SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 08. 12. 1964

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8. Dezember 1964: Fraktionssitzung

AdsD, SPD-BT-Fraktion 4. WP, Ord. 23.௔6. 1964 – 16.௔2. 1965 (alt 1036, neu 16). Über- schrift: »Protokoll der Fraktionssitzung vom 8.௔12. 1964«. Anwesend: 163 Abgeordnete; Fraktionsassistenten: Bartholomäi, Bermeitinger, Gaebler, Goller, E. Heinrich, Jäger, Laabs, List, Niemeyer, Scheele, P. Schmidt, Selbmann, Winkel, Winninger; PV: Nelke, Storbeck; SPD-Pressedienst: Dux; außerdem: Brandt. Prot.: Drenhaus. Zeit: 15.00 – 17.35 Uhr.

Beginn der Sitzung: 15.00 Uhr Eröffnung der Sitzung durch , der an die Gedenkrede am Grabe Ollenhauers sowie an den Geburtstag von erinnert1 und die Umbesetzungen im Verteidigungsausschuß bekannt gibt. Er dankt in diesem Zusammenhang im Namen der Fraktion für dessen langjährige Mitarbeit im Verteidigungsausschuß vor allem in der Frage des Wehrbeauftragten und verbindet damit die Bitte, auch im Unter- ausschuß bei der Wahl eines neuen Wehrbeauftragten mitzuwirken.2

Zu Punkt 1 der Tagesordnung bilanziert zunächst das außerordentliche Echo des Karlsruher Parteitages.3 Dieser Parteitag sei durch die Klärung wichtigster Fragen sachlich ein großer Schritt nach vorn gewesen, wenn auch der Generalnenner nicht immer und nicht genug ge- würdigt worden sei: »Die Demokratisierung und Modernisierung unserer Gesell- schaft.« Wenn bis in die letzten Monate in der Partei nicht überall ein einheitlicher Erfolgswille und oft auch Kleinmut geherrscht habe, so sei dies durch die sachliche Überzeugung in Karlsruhe ausgeräumt worden. Willy Brandt verweist auf die mangelnde Logik in den Gegenargumenten unserer politischen Gegner, die einmal behaupten, es handele sich bei unseren Vorschlägen um alte Sachen, gleichzeitig aber den Vorwurf erheben, wir forderten soviel Neues, daß dies gar nicht zu bezahlen wäre. Hauptaufgabe der Partei bleibe es, die finanzpolitische Solidität unserer Forderungen immer wieder zu bewei- sen. Was die Mannschaft anginge, sei darüber in Karlsruhe genug gesagt worden. Eine mög- lichst enge Verzahnung mit der Fraktionsarbeit müsse schon im Januar beginnen.4

1 Ollenhauer war am 14. 12. 1963 gestorben; der am 7. 3. 1964 verstorbene Deist am 10. 12. 1902 gebo- ren. 2 Zu den Umbesetzungen im Verteidigungsausschuß vgl. Nr. 96. Erler und Paul verzichteten darauf- hin auf ihren Sitz als stellv. Mitglied des Verteidigungsausschusses. Ein Unterausschuß, dem auch Paul angehörte, war für die Vorbereitung der Wahl des Wehrbeauftragten zuständig. Vgl. »Die SPD- Fraktion teilt mit« Nr. 395/64 vom 8. 12. 1964. Ernst Paul, MdB (SPD) 1949-1969, galt als Hauptini- tiator der Einrichtung eines Wehrbeauftragten des Bundestages durch das Gesetz vom 26. 6. 1957. Vgl. Ernst PAUL, in: Abgeordnete, Bd. 2, S. 169-172. Zu dem »Unterausschuß« und zur Wahl Hoogen siehe unten TOP 2. 3 Der XI. ordentliche Bundesparteitag der SPD hatte vom 23.-27. 11. 1964 in Karlsruhe stattgefunden. 4 Zur Funktion der »Mannschaft« und ihrer Tätigkeit vgl. KLOTZBACH, S. 592 und STRUVE, S. 85-88. In der »Sitzung des Präsidiums am 11. 12. 1964«, AdsD, Präsidium. Vom 27./28. 6. 1964 bis 11. 12. 1964, wurde der 8. 1. 1965 als 1. Sitzung der »Mannschaft« bestimmt. Nach kontroverser Diskussion wurde ferner beschlossen, daß an den Sitzungen der »Mannschaft« der Parlamentarische Gschf. der Fraktion Schäfer »kontinuierlich« teilnehmen und der zweite parlamentarische Gschf. Mommer nur

