„Die Heimat Reicht Der Front Die Hand“ Kulturelle Truppenbetreuung Im
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„Die Heimat reicht der Front die Hand“ Kulturelle Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg 1939-1945. Ein deutsch-englischer Vergleich. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen von Alexander Hirt Erster Gutachter: Prof. Dr. Hartmut Berghoff Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Bernd Weisbrod INHALT Einleitung …………………………………………………………..……………………………………………..1 A. Organisationsstrukturen und Konzeption der kulturellen Truppenbetreuung 1. Organisatoren und Institutionen………………………………………………………………………..17 1.1 „Hierbei fehlt jede Kontrolle“ - Propagandaministerium, „KdF“ und Wehrmacht im polykratischen Ämterkampf……………………………………………………………………….18 1.2 „Basil Dean’s dictatorial tendencies” - NAAFI und ENSA als zentralisierteOrganisationen?...35 2. Die Konzeption der Truppenbetreuung 2.1 „Das Mädchen auf der Bretterwand ist für uns ein Wunder“ Die Anfänge organisierter Truppenbetreuung im Ersten Weltkrieg……………………………………………………...….49 2.2 „Nur mit einem Volk, das seine Nerven behält, kann man große Politik machen“ Konzeptionen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriege………………………………………...…62 2.3 „Give us Gracie and we’ll finish the job!“ Konzeptionelle Erweiterungen und Modifizierungen im Krieg……………………………...…68 3. Die Kosten und Finanzierung der Truppenbetreuung………………………………………………...89 B. Die Umsetzung der Truppenbetreuung 1. Die Rekrutierung der Künstler 1.1 „Bevin’s surrender to the glamour of the stage“ – Das Ausschöpfen der personellen Ressourcen. Zwang oder Freiwilligkeit?.......................................................................................97 1.2 Deutsche „Kriegsgewinnler“ und das „privilege to work for ENSA“………………………...117 2. „The entertainment officers we had to work with were a rum lot“ Die Situation in den Einsatzgebieten………………………………..……………………………...….129 3. Der Umfang der Truppenbetreuung – Wurden die gesteckten Ziele erreicht?.................................145 C. Film und Rundfunk in der Truppenbetreuung……………………………………………..…………….161 1. Kino als Ablenkung von der Realität 1.1 „Ohne einheitliche Ausrichtung“ – Organisation des Frontkinos……………………….…....165 1.2 „Acute deficiency in mobile and static Cinema entertainment“ – Die Ausmaße filmischer Truppenbetreuung……………………………………………………………………..….……..169 1.3 „Ablenkung, Unterhaltung, Entspannung – das ist es, was die Zuschauer auf der Leinwand suchen“ – Inhalte filmischer Truppenbetreuung…………………………………………….…173 2. Rundfunk – die Verbindung zur Heimat 2.1 „Beherrschung der öffentlichen Meinung“ – Organisation des Rundfunks……………….....180 2.2 „Die Heimat reicht der Front die Hand” – Rundfunkinhalte………………………………….184 2.3 „Jeder Nachschub aus der Heimat fehlt“ – Verbeitung des Rundfunks……………………...194 D. Die Künstler………………………………………………………………………………………………....201 1. „Vogel Strauß“ – die berufliche Stellung der Künstler in Deutschland und England ……………203 2. Gründe für ein Engagement in der Truppenbetreuung……………………………………………...221 2.1 „Abkommandiert wie Soldaten“ – Zwang in der Truppenbetreuung………………………...222 2.2 Materialismus versus Idealismus? ……………………………………………………………....226 3. Die inhaltliche Umsetzung der Truppenbetreuung 3.1 „Gespenstischer Mückentanz“ – Inhaltliche Vorgaben und Zensur……………………….....237 3.2 „Beauty as duty“ – Frauen und Truppenbetreuung…………………………………………...249 3.3 „The accompaniment always sounded like ‚Rule, Britannia’” – Das Einhalten inhaltlicher Vorgaben………………………………………………………………………………………..…255 4. „There is no room for a prima-donna” – Erinnerte Kriegserfahrung deutscher und britischer Truppenbetreuer…………………………………………………………………………………….....259 5. „A battle winning potential“ – Die Wirkung der Truppenbetreuung aus Sicht der Künstler….…277 E. Die Soldaten 1. „Life consists chiefly in dreaming of the past and longing for the future“ – Der Alltag der Soldaten im Krieg……………………………………………………………………………………………….…291 2. “Every Night Something Awful” (ENSA) vs. “Kotz durchs Fenster” (KdF)…………………….....305 2.1 “Ich habe mich ein wenig geschämt” – Die Qualität der kulturellen Truppenbetreuung im Urteil der Soldaten………………………………………………………………………..…..306 2.2 „Unsere Ilse darf nicht in die Hände der Roten fallen“ – Wirkungen der Truppenbetreuung………………………………………………………………………………..319 3. Soldatische Freizeitkultur – Ergänzung oder bewußte Gegeninitiative? 3.1 „Tisch und Bänke, fast zu viel Kultur für uns“ – Fehlende Truppenbetreuung……………..337 3.2 „Was hier gehurt und gesoffen wird ist beachtlich“ – Soldatische Freizeitaktivitäten…..…..341 3.3 „It’s wonderful to read about familiar names and places I left behind“ – Zeitungen………..356 3.4 „Ein guter Kamerad ist das Buch”……………………………………………………………....364 Schlussbetrachtung…...