Deutscher Drucksache 12/3896 12. Wahlperiode 01. 12. 92

Sachgebiet 100

Beschlußempfehlung und Bericht des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)"

zu dem

1. Gesetzentwurf der Bundesregierung — Drucksache 12/3338 —

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

2. Gesetzentwurf der Abgeordneten Peter Kittelmann, Dr. Karl-Heinz Hornhues, Dr. Franz Möller, Dr. Renate Hellwig, Dr. Walter Franz Altherr, , Hans-Dirk Bierling, Dr. Joseph-Theodor Blank, , Wolfgang Börnsen (Bönstrup), , , Klaus Bühler (Bruchsal), , , , Dirk Fischer (Hamburg), (Unna), Hans-Joachim Fuchtel, Peter Götz, Claus-Peter Grotz, Klaus Harries, Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach), Klaus-Jürgen Hedrich, Manfred Heise, Dr. h. c. Adolf Herkenrath, Heinz-Adolf Hörsken, Joachim Hörster, Karin Jeltsch, Dr.-Ing. Rainer Jork, Dr. Egon Jüttner, Michael Jung (Limburg), Hans-Ulrich Köhler (Hainspitz), Hartmut Koschyk, Wolfgang Krause (Dessau), Dr.-Ing. Paul Krüger, Klaus-Heiner Lehne, , Dr. Manfred Lischewski, Erich Maaß (Wilhelmshaven), Theo Magin, Dr. Dietrich Mahlo, Claire Marienfeld, , Günter Marten, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Rudolf Meinl, , Hans-Werner Müller (Wadern), Alfons Müller (Wesseling), Johannes Nitsch, Dr. Rolf Olderog, Gerhard O. Pfeffermann, Dr. Friedbert Pflüger, Hans Raidel, Otto Regenspurger, Erika Reinhardt, Kurt J. Rossmanith, Heinz Rother, Dr. Christian Ruck, Ortrun Schätzle, Christian Schmidt (Fürth), Trudi Schmidt (Spiesen), Joachim Graf von Schönburg-Glauchau, Dr. , Dr. Harald Schreiber, Gerhard Schulz (Leipzig), Wilfried Seibel, Bärbel Sothmann, Karl-Heinz Spilker, Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Egon Susset, Dr. Klaus-Dieter Uelhoff, Michael Wonneberger und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Detlef Kleinert (Hannover), Jörg van Essen, Dr. , Hermann Rind und der Fraktion der F.D.P. — Drucksache 12/3614 —

Entwurf eines Gesetzes über die Unterrichtung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union

3. Gesetzentwurf der Fraktion der SPD — Drucksache 12/3609 —

Entwurf eines Gesetzes über die Unterrichtung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union

4. Gesetzentwurf der Bundesregierung — Drucksache 12/3540 —

Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union

A. Problem

Zu Nummer 1 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 12/3338 soll die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union schaffen. Gleichzeitig sollen insbesondere — als Staatsziel die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der europäischen Integration durch Schaffung und Entwick- lung der Europäischen Union, — die Information und die Mitwirkung des Deutschen Bundesta- ges und — die Rechte der Länder in Angelegenheiten der Europäischen Union im Grundgesetz verankert werden. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Zu Nummer 2 Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. auf Drucksache 12/3614 legt das Verfahren der Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union fest.

Zu Nummer 3 Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/3609 ist mit dem unter Nummer 2 erwähnten Gesetzentwurf der Koali- tionsfraktionen im wesentlichen identisch.

Zu Nummer 4 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 12/3540 setzt sich zum Ziel, Einzelheiten der Rechte der Länder in Ange- legenheiten der Europäischen Union zu regeln.

B. Lösung

Zu Nummer 1 Das Grundgesetz wird durch Einfügung eines neuen A rtikels 23 und eines neuen Artikels 45 sowie durch eine Ergänzung bzw. Neufassung der Artikel 24, 28, 50, 52, 88 und 115e geändert. Zu den Ergebnissen der Einzelabstimmung vgl. Bericht B. I. 2.

Zu Nummer 2 Ausführungsgesetz zu Artikel 23 Abs. 3 GG (neu) des Grundgeset- zes. Mehrheitliche Annahme im Ausschuß in geänderter Fassung bei einer Gegenstimme und Abwesenheit der Vertreter der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS/Linke Liste.

Zu Nummer 3 Wie zu Nummer 2.

Zu Nummer 4 Ausführungsgesetz zu Artikel 23 Abs. 7 GG (neu). Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Einstimmige Annahme im Ausschuß in geänderter Fassung bei Abwesenheit der Vertreter der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Gruppe der PDS/Linke Liste

C. Alternativen Keine

D. Kosten Keine Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf der Bundesregierung — Drucksache 12/3338 — in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung der Beschlüsse des Sonderausschusses anzunehmen, Anlage 1 2. den Gesetzentwurf von Abgeordneten und der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. — Drucksache 12/3614 — sowie den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD — Drucksache 12/3609 — in der anliegenden Fassung des Sonderausschusses anzuneh- men, Anlage 2 3. den Gesetzentwurf der Bundesregierung — Drucksache 12/3540 — in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung der Beschlüsse des Sonderausschusses anzunehmen. Anlage 3

Bonn, den 27. November 1992

Der Sonderausschuß „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)”

Günter Verheugen Vorsitzender

Zu 1. Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster) Dieter Wiefelspütz Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Berichterstatter

Zu 2. und 3. Dr. Renate Hellwig Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Berichterstatterin Berichterstatter

Zu 1., 2. und 3. Dr. Gerd Poppe Berichterstatter Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Anlage 1

Zusammenstellung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes — Drucksache 12/3338 — mit den Beschlüssen des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)"

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses

Entwurf eines Gesetzes Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zur Änderung des Grundgesetzes

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesra- Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesra- tes das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 tes das folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes ist eingehalten: des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1 Artikel 1 Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutsch- Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutsch- land in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungs- land in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungs- nummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, nummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch . . ., wird wie folgt geändert: zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1254), wird wie folgt geändert:

1. Nach Artikel 22 wird folgender Artikel 23 einge- 1. Nach Artikel 22 wird folgender Artikel 23 einge- fügt: fügt: „Artikel 23 „Artikel 23 (1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas (1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundes- hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundes- rates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begrün- rates Hoheitsrechte übertragen. Für die Begrün- dung der Europäischen Union und für Änderungen dung der Europäischen Union sowie für Änderun- ihrer vertraglichen Grundlagen, durch die dieses gen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleich- Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder bare Regelungen, durch die dieses Grundgesetz ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergän- seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird zungen ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 oder solche Änderungen oder Ergänzungen und 3. ermöglicht werden, gilt Artikel 79 Abs. 2 und 3.

(2) In Angelegenheiten der Europäischen Union (2) In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundes- tag und den Bundesrat umfassend und zum frü- hestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.

(3) Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwir- kung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Bundestages bei den Verhand- lungen. Das Nähere regelt ein Gesetz. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses

(3) Der Bundesrat ist an der Willensbildung des (4) unverändert Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entspre- chenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zustän- dig wären.

(4) Soweit in einem Bereich ausschließlicher (5) unverändert Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundes- rates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbe- fugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behör- den oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes inso- weit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angele- genheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Ein- nahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforder- lich.

(5) Wenn im Schwerpunkt ausschließliche (6) unverändert Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind, soll die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschl and als Mitgliedstaat der Europäischen Union zustehen, vom Bund auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder übertragen werden. Die Wahrnehmung der Rechte erfolgt unter Beteiligung und in Abstimmung mit der Bundesregierung; dabei ist die gesamtstaatli- che Verantwortung des Bundes zu wahren.

(6) Das Nähere zu den Absätzen 3 bis 5 regelt ein (7) Das Nähere zu den Absätzen 4 bis 6 regelt ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. " bedarf. "

2. Nach Artikel 24 Abs. 1 wird folgender Absatz 1 a 2. unverändert eingefügt:

„ (1 a) Soweit die Länder für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staat- lichen Aufgaben zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen über- tragen. "

3. Nach Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 wird folgender Satz 3. unverändert eingefügt:

„Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mit- gliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besit- zen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar."

3 a. Nach Artikel 44 wird folgender Artikel 45 einge- fügt: „Artikel 45 Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Er kann ihn ermächtigen, die Rechte des Bundesta- ges gemäß Artikel 23 gegenüber der Bundesre- gierung wahrzunehmen." Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses

3 b. Artikel 50 wird wie folgt gefaßt: „Artikel 50 Durch den Bundesrat wirken die Lander bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit." 3 c. Nach Artikel 52 Abs. 3 wird folgender Absatz 3 a eingefügt: „(3 a) Für Angelegenheiten der Europäischen Union kann der Bundesrat eine Europakammer bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bun- desrates gelten; Artikel 51 Abs. 2 und 3 Satz 2 gelten entsprechend." 4. Dem Artikel 88 wird folgender Satz angefügt: 4. Dem Artikel 88 wird folgender Satz angefügt: „Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer „Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rah- Europäischen Zentralbank übertragen werden." men der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet."

5. Artikel 115e Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefaßt: 5. unverändert „Zum Erlaß von Gesetzen nach Artikel 23 Abs. 1 Satz 2, Artikel 24 Abs. 1 oder Artikel 29 ist der Gemeinsame Ausschuß nicht befugt."

Artikel 2 Artikel 2 Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in unverändert Kraft. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Anlage 2

Fassung des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)"

Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union — Drucksache 12/3614 —

Entwurf eines Gesetzes über die Unterrichtung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union — Drucksache 12/3609 —

Entwurf eines Gesetzes unverzüglich über ihre Willensbildung, über den über die Zusammenarbeit von Bundesregierung Verlauf der Beratungen, über die Stellungnahmen des und Deutschem Bundestag Europäischen Parlaments und der Europäischen Kom- in Angelegenheiten der Europäischen Union mission, über die Stellungnahmen der anderen Mit- gliedstaaten sowie über die getroffenen Entscheidun- Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlos- gen. sen:

§5 §1 Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung zu In Angelegenheiten der Europäischen Union wirkt Rechtsetzungsakten der Europäischen Union dem der Bundestag an der Willensbildung des Bundes Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Frist mit. zur Stellungnahme muß so bemessen sein, daß der Bundestag ausreichend Gelegenheit hat, sich mit der Vorlage zu befassen. Die Bundesregierung legt die §2 Stellungnahme ihren Verhandlungen zugrunde.

Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für Angele- genheiten der Europäischen Union. Der Bundestag §6 kann den Ausschuß ermächtigen, für ihn Stellungnah- men abzugeben. Im Falle sich widersprechender Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates berücksichtigt die Bundesregierung vorrangig die Stellungnahme §3 des Bundestages oder des Bundesrates, je nachdem, ob im Falle innerstaatlicher Gesetzgebung die Mate- Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag rie schwerpunktmäßig in die Zuständigkeit des Bun- umfassend zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle des oder der Länder fiele. Artikel 23 Abs. 5 Satz 2 GG Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die für bleibt unberührt. die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten.

§7 §4 Für den Bereich des Artikels 235 EWG-Vertrag Die Bundesregierung übersendet dem Bundestag gelten die Vorschriften dieses Gesetzes bereits vor Gründung der Europäischen Union entsprechend. insbesondere die Entwürfe von Richtlinien und Ver- ordnungen der Europäischen Union und unterrichtet den Bundestag zugleich über den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung, über das beim Erlaß des geplan- §8 ten Rechtsetzungsakts innerhalb der Europäischen Union anzuwendende Verfahren und den voraus- Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Gründung der sichtlichen Zeitpunkt der Befassung des Rats, insbe- Europäischen Union in Kraft. Dieser Tag ist im Bun- sondere den voraussichtlichen Zeitpunkt der Be- desgesetzblatt bekanntzugeben. Abweichend von schlußfassung im Rat. Sie unterrichtet den Bundestag Satz 1 tritt § 7 am 1. Januar 1993 in Kraft. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Anlage 3

Zusammenstellung

des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union — Drucksache 12/3540 — mit den Beschlüssen des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)"

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht) "

Entwurf eines Gesetzes Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union Europäischen Union

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesra- Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesra- tes das folgende Gesetz beschlossen: tes das folgende Gesetz beschlossen:

§1 §1 In Angelegenheiten der Europäischen Union wir- unverändert ken die Länder durch den Bundesrat mit.