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Besonders unterstrich Willy Brandt die Nowendigkeit, auf keinen Fall den Eindruck aufkommen zu lassen, wir kümmerten uns nicht genug um die Vertriebenen und Flüchtlinge, und kam dann auf die Panne mit den Wissenschaftlern zu sprechen, die vermeidbar gewesen wäre.5 Allerdings könne man hier nicht einseitig Ulrich Lohmar oder auch der Pressestelle einen Vorwurf machen.6 Alle Beteiligten hätten sich gründ- licher untereinander und auch mit ihm abstimmen müssen. In der Zwischenzeit habe er eine Reihe von Briefen erhalten, mit denen sowohl in Karlsruhe genannte als auch in diesem Zusammenhang nicht genannte Wissenschaftler ihren ausdrücklichen Willen zur Zusammenarbeit bestätigten bzw. bekundeten.7 Die Angelegenheit sei also wieder in Ordnung zu bringen und würde in Ordnung gebracht. Ganz allgemein hielte er es für entscheidend, sich nicht in Fragestellungen verwikkeln zu lassen, die uns nichts angingen (Kontroverse Kalbitzer/Schmidt, Hamburg).8 Genau

von Fall zu Fall zugezogen werden solle. – Zu der Kooperation von »Mannschaft« und Bundestags- fraktion vgl. auch »Sitzung des Parteivorstandes am 26. 11. 1964«, AdsD, Parteivorstand. Vom 30. Juni 1964 bis 11. Dezember 1964. 5 Brandt hatte am 24. 11. 1964 in seiner Grundsatzrede auf dem PARTEITAG SPD Nov. 1964, S. 134 f., angekündigt, der »Mannschaft« und einer künftigen sozialdemokratisch geführten Bundesregierung werde ein »Kreis anerkannter wissenschaftlicher Berater zur Seite« stehen. Eine solche Ankündigung war von H. Schmidt angeregt worden; siehe: Sitzung des Präsidiums am 21. 11. 1964, AdsD, Präsidi- um. Vom 27./28. 6. 1964 bis 11. 12. 1964. In einer dazu veröffentlichten Presseerklärung mit der Überschrift »Wissenschaftler als Berater der SPD«, die u. a. im Parlamentarisch-Politischen Presse- dienst – PPP Nr. 225 vom 24. 11. 1964 erschien (abgedr. bei FLECHTHEIM, Dokumente, Bd. 5, S. 133 f.), hieß es, folgende Wissenschaftler hätten sich bereit erklärt, die SPD und eine SPD-geführte Bun- desregierung »fachlich zu beraten«. Es folgten die Namen der Professoren Heinrich Abel, Helmut Arndt, Hans Paul Bardt, Helmut Becker, Wolfgang Bley, Ernst Boettcher, Karl Martin Bolte, , Friedrich Edding, Horst Ehmke, Iring Fetcher, Fritz Fischer, Ludwig von Friedeburg, Dietrich Goldschmidt, Otto Walter Haseloff, Gottfried Hausmann, Rudolf Hillebrecht, Walter Jaide, Harald Jürgensen, Hans Joachim Lieber, Elisabeth Liefmann-Keil, Richard Löwenthal, Alfred Mar- chionini, Ernst May, Alexander Mitscherlich, Peter von Oertzen, Heinz-Dietrich Ortlieb, Erich Pott- hoff, Ludwig Raiser, Gisbert Rittig, Hans Schaefer, Karl Steinbuch, Willy Strzelewicz, Thure von Uexküll, W. Woermann. Die genannten Professoren hatten sich mit an dem Gesprächskreis »Wissen- schaft und Politik« der Friedrich-Ebert-Stiftung beteiligt, der unter der Leitung Lohmars im Okto- ber 1963 gebildet worden war. Ein Teil hatte an der im Rahmen dieses Kreises erarbeiteten Studie »Deutschland 1975« mitgewirkt. Vgl. PARTEITAG SPD Nov. 1964, S. 812 f. Sowohl Ralf Dahrendorf wie Ludwig Raiser hatten sofort energisch protestiert, daß sie als wissenschaftliche Berater der SPD genannt würden. Die »Panne mit den Wissenschaftlern« (Brandt) wurde ausführlich in der »Sitzung des Parteivorstandes am 11. 12. 1964« erörtert, AdsD, Parteivorstand. Vom 30. Juni 1964 bis 11. De- zember 1964. Vgl. ferner »Der Spiegel« Nr. 49 vom 2. 12. 1964, S. 34; SOELL, Erler II, S. 872 f.; STRUVE, S. 172. 6 Wie Lohmar am 26. 11. auf dem PARTEITAG SPD Nov. 1964, S. 813, mitteilte, hatte er die betr. Erklärung nach Absprache mit Brandt an die Pressestelle gegeben. Sie enthielt noch einen Vorspann, die genannten Wissenschaftler hätten »zum großen Teil an der Studie ›Deutschland 1975‹ als Gutach- ter mitgewirkt oder sind zu ähnlichen Formen der Zusammenarbeit bereit«. Dieser Satz wurde in der Presseerklärung ausgelassen. Lohmar räumte ferner ausdrücklich ein, der genannte Kreis von Wis- senschaftlern sei nicht um eine Beratung der SPD »gebeten worden und soll darum auch nicht gebe- ten werden, weil es sich darum in der Form und in der Sache nicht handeln kann«. 7 Vgl. dazu die in Anm. 5 zitierte Sitzung des Parteivorstandes vom 11. 12. 1964. Es wurde gleichzeitig in dieser Sitzung beschlossen, »daß sich 3 Mitglieder der Mannschaft«, C. Schmid, Schiller, von Kno- eringen der Fragen der Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern annehmen sollten. 8 Helmut Kalbitzer, MdB (SPD) 1949-1965, stellv. Landesvors. der SPD in Hamburg, hatte in einem Artikel im »Hamburger Abendecho« vom 2. 12. 1964 zu verstehen gegeben, das Amt des Innensenators in Hamburg und die Zugehörigkeit zur Regierungsmannschaft der SPD (für Bonn) sei nicht miteinander zu vereinbaren. Er könne nicht gleichzeitig »auf zwei Hochzeiten tan- zen«. Der Vorstand der SPD-Hamburg rügte nach einer Sitzung am 3. 12. 1964 Kalbitzer wegen die-

