu errichten, und ein Jahr später hat ein anderer Maurer einen zweistöckigen Turm erbaut.98 99100 Vor 1488 gab es hier nur ei­ nen „alten Turm“. Auch die kleine Kapelle der Burg (4,6 x 4,2 m, mit einer Höhe von 4,9 m) wurde sehr wahrscheinlich in dieser Zeit gebaut und mit Fresken von Tomma- so de Vigilia dekoriert. 1436 gab es in Risalaimi noch wenig Gegenstände: Das dama­ lige Inventar besteht aus 69 Positionen gegenüber 159 im Inventar von 1494. Hoemeister hat Risalaimi als Privatresidenz genutzt, ein Komtur wurde hier niemals eingesetzt. Interessant ist, dass der Status von Risalaimi als „Burg“ (castrum ), auch wenn man den Gebäudekomplex noch in der Neuzeit mit diesem Begriff bezeichnete, keine juristische Grundlage besaß. War Margana eine „echte“ Burg, so dass die Or­ densbrüder dem König für ihren Besitz Kriegsdienst leisten mussten, so war Risalaimi eine einfache (und theoretisch illegale) Privatgründung, ln jedem Fall war die „Burg“ relativ groß und bestand aus zwei Türmen, beide mit einem Wohnzimmer, der „neue“ Turm auch mit einer Terrasse, vier weiteren Schlafzimmern (von denen das des Land­ komturs cammara de la stima, „Ehrenzimmer“, genannt wurde), einem Saal, Waffen­ kammer, Speisekammer, Warenlager, Küche und Scheune. Der „alte“ Turm enthielt eine Glocke, genau wie der große Turm von Margana, die die Tageszeiten schlug. Die Lebensbedingungen in einer solchen Burg sehen für den heutigen Menschen natürlich recht puritanisch aus, jedoch haben die Ordensbrüder, wie andere Bewoh­ ner Siziliens, sich auch einige Bequemlichkeiten erlaubt. Es geht vor allem um die Bettausstattung, die aus einer Menge von Matratzen, Bettzeug, Kopfkissen, Na­ ckenrollen, verschiedenartigen Decken usw. bestand. Sie waren, vielfarbig, aus ver­ schieden Stoffen (Hanf, Leinen, Seide) hcrgestellt, im Winter mit Wolle und im Sommer mit Federn gefüllt. Das Bett selbst bestand aus auf Pfosten montierten

98 Ebd„ S.290. 99 1436: Bresc-B aut ier/B resc (wie Anm. 5), S. 921-924; 1494: siehe Anm. 6. 100 Diese Quellen wurden von Antonino Palazzolo bekanntgemacht; Antonino Pa la z z o lo , Aspet- ti difensivi ed insediamenti rurali fra ‘400 e ‘500: il castrum di Risalaimi e le masserie fortificate nella vallc dell Eleuterio, in: Rassegna Siciliana di Storia e Cultura 15, 2002 (on-line Edition), auf folgender Handschrift basierend: Palermo, Biblioteca Comunale, ms. 3.Qq.E.63 (Hippolito M az- ze 11 i , Libro di privilegii del la comenda et abatia della Maggione sub titulo della Santissima Trini- tä, olim hospitale delli Teutonici Hierosolimitani, Palermo 1627).

134 Holzteilen (normalerweise aus Tannenholz), die man am Morgen wegräumen konn­ te, am Ende des 15. Jahrhunderts aber oft unberührt an ihrer Stelle beließ. Vor und neben dem Bett gab es immer große Truhen, in die man die Betttücher räumen konnte, und Bänke, um besser ins Bett zu steigen. Oft wurde das Bett mit einem Baldachin ausgestattet, mit Vorhängen und einem kostbaren Betthimmel. Vor dem Bett und um das Bett herum gab es immer Teppiche. Henri Bresc nennt das sizilia- nische Bett ein „Monument aus Textil“.101 Nennen wir einige Beispiele. 1436 schlief der Balleistatthalter in einem Bett mit weißen Vorhängen mit Efeu-Ornament, vor dem Bett gab es ein Bank, eine Truhe und einen Schreibtisch.102 Das Bett Heinrich Hoemeisters in Risalaimi enthielt, wie das Inventar von 1494 zeigt, eine rot-weiße in Syrakus hergestellte Wollmatratze, zwei andere weiße Matratzen, eine rote Nackenrolle aus Wolle, eine Decke mit Kreisornamenten, zwei Bettlaken aus Hanf, vor dem Bett lag ein Truhe mit sechs Schubladen und eine kleine Bank, im Zimmer findet man noch eine große Truhe mit Füßen und eine Reihe von verschiedenen Truhen, Kisten und Kasten, einen Stuhl „aus Neapel“, einen kleinen Tisch, zwei Armleuchter aus Bronze, zwei einfache Leuchter (einer war rot, der andere grün) und einen Tisch.103 Der Inhalt dieses Zimmers ist typisch und gehört zum Gesamtkontext des All­ tagslebens in Sizilien. Man konnte in seinem eigenen Zimmer essen, meist sogar in der Küche, jedoch gab es auch gemeinsame Speisesäle wie die cammara maior in Margana. In Sizilien benutzte man zwei Typen von Tellern, den flachen, manchmal mit einem erhöhten Rand, und den sogenannten Saucenteller (salsiera), d. h. den heutigen Spaghettiteller. Meistens waren es Teller aus Hartzinn (Legierung aus Zinn und Kupfer). Zur Tischausrüstung gehörten auch Becken zum Händewaschen (mit Handtüchern), Schüsseln, Salzstreuer, Krüge, Becher, Kelche und Karaffen, darunter einige sehr wertvolle aus Glas. Im Zimmer Heinrich Homeisters in Risa­ laimi gab es auch drei Teller aus Murcia, zu der Zeit sehr geschätzte und kostbare Keramikteller aus dem Gebiet von Valencia, die einen charakteristischen metalli­ schen Glanz besaßen.104 Zählen wir das Tischservice zusammen, konnten 1436 in Margana 18, in Palermo mehr als zehn und in Risalaimi sechs Menschen gemeinsam essen, 1494 waren es neun in Margana und etwa zehn in Risalaimi. Es gab hinsichtlich der Essenszeit keine Trennung zwischen Ordensbrüdern, Familiären und Dienern. Man kann al­ lerdings feststellen, dass die Lebensbedingungen der letztgenannten viel einfacher waren. So findet man 1436 im Zimmer des Bartholomeus im Ordenshaus Palermo nur eine Matratze und eine Decke.

101 B re s c -B a u tie r/ B re s c (wie Anm. 5), S. 83. 102 Ebd., S. 938 u. Kommentar S. 294. 103 Inventar von 1494 (wie Anm. 6), fol. 187r. 104 B re sc -B a u tie r/ B re sc (wie Anm. 5), S. 92 und 248.

135 Neben den ungarischen Schwertern und Tellern aus Murcia bieten die Inventare auch andere Zeugnisse, dass die Ordensbrüder sich als Angehörige der Elite der Ge­ sellschaft sahen. So gab es in der Waffenkammer von Risalaimi ein Schachbrett und in der Burg Margana Teile einer Uhr, in Sizilien eine Rarität.105 Die Brüder besaßen Hunde, Windhunde und kleinere Jagdhunde (bracco), und für Risalaimi gibt es Bele­ ge für Jagd auf Kaninchen. Pferde wurden 1494 nur in Margana inventarisiert, wo man im großen Stall sieben hielt. 1436 gab es dagegen zwei Pferde in Risalaimi, aber fast fünfzig in Margana und acht in Palermo. Der Balleistatthalter selbst hatte damals zwei Pferde zur Verfügung und, wie der Bericht der Visitation 1491 anmerkt, Land­ komtur Hoemeister benutzte damals verschiedene Pferde für seine Ausritte.106

Die Spiritualität der Brüder

Für das Alltagsleben sind auch die prosopographischen Hinweise nicht zu unter­ schätzen. Die Lebensläufe der Brüder des Ordenshauses Palermo bieten uns inter­ essante Einblicke in die Personalentwicklung des Deutschen Ordens in Italien am Ende des 15. Jahrhunderts. Neben Landkomtur Hoemeister entstammten all diese Männer, nicht nur die drei des Jahres 1491, sondern auch andere aus den Jahren 1470 und 1480 bekannte Brüder, wie Hans Buckenheimer107 oder Jost Stuler108, aus tradi­ tionell dem Deutschen Orden verbundenen „guten“ Familien des Stadtpatriziats von Nürnberg, Frankfurt und Mergentheim oder den Geschlechtern des niederen fränkischen Landadels.109 110 So war Hans Lochner"0 Sohn des Hans Lochner des Äl­ teren aus Nürnberg,111 Nikolaus Kirsten112 stammte wahrscheinlich aus der fränki-

105 E b d . , S .98. 106 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 214. 107 Hans Buckenheimer, auch Johannes aus Frankfurt, war Priesterbruder in Palermo von 1455 bis zu seinem Tod zwischen Mai und September 1491. Er war Mitglied einer ursprünglich aus Bocken- heim stammenden Familie des Stadtpatriziats von Frankfurt am Main; T o o m asp o eg , Ultimi (wie Anm. 1), S. 163. 108 Siehe Anm. 28. 109 Vgl. T oom aspoeg, Brüder (wie Anm. 25). 110 Hans Lochner, ein Ritterbruder, war 1470 Komtur in Venedig und 1471 Komtur in Padua (beides in der Ballei Lamparten),von 1478 bis 1491 einfacher Bruder in Palermo; T o o m asp o eg , Les Teutoniques (wie Anm. 23), S. 483. 111 Hans Lochner der Ältere kommt in Nürnberg in Urkunden von 1414 bis zu seinem Tod 1466 vor (1414, November 19, Stadtarchiv Nürnberg, A 1; 1444 Mai 27, ebd., E 56/1, Nr. 71; 1463 Oktober 24, ebd., A 1; Nachweise auch im Archiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Samm­ lung Hartmann. Dann gibt es einen weiteren Hans Lochner den Älteren von 1500 bis 1528 (1500 Juli 8, Stadtarchiv Nürnberg, A 1; 1528, ebd., El/1000, Nr. 9). Einen „Hans Lochner den Jünge­ ren gab es in der Stadt wahrscheinlich nicht, so dass es sich um unseren Bruder handeln könnte. 112 Kirsten war Priesterbruder in Sizilien von 1478 bis 1491; meist lebte er im Haus Palermo, in den 1480er Jahren war er aber Komtur in Margana; T o o m asp o eg , Les Teutoniques (wie Anm. 22),

136 sehe Familie Christan oder Christans113 und war ein Verwandter des Kaspar Chris- tan oder Christian, Komtur des Deutschen Ordens in Rothenburg ob der Tauber 1524/25, der den protestantischen Glauben annahm, vom Bischof von Würzburg verbannt wurde, sich mit aufständischen Bauern verbündete und nach Ende des Bauernkrieges aus Rothenburg fliehen musste.114 Normalerweise ist Sizilien immer nur eine Etappe in der Karriere eines Ordens­ bruders gewesen. So hatte Hans Lochner einen Dienst in der Ballei Lamparten hin­ ter sich, als Komtur in Padua und Venedig. Ungewöhnlich ist, dass Nikolaus Kirs­ ten und Jost von Muhr nach ihrem Ordenseintritt unmittelbar nach Süditalien gesandt wurden. Jost von Muhr ist im März 1488, wahrscheinlich als sehr junger Mann, in den Deutschen Orden eingetreten115 und wurde sofort nach Palermo ge­ schickt, was vielleicht auch die Unruhe seines Charakters erklärt.116 Andererseits war die Verweildauer der Brüder wie Hans Buckenheimer oder Nikolaus Kirsten in Sizilien außerordentlich lang. Landkomtur Hoemeister selbst residierte in Sizilien mehr als 20 Jahre. Diese Dauer ist ein Beleg für die Schwierigkeiten des Deutsch­ meistertums, sich um das Personal seiner italienischen Balleien zu kümmern. Die durch den Visitationsbericht von 1491 gegebene Darstellung des Ordenskon­ vents in Palermo ist zweifellos grotesk, eine Karikatur religiösen Lebens. Wenn man jedoch die vorhandenen Quellen intensiver untersucht, im Kontext des ausge­ henden 15. Jahrhunderts als einer Übergangsepoche in der Geschichte des Deut­ schen Ordens wie der katholischen Kirche insgesamt, findet man auch eine positive Seite. Man erkennt immer eine gewisse Spiritualität der Ordensbrüder,117 auch wenn

113 Heinrich und Adelheid Christan kommen in Nürnberg 1393 vor (1393, Dezember 15, Stadtarchiv Nürnberg, A 1.). Ein Konrad Christan war Prior in Pappenheim (Landkreis Weißenburg-Gun­ zenhausen) 1426 (1426 Dezember 6, ebd., D 2/IV, Spitalamt/Akten, Nr. 805). Ein Kunz von Cris- tans ist 1452 in Hessen oder Franken in den Deutschen Orden eingetreten (ein gleichnamiger war Stadtbürger in Nürnberg am Anfang des 16. Jhs. (1500 August 29, ebd., A 1), Bürgen waren Hans von Cristans und Hans Gross (1452 April 22, Urkunden (wie Anm. 32), III, Nr. 3687, S. 1100). Ein Heinrich Cristan war 1469 Landschreiber und Bürger in Würzburg (1469 Juli 11, Staatsarchiv Ludwigsburg, B 503 I, U 996). 114 Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv, Sammlung Hartmann, unter „Christan“. 115 1488 März 12; Urkunden (wie Anm. 32), III, Nr. 4278, S. 1252. Die Bürgen waren sein Bruder Gilg von Muhr, Erbküchenmeister des Bistums Eichstätt, und Hans Hilprant zu Morsbach. Die Ur­ kunde trägt auch das Siegel der Familie Muhr. 116 Nach dem Verlust der Ballei verschwindet er spurlos. Er stammte aus einer ursprünglich aus Al­ tenmuhr (Muhr am See) bei Gunzenhausen kommenden fränkischen Adelsfamilie, die 1536 er­ losch; Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv, Sammlung Hartmann, unter „Muhr“. 117 Immer noch aktuell Die Spiritualität der Ritteroden im Mittelalter, hg. v. Zenon Hubert N ow ak (Ordines militares. Colloquia Torunensia Historica 7), Torun 1993, besonders die Aufsätze von Kaspar Elm, Die Spiritualität der geistlichen Ritterorden des Mittelalters, S. 7—44 (auch in: „Mi­ litia Christi“ e crociata nei secoli XI-XIII. Atti dell’undecima Settimana internazionale di studio Mendola, 28 agosto—1 settembre 1989 (Miscellanea del Centro di Studi Medioevali 13), Milano 1992, S. 477-518) und Hans-Dietrich Kahl ,Die Spiritualität der Ritterorden als Problem. Ein me­ thodologischer Essay, S. 271—295). Einen status quaestionis findet man in KristjanToom a s p o e g, La spiritualite des ordres religieux-militaires du Moyen Äge: 1‘etat de la recherche, in: Cister e as

137 sie auf dem ersten Blick eigenartig ist. So zerriss Jost von Muhr seine Kleider und übergab sie Prostituierten, was auch Ausdruck einer persönlichen Frömmigkeit sein kann. Der alte Landkomtur investierte nicht wenig in schöne und wertvolle Wand­ malereien, Altarbilder und -bekleidung. Mehrere davon kommen im Inventar von 1494 vor, manche sind noch in den im 16. Jahrhundert in Palermo durchgeführten Bestandsaufnahmen erwähnt,118 so z. B. das Antependium vor dem Hauptaltar in La Magione mit Emailbesatz und einige Agnus Dei mit Perlen.119 Beschränken wir uns auf die Quelle von 1494, so gehörte mehr als ein Viertel aller inventarisierten Gegenstände zum Bereich von Kirche und Liturgie. Der Hauptteil (ca. 200) wurde in der Kirche La Magione in Palermo verwahrt, anderes in den klei­ neren Ordenskapellen in beiden Burgen. Es war Priesterkleidung: Pluviale, Ornat, Stola, Amikt, Manipel, Tunika und besonders viele Pallien. Dann gab es natürlich das notwendige liturgische Gerät: Monstranzen aus Bronze oder Silber, Kelche und Patenen (letztgenannte aus vergoldetem Silber), Korporale, Bursen, Altarglocken, Weihrauchfässer, Weihrauchschiffchen, Phiolen aus Blei und Zinn, Armleuchter, Lampen mit Kettchen und Formen für die Herstellung von Oblaten.120 Auch die Bücher wurden 1494 zusammen mit dem liturgischen Gerät inventari­ siert. Sie lagen in der Kirche und in den Kapellen, mit einer einzigen Ausnahme: Heinrich Hoemeister hatte in seinem Zimmer in Risalaimi einem Exemplar des Fa­ sciculus Temporum des Kölner Karthäusers Werner Rolevinck, eine um 1473 erst­ mals gedruckte Universalgeschichte, die man damals als Bestseller ansehen kann, da sie in vielen Ausgaben, nicht nur in Deutschland, nachgedruckt wurde und eine bemerkenswerte Verbreitung hatte.121 Es ist auch das einzige weltliche Buch in der Reihe von 36 bekannten Titeln (28 aus Palermo, vier aus Risalaimi und weitere vier aus Margana). Sonst geht es um liturgische Bücher, vor allem Messbücher (von de­ nen zwei der Liturgie des Deutschen Ordens folgen,122 andere sind secundum Cu-

Ordens Militares na Idade Media - Guerra, Igreja e Vida Religiosa, hg. v. Jose Albuquerque Carreiras/Carlos de Ayala Martinez, Tomar 2015, S. 23-45. 118 Antonino Giuffrida,Il potere del segno. La transizione della Magione da baliato a commenda, in: I Cavalieri Teutonici tra Sicilia e Mediterraneo. Atti del Convegno Internazionale (Agrigento, 24-25 marzo 2006), hg. v. Antonino Giuffrida/Hubert Houben/Kristjan Toomaspoeg (Acta Theutonica 4), Galatina 2007, S. 159-202, Urkunden Nr. Ill, S. 177-180 (1537 November 17) u. VII, S. 184-199 (1553 November 24). 119 Inventar von 1494 (wie Anm. 6), fol. 184v. 120 Nur ein Beispiel, die große silberne Monstranz mit einem kleinen Kreuz und einigen eingeschlos­ senen Reliquien; ebd., fol. 184r. Sie ist schon im Visitationsbericht von 1440 dokumentiert; La contabilitä (wie Anm. 4), S. 62 f. Vielleicht handelt es sich um dieselbe, d ie im Inventar von 1436 vorkommt und die Reliquien der hl. Barbara enthielt; Bresc-B au t i e r/B resc (wie Anm. 5), S. 931. 1536 kommt diese Monstranz wieder vor mit der Angabe, sie diene für den Hauptaltar; Giuffrida, II potere (wie Anm. 118), S. 178. 121 Siehe u.a. Albrecht Classen, Werner Rolevinck’s Fasciculus Temporum, in: Gutenberg-Jahr­ buch 81, 2006, S. 225-230. 122 Dazu siehe Cristina Dondi, Liturgies of the Military Religious Orders, in: The Genius of the Roman Rite: Historical, Theological and Pastoral Perspectives on Catholic Liturgy, 11th CIEL

138 rie), Antiphonale, Graduale (darunter eins des Benediktinerordens), Breviere (ein Ordensbreviar), Kollektare, Lektionare und Psalter und schließlich Ordo septem ecclesiasticorum graduum, also ein Pontifikale. Dazu kommen, nur in Palermo, ei­ nige weit verbreitete theologische Werke wie die Epistola ad Galatas Expositionis Uber unus des hl. Augustin,123 die Expositio ad Apocalypsim des Joachim von Fiore,124 eine Pergamenthandschrift mit der Eiistoria Corporis Christi,125 der Liber genera- tionis JhesH Christi (auf Basis des Matthäus-Evangeliums), die P roverbia Salomonis, dann zwei für die Marienverehrung wichtige Handschriften, die Historia Intemera- te Virginis M arie121' und die Historia Visitationis; schließlich, als ganz praktisches Hilfsmittel, besaßen die Ordensbrüder eine Sammlung der päpstlichen Dekretalen. Solche Ordensbibliotheken findet man auch anderswo in Italien, z. B. in der Kir­ che Santa M aria in Domnica in Rom 1285, die u. a. fünf Bände mit der L egenda Beate Marie besaß.127 In Venedig wurde zwischen 1500 und 1512 die Existenz von mehr als 200 Büchern erwähnt, von denen nur 31 zur Liturgie dienten, u. a. drei Graduale, sechs Messebücher, zwei Psalter, eine Rubrik des Ordens, drei Breviare (eins des Ordens mit dem Diurnal) und vier Antiphonare; die weltlichen Bücher sind leider nicht mit Titel bekannt.128 Eine besondere Rolle im religiösen Leben des Ordens in Sizilien spielten die von ihm auf die Insel importierten Festa Corporis Christi, die Fronleichnamsfeiern. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die seit dem 15. Jahrhundert dokumentierte Fest­ prozession von der Ordenskirche La Magione zum Dom von Palermo ging, dass die Ordensbrüder 1494 die genannte Historia Corporis Christi notata in pergameno besaßen und dass man noch heute im ehemaligen sizilianischen Balleiarchiv neu­ zeitliche Kopien von Papsturkunden dazu findet. Diese Tradition wurde auch in der

Colloquium, Oxford, Merton College, 13 -16 Sept.2006,hg. v. Uwe Michael Lang, Chicago2010, S. 143-158; Anette L ö f f le r, Die Liturgie des Deutschen Ordens in Preussen, in; Cura animarum. Seelsorge im Deutschordensland Preußen, hg. v. Stefan Samerski (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 45), Köln 2013, S. 161-184. 123 Siehe u.a. Augustine’s commentary on Galatians, hg. v. Eric P 1 u m e r, Oxford 2003. 124 Auch als Expositio in Apocalypsim bekannt. Heute wird noch häufig die Faksimile-Ausgabe der venezianischen Edition von 1527 benutzt; Expositio in Apocalypsim abbatis Ioachim, Venedig 1527, ND Frankfurt/Main 1964). Eine gute kritische Edition fehlt immer noch; vgl. u.a. Gioacchi­ no da Fiore, Introduzione alEApocalisse, übersetzt v. Gian Luca Po t es t ä , Rom 1996. 125 Ohne genauere Details wissen wir nicht, ob es eine Verbindung zum Werk des hl. Thomas von Aquin handelt. 126 Es geht nicht um das Zu dieser Zeit üblicherweise benutzte und mehrmals gedruckte Stundenbuch Höre intemerate Virginis Marie (so z. B. Höre intemerate Virginis Marie secundum usum Roma- num cum pluribus orationibus tarn in Gallico et in Latino, Paris 1505), sondern um eine Historia in einer Pergamenthandschrift. 127 Vgl. Kristjan Toomaspoeg, Die Deutschordenskirche Santa Maria in Domnica im Licht eines unbekannten Inventars von 1285, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 83,2003, S. 83-101. 128 Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Welschlandl27/1, fol. 263r-270v, bes. fol. 264r u. fol. 309r-311r, bes. fol. 31 lr: Item volumi circa 201 de libri i qualli dicono essere delprovin- ciali.

139 Neuzeit intensiv fortgesetzt und ist, besonders für das 16. Jahrhundert, gut doku­ mentiert.129 Wie und woher das Fronleichnamsfest vom Orden nach Sizilien ge­ bracht wurde, ist unklar: Einerseits muss es irgendwelche Zusammenhänge mit der Herkunft der Ordensbrüder geben, andererseits kann man aber auch beobachten, dass die Festa im Kalender ganz in der Nähe der Dreifaltigkeitsfeiern liegen - die Allerheiligste Dreifaltigkeit wird am Sonntag nach Pfingsten gefeiert, Fronleichnam am folgenden Donnerstag -, und das Trinitätsfest war das wichtigste des Ordens­ hauses Palermo. Daher sind die zwei Traditionen wahrscheinlich miteinander ver­ bunden worden. Über die Heiligenverehrung in den Ordenshäusern in Sizilien erhält man etliche Auskünfte aus den noch vorhandenen Bildquellen, Inventaren und Dedikationen der Kirchen und Kapellen.130 Dabei kann man eine Mischung von Ordensheiligen, Balleitraditionen und lokalen Kulten beobachten. Von den Ordensheiligen sind Ma­ ria, Georg, Elisabeth, Barbara und Katharina allgegenwärtig. Aus der Balleitraditi­ on stammt das Dreifaltigkeitsfest. Die Hauptkirche der Ballei war der Allerheiligs­ ten Dreifaltigkeit gewidmet. Außerdem findet man auf der Insel zwei weitere Trinitätskirchen und zwei allegorische Darstellungen der Dreifaltigkeit: „Abraham mit den Engeln“ aus der Kapelle von Risalaimi und aus der Kirche La Magione in Palermo;131sie sind bis heute erhalten.

129 Siehe G iu ff r ida, II potere (wie Anm. 118), bes. S. 165-167. 130 Über die Heiligenverehrung in den mittelalterlichen Ritterorden und im Deutschen Orden ist die Literatur heute noch relativ knapp. Siehe vor allem Helen J. Nicholson, Saints venerated in the Military Orders, in: Selbstbild und Selbstverständnis der geistlichen Ritterorden, hg. v. Roman C z a j a und Jürgen Sarnowsky (Ordines militares. Colloquia Toruncnsia Historica 13), Torun 2005, S. 91-113; Tom Licence, The Templars and Hospitallers, Christ and the Saints, in: Crusa­ des 4, 2005, S. 39-58; Jochen Schenk, Some Hagiographical Evidence for Templar Spirituality, Religious Life and Conduct, in: Revue Mabillon N.R. 22, 2011, S. 99-119. Ein status quaestionis ist beschrieben in Giulia Rossi Vairo, I santi venerati negli ordini religioso-militari: culto e iconografia, in: Cister e as Ordens Militares (wie Anm. 117), S. 227-258. Über die Heiligen des Deutschen Ordens Udo Arnold, Elisabeth und Georg als Pfarrpatrone im Deutschordensland Preußen. Zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens, in: Elisabeth, der Deutsche Orden und ihre Kirche. Festschrift zur 700jährigen Wiederkehr der Weihe der Elisabetkirche Marburg, hg. v. Udo Arnold und Heinz L i e b i n g (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 18), Marburg 1983, S. 163—185; ders., Maria als Patronin des Deutschen Ordens im Mittelalter, in: Terra sanctae Mariae. Mittelalterliche Bildwerke der Marienverehrung im Deutschordensland Preußen, hg. v. Gerhard Eimer u. a. (Kunsthistorische Arbeiten der Kulturstiftung der deut­ schen Vertriebenen 7), Bonn 2009, S. 29-56; ders., Der Deutsche Orden und der Jakobuskult, in: Die oberdeutschen Reichsstädte und ihre Heiligenkulte —Traditionen und Ausprägungen zwi­ schen Stadt, Ritterorden und Reich, hg.v. Klaus Herbers (Jakobus-Studien 16), Tübingen 2005, S. 171-193; Bernhart Jähn ig, Festkalender und Heiligenverehrung beim Deutschen Orden in Preußen, in: Spiritualität (wie Anm. 117), S. 177—188; Dieter J. Weiss, Spiritual life in the Teuto­ nic order: a comparison between the commanderies of Franconia and Prussia, in: La commanderie, institution des ordres militaires dans l’Occident medieval, hg. v. Anthony Luttrell und Leon Pressouyre (Archeologie et historic de Part 14), Paris 2001, S. 159-174. 131 Diese schöne Malerei auf Holz (105 x 63 cm) befindet sich heute im Diözesanmuseum in Palermo, wo sie vor Kurzem restauriert worden ist. Der Maler war ein anonymer Meister Anfang des 15.