§2 §2 Die Bundesregierung unterrichtet den Bundesrat unverändert unbeschadet des Artikels 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Euro- päischen Atomgemeinschaft vom 27. Ju li 1957 (BGBl. II S. 753) umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Euro- päischen Union, die für die Länder von Interesse sein könnten.

§3 §3 Vor der Festlegung der Verhandlungsposition zu unverändert einem Vorhaben der Europäischen Union gibt die Bundesregierung dem Bundesrat rechtzeitig Gele- genheit zur Stellungnahme binnen angemessener Frist, soweit Interessen der Länder berührt sind.

§4 §4 (1) Soweit der Bundesrat an einer entsprechenden unverändert innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären, Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht) " beteiligt die Bundesregierung vom Bundesrat be- nannte Vertreter der Länder an Beratungen zur Fest- legung der Verhandlungsposition zu dem Vorha- ben.

(2) Gegenstand der Beratungen nach Absatz 1 ist auch die Anwendung der §§ 5 und 6 auf das Vorhaben. Dabei ist zwischen Bund und Ländern ein Einverneh- men anzustreben.

§5 §5 (1) Soweit in einem Bereich ausschließlicher unverändert Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berücksichtigt die Bun- desregierung die Stellungnahme des Bundesrates bei der Festlegung der Verhandlungsposition zu dem Vorhaben.

(2) Wenn bei einem Vorhaben im Schwerpunkt (2) Wenn bei einem Vorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder be troffen sind Gesetzgebungsbefugnisse der L ander betroffen sind und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat oder und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat oder ein Vorhaben im Schwerpunkt ins Gewicht fallende ein Vorhaben im Schwerpunkt die Einrichtung der Auswirkungen auf bestehende Verwaltungsverfahren Behörden der Länder oder ihre Verwaltungsverfah- der Länder oder die Struktur ihrer bestehenden Behör- ren betrifft, ist insoweit bei Festlegung der Verhand- denorganisation hat, ist insoweit bei Festlegung der lungsposition durch die Bundesregierung die Stel- Verhandlungsposition durch die Bundesregierung die lungnahme des Bundesrates maßgeblich zu berück- Stellungnahme des Bundesrates maßgeblich zu sichtigen; im übrigen gilt Absatz 1. Die gesamtstaatli- berücksichtigen; im übrigen gilt Absatz 1. Die gesamt- che Verantwortung des Bundes, einschließlich außen-, staatliche Verantwortung des Bundes, einschließlich verteidigungs- und integrationspolitisch zu bewerten- außen-, verteidigungs- und integrationspolitisch zu der Fragen, ist zu wahren. Stimmt die Auffassung der bewertender Fragen, ist zu wahren. Stimmt die Auf- Bundesregierung nicht mit der Stellungnahme des fassung der Bundesregierung nicht mit der Stellung- Bundesrates überein, ist ein Einvernehmen anzustre- nahme des Bundesrates überein, ist ein Einverneh- ben. Zur Herbeiführung dieses Einvernehmens erfolgt men anzustreben. Zur Herbeiführung dieses Einver- erneute Beratung der Bundesregierung mit Vertretern nehmens erfolgt erneute Beratung der Bundesregie- der Länder. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande rung mit Vertretern der Länder. Kommt ein Einver- und bestätigt der Bundesrat daraufhin seine Auffas- nehmen nicht zustande und bestätigt der Bundesrat sung mit einem mit zwei Dritteln seiner Stimmen daraufhin seine Auffassung mit einem mit zwei Drit- gefaßten Beschluß, so ist die Auffassung des Bundes- teln seiner Stimmen gefaßten Beschluß, so ist die rates maßgebend. Die Zustimmung der Bundesregie- Auffassung des Bundesrates maßgebend. Die Zustim- rung ist erforderlich, wenn Entscheidungen zu Ausga- mung der Bundesregierung ist erforderlich, wenn benerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Entscheidungen zu Ausgabenerhöhungen oder Ein- Bund führen können. nahmeminderungen für den Bund führen können.

(3) Vor der Zustimmung zu Vorhaben, die auf Artikel 235 EWG-Vertrag gestützt werden, stellt die Bundesregierung das Einvernehmen mit dem Bun- desrat her, soweit dessen Zustimmung nach inner- staatlichem Recht erforderlich wäre oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären.

§6 §6 (1) Bei einem Vorhaben, bei dem der Bundesrat an unverändert einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hätte oder bei dem die Länder inner- staatlich zuständig wären oder das sonst wesentliche Interessen der Länder berührt, zieht die Bundesregie- rung auf Verlangen Vertreter der Länder zu den Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht) "

Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kom- mission und des Rates hinzu, soweit ihr dies möglich ist. Die Verhandlungsführung liegt bei der Bundesre- gierung; Vertreter der Länder können mit Zustim- mung der Verhandlungsführung Erklärungen abge- ben.

(2) Bei einem Vorhaben, das im Schwerpunkt aus- (2) unverändert schließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betrifft, soll die Bundesregierung die Verhandlungs- führung in den Beratungsgremien der Kommission und des Rates und bei Ratstagungen in der Zusam- mensetzung der Minister auf einen Vertreter der Länder übertragen. Für diese Ratstagungen kann vom Bundesrat nur ein Mitglied einer Landesregierung im Ministerrang benannt werden. Die Ausübung der Rechte durch den Vertreter der Länder erfolgt unter Teilnahme von und in Abstimmung mit dem Vertreter der Bundesregierung. Die Abstimmung der Verhand- lungsposition mit dem Vertreter der Bundesregierung im Hinblick auf eine sich ändernde Verhandlungslage erfolgt entsprechend den für die interne Willensbil- dung geltenden Regeln und Kriterien.

(3) Absatz 2 gilt nicht für die Rechte, die der (3) unverändert Bundesrepublik Deutschland als Vorsitz im Rat zuste- hen. Bei der Ausübung dieser Rechte setzt sich die Bundesregierung, soweit Vorhaben im Sinne von Absatz 2 Satz 1 betroffen sind, mit dem Vertreter der Länder ins Benehmen.

(4) Absatz 2 findet unter der Voraussetzung, daß (4) Auf Tagesordnungspunkte der Ratstagungen, diese Behandlung in Abstimmung mit dem Vertreter die der Rat ohne Aussprache genehmigt, findet der Länder erfolgt, keine Anwendung auf Tagesord- Absatz 2 keine Anwendung, wenn diese Behandlung nungspunkte der Ratstagungen, die der Rat ohne mit dem Vertreter der Länder abgestimmt worden Aussprache genehmigt. ist.

§7 §7 (1) Die Bundesregierung macht auf Verlangen des (1) unverändert Bundesrates unbeschadet eigener Klagerechte der Länder von den im Vertrag über die Europäische Union vorgesehenen Klagemöglichkeiten Gebrauch, soweit Länder durch ein Handeln oder Unterlassen von Organen der Union in Bereichen ihrer Gesetzge- bungsbefugnisse betroffen sind und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat. Dabei ist die gesamt- staatliche Verantwortung des Bundes, einschließlich außen-, verteidigungs- und integrationspolitisch zu bewertender Fragen, zu wahren.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn die Bundesre- (2) unverändert gierung in Verfahren vor dem Europäischen Gerichts- hof Gelegenheit zur Stellungnahme hat.

(3) Hinsichtlich der Prozeßführung vor dem Euro- (3) Hinsichtlich der Prozeßführung vor dem Euro- päischen Gerichtshof stellt die Bundesregierung in päischen Gerichtshof stellt die Bundesregierung in den in den Absätzen 1 und 2 genannten Fällen sowie den in den Absätzen 1 und 2 genannten Fä llen sowie für Vertragsverletzungsverfahren, in denen die Bun- für Vertragsverletzungsverfahren, in denen die Bun- desrepublik Deutschland Partei ist, mit dem Bundes- desrepublik Deutschl and Partei ist, mit dem Bundes- rat Einvernehmen her, soweit im Schwerpunkt rat Einvernehmen her, soweit Gesetzgebungsbefug- Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind nisse der Länder betroffen sind und der Bund kein und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat. Recht zur Gesetzgebung hat. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)"

§8 §8 Die Länder können unmittelbar zu Einrichtungen unverändert der Europäischen Union ständige Verbindungen unterhalten, soweit dies zur Erfüllung ihrer staatlichen Befugnisse und Aufgaben nach dem Grundgesetz dient. Die Länderbüros erhalten keinen diplomati- schen Status. Stellung und Aufgaben der Ständigen Vertretung in Brüssel als Vertretung der Bundesrepu- blik Deutschland bei den Europäischen Gemeinschaf- ten gelten uneingeschränkt auch in den Fällen, in denen die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundes- republik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäi- schen Union zustehen, auf einen Vertreter der Länder übertragen wird.

§9 §9 Einzelheiten der Unterrichtung und Beteiligung der unverändert Länder nach diesem Gesetz bleiben einer Vereinba- rung zwischen Bund und Ländern vorbehalten.

§ 10 § 10 Nach dem Subsidiaritätsprinzip ist bei Vorhaben Bei Vorhaben der Europäischen Union ist das Recht der Europäischen Union das Recht der Gemeinden der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Rege- und Gemeindeverbände zur Regelung der Angele- lung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft genheiten der örtlichen Gemeinschaft zu wahren und zu wahren und sind ihre Bel ange zu schützen. sind ihre Belange zu schützen.

§ 11 § 11 Dieses Gesetz gilt nicht für den Bereich der Gemein- unverändert samen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäi- schen Union.

§ 12 § 12 Dieses Gesetz gilt auch für Vorhaben, die auf unverändert Beschlüsse des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten gerichtet sind.

§ 13 § 13 Die in § 9 genannte Vereinbarung kann weitere unverändert Fälle vorsehen, in denen die Länder entsprechend diesem Gesetz mitwirken.

§ 13a Die Bundesregierung schlägt dem Rat als Mitglied des Ausschusses der Regionen und deren Stellvertre- ter die von den Ländern benannten Vertreter vor. Die Länder regeln ein Beteiligungsverfahren für die Gemeinden und Gemeindeverbände, das sichert, daß die kommunalen Spitzenverbände mindestens mit drei Vertretern im Regionalausschuß vertreten sind. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Entwurf Beschlüsse des Sonderausschusses „Europäische Union (Vertrag von Maastricht)

§ 14 § 14 Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 1986 zur unverändert Einheitlichen Europäischen Akte vom 28. Februar 1986 (BGBl. II S. 1102) tritt mit Inkrafttreten dieses Gesetzes außer Kraft.

