Geologische Exkursionen Im Bergell
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Geologische Exkursionen im Bergell Ausstellung in der Ciäsa Granda, Talmuseum in Stampa Gr. H.-R. Wenk, University of California at Berkeley Copyright 2012 H.R. Wenk & Società Culturale Bregaglia 2 Vorwort ___________________________________________________________________________ Das Bergell ist vor allem durch die wilde Landschaft und abwechslungsreiche Flora und Fauna berühmt. Die typischen Landschaften reichen von Kastanienhainen in Castasegna bis zu Alpenrasen im Val Forno, und Wäldern und Wiesen mit einer Mannigfaltigkeit von Pflanzen und Tieren. Vor allem sind es aber die Berge, die dieser Region einen einmaligen Charakter geben. Die Verbundenheit mit den Bergen prägt die Talbevölkerung, und die Berge ziehen viele Besucher an, die ins Bergell kommen zum Bergsteigen und Wandern. Das äussere Erscheinungsbild der Berge wird bestimmt durch die physikalischen Eigenschaften der Gesteine aus denen sie aufgebaut sind, und die Vielfalt von Gesteinen im Bergell ist ausserordentlich. Die schroffen Felswände des Pizzo Casnile und Pizzo Badile im Süden sind typisch für Granit der tief im Erdinnern erstarrt ist. Sanftere Formen bilden die viel heterogeneren und gebänderten Gneise und Schiefer im Norden. Es sind metamorphe Gesteine die zum Teil als Sedimente im Meer abgelagert wurden. Die grossen Weiden in Tombal und Plän Vest oberhalb von Soglio sind auf Moränen entstanden, die vom Gletscher während der Eiszeit abgelagert wurden. Diese Moränen fehlen auf der Südseite, oberhalb von Bondo und Stampa. Figur 1 zeigt in ein paar Querschnitten die geologische Struktur und besonders den Bergeller Granit im Stapel der Alpinen Decken. Diese Zusammenfassung können Sie als geologischen Führer verwenden. Eine Ausstellung im Museum bereitet Sie anschaulich auf einige Exkursionen vor oder umgekehrt gibt Ihnen Gelegenheit an einem Regentag Beobachtungen in Ruhe besser zu verstehen. Sie zeigt für das Bergell typische Gesteine und geologische Formationen und erklärt etwas über ihre Entstehung. Die Beschreibung richtet sich an Nichtgeologen, Wanderer und die Talbevölkerung, die etwas mehr über ihre Umgebung lernen möchten. Fachleute sind auf eine umfangreiche Literatur verwiesen, die bis auf Bernhard Studer (1851) zurückgeht. Das Bergell besitzt eine ausserordentliche Vielfalt von Gesteinen und birgt einige einmalige geologische Schätze: einen der jüngsten Granite von Europa, ausserordentliche Feldspatverwachsungen in Amphiboliten von Cavloc, einen “Tripelpunkt” südlich von Bondo, wo die Al2SiO5 Mineralien Disthen, Andalusit und Sillimanit zusammen koexistieren und damit Druck und Temperatur während der Alpinen Metamorphose definieren, kaum sonst irgendwo auf der Welt gibt es so perfekte Plattengneise wie in den Steinbrüchen von Soglio und Promontogno. Hinweis: Die Buchstaben im Text (A, B, ...) verweisen auf die Proben in den Vitrinen im Museum, Zahlen [1, 2, 3...] auf Orte in der Karten. Ich danke dem Bundesamt für Wasser und Geologie (Bern) für Zugang zu den Originalzeichnungen und Unterstützung der Feldarbeit. Ebenso der Stazione Valchiavenna per lo studio dell'ambiente alpino und dem GeoForschungs- Zentrum Potsdam für Hilfe mit den Abbildungen, sowie dem Architekten G.M. Maurizio für das Entwerfen der Vitrinen. Beiträge von A. Conforto, A. Hendrich, A. Isler, R. Maurizio und G. Mazzoleni waren sehr wertvoll. Diesen Führer widme ich meinen drei Töchtern Elizabeth, Rebecca Ciresa und Evelyn die mich auf vielen Touren im Bergell begleiteten. 