140 Die lokalen Einflüsse sind gleichermaßen sehr stark gewesen. So besaß die Or­ denskirche in Palermo Reliquien des 1474 heiliggesprochenen sizilianischen Karme- liten Albertus Siculus.132 Die orientalischen und süditalienischen Märtyrer spielten ebenfalls eine wichtige Rolle in der Heiligenverehrung der Ordensbrüder. Nehmen wir die Wandmalereien der Kapelle von Risalaimi als Beispiel, die um 1488 von Tommaso de Vigilia für Heinrich Hoemeister gemalt wurden. Neben der Gottes­ mutter und den Heiligen Georg, Elisabeth, Barbara und Sebastian wurde hier eine Reihe von in Sizilien verehrten weiblichen Märtyrerinnen dargestellt: Agatha von Catania, Agnes von Rom, Anastasia von Sirmium, Apollonia von Alexandria, Lucia von Syrakus und Oliva von Palermo.133 In Margana findet man eine Darstellung der Vermählung der hl. Katharina, im Zimmer des Komturs hing 1494 ein Bild des hl. Sebastian;134 in Palermo dagegen wurde in der Kirche eine kleine Statue der hl. Ka­ tharina aus Alabaster aufbewahrt.135 Diese Mischung aus lokalen und Ordensheili­ gen ist ganz charakteristisch für die Spiritualität der mittelalterlichen geistlichen Ritterorden,136 denken wir z. B. an die Verehrung der Templer von Perugia für Be- vignate, einen obskuren lokalen Eremiten, der niemals heiliggesprochen wurde.137

Schluss

Der Überblick über das Alltagsleben in den Ordenshäusern auf Sizilien am Ende des 15. Jahrhunderts stellt eine Situation dar, in der das lokale Personal des Ordens sich in hohem Maße dem lokalen Kontext angepasst hatte. Sie schliefen, aßen und benahmen sich im allgemeinen wie die Mitglieder der Elite der sizilianischen Ge­ sellschaft. Allerdings ist bemerkenswert, dass diese Männer, auch wenn sie zum größten Teil völlig „sizilianisiert“ waren, die Ordenstradition nicht vergessen hat­ ten. Die Ordenssymbolik war 1494 noch präsent, z. B. durch 24 Schilde mit dem

Jhs., der sog. „Meister der Krönungen“. Die Malerei stellt auch den Stifter dar, kein Ordensbruder, sondern ein noch nicht identifizierter Laie. 132 Giuffrida.il potere (wie Anm. 118), S. 179. 133 Noch 1537 gab es in der Kirche La Magione in Palermo eine Holzstatue der hl. Apollonia mit ei­ nem Paar Silberzangen; ebd., S. 179. 134 hem quatrum unum cum ymagine sancti Sebastiani; Inventar von 1494 (wie Anm. 6), fol. 191r. Sebastian wurde auch in Risalaimi von Tommaso de Vigilia dargestellt, und in der Ordenskirche in Palermo wurde im April 1463 eine Kapelle den Heiligen Fabian, Sebastian und Georg geweiht; Toomaspoeg, Les Teutoniques (wie Anm. 23), Nr. 991, S. 878. 135 hem ymago sancte Catherine parvula de alibastro cum sua caxecta; Inventar von 1494 (wie Anm. 6), fol. 186r. Kunstwerke aus Alabaster waren relativ selten in Sizilien, in den vorhandenen Inven- taren des 13., 14. und 15. Jhs. (bis um 1460) werden sie praktisch niemals erwähnt; Bresc-Bau- tier/Bresc (wie Anm. 5). 136 Hier stütze ich mich auf die in Anm. 117 u. 130 angegebenen Literatur. 137 Templari e ospitalicri in Italia. La chiesa di S. Bevignate a Perugia, hg. v. Mario R o n c e 11 i /Pietro Scarpel 1 ini/Francesco Tommasi, Milano 1987.

141 Wappen des Deutschen Ordens, und auch die Liturgie der Kirchen und Kapellen in Palermo, Risalaimi und Margana folgte der des Ordens. Heinrich Hoemeister hat die Umrandungen der Malereien in der Kapelle von Ri­ salaimi mit Ordenswappen dekorieren lassen und ist sich bewusst geblieben, dass er seine Stellung in der Gesellschaft nur dank des Prestiges des Deutschen Ordens besaß. Im Bericht der Visitation von 1491 wurde die ambivalente Stellung des Land­ komturs ganz klar von Hans Lochner dargestellt: Und verm eynt grosser ere zu ha­ ben on das crutz und domit wenig zu bedencken, durch wen er zu solicher ere kum- men ist.i2S Was noch eigenartiger ist, auch nach dem Verlust der Ballei, während des 16. Jahrhunderts, blieb die Erinnerung an den Deutschen Orden im ehemaligen Ordenshaus Palermo noch lebendig, seine Traditionen wurden bewahrt.138 139 Die Brüder der Ballei gehörten drei ganz verschiedenen Typen an. Die Hauptak­ teure der Visitation von 1491 waren zwei Renaissancemenschen, Hoemeister und Nikolaus Kirsten, mit guter Ausbildung, diplomatischem und politischem Geschick und, mindestens im Fall Hoemeisters, einem ungebremsten Privatleben und einem hervorragenden Geschmack für sowie Interesse an Kunst. Bei Jost von Muhr haben wir es mit einem Mann zu tun, der in jungem Alter und sofort nach seinem Or­ denseintritt in eine Großstadt am Mittelmeer gesandt wurde, wo er, ganz ohne Kon­ trolle, schnell von der Umgebung von Tavernen, Prostituierten und allerlei verbote­ nen, aber verlockenden Ablenkungen absorbiert wurde. Schließlich gehörten drei, die Visitatoren Waiblingen und Geroldseck sowie der Bruder Hans Lochner, noch zur „alten Zeit“ mit ihren Prinzipen und moralischen Grundsätzen, schafften es aber nicht, der neuen Mentalität entgegen zu treten. Geroldseck bezeugt, hilflos, den Untergang der Ordensballei, und Lochner, ehemaliger Ordenskomtur in Vene­ dig und Padua, jetzt arm und alleingelassen, ertränkt seine Resignation in Wein. Die Menschen des Zeitalters des Humanismus und der Renaissance, wie „sündig“ sie auch gewesen sein mögen, haben uns aber bemerkenswerte Schöpfungen hinter­ lassen. Dem „bösen“ Landkomtur Hoemeister, den die Ordensarchivare im 18. Jahrhundert als fons et origo mali bezeichneten140 und der für Bruno Schumacher nichts weniger als ein Totengräber des Deutschen Ordens gewesen ist,141 müssen wir für die Kreuzigungsdarstellung in der Kirche La Magione und die Reihe der schö­ nen Wandmalereien in der Kapelle von Risalaimi danken. Zwischen den Ordens­ wappen finden wir hier die Gottesmutter mit Kind und die knienden Barbara und Elisabeth, den hl. Georg mit dem Drachen, den hl. Johannes Evangelist, Sebastian, Antonius den Großen, Erasmus von Antiochia und eine lange Reihe von Märtyre­

138 Visitationen II (wie Anm. 3), S. 208. 139 Vgl. Kristjan Toomaspoeg, L’abito non fa il monaco: il quesito delle confraternitates Sancte Marie Alamannorum, in: Analecta Theutonica. Studies for the History of the Teutonic Order, hg. v. Kristjan Toomaspoeg (ActaTheutonica 10), Galatina 2014, S. 151-159. 140 Wien, Zentralarchiv des Deutschen Ordens, Abteilung Welschland 152/1, fol. 76r. 141 Schum acher, Studien (wie Anm. 1), II, S. 9.

142 rinnen aus dem Mittelmeerraum, die meisten wie hübsche junge Frauen dargestellt Dieser Schatz an Kulten, Werten, Konzepten und Traditionen aus dem Norden und Süden Europas gilt heute als eines der wertvollsten Symbole der Präsenz des Deut­ schen Ordens am Mittelmeer.

143 Alltag im Deutschordenshaus Marburg im 15. Jahrhundert

von Ursula Braasch-Schwersmann

Von der im Mittelalter außerhalb der Stadt Marburg entstandenen Deutschordens­ niederlassung1 existieren nicht mehr viele, aber recht eindrucksvolle architektoni­ sche Zeugnisse, vor allem die über dem Grab der heiligen Elisabeth errichtete große gotische Kirche sowie das im Laufe der Jahrhunderte mehrfach veränderte Komtu­ reigebäude. Erhalten sind zudem der mächtige Vorratsspeicher aus Stein, die ehema­ lige Brauerei, die St. Michael geweihte Friedhofskapelle sowie die nur noch in Rui­ nen und letzten Resten vorhandene Altarnische der früheren Krankenanstalt sowie zwei Mühlen2 an einem Nebengraben der Lahn. Der größte Teil der Gesamtanlage ist im 19. Jahrhundert nach dem Verkauf3 der Besitzungen an einen Privatmann abgerissen und mit Universitätskliniken überbaut worden. Bis zu dieser Zeit umfasste das Gelände ein ummauertes Areal von 30 Hektar mit einer Trennung zwischen dem Ökonomiehof im Osten samt dortigen Stallungen für

1 Ursula Braasch-Sch wersma nn, Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwal­ tung einer spätmitteialtcrlichen Grundherrschaft (Untersuchungen und Materialien zur Verfas- sungs- und Landesgeschichte 11), Marburg 1989, S. 143 Abb. 3 Plan der Deutschordensniederlas­ sung in Marburg von 1750 (Abb. 1 und2,imFarbteil); Katharina Scha a 1, Das Deutschordenshaus Marburg in der Reformationszeit. Der Säkularisationsversuch und die Inventare von 1543 (Unter­ suchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 15), Marburg 1996, Faltplan in Kartentasche mit dem Grundriss der Deutschordensniederlassung Marburg von 1735. 2 Es handelt sich um die Elwins- oder Elisabethmühle am Wehrdaer Weg nördlich des Deutschor­ densgeländes und der Elisabethkirche sowie um die südlich gelegene Herrenmühle am heutigen Rudolphsplatz bei der 1250 erwähnten steinernen Brücke, die über die Lahn führte; Hessisches Urkundenbuch. Urkundenbuch der Dcutschordens-Ballei Hessen 1, 1207-1299, hg. v. Arthur Wyss (Publicationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven 3), Leipzig 1879, ND Osna­ brück 1965, Nr. 100, 1250 Mai 26, S. 85f., hier S. 85. 3 Helmut Seier, Elisabethkirche, Deutschordensgut und „Hoffmannsche Angelegenheit“. Mar- burger Säkularisationsprobleme und ihre bundespolitischen Folgen 1809-1817, in: Elisabeth, der Deutsche Orden und ihre Kirche. Festschrift zur 700jährigen Wiederkehr der Weihe der Elisabe­ thkirche Marburg 1983, hg. v. Udo A mold /Heinz Liebing (Quellen und Studien zur Ge­ schichte des Deutschen Ordens 18), Marburg 1983, S. 282-322.

144 Pferde, Schafe und Schweine einschließlich verschiedener Werkstätten und Scheu­ nen. Diese waren unmittelbar benachbart zu dem gleich westlich anschließenden Bereich untergebracht, in dem sich auf engem Raum außer verschiedenen Wohnob- jekten der Konventualen der mächtige Sakralbau befand, der als Wallfahrtsziel, als fürstlicher Begräbnisplatz der Landgrafen von Hessen und vor allem als Ordenskir­ che diente. Die Grundlage des Deutschordenshauses bei Marburg bildete die Übernahme des 1228 von der thüringischen Landgräfin Elisabeth gegründeten Franziskushospitals,4 das zum Ausgang für den Aufstieg zu einer großen und wohlhabenden Ballei im Reich wurde. Organisatorisch angeschlossen waren der Zentrale an der Lahn bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts Einrichtungen an 18 Orten, die meisten davon im Umkreis von etwa 100 km.5 Diese Häuser, Pfarreien, Höfe und Kastnereien, die auf Initiative der Marburger Brüder oder infolge übergeordneter Ordensbeschlüsse ent­ standen waren, lagen jeweils unter der Aufsicht eines Deutschordensmitglieds und bildeten eine in sich geschlossene Einheit. Zur gesamten Ballei gehörte Streubesitz in ansehnlichem Umfang.6 Fromme, auf ihr Seelenheil bedachte Stifter, neu in den Konvent eintretende Mitglieder aus Adel und Bürgertum sowie Pilger, die das wun­ derwirksame Grab der heiliggesprochenen Elisabeth besuchten, förderten die Nie­ derlassungen durch eine Vielzahl von Zuwendungen. Durch über 350 Schenkungen und durch fast 450 gezielte, eigenfinanzierte Ankäufe kamen in zweieinhalb Jahr­ hunderten seit der Gründung über 20.000 Morgen Ländereien sowie unzählige Im­ mobilien in Städten und Dörfern zusammen. Die Wohnhäuser, Bauernhöfe und Mühlen, die Felder, Äcker, Wiesen, Weiden, Gärten, Weinberge und andere agrari­ sche Besitzungen sowie Fischgewässer, Waldungen und Forstanteile wurden über­ wiegenden gegen Natural- bzw. Geldabgaben in Erbpacht, Vitalpacht oder zeitlich auf eine festgelegte Anzahl von Jahren in Landsiedelleihe an Leihnehmer ausgetan,7 wobei die differenzierten Pachtbedingungen mit Rechten und Pflichten sowohl für Leihnehmer wie für die Leihgeber in schriftlichen Verträgen fixiert worden sind. Die Liegenschaften wurden kontinuierlich zur Erzielung von Einnahmen genutzt. Der personelle Aufwand im Bereich der Vermögensverwaltung darf nicht gering geschätzt werden. Zweifellos zählte Administration zu den großen Aufgaben im Alltag der Deutschordensbrüder. Klerikergemeinschaften streben in erster Linie religiöse Ziele an, und es ist ihre er­ klärte Absicht, ein geistliches Leben zu führen. Selbst wenn Ordensangehörige nicht

4 Braasch-Sch wersma n n , Deutschordenshaus (wie Anm. 1), S. 6-9. 5 Ebd., S. 16 Karte der Ballei mit den zugehörigen Ordenshäusern, Ordenspfarreien und Ordenshö- fen S. 15-44 in Flörsheim, Möllrich, Fritzlar, Felsberg, Griefstedt, Wetzlar, Herborn, Erfurt, Schiffenberg, Reichenbach, Kirchhain, Seelheim, Merzhausen, Stedebach, Seibelsdorf, Gelnhau­ sen, Friedberg und Görzhausen. 6 Ebd., S. 44-54 mit Faltplänen in Kartentasche zur Lage der Besitzungen und ihrem Erwetb. 7 Ebd., S. 55-138.

145 vorrangig materielle oder kommerzielle Interessen verfolgt haben und es keineswegs ihr Hauptanliegen war, Besitz anzuhäufen und Grundherren mit einem Wirtschafts­ unternehmen zu werden - so waren sie es schließlich doch und stellten sich dieser Aufgabe, auch in Marburg. Hier wie in den übrigen Balleien finden sich gleichmäßig und erfolgreich angewandte Verwaltungsstrukturen mit verantwortlichen Amtsträ­

146 gern.8 Man ordnete die selten geschlossenen, meist verstreut liegenden Besitzungen in überschaubare Bereiche und wies diese Güterkomplexe lokalen, von Ordensmitglie­ dern oder von weltlichen Amtsträgern geleiteten, wirtschaftlich eigenständigen Ein­ richtungen zu, die ihrerseits dem übergeordneten Haupthaus unterstanden. Den Trä­ gern der sorgfältig aufgebauten und gut organisierten Verwaltung dienten zur Unterstützung ihrer Arbeit schriftliche Hilfsmittel.9 In Hessen wie in allen Nieder­ lassungen des Deutschen Ordens bildeten nach einheitlichen, in Preußen entwickel­ ten Vorbildern geführte Amtsbücher, Rechnungen, Register, Zinsverzeichnisse und andere systematische Aufzeichnungen die Grundlage einer geordneten und leistungs­ fähigen Finanzverwaltung. Eingenommene Gelder benötigte man zum Unterhalt der Niederlassungen, zur Pflege von Kirchenbauten und für Leistungen an den Gesam­ torden, nicht zuletzt zur Versorgung der lokalen Konvente mit Unterkünften, Nah­ rungsmitteln und Gebrauchsgütern. 1364zählten zur Ballei Hessen mit allen Einrich­ tungen 100 Ordensangehörige sowie drei Schwestern und ein Pfründner,10 111411waren es 77 Mitglieder,“ 1455 mindestens 63 Personen.12 Durchschnittlich lebten im Haupt­ haus an der Lahn 20 Brüder mit dem Kreuz, die Hälfte von ihnen waren Priester. Außer dem Komtur als Leiter finden sich weitere Amtsträger, deren Bezeichnung ihre jeweilige Aufgabe benennt. Tätig waren in Marburg ein Trapier, ein Pietanzmeister, ein Spitalmeister, ein Zinsmeister, ein Kellner, ein Kornamtsleiter, ein Küchenmeister, ein Marschall, ein Heiltummeister, ein Prior und ein Küster.13 Abgesehen von den voll in den Orden eingetretenen Brüdern lebten in der Marburger Niederlassung zeitweise einige assoziierte Mitglieder,14 die sich - unter Hingabe ihres Vermögens - der Ge­ meinschaft ohne Ablegung der Gelübde lose anschlossen. Sie standen unter dem Schutz des Hauses, wurden bis zu ihrem Tod versorgt und fanden darüber hinaus in die Gebets- und Seelgedächtnisfeiern der Gemeinschaft Aufnahme. Bei aller Bedeutung der Administration machte sie auch im Marburger Deutsch­ haus nur einen Teil des A 1 ltags aus. Ohne Zweifel haben die Kleriker zu allen vorge­

8 Ebd., S. 206-259. 9 Ebd., S. 278-291. 10 Hessisches Urkundenbuch. Urkundenbuch der Deutschordcns-Ballei Hessen 3, 1360-1399, hg. v. Arthur Wyss (Publicationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven 73), Leipzig 1899, ND Osnabrück 1965, Nr. 1046, 1364 Sept. 1, S. 45f., hier S. 45. 11 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, hg. v. Marian Bisku p/IrenaJanosz-Bisku- powa unter der Redaktion v. Udo Arnold, Bd. I, 1236-1449 (Quellen und Studien zur Ge­ schichte des Deutschen Ordens 50/1 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kom­ mission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/1), Marburg 2002, Nr. 62, nach 15. April 1410-1411, S. 62-67, hier S. 66; Friedrich B e n n i n g h o v e n , Zur Zahl und Standortverteilung der Brüder des Deutschen Ordens in den Baileien um 1400, in: Preußenland 26, 1988, S. 1-20, hier S. 9f., 16. 12 Hessisches Staatsarchiv Marburg (StAM), Bestand Urkunden 37, 2306, Deutschordenshaus Mar­ burg, 1455 April 30. 13 Braasch-Schwersmann, Deutschordenshaus (wie Anm. 1), S. 207—255. 14 Ebd., S. 200-205.

147 gebenen Zeiten Gottesdienste in der mit mindestens neun Altären'3 ausgestatteten Elisabethkirche gehalten und mehrere Dutzend Pfarreien in der Ballei mit Priestern versorgt, darunter Sankt Marien in der Stadt Marburg."’ Ordensbrüder haben Gebetsleistungen erbracht, die über die Memoria für die ei­ genen Mitglieder hinaus das Totengedenken der zahlreichen Stifter einschloss, de­ nen der Orden Vermögensanteile in Form von Seelgerätschenkungen verdankte. Täglich galt es, in Gotteshäusern Messen zu zelebrieren und testamentarisch festge­ legte Pflichten zu erfüllen, teils an besonders geschmückten, festlich mit zusätzli­ chen Kerzen beleuchteten Altären und mit feierlichem Gesang, bei dem Schüler als Chorknaben eingesetzt worden sind. An Gründonnerstag haben Angehörige des Hauses an der Lahn Geld,17 Schuhe18 und Kleiderstoffe19 an Bedürftige verteilt und mindestens 72 arme Männer öffentlich gespeist.20 Neben den kirchlichen Obliegenheiten standen die Aufgaben des Alltags. Die Marbur- ger Ordensbrüder erteilten Arbeitsaufträge, ließen auf ihren eigenen Feldern pflügen und Saat ausstreuen,21 neue Anbauflächen roden,22 Steine lesen,23 Wassergräben anlegen24 und Landvermessung durchführen.25 Sie kauften junge Bäume,26 Pflanzensamen27 zum Züch-

15 Friedrich Küch, Die Altarschreine in der Elisabethkirche zu Marburg und ihre Stifter, in: Hes­ senkunst 3, 1908, S. 8-14, hier S. 10; Eberhard Leppin, Die Elisabethkirche in Marburg. Ein Wegweiser zum Verstehen (700 Jahre Elisabethkirche in Marburg. Katalog E), Marburg 1983, S. 18 (Kreuzaltar), 22f. (Marienaltar), 28f. (Katharinenaltar), 29f. (Elisabethaltar), 34-36 (Hochaltar), 42f. (Johannesaltar), 43 (Georg-Martin-Altar), 52-55 (Elisabethaltar), 55-57 (Sippenaltar); Jürgen M ich ler, Die Elisabethkirche zu Marburg in ihrer ursprünglichen Farbigkeit (Quellen und Stu­ dien zur Geschichte des Deutschen Ordens 19), Marburg 1984, S. 34, 231 f., 234 (Johannesaltar), 209-219 (Hochaltar), 222 (Marienaltar), 226f. (Kreuzaltar), 231 f. (Georg-Martin-Altar). 16 Ursula B ra asch-Schwersma nn, Stadtkirche und Deutschordenspfarrei - Die Marburger Marienkirche im Spätmittelalter, in: Hundert Jahre Historische Kommission 1897-1997, hg. v. Walter Heinemeyer (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 61,1), Mar­ burg 1997, S. 239-291. 17 StAM Bestand 106 Deutscher Orden, b Rechnungen, Nr. 1, Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 5v; Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1482, Ausgaben fol. 77v. 18 Ebd., Jg. 1460, Jahrrechnung Pietanz Marburg 1460, Ausgaben fol. 14. 19 Ebd., Jg. 1482/1483, Jahrrechnung Haus Marburg 1483, Ausgaben fol. 17v. 20 Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg 1, bearb. v. Friedrich Küch = Quellen zur Rechtsgeschichte der hessischen Städte 1 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 13,1), Marburg 1918, ND Marburg 1991, Nr. 15, 1356 Okt. 6, S. 78-80, hier S. 79; Urkun­ denbuch 3 (wie Anm. 10), Nr. 1327, 1356 vor Dezember 18, S. 297-299, hier S. 298. 21 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 7v. 22 Ebd., Jg. 1439—1447, Jahrrechnung Haus Marburg 1444, Ausgaben fol. 59v; Nr. 27, Jg. 1403—1436, Geforch-Buch Flörsheim 1436, fol. 25v; Nr. 52, Jg. 1455—1482, Pachtregister Haus Marburg 1462, Ginseldorf. 23 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 7. 24 Ebd. 25 StAM 106 b Nr. 51, Jg. 1456-1532, Leihebuch Marburg, Notiz zum Jahr 1460, fol. 5v; Nr. 1, Jg- 1460, Jahrrechnung Pietanz 1460, Ausgaben fol. 14. 26 StAM 106bNr. 1, Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 31. 27 Ebd., fol. 16v. 6 J

148 ten von Zwiebeln, Muskraut, Senf und Hanf.28 Bei verpachteten Liegenschaften wurde die Qualität der Bewirtschaftung kontrolliert, und man prüfte, ob die Ackerböden genü­ gend Dünger erhielten oder - so wörtlich - daz guth crang von wenig beßeronge1’’ war. Die Konventualen ließen auf ihrem Besitz Landwirtschaft und Gewerbe treiben und handelten mit den Erzeugnissen aus Pachtgütern und Eigenbetrieben. Das be­ weisen der Anbau, die Produktion, der Ankauf und der Vertrieb von Getreide,30 Hopfen,31 Flachs,32 Wein33 und Bier34 sowie der Umgang mit Nutzvieh. Im or­ denseigenen Kammhaus wurde graue und weiße Wollezur Weiterverwendung auf­ bereitet.35 Aus dem Marburger Webhaus kamen dort hergestellte und gefärbte Tü­ cher.36 In der Walkmühle an der Lahn sind 1486 2.122 Tuche gewaschen und gewalkt worden,37 in großer Konkurrenz zu den städtischen Handwerkern, die über den Wettbewerb klagten und sich bei den Ratsleuten zudem über die intensive Schafhal­ tung des Ordens beschwerten.38 Bis zu 500 Tiere39 umfassten die mit Schmiere ge­ kennzeichneten Herden,40 die vor dem Scheren zum Säubern mit Flusswasser in die Lahn getrieben worden sind. Zur Pflege der Bestände beschäftigten die Deutschor­ densbrüder einen Schafmeister. Sie selbst führten Buch über ihre vielfältigen Akti­ vitäten, die sie in der Landwirtschaft durchführen ließen, und notierten sogar ne-

28 Ebd. 29 StAM 106 b Nr. 52, Jg. 1364-1517, Pachtregister Haus Marburg 1364, fol. 6v. 30 Braasch-Schwersma n n, Deutschordenshaus (wie Anm. 1), S. 84-90. 31 Ursula Braasch-Schwersmann, Rebgewächs und Hopfenbau - Wein und Bier in der spät­ mittelalterlichen Agrargeschichte der Deutschordensballei Hessen, in: Weinbau zwischen Maas und Rhein in der Antike und im Mittelalter (Trierer Historische Forschungen 23), Mainz 1997, S. 305-363, hier S. 354f. 32 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1427/1428, Jahrrechnung Pfarrei Herborn 1427, Ausgaben fol. 29: Ausgaben für das Säen, Ernten, Auf bereiten von Flachs und für das Weben von Tuch. 33 B raasch -S ch w ersm an n , Rebgewächs (wie Anm. 31),S. 317-351. 34 Ebd., S. 356-363. 35 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 21v; Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 15v. 36 Ebd., Jg. 1460, Jahrrechnung Haus Marburg 1460, Ausgaben fol. 3v: Im Webhaus sind 1460 25 Tuche gewebt und zwei Tuche gefärbt worden. 37 Ebd., Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Einnahmen fol. 1. 38 Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg 2, bearb. v. Friedrich Küch = Quellen zur Rechtsgeschichte der hessischen Städte 2 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 13,2), Marburg 1931, ND Marburg 1991,1525 Juni 8, S. 525. 39 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 33, 33v: Nachdem die Schafe geschoren worden waren, ließ man sie zählen und kam auf 342 Tiere, die 22 V: Kluder Wol­ le ergeben hatten. Von 109 weiterhin aufgeführten Lämmern stammten 3 Kluder Wolle. Eine An­ gabe benennt für den Oktober 1468 405 Schafe. An Viehverlusten meldete der Berichterstatter für 1468 den Tod einer Kuh, außerdem war dem Komtur im Hof zu Görzhausen ein Eber verloren gegangen, hau die wolffe gessin. Gerland der Schafmeister hatte, so ebd., laut Notiz an Martini 401 Schafe, danach sind 109 Lämmer geboren worden, Summa 510 Schafe. Von diesem Bestand gingen einige Tiere ab: 3 Schafe erhielten die Schäfer zum Lohn, 8 Hammel und 27 Schafe gelangten in die Küche. 40 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 12v sowie ebd. Notizen fol. 2v unter dem Stichwort „Vieh“.