§ 15 § 15 Dieses Gesetz tritt am . in Kraft. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Gründung der Europäischen Union in Kraft. Dieser Tag ist im Bundesgesetzblatt bekanntzugeben. Abweichend von Satz 1 tritt § 5 Abs. 3 am 1. Januar 1993 in Kraft. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Renate Hellwig, Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster), Ludwig Stiegler, Dieter Wiefelspütz, Ulrich Irmer, Detlef Kleinert (Hannover), Gerd Poppe, Dr. Hans Modrow

A. Zum Beratungsverfahren die Annahme des Gesetzentwurfs mit den Änderungs- und Interpretationsvorschlägen, I. Gesetzentwurf zur Änderung des die die Berichterstatter der Fraktionen der CDU/ Grundgesetzes CSU und SPD nach vorausgegangenen Gesprä- chen im Rahmen der Verfassungskommission Der Gesetzentwurf auf Drucksache 12/3338 wurde in und des Sonderausschusses vorgetragen haben, der 110. Sitzung des Deutschen Bundestages am empfohlen. 8. Oktober 1992 an den Sonderausschuß „Europäische Mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, Union (Vertrag von Maastricht)" federführend sowie SPD und F.D.P. und gegen die Stimme des an den Auswärtigen Ausschuß, den Rechtsausschuß Vertreters der Gruppe der PDS/Linke Liste hat und den EG-Ausschuß zur Mitberatung überwiesen. der Auswärtige Ausschuß dem federführenden In der 115. Sitzung am 29. Oktober 1992 wurde der Sonderausschuß die Annahme der Ergänzung Gesetzentwurf nachträglich an den Ausschuß für des Artikels 88 GG in folgender Textfassung Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur empfohlen: Mitberatung überwiesen. „Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer 1. Die mitberatenden Ausschüsse haben zum Gesetz- europäischen Zentralbank im Rahmen der Euro- entwurf der Bundesregierung auf Drucksache päischen Union übertragen werden." 12/3338 wie folgt Stellung genommen: c) Der Rechtsausschuß hat in seiner Sitzung am a) Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und 29. Oktober 1992 empfohlen, die Annahme des Geschäftsordnung hat in seiner 37. Sitzung am Gesetzentwurfes auf Drucksache 12/3338 mit 12. November 1992 beschlossen: folgenden Maßgaben vorzuschlagen: „Der 1. Ausschuß empfiehlt dem federführen- den Sonderausschuß ,Europäische Union (Ver- „1. Artikel 23 Abs. 1 Satz 2 erlaubt Hoheits- trag von Maastricht)', den Gesetzentwurf auf rechtsübertragungen auch von Verfas- Drucksache 12/3338 nach Maßgabe der Be- sungsrelevanz bis zur Grenze solcher schlüsse der Gemeinsamen Verfassungskom- Hoheitsrechtsübertragungen, für die es mission vom 15. Oktober 1992 in Verbindung eines neuen Vertrages oder einer Vertrags- änderung bedurft hätte. mit dem Beratungsergebnis des Rechtsaus- schusses vom 11. November 1992 anzunehmen. 2. Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 ist deshalb in dem Er tritt insbesondere dafür ein, in die Beschluß- Sinne zu fassen, daß Verfassungsdurchbre- empfehlung zum Gesetzentwurf auf Drucksa- chungen von der hier genannten Qualität che 12/3338 Vorschriften auch nicht über Evolutivklauseln ermög- — über die Pflicht der Bundesregierung, den licht werden. Bundestag in Angelegenheiten der Europäi- 3. Artikel 23 Abs. 5 Satz 2: Die Auslegung hat schen Union rechtzeitig zu unterrichten, darauf abzustellen, ob die in Frage stehende — über die Pflicht der Bundesregierung zur Rechtsetzung bei Zugrundelegung von Ar- Berücksichtigung der Stellungnahme des tikel 72 Abs. 2 GG im nationalen Recht zur Bundestages Bundes- oder Landeskompetenz führen würde, mit der Folge, daß bei Bejahung — sowie über die Befugnis zur Ermächtigung eines Bedürfnisses nach bundeseinheitli- eines vom Bundestag bestellten Ausschusses cher Regelung die Prärogative des Bundes für Angelegenheiten der Europäischen besteht. Union zur Wahrnehmung der Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregie- 4. Dem Artikel 88 wird folgender Satz ange- rung fügt:

auf der Grundlage der Formulierungsvor- Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer schläge der Gemeinsamen Verfassungskom- unabhängigen und vorrangig dem Ziel der mission für Artikel 23 Abs. 2 GG (neu), Ar tikel 23 Preisstabilität verpflichteten Europäischen Abs. 3 GG (neu) und Artikel 45 GG (neu) Zentralbank übertragen werden." aufzunehmen." Im übrigen hat der Rechtsausschuß keine ver- b) Der Auswärtige Ausschuß hat mit den Stimmen fassungsrechtlichen oder sonstigen Bedenken der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. erhoben. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

d) Der EG-Ausschuß hat auf eine Mitberatung c) Der Auswärtige Ausschuß und der EG-Aus- verzichtet. schuß haben auf eine Stellungnahme verzich- tet. 2. Der Sonderausschuß „Europäische Union (Vertrag von Maastricht) " hat den einzelnen Vorschriften 2. Der Sonderausschuß „Europäische Union (Vertrag des Gesetzentwurfs sowie den von ihm dazu vor- von Maastricht)" hat in seiner Sitzung am 20. No- geschlagenen Änderungen mit den in Teil B.I.2 vember 1992 die Gesetzentwürfe auf Drucksache jeweils wiedergegebenen Mehrheiten zuge- 12/3614 und auf Drucksache 12/3609 zusammen stimmt. beraten und bei einer Gegenstimme ihre Annahme in der durch den Ausschuß geänderten Fassung beschlossen. II. Gesetzentwürfe zur Rechtsstellung des Deutschen Bundestages III. Gesetzentwurf zur Rechtsstellung des Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und Bundesrates F.D.P. über die Zusammenarbeit zwischen Bundesre- gierung und Bundestag auf Drucksache 12/3614 Der Gesetzentwurf auf Drucksache 12/3540 wurde in sowie der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD über der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages am die Unterrichtung und Mitwirkung von Bundesregie- 29. Oktober 1992 an den Sonderausschuß „Europäi- rung und Bundestag in Angelegenheiten der Europäi- sche Union (Vertrag von Maastricht)" federführend schen Union auf Drucksache 12/3609 wurden in der sowie an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität 117. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. No- und Geschäftsordnung, den Auswärtigen Ausschuß, vember 1992 an den Sonderausschuß „Europäische den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Forschung, Union (Vertrag von Maastricht)" federführend sowie Technologie und Technikfolgenabschätzung, den an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und den Geschäftsordnung, den Auswärtigen Ausschuß, den EG-Ausschuß zur Mitberatung überwiesen. Rechtsausschuß und den EG-Ausschuß zur Mitbera- tung überwiesen. 1. Die mitberatenden Ausschüsse haben zum Gesetz- entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 1. Die mitberatenden Ausschüsse haben zu den 12/3540 wie folgt Stellung genommen: Gesetzentwürfen auf Drucksachen 12/3614 und 12/3609 wie folgt Stellung genommen: a) Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat in seiner 37. Sitzung am a) Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und 12. November 1992 die folgende Empfehlung Geschäftsordnung hat in seiner 37. Sitzung am beschlossen: 12. November 1992 folgende Empfehlung beschlossen: „ 1. gegen den Gesetzentwurf auf Drucksache 12/3540 aus Gründen der Rechtsstellung ,1. den Gesetzentwürfen auf den Drucksachen des Bundestages Einwendungen nicht zu 12/3609 und 12/3614 mit der Maßgabe zuzu- erheben, stimmen, daß in § 4 auf „Rechtsetzungsakte" der Europäischen Gemeinschaft Bezug ge- 2. in das Gesetz klare Regelungen zur Lösung nommen und in § 5 Satz 3 die Formulierung möglicher Konfliktfälle bei unterschiedli- „die Stellungnahme" gewählt wird, chen Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat einzufügen, 2. im Bericht des Ausschusses zu § 3 ausdrück- lich festzustellen, daß unter den Begriff „alle 3. in einer Entschließung die Erwartung des Vorhaben im Rahmen der Europäischen Bundestages festzustellen, daß die L andes- Union, die für die Bundesrepublik von Inter- regierungen die Volksvertretungen der esse sein könnten" sowohl die Vorentwürfe Lander an der Willensbildung in Angele- und Dokumente der Dienststellen der Kom- genheiten der Europäischen Union beteili- mission als auch die formellen Kommissions- gen. " vorschläge sowie die dazu im Laufe des b) Der Rechtsausschuß hat in seiner Sitzung am weiteren Rechtsetzungsverfahrens entste- 29. Oktober 1992 gegen den Gesetzentwurf auf henden Dokumente gehören, Drucksache 12/3540 keine verfassungsrechtli- 3. in einer Entschließung die Bundesregierung chen oder sonstigen Bedenken erhoben und im aufzufordern, die Gemeinsame Geschäfts- übrigen auf eine Stellungnahme verzichtet. ordnung der Bundesministerien (Teil II) an c) Der Ausschuß für Forschung, Technologie und die neue Rechtslage anzupassen und die Technikfolgenabschätzung hat in seiner Sit- erforderlichen Geschäftsordnungsergän- zung am 4. November 1992 dem Gesetzentwurf zungen vorher mit den zuständigen Stellen zugestimmt und zugleich mit den Stimmen der des Bundestages abzustimmen.' Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Frak- b) Der Rechtsausschuß hat in seiner Sitzung am tion der SPD und der Vertreterin der Gruppe der 29. Oktober 1992 gegen den Gesetzentwurf der PDS/Linke Liste beschlossen, dem federführen- Bundesregierung auf Drucksache 12/3614 den Ausschuß die Berücksichtigung der beiden keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen nachfolgenden Entschließungen zu empfeh- Bedenken erhoben. len: Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

„ 1. Auf EG-Ebene muß im Bereich von For- d) Der Ausschuß für Bildung und Wissenschaft hat schung und Technologie dem Grundsatz in seiner 41. Sitzung am 11. November 1992 der Subsidiarität nachhaltig Rechnung ge- mitgeteilt: tragen werden. Der nationalen Forschungs- „Er (der Ausschuß für Bildung und Wissen- förderung muß weiterhin Priorität einge- schaft) weist den federführenden Ausschuß räumt werden. ein- mütig — bei Abwesenheit des Vertreters der Gruppe der PDS/Linke Liste — darauf hin, daß 2. Die demokratische Kontrolle muß auch im im Bildungsbereich das Einvernehmen zwi- Bereich der Forschung durch eine stärkere schen Bund und Ländern oberste Richtlinie sein Beteiligung des Deutschen Bundestages an sollte. Die Transparenz im Verfahren müsse den europäischen Entscheidungen gestärkt sischergestellt sein, um eine jeweilige Sachab- werden. Es müssen Verfahren gefunden wägung bei kompliziertem Verfahren zu werden, die eine qualifizierte Beteiligung gewährleisten beziehungsweise um Verbesse- des Deutschen Bundestages sicherstellen. rungen zu erreichen. Es müsse die Richtlinie gelten, daß die Bundesrepublik Deutschland in 3. Die Bundesregierung wird weiterhin aufge- ihren Verfassungsstrukturen h andlungsfähig fordert sicherzustellen, daß § 5 Abs. 1 des bleiben muß, auch wenn der Bildungsbereich Ausführungsgesetzes zu Artikel 23 GG auch künftig in einen europäischen Raum gestellt auf die Fälle Anwendung findet, in denen wird. " eine Materie der konkurrierenden Gesetz- e) Der Auswärtige Ausschuß und der EG-Aus- gebung gegeben ist und der Bund von schuß haben auf eine Mitberatung verzichtet. seiner Gesetzgebungskompetenz bislang noch keinen Gebrauch gemacht hat, wie- 2. Der Sonderausschuß „Europäische Union (Vertrag dies im Bereich der Förderung der wissen- von Maastricht)” hat in seiner Sitzung am 20. No- schaftlichen Forschung (Artikel 74 Nr. 13 vember 1992 einstimmig die Annahme des Gesetz- GG) derzeit der Fall ist. entwurfs auf Drucksache 12/3540 in der durch den Im Falle einer nicht ausräumbaren Kontro- Ausschuß geänderten Fassung beschlossen. Die verse zwischen Bund und Ländern im Beratung wurde am 26. November 1992 wiederauf- Bereich der Förderung der wissenschaftli- genommen. Dabei wurden die §§ 6, 7 und 13a mit chen Forschung muß die Bundesregierung verändertem Inhalt mit den unter B.III.2. wiederge- auch weiterhin in der Lage sein, die Haltung gebenen Mehrheiten beschlossen. der Bundesregierung letztverbindlich fest- zulegen. Bei Ratstagungen und in Beratungsgremien B. Zur Begründung der Kommission und des Rates muß die Verhandlungsführung beim Bund liegen, I. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur wenn es sich um Forschungsförderung an Änderung des Grundgesetzes — Drucksache Hochschulen oder außeruniversitäre For- 12/3338 — schungseinrichtungen der Grundlagenfor- schung handelt. 1. Zum Inhalt des Gesetzentwurfs

