Thesen Zum Aufsatz
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VDW-Materialien11 Vereinigung Deutscher Wissenschaftler 2000 Roland Kollert Atomtechnik als Instrument westdeutscher Nachkriegs-Außenpolitik Die militärisch-politische Nutzung ‚friedlicher‘ Kernenergietechnik in der Bundesrepublik Deutschland Dr. Roland Kollert, geb. 1950. Studium der Physik, Mathematik, Chemie und Politik an den Universitäten Re- gensburg und Bremen, Stipendium der Bayrischen Hochbegabtenförderung, Physik-Diplom über Low-Level- Kernstrahlungsmeßtechnik von Plutonium; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Ökologie e.V., Freiburg, am Institut für Energie- und Umweltforschung, Heidelberg, und am Fraunhofer-Institut für Sys- temtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe. Danach 10 Jahre Forschungsbüro Kollert & Donderer, Bremen. Promotion zum Dr. phil. am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin (Die Politik der latenten Proliferation. Militärische Nutzung ‚friedlicher‘ Kerntechnik in Westeuropa), seit 1996: Büro für Technikanalyse & -Consulting, Regens- burg. Dieser Aufsatz komprimiert ein Rohmanuskript von rund 600 Seiten zum Forschungsvorhaben ‚Militärische Motive der Atomtechnologiepolitik in der Bundesrepublik Deutschland‘. Die Untersuchung wurde finanziert durch die Berghof-Stiftung für Konfliktforschung, die Günter-Altner-Stiftung sowie durch Eigenmittel des Ver- fassers. Die Arbeit an diesem zusammenfassenden Aufsatz hat die VDW gefördert. Eine erste Skizze der Untersuchungsergebnisse wurde 1997 vorgetragen: R. Kollert, Was there an implicit West German military option?, Paper presented at the 6th Study and Review Conference of the ‘Nuclear History Pro- gram’, ‘The role of nuclear weapons in international politics since 1938’ at the Philipps-Universität Marburg. Die folgenden Anmerkungen nennen nur die wesentlichen Quellen. Die vollständigen Belegnachweise werden verzeichnet in Roland Kollert: Bonns Atomwaffenträume – die militärische Nutzung ‚friedlicher Kernenergie- technik‘ in der Bundesrepublik Deutschland (Arbeitstitel), erscheint voraussichtlich 2001/2002. Anmerkung des Verfassers zur Eigen-Herausgabe der Studie Diese Studie hat die VDW im Juli 2000 in einer Hardcopy-Version von 91 Seiten editiert. Eine Kurzfassung davon erschien am 1.9.2000 auf der Dokumentationsseite der Frankfurter Rundschau. In den folgenden Wochen trugen einige Mitglieder des Vereins, die der vormaligen Nuclear Community angehör- ten oder sich dieser verpflichtet fühlten, massive Kritik an den Methoden und Aussagen der Studie vor und inter- venierten bei Vorstand und Geschäftstelle der VDW gegen die Herausgabe. Die positiven und negativen Stellungnahmen zur Studie faßte die VDW-Geschäftstelle in einem 110seitigen Reader zusammen, den sie zu ihrer Mitgliederversammlung am 19.11.2000 vorlegte. Etwa zu diesem Zeitpunkt stellte sie die weitere Verbreitung der Studie ein. Von der Fachdiskussion auf der Mitgliederversammlung wurde der Verfasser auf politisch dezente Weise ausgespart. Der VDW-Vorstand und Beirat setzte eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit den Fachaspekten der Kontroverse befassen sollte. Diese Arbeitsgruppe ist nach Kenntnis des Verfassers ergebnislos verlaufen. Da im November 2000 der wissenschaftliche Beirat der Berghof-Stiftung für Konfliktforschung den Weiterförde- rungsantrag des Verfassers ablehnte und die Handhabung der Kontroverse in der VDW für den Verfasser insge- samt sehr unerfreulich war, hat dieser die Arbeit an dem Projekt eingestellt. Die Studie ist nun als Word-Datei beim Verfasser erhältlich - VDW-Materialien 1.2000 – elektronische Versi- on.doc. Gegenüber der Urfassung ist allein das Kapitel 15 redaktionell geändert worden. (Diese inhaltlich nicht erheblichen Textänderungen waren der VDW bereits im Oktober 2000 übermittelt worden). Im Mai 2001 dokumentierte der Verfasser unter dem Titel ‚Die Posse um die Herausgabe der VDW-Materialien 1/2000‚Atomtechnik als Instrument westdeutscher Nachkriegs-Außenpolitik’ sowie der Versuch ihrer (Fehl- )Deutung’ für den VDW-Vorstand und für alle Interessierten die Details der Kontroverse aus seiner Sicht. Die- ser 11seitige Text steht ebenfalls als Word-Datei zur Verfügung - VDW-Posse – Kollert 22.5.01.doc. Regensburg im Sommer 2002 Der Verfasser Herausgeber: Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V. (VDW) © 2000 Geschäftsstelle der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, Schopenhauerstr. 