149 benrangig wirkende Kleinigkeiten über den Tod einer Kuh oder den Verlust eines Ebers, den die Wölfe im Lahntal gerissen hatten.41 Der Alltag in Hessen zeigt - wie in anderen Balleien - die Dualität von religiösem Leben und von Tätigkeiten zur Erlangung einer ökonomisch sicheren Grundlage, die bis zur Versorgung der eigenen Angehörigen in leiblicher Hinsicht reichte. Ein Blick in die Küche des Ordenshauses Marburg lässt die unterschiedlichsten Le­ bensmittel erkennen, die hier zu Speisen verarbeitet worden sind. Es finden sich:42 Fleisch von Rindern, Kälbern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Hühnern, Gänsen und Tauben;43 Wildtiere wie Reh,44 Hirsch, Wildschwein,45 Auerhahn, Haselhühner und Birkhühner; Stockfisch, Krebse, Hering und andere Fischsorten;46 Eier, Käse aus Biedenkopf und Frankenberg, Butter,47 Pfeffer, Senf, Ingwer, Safran, Wachol­ der für die Gänsebraten,48 Salz aus den Salinen in Aliendorf an der Werra,4“' Honig,50 Rosinen, Kastanien,51 Wecken52 für Mandelsuppe, Kirschen und Erdbeeren,53 um nur einige der verzehrten Naturalien zu nennen. An alkoholischen Getränken standen Wein und Bier zur Verfügung. Den Anbau von Reben und die im Wirt­ schaftshof in unmittelbarer Nachbarschaft zur Elisabethkirche eingerichtete Brau­ erei ließen die Deutschordensherren von Lohnpersonal und Spezialkräften betrei­ ben.54 Viele angekaufte oder selbstgewonnene Rohprodukte wurden vor Ort weiterver­ arbeitet und in Eigenleistung hergestellt - wie etwa Sauermilch.55 Ausgaben für das Hauen, Sieden und Salzen von Kohl im Oktober56 belegen die Herstellung von Sau­ erkraut und die gezielte Anlegung von Vorräten zu Beginn des Winters. Schafe und Schweine erwarb man zur Zucht und zum Verzehr.57 Ochsen sind teilweise von weit her bezogen worden, bevor man sie in Marburg geschlachtet hat.58 1477 ist eine

41 Ebd., Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 33v. 42 Ebd.,Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 23v-27v. 43 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1481, Ausgaben fol. 61-65v. 44 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o. J., Notizen, fol. 17. 45 Ebd.,Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 5v. 46 Ebd., Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 27v. 47 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 26. 48 Ebd. 49 Ebd., Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben fol. 28v. 50 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 24v. 51 Ebd., Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben fol. 5v. 52 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 23v. 53 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o. J., Notizen, fol. 31. 54 Braasch-Schwersmann, Rebgewächs (wie Anm. 31), S. 333-343, 352-355. 55 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1482/1483, Jahrrechnung Haus Marburg 1483, Ausgaben fol. 9. 56 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 8v. 57 Ebd., Jg. 1426/1427, Jahrrechnung Haus Marburg 1426, Ausgaben fol. 3: Ankauf von 50 Schafen; Jg. 1395-1403, Jahrrechnung Trapier Marburg 1397, Ausgaben fol. 10v: Ankauf von 84 Schweinen. 58 Ebd, Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 31v: Angabe über das Schlachten eines Ochsen.

150 Herde von 40 Tieren für 140 Gulden in Thüringen gekauft worden.59 Der Transport nach Hessen startete am Ordenshaus in Griefstedt, er dauerte 44 Tage und verur­ sachte währenddessen weitere Ausgaben für Weidekosten sowie für den Lohn der Treiber und Hüteknechte. Ein solcher Viehtrieb konnte sich bis zu neun Wochen hinziehen60 und barg manche Risiken, etwa wenn ein Ochse verloren ging und von einem Boten gesucht werden musste.61 Dinge und Waren, die im Marburger Ökonomiehof oder in den zur Ballei gehö­ renden Einrichtungen nicht selbst produziert werden konnten, hat man bei Hand­ werkern und Händlern in Auftrag gegeben, zum Beispiel Lederhosen oder Schuhe mit doppelten Sohlen.62 Kleidung wurde entweder auf Märkten gekauft oder direkt in der Niederlassung gefertigt. Die Marburger Brüder bestellten sich einen Schnei­ der in ihr Haus, der jedem ein aus mehreren Einzelstücken bestehendes sogenanntes convents kleyd 63 genäht hat, zu dem ein langer Rock, ein Reitrock, ein Mantel und ein Untergewand gehörten. Außerdem übernahm der Schneider die Reparatur schadhafter Stücke und machte neue Kogeln, Reitsocken, knöchellange Socken so­ wie Hosen aus Leinen und Wolle. Schwarzer Zwillich64 wurde für ein Kreuz an einem Reitrock benötigt. Zum Aufsticken von Kreuzzeichen auf Gewänder ist Schnur65 besorgt worden. Unter den Anschaffungen für den Haushalt in Marburg stößt man nicht nur auf einfaches Gerät wie Mistgabeln,66 Spaten,67 Kessel, Pfannen, Gläser und diverse Küchenutensilien, sondern auch auf teure und exklusive Posten. Nicht ohne mah­ nenden Unterton kommentierte der Rechnungsschreiber Mehrkosten für die Her­ stellung und das Material von silbernen Bechern, die im Preis weit höher lagen, als es der Komtur ursprünglich gesagt hatte.68 Tafelgeschirr aus Zinn reparierte ein Kannengießer.69 So war es länger haltbar und musste nicht neu gekauft werden. Über kostspielige Ausgaben für den Kirchenschmuck erstattete Komtur Johann vom Hain 1364 auf dem Generalkapitel in Frankfurt am Main Bericht.70 Seinen Aufzeichnungen zufolge hatte man in Marburg das Kopfreliquiar der heiligen Eli­ sabeth mit Gold im Wert von 42 Gulden verschönern lassen. Laut der in Frankfurt

59 Ebd., Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben Küche fol. 38. 60 Ebd., Jg. 1468a, Haus Marburg Notizen 1468, fol. 25. 61 Ebd., Jg. 1468a, Haus Marburg Notizen 1468, fol. 6. 62 Ebd., Jg. I486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 16. 63 Ebd., Jg. 1468a, Haus Marburg Notizen 1468, fol. 16. 64 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 46. 65 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben Bruder Notdurft fol. 16: Ankauf von 12 Ellen Schnur für Kreuze. 66 StAM 106 b Nr. 35, Jg. 1463-1471, Jahrrechnung Haus Schiffenberg 1464, Ausgaben fol. 3. 67 Ebd. 68 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 10; Jg. 1460, Jahr­ rechnung Haus Marburg 1459, Ausgaben fol. 5: Über 76 Pfund sind für silberwerg bezahlt worden. 69 Ebd., Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 35. 70 Urkundenbuch 3 (wie Anm. 10), Nr. 1046, 1364 September 1, S. 45f., hier S. 45.

151 vorgetragenen Beschreibung über den Zustand der Ballei Hessen ist außerdem eine Monstranz für 158 Gulden besorgt worden.71 Um die Höhe dieser Beträge für Zi- melien zu ermessen, sei der vom Orden finanzierte Neubau einer Mühle vor Wetzlar in Relation gesetzt, die knapp über 300 Gulden gekostet hat72 und damit gerade doppelt so teuer war wie die Monstranz. Etliches ist auf den Herbst- und Frühjahrs­ messen in Frankfurt am Main gekauft worden. Darunter waren Terpentin,7’ Papier für Register74 sowie Pergament für b rieffe.75 Zur Grundausstattung und nicht zum gehobenen Standard gehörten Waffen. Im Bestand der Komture gab es Panzer76 mit Brustharnisch,77 eiserne Hüte,78 Schwer­ ter79 und Degen80 in Scheiden. Haus Marburg verfügte nicht nur über eine Arm­ brust, deren Winde mit einer neuen Schlagfeder81 versehen werden musste, sondern über eine Vielzahl dieser Schussgeräte,82 deren Neuanschaffung, Wartung und Re­ paratur Kosten verursacht haben. Feuerwaffen werden nicht erwähnt. Über den gesamten Umfang des Rüstungsarsenals in der Ballei Hessen lassen sich keine Aussagen machen. Selten finden sich konkrete Hinweise auf die tatsächliche Beteiligung bzw. auf eine direkte materielle und personelle Unterstützung militäri­ scher Konflikte. 1431 verzeichnen die Marburger Rechnungen etwas über 200 Pfund Geld an Ausgaben für Pferde, Harnische und Knechte, die - so wörtlich - gein behme gerüstet worden sind und sich damit an den Hussitenkriegen beteiligt haben dürften.83 Ob und in welchem Maß Angehörige der Ballei Hessen in lokale Fehden und militärische Konflikte verwickelt waren, ist nicht unmittelbar zu erkennen und

71 Ebd. 72 Ebd. 73 St AM 106 b Nr. l,Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben Marstall fol. 23. 74 Ebd., Jg. 1387/1388, Jahrrechnung Haus Marburg 1388, Ausgaben fol. 3. 75 Ebd., Jg. 1483, Jahrrechnung Haus Marburg 1483, Ausgaben fol. 6v. 76 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 9: 1474 wurde ein Panzer des Komturs in Frankfurt repariert. 77 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 11: Kosten für einen Brustharnisch und die Reinigung bzw. das Überarbeiten eines eisernen Huts. Für den krebs des Komturs, einen Brustharnisch in Plattenform, wurde 1474 ein Riemen bezahlt, ebd. fol. 9. 78 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 11. 79 Ebd.: Es wurde Geld bezahlt, um ein Schwert des Komturs schleifen und reinigen bzw. überarbei­ ten zu lassen. 80 Ebd., Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 17, 17v: Geld kosteten eine Armbrust, ein Köcher, die Riemen für Messer und Panzer, vier Degen, die Herstellung von Scheiden und Arbeiten, um ein Schwert schön zu machen. 81 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 11: Eine Krappe (gekrümmte Spitze der Schlagfeder) für die Armbrust-Winde des Komturs wurde ange­ schafft. 82 Ebd., Jg. 1437, Jahrrechnung Schcffnerei Flörsheim 1437, Ausgaben fol. 37v; Jg.1470/1480, Jahr­ rechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 48: Ein Armbrustmacher erhielt 2 Gulden für eine Armbrust; Jg. 1484, Jahrrechnung Haus Marburg 1484, Ausgaben fol. 14: Bezahlt wurden Repara­ turen an fünf Waffen. 83 Ebd., Jg. 1431, Jahrrechnung Haus Marburg 1431, Ausgaben fol. 2.

152 kann daher kaum beurteilt werden. Vorrangig scheinen ihre Aufgaben im zivilen Bereich gelegen zu haben. Zum Alltag der Ordensbrüder und ihrer Amtleute gehörten Reisen und Fahrten aus dienstlichen Anlässen, die vielfach überliefert sind. Belege betreffen: Visitationen der übrigen Niederlassungen in der Ballei;84 Fahrten des Zinsmeisters und des Trapiers zur Messe nach Frankfurt;85 Aufenthalte in Mainz86 und in anderen Städten zur Klärung von Streitigkeiten und zur Regelung rechtlicher Angelegenheiten bei Veräußerungen oder Verpach­ tungen von Grundstücken und Gebäuden. Ihren Schreiber schickten die Marburger Brüder nach Leipzig und nach Nord­ hausen in Thüringen, um Geschäfte zu tätigen.87 Der Komtur und der Trapier machten Station in Fritzlar88 auf ihren Reisen nach Erfurt und Griefstedt. Die dortige Kommende89 hatte nicht nur den Vorgesetzten aus Marburg, sondern auch dessen geladene Gäste mit Fleisch, Wein, Brot und Sem­ meln zu versorgen. Eine Gerichtssache führte den Leiter der Ballei nach Mainz und belastete die Or­ denskasse mit Ausgaben für einen zum Prozess hinzugezogenen Advokaten, für den Prokurator, einen Notar und einen Siegler.90 Mehrfach begaben sich Komture auf weite Fahrt nach Preußen zum Hochmeister und benötigten für Unterkünfte, für Wegzehrung, für Pferde und die Kleidung ih­ rer Knechte eine Menge Geld.91 Mobilität verlangte zudem die pflichtgemäße Teil­ nahme an den Sitzungen des Generalkapitels und an den Treffen der Balleioberen mit dem Deutschmeister. Seit Ende des 14. Jahrhunderts wurde nur noch gelegent­

84 Ebd., Jg. 1426-1428, Jahrrechnung Pfarrei Erfurt 1426, Ausgaben fol. 39: Die visitirer haben 5 Pfund Verzehrkosten verursacht; Nr. 35, Jg. 1455-1463, Jahrrechnung Haus Schiffenberg 1456, Ausgaben fol. 8. 85 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen üb er zehrung der Deutschordens­ brüder. 86 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 46v. 87 Ebd.,Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 5, 5v: Reise des Schreibers nach Leipzig in das laut zu doringen und gbein northußen [...] als er die marpurgsche guide verkaufte. 88 StAM 106 b Nr. 28, Jg. 1456-1486, Jahrrechnung Rasten Fritzlar 1460, Ausgaben fol. 7v. 89 StAM 106 b Nr. 33, Jg. 1464-1477, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1464, Ausgaben; Jahrrechnung Haus Griefstedt 1466, Ausgaben; Nr. 1, Jg. 1414, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1414, Ausgaben fol. 19. 90 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 44-44v. 91 Ebd., Jg. 1439-1447, Jahrrechnung Haus Marburg 1439, Ausgaben fol. 2v: Der Komtur von Mar­ burg verzehrte für Pferde einschließlich der Kleidung für den Knecht fast 160 Pfund. Im gleichen Jahr 1439 fielen Kosten an, um Knechte zu kleiden und zu entlohnen, die mit dem meister nach Frankfurt ritten, ebd. Für zwei Preußenreisen benötigte der Marburger Komtur 1414 182 Pfund, ebd., Jg. 1414, Jahrrechnung Trapir Marburg 1414, Ausgaben fol. 1, 3. Kosten in Griefstedt deutet darauf hin, dass der Komtur über diese Niederlassung gereist ist, ebd., Jg. 1414, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1414, Ausgaben fol. 19.

153 lieh in Öttingen, in Mergentheim92 oder in Prozelten93 getagt. Meist traf man sich in Frankfurt am Main,94 wo es in Sachsenhausen eine Kommende gab. In Frankfurt hatte sich der Marburger Komtur zur Berichterstattung über den finanziellen und personellen Zustand der ihm unterstellten Niederlassungen und zu Beratungen über allgemeine Ordensangelegenheiten einzufinden. Manchmal war er in Beglei­ tung eines Mitbruders aus seinem eigenen FFaus, wie das Kostgeld für den Prior er­ kennen lässt.95 Mit Reisen zum Kapitel nach Frankfurt konnten gleich weitere Ge­ schäfte vor Ort verbunden werden, etwa die Ausbesserung von drei Panzern,96 die zu Rüstungen gehört haben dürften. Um die Unterkunft zu organisieren und Her­ berge zu bestellen, wurde vorab ein Bote in die Stadt geschickt.97 Die häufig gezahl­ ten Botenlöhne erlauben den Rückschluss auf rege Kommunikation und Mobilität. Die Zahlungen entfielen zum einen auf Nachrichtendienste zur Überbringung von Informationen,98 die der Orden innerhalb und außerhalb der Ballei Hessen ausge­ tauscht hat,99 zum anderen bekamen Boten Geld für die Erledigung von Einkäufen und Besorgungen sowie für die Durchführung von Transporten100 und die Beglei­ tung größerer Warenlieferungen.

92 Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, Bd. 2, 1450-1519, hg. v. Marian Biskup und Irena Janosz-Biskupowa unter der Redaktion v. Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/11 = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/11), Marburg 2004, Nr. 148, 1451 Februar 18-1452 Januar 17, S. 41-58, hier S. 56: Auf dem Rückweg der hochmeisterlichen Visitatoren Ge­ org von Egloffstein und Jost Kropp nach Marienburg wurde im November 1451 ein Kapitel in Mergentheim abgehalten, an dem auch der Komtur von Marburg teilnahm; Walter Hubatsch, Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens (Quellensammlung zur Kulturgeschichte 5), Göt­ tingen 1954, S. 157-159, hierS. 157f. 93 Visitationen I (wie Anm. 11), Nr. 41, 1394 April 6, S. 44-46, hier S. 45: Auf dem 1394 in Prozelten angesetzten Kapitel war der Komtur zu Marburg Gernand von Schwalbach anwesend. 1450 ist der Statthalter zu Marburg Bruder Martin Schenk zu Schweinsberg bei einer Zusammenkunft in Pro­ zelten belegt; Visitationen II (wie Anm. 92), Nr. 139, 1450 August 17, S. 7-9, hier S. 7. 94 Jörg Seiler, Der Deutsche Orden in Frankfurt. Gestalt und Funktion einer geistlich-ritterlichen Institution in ihrem reichsöffentlichem Umfeld (Quellen und Studien zur Geschichte des Deut­ schen Ordens 61), Marburg 2003, S. 464; „Zwischen 1396 und 1529 war es geradezu zur Regel ge­ worden, die Versammlungen in Frankfurt abhalten zu lassen“, ebd. S. 468. Generalkapitel in Frankfurt mit Beteiligung aus Marburg in Person des Komturs Gernand von Schwalbach: Visita­ tionen I (wie Anm. 11), Nr. 30, 1379 Juni 6, S. 34—36, hier S. 34f., und ebd. Nr. 34, 1383 April 8, S. 39-41, hier S.39f. 95 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 31. 96 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 6v. 97 Ebd., Jg. 1485, Jahrrechnung Haus Marburg 1485, Ausgaben fol. 19v: Ein Mann mit Namen Eck­ hardt war nach Frankfurt gesandt worden, um Herberge zu bestellen. Löhne für Boten finden sich in fast allen Jahrrechnungen des Hauses Marburg unter den Ausgaben. 98 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 18: Lohn für einen in die Nieder­ lassung nach Flörsheim geschickten Boten. 99 Ebd.: Lohn für einen in die Niederlassung nach Felsberg geschickten Boten. 100 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 16v: Ein Bote holte zwei Ochsen in Felsberg und brachte sie nach Kirchhain.

154 Zur Fortbewegung über längere Entfernungen sind Pferde benutzt worden. Zaumzeug,101 Satteldecken, Sättel mit Sitzpolstern102 und Taschen gehörten zu jenen Gegenständen, die bei Verschleiß repariert und erneuert werden musste.100 Die Mar- burger Ordensbrüder verfügten über unterschiedliche Reittiere, über edle Rösser, wie die drei ungarischen Pferde, die für 152 Gulden von einem Kaufmann erworben worden sind104 - so viel Geld hatte die bereits erwähnte Monstranz für die Elisabeth­ kirche gekostet. Aber auch preisgünstigere Anschaffungen sind für Reitpferde105, Ackergäule,106 Wagenpferde, Fohlen, ältere Zug- und Lasttiere getätigt worden. Ei­ nen Hengst ließ man beschneiden.107 Teile des durch Ankäufe und Veräußerungen108 ständig gepflegten Bestandes wurden vom Schmied mit Brandzeichen versehen.109 Einigen Jungtieren hat er zusammen mit seinem Knecht in einer damals üblichen und heute noch gelegentlich bei Kaltblütern angewandten Prozedur die Schwänze abgehauen.110 In einem der Geschäftsjahre findet sich die Abrechnung des Schmieds über große Mengen an Hufeisen für insgesamt 143 Pferde und zwei Esel in der Nie­ derlassung an der Lahn.111 Kranke Tiere haben vom Orden bezahlte Pferdeärzte mit Medikamenten und Sal­ ben aus Salmiak, Vitriol,112 Alaun,113 Quecksilber,114 Linol115 und anderen chemi-

101 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 48: Ausgaben von über 18 Pfund für den Sattler Martin für sechs neue Sättel und verschiedenes Zaumzeug. 102 Ebd., Jg. 1468a, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Ausgaben fol. 24: Der Sattler hat den Sattel des Komturs bezogen, ein Sitzpolster eingelegt, zwei Taschen daran gemacht und an dem Stück getan, was sonst noch nötig war. 103 Ebd.: Ausgabe für einen Sattel mit Decke für den Schreiber des Komturs, Ausgaben für Sättel, Satteldecken und Zaumzeug für den Vogt, den Marschall und den Zinsmeister. 104 Ebd., Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 8. 105 Die Kosten dürften sich jeweils nach der Qualität, dem Gesundheitszustand und dem Alter be­ messen haben. Es finden sich unterschiedliche Preise: 10 Pfund für ein Pferd (StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1426/1427, Jahrrechnung Haus Marburg 1426, Ausgaben fol. 3), 30 Pfund für zwei Pferde (Jg. 1414, Jahrrechnung Haus Marburg 1414, Ausgaben fol. 2v) oder auch 50 Pfund für zwei Pferde (ebd., fol. 1)- 106 StAM 106 b Nr. 33, Jg. 1464-1477, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1475, Einnahmen (siehe auch Anm. 108); Nr. 1, Jg. 1409/1416, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1409, Getreideausgaben fol. 12 v: Futter für einen Ackergaul. 107 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 10v. 108 StAM 106 b Nr. 33, Jg. 1464-1477, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1475, Einnahmen: 1475 verkauf­ ten die Brüder des Hauses Griefstedt dem Trapier von Marburg ein Pferd für AVi Pfund. In diesem Jahr veräußerten sie zudem ein Fohlen für 14 Pfund, ein rotes Fohlen für 16'/2 Pfund, einen Schim­ mel für 19'/2 Pfund und ein Pferd aus dem Ackerhaus für 3 Pfund. Die Niederlassung in Flörsheim verbuchte 1443 einen Betrag in Höhe von 12 Pfund, von alden pferden verkauft; StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1439-1447, Jahrrechnung Haus Flörsheim 1443, Einnahmen fol. 44. 109 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 8. 110 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 16v. 111 Ebd., Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), Abrechnung des Schmieds, fol. 25-28. 112 Ebd., Jg. 1484, Jahrrechnung Haus Marburg 1484, Ausgaben fol. 17v. 113 StAM 106 b Nr. 33, Jg. 1464-1477, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1469, Ausgaben. 114 Ebd., Jg. 1464, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1463, Ausgaben. 115 Ebd., Jg. 1464—1477, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1469, Ausgaben.

155 sehen Substanzen behandelt."6 Ross-Schwefel wurde angekauft, um Grint bei Pfer­ den zu heilen. An Pflege und Sorge für den Bestand, über dessen Wert und Notwendigkeit offenbar Klarheit herrschte, hat es nicht gefehlt. Auf die Qualität der in Marburg zur Verfügung stehenden Tiere mag der Umstand hinweisen, dass sich der Kanzler des hessischen Landgrafen im Ordenshaus ein schwarzes Reitpferd ausgeliehen hat."7 Nicht nur der Marburger Komtur, der Trapier, der Zinsmeister oder andere Amts­ träger sind zu Terminen geritten und haben Visitationen in ihrer eigenen Ballei durchgeführt,116 117118 vielmehr ist diese selbst von Bevollmächtigten des Deutschmeis­ ters oder des Hochmeisters inspiziert worden."9 1451 wird der Aufenthalt von Ent­ sandten aus Preußen in Marburg vermerkt,120 als der Vogt von Leipe Georg von Egloffstein zusammen mit dem Priesterbruder Jost Kropp, Chorherr von Marien­ burg, auf ihrer mehr als 10.000 km langen Reise durch Europa zu den einzelnen Ordenshäusern unterwegs waren. Während des Osterfestes haben die zwei Visita­ toren mehrere Tage in Marburg Station gemacht, um den Komtur und seine Mitbrü­ der über die Verhältnisse vor Ort sowie über die Zustände in Seibelsdorf, in Her­ born, Schiffenberg und Wetzlar zu verhören, nachdem die beiden andere zur der Ballei gehörende Einrichtungen auf ihrer Inspektionsreise bereits persönlich in Au­ genschein genommen hatten121 wie etwa die Pfarreien in Felsberg und Kirchhain. Bei Visitationen wurden die Rechnungslegung, die Wirtschaftsführung und die personellen Verhältnisse vor Ort kontrolliert. Ob es bei diesen Gelegenheiten zu Beanstandungen der Zustände in Hessen gekommen ist, weil die Statuten, die Re­ geln und die Weisungen aus der Zentrale in Preußen nicht streng genug befolgt wor­ den sind, bleibt fraglich. Die Klagen der Stadt Marburg über Nachlässigkeiten im Pfarrdienst bis hin zu Beschwerden über unwürdig gekleidete Priester lassen Defi­

116 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 6. 117 Ebd., Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 33v. 118 Ebd., Jg. 1426-1428, Jahrrechnung Pfarrei Erfurt 1426, Ausgaben fol. 39: Die visitirer haben 5 Pfund Verzehrkosten verursacht; Nr. 35, Jg. 1455-1463, Jahrrechnung Haus Schiffenberg 1456, Ausgaben fol. 8. 119 Visitationen I (wie Anm. 11), Nr. 24, 1361 August 9, S. 27-29, hier S. 28: Die vier deutschmeisterli­ chen Visitatoren haben die Baileien Franken, Thüringen, Elsass-Burgund, Sachsen und andere Häuser in Deutschen Landen visitiert und die Ergebnisse auf dem Kapitel in Frankfurt am Main präsentiert. Sie betreffen vor allem die Einkünfte der Balleien. Als Deutschmeister amtierte Phil­ ipp von Bickenbach, Komtur von Marburg war laut Bericht Johann vom Hain. Kosten entstanden der Niederlassung an der Lahn bei dem Besuch von gebietig[er] hern am zweiten Fastensonntag 1459, StAM 106 b Nr. l,Jg. 1460, Jahrrechnung Haus Marburg 1459, Ausgaben fol. 5. 120 Visitationen II (wie Anm. 92), Nr. 148,1451 Februar 18-1452 Januar 17, S. 41-58. Von der in diesem Zeitraum durchgeführten Visitation gibt es ein Verzeichnis zum Personalstand in Deutschen und Welschen Landen, das auch die Mitglieder der Ballei Hessen namentlich verzeichnet, ebd. Nr. 175, nach 1451 November 20, S. 119-138, hier S. 12lf. 121 Zu den Stationen der Reise ab Thüringen nach Hessen über Spangenberg, Felsberg, Treisa, Kirch­ hain nach Marburg im April 1451: Visitationen II (wie Anm. 92), Nr. 148, 1451 Februar 18-1452 Januar 17, S. 41-58, hier S. 45; Nr. 149, 1451 Februar 18-1452 Januar 17, S. 59-76, hier S. 61-63.