Begründung zu Punkt 3: Der Maastrichter „Vertrag über die Europäische Die verbindliche Festlegung der deutschen Union" (EU-Vertrag) vom 7. Februar 1992 bringt den Verhandlungsposition durch die L ander Einstieg in die Politische Union Europa. Der Vertrag und die Übernahme der Delegationsleitung enthält nicht lediglich Änderungen der bereits beste- durch die Länder würde die Verhandlungs- henden Vertragsgrundlagen, sondern „stellt eine position Deutschlands in Brüssel entschei- neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer enge- dend schwächen. Viele wichtige Verhand- ren Union der Völker Europas dar" (Artikel A EU lungen und Entscheidungen erfolgen unter Vertrag). Dies kommt zum Ausdruck in der Erweite- großem Zeitdruck. Auch wenn die Länder rung der supranationalen EG-Zuständigkeit, der Ein- ihre internen Mechanismen erheblich ver- führung einer Währungsunion (Artikel 3 a, 4 a EG- einfachen und beschleunigen würden, Vertrag), der Einleitung einer „Gemeinsamen Außen- dürfte eine abgestimmte Haltung von Bund und Sicherheitspolitik" (Artikel 8 ff. EG-Vertrag) und Ländern innerhalb weniger Tage kaum sowie der Zusammenarbeit in der Innen- und Rechts- herbeizuführen sein, wie dies häufig erfor- politik (Artikel K.1-9 EU-Vertrag). derlich ist. Der damit verbundene prinzipielle Qualitätssprung Auch die von den Ländern gewünschte hat die Frage aufgeworfen, ob die Ratifizierung des Verhandlungsleitung hätte einen nachteili- Maastrichter Vertrages noch auf der Grundlage des gen Effekt. Kommission, Europäisches Par- geltenden Artikels 24 Abs. 1 GG (Hoheitsrechtsüber- lament und die anderen Mitgliedstaaten tragung auf eine „zwischenstaatliche Einrichtung") hätten keinen dauerhaften Ansprechpart- möglich sei oder ob es insoweit einer neuen Rechts- ner für alle Forschungsfragen, das Gewicht grundlage bedürfe. Die Gemeinsame Verfassungs- der Bundesrepublik in Brüssel würde kommission hat am 22. Mai 1992 eine Anhörung von dadurch zwangsläufig abnehmen." Sachverständigen zum Thema „Grundgesetz und Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Europa" durchgeführt. Einig waren sich die Sachver- Der Gesetzentwurf und seine Ergänzungen im Son- ständigen darüber, daß ein Europa-Artikel jedenfalls derausschuß beruhen auf den Empfehlungen der aus integrations- und verfassungspolitischen Grün- Gemeinsamen Verfassungskommission zum Thema den in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte. „Grundgesetz und Europa". Die in Artikel 1 Nr. 1, 3 Die Gemeinsame Verfassungskommission und der und 4 aufgeführten Verfassungsänderungen stimmen Sonderausschuß haben sich diese Auffassung zu wörtlich mit den Empfehlungen im Beschluß der eigen gemacht. Gemeinsamen Verfassungskommission vom 26. Juni 1992 überein. Auch über die Verfassungsänderungen Abgesehen von der Frage der Rechtsgrundlage setzt in Artikel 1 Nr. 2 und 5 bestand in der Gemeinsamen die Ratifizierung des Maastrichter Vertrages Ergän- Verfassungskommission bereits Einigkeit, ein förmli- zungen des Artikels 28 Abs. 1 und des Artikels 88 GG cher Beschluß erging insoweit am 15. Oktober 1992. voraus. Der Sonderausschuß hat in mehreren Punkten Ä nde Mit der durch den Unionsvertrag vorgesehenen Ein- rungen des Gesetzentwurfs vorgeschlagen. Diese führung einer Unionsbürgerschaft sollen die Staatsan- Änderungsvorschläge betreffen im Schwerpunkt die gehörigen der Mitgliedstaaten der Union das aktive (weiteren) im Beschluß der Gemeinsamen Verfas- und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen in dem sungskommission vom 15. Oktober 1992 enthaltenen Mitgliedstaat erhalten, in dem sie ihren Wohnsitz Empfehlungen zu Bundestag und Bundesrat, die haben. Eine solche Regelung wäre mit dem Grundge- durch die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P. setz in seiner geltenden Fassung nicht vereinbar (vgl. am 11. November 1992 in die Ausschußberatungen BVerfGE 83, 37 ff.). eingebracht wurden. Dabei handelt es sich um eine Ergänzung des Artikels 23 Abs. 2 GG, um die Einfü- Die im Unionsvertrag begründeten weitreichenden gung eines neuen Artikels 23 Abs. 3 GG, um die geldpolitischen Befugnisse der Europäischen Ge- Einfügung eines neuen Artikels 45 GG, um eine - meinschaft übersteigen mit Blick auf Artikel 88 GG die Ergänzung des Artikels 50 GG und um die Einfügung Übertragungsermächtigung zugunsten des einfachen eines neuen Artikels 52 Abs. 3 a GG. Gesetzgebers. Darüber hinaus wurden Änderungen in Artikel 1 Nr. 1 Unabhängig von den für eine Ratifizierung notwendi (bez. Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 GG) und Nr. 4 (Artikel 88 gen Verfassungsänderungen bedarf es aus der Sicht GG) des Gesetzentwurfs empfohlen. der Länder und im Interesse des kooperativen Föde- ralismus bei einer weiteren europäischen Integra tion einer verfassungskräftigen Verankerung ihrer Mit- 2. Die Beratungen im Ausschuß spracherechte. Die mit dem Maastrichter Vertrag verbundenen Integrationsfortschritte be treffen inner- Schwerpunkte der Beratungen des Sonderausschus- staatlich sowohl die Bundes- als auch die Länder- ses waren Artikel 23 Abs. 1, 3 und 5 (in der vom ebene. Da der europäische Einigungsprozeß und das Ausschuß beschlossenen Fassung), Artikel 28 Abs. 1 Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland zu einer Satz 2, Artikel 45 und Artikel 88 GG. Außerdem integrationsoffenen Staatlichkeit nicht mit einer Ver- beschäftigte sich der Ausschuß eingehend mit der schiebung der innerstaatlichen Gewichte zwischen Frage, wann die für das Vertragswerk nötigen Grund- Bund und Ländern verbunden sein sollen, wird die gesetzänderungen in Kraft zu setzen sind und wann Verteilung der Mitwirkungs- und Wahrnehmungs- sie anwendbar werden. rechte in europäischen Angelegenheiten entspre- chend der heutigen innerstaatlichen Aufgabenvertei- lung zwischen Bund und Ländern ausgestaltet. Die Beteiligungsrechte der Länder, wie sie in dem neuen a) Artikel 23 Abs. 1 GG Artikel 23 GG ihren Niederschlag finden, bilden — auch vor dem Horizont ursprünglich weitergehender Artikel 23 Abs. 1 GG schafft die verfassungsrecht- Forderungen der Länder — einen Kompromiß zwi- lichen Voraussetzungen für das Hineinwachsen der schen den divergierenden Interessen des Gesamt- Bundesrepublik Deutschland in eine Europäische staates und die Gliedstaaten. Union. Satz 1 umschreibt die Qualität dieser Europäi- schen Union, bestimmt damit für die Bundesrepublik Die mit dem Vertrag über die Europäische Union Deutschland ein Staatsziel und umschreibt gleichzei- fortschreitende Integra tion macht auch eine verfas- tig die anzustrebende Entwicklung der Europäischen sungsrechtliche Klarstellung der Mitspracherechte Union, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozia- des Deutschen Bundestages im europäischen Integra- len und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz tionsprozeß erforderlich. Im Zuge der fortschreitenden der Subsidiarität verpflichtet ist. Der Ausschuß ist sich europäischen Integration werden immer mehr Rege- mit der Gemeinsamen Verfassungskommission dar- lungsmaterien der nationalen Kompetenz entzogen über einig, daß der Begriff der Subsidiarität in der und europäisiert. In diesem „Vergemeinschaftungs- Bundesrepublik Deutschland auch die Garantie der prozeß" erfährt der Bundestag einen deutlichen Ver- kommunalen Selbstverwaltung einschließt. Die Bun- lust seiner legisla tiven Aufgaben. Die Mitsprache- desrepublik Deutschland kann nach Artikel 23 Abs. 1 rechte des Deutschen Bundestages in europäischen Satz 1 nicht an der Entwicklung jeder Europäischen Angelegenheiten können den Verlust an nationaler Union, sondern nur an einer solchen teilnehmen, die legislativer Kompetenz nur teilweise ausgleichen. Um den Kriterien des Satzes 1 entspricht. Diese Struktur- so mehr kommt es darauf an, die Rechte des Europäi- sicherungsklausel ist damit zugleich Ermächtigung, schen Parlaments alsbald nachhaltig zu stärken. Auftrag und Grenzbestimmung für die deutsche Mit- Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode wirkung an der Entwicklung der Europäischen Das Grundgesetz ist, wie dies schon bisher in Arti- Union. kel 24 Abs. 1 und künftig für Europa qualifiziert in Artikel 23 Abs. 1 zum Ausdruck kommt, eine integra- Artikel 23 Abs. 1 Satz 2 ermächtigt den Bund, dazu tionsoffene Verfassung, also eine Verfassung, die von auch Hoheitsrechte zu übertragen und insoweit vornherein die Übertragung von Zuständigkeiten eigene Staatlichkeit abzubauen, um sie der Europäi- grundsätzlich akzeptiert. Daher muß eine Hoheits- schen Union zu übertragen. rechtsübertragung nur dann von einer Zweidrittel- mehrheit abhängig gemacht werden, wenn man über Einen breiten Raum in den Ausschußberatungen zu vorhandene Ermächtigungen hinausgeht. Auf dieser Artikel 23 Abs. 1 GG nahm die Frage des Verhältnis- Überlegung beruht Artikel 23 Abs. 1 Satz 3. Der ses von Satz 2 zu Satz 3 dieser Bestimmung ein. Der Ausschuß bekräftigte allerdings, daß über vorhan- Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetz- dene Ermächtigungen hinausgehende, Zweidrittel- entwurf der in der Begründung von der Bundesregie- mehrheit erfordernde Hoheitsrechtsübertragungen rung geäußerten Auffassung widersprochen, Anwen- nicht nur auf der Grundlage von Vertragsänderungen dungsfälle für die Hoheitsrechtsübertragung nach im Sinne des Artikels N EU-Vertrag erfolgen können, Satz 2 könnten sich dann ergeben, wenn Änderungen sondern auch im Zusammenhang mit den sogenann- des Unionsvertrages zu ratifizieren seien, die von ten Evolutivklauseln möglich sind, die eine Art dritter ihrem Gewicht her der Gründung der Europäischen Kategorie zwischen primärem und sekundärem Union nicht vergleichbar seien und insoweit nicht die Gemeinschaftsrecht darstellen. Diese Evolutivklau-