26, 14129 Berlin Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Die „Göttinger 18“ (1957) Zum 40-jährigen Bestehen der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler 1999 Die VDW wurde 1959 in Berlin von einer Gruppe prominenter Atomwissenschaftler gegründet, unter ihnen die Nobelpreisträger Max Born, Otto Hahn, Werner Heisenberg und Max von Laue. Die Gruppe war fast personengleich mit den "Göttinger 18", die sich zwei Jahre zuvor öffentlich gegen die Atomwaffenpläne der Adenauer-Regierung ausgesprochen hatten. "Göttinger Erklärung" und Gründung der VDW waren beide Ausdruck eines neuen Verantwortungsbewußtseins der Naturwis- senschaftler nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Aus dieser „Anwen- dung“ der Uranspaltung ergab sich für viele fortan die Verpflichtung, als Wissenschaftler, auch in der Grundlagenforschung, über die möglichen militärischen, politischen und ökonomischen Impli- kationen und Mißbrauchsmöglichkeiten der Erkenntnisse zu reflektieren und zu informieren. Roland Kollert zeigt in der vorliegenden Studie, daß von der Adenauer-Regierung mehr angestrebt worden ist als die Ausrüstung der jungen Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen. Adenauer, Strauß u.a. waren darauf aus, eine bundesdeutsche Kapazität zur Produktion von Atomwaffen zu schaffen. Mit der Entwicklung der Atomtechnologie für zivile Zwecke wurde die militärische Opti- on zunächst ermöglicht und später offengehalten. „Wir selbst sind mit dafür verantwortlich, daß viele junge Wissenschaftler und Techniker sich diesem Gebiet zuwenden (Atomkräfte für friedliche Zweck nutzbar zu machen – R.K.). Wir können nicht verantworten, daß die Tätigkeit dieser jungen Menschen Zielen zugewendet wird, die wir für ein Unglück halten müssen. ... Dies, Herr Bundesminister, ist unsere Überzeugung. Wir dürfen Ihnen nicht verhehlen, daß keiner von uns bereit wäre, an einer deutschen Atomwaffenproduktion mitzuarbeiten. ... Sie werden verstehen, daß wir in der Öffent- lichkeit nicht würden schweigen können, wenn die jetzige oder eine spätere Bundesregierung die Anschaffung oder Herstellung von Atomwaffen beabsichtigte. Wenn Sie uns jedoch eine bindende Zusicherung geben können, daß unsere Besorgnisse grundlos sind, so versichern wir Sie, daß wir diesen unseren Schritt der Öffentlichkeit gegenüber völlig vertraulich behandeln werden.“ Aus dem Brief der späteren „Göttinger 18“ an den Bundesminister für Verteidigung Franz-Josef Strauß, formuliert am 19.11.1956 in Werner Heisenbergs Haus in Göttingen, der „Göttinger Erklärung“ vorausgehend. „Ich aber machte mir Sorgen, ob das in Karlsruhe neu zu errichtende Zentrum für friedliche Atomtechnik sich auf die Dauer dem Zugriff derer würde entziehen können, die so große Mittel lieber für andere Zwecke verwen- den wollten. Es beunruhigte mich, daß für die Menschen, die hier die wichtigsten Entscheidungen zu treffen hatten, die Grenzen zwischen friedlicher Atomtechnik und atomarer Waffentechnik ebenso fließend waren wie die zwischen Atomtechnik und atomarer Grundlagenforschung.“ Werner Heisenberg in: Der Teil und Das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik, München 1969, S. 296 1 Zum Geleit Hans-Peter Dürr Die wissenschaftlich-technische Verfügungsgewalt über die Energiepotentiale der Atomkerne, wel- che an Stärke die vom Menschen bisher in seinem Alltag genutzten fossilen Brennstoffe millionen- fach übersteigen, haben die Menschheit vor eine andauernde existentielle Bewährungsprobe gestellt. Durch militärischen Einsatz dieser Potentiale als Atombomben am Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Menschheit ihre erste Prüfung schlecht bestanden. Immerhin eröffnete diese überdeutliche Demonstration atomarer Zerstörungswucht den Menschen eine hervorragende Chance, die daraus erwachsene Problematik ernst zu nehmen und nun gemeinsam nach Wegen zu suchen, diese neue, die menschliche Zivilisation bedrohende Gefahr letztlich und verläßlich unter Kontrolle zu bringen. Hierbei gingen die Vorstellungen der Hauptakteure und der Betroffenen verständlicherweise weit auseinander. Der Vorschlag, die Büchse der Pandora einfach wieder zu schließen, fand bei denen, die sie geöffnet hatten, kaum Anklang, da sie ja dadurch gegenüber den Habenichtsen mit einer kaum zu überbietenden Macht ausgestattet worden waren. Im Gegenteil, „Atommacht in der Hand des Guten“, wie mir das damals Anfang der fünfziger Jahre mein Lehrer Edward Teller erklärte, könnte geradezu die Voraussetzung sein, künftige Kriege wirkungsvoll im Keime zu ersticken und letztlich ganz von der Erde zu verbannen. Allgemein gesprochen mochte dies überzeugend klingen, prinzipiell und realistisch betrachtet scheitert es jedoch schon an der Ambivalenz, wer nun eigent- lich der „Gute“ sei. Denn die eindrucksvolle Fähigkeit, sich als erster vor allen anderen der Super- keule bemächtigt zu haben und sie dann auch ohne Zaudern zum eigenen Nutzen am Mitmenschen zu erproben, kann doch kaum als geeignetes Merkmal für „den Guten“ gelten. Und selbst beim wirklich „Guten“ gäbe es, aller historischer Erfahrung nach, kaum Gewähr, daß dieser „Gute“ nicht in kurzer Zeit von dieser praktisch unbegrenzten Machtfülle korrumpiert werden würde. Die Ambivalenz