156 zite erahnen.122 Angesichts mancher Aktivitäten könnte es zu Ermahnungen durch die Visitatoren gekommen sein. Schließlich findet man hessische Ordensbrüder auf der Jagd,122 für die ein Fangnetz,124 Bärenspieße125 und Waffen für die Eberhatz126 gekauft wurden. Sie feierten nicht nur kirchliche Feste, sondern haben Gesellschaf­ ten zu Tisch gebeten,127 den Hofmeister des Landgrafen bewirtet, andere hohe Per­ sönlichkeiten und Ratsleute der Stadt in ihr Badehaus eingeladen128 und das Beisam­ mensein mit ihren Nachbarn aus Marburg zu diversen Anlässen gepflegt, sei es an Kirchweih oder zu Fastnacht, als man den Wollwebern und Bäckern Bratwürste und Wein spendierte und die Fleischhauer Heringe erhielten.129 Die Deutschherren sind selbst Gäste bei Hochzeiten120 und Kindstaufen gewesen und verstießen mit der Übernahme zahlreicher Patenschaften121 gegen ihre eigenen Gebote.122 Sie verfügten über persönliche Bedienstete und lebten in Marburg in gesonderten Räumlichkei­ ten, die einen gewissen Komfort verraten. In der mit zwei großen, in Erfurt gekauf­ ten Spiegeln132 ausgestatteten Stube des Komturs gab es Gläser mit Wappen134 und

122 Ursula Braasch-Schwersmann, Das Deutschordenshaus Marburg und seine Niederlassung in hessischen Städten, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 42, 1992, S. 49-81, hier S. 70- 82; Quellen 1 (wie Anm. 20), S. 38-40, Nr. 136, 1486 April 6, S. 181-188; Quellen 2 (wie Anm. 38), S. 9, 65, 68, 73, 75, 90, 94, 96, 108, 141, 165. 123 St AM 106 b Nr. l,Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 22: Die Anschaffung von Wildpfeilen und Garn für Fangnetzc lässt auf eine Beteiligung von Ordensbrüdern an Jagd­ veranstaltungen schließen. 124 Ebd., Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 22. 125 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 11. 126 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 8: Ausgabe für 4 Nägel in den Eberspieß des Komturs. 127 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Marburg 1480, Ausgaben fol. 5v. 128 Ebd., Jg. 1439-1447, Jahrrcchnung Kellner Marburg 1447, Ausgaben fol. 100. 129 StAM 106 b Nr. 20, Jg. 1468/1469, Notizen o.J., fol. 12v: Jedes Jahr gab Haus Marburg zu Fastnacht den Wollwebern der Stadt Wein, die Bäcker erhielten 6 Bratwürste und Wein aus dem Ordenskel­ ler. Die Fleischhauer bekamen an Fastnacht jährlich 8 adder 10 beringe. 130 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1482, Ausgaben fol. 80v: Geldge­ schenk des Ordens an myns hern stalknecht bei dessen Hochzeit in Wetter. Es wurden weitere Geldgeschenke bei Eheschließungen und zu einer Kindtaufe getätigt, Jg. 1484, Jahrrechnung Haus Marburg 1484, Ausgaben fol. 14v. Der Komtur Ludwig von Nordeck pflegte verwandtschaftliche Beziehungen: 1481 gab er der Tochter seines Bruders bei deren Vermählung in Gemünden an der Wohra Geld und reiste persönlich zu der Feier, Jg. 1480/1481, Jahrrechnung Haus Marburg 1481, Ausgaben Komturs Notdurft. 131 Liv-,esth- und kurländisches Urkundenbuch, Abt. 1, Bd. 11 (1450-1459), hg. v. PhilippS ch w a r t z, Riga/Moskau 1905, ND Aalen 1981, Nr. 102, 1451 Januar, S. 73f.,hierS. 74; StAM 106 b Nr. 35, Jg. 1479-1482, Jahrrechnung Haus Schiffenberg 1479, Ausgaben. 132 Artikel über das Verhalten von Mitgliedern des Deutschen Ordens Visitationen II (wie Anm. 92), Nr. 233, um 1502, S. 266-271, hier S. 269. 133 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 11. 134 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1481, Ausgaben fol. 45. Zur Ausstattung der Mar- burger Ordensniederlassung im 16. Jahrhundert und zu den dortigen Realien S c h a a 1 (wie Anm. 1). Zum Umfang und zur Zusammensetzung vorhandener Literatursammlungen Ursula Braasch- Schwersmann, In secundo scampno: Jacobus de Voragine. Einblicke in die Bücherbestände des Deutschen Ordens in Marburg, in: Der weite Blick des Historikers, Einsichten in Kultur-, Landes-

157 manch vornehmes Ausstattungsstück, das einen gewissen Wohlstand in den Kam­ mern anzeigt. Hier empfing der Komtur Besuch und ließ sich Bier, Lautertrank und Wecken in sein Gemach bringen.135 Auch der Pietanzmeister und der Zinsmeister bewohnten eigene, mit Betten, Tischen und Stühlen gut möblierte Zimmer im Haupthaus neben der Elisabethkirche. Nicht ganz konform zu den Erlassen diverser Hochmeister erscheinen privat ge­ machte Geschenke. Komtur Ludwig von Nordeck entnahm der Ordenskasse einen Dukaten für die Anfertigung einer goldenen Rose,136 als sein Bruder Johann137 in die Rosenbruderschaft aufgenommen wurde. Der Verteilung von Präsenten stand deren Annahme gegenüber: Die Marburger Brüder wurden vom Landgrafen mit einer halben Sau138 bedacht, und ein Bote überbrachte ihnen zwei Hunde.139 Der Herr von Schwarzburg hat dem Leiter des Hauses Griefstedt einen Habicht verehrt.140 Die meist aus dem Adel stammenden Ordensmitglieder haben manche höfische Gepflo­ genheit beibehalten. Darauf deutet neben anderem eine Reise des Marburger Kom­ turs Ludwig von Rabenau nach Heidelberg zu einem Turnier.141 Hinweise auf den Lebensstil geben zudem Nachrichten über Textilien. Den Ordens­ vorschriften zufolge war Kleidung in weltlichem Schnitt untersagt.142 Die von Marbur­ ger Ordensbrüdern auf den Frankfurter Messen und andernorts erworbenen Stücke lassen zumindest einzelne Abweichungen von der Regel vermuten. Zu den Gewändern von Komturen gehörten Mäntel,143 Hosen144 und Nachthauben145 aus Seide. Es finden sich ein langer grauer Rock,146 braune147 sowie einfache und doppelte scharlachrote

und Stadtgeschichte. Peter Johanek zum 65. Geburtstag, hg. v. Wilfried Ehbrecht/Angelika Lampen /Franz-Joseph Post /Mechthild S i e k m a n n , Köln 2002, S. 139-158. 135 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 6, 6v: vor hier in deß comethurs gemach ah my her von stalberg hie was. 136 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1481, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 50v. 137 Karl E. Demandt, Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter. Ein „Staats­ handbuch“ Hessens vom Ende des 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 42,1), Marburg 1981, Nr. 2179, S. 609. 138 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 5: Der Küchenknabe vom Schloss in Marburg erhielt 1486 ein Geldgeschenk, als er eine halbe Sau vom Landgrafen in das Ordenshaus an der Elisabethkirche brachte. 139 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben fol. 6: Geldgeschenk an einen Boten, der dem Komtur zwei Hunde brachte. 140 StAM 106 b Nr. 33, Jg. 1464-1477, Jahrrechnung Haus Griefstedt 1470, Ausgaben. 141 StAM 106bNr. 1, Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1481, Ausgaben Komturs Notdurft. 142 Da immer wieder Artikel verfasst wurden, um an die Einhaltung der Ordensregeln zu erinnern, ist von Verstößen gegen angemahnte Disziplin auszugehen; Visitationen II (wie Anm. 92), Nr. 233, um 1502, S. 266-271, hier S. 269. 143 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 9. 144 Ebd.,Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 17v-18. 145 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 32v. 146 Ebd.,Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 14. 147 Ebd.

158 Barette,148 ein beinerner Kamm,149 ein roter Gürtelriemen,150 ab und an ein neuer Hut,151 Schuhe mit Kordeln,152 zweckmäßige und notwendige Dinge wie ein Paar Handschuhe,153 Hemden,154 ein Wams,155 Holzschuhe156 oder Schuhe aus Filz,157 die auch für einfache Brüder angefertigt worden sind158 und die ähnlich wie die von ihnen getragenen Pelze159 gegen Kälte geschützt haben dürften. Die Marburger Ordenskasse notiert getrennt vom Bedarf des Komturs Ausgaben für weitere Amtsträger, so etwa Lederhosen160 für den Zinsmeister und den Marschall, einen schwarzen Hut für den Prior,161 zwei Kittel, vier Hemden und zwei Nachthauben für den Trapier.162 Bei manchen Einkäufen bleibt durch unklare Formulierungen in den Rechnungen offen, ob es sich um Güter und Gegenstände für den Eigenbedarf der Konventsmit­ glieder handelt oder ob diese Artikel163 zum Verschenken und zur Weitergabe an andere Personen gedacht waren. Einige der gekauften Tücher, Schuhe, Hüte, Schlei­ er und Hosen könnten zu jenen Sachleistungen gehört haben, die das Gesinde in Marburg als Bestandteil zu seinem Arbeitslohn erhielt. Für die praktischen Tätigkeiten in Haus und Hof beschäftigten die Deutschor­ densherren Personal. Männer und Frauen erhielten für ihre Dienste Geld und Sach­ leistungen, darunter Getreide, neue und gebrauchte Schuhe, Stoffe und Gewän­ der.164 Die Reitknechte wurden mit teils rot165 gefärbter Sommerkleidung ausgestattet.166 Der Knabe des Komturs bekam ein paar Sporen.167 Tätig waren in der Küche168 der Kommende ein Meisterkoch, ein Gesindekoch, ein Oberbäcker, ein Unterbäcker und deren Gehilfen, ein Abwäscher sowie drei

148 Ebd. 149 Ebd. 150 Ebd. 151 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 11. 152 Ebd., Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg 1486, Ausgaben fol. 16. 153 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 9. 154 Ebd,, Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, Komturs Notdurft fol. 32v: Aus­ gaben, um sechs Hemden und zwei Nachthauben des Komturs waschen zu lassen. 155 Ebd.,Jg. 1477/1478, Jahrrechnung Haus Marburg 1477, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 17v-18. 156 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 9. 157 Ebd.,Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben Komturs Notdurft fol. I5v. 158 Ebd.,Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben Bruder Notdurft fol. 16. 159 Ebd.: Lohn für den Kürschner, der die Pelze der Brüder repariert hat. 160 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, fol. 46. 161 Ebd. 162 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 8. 163 Ebd., Jg. 1474, Jahrrechnung Haus Marburg 1474, Ausgaben Komturs Notdurft fol. 9: Tn Frank- furt am Main wurden vier Barette gekauft, dem comethur zum schengken. 164 Ebd., Jg. 1455, Jahrrechnung Haus Marburg 1455, Ausgaben fol. 3v-4. 165 Ebd.,Jg. 1470, Jahrrechnung Haus Marburg 1470, Ausgaben fol. 18. 166 Ebd., Jg. 1439-1447, Jahrrechnung Haus Marburg 1447, Ausgaben fol. 95; Jg. 1437, Jahrrechnung Haus Marburg 1437, Ausgaben fol. 4. 167 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen Marstall fol. 37v. 168 Ebd., Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 3v. Über Gesinde und Lohnarbeiter, deren Bezahlung mit Geld und Naturalien Braasch-Schwersmann, Deutschordenshaus (wie

159 Küchenjungen, denen man Stoff für Kittelhemden und Schürzen bezahlte.169 Ent­ lohnt wurden ein Stubenknecht sowie ein für Besucher der Niederlassung zuständi­ ger Gastknecht. Mit einem eigenen Schreiber,170 einem Reitknecht171 und dem schon erwähnten Knaben verfügte der Komtur über die meisten persönlichen Bedienste­ ten. Aber auch dem Trapier stand ein eigener Schreiber zu Diensten.172 Nicht immer ging es friedlich unter den Angestellten zu. So mussten zwei Knaben vom Scherer geheilt werden, nachdem sie sich gestochen und gehauen hatten.173 Um Übeltäter einzusperren, verfügte das Deutschordenshaus Marburg über ein eigenes gemauertes Gefängnis, das mit zwei Türchen, Schlössern und eisernen Riegeln gesichert war.174 Bis zu 70 Knechte und Mägde waren ganzjährig im Haupthaus an der Lahn im Einsatz,175 die man in Erntephasen durch temporär beschäftigte Lohnarbeiter oder durch Kurzzeitkräfte ergänzt hat. Gab es mehr als üblich in der Küche zu tun, wur­ de ein zusätzlicher, mit Barchent und Leintuch bezahlter Koch angemietet.176 Aus­ hilfen sind benötigt worden, wenn das Stammpersonal nicht ausreichte, sobald viele Gäste geladen waren. Zu solchen großen Ereignissen zählt die Aufnahme weiterer Ordensbrüder in den Konvent und ihre mit besonderen Feierlichkeiten verbundene Einkleidung,177 zu der Ehrenpersonen gebeten wurden und zu der Angehörige von auswärts angereist sind.178 Bei dem Eintritt eines neuen Mitglieds erhielten über zwanzig Bedienstete der Niederlassung kleine Geldgeschenke. * Diese Anlässe gehören zu den besonderen Momenten und dürfen streng genom­ men nicht zum Alltag gezählt werden, ähnlich wie die über das Jahr verteilten ho-

AmiL. 1), S-166-175. ' -- ■ stAM 126 b Nr. 1, Jg. 1470/1480, Haus Marburg o.J., Notizen. : c 35 T I rssjadobadi3 (wie Anm. 10), Nr. 1292, September9 und 13. S. 25fr-2'2. zier S. 252:. Zu Schrei­ bern: Braasch - Schw ersm ann, Deutschordenshaus (wie Anm. li, S. 2S3 mit Belegen in Anm. 913. - ~1 StAM 136 b Nr. 1, Jg. 1437, Jahrrechnung Haus Marburg 143-. Ausgaben io. 4. -~2 StAM 1D6 b Nr. 45, Notiz vor dem Zinsregister 1497 Czum dutschen bus, Ausgaben. - 73 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1486, Jahrrechnung Haus Marburg I486. Ausgaben iol. 5. 174 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J.. Notizen Ausgaben foi. 36 zu gemeynen buw. 1/5 B r a a s c h - S c h w e rs m a n n, Deutschordenshaus (wie Anm. 1 , S. 166—175. 176 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 146S ' . fol. 5: Der Koch Conz Pusch bekam bei einem Einsatz mit vielen Gästen 4 Ellen Barchent und 3 Eilen Leinentuch, halff um kochen alse wir die burger hatten. 177 Ebd., Jg. 1439-1447, Jahrrechnung Haus Marburg 1439, Einnahmen fol. iv; Jahrrechnung Haus Marburg 1444, Einnahmen fol. 58v; Jg. 1426/1427, Jahrrechnung Haus Marburg 1427, Einnahmen fol. 1, Aufnahme eines Priesterbruders. Zum Eintritt in den Deutschen Orden und in das Haus Marburg: Braasch-Schwersmann, Deutschordenshaus (wie Anm. 1), S. 190—194. 178 Quellen 2 (wie Anm. 38), S. 34, 1453 Juni 26, Juli 5: Die Stadt Marburg schenkte auf ihre Kosten Wein an Gäste wie die Ratsvertreter von Homberg und andere Personen aus, die anlässlich der Einkleidung neuer Ordensbrüder in die Stadt gekommen waren. 179 StAM 106 b Nr. 20, Jg. 1468/1469, Notizen o.J. über Geldbeträge für Bedienstete, die man plegz zu gebin dem gesinde ym huse marpurg wan man eynen bruder in gemeltem huse in unßers Ordens empfängt; Braasch-Schwersmann, Deutschordenshaus (wie Anm. 1), S. 193 mit Anm. 29.

160 hen Festtage. Ausnahmen bilden zudem Einladungen an städtische Ratsvertreter zu geselligem Beisammensein180 oder die Prozessionen der Bürger aus Marburg, die zur Elisabethkirche führten und die für die einfachen Leute mit einer Einkehr in das Wirtshaus der Ordensniederlassung in der Firmanei verbunden waren. Personen in gehobener Stellung, wie der Hofmeister des Hauses Hessen Johann Feige,181 die sich an den kirchlichen Umzügen beteiligt haben, sind an Fronleichnam und Himmel­ fahrt speziell eingeladen und besonders verköstigt worden. Das Zinsregister der Pfarrei Marburg von 1497 verzeichnet jeweils über 50 Ehrengäste an den einzelnen Festtagen im Kirchenjahr.182 Den Notizen nach waren es drei Amtleute des Land­ grafen, weiterhin der amtierende Rentmeister und sein Vorgänger, der Rentschrei- ber, die Burgmannen, die Förster, zwölf Ratsherren einschließlich Bürgermeister, die fünf Vierer nebst Unterbürgermeister und Stadtschreiber, der Rektor der Schule und seine Mitarbeiter, die Sänger und der Organist, vier Augustinerpriester und ein Karmeliter sowie mindestens sechzehn namentlich genannte Mitglieder der Bürger­ schaft, darunter mehrere wohlsituierte Kaufleute, die Goldschmiede und der Apo­ theker. Solche geselligen Zusammenkünfte fanden im Komtureigebäude der Ordensanla­ ge statt, um deren Bestand sich der Konvent über Generationen bemüht hat. Wie vielseitig die Aktivitäten der Ordensbrüder waren, zeigen ihre Maßnahmen als Bau­ herren, sei es bei der Neuerrichtung von Objekten oder beim Unterhalt vorhande­ ner Architektur. In Verantwortung für die Elisabethkirche musste man sich um das mit Blei gedeckte Dach kümmern, das bei mehrwöchigen Reparaturarbeiten Kosten für Material und Lohn verursachte.183 Um direkt ohne Umweg über den Hof aus der Komturei in das Gotteshauses gelangen zu können, ist 1480 ein gewölbter Steinbo­ gen zur Verbindung der beiden Gebäude geschaffen worden. Zur Herstellung dieser Brücke wurde ein Kran mit Rad und Steinzange zum Lastenheben benötigt, der auf Walzen bewegt werden konnte und dessen Aufbau allein 16 Tage gedauert hat.184 Der Schwebbogen ist nicht mehr erhalten, und wo er sich genau befunden hat, bleibt unklar. Ob er an der Engstelle zwischen Chor und Wohnhaus stand oder etwas weiter östlich lag und eine größere Distanz überspannt hat, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Die ältesten Pläne des Geländes helfen nicht recht weiter, weil sie an dieser Stelle des Grundstücks lediglich den Verlauf eines Mauerzugs im

180 Quellen 1 (wie Anm. 20), Nr. 136, 1486 April 6, S. 181-188, hier S. 182. 181 Demandt (wie Anm. 137), Nr. 663, S. 209f. 182 StAM 106 b Nr. 45, Jg. 1476- 1499, vor dem Zinsregister der Pfarrei Marburg von 1497 befindet sich ein undatierter Eintrag mit einer Liste der Gäste, dy man pleget tzu laden. 183 StAM 106 b Nr. 1, Jg. 1439-1447, Jahrrechnung Haus Marburg 1439, Ausgaben fol. 2: Fast 88 Pfund Geld sind in diesem Jahr an dem Bleidach auf der Elisabethkirche verbaut worden. Der Ankauf von Blei und Zinn (Jg. 1482-1483, Jahrrechnung Haus Marburg 1483) verursachte ebenso Kosten wie der Lohn für Bleidecker (Jg. 1468b/1469, Haus Marburg Notizen 1468 (?), fol. 69v—70v, Aus­ gaben für 34 Tage Arbeit im August und September). 184 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 11—12v.

161 Grundriss angeben, ohne dessen Funktion zu benennen. Archäologische Hinweise auf den Verbindungsgang fehlen, da das Gelände in diesem Abschnitt stark gestört worden ist und alle Spuren im Boden verloren gegangen sind. Vielleicht hat der Übergang ähnlich ausgesehen wie die Galerie zwischen dem Marburger Landgra­ fenschloss und seinem separat errichteten Wilhelmsbau. Von den vielen Arbeitsaufträgen, die der Orden im Baubereich an Handwerker erteilt hat, seien noch Weisungen an einen Steindecker und seinen Helfer erwähnt, die vor der Ausbesserung von Dachflächen am Wohnhaus der Deutschherren zu­ nächst ein Storchennest entfernen mussten.185 Das Pfortenhaus ließ man verschö­ nern, indem es zum Innenhof und nach außen hin je eine in Öl gemalte Christopho- rusfigur186 erhielt. Zum Baubestand der Kommende zählte, außer dem Hospital für Nicht-Mitglie­ der und für weltliche Pfründner, ein separates Infirmarium mit eigenem Personal zur Versorgung alter und kranker Ordensbrüder,187 die mehr gepflegt als intensiv medizinisch betreut worden sein dürften. Kleinere Unpässlichkeiten der Brüder wurden mit Hausmitteln kuriert. Nachweislich kam das bei Mensch und Tier ange­ wandte Theriak zum Einsatz, das als universelle Wunderarznei gegen alle mögli­ chen Gebrechen helfen sollte. An sehr ungewöhnlicher Stelle haben die Mitglieder der Pfarrei Herborn eine Rezeptur notiert und in ihrem Zinsregister188 einen Rat­ schlag zur Linderung von lästigen Beschwerden festgehalten: Wenn einem der Hals zuschwillt und man weder essen noch sprechen mag, soll man einen aus Zutaten mit Weißwein bestehenden Brei ansetzen und diesen in einem Tuch um den Hals wi­ ckeln. Die hauptsächlich aus den Rechnungen und dem Geschäftsschriftgut des 15. Jahr­ hunderts für die Ballei Hessen, insbesondere für dessen Haupthaus bei Marburg gewonnenen Informationen lassen das gleichzeitige Vorhandensein priesterlicher und nicht-geistlicher Aufgaben erkennen. Mit Blick auf die Caritas hat die Ballei Hessen einen Bereich im Lauf der Zeit vernachlässigt, die Fortführung des Franziskushospitals mit intensiver Pflege von Siechen und der aufopfernden Versorgung von Hilfesuchenden und Armen, wie sie die Gründerin Elisabeth von Thüringen vorgelebt hatte. An deren Ideale schloss der Ritterorden nicht im einstigen Umfang an. Der Dienst am Kranken verlor in Mar-

185 Ebd., Jg. 1480/1482, Jahrrechnung Haus Marburg 1480, Ausgaben fol. 10v; Jg. 1470/1480, Jahr­ rechnung Haus Marburg o.J., Notizen, Ausgaben gemeiner Bau fol. 22v: Zum Dachdecken wurden 18 Haufen Schieferstein für 3 Goldgulden angekauft. 186 Ebd., Jg. 1470/1480, Jahrrechnung Haus Marburg o.J., Notizen, Ausgaben fol. 10v, 23. 187 Hessisches Urkundenbuch. Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen 2, 1300—1359, hg. v. Arthur Wyss (Publicationen aus den königlich-preußischen Staatsarchiven 19), Leipzig 1884, ND Osnabrück 1965, Nr. 853, 1350 August 5, S. 573f.: Eintritt in das Deutsche Haus zu Marburg als Pfründner und Knecht in der Firmanei, um dort den sichin brudern demudikliche nnde trwwe- liche zu dienen, S. 573. 188 StAM 106 b Nr. 40, Jg. 1468-1480, Notiz vor dem Zinsregister Pfarrei Herborn 1472.

162 burg an Bedeutung, ebenso wie die Wallfahrt bei sinkenden Pilgerzahlen zum Grab der heiliggesprochenen Landgräfin und Mitpatronin des Deutschen Ordens all­ mählich abnahm. Diese Aspekte waren keine bestimmenden Faktoren im Tagesge­ schehen der Kommende. Der Deutsche Orden stand in der Pflicht, Dienst für die christliche Kirche zu leisten und für den Unterhalt seiner Mitglieder zu sorgen. Diese trugen die Verant­ wortung für die Balleien, nicht zuletzt in ökonomischer Hinsicht. Komture und andere Amtsträger mussten Entscheidungen treffen, planen und organisieren. Ihr Alltag war keineswegs regional auf Marburg beschränkt, vielmehr führte er sie in Amtsangelegenheiten unter anderem bis an das Baltische Meer. Ihr Leben und ihre Arbeit bezogen sich auf die drei Tätigkeitsbereiche Kontemplation, Alimentation und Administration.