„Geschäftsgrundlage . " dieses Vertrages be träfen. seln sind geeignet, bestimmte im Vertrag von Maas- Nach seiner Auffassung kann Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 tricht selbst angelegte Hoheitsrechtsübertragungen GG nur so verstanden werden, daß die durch den zu „verlängern". Derartige Ausdehnungen können Verweis auf Artikel 79 Abs. 2 GG erforderlichen qualitativ über das hinausgehen, was mit der allge- verfassungsändernden Mehrheiten für sämtliche wei- meinen vertragsrechtlichen Billigung von Maastricht teren Übertragungen von Hoheitsrechten auf die verbunden ist. Artikel 23 Abs. 1 Satz 2 GG erlaubt Europäische Union im Rahmen von Änderungen ihrer Hoheitsrechtsübertragungen bis zu der Grenze, wo vertraglichen Grundlagen notwendig seien. Beson- aus verfassungsrechtlichen Gründen ein neuer Ver- dere Probleme warf in diesem Zusammenhang die trag oder eine Änderung der vertraglichen Grundla- Auffassung der Bundesregierung auf, Satz 2 erfasse gen nötig wäre. Der Sonderausschuß hat deshalb uneingeschränkt die im Unionsvertrag bereits ange- Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 GG in dem Sinne ergänzt, daß legten Integrationsfortschritte etwa aufgrund von Verfassungsdurchbrechungen von der hier genann- Evolutivklauseln (z. B. des Artikels K.9 EU-Vertrag) ten Qualität auch nicht über Evolutivklauseln ermög- oder nach Artikel 138 Abs. 3 bzw. Artikel 201 EG- licht werden. Vertrag, für die gemeinschaftsrechtlich ein einstimmi- Die unterschiedliche Interpretation des Verhältnisses ger Ratsbeschluß ausreicht und eine Regierungskon- der Sätze 2 und 3 in dem Gesetzesvorschlag der ferenz nicht erforderlich ist. Bundesregierung für einen neu in das Grundgesetz einzufügenden Artikel 23 Abs. 1 (vgl. Drucksache Nach Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 ist für die Begründung 12/3338, Begründung, Besonderer Teil, zu Artikel 23 der Europäischen Union sowie für Änderungen ihrer Abs. 1 f)) sowie in der Gegenäußerung der Bundesre- vertraglichen Grundlagen und vergleichbare Rege- gierung zur Stellungnahme des Bundesrates (vgl. lungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt a. a. O., zu Nummer 1) einerseits und der Stellung- nach geändert oder ergänzt wird oder solche Ände- nahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bun- rungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, Arti- desregierung (vgl. a. a. O., zu Artikel 1 Nr. 1) ande- kel 79 Abs. 2 und 3 anzuwenden. Satz 3 legt damit fest, rerseits, die sich insbesondere etwa auf einen daß abweichend vom bisher maßgeblichen Artikel 24 Beschluß der Gemeinschaftsorgane gemäß der Evolu- GG der Bundesgesetzgeber über die Begründung der tivklausel in Artikel K.9 des Vertrages über die Europäischen Union oder über die Änderung ihrer Gründung der Europäischen Union auswirken vertraglichen Grundlagen oder durch vergleichbare könnte, hat den Ausschuß veranlaßt, durch eine Regelungen nicht, wie bisher, das Grundgesetz durch klarstellende Ergänzung („ ... und vergleichbare einfaches Gesetz andern oder ergänzen kann. Erfor- Regelungen ...") den Anwendungsbereich von Satz 3 derlich ist vielmehr für jede Änderung der Verfassung zu verdeutlichen. ein mit verfassungsändernden Mehrheiten beschlos- senes Gesetz, das allerdings vom Textänderungs- Ziel dieser Klarstellung war: Weitere Kompetenzbe- gebot des Artikels 79 Abs. 1 Satz 1 GG freigestellt ist. gründungen zugunsten der Europäischen Gemein- Von dieser Freistellung sollte nach Auffassung des schaft oder Rechtsakte der Europäischen Gemein- Sonderausschusses allerdings nur restriktiv Gebrauch schaft, die — unter bestimmten Voraussetzungen — gemacht werden. Satz 3 bestimmt weiterhin, daß die durch den Beschluß eines Gemeinschaftsorgans absoluten Grenzen des Artikels 79 Abs. 3 GG auch auf zustande kommen und von den Mitgliedstaaten dem Weg in die Europäische Union und beim Fort- gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften schritt in der Union zu beachten sind. Auf dem Weg in anzunehmen sind (z. B. nach Artikel 138 Abs. 3, • die Europäische Union und im Rahmen der Weiterent- Artikel 201 oder K.9 des EG-Vertrages i. d. F. des wicklung der Europäischen Union stehen deshalb die Vertrages über die Gründung der Europäischen Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Union) sollen dann innerstaatlich ein mit den nach Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung oder die Artikel 79 Abs. 2 GG erforderlichen Mehrheiten in Artikel 1 und 20 des Grundgesetzes niedergelegten beschlossenes Gesetz erfordern, wenn auf sie im Falle Grundsätze nicht zur Disposition. einer hierfür erforderlichen Änderung des Vertrages Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

über die Begründung der Europäischen Union Satz 3 Innenverhältnis die Angelegenheiten der Europäi- des neuen Artikels 23 Abs. 1 GG anzuwenden wäre. schen Union nicht allein Sache der Bundesregierung Der Anwendungsbereich von Satz 3 wird demnach sind. Die Vorschrift regelt, daß in Angelegenheiten nicht deshalb eingeschränkt, weil eine förmliche der Europäischen Union der Bundestag und die Län- Änderung der vertraglichen Grundlagen nicht erfor- der nicht als solche, sondern über das Bundesorgan derlich ist. Bundesrat mitwirken.

Für Hoheitsrechtsübertragungen, beispielsweise auf Voraussetzung für diese Mitwirkung ist die umfas- der Grundlage der Evolutivklauseln (etwa Artikel K.9 sende und frühestmögliche Unterrichtung von Bun- des Vertrages über die Europäische Union), ist daher desrat und Bundestag in allen Angelegenheiten der im Einzelfall zu prüfen, ob die Kompetenzübertra- Europäischen Union, zu der die Bundesregierung in gung aufgrund ihrer Bedeutung als vergleichbare Satz 2 der Vorschrift verpflichtet wird. Regelung im Sinne des neuen Satzes 3 zu bewerten ist und innerstaatlich die Annahme des entsprechenden EG-Beschlusses deshalb ein mit verfassungsändern- den Mehrheiten beschlossenes Gesetz erfordert. c) Artikel 23 Abs. 3 GG

Zu Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 GG wurden dem Ausschuß zwei Änderungsanträge unterbreitet: Der Ausschuß stimmte dem Artikel 23 Abs. 3 GG in der Fassung des Beschlusses der Gemeinsamen Verfas- Nach Auffassung des Abgeordneten Ulrich Irmer sungskommission vom 15. Oktober 1992 bei Stimm- (F.D.P.) ist die Formulierung „... und einen diesem enthaltung durch die Gruppe der PDS/Linke Liste Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grund- einstimmig zu. Mit dieser Bestimmung wird die Mit- rechtsschutz gewährleistet", die an die sogenannte wirkung des Deutschen Bundestages in Angelegen- „Solange"-Rechtsprechung des Bundesverfassungs- heiten der Europäischen Union im Grundgesetz aus- gerichts (BVerfGE 37, 271 ff.; 73, 339 ff.) anknüpft, drücklich verankert. Im Hinblick auf die unterschied- sprachlich nicht korrekt: Der Grundrechtsschutz der lichen Formulierungen in Artikel 23 Abs. 3 GG, nach Europäischen Union könne nicht mit „diesem Grund- dem die Bundesregierung die Stellungnahme des gesetz" vergleichbar sein, sondern allenfalls dem in Bundestages bei den Verhandlungen „berücksich- diesem Grundgesetz gewährleisteten Grundrechts- tigt", und in § 5 des Gesetzes über die Zusammen- schutz. Der Abgeordnete beantragte daher, die bishe- arbeit von Bundesregierung und Bundestag in Ange- rige Fassung durch die Formulierung „... und deren legenheiten der Europäischen Union, nach dem die Regeln zum Schutze der Grundrechte denen dieses Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesta- Grundgesetzes gleichwertig" (oder: „im wesentlichen ges ihren Verhandlungen „zugrunde legt", stellte der vergleichbar") „sind" zu ersetzen. Für die Bundesre- Ausschuß fest, daß das Wort „berücksichtigen" den gierung stellte dieser Vorschlag eine redaktionelle gesamten Prozeß der Willensbildung auf europäischer Verbesserung dar, der sie zustimmen könne. Die Ebene zu Rechtsetzungsakten der Europäischen Fraktionen der CDU/CSU und SPD hielten allerdings Union (vom Beginn bis zur Schlußabstimmung) erfaßt. eine sprachliche Verbesserung nicht für erforderlich, „Zugrundelegen" bezeichnet den Anfang dieses Wil- da die Formulierung in der Gemeinsamen Verfas- lensbildungsprozesses. Der Gesetzesvorbehalt des sungskommission ausführlich diskutiert worden ist. Artikels 23 Abs. 3 Satz 3 GG gibt nach übereinstim- Der Antrag wurde daher bei Stimmenthaltung durch mender Auffassung des Sonderausschusses dem Bun- die Gruppe der PDS/Linke Liste mit der Mehrheit der destag das Recht, im Rahmen seiner nationalen Fraktionen der CDU/CSU und SPD abgelehnt. Zuständigkeit alle Materien zu beraten und der Bun- desregierung für ihr Verhalten im Rat Empfehlungen und Vorgaben zu geben, an die die Bundesregierung Die Fraktion der SPD stellte den Antrag, hinter „so- innerstaatlich im Verhältnis zum Bundestag politisch zialen" das Wort „ökologischen" einzufügen. Dieser gebunden ist. Antrag wurde bei Enthaltung durch die Gruppe der PDS/Linke Liste mit der Mehrheit der Koalitionsfrak- Ein verfassungsrechtliches Regelungsbedürfnis für tionen abgelehnt, da sich die Gemeinsame Verfas- den Fall sich widersprechender Stellungnahmen von sungskommission nach einer Diskussion über die Bundestag und Bundesrat nahm die Mehrheit des Ausdehnung der in Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 GG Ausschusses nicht an. Ein Antrag der Abgeordneten genannten Zielbestimmungen einvernehmlich dafür Dr. Renate Hellwig (CDU/CSU), Artikel 23 Abs. 3 GG ausgesprochen habe, es bei den dort aufgeführten einen Satz 4 Grundsätzen zu belassen. Bei der Schlußabstimmung stimmte der Ausschuß Artikel 23 Abs. 1 Satz 1 GG in „Im Falle sich widersprechender Stellungnahmen der Fassung des Gesetzentwurfs einstimmig zu. des Bundestages und des Bundesrates berücksich- tigt die Bundesregierung vorrangig den Bundestag oder den Bundesrat, je nachdem ob im Falle inner- staatlicher Gesetzgebung diese Materie schwer- b) Artikel 23 Abs. 2 GG punktmäßig in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fiele."

Der einstimmig bei einer Enthaltung angenommene anzufügen, lehnte der Ausschuß bei 6 Enthaltungen Artikel 23 Abs. 2 GG stellt klar, daß im nationalen mit 14 gegen 4 Stimmen ab. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

d) Artikel 23 Abs. 4 GG Gebrauch gemacht hat oder keinen Gebrauch machen könnte, weil die Voraussetzungen des Arti- Der Bundesrat ist als Ersatz für Mitwirkungsrechte an kels 72 Abs. 2 GG nicht gegeben sind. Darüber hinaus einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme an werden von dieser gesteigerten Mitwirkungsform alle der Willensbildung des Bundes zu beteiligen. Soweit Vorhaben der Europäischen Union erfaßt, die im die Länder innerstaatlich zuständig wären, ist der Schwerpunkt die Einrichtung von Behörden der Län- Bundesrat ebenfalls an der Willensbildung des Bun- der oder ihre Verwaltungsverfahren be treffen. des zu beteiligen. Die Wahl des Wortes „Maßnahme" bedeutet, daß nicht nur die Gesetzgebung gemeint Die Auffassung des Bundesrates ist aber nur insoweit ist. maßgebend, als im Schwerpunkt Gesetzgebungsbe- fugnisse der Länder, die Einrichtung der Behörden Hierin kommt das Grundanliegen zum Ausdruck, daß oder ihre Verwaltungsverfahren be troffen sind. die fortschreitende europäische Integration nicht zu Soweit dies nicht der Fall ist, sind die Stellungnahmen einer Gewichtsverschiebung zwischen Bund und Län- des Bundesrates lediglich nach Satz 1 zu berücksich- dern führen darf. Was an Kompetenzen der Länder an tigen. die Europäische Union abwandert, lebt im innerstaat- lichen Gefüge als Mitwirkungsrecht des Bundesrates fort. f) Artikel 23 Abs. 6 GG