3 Figur 1. Profile durch den Bergeller Granit. 4 Exkursion 1. Maloja, Cavloc, Val Forno, Murettopass. Die nördliche Kontaktzone des Granits ______________________________________________________________ Auf dem Weg vom Malojapass (Pt. 1790) nach Orden durchquert man die Maloja Muskowit-Albit-Mikroklin Gneise der Margnadecke (A). Diese Muskowit-Albit- Mikroklin-Gneise waren ursprünglich Granit und intrudierten während der Karbonzeit vor 300 Millionen Jahren. Während der Alpenfaltung sind sie in Gneise umgewandelt worden. Man beachte die polierten Oberflächen mit Gletscherschliffen [1]. Lohnend ist auch ein Abstecher zu den Gletschermühlen im Bergföhrenwald westlich von Malojapass (Koord. 773.2/141.3). Bei der Brücke von Orden (und an der Orlegna gut aufgeschlossen) ist die Maloja-Störung, welche die niedrig 5 metamorphe Malojazone vom Bergeller Granit und seiner metamorphen Hülle trennt [2]. Südlich dieser Störung sind wir in der sogenannten Amphibolitfazies, mit Mineralien wie Andalusit, die während der Intrusion des Bergeller Granits im Tertiär (30 Millionen Jahre) bei hohen Temperaturen und niedrigem Druck kristallisiert sind. Ausgezeichnete Aufschlüsse von Andalusitschiefer findet man rund um den Cavlocciosee [3] (B). Östlich des Sees und auch entlang der Orlegna gibt es grüne Aktinolithschiefer mit prismatischen Kristallen (C) und Amphibolite, die einen vulkanischen Ursprung haben [4](D). Diese Lokalität ist für Mineralogen ausserordentlich interessant, weil sie bis jetzt die einzige dokumentierte Stelle ist wo die beiden Endglieder der Plagioklas Mischkristalle Albit (NaAlSi3O8) und Anorthit (CaAl2Si2O8) koexistieren. Figur 2 zeigt einen Dünnschliff dieser Probe worin Albit (Ab) und Anorthit (An) markiert sind. Wir wandern von Plan Canin ins Val Forno. Bald nach dem Stausee beginnt der Granit [5] und wir durchqueren die Kontaktzone mit Schiefern (E). Die grossen Feldspatkristalle sind typisch für den Bergeller Granit [6](F). Von der mineralogischen Zusammensetzung her ist der “Bergeller Granit” ein Granodiorit. Auf dem Gletscher traversiert man zwei Moränen. Die erste besteht aus Granit, die zweite (östliche) vorwiegend aus Marmor von der Cima di Vazzeda [7](G) im hinteren Fornotal. Hier gibt es ausgezeichnete Proben der Mineralien Tremolit, Diopsid, Granat, Vesuvian und Klinohumit, die kristallisierten, als die ursprünglichen Kalke beim Eindringen der Granitschmelze erhitzt wurden. Hinter der Fornohütte SAC finden sich schöne Aufschlüsse von Granit mit Einschlüssen von Marmor und durchkreuzt von Pegmatit- und Aplitgängen [8]. Nun gibt es zwei mögliche Fortsetzungen: Entweder kehrt man ins Tal zurück oder man übernachtet in der Hütte, um am zweiten Tag zur Sella del Forno aufsteigen. Von diesem Punkt aus hat man einen herrlichem Blick auf ein System sich kreuzender Gänge, die in die Amphibolitserie der Kontaktzone eingedrungen