163 Alltag im Deutschordenskonvent Utrecht im 15. Jahrhundert

von Johannes A. Mol

1. E inleitung

Auf den ersten Blick scheint es einfach zu sein, den Alltag im Utrechter Ordenshaus im 15. Jahrhundert zu beschreiben. Für Utrecht sind im Vergleich zu anderen Balleien - mit Ausnahme der noch besser dokumentierten Ballei Marburg - relativ viel Quel­ len erhalten: Rechnungsbücher vor allem und Visitationsprotokolle.1 Insbesondere für die Jahre zwischen 1411 und 1440 gibt es eine große Zahl dieser Dokumente. Des weiteren steht eine 3-D- Analyse des zentralen Gebäudekomplexes am Springweg in Utrecht zur Verfügung. Diese visuelle Rekonstruktion ist in den vergangenen Jahren im Auftrag des Ridderlijke Duitsche Orde, Balije van Utrecht von Daan Claessen und Rene de Kam, Mitarbeitern des archäologischen Zentrums der Gemeinde Utrecht, erstellt worden.2 Sie haben sich dabei auf die Ergebnisse der jahrelangen Forschung des Bauhistorikers Bart Klück aus den achziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Rahmen einer Renovation des Gebäudekomplexes gestützt.3 Dadurch erhalten wir ein zwar schematisches, aber anschauliches Bild — in etwa drei Phasen - der Transforma-

1 Die Rechnungen werden im Balleiarchiv zu Utrecht (Archief van de Ridderlijke Duitsche Orde, bali­ je van Utrecht ARDOU) aufbewahrt; siehe Philippus J. C. G. van Hinsbergen, Inventaris van het archief van de Duitsche Orde Balije van Utrecht 1200-1811, Utrecht 1982. Die Visitationsprotokolle sind ediert: Visitationen im Deutschen Orden im Mittelalter, Teil I: 1236-1449, Teil II: 1450-1519, hg. V . Marian Biskup/Irena Janosz-Biskupowa unter der Redaktion von Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 50/1 und II = Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 10/1 und II), Marburg 2002,2004. 2 Afdeling Erfgoed van de gemeente Utrecht, Stadsplateau 1, 3521 AZ Utrecht. Ich bedanke mich recht herzlich bei Daan Claessen und Rene de Kam für ihre Bereitwilligkeit, mir ihr Material zur Verfügung zu stellen (Abb. 1-5, im Farbteil). 3 Einen (sehr vorläufigen) Eindruck der Ergebnisse dieser bauhistorischen Forschung bietet Bart Klück, Het Duitse Huis in Utrecht. Bouwgeschiedens van een stedelijke landcommanderij tij- dens de Middeleeuwen, in: Crux et Arma. Kruistochten, ridderorden en Duitse Orde, hg. v. Jozef

164 tion, die das Haus zwischen dem Neubau um 1350 und dem Umbau von 1475 durch­ gemacht hat. Doch lässt sich auch damit der Alltag im Utrechter Haus nicht so leicht rekonstruieren. Der Hauptgrund dafür ist, dass vieles, worüber wir gerne informiert wären, schriftlich nicht festgelegt worden ist, weil es für den Zeitgenossen selbstver­ ständlich war oder weil es am Ende doch große Lücken im erwähnten Quellenmate­ rial gibt. Dieser Beitrag enthält daher viele Vermutungen und Spekulationen. Alltag ist ein umfassender und ziemlich vager Begriff.4 Ich habe daher im Sinne von Eileen Power und Otto Borst5 an alle Aktivitäten der Brüder und ihres Gesin­ des gedacht, wie arbeiten, den Gottesdienst feiern, essen, sich kleiden, schlafen und dergleichen, aber auch an das Zusammenleben der verschiedenen Gruppen inner­ halb des Ordenshauses im weitesten Sinne, und dies mit Blick auf unterschiedliche Räume und Zeiten. Dies führt zu einer beschreibenden Vorgangsweise, mit Interes­ se für sprechende Details. Der Raum ist der Konventkomplex des Deutschen Ordens in der Bischofsstadt Ut­ recht, der im späten Mittelalter das Zentrum der gleichnamigen Ballei bildete, der Zeitabschnitt das 15. Jahrhundert. Dieser war für die Ballei Utrecht, ebenso wie für vielen anderen Baileien wie auch für den preußischen Ordenszweig kein ruhig fort­ gleitendes Zeitalter. Im Gegenteil. War der Stand der Dinge in der Ballei Utrecht um 1400 sowohl religiös als auch wirtschaftlich noch günstig, mit einer Brüdergruppe, die sich von der Bewegung der D evotio M oderna inspirieren liess - was sich u.a. in der Gründung einer neuen Kommende in der holländischen Kleinstadt Schoonhoven 1395 zeigte -, so hatte sich dies um 1460 in einen wirklich jämmerlichen Zustand ge­ wandelt.6 Eine lange währender Streit zwischen den Brüdern, der durch das preußi­ sche Problem von 1454 angeheizt wurde, da sieben aus Preußen vertriebene Brüder Versorgungsstellen in Utrecht forderten, erschütterte das Haus in seinen Grundfes­ ten. Erst dem 1468 als Landkomtur angetretenen Johan van Drongelen sollte es gelin­ gen, den internen Frieden zurückzubringen und die finanzielle Lage des Utrechter Konvents und der abhängigen Kommenden einigermaßen zu verbessern. Er kam auch dazu, über die nun veränderte Identität des Ordens zu reflektieren und dem Selbstbe­ wusstsein seiner Gemeinschaft durch Bautätigkeiten und historiografische Aktivitä­ ten neue Impulse zu geben. Das Deutsche Haus zu Utrecht sah also um 1500 anders

Mertens (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 4), Bilzen 1997, S. 223-230. Eine ausführliche dokumentierte bauhistorische Analyse steht leider noch aus. 4 Klaus Bergmann, Geschichte im Alltag - Alltag in der Geschichte, Düsseldorf 1982. 5 Eileen Power, Medieval People, London 1924; Otto Borst, Alltagsleben im Mittelalter, Frank- furt/Main 1983. 6 Johannes A. M o 1, Crisis in Prussia, crisis in the bailiwicks? The case of Utrecht, 1443-1469, in. Die Ritterorden in Umbruchs- und Krisenzeiten, hg. v. Roman Czaja, Jürgen Sarnowsky (Ordines Militares. Colloquia Torunensia Historica XVI), Torun 2011, S. 173-189; vgl. Frank M e i j e r, De Broedcrtwist. Een internationaal opvolgingsconflict in nationaal perspectief. De ba­ lije Utrecht der Ridderlijke Duitse Orde in het midden van de vijftiende eeuw, Magisterarbeit mittelalterliche Geschichte Rijksuniversiteit Groningen, 1998.

165 aus als um 1400. Unsere Frage soll daher sein, ob und in welchem Umfang das tägliche Leben in Utrecht sich im Laufe des Jahrhunderts verändert hat.

2. Das Utrechter Haus: Zentrum des Ordens im Bistum Utrecht

Ich möchte das tägliche Leben der Brüder des Utrechter Konvents in den Räumen zeigen, in denen sie sich bewegten: in der Kirche, im Dormitorium, im Remter und wo sie sich sonst aufhalten konnten. Zuvor seien aber einige Kerndaten genannt. Das Deutsche Haus von Utrecht, dessen Grundstein um 1231/32 gelegt wurde, hat sich nach der Grün­ dung erst langsam, dann - in den sechziger und siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts - sogar rasch zum Zentrum eines Kreises von untergeordneten Kommenden entwickelt.7 Die meisten der neuen zugehörigen Häuser entstanden in der Nähe von Pfarrkirchen, deren Patronatsrechte dem Orden übertragen wurden, zum Beispiel die Kommende Schelluinen unweit von Rotterdam, für die die Beziehung zwischen dem Deutschen Haus und der Pfarrkirche auch räumlich sichtbar ist.8 Die neu erworbenen Kommenden lagen im Fürstbistum Utrecht und in den Grafschaften Gelre, Holland und Zeeland. Die friesischen Kommenden gehörten ursprünglich nicht zu diesem Kreis.9 Sie wurden erst um 1350 unter die Autorität von Utrecht gestellt, als sich zeigte, dass sie sich selber nicht zu einer vollwertigen eigenständigen Ballei entwickeln konnten. Sie bildeten aber auch dann noch in mancherlei Hinsicht eine separate Gruppe. Der Utrechter Konvent und seine zugehörigen Häuser waren übrigens lange Zeit Teil der größeren Ballei der Partes Inferiores, zu der auch die Kommenden von Biesen gehörten.10 1333 war zum letzten Mal die Rede von einem lantcommanduer van Niderlanden; anschließend haben Utrecht und Biesen endgültig als separate Balleien bestanden.

7 Johannes A. M o 1, De Friese huizen van de Duitse Orde. Nes, Steenkerk en Schoten en hun plaats in het middeleeuwse Friese kloosterlandschap, Dissertation Vrije Universiteit Amsterdam, Leeu- warden 1991, S. 38-45 (eine deutsche Übersetzung in Preprint: https://fryske-akademy.academia. edu/JohannesMol/Books); ders., Vechten of verplegen? Ontstaan en begintijd van het huis en de balije van Utrecht van de Duitse Orde, in: Jaarboek Oud-Utrecht 1993, S. 45-66. 8 Huib J. Zuidervaart, Ridders, Priesters en Predikanten in Schelluinen. Geschiedenis van een Commanderij van de Ridderlijke Duitsche Orde, Balije van Utrecht (Bijdragen tot de Geschiede­ nis van de Ridderlijke Duitsche Orde, Balije van Utrecht 7), Hilversum 2013, S. 10. 9 Johannes A. M o l, Priesterbrüder in Friesland und der Ballei Utrecht während des Mittelalters, in: Herrschaft, Netzwerke, Brüder des Deutschen Ordens im Mittelalter und Neuzeit. Vorträge der Tagung der Internationalen Historischen Kommission des Deutschen Ordens in Marburg 2010, hg. v. Klaus Militzer (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 72 = Veröf­ fentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Or­ dens 12(, Weimar 2012, S. 93-106, hier S. 94-98. 10 Udo Arnold, Die Entwicklung von Balleistrukturen des Deutschen Ordens zwischen Mittel­ rhein und Nordsee: Biesen, Koblenz und Utrecht, in: Adel, ridderorde en erfgoed in het Land van Maas en Rijn. Opstellen und Aufsätze zu Ehren von Prof. Dr. Dr. h.c. Udo Arnold, hg. v. Jozef Mertens (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 10), Bilzen 2012, S. 25-44, hier S.33f.

166 Die Ballei Utrecht im 14. und 15. Jahrhundert (mit Gründung!- hzw. Bestandsdaten der Komtureien).

Die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts war für das Utrechter Haus auch in anderer Hinsicht ein Wendepunkt. Der Gebäudekomplex der Landkommende lag damals noch vor dem Stadtgraben von Utrecht und wurde bei einer Belagerung der Stadt durch den Grafen von Holland völlig zerstört.“ Um zu vermeiden, dass er wieder als Basis für Belagerer dienen würde, haben Stadt und Bischof dem Orden einen neuen Niederlassungsort innerhalb der Stadt angeboten. Auf einigen Hofstellen des Bischofs und ein paar angrenzenden Grundstücken, die zusammen ein Rechteck 11

11 Ronald de G r a a f , Oorlog om Holland 1000-1375, Hilversum 1996, S. 128.

167 entlang der Stadtmauer bildeten, wurde in etwa 10 bis 15 Jahren eine völlig neue Klosteranlage realisiert (Abb. 1, im Farbteil).12 Sie wurde von Grund auf neu gebaut und zeigt daher eine einheitliche Struktur. Dafür wurden sowohl neues Material als auch Altholz und Steine des abgerissenen alten Hauses verwendet. Von diesem 1347-1360 erbauten Konventkomplex ist der größte Teil erhalten geblieben.'3 Nur die Kirche existiert nicht mehr, weil sie 1674 in einem Sturm zusammenbrach und nie wieder aufgebaut wurde. Die anderen Teile haben von der französischen Zeit bis nach dem Zweiten Weltkrieg als Militärlazarett gedient. In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Gebäude komplett restauriert. Seitdem wird ein Teil als Hotel, ein anderer Teil als repräsentativer Ort für Büro und Empfangsräume der protestantischen Ritterlichen Ballei Utrecht verwendet.

Jahr Ritter Priester Total 1361 52 1410 15 36 51 1417 18 41 59 1437 19 34 53 1451 15 34 49 1513 8 30 38 1539 7 26 33 1577 9 7 16 Tabelle 1. Die Entwicklung im Personalstand der Ballei Utrecht (ohne friesische Häuser) 1361-1577

Die mittelalterliche Ballei Utrecht kann sowohl hinsichtlich der Zahl der Brüder wie auch ihres Besitzes zu den mittelgroßen Verwaltungsdistrikten des Ordens im Westen gerechnet werden. Die Tabelle zur Entwicklung des Personalstandes zwi­ schen 1361 und 1577 vermag das zu illustrieren.14 Es sei jedoch bemerkt, dass die Brüder der friesischen Häuser darin nicht aufgenommen worden sind. Würden wir sie einbeziehen, dann würde die Gesamtzahl sich um 8 bis 10 Personen erhöhen.15

12 Martinus W. C. de B r u i n /Gerard J. C. Pou w/Luit A. van der Tu u k , De vestiging van het Du- itse Huis in de stad Utrecht, Utrecht 2000. 13 Bart K lück, De landcommanderij van de Duitse Orde te Utrecht, Utrecht 1995, S. 6-8. 14 Für die präzisen Zahlen siehe Rombert J. Stapel, Priests in the Military Orders. A prosopogra- phical survey of the priest-brethren in the Utrech bailiwick of the Teutonic Order (1350-1600), in: Analecta Theutonica. Studies for the History of the Teutonic Order 1, hg. v. Kristian Too- maspoeg, Galatina 2004, S. 99-151, hier S. 106-115 und Tabelle 1, S. 142. Im Utrechter Kom- mendebestand gab es zwischen 1361 und 1452 einige Veränderungen, die selbstverständlich den Pcrsonalstand beeinflussten. So wurde die Kommende Schoonhoven erst 1395 gegründet, die Kommende Dieren erst nach 1434 durch Ankauf erworben — sic gehörte ursprünglich zur hoch­ meisterlichen Kammerballei Koblenz—, und die Kommende Ootmarsum 1452 an die Ballei West­ falen übertragen. 15 Mol, Friese huizen (wie Anm. 7), S. 318-324.

168 Dies würde die Mittelwerte in die Nähe der Ballei Marburg bringen, die in dersel­ ben Zeit im Durchschnitt zwischen 60 und 70 Brüder zählte.16 Auffällig für Utrecht is die große Zahl der Priesterbrüder im Vergleich mit den Rit­ tern, etwa in einem Verhältnis von drei oder sogar vier zu eins. Das hat selbstverständ­ lich mit der Seelsorge zu tun, die der Orden in den von ihm erworbenen Pfarrkirchen mit eigenen Priesterbrüdern zu betreuen hatte. Vor allem der Dienst in den Stadtkir­ chen von Leiden, Rhenen, Tiel, Doesburg und Schoonhoven verlangte den Einsatz vieler Ordenspriester.17 Weiter fällt auf, dass die Zahl der Ritterbrüder zwischen 1451 und 1513 stark zurückgegangen ist. Darüber sei am Ende noch etwas gesagt.

Kommende (1417) Einnahmen (fl) Ritter Priester Utrecht 6183 6 8 Tiel 1252 2 7 Leiden 537 1 5 Katwijk 372 4 Maasland 386 1 3 Schoonhoven 584 1 3 Middelburg 69 1 1 Doesburg 359 1 3 Rhenen 417 4 Schclluincn 438 2 Bunne 493 2 1 Total 11090 15 41 Tabelle 2. Einnahmen (in fl) und Personalstand der Utrechter Kommenden (ohne die friesischen Häuser, ohne Dieren und Ootmarsum) 1416/1417 (1 Floren = /t Rheinischer Gulden)

Innerhalb der Ballei bildete das Deutsche Haus in Utrecht unverkennbar auch den Schwerpunkt in wirtschaftlicher Hinsicht. Es hatte im 13. und frühen 14. Jahrhun­ dert viel Land erworben - viel mehr als seine zugehörigen Kommenden - dank der Unterstützung durch bischöfliche Ministerialen wie auch durch den Bischof sel­ ber.18 Die bischöfliche Dotierung ist auch aus der kartographischen Rekonstruktion der Deutschordensgüter in der Nähe der Stadt abzuleiten. Wir sehen hier einen gro­ ßen geschlossenen Grundbesitz in einem Gebiet, das vorher der Utrechter Sankt

16 Ursula Braascli-Schwersmann, Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwal­ tung einer spätmittelalterlichen Grundherrschaft (Untersuchungen und Materialien zur Verfas- sungs- und Landesgeschichte 11), Marburg 1989, S. 198. 17 Mol, Priesterbrüder (wie Anm. 9), S. 99f.; Stapel, Priests (wie Anm. 14), S. 112-115. 18 Mol, Vechten (wie Anm. 7), S. 52-56. Der Besitzerwerb der Landkommende Utrecht wird jetzt näher erforscht von Jcrem van Duijl an der Universität Leiden.

169 Martins-Kirche zugehört haben muss.19 Wie aus Tabelle 2 abzuleiten ist, brachten diese Güter, zusammen mit den zahlreichen anderen Einkommensquellen, die das Deutsche Haus zu Utrecht im 13. und 14. Jahrhundert im Fürstbistum Utrecht und in den Grafschaften Holland und Seeland erworben hatte, den Utrechter Deutsch­ herren 1417 nicht weniger als drei Fünftel der Einkünfte der Ballei insgesamt ein. Übrigens sind die Kommenden Ootmarsum und Dieren - Dieren gehörte bis 1434 noch zur Ballei Koblenz und war danach kurze Zeit der Ballei Biesen unterstellt - hier nicht mitgezählt. Hätte man das getan, würde das Schwergewicht des Hauses Utrecht aber ebenso besonders groß gewesen sein.

3. Die .gemeinen1 Ritter- und Priesterbrüder und ihre Aktivitäten

Dass Utrecht das Haupthaus der Ballei war, kommt deutlich im Personalbestand in Tabelle 1 zum Ausdruck. Wie die Tabelle angibt, wurden hier 1416/17 6 Ritter- und 8 Priesterbrüder gezählt. Die zugehörigen Kommenden weisen dabei weit geringere Zahlen auf. Utrecht besaß einen richtigen Konvent, dessen Priester den vollständi­ gen Zyklus von Chordiensten zu beten und zu singen hatten. Im Vergleich mit Mar­ burg, wo durchschnittlich 10-15 Ritterbrüder im Haupthaus verblieben,20 war die Zahl von sechs Ritterbrüdern sogar ziemlich klein. Betrachten wir zuerst die Priesterbrüder, deren Zahl bis zur Mitte des 16. Jahrhun­ derts in etwa gleich hoch blieb. Sie wurden übrigens nicht von einem eigenen Prior geleitet. Prioren kennen wir in der Ballei Utrecht nur für die friesischen Konvente Nes und Schoten.21 22 Der wichtigste Ordensgeistliche in Utrecht war der Sakristan oder Sacrista.11 Es gab auch einen Küster, aber der war Laie und für die Reinigung und Pflege des Kirchengebäudes zuständig.23 Die Haupttätigkeit der Priester galt dem Dienst in der Konventskirche, die ohne weiteres als das Herz des Komplexes angese­ hen werden kann. Dieses Gotteshaus wurde in der Mitte des 14. Jahrhunderts in kur­

19 Eine gewisse Parallele bietet die relativ geschlossene Güterkonzentration der Utrechter Johanni­ ter-Kommende entlang des (Kromme) Rijn, in der Nähe von de Mcern und Vleuten westlich der Stadt. Marietje van Winter und J. H. Huiting haben deutlich gemacht, dass die Johanniter des Catharijneconvents den Kern dieses Besitzes dem Bischof von Utrecht verdankten. Sie dürften ihn im Laufe des 12. Jahrhunderts von ihm erhalten haben; Johanna Maria van Winter, Les Seigneurs de Sainte-Catherine ä Utrecht. Let premiers Hospitaliers au nord des Alpes, in: Autour de la pre­ miere Croisade. Actes du Colloque de la Society for the Study of the Crusades and the Latin East (Clermond-Ferrand, 22-25 juin 1995), hg. v. Michel B a 1 a r d , Paris 1996, S. 239-246, hier S. 240- 245; Jan H. Huiting, Johannieters in Vleuten, in: Tijdschrift van de Historische Vereniging Vleuten 13, 1993, 41-46, 61-70, hier S. 43f. 20 Braasch-Schwerschmann, Deutschordenshaus (wie Anm. 16), S. 196f. 21 Mol, Friese huizen (Wie Anm. 7), S. 73. 22 Hinsbergen (wie Anm. 1), Inventaris, Nr. 973 (1486). 23 Jacob J. de Geer van Oudegein, Excerpten uit de oude rekeningen der Ridderlijke Duitsche Orde, Balije van Utrecht, v66r de kerkhervorming, Utrecht 1895, S. 3.

170 zer Zeit als relativ hohe kreuzförmige Kirche mit einer Länge von fast 60 Metern er­ baut. Laut Balleichronik hat Landkomtur Johan van de Zande am Anfang des 15. Jahrhunderts an der Südseite des Chors noch eine kleine Kapelle errichten lassen, der hl. Elisabeth gewidmet.24 Wenige Jahre später wurde von seinem Nachfolger Herman van Keppel innerhalb der Kirche, zwischen Chor und Langhaus, noch ein Doxal oder Lettner gebaut,25 dessen Aussehen leider nicht bekannt ist. Die sechs bis acht Priesterbrüder des Konvents wurden im Chor und am Altar von vier Chorälen oder scolares unterstützt.26 So weit die Rechnungen Berichte über sie enthalten, bekamen diese scolares - zumindest im 16. Jahrhundert - Unterricht auf Kosten des Hauses, wenn nicht von einem eigen Bruder, so doch von einem dazu beauftragten Domkanoniker.27 Sie erhielten jeder jährlich einen Talar, einen Anzug und vier Paar Schuhe und waren in der Kirche wie die Priester mit einer Albe geklei­ det. Ob sie später als Priesterbrüder eintraten, muss offen bleiben. Familiennamen sind für sie nicht überliefert, so dass sie sich auch nicht in den Quellen anderer Kom­ menden wiederfinden lassen.2“ Sie schliefen in einem Schlafraum in der Kirche - wo genau, wissen wir nicht - und waren damit nachts getrennt von den Priesterbrü­ dern, von denen wir annehmen können, dass ihre Betten im Dormitorium des Hauptgebäudes gestanden haben. Wie die Priester von dort aus die Kirche erreichen konnten und umgekehrt, ist nicht ganz klar. Möglicherweise hat es hier einen über­ deckten Kreuzgang auf der Westseite gegeben. Dieser Bereich der Konventanlage ist archäeologisch und bauhistorisch leider noch nicht richtig erforscht worden. Von den Priesterbrüdern, die in Utrecht verblieben, ist gesagt worden, dass sie die juniores der Priestergruppe der Ballei waren.29 Jeder Priester dürfte nach seiner Ein­ kleidung zuerst als einfaches Chormitglied in Utrecht, Tiel oder Rhenen tätig gewe­ sen sein.30 Hatte er seine Dienste einige Jahre zur Zufriedenheit seiner Oberen erfüllt, konnte er eine Anstellung als Kaplan oder Pfarrer in einer der Utrecht zugehörigen Kommenden bekommen. Der Konventdienst in Utrecht wäre damit der erste Schritt in der ordenspriesterlichen Laufbahn gewesen. Dies ist aber in den Rechnungen nicht zu überprüfen, weil sie logischerweise nur die Namen der Priesterbrüder angeben, die ein Amt ausübten. Das knappe Namenmaterial, das für Konventpriester in anderen Quellen überliefert ist, bietet aber eine Stütze dieser Annahme.

24 Archieven der Ridderlijke Duitsche Orde, Balie van Utrecht, 2 Tie., hg. v. Jacob Jan de Geer van O u degei n, Utrecht 1871, T. II, S. 254. 25 Ebd., S. 255. 26 Die Zahl von vier Chorälen wirdt erwähnt bei Geer van Oudegein, Excerpten (wie Anra. 23), S. 7 (1416); Hinsbergen (wie Anm. 1), Inventaris, Nr. 647(1438-1439), Nr. 330 (1499-1450). 27 Geer van Oudegein, Excerpten (wie Anm. 24),S. 7f. 28 Stapel, Priests (wie Anm. 14), S. 123. 29 Johannes A. M o 1, Deutschherren und Johanniter im Bistum Utrecht und ihre Pfarreien, in: Rit­ terorden und Kirche im Mittelalter, hg. v. Zenon Hubert Nowak (Ordines Militares. Colloquia Torunensia Historica IX), Torun 1997, S. 113-128, hier 119. 30 Stapel, Priests (wie Anm. 14), S. 130f.

171 Die Kirche scheint nicht öffentlich für die Gläubigen zugänglich gewesen zu sein, mit Ausnahme der hohen Festtage und in der Fastenzeit; dann kamen Bettelmönche, um Predigten zu halten.31 Am Festtag der hl. Elisabeth wurde von einem Dominika­ ner gepredigt, am Weihnachtstag von einem Karmeliter. Am Tag des hl. Johannes war ein Franziskaner an der Reihe. Am Karfreitag wurden vor dem grossen Kruzifix, das vor dem Lettner aufgestellt war und wo Nägel als Arma Christi zu sehen waren, Ab­ lässe verkauft. Für diesen Handel war ein sogenannter Ablassmann eingestellt. Weiter zog die Sankt Anna-Kapelle auf dem Gelände des alten Deutschen Hauses außerhalb der Stadtmauern verschiedene Gläubige an, selbsverständlich am Annatag und zu Weihnachten. Viel Gewinn bracht dies nicht ein, zumindest nicht in den Jahren 1520— 1537. Laut der Übersichten des Sakristans gab es am Ende des Rechnungsjahres kaum etwas in den Opferstöcken. Möglicherweise ist das vor 1500 anders gewesen, aber von einem Zustrom von Laien scheint auch im 15. Jahrhundert nicht die Rede gewesen zu sein. Nur bei der Einkleidung neuer Brüder konnten beträchtliche Summen an Opfer­ geldern von der Familie und Bekannten der Kandidaten verbucht werden.32 Gemäß den Statuten waren die Ritterbrüder verpflichtet, allen Tagzeiten und an­ deren Gottesdiensten beizuwohnen, sofern sie keine anderen dringenden Sachen zu erledigen hatten. Ob sie wirklich so oft in der Kirche waren, geht aus den verfügba­ ren Quellen nicht hervor. Ihre Zimmer hatten sie vermutlich wie die Priester im Dormitoriumsteil des Hauptgebäudes. In der Version des 3D-Modells wäre das der westliche Raum im Obergeschoss gewesen. Der hier gezeigte östliche Raum (Abb. 2, im Farbteil), das mutmaßliche Infirmarium mit einer Länge von etwa 25 Metern, kann wie ein Spiegelbild davon betrachtet werden. Auf jeden Fall gab es genug Platz für 10 bis 13 Brüder, um hier zu wohnen. Nachdem die Zahl der Ritterbrüder bis auf zwei zurückgegangen war, sind die einzelnen Stuben vielleicht vergrößert worden. Ritterbrüdern begegnen wir in Utrecht meist nur in den drei wichtigsten Ämtern: des Landkomturs, des Hauskomturs und des Schaffners. Sie sollen separat vorge­ stellt werden. Die gemeinen Ritterbrüder dürften wie die Priesterbrüder vor ihrer Einkleidung eine Art Probezeit und anschließend ein kurzes Noviziat absolviert haben, bevor sie in eine der kleineren Kommenden oder - was vor 1440 regelmäßig vorkam - nach Preußen oder Livland geschickt werden konnten.33 Solch jüngere Brüder ohne Amt lassen sich in kleiner Zahl nur in den Schaffnerrechnungen aus den Jahren 1377-1383 finden. Aus den Erwähnungen ist aber kein festes Muster abzuleiten. 1416/17 tauchen zwei jonk heren in den Quellen auf.34 Waren dies viel­ leicht Novizen beziehungsweise Ritterbruderkandidaten? 1558, also in der Mitte

31 Diese und die folgenden Daten sind in den Rechnungen des Sakristans 1523/1524, 1531/1533, 1535/1539, 1543/1544 zu finden; Hinsbergen, Inventaris (wie Anm. 1), Nr. 641. 32 Nach der Einkleidung des Ritterbruders Herman van Boetberge 1523 wurden zum Beispiel 4 Gul­ den im Opferstock gefunden. 33 Mol, Crisis (wie Anm. 6), S. 184f. 34 Visitationen I (wie Anm. 1), S. 73.