e) Artikel 23 Abs. 5 GG Artikel 23 Abs. 6 GG regelt die Wahrnehmung der Rechte, die der Bundesrepublik Deutschl and als Mit- Artikel 23 Abs. 5 GG, den der Ausschuß bei Stimment- gliedstaat der Europäischen Union zustehen. Wenn im haltung durch die Gruppe der PDS/Linke Liste ein-- Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefug- stimmig angenommen hat, sieht ein System differen- nisse der Länder be troffen sind, soll die Außenvertre- zierter Beteiligungsformen des Bundesrates vor, tung durch einen vom Bundesrat benannten Vertreter wobei die unterschiedliche Mitwirkungsintensität der Länder erfolgen. Satz 1 beschreibt die Fälle, in unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Vertei- denen eine Übertragung stattfinden soll, mit dem für lung der Gesetzgebungskompetenzen durch das das Grundgesetz neuen Ausdruck „ausschließliche Grundgesetz bestimmt wird. Gesetzgebungsbefugnisse der Länder". Damit ist der Bereich gemeint, für den das Grundgesetz keinen Art ikel 23 Abs. 5 Satz 1 verpflichtet die Bundesregie Gesetzgebungskompetenztitel zugunsten des Bundes rung, die Stellungnahme des Bundesrates auch bei enthält. Liegt der Schwerpunkt einer EG-Angelegen- ausschließlicher Bundeskompetenz zu berücksichti- heit in diesem Bereich, so „soll" der Bund die Wahr- gen, soweit Interessen der Länder berührt sind. Soweit nehmung der mitgliedstaatlichen Rechte der Bundes- der Bund außerhalb seiner ausschließlichen Kompe- republik Deutschland insgesamt übertragen. Die tenz das Recht zur Gesetzgebung hat, muß die Bun- Übertragung der Wahrnehmungsbefugnisse erfolgt desregierung die Stellungnahme der Länder immer „einzelfallbezogen". Dabei bedeutet das „soll" — wie berücksichtigen. Damit wird auch nach der Auffas- auch sonst im staatlichen Bereich — ein „muß", das sung der Gemeinsamen Verfassungskommission der nur begrenzte Ausnahmen zuläßt. Solche Ausnahmen Bereich umschrieben, für den der Bund von seinem können sich aus der Verpflichtung der Bundesrepu- Recht nach Artikel 72 Abs. 2 GG Gebrauch gemacht blik Deutschland zu gemeinschaftsrechtskonformem hat oder zumindest Gebrauch machen könnte, weil Verhalten ergeben. ein Bedürfnis für eine bundesgesetzliche Regelung besteht. In dieser ersten Stufe der Mitwirkung des Die Ausübung der Rechte durch den Vertreter der Bundesrates „berücksichtigt" die Bundesregierung Länder erfolgt nach Absatz 6 Satz 2 unter Beteiligung die Stellungnahme des Bundesrates. Der Ausschuß ist von und in Abstimmung mit der Bundesregierung sich mit der Gemeinsamen Verfassungskommission bzw. ihrem Vertreter. Die „Abstimmung" bezieht sich darin einig, daß „berücksichtigen" bedeutet, daß die auch auf das Vorgehen bei den Verhandlungen; sie Bundesregierung die Argumente des Bundesrates zur bedeutet weniger als Einvernehmen und mehr als Kenntnis nehmen, in ihre Entscheidung einbeziehen Benehmen. und sich mit ihnen auseinandersetzen muß. Sie ist jedoch in der ersten Stufe an die Stellungnahme des Das Gesamtverfahren nach Artikel 23 Abs. 3 bis 6 steht Bundesrates nicht gebunden. unter der Maßgabe, daß die gesamtstaatliche Verant- wortung des Bundes gewahrt bleibt. Artikel 23 Abs. 5 Satz 2 hingegen verlangt von der Bundesregierung, daß sie die Stellungnahme des Bundesrates maßgeblich berücksichtigt. Diese gestei- gerte Mitwirkungsform erstreckt sich auf den Bereich, g) Artikel 23 Abs. 7 GG in dem im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung der Behörden oder ihre Nach Artikel 23 Abs. 7 GG wird das Nähere zu den Verwaltungsverfahren be troffen sind. Diese gestei- Absätzen 4 bis 6 durch ein zustimmungsbedürftiges gerte Beteiligungsform des Bundesrates erstreckt sich Ausführungsgesetz geregelt. nach der mit der Gemeinsamen Verfassungskommis- sion übereinstimmenden Auffassung des Ausschusses Der Ausschuß nahm Artikel 23 Abs. 4 bis 7 GG bei auf alle Kompetenztitel der konkurrierenden und der Stimmenthaltung durch die Gruppe der PDS/Linke Rahmengesetzgebung, von denen der Bund keinen Liste einstimmig an. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

h) Artikel 24 Abs. I a GG Für die Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dar- über hinaus das Wahlrecht nur einen Teil der in Diese Bestimmung regelt, daß die Länder, soweit sie Artikel 116 GG zu gewährenden vollen Grundrechte für die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die für alle Bürgerinnen und Bürger gleich welcher Erfüllung der staatlichen Aufgaben zuständig sind, Staatsangehörigkeit, die länger als fünf Jahre ihren mit Zustimmung der Bundesregierung Hoheitsrechte Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland ha- auf grenznachbarschaftliche Einrichtungen übertra- ben. gen können. Diese im Grundgesetz bisher nicht vor- gesehene Möglichkeit der Übertragung von Hoheits- rechten entspricht einem seit längerem empfundenen j) Artikel 45 GG praktischen Bedürfnis. Der Ausschuß stimmte dieser Bestimmung einstimmig zu und stellte fest, daß sie Der Sonderausschuß sprach sich gegen die Stimme entsprechend der Auffassung der Gemeinsamen Ver- der Gruppe der PDS/Linke Liste für die Aufnahme fassungskommission unabhängig von der Europäi- eines neuen Artikels 45 GG in der Fassung des schen Union gelten und deshalb ihren Platz in Arti- Beschlusses der Gemeinsamen Verfassungskommis- kel 24 GG finden soll. sion vom 15. Oktober 1992 aus. Damit wird der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages neben dem Auswärtigen Ausschuß, dem Petitionsausschuß i) Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 GG und dem Verteidigungsausschuß institutionell veran- kert. Erstmals bekommt ein Ausschuß das Recht, für Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 GG wurde vom Ausschuß das Parlament gegenüber der Bundesregierung zu gegen die Stimmen der Gruppe der PDS/Linke Liste handeln, wenn er dazu nach Maßgabe der Geschäfts- angenommen. ordnung des Deutschen Bundestages ermächtigt wird. Dadurch wird die Rolle des Deutschen Bundestages in Die bereits in der Gemeinsamen Verfassungskommis- europäischen Angelegenheiten gestärkt. sion aufgetretene Kontroverse im Hinblick auf die besondere Problematik der Stadtstaaten und des Lan- Der Ausschuß stellte fest, daß sich die jetzige Fassung des Bremen wurde auch in den Ausschußberatungen des Artikels 45 GG auf die Europäische Union bezieht, deutlich. Der Vorschlag der Fraktion der SPD, die wie sie durch den Maastrichter Vertrag oder ein Regelung des Artikels 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch auf die entsprechendes Vertragswerk begründet wird. Wahlen zu den Landtagen zu erstrecken, wenn staat- liche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt sind oder eine Gemeindevertretung aus einem Teil des k) Artikel 50, 52 Abs. 3a GG Landtages besteht (Sonderregelung Bremen), fand im Ausschuß keine Mehrheit. Damit bleibt die Lösung Artikel 50 GG wird neu gefaßt. Die Mitwirkung der des Problems den be troffenen Ländern selbst überlas- Lander bei der Gesetzgebung und Verwaltung des sen. Die Bundesregierung hielt auch im Ausschuß an Bundes wird ergänzt um ihre Mitwirkung in Angele- ihrer bereits in der Begründung des Gesetzentwurfs genheiten der Europäischen Union. Artikel 52 erhält geäußerten Auffassung fest, das durch den Maastrich- einen neuen Absatz 3 a, der in Parallele zu Artikel 45 ter Vertrag eingeführte Kommunalwahlrecht für GG die Europakammer des Bundesrates institutiona- Unionsbürger umfasse nicht das Wahlrecht zu den lisiert. Ausdrücklich festgelegt wird, daß die Landesparlamenten — auch nicht in den Stadtstaaten. Beschlüsse der Europakammer als Beschlüsse des Die Fraktion der SPD bedauerte, daß keine einheitli- Bundesrates gelten. Die Ergänzungen von Artikel 50 che Regelung für alle Bundesländer gefunden und 52 setzen entsprechende Empfehlungen der wurde. Gemeinsamen Verfassungskommission vom 15. Ok- Die Fraktion der SPD und die Gruppe BÜNDNIS 90/ tober 1992 um. DIE GRÜNEN und die Gruppe der PDS/Linke Liste Der Ausschuß nahm diese Bestimmungen einstimmig bedauerten ferner, daß die Einführung des Kommu- an. nalwahlrechts für Unionsbürgerinnen und -bürger nicht zum Anlaß genommen worden sei, allen Bürge- rinnen und Bürgern mit Wohnsitz in Deutschland, 1) Artikel 88 GG gleich welcher Staatsangehörigkeit, das Kommunal- wahlrecht einzuräumen oder zumindest im Wege einer Öffnungsklausel entsprechende landesrechtli- Angesichts der Unklarheiten im Hinblick auf das che Lösungen zu ermöglichen. Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages genügt nach Auffassung des Ausschusses die im Gesetzentwurf Zwischen den Fraktionen der SPD und F.D.P. sowie enthaltene Ergänzung des Artikels 88 GG nicht. Der der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestand Ausschuß war der Auffassung, daß eine Übertragung allerdings Konsens, daß es in der Logik der weiteren von Befugnissen der Deutschen Bundesbank auf eine Entwicklung der Europäischen Union liegt, das Europäische Zentralbank nur in Be tracht kommen Wohnsitzprinzip nicht nur für Kommunalwahlen und könne, wenn diese den s trengen Kriterien des Maas- Wahlen zum Europäischen Parlament, sondern auch trichter Vertrages und der Satzung des Europäischen für Landtags-, Bundestags- und sonstige Wahlen gel- Systems der Zentralbanken hinsichtlich der Unabhän- ten zu lassen. Das Kommunalwahlrecht bedeutet gigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geld- insoweit nur einen Einstieg im Rahmen der Unions- wertstabilität entspräche. Der Ausschuß beriet daher bürgerschaft. über verschiedene Änderungsvorschläge. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank hat Verfassungsänderung in Kraft ge treten sein, bevor folgende Fassung des Artikels 88 Satz 2 GG vor- das Zustimmungsgesetz zum Maastrichter Vertrags- geschlagen: werk ausgefertigt wird. Das gleiche gilt für Artikel 28 Abs. 1 Satz 2 und Artikel 88 Satz 2 GG, da die für die „Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Bundes- Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf Unions- bank können im Rahmen einer Europäischen Union bürger und die Übertragung der Befugnisse der Bun- einem unabhängigen und dem vorrangigen Ziel der desbank auf eine Europäische Zentralbank entschei- Sicherung der Preisstabilität verpflichteten System denden Hoheitsübertragungen bereits mit Inkrafttre- der Zentralbanken übertragen werden." ten des Unionsvertrages vollzogen werden. Da die Der Vorschlag des Rechtsausschusses lautet: Bundesrepublik Deutschl and ihren für das Inkrafttre- ten des Vertragswerks unverzichtbaren Beitrag (Hin- „Ihre Aufgaben und Befugnisse können einer unab- terlegung der Ratifikationsurkunde) vor Inkrafttreten hängigen und vorrangig dem Ziel der Preisstabilität des Vertragsgesetzes nicht hemmen will, kann das verpflichteten Europäischen Zentralbank übertra- Inkrafttreten der Grundgesetz-Änderungen nicht auf- gen werden." geschoben werden.

