Die Schweiz Als Erzählung. Nationale Und Narrative Identitätskonstruktionen in Max Frischs Stiller, Wilhelm Tell Für Die Schule Und Dienstbüchlein
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
DIE SCHWEIZ ALS ERZÄHLUNG. NATIONALE UND NARRATIVE IDENTITÄTSKONSTRUKTIONEN IN MAX FRISCHS STILLER, WILHELM TELL FÜR DIE SCHULE UND DIENSTBÜCHLEIN Értekezés a doktori (Ph.D.) fokozat megszerzése érdekében az irodalomtudomány tudományágban Írta: Pabis Eszter okleveles angol nyelv és irodalom, német nyelv és irodalom szakos tanár Készült a Debreceni Egyetem irodalomtudományok doktori iskolája (Magyar- és összehasonlító irodalomtudomány programja) keretében Témavezető: Dr. (olvasható aláírás) A doktori szigorlati bizottság: elnök: Dr. ………………………… tagok: Dr. ………………………… Dr. ………………………… A doktori szigorlat időpontja: 200… . ……………… … . Az értekezés bírálói: Dr. ........................................... Dr. …………………………… Dr. ........................................... A bírálóbizottság: elnök: Dr. ........................................... tagok: Dr. ………………………….. Dr. ………………………….. Dr. ………………………….. Dr. ………………………….. A nyilvános vita időpontja: 200… . ……………… … . Inhaltsverzeichnis I. „ Er hat uns gelehrt, dass Schweiz Sprache werden kann“. Max Frisch und der Kanon des kritischen Patriotismus (Einleitung)..................................................................................2 I.1. Die konstruierte Wirklichkeit der Nation: die nationale Identität als narrative Identität......................................................................................................................................6 I.2. Schriftlichkeit als Medium nationaler Identitätskonstruktion in der Neuzeit...........12 I.3. Schriftliche und mündliche Medien nationaler Identität in der Neuzeit....................22 I.4. Nation und Nationalisierungsprozesse in der Schweiz I.4.a. Identitätskonstruktion in der Nationalgeschichtsschreibung...................................32 I.4.b. Die mündlich-multimediale Realisierung der Nation: Schweizerreisen, Schützenfeste, Festspiele, Landesausstellungen und der 1. August...................................39 I.4.c. Literaturgeschichtsschreibung und das Problem einer „Schweizer Literatur“......51 I.5. Nation und Identität nach der Ablösung von Schrift und Druck durch die digitalen Medien......................................................................................................................................59 II.1. Stiller II.1.1. Die Identität des Erzählers - Merkmale der Erzählhaltung und der Fokalisierung und ihre Konsequenzen auf die Identität der Figur............................................................73 II.1.2.Bohnenblust als Karikatur der substantiellen Konstruktion von der nationalen und der Ich-Identität..............................................................................................................79 II.1.3. Geschlechterrollen und Erinnerungsorte im Text....................................................86 II.1.4. „Er nahm es an, Schweizer zu sein.” – Die „Rezeption” der Aufzeichnungen im Nachwort des Staatsanwalts....................................................................................................99 II.2. Wilhelm Tell für die Schule. Die Demontage des Tell-Mythos als Subversion substantialistischer Identitätskonstruktion II.2.1. Die produktive Rezeption und die nationale Aneignung der Tell-Geschichte. Friedrich Schillers Wilhelm Tell in der Schweiz................................................................106 II.2.2. Der schillersche Hypotext als „Modell“ der Konstruktion nationaler Gemeinschaften.....................................................................................................................114 II.2.3. Die Satire von Frisch als Dekonstruktion des schillerschen Textes......................120 II.2.4. Parodie der Rhetorik der Nationalgeschichtsschreibung im Erzähldiskurs .......125 II.2.5. Die Perspektive der Kinder und die Kanonisierung des Textes............................132 II.3. Dienstbüchlein. Armee und Nation: das Ende einer Symbiose als Quelle der narrativen Identität II.3.1. Das Militär als „Schule der Nation“ und als „Schule der Männlichkeit“. Zum „Sonderfall“ der Schweizer Armee.....................................................................................137 II.3.2. Das Dilemma des Erinnerns – „Wissen“ und „Glauben“ im Dienstbüchlein.......142 II.3.3. Die Nation und ihre Sprache.....................................................................................149 II.3.4. Persönliche Identität. Die Armee als Gegenwelt zur Zivilgesellschaft..................158 III. Fazit und Ausblick auf weiterführende Perspektiven der Forschung.......................164 1 I. „ Er hat uns gelehrt, dass Schweiz Sprache werden kann“. Max Frisch und der Kanon des kritischen Patriotismus (Einleitung) „Mir ist, als hätten