172 des 16. Jahrhunderts, berichtet Landkomtur Albert van Egmond van Merestein über einen Ritterbruder Van Delwich, dass er in der Kommende Dieren auf Probe aufgenommen war. Er wolle diesen Kandidat nach Utrecht kommen lassen und ihn ... alhier mede proberen een tyt lanck, ende daer naer incleeden nae ons oirdens m aniere.K Der Landkomtur lässt sich weiter nicht darüber aus, was er nach der Ein­ kleidung mit Van Delwich anfangen würde. Im allgemeinen gibt es keine Anwei­ sungen, dass neue Ritterbrüder eine Ausbildung in Utrecht erhielten. Beide Gruppen von Brüdern teilten nicht nur das Dormitorium, vermutlich jeder einzeln, aber auch den Kapitelsaal und das Refektorium, das übrigens in den Quel­ len stets S chafferij genannt wird. Der Kapitelsaal, in dem die Brüder sich einmal in der Woche zum Hauskapitel treffen mussten, wird von den meisten Forschern mit dem großen, repräsentativen Raum im Erdgeschoss auf der östlichen Seite identifi­ ziert (Abb. 3, im Farbteil).35 36 Dieser Raum konnte mit einem großen Kamin gut ge­ heizt werden. Der Speisesaal lag auf der anderen Seite, unter dem Dormitorium. An der Südseite des Häuptgebäudes war bereits vor 1360, also am Anfang, eine große Küche gebaut worden, von wo die Brüder mit Speisen versorgt werden konnten. Während des 15. Jahrhunderts waren hier ein Koch, ein Unterkoch und ein Ge­ schirrspüler angestellt.37 Nicht weit von dort - wir wissen nicht, wo genau - gab es eine Bäckerei, die von einem bezahlten Backmeister mit seinem Diener betrieben wurde. Die erhaltenen Rechnungen der Küche lassen es zu, ungefähr zu verfolgen, was in diesem Raumen an Speisen zubereitet wurde; dies hier zu erläutern, würde aber zu weit führen. Wichtig scheint mir die Beobachtung, dass es im 15. Jahrhun­ dert noch einen gemeinsamen Tisch gab. Die Quellen zeigen weiter, dass die Brüder im allgemeinen gut und kalorienreich ernährt wurden. Das war auch zu erwarten, Deutschordensherren waren schließlich keine Kartäuser. Eine andere Frage ist, ob der Raum im östlichen Teil des Obergeschosses auch wirklich als Krankentrakt, als Unterkunft für schwache und ältere Brüder verwen­ det worden ist. Der Bauhistoriker Bart Klück glaubt, in der Nordost-Ecke eine hal­ be Tür-Konstuktion zu sehen, zu der eine breite Wendeltreppe geführt haben wür­ de.38 Unter dem hohen Fenster könne ein Altar gestanden haben. Vielleicht gab es hier auch durch hölzerne Wände abgetrennte Zimmer, in die alte Brüder sich zu­ rückziehen konnten, wie zum Beispiel Landkomtur Johan van de Zande, der nach seinem Abtreten 1416 noch 21 Jahre in der F irm erie gelebt hat, bedient durch ein

35 Stapel, Priests (wie Anm. 14), S. 131; Hinsbergen, Inventaris (wie Anm. 1), Ni\ 24—15. 36 Klück, Het Duitse Huis (wie Anm. 3), S. 227. 37 Die Daten bezüglich der Küche sind dem ‘Koeckbouck’ entnommen wurden (Ausgabenregister vom ‘Keukcnmcester’ für die Jahren 1377—1379; 1459—1461, 1500, 1522-1524, 1531—1534, 1561 1575, 1580, 1588-1602); Hinsbergen, Inventaris (wie Anm. 1), Nr. 653. Vgl. Geer van Ou- d e g e i n, Excerpten (wie Anm. 24), S. 6. 38 Klück, Het Duitse Huis (wie Anm. 3), S. 228.

173 oder zwei Knechte.39 40 Für seinen Unterhalt dort wurde ihm übrigens ein Unterhalts­ geld von 70 französischen Schilden pro Jahr zugewiesen. Es scheint, dass dieser Raum im Laufe des 15. Jahrhunderts seine Funktion als In­ firmarie verloren hat. 1468 gab es nämlich kein richtiges Infirmarium mehr. In diesem Jahr bekam der alte Komtur von Schoonhoven, der Priesterbruder Andries van Dorp, die Erlaubnis, ein Zimmer am Ende der Kirche thoe syner firmarien bauen zu lassen, weil zur Zeit keine... bequeme firmarie in onse buys tUtricht noch en sij...40 Es könnte allerdings sein, dass Landkomtur Johan van Drongelen einige Jahre später eine Erwei­ terung des Komplexes an der Ostseite vornahm, in dem auch ein neuer Kapitelsaal ein­ gerichtet wurde und der alte Kapitelsaal als Infirmarium verwendet wurde. In einer Rechnung aus den achziger Jahren des 16. Jahrhunderts wird nämlich von einem Keller ander de Fermerye geredet - wobei man bedenken muss, dass die grossen Kellerräume des Hauptgebäudes sich gerade unter dem östlichen Saal befanden.41 Diesen Bereich als Infirmarium zu nutzen, war auch insofern praktisch, als ein Raum im Erdgeschoss leichter für ältere und behinderte Personen zu erreichen war. Alles in allem unterstrei­ chen diese Quellen, dass es so leicht nicht ist, die Funktion der unterschiedlichen Räume genau zu deuten, um so mehr, als sie sich im Laufe der Zeit ändern konnte.

4. Der Schaffner und seine Aktivitäten in Wirtschaft und Haushaltung

Das wichtigste Verwaltungsamt hatte nicht der Hauskomtur, sondern der Schaffner inne. Der Hauskomtur stand dem Landkomtur als Stellvertreter zur Seite. In der Theorie führte er das Haus bei Abwesenheit des Komturs und entlastete ihn bei seiner Verwaltungsarbeit. In der Praxis aber scheint er in Utrecht von geringerer Bedeutung gewesen zu sein als der Schaffner, der zugleich für den Finanzhaushalt wie für das Personal verantwortlich war. Das Amt des Hauskomturs war in Utrecht wohl eher eine repräsentative Funktion für einen älteren Ritterbruder.42 Der Schaffner hatte in Utrecht praktisch dieselbe Aufgaben wie der Trapier in Marburg.43 Er vereinnahmte die Renten, Pachtabgaben und Verkaufserträge. Er führte die Pachtregister und Jahrrechnungen. Er war auch geschäftsfähig, bezahlte das Personal, tätigte alle großen Ausgaben, zum Beispiel für Kleidung und Bewaff­ nung44 der Brüder, und kontrollierte die Kassen anderer Amtsträger, wie die des

39 Archievenll, hg. v. Geer van Oudegein (wie Anm. 24), S. 255. 40 Ebd., Nr. 403. 41 Geer van Oudegein, Excerpten (wie Anm. 24), S. 16. 42 So trat oben genannter Johan van de Zande nach 1416 als Hauskomtur auf, nachdem er als Land­ komtur abgetreten war; siche Anm. 39. 43 Braasch-Schwerschmann, Deutschordenshaus Marburg (wie Anm. 16), S. 227—229. 44 In der Rechnung von 1437 (f. 37r) wird erwähnt, dass der Schaffner dem jonghc bereu Clais ein Schwert bezahlt hat.

174 Sakristans. Er wird auch das Archiv betreut haben. Er hatte einen Jungen und saß in einem eigenen Zimmer, wobei nicht ganz klar ist, wo es gelegen hat, möglicherweise auf der ersten Etage neben dem Raum, den wir als das alte Infirmarium bezeichnet haben. Es wird auf jeden Fall in der Nähe des sogenannten Archivturms gewesen sein, den Landkomtur Johan van Drongelen um 1470 an der Nordseite des Haupt­ gebäudes hat anbauen lassen. Schließlich musste der Schaffner Zugriff gehabt haben auf die wertvollen Dokumente und Besitzurkunden, die dort aufbewahrt wurden. Wenn ein Ritterbruder das Schaffneramt gut ausfüllte und sich in seiner Ge­ schäftsführung ausgezeichnet hat, konnte er Kandidat für das Landkomtursamt sein: Johan van de Zande, Dirk van Enghuizen und Gosen van Rossum waren Schaffner, bevor sie als Landkomtur gewählt wurden. Doch war das Schaffneramt nicht unbedingt ein Posten für einen Ritterbruder. Auch Priesterbrüder trifft man gelegentlich als Schaffner. Der bekannte Gerard van Vliederhoven zum Beispiel, Autor eines populären Büchleins über die Vier letzten Dinge, und Jacob Poyt, der 1466 einen Streit mit einem Schuldner hatte, wobei Letzterer drohte, ihm auf seine Platte’, also auf seine Tonsur zu schlagen.45 Unter dem Schaffner stand der Kellermeister. Er war Ordensmitglied, möglicher­ weise ein Priesterbruder, weil wir keine Lohnzahlungen für ihn finden. Er wird die Aufsicht über die Vorräte geführt haben, den Wein und das nicht selbst gebraute Bier zum Beispiel, die im Kellergewölbe unterhalb des Hauptgebäudes gespeichert wurden. Bei seiner Arbeit wurde er von einem bezahlten Kellerdiener unterstützt. Die übrigen Funktionen in der Haushaltung wurden durch Laienpersonal er­ füllt.46 Offensichtlich gab es ein Brauhaus mit einem Brauer, ein Torfhaus mit einem Torfträger und ein Pfortenhaus mit einem Portier. Neben dieser übrigens schwer zu lokalisierenden Pforte gab es ein Almosenhaus, in dem Almosen in einer Kiste auf­ bewahrt wurden.47 Hier wurden zu Allerheiligen an die Armen Schuhe verteilt, in der Zeit von Johan van Drongelen am Gründonnerstag 13 Armen vom Landkomtur die Füße gewaschen zu essen und zu trinken gegeben.48 Außerdem gab es ein Frau­ enhaus, das von einer sogenannten Mutter mit Hilfe einer Untermutter verwaltet wurde. Hier wurden Textilien gefertigt, sowohl die normale Kleidung der Brüder als auch Bettzeug, Vorhänge und so weiter. Für die gröberen Instandhaltungsarbeiten gab es ein Schmiedehaus mit Schmie­ den, eine Sattlerei mit einem Sattler und eine Zimmermannswerkstatt. Weiter muss

45 Annelies Re i j me r s , De commanderij van de Ridderlijke Duitsche Orde te Utrecht en haar bewo- ners in de vijftiende eeuw. Magisterarbeit mittelalterliche Geschichte Universiteit Utrecht 1992, S. 35,41,96. 46 Man findet sic u.a. erwähnt im sogen. Register van den coeyen ende bodenloon (1384—1424); H ins- be r ge n, Inventaris (wie Anm. 1), Nr. 659; vgl. Rei jmers, Commanderij (wie Anm. 45), S. 36f. 47 Hinsbergen, Inventaris (wie Anm. 1), Nr. 647: Ausgaben ... vor 1 truly vor dat almyssen hues ende.. omme almyssen manden. 48 Archieven, hg. v. Geer van O udegein (wie Anm. 24) I, S. 263.

175 irgendwo auf dem Konventsgelände eine Pferdemühle gestanden haben. 1438 wurde ein neues Taubenhaus gebaut, wofür 20.000 alte und neue Backsteine herangeführt wurden.49 Unbekannt ist, ob dies auf der ursprünglichen Konventsanlage außerhalb der Stadt geschah oder auf dem Gelände in der Nähe des alten Deutschen Hauses, wo die Sankt-Anna-Kapelle stand. Der Bauhof, der auf der 1583 angefertigten Karte der Ordensgüter südwestlich der Stadt ziemlich klar eingezeichnet ist, wurde von einem Baumeister mit Hilfe eines Knechts geleitet. Weiter war hier ein sogenannter Weidemann aktiv, der das Vieh auf den Konventsweiden hütete und kontrollierte. Die in eigener Regie geführte Landwirtschaft war im Umfang ziemlich bescheiden. Man baute unter anderem Weizen an, wovon der Schaffner etwa 70 Malter pro Jahr verkaufen ließ. Daneben wurden einige Ochsen für den Eigenbedarf gemästet und 30 Kühe von anderen Leuten gegen Zahlung gehütet. Der eigene Viehbestand umfasste 1384 nicht mehr als 7 Milchkühe, 10 geschnittene Rinder, 2 Ochsen, 5 Jährlinge, 8 Milchkälber, 2 Wallache, 3 Fohlen und 38 Schafe.50 Alles zusam­ men beliefen sich die Einkünfte aus diesem Betrieb im Rechnungsjahr 1438/39 auf 4.000 Stüber, was ein bisschen weniger war als 6% des Gesamteinkommens des Utrechter Hauses. Von einem autarken System kann offensichtlich keine Rede sein. Der Bedarf an Brot- und Biergetreide wurde durch Ankäufe auf dem Stadtmarkt gedeckt.

5. Der Landkomtur und seine Wohnungen

Last but not least gab es den Landkomtur. Wo er vor 1380 seine Zimmer im großen Hauptgebäude hatte, ist unbekannt. Gerrit Splinter van der Enge, der in den Jahren zwischen 1380 und 1404 das Haus mit devoter, aber strenger Hand regierte, ließ - anknüpfend an die Tradition der großen Klöster - eine eigene Wohnung separat vom Konvent bauen (Abb. 4, im Farbteil).51 Bei der bauhistorischen Erforschung dieses Trakts sind zwei sehr schön versierte und bequeme Räume zum Vorschein gekommen. Diese Wohnung kann als eine Art Abtshaus gedeutet werden, wo der Landkomtur seine Gäste mit Ehren empfangen konnte. Es wurde am östlichen Ende des Konventskomplexes errichtet, zwischen dem Hauptgebäude und dem Kir­ chenchor, und schloss damit den Innenhof nach außen ab. Dieses Gebäude ist zur Blütezeit des Utrechter Hauses entstanden. Um 1475 liess Johan van Drongelen aber einen neuen Trakt anbauen, der das Lant- komturhaus von Splinter van der Enge hinsichtlich Ausstrahlung, Komfort und Formgebung weit überflügeln sollte (Abb. 5, im Farbteil).52 Dieser Neubau wurde

49 Siehe die Jahresrechnung des Schaffners; Hinsbergen, Inventaris (wie Anm. 1), Nr. 335 (1437/1439). 50 Siehe Anm. 46. Vgl. Rei j mers, Commanderij (wie Anm. 45), S. 39f. 51 Siehe auch Klück, Landcommanderij (wie Anm. 13), S. 19-26 52 Ebd.

176 kurz nach oder am Ende der erwähnten Krisenperiode realisiert, als derselbe Land­ komtur sich gezwungen sah, die Zahl der Ritterbrüder zu halbieren und somit die Ausgaben drastisch einzuschränken. Wie er das finanziell schaffen konnte, ist eine Frage, die noch erforscht werden muss. Der wichtigste Raum in diesem neuen Gebäude war der schöne helle Obersaal. Das Licht fällt von allen Seiten ein, am klarsten durch die hohen Fenster an der Ost­ seite. Hier konnten vornehme Gäste empfangen werden. Hier dürften auch die Ka­ pitelversammlungen der Ballei stattgefunden haben. Die Besucher des Deutschen Hauses werden vom neuen Landkomturshaus, das übrigens auf ingeniöse Weise mit der alten Wohnung von Gerrit Splinter verbunden wurde, sehr beeindruckt gewesen sein. So war es wahrscheinlich auch beabsichtigt. Van Drongelen wird mit den Neu­ bau versucht haben, den Eindruck vom gleichzeitigen Verfall des Deutschen Ordens hinter dem Giebel zu verdecken. Das Gebäude sollte dabei auch seinen hohen Status als Herr und Haupt einer ansehlichen Ritterordensniederlassung, die hinter den auch in Utrecht stark vertretenen Johannitern nicht zurückstand, zeigen und beto­ nen. Johan van Drongelens Ambitionen, Aktivitäten und Lebensstil verdienen es, weiter beschrieben und analysiert zu werden, aber das würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Eine ausführliche Untersuchung dieses energischen Landkom­ turs und Renovators der Ballei erfolgt in der 2017 verteidigten Dissertation von Rombert Stapel über die spätmittelalterliche und mit von Drongelen verfasste Un­ rechter Cronike vander Duytscher OrdenP

6. Schluss

Auf den ersten Blick haben sich im 15. Jahrhundert nur wenig Änderungen in Ut­ recht vollzogen. Die Priestergruppe behielt zahlenmäßig ihre Stärke, der Gottes­ dienst wurde 1500 noch in derselben Weise versorgt wie um 1400. Auch das Perso­ nal und Gesinde hatten am Beginn und am Ende des Jahrhunderts dieselbe Zusammensetzung. Wesentlich anders war aber, dass es am Ende des 15. Jahrhun­ derts viel weniger Ritterbrüder gab. Um 1500 zählen wir im Haupthaus nur noch zwei Ritter, in der ganzen Ballei nicht mehr als neun. Der neue Ritterbruder war also nicht so sehr Mitglied einer Gemeinschaft, er war vor allem Komtur und Leiter eines Ordenshauses. Es ist öfters gesagt worden, aber wir sehen es hier im Utrechter Umfeld nochmals deutlich: Der Deutschordensbruder war Deutschordensherr ge­ worden, als Antwort auf die Krise, die den Orden und die Ballei getroffen hatte.

53 Rombert Stapel, The late Fifteenth-Century Utrecht Chronicle of the Teutonic Order: ma­ nuscripts, sources, and authorship, Leidenuniversity repository: https://openaccess.leidenuniv. nl/handle/1887/45782.

177 Alltagsleben in den Kommenden der Ballei Biesen im 18. Jahrhundert

von Michel Van der Eycken

Die klassische Vorstellung von einem Komtur, der nach einer Einführungszeit den Rest seines Lebens in einer Kommende verbringt, wird der Realität der Ballei Bie­ sen im 18. Jahrhundert nicht mehr gerecht. In Wirklichkeit übten fast alle Ordens­ ritter in dieser Zeit zusätzliche Tätigkeiten als Diplomaten oder Offiziere aus und weilten nur selten in ihrer Kommende.1 Die Kommende stellte für sie lediglich die Gewähr für ein mehr oder weniger festes Einkommen und nötigenfalls für einen sicheren Altersruhesitz dar. Mancher Ritter setzte sogar nie einen Fuß in seine Kommende und begnügte sich damit, seine Einkünfte einzustreichen.2 Im 18. Jahrhundert zählte die Ballei Biesen neben Alden Biesen in Rijkhoven und Nieuwen Biesen in Maastricht, den beiden Residenzen des Landkomturs, noch zwölf weitere Kommenden in der Region Maas-Rhein.3 Sie verfügten über unter­ schiedliche Einnahmen und eigneten sich mehr oder weniger gut als Ort, an dem Adelige verweilten. Den Rittern war es nämlich vor allem wichtig, an diesen Orten in den Genuss einer ihres Standes würdigen Lebensweise zu kommen. Die Zeit, in der man sich mit einer alten Burg oder einer ansehnlichen Stadtwohnung zufrieden­ gab, war im 17. Jahrhundert lange vorbei.

1 Michel Van der Eycken, Ridders, priesters en zusters van de balije Biesen (1220-1800), in: Leden van de balije Biesen (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 1), Bilzen 1994, S. 11-188. Folgende Abkürzungen werden benutzt: RH, AB - Rijksarchief Hasselt, Alden Biesen. 2 Michel Van der Eycken, De commanderij Bekkevoort. De Duitse Orde te Bekkevoort en te Diest 1229-1796 (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 9), Bilzen 2009, S. 170-171. Komtur Johan Caspar van Hillesheim zu Ahrental (1734—1736) hat sich bei­ spielsweise nie nach Bekkevoort oder Diest begeben. Clemens August von Plettenberg (1762-1776) reiste erst 1771 nach Diest. 3 Gemert in den heutigen Niederlanden, Bekkevoort, Bernissem, Gruitrode, Ordingen, Sint-Pie- ters-Voeren und Saint-Andre (Lüttich) in Belgien, Aachen, Jungen Biesen (Köln), Ramersdorf, Siersdorf und Aschaffenburg (ab der Mitte des 18. Jahrhunderts) in Deutschland.

178 Durch die Unterschiede bei den Einnahmen und der Infrastruktur entstand eine Rangordnung unter der Kommenden, die eine entscheidende Rolle bei der Vertei­ lung der Komturposten und für die weitere Laufbahn spielte. So begann man als Komtur in einer kleinen Kommende wie Ramersdorf bei Bonn oder Ordingen und versuchte, es bis zum Ende seiner Karriere zu einer größeren Kommende zu schaf­ fen. Siersdorf bei Aachen, Gemert und Bernissem belegten die höchsten Plätze auf der Karriereleiter; darüber hinaus gab es jedoch noch die Möglichkeit, Landkomtur zu werden. Die Einnahmen der Kommende bestimmten auch, inwiefern ein stan­ desgemäßer Lebensstil dort möglich war. Denn sie reichten nicht immer aus, um den Aufenthalt eines Komturs über längere Zeit finanziell zu tragen. Nicht alle Kommenden boten den gleichen Komfort, wie auf dem berühmten Kupferstich der Ballei Biesen aus dem Jahr 1700 zu sehen ist (Abb. I).4 5 Die Gebäude in Sint-Pieters-Voeren, Gruitrode und Ordingen hatten beispielsweise ein noch recht mittelalterliches Erscheinungsbild. Ramersdorf war eher klein, St. Aegidius in Aachen und Jungen Biesen in Köln verfügten hingegen über mehr oder weniger geräumige Stadtwohnungen. Saint-Andre in Lüttich war eigentlich das Pfarrhaus des Großpastors. In Bernissem, Gemert und Siersdorf waren die Gebäude recht komfortabel und für das 18. Jahrhundert sicherlich stattliche Residenzen. Die Kommende Bekkevoort, eine alte Burg, wurde 1578 verwüstet. Der Sitz der Kommende wurde daraufhin in eine Wohnung im nahe gelegenen Diest verlegt. Erst 1655 wurde in dieser Stadt eine recht geräumige Wohnung mit einem großen Garten in der Beverstraat (heutige Hasseltsestraat) erworben. Wer lebte nun in diesen Kommenden und wie lebte man dort? Dem versuchen wir anhand der verfügbaren Quellen nachzugehen. Die nützlichsten Informationen über das tägliche Leben in den Kommenden lassen sich den Rechnungsbüchern ent­ nehmen — leider sind diese für die Ballei Biesen aber nur sehr bruchstückhaft erhal­ ten. Einzig über die Kommende Bekkevoort ist Schriftgut für eine ausreichend lan­ gen Periode verfügbar.3 Eine weitere Quellenreihe sind die Hausratsinventare, die oft bei einem Komturwechsel angelegt wurden. Sie enthalten nicht nur eine Über­ sicht des beweglichen Vermögens, sondern bieten auch einen Einblick in die verfiig-

4 Im Jahr 1700 fertigte der Künstler Romein D’Hooge im Auftrag des Landkomturs van Wassenaar einen Kupferstich an, der alle Kommenden der Ballei Biesen zeigte. Einige Exemplare dieses Kup­ ferstichs sind erhalten geblieben und befinden sich unter anderem in der Landkommende Alden Biesen. 5 Am Ende des Ancien Regime wurden die Archive der Ballei Biesen von den französischen Behör­ den bearbeitet und bewertet. Im Prinzip wurden ausschließlich die Rechnungen der letzten 30 Jahre aufbewahrt. Durch einen glücklichen Zufall blieben aber auch die Rechnungen von Bekke­ voort seit der Mitte des 16. Jahrhunderts erhalten; Michel Van der Eycken, De lotgevallen van het archief van de Duitse Orde in de Nieuwen Biesen tc Maastricht, in: Maaslands Melange, öpstellen over Limburgs verledcn aangeboden aan Dr. P.J.H. Ubachs bij gelegenhcid van zijn vij- fenzestigste verjaardag, hg. v. Hellenberg Hubar et al. (Werken uitgegeven door het Limburgs Geschied- en Oudheidkundig Genootschap gevestigd te Maastricht 14), Maastricht 1990, S. 125— 134.

179 AUCTJSTUSORDO XLUTONICÜS I r p - r a n -n r

..

{■1 “ 1:

J3M J - Ä Ä r ^ /,

traSt isc u s^ rJ>c .uimimstbatob"

jM MKkS 1)0 a 1-

ANDRh A .

rnirovvr.vDA

Abb. 1 : Repräsentationstafel der Ballei Altenbiesen mit Darstellung der Landkommenden. Kupferstich von Romeyn De Hooghe. Haarlem 1700. 180 baren Räumlichkeiten und das Lebensumfeld. Manchmal wurden die Zimmer sogar einzeln beschrieben. Ähnlich aufschlussreich sind auch die Visitationsberichte, die allerdings weniger oft verfasst wurden.6 Die Anweisungen des Landkomturs oder des Komturs an die Mitarbeiter vor Ort sind ebenfalls von Interesse und spiegeln beispielsweise wider, wie auftretende Probleme angegangen wurden. Diese Doku­ mente liefern vor allem in Bezug auf Alden Biesen und Nieuwen Biesen in Maast­ richt zahlreiche Informationen. Die Liste der genannten Quellen ist selbstverständ­ lich nicht erschöpfend. Auch dem intensiven Schriftverkehr innerhalb der Ballei können nützliche Informationen entnommen werden. Im Allgemeinen hat das all­ tägliche Leben in all seinen Facetten vielerlei Spuren in den Archiven hinterlassen. Die vorliegende Arbeit soll jedoch keine umfassende Studie für die Ballei Biesen sein, sondern ist auf die Kommende Bekkevoort und auf die beiden Residenzen der Landkomture begrenzt, wobei Nieuwen Biesen in Maastricht besonders unter die Lupe genommen wird. Die Wahl fiel auf Bekkevoort, da sie die einzige Kommende ist, für die Rechnungen aus großen Teilen des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten ge­ blieben sind.7 8 Für Alden Biesen gibt es lediglich Rechnungen aus der Zeit von 1768 bis 1784.* Auch für die Stadtresidenz Nieuwen Biesen sind neben vier Rechnungen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts nur Rechnungen aus der Zeit von 1767 bis 1793 erhalten.9 Die Kommende Bekkevoort lag in der Rangordnung der Ballei Biesen im 18. Jahr­ hundert etwa in der Mitte. Lediglich Bernissem, Siersdorf und Gemert waren höher angesehen.10 Bekkevoort war keine kleine, aber auch nicht die reichste Kommende, und so ist sie ein gutes Beispiel für das Leben in einem durchschnittlichen Ordens­ haus. Zum Vergleich führen wir die Residenzen des Landkomturs als Beispiele für die Spitze der Ballei an. Alden Biesen und Nieuwen Biesen hatten im 18. Jahrhun­ dert fast denselben Rang. Der Landkomtur residierte abwechselnd in einem der bei­ den Häuser, wenn er sich innerhalb der Ballei befand.11 Beide Residenzen lagen üb­ rigens nur rund ein Dutzend Kilometer voneinander entfernt. Der Aufenthalt des

6 Betreffend die Ballei Biesen gibt es Archivalien über eine allgemeine Visitation im Jahr 1784; RH, AB, Nr. 1092. Über den Priesterkonvent in Maastricht gibt es Informationen aus dem 17. und 18. Jahrhundert; RH, AB, Nr. 1911-1913. Für die Kommende Bekkevoort existieren auch Visitations­ berichte, unter anderem aus den Jahren 1726 und 1742; RH, AB, Nr. 2125-2127. 7 RH, AB, Nr. 2230-2334. Nur für die Zeit von 1661 bis 1710 gibt es keine Dokumente. 8 RH, AB, Nr. 1052-1067. 9 RH, AB, Nr. 1806-1809 (1692-1700 mit Lücken), Nr. 1811-1836. Zudem ist eine unvollständige Reihe von zugehörigen Akten mit Rechnungen aus der Zeit 1766-1793 erhalten; Nr. 1842-1858. 10 Van der Eycken, Bekkevoort (wie Anm. 2), S. 293 f. 11 So war Damian Hugo Philipp von Schonborn-Buchheim (1709—1743) Landkomtur sowohl von Aldern Biesen als auch von Hessel, und zudem Kardinal und Fürstbischof von Speyer und Kons­ tanz. Gaspar Anton van der Heyden, genannt Beldcrbusch (1766—1784) war Premierminister in Kurköln und verweilte häufig an der Seite seiner Geliebten in einem Schloss in der Nähe von Köln. Franz Johan von Reischach (1784-1807) war während der ersten Jahre in seinem Amt zudem Ge­ sandter der Kaisers in Den Haag.