Die Fraktion der SPD schlug folgende Fassung des Mit Verkündung und Inkrafttreten des Grundgesetz Artikels 88 Satz 2 GG vor: Änderungsgesetzes ist aber nicht notwendig die „Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen Anwendbarkeit aller in Kraft getretenen Verfassungs- der Europäischen Union einem Europäischen Zen- änderungen verbunden. Inwieweit dies der Fall ist, tralbanksystem übertragen werden." hängt nach Ansicht des Ausschusses vom Regelungs- gehalt der jeweiligen Bestimmung ab. Die schließlich vom Ausschuß einstimmig angenom- mene Formulierung stellt zunächst klar, daß die Über- Die Staatszielbestimmung des Artikels 23 Abs. 1 GG tragung von Befugnissen der Deutschen Bundesbank- knüpft mit ihren strukturellen Maßgaben an die nur im Rahmen der Europäischen Union zulässig ist. „Entwicklung der Europäischen Union" an; sie will Zugleich wird Vorsorge dafür ge troffen, daß die im der weiteren Entwicklung der Europäischen Union zu Zusammenhang mit der Europäischen Union geschaf- einer immer engeren Integrationsgemeinschaft der fene Europäische Zentralbank unabhängig und dem Mitgliedstaaten grundlegende Richtmarken setzen. vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet sein muß. Damit wird einem wesentlichen Dabei verstand der Ausschuß den Begriff „Europäi- politischen Anliegen der deutschen Seite, das mit der sche Union" in einem allgemeinen Sinn. Frage der Übertragung von Hoheitsrechten gerade im Er umfaßt nicht nur die konkrete Ausgestaltung der Währungsbereich verbunden war, Rechnung getra- Europäischen Union durch das Vertragswerk von gen. Maastricht. Eine Europäische Union im Sinne des Der Ausschuß stellte fest, daß die von ihm befürwor- Grundgesetzes liegt vor, wenn sich die heute be- tete Formulierung des Artikels 88 Satz 2 GG keine stehende Integrationsgemeinschaft gegenüber dem Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung gegenwärtigen Integrationsstand durch vertragliche der Deutschen Bundesb ank hat. Regelungen, durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird, oder solche Ände- rungen oder Ergänzungen ermöglicht werden, in Richtung auf eine Europäische Union weiterentwik- m) Artikel 115e Abs. 2 Satz 2 GG kelt.

Bei der Ergänzung des Artikels 115 e Abs. 2 Satz 2 GG Die Fraktion der F.D.P. hält diese Interpretation nur handelt es sich um eine durch die Einführung des für zutreffend, wenn sie so verstanden wird, daß eine Europa-Artikels in das Grundgesetz veranlaßte Folge- Europäische Union im Sinne des Grundgesetzes dann änderung. Auch diese Bestimmung nahm der Aus- vorliegt, wenn es zu einer Integrationsgemeinschaft schuß einstimmig an. kommt, die gegenüber dem heute bestehenden Inte- grationsstand eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar- n) Inkrafttreten/Anwendbarkeit der stellt und die in ihrer Bedeutung mit dem Maastrichter Grundgesetz-Änderung Vertragswerk oder wesentlichen Teilen desselben vergleichbar ist. Infolge der Verzögerungen im Ratifizierungsverfah- Der Ausschuß stellte fest, daß die Grundgesetzände- ren bei einigen Mitgliedstaaten wird das Vertrags- rungen, die tatbestandlich an die Existenz der Euro- werk von Maastricht nicht mehr — wie bei seiner päischen Union anknüpfen, erst dann anwendbar Unterzeichnung am 7. Februar 1992 beabsichtigt — sind, wenn diese Europäische Union im Sinne des zum 1. Januar 1993 in Kraft treten können. Der dargestellten Entwicklungsprozesses entstanden ist. Ausschuß hat sich daher eingehend mit der Frage Dies gilt für Artikel 23 Abs. 2 bis 7 sowie für Artikel 28 beschäftigt, wann die für das Vertragswerk nötigen Abs. 1 Satz 2, Artikel 45, 50, 52 Abs. 3 a, Artikel 88 Grundgesetz-Änderungen in Kraft zu setzen sind und Satz 2 und Artikel 115e Abs. 2 Satz 2 GG. Bis es eine wann sie anwendbar werden. Europäische Union gibt, ändert sich mithin an dem Da die Ratifikation des Maastrichter Vertrages in der derzeit geltenden grundgesetzlichen Rahmen — mit Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Ausnahme von Artikel 23 Abs. 1 und Artikel 24 neuen Artikels 23 Abs. 1 Satz 3 GG erfolgt, muß diese Abs. 1 a GG — für die Beteiligung der gesetzgebenden Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Körperschaften in Angelegenheiten der Europäischen rates gegenüber der Stellungnahme des Bundestages Gemeinschaft nichts. Die Beteiligung von Bundestag zurückgesetzt werde. und Bundesrat wird sich bis dahin nach den geltenden Die Bundesregierung hielt dem entgegen, die Fälle einfachgesetzlichen Vorschriften sowie nach § 5 der Zustimmungspflichtigkeit seien im Grundgesetz Abs. 3 des neuen Gesetzes über die Zusammenarbeit abschließend geregelt. Im Ausschuß teilten mit einer von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Euro- Ausnahme die Vertreterinnen und Vertreter aller päischen Union bzw. § 7 des neuen Gesetzes über die Fraktionen die Auffassung der Bundesregierung. Das Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundes- Gesetz regele das Verhältnis zwischen Bundestag und tag in Angelegenheiten der Europäischen Union voll- Bundesregierung, wozu der Bundestag nicht nur nach ziehen. dem neuen Artikel 23 GG, sondern auch aus seiner generellen Stellung gegenüber der Bundesregierung heraus befugt sei. Außerdem bedeute „berücksichti- II. Gesetzentwürfe zur Rechtsstellung des gen" im Falle der einfachen Stellungnahme des Bun- Deutschen Bundestages der Fraktionen der desrates nicht, daß die Bundesregierung an diese CDU/CSU und F.D.P. (Drucksache 12/3614) Stellungnahme gebunden sei. Demgegenüber könne sowie der Fraktion der SPD der Bundestag aus seiner Position die Bundesregie- (Drucksache 12/3609) rung binden. Insoweit sei § 6 Ausdruck des generellen Verhältnisses zwischen Bundesregierung und Bun- destag. 1. Zum Inhalt des Gesetzentwurfs Der Ausschuß hat mit Mehrheit gegen drei Stimmen Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens waren der festgestellt, daß nach seiner Auffassung die Zustim- Entwurf eines Gesetzes über die Unterrichtung und mungsbedürftigkeit nicht gegeben ist. Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angele- genheiten der Europäischen Union, eingebracht von der Fraktion der SPD (Drucksache 12/3609), und der Zu § 1 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. (Drucksache 12/3614). Beide Gesetzentwürfe Die Vorschrift wird aus beiden Gesetzentwürfen beruhen auf den Eckwerten, auf die sich die Gemein- unverändert übernommen. Sie nimmt das in Artikel 23 same Verfassungskommission von Bundesrat und Abs. 2 Satz 1 GG bestätigte Recht des Bundestages Bundestag in Zusammenhang mit der Formulierung auf, in Angelegenheiten der Europäischen Union des Artikels 23 GG verständigt hat. mitzuwirken. Die Form und Intensität der Mitwirkung obliegt unter Beachtung der verfassungsmäßigen Als Ausführungsgesetz zu den Bestimmungen des Rechte der Bundesregierung seiner jeweiligen Ent- Artikels 23 Abs. 2 und 3 GG regelt das Gesetz die scheidung. Zusammenarbeit von Bundestag und Bundesregie- rung in Angelegenheiten der Europäischen Union. Darüber hinaus regelt es die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in Bereichen, in Zu §2 denen die Bundesregierung an Beschlüssen des Mini- sterrats nach Artikel 235 des EWG-Vertrages mit- Die Vorschrift wird aus beiden Gesetzentwürfen wirkt. unverändert übernommen. Mit ihr vollzieht der Bun- destag die Neuregelung des Artikels 45 Satz 1 GG, Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und einen ständigen Ausschuß für die Angelegenheiten künftig verstärkt im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Union einzurichten. Satz 2 der gibt der Bund Gesetzgebungsbefugnisse an die Insti- Vorschrift sieht vor, daß der Bundestag den Ausschuß tutionen der Gemeinschaft ab. Dieser Kompetenzver- generell oder im Einzelfall ermächtigen kann, gegen- lust soll ausgeglichen werden. über der Bundesregierung für ihn Stellungnahmen abzugeben. Mit dieser Ermächtigung wird erreicht, daß für den Bundestag Stellungnahmen zu Rechtset- 2. Die Beratungen im Ausschuß zungsakten auf europäischer Ebene abgegeben wer- den können. Das Nähere bestimmt die Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages. Die Beratung zu den einzelnen Paragraphen der beiden Gesetzentwürfe, die im wesentlichen inhalts- gleich sind, hatte folgendes Ergebnis: Zu §3 Die Überschrift wurde aus dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. übernommen. Die Vorschrift wiederholt die in Artikel 23 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltene Verpflichtung der Bundesregierung, Zur Frage der Zustimmungsbedürftigkeit: den Bundestag zum frühestmöglichen Zeitpunkt und Die Vertreter der Länder vertraten die Auffassung, das umfassend zu unterrichten. Sie konkretisiert die Gesetz sei wegen des § 6, der im Verfahren der Unterrichtungspflicht auf alle Vorhaben der Europäi- Gesetzgebung vom Ausschuß hinzugefügt worden ist, schen Union, die für die Bundesrepublik Deutschland zustimmungspflichtig geworden. Das Gesetz regele von Interesse sein können. Nach § 7 gilt dies für mit dieser Vorschrift auch die Rechte des Bundesrates, Maßnahmen nach Artikel 235 EWG-Vertrag schon vor weil im Divergenzfall die Stellungnahme des Bundes- der Gründung der Europäischen Union. Die Unter- Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode richtung zum frühestmöglichen Zeitpunkt soll dem Beschlüsse des Rates gemäß Artikel 100c, 138, 201 Bundestag genügend Zeit geben, sich darüber schlüs- sowie K.3 und K.9 und Artikel N des Vertrages über sig zu werden, ob und in welcher Form er sich an der die Europäische Union" anzufügen. Um dem Anlie- Beratung und Beschlußfassung über ein Vorhaben gen Rechnung zu tragen, beschloß der Ausschuß beteiligt, und ggf. seine Stellungnahme entsprechend einstimmig, den Oberbegriff „Rechtsetzungsakte" zu zu formulieren. verwenden, um die Gefahr einer unvollständigen enumerativen Aufzählung zu vermeiden. Zu O 5 Satz 3 Der in beiden Gesetzentwürfen enthaltene Verweis äußerten die Länder Bedenken, ob der Wortlaut auf Artikel 2 des Gesetzes zu den Verträgen vom „berücksichtigen" im Grundgesetz auch die Ver- 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wi rt pflichtung umfaßt, die Stellungnahme des Bundesta- -schaftsgemeinschaft und der Europäischen Atom- ges „den Verhandlungen zugrunde zu legen". Der gemeinschaft vom 27. Juli 1957 (BGBl. II S. 753) wurde Ausschuß bejahte diese Auslegung des Wortes „be- als entbehrlich gestrichen. rücksichtigen" einmütig. Auch die Bundesregierung sah keinen Widerspruch zu Artikel 23 GG. Der Aus- schuß war sich darüber einig, daß „berücksichtigen" Zu § 4 je nach Beschluß des Bundestages von unterschied- licher Intensität ist. Die Vorschrift wurde unverände rt aus beiden Entwür- fen übernommen. Sie regelt die Pflichten der Bundes- regierung gegenüber dem Bundestag bei der Bera- Zu § tung und Behandlung von Richtlinien und Verordnun- 6 gen der Europäischen Union und — nach § 7 — auch bei dem Erlaß von Vorschriften nach Ar tikel 235 Auf Grund eines Antrages der Abgeordneten Dr. Re- EWG-Vertrag. Durch die Erfüllung dieser Verpflich- nate Hellwig und Dr. Franz Möller wurde diese tungen schafft die Bundesregierung die Vorausset- Vorschrift eingefügt. Der von den beiden Abgeordne- zung dafür, daß der Bundestag sich rechtzeitig in die ten eingebrachte Satz 1 wurde auf Antrag der Frak tion politische Willensbildung in bezug auf Rechtset- der SPD um Satz 2 ergänzt. Er wurde vom Ausschuß zungsakte der Europäischen Union einschalten mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und kann. F.D.P. gegen die Mehrheit der Stimmen der Frak tion der SPD verabschiedet. Der Anregung der Bundesregierung, das Wort „Ent- würfe" durch das Wort „Vorschlag" im Sinne der Die Vorschrift enthält eine Vorrangregelung für den Terminologie des EWG-Vertrages zu ersetzen, wurde Fall, daß Bundesrat und Bundestag in Ausübung ihrer nicht entsprochen. Es herrschte jedoch Einvernehmen Mitwirkungsrechte einander widersprechende Stel- darüber, daß die Unterrichtungspflicht der Bundes- lungnahmen abgeben. Die Vorschrift stellt klar, daß regierung nur so weit reicht, wie sie selbst informiert im Rahmen der Bundeskompetenz nach dem Grund- ist. gesetz gemäß Artikel 71 ff. GG, soweit es sich um die ausschließliche, die konkurrierende und die Rahmen- gesetzgebung des Bundes h andelt, der Stellung- Zu §5 nahme des Bundestages Vorrang zukommt. Gleich- zeitig wird mit Satz 2 klargestellt, daß die maßgebliche Berücksichtigung der Auffassung des Bundesrates Die Vorschrift legt fest, daß die Bundesregierung dem gemäß Artikel 23 Abs. 5 Satz 2 GG durch dieses Gesetz Bundestag vor ihrer Mitwirkung an allen Rechtset- nicht berührt wird. zungsakten Gelegenheit zur Stellungnahme geben muß. Dies gilt nicht nur für Richtlinien und Verord- nungen, sondern auch für Beschlüsse des Rates, die einem Rechtsetzungsakt entsprechen, z. B. solche Zu § 7 gemäß Artikel 100c, 138, 201 u. a. des EG-Vertrages. Die Formulierung in Satz 2 zur Bemessung der Frist Die Vorschrift wurde einstimmig neu eingefügt. Sie zur Stellungnahme ist von seiten des Bundestages mit stellt für den Bundestag klar, daß über die Unterrich- der Erwartung verbunden, daß die Bundesregierung tungsrechte nach Artikel 2 des Gesetzes zu den dem Bundestag auch den geeigneten Zeitpunkt für Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der seine Stellungnahme empfiehlt, zu dem die Verhand- Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Euro- lungen im Rat eine Berücksichtigung dieser Stellung- päischen Atomgemeinschaft vom 27. Ju li 1957 nahme erlauben. Selbstverständlich muß diese Emp- (BGBl. II S. 753) hinaus die in diesem Gesetz geregel- fehlung so frühzeitig erfolgen, daß der Bundestag ten Mitwirkungsrechte im Rahmen des Tätigwerden ausreichend Gelegenheit hat, sich mit der Vorlage zu der Gemeinschaft gemäß Artikel 235 EWG-Vertrag befassen. Das in Satz 3 festgelegte „Zugrundelegen gelten. der Stellungnahme des Bundestages" betrifft die Artikel 235 EWG-Vertrag lautet: „Erscheint ein Tätig- Rechtsetzungsakte und wird insoweit von dem allge- werden der Gemeinschaft erforderlich, um im Rah- meinen Begriff „berücksichtigen" umfaßt. men des Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu Auf Grund der Beratung wurden die Worte „Richt- verwirklichen, und sind in diesem Vertrag die hierfür linien und Verordnungen" im Text beider Entwürfe erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erläßt durch den Begriff „Rechtsetzungsakte" ersetzt. Die der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und Fraktion der SPD hatte beantragt, nach den Worten nach Anhörung der Versammlung die geeigneten „Richtlinien und Verordnungen" die Worte „sowie Vorschriften." Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/3896

