Gekaufte Politik
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Politischer Fraktionsbericht der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion gem. 51 Abs. 3 Z 2 VO-UA zum Berichtsentwurf des Verfahrens- richters im Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss). IBIZA Gekaufte Politik Foto: Parlamentsdirektion/Zinner Ibiza - Gekaufte Politik Vorwort 4 Das Projekt Ballhausplatz 6 Die große Spendenkampagne 8 Die türkise Familie 11 Von der Staatsholding zur „Schmid AG“ 12 „Rot, dann blass, dann zittrig“ – Kurz, Schmid und die Kirche 16 Sobomatic 18 Soko Haarbüschel 20 Die Erfüllung der Spenderwünsche 23 Welches Gesetz soll ich für dich ändern? Oder: Die Prikraf-Affäre 23 „Novomatic zahlt alle“ 25 Geschenkt statt besteuert 27 70 Milliarden Euro in Stiftungen – aber kein Geld für Steuern 29 Postenschacher bei der OeNB 31 Kontrolle über die Kontrolleure der Finanzmarktaufsicht 32 Projekt Edelstein 34 Austrian Real Estate – warum der Staat Premiumwohnungen baut 35 Der verschwiegene Deal der OMV 36 Die Bombe platzt – Die große Vertuschungskampagne 38 Der Kampf der ÖVP gegen Aufklärung – von Anfang an 39 Die Obstruktion der Ermittlungen der WKStA 41 Das große Schreddern 44 Aktenlieferungen Kurz und Blümel 46 Empfehlungen für Maßnahmen 48 Quellen 51 Foto: Parlamentsdirektion/Zinner Foto: Du. Unzählige SMS, Treffen, Gesetzesvorbereitun- gen und Absprachen sind belegt. Der Nationalrats- präsident und Vorsitzende (!) des #IbizaUA wirkte in seinen öffentlichen Auftritten überhaupt wie ein wandelndes Testimonial der Novomatic. Und egal ob Sobotka im Alois-Mock-Institut „präsidiert“, beim Waidhofner Kammerorchster dirigiert oder einfach im NÖAAB Parteisitzungen abhält - um die Ecke steht jemand von der Novomatic und bezahlt die Spesen. Foto: Denk Studio Foto: Erst nachdem sich die ÖVP und die Novomatic of- fenbar einig sind, kommt die FPÖ ins Spiel: Die von der ÖVP vorbereitete Gesetzesnovelle (inklusive neu- en Online-Lizenzen und der Wiedereinführung des „kleinen“ Glückspiels) wird der FPÖ präsentiert und Liebe Leserinnen! mit Peter Sidlo wird ein FPÖ-Mann in den Casinos installiert. Ende 2018 begann sich auch ein FPÖ-No- Liebe Leser! vomatic-Deal abzuzeichnen. Deshalb drehte sich die Aufmerksamkeit im Untersuchungsausschuss von der FPÖ zur ÖVP. Das „System Kurz“ lässt sich folgenderma- ßen charakterisieren: Im Dezember 2019 haben wir, die Sozialdemokrati- sche Parlamentsfraktion, gemeinsam mit den NEOS ein Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsaus- 1. Kontrolle: Kurz und sein engstes Umfeld kontrol- schusses über die „mutmaßliche Käuflichkeit der tür- lieren alle Entscheidungen. Wer in einem Minis- kis-blauen Bundesregierung (Ibiza-UA)“ eingebracht. terbüro arbeitet, wer in einem Ministerium Ge- neralssekretär wird, was in einem Gesetz steht, In den sechs Minuten Ibiza-Video, die im Mai 2019 wer in einem Aufsichtsrat sitzt: Das letzte Wort, durch „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ veröf- die letzte Entscheidung liegt bei Kurz und seinem fentlicht wurden, wurde ein Sittenbild gezeichnet, engsten Umfeld. Deswegen liegt die Loyalität der dass jedenfalls Teile der Politik bereit sind, für Geld KabinettsmitarbeiterInnen