181 Landkomturs bestimmte auch die Anwesenheit einer Reihe von Beamten, die dann einmal hier und einmal dort weilten. Nieuwen Biesen in Maastricht war verwal­ tungstechnisch von größerer Bedeutung, da dort eine Reihe von Einrichtungen der Ballei ihren Sitz hatte, wie der Priesterkonvent, das Balleiarchiv, das Zentralsekre­ tariat und das Rentamt.

Die Kommende Bekkevoort

Die im 13. Jahrhundert gegründete Kommende Bekkevoort wurde 1578 während der Konfessionskriege in den Niederlanden größtenteils verwüstet. Die Güterver­ waltung fand in den darauffolgenden Jahren im Refugium der Kommende in Diest statt. Dieser Zufluchtsort war zudem die Wohnung des Rentmeisters. Nach einigen Umzügen innerhalb der Stadt erstand die Kommende 1655 eine geräumige Woh­ nung mit großem Garten in der heutigen Hasseltsestraat. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde diese Wohnung wohl den Ansprüchen nicht mehr gerecht, und im Frühling 1730 begannen unter Komtur Franz von Cortenbach (1729-1734) umfangreiche Umbauarbeiten.1213 Dies war der Startschuss für Bauarbeiten, die erst 1747 abgeschlossen wurden. Die letzte Phase endete unter Komtur Ferdinand Dami­ an von Sickingen (1736-1743), der 1747 als Landkomtur sein Wappen an der Fassade des Gebäudes anbringen ließ. Das Ergebnis der Umbauarbeiten war eine stattliche Stadtwohnung im klassizis­ tischen Stil mit einigen wenigen verbleibenden Elementen im Barockstil. Das Haus bestand aus einem Erdgeschoss, über dem sich ein Obergeschoss befand, und unter dem Dach waren Mansardenzimmer eingerichtet. Auf der Straßenseite gab es ein großes Einfahrtstor und daneben eine Eingangstür. Durch den Garten erreichte man eine weitere Eingangstür an der Seite des Hauses. Darüber befand sich ein klei­ ner Balkon. Auf der Rückseite ist auch heute noch deutlich die ursprüngliche Grundstruktur des Hauses vor den Umbauarbeiten zu sehen: Eigentlich besteht das Haus aus zwei Häusern mit Giebeldach, die auf der Straßenseite an ein Querhaus angebaut sind (Abb. 2, im Farbteil). Wer lebte nun in dieser Kommende? Im Prinzip war es der Amtssitz des Komturs. Im 18. Jahrhundert hatte Bekkevoort insgesamt elf verschiedene Komture, was be­ deutet, dass eine durchschnittliche Amtsperiode sieben Jahre und ein paar Monate dauerte.1 ’ Das heißt aber nicht, dass alle Komture in Diest lebten oder oft dorthin reisten. So verbrachte beispielsweise Komtur Franz von Reiffenberg (1715-1717) nur einige Tage im Oktober 1716 in Diest. In der übrigen Zeit wohnte er abwech­

12 RH, AB, Nr. 2276, fol. 27v—37r. Zunächst wurde ein neues Waschhaus, ein comptoir bzw. Rentamt, ein Schuppen und ein Pferdestall gebaut. 13 Zwischen 1717—1721, 1727—1729 und 1743—1751 gab es aus finanziellen Gründen keinen Komtur.

182 selnd in Köln oder Aachen. Er ließ sich wohl allerlei Dinge aus Diest zusenden, unter anderem Schokolade und breite Herrenstrumpfhosen, für die Diest berühmt war. Komtur Johann von Spies zu Büllesheim (1721-1727) kam jedes Jahr für einige Tage nach Diest. Bei seiner Abreise nahm er stets eine große Menge Diester Würste mit, ebenfalls eine lokale Spezialität.14 Ferdinand Damian von Sickingen (1736-1743) kam regelmäßig nach Diest. Oft geschah dies, wenn er unterwegs nach Brüssel war, wo er am Hof von Statthalterin Maria Elisabeth von Österreich weilte. Aus dieser Zeit finden wir in den Rechnun­ gen allerlei Ausgaben für Mobiliar und Ausstattung für die Kommende. Auch von Sickingens Tabak wurde in den Ausgaben notiert. Zudem wurde für diese Zeit zu­ sätzliches Personal angestellt, beispielsweise ein Koch, ein Gärtner und ein Kut­ scher. Da Sickingen sich über einen längeren Zeitraum in Diest aufhielt, schrieb die Kommende nach einer Weile rote Zahlen. Die finanziellen Mittel der Kommende waren eindeutig zu gering, um den Lebensstil des Komturs zu ermöglichen. Dies lag allerdings nicht an außergewöhnlichen Ausgaben, sondern schlichtweg daran, dass das tägliche Leben eines Komturs viel zu teuer war. Als Karl Alexander von Lothringen Hochmeister war (1761-1780) und zudem Statthalter der Österreichischen Niederlande, kamen regelmäßig etliche Ordensrit­ ter und hohe Beamte in die Kommende. Sie machten einen Zwischenstopp in Diest auf ihrer Reise von Mergentheim oder anderswoher zum Hochmeister in Brüssel.15 Gerne in Diest weilte Franz Johann von Reischach (1776-1784), der spätere Land­ komtur der Ballei Biesen. Während seiner Amtsjahre lebte der ehemalige General vor allem im August und September in Diest. Offensichtlich las er Zeitungen, denn in den Rechnungen sind Abonnements der Gazette van Leyden und einer Zeitung aus Erlangen zu finden. Der Komtur litt unter allerlei Gebrechen und wurde hierfür vom Diester Arzt Michiels behandelt. Von Reischach renovierte auch das Innere der Kommende; ebenso ließ er den Garten neu anlegen und erweiterte ihn um eine Orangerie. Besondere Kontakte pflegte er mit der Stadtverwaltung, die ihn auch in das Rathaus einlud. In den Jahren 1782 und 1784 feuerte die Stadt sogar Freuden­ schüsse mit der mittelalterlichen Kanone Holle Griet ab aus Anlass der Ernennung von Reischachs zum Gesandten in Den Haag und zum Landkomtur. Die Rechnun­ gen enthalten auch Spuren von regelmäßigen Besuchen, die Persönlichkeiten der Kommende abstatteten. Auch das Personal kam unter von Reischach nicht zu kurz; so organisierte er beispielsweise im Januar 1780 einen Ball für das Dienstpersonal in der Kommende, der in den Sälen des Hauses in der Hasseltsestraat stattfand und bei

14 Van der Eycken, Bekkevoort (wie Anm. 2), S. 165 f. 15 RH, AB, Nr. 2312. Vom 30. September bis zum 6. Oktober 1769 wurde eine Versammlung des Großkapitels in Brüssel abgehalten. Einige Teilnehmer residierten in Diest oder benutzten die Kutsche der Kommende. Der Kutscher und eine Begleitperson brachten sogar einige Teilnehmer von Brüssel zurück nach Mergentheim.

183 dem ein Gelegenheitsorchester mit drei Geigen und einem Bass die musikalische Begleitung wahrnahm.16 Franz Johann von Reischach fühlte sich wohl bei seinen Aufenthalten in Diest. Er war sehr zufrieden mit der medizinischen Versorgung und knüpfte auch eine Reihe von Freundschaften. Sein Dienstpersonal schätzte er sehr. So schrieb er am 24. Au­ gust 1784 einen Brief aus Den Flaag an seinen Freund De Wilde in Diest, in dem er darum bat, seine ehemalige Haushälterin, Frau Verdeyen, nach Den Haag zu ent­ senden. Dort sollte sie während rund sieben Monaten seinen Haushalt leiten. Offen­ bar arbeitete Frau Verdeyen nun für seinen Freund.17 Das Haus in Diest war seit dem Ende des 16. Jahrhunderts auch die Wohnung des Rentmeisters. Dort übte er sein Amt aus, im sogenannten com ptoir. Zudem stand ihm und seiner Familie eine Reihe von Zimmern im Haus zur Verfügung. Der Kom­ tur verfügte über separate Räumlichkeiten. Der Rentmeister durfte auch gewisse Haushaltsgegenstände wie etwa Küchengeräte benutzen. Daneben besaß er sein ei­ genes Mobiliar und persönliche Habseligkeiten. Laufende Ausgaben für das Heizen und den Unterhalt des Gebäudes gingen zu Lasten der Kommende. Der Rentmeis­ ter zahlte allerdings für sein eigenes Essen und für das seiner Familie. Möglicher­ weise profitierte er jedoch von der Anwesenheit des Komturs, um in den Genuss der Lebensmittel zu kommen, die für diesen gekauft wurden. Die Jahresrechnungen 1651-1659 enthalten erstmals eine Reihe von Inventaren zum Hausrat.18 In dieser Zeit war von Luxus sicherlich keine Rede. Aber an Töp­ fen, Pfannen, Möbeln und Leinen mangelte es nicht - ein Hausrat, über den aller­ dings auch Bürger der Stadt verfügten. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Kommende vorwiegend vom Rentmeister bewohnt war. So be­ nutzte man stets Essgeschirr aus Zinn, während das Küchengerät meist aus Kupfer, Eisen oder Blech bestand. In den Jahren 1651-1652 wurden nur wenige Silberge­ genstände in das Inventar aufgenommen, unter anderem ein Kasten mit 16 Löffeln und 10 Gabeln sowie zwei große Salzfässer. Für das Jahr 1659 wurde festgehalten, dass Komtur Ambrosius von Virmundt bei seiner Versetzung sechs silberne Ga­ beln nach Gemert mitnahm.19 Gleiches geschah mit sechs großen Silbertellern, die üblicherweise in der Tischmitte ihren Platz hatten. Zudem war das Gebäude mit rund einem Dutzend Tischen und Schränken ausgestattet sowie mit sechs Betten und ein paar Stühlen. Die Rechnungen von 1722-1723 belegen den Ankauf von Gardinen für den grü­ nen Saal. Zu diesem Zeitpunkt aß man noch stets von dem Zinnservice, das durch den Diester Zinngießer Jan Bollen angefertigt worden war. 1727 wurden zwei ver­

16 RH, AB, Nr. 2356. Außergewöhnliche Ausgaben. 17 RH, AB, Nr. 387. 18 RH, AB, Nr. 2256-2260. Lediglich für 1661—1710 sind die Inventare lückenhaft. 19 RH, AB, Nr. 2260.

184 goldete Rahmen für die Portraits der Komture Reiffenberg und Spies beschafft.20 Das Portrait von Spies wurde möglicherweise vom Diester Künstler Peter Stramot gemalt.21 Das älteste erhaltene Inventar über das Gebäude in der Hasseltsestraat datiert vom 21. Juli 1729 und wurde von Komtur van der Noot erstellt.22 Es ist nach den Gegenständen, nicht nach den Räumlichkeiten, in denen sie sich befanden, aufge­ teilt: Zunächst wurde das Silber aufgeführt, das recht bescheiden ausfiel - zwei Ker­ zenleuchter, ein Präsentierteller, zwei Salzfässer, 15 Löffel und ein Senftopf. Danach folgte eine Auflistung der Zinn- und Eisenwaren. Daraus geht deutlich hervor, dass die Mahlzeiten meist von einem Zinnservice eingenommen wurden. Die Ausstattung der Räume war recht schlicht gehalten. Lediglich der bereits ge­ nannte grüne Saal stach neben einem eingerichteten Salon und dem Schlafgemach des Komturs hervor. Das Schlafgemach verfügte über einen Wandbehang von grün- rot-weiß gestreiftem Stoff und war mit einem mit Vorhängen versehenen Bett aus­ gestattet. Ferner gab es noch fünf weitere Betten in anderen Räumen. Das restliche Mobiliar bestand aus Schränken, Tischen und Stühlen. Offenbar wurde in der Kommende auch musiziert, denn für den September 1739 sind Reparaturen an einem Clavicembalo belegt.23 Im selben Jahr wurden zwei Por­ traits aus Maastricht herbeigebracht. Die Portraitierten sind leider nicht überliefert. In den Jahren 1741-1742 erfolgte die Erweiterung des Mobiliars um einen Kleider­ schrank für den Komtur. Am 9. September 1763 wurde ein neues Inventar in zwei Exemplaren verfasst, eins in Deutsch und eins in Niederländisch. Im deutschen Exemplar ist auch ein Teil der liturgischen Geräte der Pfarrkirche Bekkevoort aufgeführt. Auch diese Inventare sind thematisch nach Art der Gegenstände geordnet. Das Silber umfasste neun Po­ sitionen: vier Kerzenständer, ein Kochlöffel, eine Suppenterrine mit Deckel, ein Präsentierteller, 12 Löffel, 13 Gabeln, 12 Messer, ein Senftopf und ein Essigtopf. Zudem gab es noch einen silbernen, vergoldeten Kelch samt Patene und Löffel. Nach dem Tafelsilber ist das Geschirr aus Zinn, Kupfer, Eisen und Holz aufgelistet. Eine Reihe von Gemälden zierten die Wände der Kommende: vier kleine Gemäl­ de mit Landschaften, ein großes Gemälde ohne Rahmen mit einer biblischen Szene. Zudem gab es Portraits einiger Ordensritter: die Landkomture von Sickingen und van Wassenaar, zwei Darstellungen von Komtur Johann Spies von Büllesheim, ein Portrait von Heinrich Schenck von Nideggen, das oben genannte Portrait von Kom­ tur von Reiffenberg, ein Bild von Komtur von Hillesheim und schließlich zwei Por­ traits von nicht genauer identifizierten ehemaligen Komturen. Zwei Supraporten

20 RH, AB, Nr. 2273. 21 Van der Eycken, Bekkevoort (wie Anm. 2), S. 249-253. 22 RH, AB, Nr. 2137. Inclusiv die Visitationsakten von 1729, 1763 und 1776. 23 RH, AB, Nr. 2283. Uitgaven int gemeyn.

185 schmückten ebenfalls das Gebäude: eine Darstellung des barmherzigen Samariters und ein Landschaftsbild. Im Gebäude befanden sich insgesamt sechs Spiegel, wovon drei einen vergoldeten Rand hatten. Laut einer Randbemerkung in den Dokumen­ ten wurden zwei Spiegel im Jahre 1767 erstanden. Das Haus in der Beverstraat verfügte über einen großen Garten. Aus von Sickin­ gens Amtszeit wissen wir, dass ab 1738 ein Gärtner angestellt war. In den Rechnun­ gen sind hierzu allerlei Ausgaben aufgeführt.1739 wurden beispielsweise Rosen und Erdbeeren angepflanzt. Ein Teil des Gartens wurde als Gemüsegarten genutzt, wie die Ankäufe von Kohlpflanzen, Schwarzwurzelsaat und so weiter belegen. Der an­ dere Teil des Gartens diente eher der Entspannung. Von 1739 bis 1740 wurde der Garten möglicherweise neu angelegt. In diesen Jahren gingen nämlich zusätzliche Arbeiter zu Werke und Abfälle wurden abgeführt. Zudem wurden Bäume gepflanzt, die aus der Abtei Herkenrode in Sint-Truiden stammten. Auch ein Sommerhaus oder gloriette wurde in den Rechnungen 1740-1741 vermerkt. Der deutsche Maler Jacobs fertigte 1739 vom diesem Häuschen ein Bild an, das mit einem Goldrahmen versehen wurde. Offenbar hingen dort auch Bilder, denn am 25. Mai 1741 wurden 46,5 Ellen Schnur gekauft, um die Bilder daran aufzuhängen.24 Komtur von Rei­ schach sorgte für die weitere Verbesserung des Gartens. Er ließ eine Orangerie an- legen, wie die Lieferung von sechs Orangenbäumen im Jahr 1779 per Schiff von Antwerpen nach Diest belegt.25

Nieuwen Biesen in Maastricht

Die Ballei Biesen verfügte auf jeden Fall bereits im 13. Jahrhundert über eine Resi­ denz in Maastricht. Ab dem 14. Jahrhundert wurde in der Boschstraat, in der Nähe der Stadtmauern und des Viertels Boschpoort, eine große Residenz erbaut. Bei der Belagerung von Maastricht ab 1579 wurde sie - Nieuwen Biesen genannt, um sie von Alden Biesen in Rijkhoven (Bilzen) zu unterscheiden - stark beschädigt. Landkom­ tur Heinrich von Reuschenberg (1574-1603) ließ die Residenz danach von Grund auf erneuern (Abb. 3, im Farbteil).26 Der Gebäudekomplex von Nieuwen Biesen bestand aus einigen größeren Einhei­ ten, wobei das sogenannte Groot Huis, in dem der Landkomtur lebte, eine zentrale

24 RH, AB, Nr. 2283, uitgaven int gemeyn; Nr. 2284, uitgaven int gemeyn. 25 RH, AB, Nr. 2356, uitgaven extraordinaria. Als Landkomtur soll von Reischach den Englischen Park in Alden Biesen haben anlegen lassen. 26 Eine Ausstellung über Nieuwen Biesen wurde 1989 in der ehemaligen Landkommende Alden Bie­ sen organisiert. Der Katalog Nieuwen Biesen in Alden Biesen. 5 eeuwen Duitse Orde te Maast­ richt, Bilzen 1989, ist bis dato das vollständigste Werk über diese Niederlassung des Deutschen Ordens.

186 Rolle spielte.27 In diesem großen Gebäude, das parallel zur Maas stand, befanden sich die Gemächer des Landkomturs, die Empfangsräume und die Verwaltung der Ballei. Ferner verfügte der Komplex über eine Kirche, die der heiligen Jungfrau Ma­ ria geweiht war. Das Gotteshaus wurde größtenteils im 15. Jahrhundert erbaut und überstand die Schlacht um Maastricht im Jahr 1579 weitestgehend unversehrt. In unmittelbarer Nähe der Kirche lag der Priesterkonvent. Er bestand aus einem ge­ räumigen Saal, den einzelnen Zimmern der Priester und einigen Diensträumen. Ein Teil des Komplexes war dem Sakristan Vorbehalten, dem Oberhaupt des Priester­ konvents und zugleich Hauptdiener der Kirche. Der Komplex zählte noch einige weitere Wirtschaftsgebäude, wie Brauerei, Bäckerei, Stallungen, Kutscherhaus, eini­ ge Schuppen und so weiter. Nieuwen Biesen verfügte über mehrere Gärten und über einen Obstgarten. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wurden die Gärten, der Obstgarten und die Brauerei teilweise verpachtet.28 Aufgrund der Lage am Rande der städtischen Besiedlung in der Nähe der Boschpoort war Nieuwen Biesen im 18. Jahrhundert sogar teilweise in die Befestigungen der Stadt eingegliedert. Dadurch wurden die Gebäude besonders stark beschädigt, als die Franzosen 1794 Maastricht einnahmen. Als Stadtresidenz des Landkomturs war Nieuwen Biesen komfortabel und reprä­ sentativ eingerichtet. Eine Hausratsbeschreibung aus dem Jahr 1749, die 1767 über­ prüft wurde, vermittelt einen Eindruck von der prächtigen Ausstattung und Dekora­ tion der Räumlichkeiten.2'' Die Wände des Hauptgebäudes waren mit Wandteppichen und zahlreichen Gemälden behängen, unter anderem mit Porträts von Landkomturen und Ordensrittern. Auch Gemälde mit religiösen Motiven durften natürlich nicht fehlen. Das Mobiliar in den verschiedenen Räumen zeugte von Vielfältigkeit. Die meisten grundlegenden Tätigkeiten der Ballei wurden in Nieuwen Biesen or­ ganisiert. Die Balleikapitel fanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts meist in Maastricht statt, später dann mehr und mehr in Alden Biesen.30 Die neuen Ritter und Priester wurden ebenfalls in Maastricht eingekleidet. Nieuwen Biesen war das Verwaltungszentrum der Ballei. Die alltägliche Leitung der Verwaltung oblag bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts dem Schaffner oder Hauptrentmeister, der zu­ gleich Hauptverantwortlicher der Balleikanzlei war, und später den sogenannten Balleiräten, meist Juristen. Sie übten die Aufsicht über die verschiedenen Kommen­ den aus, berieten den Landkomtur und trafen alle für den alltäglichen Betrieb der Ballei erforderlichen Entscheidungen. Die tägliche Arbeit der Balleikanzlei wurde von Bediensteten ausgeführt. Die Balleiräte lebten in Nieuwen Biesen, wo sie priva­

27 Clemens Guido De Dijn, Biesen te Maastricht rcpresentatief ordenhuis en priesterconvent, in: Nieuwen Biesen in Alden Biesen (wie Anm. 26), S. 23-40. 28 RH, AB, Nr. 1661, 1663 und 1664. 29 RH, AB, Nr. 1657. 30 Dies ist möglicherweise auf die Verbesserung der Unterkünfte in Alden Biesen während der zwei­ ten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückzuführen.

187 te Gemächer im Haus der Kommende hatten. Das dari n befindliche Mobiliar wurde vom Landkomtur zur Verfügung gestellt.31 Im 18. Jahrhundert zählten dazu unter anderem Arnold Godfried Cox, Wilhelm Franz Clanner, Georg Schmitz, Johann Filip Ignatius Wilhelmi (1769-1784) und Conrad Josef Bachem (ab 1784). Die Zusammenlegung der Balleiverwaltung in Nieuwen Biesen machte es erfoder- lich, dass auch das Archiv der Ballei nach Maastricht gelangte. Dort stand es unter der Aufsicht des Balleirats. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein Archivar, J. P. Eichhof, angestellt.32 Das Archiv in Nieuwen Biesen diente zudem in Kriegszeiten als sicherer Aufbewahrungsort für Archivgut aus anderen Kommenden.33 Zudem war Nieuwen Biesen auch eine Art geistliches Zentrum der Ballci. Hier saß der Balleikonvent, in dem seit dem Mittelalter den Priesterbrüdern als Novizen die Spezifika des Ordens vermittelt wurden. An diesen Ort kehrten sie auch zurück, wenn sie wegen Altersgebrechen oder Krankheit nicht mehr in der Lage waren, ihre Pfarrarbeit zu verrichten.34 Im 18. Jahrhundert lebten durchschnittlich etwa fünf Priester in diesem Konvent. Aufgrund der zahlreichen Gottesdienste in der Kirche von Nieuwen Biesen lebten auch einige Messdiener fortwährend in Nieuwen Biesen. Im 17. Jahrhundert war hierfür sogar eine spezielle Stiftung gegründet worden.35 Die jungen Knaben besuchten danach die Jesuitenschule in Maastricht. Damit Nieuwen Biesen effizient verwaltet werden konnte, war viel Personal not­ wendig. Um die Finanzen kümmerte sich der Rentmeister, wie in jeder anderen Kommende auch. In den Jahren 1782-1783 war die Ballei durch das Verschulden von Rentmeister Hendrik Stoffens zahlungsunfähig geworden. Auch die Buchhaltung von Nieuwen Biesen hatte er anscheinend gefälscht.36 Ein weiterer wichtiger Beruf war der des Küchenmeisters beziehungsweise Wirtschafters, der meist von Pries­ tern wahrgenommen wurde. Er war für die Verpflegung der Gemeinschaft verant­ wortlich und wachte darüber, dass sich keine ungeladenen Besucher oder Fremde an der Tafel beköstigten ließen. Die Beherbergung der Gäste zählte ebenfalls zu seinen

31 RH, AB, Nr. 1660. Als Beispiel: Auf dieser Liste werden Möbel aufgeführt, die dem Balleirat Conrad Josef Bachem durch Landkomtur Franz Johann von Reischach (1786) zur Verfügung ge­ stellt wurden. 32 RH, AB, Nr. 1022. 33 Michel Van der Eycken, Inventaris van het archief van de balije Biesen van de Duitse Orde. Deel I (Bijdragen tot de geschiedenis van de Duitse Orde in de balije Biesen 3 A), Bilzen 1995, S. 45-67. 34 MichelVan der Eycken, Het dagelijks leven in het priesterconvent van Nieuwen Biesen tijdens de 17de en 18de eeuw, in: Miscellanea Baliviae de Juncis (Bijdragen tot de geschiedenis van de Du­ itse Orde in de balije Biesen 2), Bilzen 1995, S. 235—252; ders., Priester in der Ballei Biesen im 18. Jahrhundert, in: Priester im Deutschen Orden. Vorträge der Tagung der Internationalen Histori­ schen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens in Wien 2012, hg. v. Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 77 = Veröffentlichungen der Interna­ tionalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 15), Weimar 2016, S. 149-156. 35 RH, AB, Nr. 1899 und 1904. 36 RH, AB, Nr. 1652-1653.

188 Aufgaben. Wenn sich bestimmte Besucher in Nieuwen Biesen aufhielten und an den Mahlzeiten teilnahmen, kam es hin und wieder zu merkwürdigen Gepflogenheiten, wie aus den zuvor erwähnten Anordnungen des Landkomturs hervorgeht. Der Kü­ chenmeister war teilweise auch für den Unterhalt und die Pflege der Gebäude und des Mobiliars zuständig. Einer seiner engsten Mitarbeiter war der Kellermeister, für die Vorräte in Nieuwen Biesen verantwortlich. Koch und Küchenmagd bereiteten die Mahlzeiten zu; außerdem musste der Koch darüber wachen, dass keine unbefugten Personen seine Küche betraten. Anschei­ nend hatten einige Priester nämlich die Angewohnheit, zwischen den Mahlzeiten in der Küche auf Essenssuche zu gehen. Ein Bäcker versorgte die Kommende mit Brot und Kuchen. Aus verschiedenen Verordnungen geht hervor, dass sonntags Weißbrot und sogar Rosinenbrot gegessen wurde. Wasch- und Bügelarbeiten waren Aufgabe der Wäschemagd. Ein Gärtner kümmerte sich um die Gartenanlage. Ferner gab es noch eine Kuhmagd, die die Tiere pflegte, und einen Knecht, der die schweren Ar­ beiten im Garten oder Obstgarten verrichtete. Das Eingangstor zu Nieuwen Biesen wurde von einem Pförtner bewacht. In allen Diensten konnte erforderlichenfalls zusätzliches Personal bereitgestellt werden. Neben dem für den alltäglichen Betrieb von Nieuwen Biesen zuständigen Perso­ nal waren einige Bedienstete beziehungsweise „Lakeien“ Tag und Nacht ausschließ­ lich für das Wohlergehen des Landkomturs bestellt. Landkomtur Edmund Gott­ fried von Bocholtz (1657-1690) verfügte über einen persönlichen Kammerdiener und vier „Lakaien“.37 Seine Gemächer wurden von zwei Kammerzofen in Stand gehalten.38 Für seine Reisen und Besuche standen dem Landkomtur ein Kutscher und ein Vorreiter zur Verfügung. Zudem verfügte er über einen Privatsekretär. Wo mehrere Menschen in einer recht kleinen Gemeinschaft zusammenwohnen, entstehen auch hin und wieder kleinere oder größere Konflikte. So auch in Nieuwen Biesen. Forschungen über das alltägliche Leben im Priesterkonvent von Maastricht haben gezeigt, dass regelmäßig eingegriffen werden musste, um die Gemeinschaft auf dem rechten Weg zu halten.39 Sogar auf höchster Ebene war man sich manchmal nicht einig. Beispielsweise weigerte sich Ballei rat Wilhelmi in den Jahren 1784—1785, sein Amt an seinen Nachfolger Bachem zu übergeben. Schließlich musste Land­ komtur Reischach persönlich eingreifen, um die Übergabe der Amtsakten zu er­ möglichen. Sowohl Bekkevoort als auch Nieuwen Biesen waren im 18. Jahrhundert vor allem das Lebensumfeld von Beamten. Die Komture und sogar die Landkomture waren nur sehr selten dort. Meist nahmen der Rentmeister und der Balleirat die tägliche

37 RH, AB, Nr. 1123, Michael Van d er Eycken, Het personeel van Alden Biesen in 1682, in: Al- den Biesen vroeger en nu, 45, 1995, S. 3. 38 RH, AB, Nr. 1669. 39 Van d er Eycken, Het dagelijks leven (wie Anm. 34), S. 235-252.