………………………………………………………………………………………..373 Quellen und Literatur……………………………………………………………………………………….....385 EINLEITUNG 1. Die Magie der kulturellen Truppenbetreuung Jeden Abend um 21.55 Uhr spielte der deutsche Soldatensender Belgrad zum Abschluss einer Grußsendung „für die Kameraden der Front“ das Lied von der „Lili Marleen“. Dieser Schlager wurde das Soldatenlied des Zweiten Weltkrieges schlechthin.1 Der Soldatensender Belgrad war durch dieses Lied über alle Grenzen hinweg bekannt. „Ob die Front im Osten, die Wacht an der Kanalküste, der hohe Norden oder Afrika, die Kriegsmarine im Atlantik, oder die ganze deutsche Heimat – bei allen ist der Sender Belgrad ein fester Begriff geworden.“2 Doch die Begeisterung war nicht nur auf die deutsche Seite begrenzt. Auch bei den Briten war „Lili Marleen“ nicht zu schlagen, sie übersetzten es ins englische und schließlich sang es sogar Marlene Dietrich für alle alliierten Soldaten.3 Im Zweiten Weltkrieg hielt sich der Glaube, dass wenn das Lied der „Lili Marleen“ über den Äther ging, die Waffen an den Fronten schwiegen. Auf dem Kriegsschauplatz in Nordafrika kam es angeblich kurz vor 22 Uhr zu Feuerpausen zwischen Briten und Deutschen, da beide Seiten dem Lied lauschten. Zeitzeugen von der Afrikafront, an der sich das deutsche Afrikakorps und die britische 8. Armee gegenüberstanden, haben dies wiederholt berichtet. Lili Marleen wird in den Erzählungen der Zeitgenossen damit fast schon eine magische Kraft zugeschrieben. Von Magie kann natürlich keine Rede sein, aber es stellt sich die Frage, ob Kultur an der Front eine nachhaltige Wirkung auf die Soldaten ausüben konnte? Wenn das Lied über „Lili Marleen“ die Waffen angeblich zum Schweigen brachte, war es dann im Umkehrschluss möglich, dass die „schönen Künste“ zur Hebung der Moral und Stimmung in der Truppe, und so zur Kampfmotivation beitrugen? Im „Deutschen Bühnenjahrbuch“ des Jahres 1940 richtete Adolf Hitler folgende Worte an die Künstler des Deutschen Reiches: „Da Torheit und Unrecht die Welt zu beherrschen scheinen, rufen wir die deutschen Künstler auf, die stolzeste Verteidigung des deutschen Volkes mitzuübernehmen durch die deutsche Kunst“.4 Unmittelbar kam hier zum Ausdruck, 1 Noch heute zeigt sich, dass „Lili Marleen“ der Kriegsgeneration wohlbekannt ist. Nachfragen bei Kriegsveteranen im Verwandten- und Bekanntenkreis haben beispielsweise ergeben, dass die meisten von ihnen das Lied nach wie vor singen können und den Text beherrschen. 2 Aus der Schrift „Stadt und Veste Belgrad“ aus dem Jahre 1942. Zitiert in Geerte Murmann, Komödianten für den Krieg. Deutsches und alliiertes Fronttheater, Düsseldorf 1992, S. 249. 3 Siehe hierzu Eric Taylor, Showbiz goes to war, London 1992, S. 85. 4 Zitiert aus Erika Kaufmann, Medienmanipulation im Dritten Reich. Ziele und Wirkungsabsichten mit dem Einsatz von Theater und Fronttheater, phil. Diss. Wien 1987, S. 173. 1 was die NS-Machthaber von den Kulturschaffenden im Krieg erwarteten, nämlich die Bereitschaft und den Willen, sich durch ihre Arbeit für das „Wohl und den Erhalt des deutschen Volkes“ einzusetzen. Während des Zweiten Weltkriegs, als die Bombenangriffe der Alliierten auf deutsche Städte zunahmen und das Ausmaß der Zerstörung anstieg, bestand Hitler auf dem sofortigen und vorrangigen Wiederaufbau der Theater und Opernhäuser. Auf den Einwand, dass Stimmung und Moral der Bevölkerung nach anderen Prioritäten rufe, pflegte Hitler zu antworten: „Gerade weil die Stimmung der Bevölkerung hochgehalten werden muss, braucht man Theateraufführungen.”5 Auf der anderen Seite des Kanals war Winston Churchill der Meinung, dass ein Film wie „Mrs Miniver“ effektiver für die Moral war als eine ganze Flotte von Zerstörern.6 „Cultural sustenance“ betrachtete das War Cabinet als essentiell zur Aufrechterhaltung von Moral und Motivation der Truppen. Die Führungskräfte im Deutschen Reich und Großbritannien bedienten sich daher gezielt der kulturellen Truppenbetreuung, um das Nervengleichgewicht der Soldaten zu stabilisieren und so ihre Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. So wollte man den nervlichen Belastungen des Krieges begegnen und möglichen psychogenen Auswirkungen vorbeugen. Die kulturelle Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg umfasste hierzu die Freizeitgestaltung der Soldaten durch alle Arten der Bühnenkunst, durch Film und Rundfunk, aber auch durch die Lieferung von Lesematerial. Dass gerade die kulturelle Truppenbetreuung in ihrer Wirkung von den Nationalsozialisten als wichtig erachtet wurde, zeigt eine Aussage Adolf Hitlers gegenüber dem Schauspieler Heinz Rühmann. Diesem gestand Hitler, dass er „in einer schweren Stunde, mitten im entscheidenden Kampf um die Macht“ in den Münchner Kammerspielen, Ende der zwanziger Jahre, durch das Spiel von Heinz Rühmann erlösende Kraft geschöpft habe.7 Die Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg wurde mit solchen Wirkungsabsichten ins Leben