immer bei Kurz, nie und Einfluss „alles“ zu verkaufen; egal ob Gesetze, beim Minister bzw. der Ministerin. (Chat-Nach- Aufträge oder unser Wasser. Wir wollten nachschau- richt von Schmid über Löger: „… Sonst glaubt er, en, ob das alles nur Theorie war oder ob in der Praxis er kann Sachen selbst entscheiden“.) Selbst in der das politische Handeln der Kurz-Strache-Regierung Übergangsregierung wurde laut einem Chat zwi- käuflich war. schen dem mächtigen Justiz-Sektionschef Chris- tian Pilnacek und der damaligen Kabinettschefin Was folgte, waren zwanzig Monate, in denen die ÖVP Andrea Martini vereinbart, nicht ihren Vorge- versuchte den Untersuchungsausschuss zu behin- setzten, Justizminister Dr. Clemens Jabloner, zu dern. Beginnend mit dem – von den Grünen unter- informieren. Sehr wohl informiert werden sollte stützten – Versuch, den Untersuchungsgegenstand zu Kurz. Kurz war zu diesem Zeitpunkt nicht einmal zensurieren, über die verweigerten Aktenlieferun- Regierungsmitglied, sondern „nur“ wahlkämp- gen, dem indiskutablen Vorsitzverhalten von Wolf- fender ÖVP-Chef! gang Sobotka bis zu den mutmaßlichen Falschaussa- gen und Erinnerungslücken von ÖVP-Vertretern im 2. Familie: Nicht jeder gehört zur Familie. Aber #IbizaUA. jene die dazu gehören, genießen die Förderung („Kriegst eh alles was du willst“) und den Schutz Am Anfang konzentrierten wir uns in unseren Unter- durch die „Familie“. suchungen vor allem auf die FPÖ. Immerhin waren die beiden unfreiwilligen Hauptdarsteller des be- 3. Macht und Machtmissbrauch: Kurz und sein rüchtigten Ibiza-Videos, Heinz-Christian Strache und Team nützen ihre Macht aus. Weit mehr, als man Johann Gudenus, führende FPÖ-Politiker. Doch mit in einem demokratischen Rechtsstaat erwarten den Aktenlieferungen drehte sich das Bild. Zum Bei- würde. Die Art und Weise, wie Kurz den damali- spiel beim Thema „Novomatic zahlt alle“: Während gen ÖVP-Generalsekretär im Finanzministerium lange Zeit keinerlei Kontakt zwischen FPÖ und dem Thomas Schmid der Kirche – nach deren Kritik Glückspielkonzern Novomatic ersichtlich war, waren an der Asylpolitik der Kurz-Regierung – „an den die wesentlichen Vertreter der ÖVP (Gernot Blümel Hals hetzt“ und dabei noch anfeuert („Ja super. und Thomas Schmid) mit der Novomatic auf Du und Bitte Vollgas geben“) ist widerlich. Seine Antwort 4 („Super danke vielmals!!!!“) auf die „Erfolgsmel- Und die FPÖ? dung“ von Schmid („Schipka war fertig … er war zunächst rot, dann blass, dann zittrig…“) steht Das Bild, das Strache und Gudenus auf Ibiza abgelie- dem in Widerwärtigkeit um nichts nach. fert haben, hat sich in den Akten auch gefunden. Das Fokussieren auf Postenschacher, Gesetze auf Bestel- 4. Abgehobenheit: Die moralische Verfasstheit der lung und das Spendensammeln „am Rechnungshof „Familie“ quillt aus jedem Chat hervor. Wir sind vorbei“ ist nur noch zum Fremdschämen. Für Öster- da oben; alle anderen da unten („Reisen wie der reich ist es auf jeden Fall ein Gewinn, dass Strache Pöbel“, „mit den Tieren am Amt anstellen“, etc.). die politische Bühne verlassen hat. Es sollten andere Wenn KabinettsmitarbeiterInnen gemeinsam seinem Beispiel folgen. auf Kosten von uns allen (Steuergeld) „feiern“ und dabei mit Gläsern auf Passanten