189 Leitung der Kommenden vor Ort wahr. Folglich war das tägliche Leben auch durch den Beamtenalltag bestimmt. Als Mitarbeiter des Deutschen Ordens genossen diese Beamten hohes Ansehen und verfügten über eine gewisse Macht. An den Orten, an denen sie lebten, kamen ihnen die Mittel des Ordens zugute. Ihre Macht übten sie im Namen des Komturs oder Landkomturs aus. Falls diese sich selbst vor Ort be­ fanden, wurden sie standesgemäß mit größter Hingabe umsorgt, was oft zu schwe­ ren finanziellen Belastungen für die Kommende führte, wie aus den Rechnungsbü­ chern von Bekkevoort hervorgeht. Sobald die Ordensritter abgereist waren, hatten die Beamten wieder das Sagen, und die Finanzen durften sich wieder etwas erholen.

190 ORTS- UND PERSONENVERZEICHNIS

von Ulrike Arnold

Aji Abkürzungen wurden benutzt: Bf. - Bischof; DM - Deutschmeister; DO- - Deutschordens-; DOB - Deutschordensballei; DOH - Dcutschordenshaus; DOP - Deutschordenspriester; DOR - Deutschor­ densritter; Ebf. - Erzbischof; Hkt. - Hauskomtur; HM - Hochmeister; Kg. - König; Ks. - Kaiser; Kt. - Komtur; Lkt. — Landkomtur; LM — Landmeister. Sofern ein Begriff nur in den Anmerkungen vorkommt, steht hinter der Zahl der entsprechenden Seite ein A. Den Komtureinamen wurde der Name der Ballei zugesetzt. Könige und Kaiser sind unter dem Vorna­ men eingeordnet.

A Bekkevoort/Biesen, DOH XII, I78A, 179, 181-190 -, Kt. s. Cortenbach, Hillesheim, Reiffenberg, Aachen (St. Acgidius)/Biesen DOH 178A, 179, 183 Sickingen, Spies, Virmundt Adam, Johannes, Beamter des Königshofs u. Belderbusch s. Heyden Stadtrat v. Palermo 1 19f. Bern/Elsass, DOH 19 Adsel/Livland, DOH 42 Bernissem/Biesen, DOH 178A, 179, 181 Äriküla, Gebiet 64 f. Beuggen/Elsass, DOH 2 Agrigent, Bf. 130 Biesen, DOB XII, 166, 170, 178-190 Akkon (Acre) 22, 27 -, -, Ausbildungskonvent der Priester s. Niuwen Alfons [V.] v. Aragon, der Großmütige, Kg. v. Biesen Sizilien 118 -, -, Lkt. s. Bocholtz, Cortenbach, Heyden, Noot, -, Sohn Kg. Ferdinands II., Ebf. v. Saragossa 131 Reiffenberg, Reischach, Rcuschcnberg, Schenk, Alten Biesen/Biesen, DOH 12, 178, 181, 186A Schönborn, Sickingen, Spies, Virmundt, -, Kapitel der DOB 187 Wassenaar -, Nekrolog 16 -, -, -, Archiv s. Niuwen Biesen Altenburg, Dietrich v., HM 8 -, DOH, Kt. s. Plettenberg Althaus/Preußen, DOH 15 Biskup, Marian 4, 117 Alttoa, Kaur 81 f., 89, 107 Biskupowa-Janosz, Irena 4, 117 Aluve, Kalvi 111 Bocholtz, Edmund Gottfried v., Lkt. v. Biesen 189 Angern 112 Boetberge, Hermann v., DOR v. Utrecht 172A Apulien, DOB 120, 122, 125 f. Bollen, Jan, Zinngießer in Diest 184 -, DO-Bruder s. Wolf Bong, Otto 42 Aragon 131 Boockmann, Hartmut VIII Arbusow, Leonid VIII, 114 Borst, Arno VII Arnold, Udo 11 -, Otto 165 Arszynski, Marian 17, 178A Bozen, DOB 14 Arrasch/Livland, DOH 66, 68 -, DOH (Weggenstein) 14 Aschaffenburg/Biesen, DOH 178A Brandenburg/Preußen, Kt. s. Hohenstein Ascheraden/Livland, DOH 48 Braudel, Fernand VII Braunschweig, Luther v., HM 3A B Bresc, Henri 118, 133, 135 —Bautier, Genevieve 118 Bachem, Konrad Josef 188 f. Brotze, Johann Christoph 49 Baibars, Sultan 22 f., 26 Bruiningk, Hermann v. 49 Balga/Preußen, DOH 5, 12 Buckenheimer, Hans, DOP 123, 136f. Barten/Preußen, DOH 18 Bunne/Utrecht, DOH 169 Bauske/Livland, DOH 48

191 c Felsberg/Hessen, Pfarre 156 Ferdinand der Katholische, Kg. v. Sizilien u. Calver, William 26 Aragon 117, 122 f. Caesarea 26 Feuchrwangen, Konrad v., HM 8 Christian/Christan, Kaspar, Kt. v. Rothenburg 137 Folda, Jaroslaw 24 Ciglis, Janis 44, 46, 48 Frankurt am Main 136, 152 Claessen, Daan 164 Friesland, DO-Brüder 168 Clanner, Wilhelm Franz 188 Fritzlar 153 Corleone/Sizilien 126 Fürstenberg, Wilhelm v., LM v. Livland 93 Cortenbach, Franz v., Kt. zu Bekkevoort u. Lkt. v. Biesen 182 G Cox, Arnold Gottfried 188 Crac de Chevaliers 27 Gelre (Geldern), Grafschaft 166 Cronberg, Walter v., HM 13 Gemert/Biesen, DOH 178 A, 179, 181, 184 Germau/Preußen, DOH 104 D Geroldseck, Adolf v., DOP 120, 123, 131, 142 Goldingen/Livland, DOH 42, 48, 70, 102 Danzig 12, 731. Gollub/Preußen, DOH 5, 18 Delwich, van, DOR in Utrecht 173 Graudenz/Preußen, DOH 18, 59, 73 Deutschmeister 121 f., 126, 131, 137, 153, 156; s. Griefstedt/Hessen, DOH 151,153,158 auch Grumbach, Lentersheim Grobin/Livland, DOH 48 De Wilde 184 Gruitrode/Biesen, DOH 178 A, 179 Dieren/Utrecht, DOH 168A,170, 173 Grumbach, Andreas v., DM 120 Diest/Biesen, DOH 178A, 182, 184 Grunau, Simon, Chronist 6, 9 Dirveiks, Ilmars 44, 51 Guleke, Reinhold 41 f., 49, 51 Doblen/Livland, DOH 42, 48 Doesburg/Utrecht, DOH 169 H Dorp, Andries v., Kt. zu Schoonhoven 174 Dreileben, Burchard v., LM v. Livland 103, 112 Hain, Johann v., Kt. v. Marburg 151 Drongelen, Johann v., Lkt. v. Utrecht 165,174-177 Hapsal, Bischofsburg 104 Dusburg, Peter v., DOP 5,10 Hedersdorfer, Leonhard, Statthalter der DOB Dygo, Marian 10 Sizilien 132 Heerse, Johann Wolthus v., LM v. Livland 119, 129 E Helmet/Livland, DOH 111 Herborn/Hessen, DOH 156, 162 Egloffstein, Georg v., Vogt v. Leipe 156 Herike, Goswin v., LM v. Livland 112 Egmond v. Merenstein, Albert v., Lkt. v. Utrecht 173 Herrmann, Christofer 17 Eichhof, J. P., Archivar 188 Hessen, DOB 16A, 145-147, 150, 152, 154, 156, Elbing/Preußen, DOH 6, 36, 73 162, 164,169 f. -, Schlosskapelle 12, 15 -, -, Lkt. s. Schönborn Elisabeth s. Thüringen Heyden, Gaspar Anton v. d., gen. Belderbusch, Elsass, DOB 2A Lkt. v. Biesen 181A Engelsburg/Preußen, DOH 5 Hillesheim zu Ahrental, Johan Caspar v., Kt. v. Enghuizen, Dirk v., Schaffner u. Lkt. v. Utrecht 175 Bekkevoort 178A, 185 Erfurt 129,153 Hitzkirch/Elsass, DOH, Nekrologium 16 Erlichshausen, Konrad v., HM 13 Hochmeister 7, 10, 14, 32, 38, 56, 156; s. auch Ermland, Diözese 1A, 6 Altenburg, Cronberg, Feuchtwangen, Estland 43,48, 103, 107 Erlichshausen, Kniprode, König, Küchmeis- ter, Lothringen, Orseln, Rusdorf, Tiefen F Hoemeister, Heinrich, Lkt. v. Sizilien, 120-129, 134-138, 141 f. Fabricius, Dionysios 93 Hohenstein, Günther v., Kt. zu Brandenburg 15 Feige, Johann, Hofmeister des Hauses Hessen 161 Holland, Grafschaft 166, 170 Felben, Andreas v., LM v. Livland 101 Holte, LM in Livland 102 Fellin/Livland, DOH X, 62f., 69, 80-98, 104 Holzmayer, Jean Baptiste 102-104,106-109, 111, 113

192 I Lange, Kalle 107 Lazda-Cazers, Rama 1 Insterburg/Preußen, DOH 12 Leiden/Utrecht, DOH 169 Leipe/Preußen, Vogt s. Egloffstein J Lengmoos/Bozen, DOH 14f. Lentersheim, Ulrich v., DM 121 f. Jacobs, Maler 186 Leofante, Alfcrio de, Trcssler des Kgr. Sizilien 118 Jähnig, Bernhart VIII Le Roy Ladurie, Emmanuell VII Jansons, Aleksandrs 43 Lettland 40-55 Jerusalem, Museum Rockefeller 25 Livland, DOB IX, 14, 38,40-44, 55, 57-59, 63 f., Johann III. v. Schweden 94 70,74, 78 f., 97, 129, 172 Jungingen, Konrad v., HM 6 -, Meister 15; s. auch Dreileben, Felben, Fürsten- berg, Heerse, Herike, Holte, Monheim, K Plettenberg Lochner, Hans, DO-Bruder in Sizilien 121, 123, Kahutsi, Dorf bei Peude/Livland 101 126-129, 136L, 142 Kam, Rene de 164 Lochstädt/Preußen, DOH 18 Kandau/Livland, DOH 48 Löwis of Menar, Karl v. 41 f., 49f. Karkus/Livland, DOH 63, 65, 70, 72 f., 85 Lötzen/Prcußen, DOH 76 f. -, Schlosskapelle 12 Lothringen, DOB 13 Kastilien 131 -, Karl Alexander v., HM 183 Katwijk/Utrecht, DOH 169 Ludsen/Livland, DOH 46 Kenaan-Kedar, Nurith 26 Lüttich (St. Andre)/Biesen, DOH 178A, 179 Keppel, Hermann v., Lkt. v. Utrecht 171 Lugas, Lembi 85 Kirchhain/Hessen, DO-Pfarre 156 Luik, Heidi 86 Kirsten, Nikolaus, DO-Bruder in Sizilien 119, Lyck/Preußen, DOH 76 f. 121, 123 f., 127 f., 136 f., 142 Klück, Bart 164, 173 M Kniprode, Winrich v., HM 3A Koblenz, DOB 12,14, 168A, 170 Maasland/Utrecht, DOH 169 DOH 14 Maastricht/Biesen, DOH XII Kt. 6 Maculoso, Salvatore, DO-Familiare 128 Priesterbrüder 6 Mäesalu, Ain 86 Köln, St. Katharinen, DOH 14 f. Mainz 153 -.Jungen Biesen, DOH 178A, 179, 183 Marburg/Hessen, DOB s. Flessen -, Karthäuser s. Rolevink -, DOH XI, 2,17,19,144-163 König, Ludolf, HM 3A -, -, Elisabethkirche XI, 16, 144,150,158,161 Königsberg/Preußen, DOH 34, 60 -, -, Kt. 153 f., 156-158; s. auch Hain, Nordeck, Kt. 16 Rabenau Kolb, Hans, Lkt. v. Sizilien 124 -, -, Nekrolog 16 Kolberg 73 -, -, Pitanzmeister 17, 158 Kropp, Jost, Chorherr v. Marienburg 156 -, -, Trapier 153, 156, 174 Krüger, Ingeborg 83 -, -, Zinsmeister 153, 156, 158 Küchmeister, Michael, HM 13 -, Stadtrat 156 f., 161 Kulm/Preußen 6, 75 Margana/Sizilien, DOH 118,123, 125, 127, -, Bf. 63 132-136, 138, 141 f. Kulmerland 13, 38A, 63, 75 -, Kt. 133, 141 Kurland 43 Marienburg/Preußen, DOH IX, 5,15, 17-19, Kwiatkowski, Stefan 9 28-39,48,59-61, 67f., 73 -, Bischofskrönung 38 L -, Chorherr s. Kropp -, Hkt. 16, 35 f. Lais/Livland, DOH 111 -, Oberspittler s. Hkt. Lamparten, DOB 129, 137 -, Hochmeisterpalast 29 f., 32, 34, 37 -, Lkt. s. Waiblingen -, Schlosskirche/Marienkirche 15,17, 37, 39

193 St. Lorenzkirche 15, 35 p Marienwerder, Dom 15 Martisala, Insel bei Riga 68 Padua, Kt. 137, 142, s. auch Lochner Mazara, Bf. 130 Palermo/Sizilien, DOH 117-119, 123-126, Memel/Preußen 65 128-133, 135-142 Mergentheim/Franken, DOH 154, 183 Archiv 123, 131, 139 Nekrolog 16A -, Frauenkloster St. Katharina 130 -, Stadt 136 -, Stadtrat 122 Messina, Johanniterfriedhof 130 Papau/Preußen, DOH 18 Mewe/Preußen, DOH 71 Pehen/Preußen, DOH 59 Michiels, Arzt in Diest 183 Pelerin, Chateau, Templerburg 27 Middelburg/Utrecht, DOH 169 Perlbach, Max 3, 11 Mitau/Livland, DOH 42, 48 Perugia, Templerniederlassung 141 Moliano, Franciscus de 102 Peude/Livland, DOH X, 99-116 Monheim, LM v. Livland 44 -, Pfarrer s. Ronneberg Montfort, DOH X, 21-27 Philipp, Karthäuser 13 Mühlhausen/Elsass, DOH 19 Plauen/Thüringen, DOH 19 Mülheim/Westfalen, DOH 14 Plettenberg, Wolter v., LM v. Livland 48, 51 Münnerstadt/Franken 16 -, Clemens August v., Kt. zu Biesen 178A -, DOH 2 Pomesanien, Diözese 6 -, Elisabethaltar der Pfarrkirche 16 Pommerellen, Herzoge 15 Muhr, Jost v., DO-Bruder in Sizilien 121,123-125, Power, Eileen 165 127-129,137f., 142 Poydt, Jacob, DO-Bruder in Utrecht 175 Prag, Adalbert v. 16 N Preußen 2, 14, 18f., 32, 34, 38, 40, 44, 57-59, 63, 70,74,78 f., 130,147,153, 156,165, 172 Nees/Utrecht, DOH 19, 170 -, DO-Bruder s. Ochse, Stibur Neidenburg/Preußen, DOH 12 -, Konvente 13 -, Marienkapelle 12, 18 -, Ordensmarschall s. Thierberg Nessau/Preußen, DOH 73 Prozelten/Deutschmeistertum, DOH 154 Neumann, Wilhelm 41 f., 46-48 Nickel, Helmuth 26 R Niuwen Biesen/Biesen, DOH 178, 181, 186-189 -, Hauptarchiv des Lkt. 179A, 182, 188 Rabenau, Ludwig v., Kt. zu Marburg 158 Kanzleileiter s. Schaffner Ragnit/Preußen, DOH 18, 62 -, Hauptrentmeister 187; s. auch Stoffens Ramersdorf/Biesen, DOH 178A, 179 -, Lehrkonvent für Priesterbrüder 182 Rannamäe, Eve 85 -, Schaffner 187 Rastenburg/Preußen, DOH 18 Noot, Johann Josef v. d., Lkt. v. Biesen 185 Rehden/Preußen, DOH 18, 66 Nordeck, Johann v., Bruder des Ludwig 158 Reiffenberg, Franz v., Kt. v. Bekkevoort u. Lkt. v. -, Ludwig v., Kt. zu Marburg 158 Biesen 182, 185 Noto, Kloster Santa Maria del Arco 130 Reischach, Franz Johann v., Lkt. v. Biesen 181A, Nürnberg 136 183 f., 186, 189 Requesens, Herren v. 127 O Reuschenberg, Heinrich v., Lkt. v. Biesen 186 Reval/Livland 70, 73 Ochse, Hans, DO-Bruder aus Preußen 130 Rhein/Preußen, DOH 18 Österreich, DOB 13 Rhenen/Utrecht, DOH 169, 171 -, Maria Elisabeth v., Statthalterin in Brüssel 183 Rieder, Kristoph, Tressler der DOB Sizilien 121 Öttingen/Franken, DOH 154 Riga, Bf. 101 Ootmarsum/Utrecht, Westfalen, DOH 14, 168A, -/Livland, DOH X, 4 H 6 , 49 f., 54, 66, 73 170 -, Dom 43 Ordingen/Biesen, DOH 178A, 179 -, Stadt 44, 49, 101 Orseln, Werner v., HM 8, 15 Risalaimi/Sxzilien, DOH 118 f-, 123-126, 129, Osterode/Preußen, DOH 12, 18 133-136, 138,140-142

194 Roggenhausen/Preußen, DOH 18 Spies v. Büllesheim, Johann v., Kt. v. Bekkevoort Rolevink, Werner, Karthäuser 138 u. Lkt. v. Biesen 183,185 Ronneberg, Hermann, Pfarrer v. Peude 114 Splinter v. d. Enge, Gerrit, Lkt. v. Utrecht 176f. Rosenberg, Bernhard Maria 11 Stapel, Rombert 177 Rositen/Livland, DOH 48 Steinbrecht, Konrad 40 f., 43 Rossum, Gosen v., Schaffnern. Lkt. v. Utrecht 175 Sterns, Indrikis 119 Rothenburg o.d.T./Franken, DOH 17 Sterzing/Bozen, DOH 14 f. -, Kt. s. Christian/Christan Stettin 74 -, Pitanzmeister 17 Stibur, Eberhard, DO-Bruder aus Preußen 130 Rudau/Preußen 104 Stoffens, Henrik, Hauptrentmeister v. Niuwen Rusdorf, Paul v., HM 8, 12 Biesen 188 Strasburg/Preußen, DOH 18 S -, Pfarrkirche 15 Strenga, Gustav 17 Sachsenhausen/Deutschmeistertum, DOH 154 Stuler,Jost 122, 136 Nekrolog 16 Syrakus, Bf. 130 Pitanzmeister 17 Samland, Diözese 6 T Saro, Johann 121, 123, 134 Schelluinen/Utrecht, DOH 166, 169 Taplacken/Preußen, DOH 18 Schenk v. Niedeggen, Heinrich, Lkt. v. Biesen 185 Tarvel, Enn 101 f. Schiemann, Theodor 80 Tarwast/Livland, DOH 111 Schiffenberg/Hessen, DOH 156 Tenkitten/Preußen, Kapelle 16 Schlanders/Bozen, DOH 14 Teufel, Konrad, Tressler der DOB Sizilien 121 Schlochau/Preußen, DO-Burgkapelle 12 Thierberg, Konrad v., Ordensmarschall in Preußen 75 Schmid, Bernhard 43, 50 Thorn/Preußen, DOH 18, 41, 62, 75 Schmitz, Georg 188 -, Stadtkirchen 15A Schönborn, Damian Hugo Philipp v., Lkt. v. Thüringen, hl. Elisabeth v. 144, 162,171 f. Biesen u. Hessen 181A Tiefen, Johannes v., HM 120 Schoonhoven/Utrecht, DOH 165, 168A, 169, 174 Tiel/Utrecht, DOH 169,171 -, Kt. s. Dorp Torre, Antonio de la 117 Schoten/Utrecht, DOH 19, 170 Trikaten/Livland, DOH 42 Schürer, Christoph 90 Türpsal 112 Schumacher, Bruno 117, 142 Tuulse, Armin 43, 49, 80, 107,109, 111 Schwarzburg, Herr v. 158 Tvauri, Andres 81 Sebastia, Kirche St. Johannes 26 Segewold/Livland, DOH 44, 48, 51 U Sehesten/Preußen, DOH 18 Seibelsdorf/Hessen, DOH 156 Utrecht, Bf. 167,169 Sickingen, Ferdinand Damian v., Kt. zu Bekke- -, DOB XI, 14, 165,168-170 voort u. Lkt. v. Biesen 182 f., 186 -, -, Lkt. 172; s. auch Drongelen, Egmond, Enghui- Siculus, Albertus, Karmeliter in Sizilien 141 zen, Keppel, Rossum, Splinter, Zande Siersdorf/Bicsen, DOH 178A, 179, 181 -, DOH XI, 164-177 Sint-Pieters-Voeren/Biesen, DOH 178A, 179 -, -, Bruder s. Boetberge, Delwich, Poydt, Sint-Truiden, Abtei Herkenrode 186 Vliederhoven Sizilien, DOB XI, 117-143 -, -, Hauskt. 172 -, -, Bruder s. Kirsten, Lochner, Muhr -, -, Hospital XI -, -, Komture der Häuser 131 -, -, Schaffner 172,174; s. auch Enghuizen, -, -, Lkt. s. Hoemeister, Kolb Rossum, Zande -, -, Statthalter s. Hedersdorfer -, -, Tressler s. Rieder -, -, Tressler s. Rieder, Teufel -, Stadtrat 167 -, Karmeliter s. Siculus -, Königreich 133 V Soldau/Preußen, DOH 18 Soneburg/Livland, DOH 103,111, 115 Valguarnerio, Adelsfamilie 132

195 Wctzlar/Hessen, DOH 152, 156 Valk, Heiki 82 Venedig/Lamparten, DOH 125 Wilhelm II., Ks. 41 Kt. 137f., 142; s. auch Lochner Wilhelmi, Johann Philipp Ignatius 188 f. Ventimiglia, Jaime de, DO-Familiare 124 Windau/Livland, DOFI 42, 46, 48, 50, 102 Verdeyen, Haushälterin in Diest 184 Wolde/Livland 109 Vigilia, Tommaso de 126, 134, 141 Wolf, Heinrich, DO-Bruder in Apulien 127 Virmundt, Ambrosius v., Kt. v. Bekkevoort u. Lkt. Würzburg/Franken, DOH 2 v. Biesen 184 Vitola, Tatjana 51 Y Vliederhoven, Gerard v., DO-Bruder in Utrecht 175 Voigt, Johannes VIII Yhalia, Goffredo de, Algozir v. Sizilien 118

W Z

Währung, Andrea 26 Zacharias, Rainer 37f. Waiblingen, Wilhelm v., Lkt. v. Lamparten 120, Zande, Johann v. d., Lkt. v. Utrecht 171,173, 131,142 174A, 175 Wartberge, Chronist 112 Zapolski, Jan 93 Wassenaar tot Warmont, Henrik v., Lkt. v. Biesen Zeeland (Seeland), Grafschaft 166,170 179 A Zemzaris, Janis 43 Wenden/Livland, DOH 42, 44, 48, 50-53, 61, 66 Zschillen/Thüringen, DOH 19 Westfalen, DOB 14

ABBILDUNGSNACHWEISE

Boas: Abb. 1,2,6: Rabei Khamisy; Abb. 3-5: Autor; Nils Paulsen, Pöidc Kyrka. Tomt-, fasad-, plan-, Abb. 7-11, 14-15: Arms and Armor Dept. © Met­ scktionsdetaljritningar. 1925. Sammlung Prof. Hel­ ropolitan Museum of Art, New York; Abb. 12, 13: ge Kjellin no. 18, Reichsarchiv von Schweden Israel Antiquities Authority. (Riksarkivet), RA 1977-09-07; Abb. 4: ERA. EAA.2072.3.390; Abb. 5: Zeichnung V. Kadakas, Ose: Abb. 1-2: Ciglis (wie Anm. 21); Abb. 3: Original basierend auf die Messungen von J. B. Holzmayer, im Kriegsarchiv Stockholm, SFP Wenden 3; Abb. 4: N. Paulsen, U. Hermann, J. Mali und E. Lepp. Vitola (wie Anm. 51); Abb. 5: Dirveiks (wie Anm. 54). Braasch-Schwersmann: Abb. 1: Braasch-Schwers- Pluskowski: Abb. 2: Udo Arnold; Abb. 3: Foto mann(wieAnm. 1), S. 16; Abb. 2: Hessisches Staats­ Magnus Elander; Abb. 9: ArcheoZoo.org.; Abb. 10: archiv Marburg, Bestand P II Karten Nr. 10054. Tallinn City Arvchives f. 230, n. 1-1, s. 170; alle an­ deren: Autor. Mol: Abb. 1—5: Daan Claessen und Rene de Kam, Afdeling Erfgoed van de gemeente Utrecht, Stads- Haak: Abb. 1: Zeichnung Arvi Haak; Abb. 2: nach H. plateau 1, 3521 AZ Utrecht; Karte S. xx: Autor, Luik(VM 10922:834,912,968; VM 11041:1001,956; aus: Hans Mol, Vechten of Verplegen? Opstellen VM 3876, VM 10922: 1362), Fotos: Jaana Ratas (l), over de ridderorden in de Noordelijke Nederlan- Arvi Haak (2), Heidi Luik (3); Abb. 3: Fotos Andres den, Hilversum 2011. Tennus (1,3), Herki Helves (2,4); Abb. 4und 5: Foto Herki Helves; Abb. 6: (VM 111167: 102, 100, 117, Van der Eycken: Abb. lund 2: Sammlung des Au­ 99), Foto Arvi Haak; Abb. 7: (VM 4241, VM 10846: tors; Abb. 3: HISAB, Fototeam; Miscellanea Bali- 64, VM 4275,4276, VM 4255, VM 4389, VM 4221), viae de Juncis. Opstellen over de balije Biesen, op- Fotos Herki Helves (1,3-6), Andres Tennus (2). gedragen aan de Heer H. Vandermeulen (Bijdragen tot de gcschiedenis van de Duitse Orde in de balije Kadakas/Kreem: Abb. 1 und 6: Zeichnung V. Ka- Biesen 2), Bilzen 1995, S. 200. dakas; Abb. 2: Foto V. Kadakas; Abb. 3: Zeichnung

196