Der Ausschuß war einstimmig der Auffassung, der 2. Die Beratungen des Ausschusses Bundestag müsse sich ebenso wie der Bundesrat bei einem Tätigwerden der Gemeinschaft gemäß Arti- Die Beratungen zu den einzelnen Paragraphen hatten kel 235 EWG-Vertrag bereits vor Inkrafttreten des folgendes Ergebnis: Maastrichter Vertrages erweiterte Mitwirkungsrechte sichern. Er war sich einig, daß dies nur durch ein Soweit keine Änderungen vorgeschlagen werden, vorgezogenes Inkrafttreten dieses Gesetzes für die wird auf die Begründung zum Gesetzentwurf Bezug Fälle des Artikels 235 EWG-Vertrag erfolgen genommen. könne.

Zu § 5 Abs. 2 Satz 1 Zu § 8 Mit der Formulierung, die zwischen der Bundesregie- Die Vorschrift stellt klar, daß das Gesetz mit dem Tag rung und den Ländern abgestimmt worden ist, wird der Gründung der Europäischen Union in Kraft tritt klargestellt, daß Absatz 1 auch dann gilt, wenn der mit Ausnahme des § 7, der für die Fälle des Arti- Bund — bezogen auf die konkrete EG-Vorlage — das kels 235 EWG-Vertrag die Mitwirkungsrechte des Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung hätte, und Bundestages bereits ab dem 1. Januar 1993 neu und zwar unabhängig davon, ob er von diesem Gesetzge- umfassender als bisher regelt. bungsrecht Gebrauch gemacht hat oder nicht. Im Einzelfall muß vom Bund aber dargetan werden, daß Auf die unter B.I.2. n) wiedergegebenen Erläuterun- ihm im nationalen Bereich das Recht zur Gesetzge- gen zum Verständnis der „Europäischen Union" im bung nach Artikel 72 Abs. 2 GG zustehen würde, also Sinne des Grundgesetzes wird Bezug genommen. ein Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung be- stehen würde. Im übrigen bleibt Absatz 2 unverän- Das infolge von § 7 notwendige gestufte Inkrafttreten dert. des Gesetzes wurde einvernehmlich so beschlossen.

Zu § 5 Abs. 3 III. Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Zusammenarbeit von Bund und Die Vorschrift ist im Gesetzgebungsverfahren auf Ländern in Angelegenheiten der Antrag der Länder, die sich mit der Bundesregierung Europäischen Union darüber verständigt hatten, neu eingefügt worden. — Drucksache 12/3540 — Die Vorschrift sieht vor, daß die Bundesregierung vor der Zustimmung zu Vorhaben, die auf Artikel 235 1. Zum Inhalt des Gesetzentwurfs EWG-Vertrag gestützt werden, das Einvernehmen mit dem Bundesrat herzustellen hat, soweit dessen Der Gesetzentwurf beruht auf den Eckwerten, auf die Zustimmung nach innerstaatlichem Recht erforderlich sich die Gemeinsame Verfassungskommission von wäre oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig Bundesrat und Bundestag im Zusammenhang mit der wären. Diese Vorschrift soll unabhängig vom Zeit- Formulierung des Artikels 23 GG verständigt hat. Das punkt der Gründung der Europäischen Union am Gesetzgebungsverfahren wurde durch Verhandlun- 1. Januar 1993 in Kraft treten, siehe § 15 Satz 3. gen zwischen der Bundesregierung und Vertretern der Länder auch noch während der Ausschußberatun- gen beeinflußt. Zu § 6 Abs. 4 Als Ausführungsgesetz zu den Bestimmungen von Artikel 23 Abs. 4 bis 6 GG des Grundgesetzes regelt Die vom Ausschuß einvernehmlich vorgenommene das Gesetz gemäß Artikel 23 Abs. 7 GG die Zusam- Änderung ist rein redaktioneller Natur. Sie beruht auf menarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten einem Vorschlag des Bundesrates in seiner Stellung- der Europäischen Union. Darüber hinaus regelt es die nahme zum Gesetzentwurf, dem die Bundesregierung Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Bereichen, in ihrer Gegenäußerung zugestimmt hat. in denen die Bundesregierung an Beschlüssen des Rates nach Artikel 235 des EWG-Vertrages mit- wirkt.

Im Rahmen der bestehenden Europäischen Gemein- Zu § 7 Abs. 3 schaften und künftig verstärkt im Rahmen der Euro- päischen Union gibt der Bund Gesetzgebungsbefug- Auch diese vom Ausschuß einvernehmlich vorgenom- nisse nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder mene Änderung geht auf einen Vorschlag des Bun- an die Institutionen der Gemeinschaft ab. An die Stelle desrates zurück. Damit soll die Formulierung in Satz 3 des Gesetzgebungsrechts der Länder tritt ihre Mitwir- an diejenige in Satz 1 angepaßt werden. Die Bundes- kung an der Willensbildung des Bundes über den regierung hat dem in ihrer Gegenäußerung zur Stel- Bundesrat. lungnahme des Bundesrates zugestimmt. Drucksache 12/3896 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Zu § 10 „Die Länder regeln ein Beteiligungsverfahren für die Gemeinden und Gemeindeverbände, das Die Vorschrift stellt auf Anregung der kommunalen sichert, daß kommunale Interessen im Regionalaus- Spitzenverbände abweichend vom Regierungsent- schuß angemessen vertreten werden. " wurf klar, daß die Rechte der Gemeinden und Gemeindeverbände nicht nur im Rahmen des Subsi- Der Ausschuß hatte hierzu die Erwartung ausge- diaritätsprinzips nach Artikel 3 b EG-Vertrag (in der drückt, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände Fassung des Vertrages über die Gründung der Euro- in angemessenem Umfang im Ausschuß der Regionen päischen Gemeinschaft vom 7. Februar 1992), sondern vertreten sein würden. generell zu wahren und ihre Bel ange von der Bundes- regierung zu schützen sind. Auf Bitten der kommunalen Spitzenverbände trat der Ausschuß erneut in die Beratung zu § 13 a Satz 2 ein und beschloß auf Antrag der Frak tion der CDU/CSU mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und Zu § 13a F.D.P. gegen die Stimmen der Frak tion der SPD und der Gruppe der PDS/Linke Liste die aus der oben Satz 1 dieser Vorschrift ist im Gesetzgebungsverfah- wiedergegebenen Zusammenstellung ersichtliche ren auf Antrag der Länder, die sich mit der Bundes- Fassung des Satzes 2. regierung darüber verständigt hatten, neu eingefügt worden. Er legt fest, daß die von der Bundesregierung gemäß Artikel 198a EG-Vertrag (in der Fassung des Vertrages über die Europäische Union) vorzuschla- Zu § 15 genden Mitglieder des Ausschusses der Regionen von den Ländern benannt werden. Die Vorschrift bestimmt, daß das Gesetz mit dem Tage Die Länder hatten sich auch mit der Bundesregierung der Gründung der Europäischen Union in Kraft tritt über die Einfügung eines Satzes 2 mit folgendem und daß dieser Tag im Bundesgesetzblatt amtlich Wortlaut verständigt: bekanntzumachen ist. Abweichend davon wird „Die Länder werden ein Beteiligungsverfahren für bestimmt, daß § 5 Abs. 3 am 1. Januar 1993 in Kraft die Gemeinden entwickeln, das sichert, daß kom- tritt. munale Interessen im Regionalausschuß angemes- Auf die unter B.I.2. n) wiedergegebenen Erläuterun- sen vertreten werden." gen des Sonderausschusses zum Verständnis der Abweichend hiervon hatte der Ausschuß ursprünglich „Europäischen Union" im Sinne des Grundgesetzes Satz 2 in der nachfolgenden Fassung beschlossen: wird Bezug genommen.

Bonn, den 27. November 1992

Dr. Friedrich-Adolf Jahn (Münster) Dieter Wiefelspütz Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Berichterstatter

Dr. Renate Hellwig Ludwig Stiegler Ulrich Irmer Detlef Kleinert (Hannover) Berichterstatterin Berichterstatter

Dr. Hans Modrow Gerd Poppe Berichterstatter