werfen, Durch das erstmalige Abdrehen eines Untersu- gibt es für die handelnden „Familienmitglieder“ chungsausschusses nach der neuen Verfahrensord- keine Konsequenzen. Die Kosten werden auf die nung konnte die Arbeit nicht fertiggestellt werden. „EU-Präsidentschaft“ gebucht. Erst wenige Tage vor Ende des Ausschusses wur- den von Finanzminister Blümel und Bundeskanzler 5. Spenden und Dankbarkeit: Im amerikanischen Kurz tausende Akten auf Basis von Entscheidungen Stil wurden Spendengelder eingesammelt. Es des Verfassungsgerichtshofes bzw. ihrer Exekution wird gestückelt und verschoben, um diese Spen- durch das Landesgericht für Strafsachen im Auftrag den möglichst lange zu verschleiern. Aus den des Bundespräsidenten an den #IbizaUA geliefert. Spendern entstand „das Biotop der Qualifizier- Zehntausende Chats konnten von der Staatsanwalt- ten“ (Reinhold Mitterlehner), und wenn Auf- schaft nicht mehr ausgewertet und vorgelegt werden. sichtsrätInnen oder KabinettsmitarbeiterInnen gesucht wurden,fand man sie in diesem Biotop. Trotzdem können sich die Ergebnisse des Untersu- Die Interessen der Großspender wurden auch bei chungsausschusses sehen lassen. Auch aufgrund der Gesetzesbeschlüssen (Privatklinik-Fonds, etc.) Arbeit des Untersuchungsausschusses ist es zu einer nicht vergessen. Reihe von Rücktritten und Suspendierungen gekom- men und eine Reihe von Gesetzesinitiativen wurde 6. Unantastbar: Kurz und sein Umfeld fühlen sich bereits angekündigt oder in die Wege geleitet, um unantastbar und versuchen sich jeder demo- aufgedeckte Missstände abzustellen. Nicht zuletzt kratischen Kontrolle zu entziehen. Nicht nur wurde auch aufgrund des Untersuchungsausschus- durch Schreddern und verweigerte Aktenvor- ses ein Volksbegehren ins Leben gerufen, dessen lage. Der Umgang mit den demokratischen und Ziele grosso modo unterstützt werden können. Die rechtsstaatlichen Institutionen (Parlament, wesentlichen Fakten und Erkenntnisse finden Sie in Untersuchungsausschuss, Staatsanwaltschaft, diesem Heft. Verfassungsgerichtshof, Medien, etc.) zeigt ein fehlendes Verständnis für Transparenz und Ko- Ich darf mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeiter- operationsbereitschaft mit den anderen staat- Innen der Parlamentsdirektion und aller Fraktionen, lichen Organen und zivilgesellschaftlichen Ein- bei den MedienvertreterInnen, den externen Dienst- richtungen unseres Landes. leiterInnen und den Verfahrensrichtern und -anwäl- tInnen bedanken! 7. Trump: In der Kommunikation bedient sich Kurz zunehmend der Mittel des mittlerweile ab- Besonders bedanken möchte ich mich für die Unter- gewählten US-Präsidenten Trump. „Flood the stützung und das positive Feedback, dass ich erfah- zone with shit“, „alternative facts“ und „personal ren habe – egal, ob ich gerade mit der U-Bahn gefah- insults and nicknaming” hat die Kurz-ÖVP in Ös- ren bin, im Supermarkt einkaufen oder wandern war. terreich etabliert. 8. Staat im Staat: Die „türkise Familie” versucht, Institution für Institution unter ihre Kontrolle Jan Krainer zu bringen. Sie bildet ein informelles Netzwerk für das #IbizaUA-Team und arbeitet an den rechtsstaatlichen Instanzen- der SPÖ-Parlamentsfraktion wegen vorbei. Es ist der „türkisen