wir mit ihm eine ganze Literatur verloren, als sei das, was wir gern oder ungern als Schweizer Literatur empfanden, mit ihm zu Ende. Kein anderer hat so hartnäckig darauf beharrt, dass Schweiz ein Thema sei. Von ihm haben wir das Thema. Er hat uns gelehrt, dass Schweiz Sprache werden kann“ (Bichsel 1991: 25). Mit Peter Bichsels Worten am Totenfeier von Max Frisch am 9. April 1991 lässt sich der Ausgangspunkt der vorliegenden Ausführungen beschreiben, die den Versuch unternehmen, das Verhältnis zwischen der „Schweiz“ und der „Sprache“, zwischen der narrativ strukturierten, sprachlich und sozial entworfenen Nation und der „explizit“ narrativen, literarischen Narration näher zu betrachten. Andererseits kommt im Zitat zum Vorschein, dass Max Frisch als ein beinahe zum Mythos gewordener „Nationalautor” der Schweiz kanonisiert wurde, dessen Tod man als literarische „Zäsur” interpretiert, dessen Texte mit dem umstrittenen Begriff einer „Schweizer Literatur“ in Verbindung gebracht werden. Dementsprechend werden u.a. die Schweiz, das Politikum als konstante „Themen“ seines Œuvres betrachtet und als allgemeine Interpretationsfaktoren seiner Texte eingesetzt1, was seit der Verwendung des Begriffes „kritischer Patriotismus“ in den 60er Jahren fortdauert – seit dem merkwürdigen Versuch der Kanonisierung des Subversiven als „aufbauende Kritik“ oder als gemeinsamer Wesenszug der „Schweizer Literatur“ (Kapitel I.4.c.). Das erste derartige Vorgehen findet man in Karl Schmids Untersuchung über Frischs Unbehagen im Kleinstaat aus dem Jahre 1963 (Schmid 1963), deren Ergebnisse sich als fortdauernde Richtlinien diesbezüglicher Arbeiten auch noch in den 80er Jahren durchsetzten. Die erste dieser „Tendenzen“ der Kanonisierung von Frisch als „kritischer Patriot“ ist die Berufung auf die Enge des Kleinstaates als Grund für die kritische Haltung des Autors. So begründet Schmid Frischs „Rebellion“ gegen „das Eingesperrte und Einsperrende der bürgerlichen Welt“ damit, dass „sein Dasein in der Schweiz Frisch früh schon als Haft verstanden [hat]“ (Schmid 1963: 174, 171). Jürgen Petersen beschreibt ein für Frisch charakteristisches Spannungsverhältnis ähnlicherweise als die Konfrontation der als „weit“ empfundenen USA und der als „begrenzt“ empfundenen Schweiz (Petersen 1978: 7). Auch Hans Jürg Lüthi stellt fest: 1 Davon zeugt auch die Ausgabe aller Frisch-Texte zum Thema Schweiz 1990 bei Suhrkamp unter dem Titel Schweiz als Heimat?. Versuche über 50 Jahre. (Hg. von Walter Obschlager, Frankfurt a. M. :Suhrkamp). 2 „Die Grundspannung zwischen schweizerischer Enge und fremder Weitem, zwischen Hier und Dort erweist sich als ein Erlebnismuster, das in wechselnden Erscheinungsformen im Werk von Max Frisch immer wieder hervortritt und in den vielen Geschichten vom Ausbruch aus der unerträglichen Enge in das ferne Paradies thematisch geworden ist: es ist das eigentlich schweizerische Thema bei ihm“ (Lüthi 1981: 104-105). Schmids Deutungen fügen sich am deutlichsten in die Diskussion um den Diskurs in der – auch von Paul Nizon „diagnostizierten“ – Enge hinein, der genau genommen die bekannten Topoi des Alpenmythos mit dem Bild der unerträglichen Enge der Schweiz ablöst. Rhetorisch verfahren jedoch beide – die Berufungen auf die Alpen als Grund der Freiheit, Demokratie, Wehrhaftigkeit (I.4.a.) und auf die Enge als Grund des kritischen Patriotismus – grundlegend ähnlich, nämlich so, dass sie durch die metaphorische Interpretation einer geographischen Gegebenheit einen gemeinsamen Nenner der Nation, eine integrative Substanz zu legitimieren suchen.2 Der zweite Grundzug der Behandlung des Verhältnisses von Frisch und der Schweiz in allgemeinen Monographien ist die Parallelisierung von literarischen Thematisierungen der Ehe und der Heimat. Auch dieses Verfahren ist schon bei Schmid zu beobachten, der die Ehe, die bürgerliche Gesellschaft und die Nation als Formen der (oben zitierten) Haft beschreibt, die „das Leben des Individuums schmälern“ (Schmid 1963: 171): „Die Ehe und die Scheidung der Ehe um der Freiheit willen sind nicht weniger als das Modell für die Bindung an die Nation und für die Scheidung von ihr – um der Freiheit willen“ (Schmid 1963: 177). Ähnlicherweise schreibt Beatrice von Matt: „Zwischen der Liebe zur Heimat und der Liebe zu Frauen gibt es Parallelen. Die gesuchte, geliebte Heimat, die gesuchten, geliebten Frauen versagen vor den radikalen Forderungen der männlichen Protagonisten“ (von Matt 1992: 148). Das Verhältnis der Ehe und der Nation wurde im 19. Jahrhundert grundsätzlich als ungestört und synekdochisch vorgestellt: die Ehe hatte als Modell der Nation zu fungieren, indem sie die von „oben“ von der Nation unterstützte bürgerliche Moral auch von „unten“ bestätigte (Mosse 1987: 30). Die obigen Deutungen weisen dahingegen darauf hin, dass diese Symbiose zwischen der bürgerlichen Ehe oder Familie und der Nation zwar erhalten, jedoch