sind [9](H und Figur 3). Ein kurzer Abstecher nach Süden (775.9/133.3) führt zum Fuss des Monte Rosso [10](I), wo es ein im Bergell seltenes Vorkommen von Kugelgranit gibt. Dann steigt man von der Sella del Forno aus, dem Grat entlang, bis zu Pkt. 2944, und dann hinunter durch kontaktmetamorphe Schiefer und Amphibolite. Die Amphibolite weisen oft Pillowstrukturen auf (J) (Pillow=Kissen), die uns daran erinnern, dass diese Gesteine einmal ozeanische Basalte waren (e.g. 776.1/135.2) [11]. Assoziiert mit den Pillow Basalten sind Vorkommen von Rhodonit-Schiefern. Rhodonit ist ein rotes Manganmineral (K). Danach traversiert man eben zum Murettopass und auf einem guten Weg über Plan Canin zurück nach Maloja. 6 Figur 2. Dünnschliffbild von Amphibolit bei Cavloccio mit koexistierendem Anorthit (An) und Albit (Ab). Figur 3. Kontaktzone zwischen Bergeller Granit und Amphiboliten auf der Südseite des Monte Forno, betrachtet von der Sella del Forno. 7 Exkursion 2. Grevasalvas-Lunghin-Maloja. Gesteine der Platta- Decke und der Ostalpinen Decken. __________________________________________________________________________ Das Thema von Exkursion 2 ist die Kollision von zwei Kontinenten, Europa und Afrika, zur Kreidezeit (vor 80-90 Millionen Jahren). Diese Vorgänge sind drei Mal älter als die Intrusion des Bergeller Granits. Damals wurden die Ostalpinen Decken („Afrika“) über die Penninischen Decken („Europa“) geschoben. Den ganzen Tag verbringen wir am Kontakt zwischen Penninischen und Ostalpinen Decken. Die Grenzlage bildet die Platta-Decke, in der Serpentin ein wichtiges Gestein ist. Wir beginnen in „Europa“. In Plaun da Lej am Silser See kann zu Beginn der Exkursion im alten Dolomitsteinbruch am Sasc da Corn (775.9/143.4) ein alter Kalkofen besichtigt werden [1] (A). Diese Dolomite sind triassische Sedimente der Margna-Decke. (Wir brauchen hier die historische Interpretation der Magna-Decke als höchste Penninische Decke. Neuerdings wird sie zum Ostalpin gezählt.) Dann folgt man der Strasse nach Grevasalvas. In den Wiesen unter den Häusern finden sich interessante Alkaliamphibol-Schiefer (B). Auf einem guten Weg steigt man auf gegen Norden. Bei der Verzweigung Pt. 2011 machen wir einen kleinen Abstecher nach Osten bis zum Schuttfeld der Ova da la Roda [2], wo Blöcke von Julier-Granit zu sehen sind (C), die aus den südlichen Hängen des Piz Lagrev heruntergestürzt sind (Figur 4). Wie der Maloja-Augengneis (Exkursion 1) ist auch dieser Julier-Granit sehr alt (ca. 330 Millionen Jahre). Er ist aber wenig durch Deformation und Metamorphose in Gneis umgewandelt wurden. Die grüne Farbe rührt von den zersetzten Feldspäten her (Saussurit). Diesen Granit der ostalpinen Bernina-Decke findet man auch am Julier Pass, Piz Lagrev und Piz Grevasalvas und er gehört zu „Afrika“. Im Granit finden sich ab und zu dunkle Gänge von Diabas, die Zeugen sind, dass zu einem späteren Zeitpunkt, als der Granit schon erstarrt war, flüssiges 8 Gestein entlang der Spalten intrudierte (D). Wie im Granit, sind auch im Diabas die ursprünglichen Mineralien umgewandelt. Wir kehren zum Weg zurück (Punkt 2011) und steigen gegen Plaun Grand, wo der Weg eine Serpentinzone kreuzt [3]. Serpentin (E), ist wie Talk-Olivin-Schiefer