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so wenig bestünde Anlaß, jetzt in irgend einer Form zur Koalitionsfrage Stellung zu nehmen. Damit würde doch nur wieder jener Kleinmut in die parteiinterne Diskussion hineingetragen, der in Karlsruhe überwunden worden wäre. Was das Jahr 1965 anginge, sollte überall der Dreiklang von Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik herausgestellt werden. Nach dem CDU-Parteitag9 würden in jedem Land Konferenzen mit unseren Kandidaten durchgeführt werden, die ihre Fortsetzung in allen Wahlkreisen der Bundesrepublik finden würden. Darüber hinaus würden Kon- ferenzen zu Sachfragen etwa für die Jugend, für Juristen und Sozialpolitiker durchge- führt werden.10 Willy Brandt unterstrich in diesem Zusammenhang noch einmal die Vorlage eines Konzepts für eine Volksversicherung, die den deutschen Verhältnissen angepaßt sei und auf den gewachsenen Einrichtungen aufbauen würde.11 Den Höhepunkt soll die Wiesbadener Tagung darstellen, die in Karlsruhe bereits von Waldemar von Knoerin- gen angekündigt wurde und sich mit der Raumordnung im weitesten Sinne beschäfti- gen werde.12 Das Deutschlandtreffen in Bochum im August 1965 müsse, auch unter Verzicht auf Urlaub und Ferien, zu einer eindrucksvollen Manifestation unseres politischen Willens werden13, wie es überhaupt gelte, ab August für den Wahlkampf in jeder Beziehung mobil zu sein. Willy Brandt schloß seine Ausführungen mit drei Bemerkungen zu aktuellen Fragen: 1. Zur Urabstimmung im Bergbau.14 2. Zur gesamtdeutschen Frage. 3. Zu den Vorgängen in der UNO. Zu 1) Was die Lohnforderungen der Bergarbeiter angeht, müsse die Solidarität der SPD mit ihnen überall deutlich gemacht werden. Ein so unterkühltes Angebot der Arbeitge- ber wie eine Lohnerhöhung von 2,5% führe zwangsläufig zu sozialen Spannungen, zumal die Unsicherheit des Arbeitsplatzes immer noch nicht ausgeräumt sei. Ein Streik

ses Artikels und erklärte, er stehe mit seiner Auffassung allein. Vgl. »Der Spiegel« Nr. 50 vom 9. 12. 1964, S. 37 f. 9 Der 13. Bundesparteitag der CDU tagte vom 29.-31. 3. 1965 in Düsseldorf; vgl. AdG 1965, S. 11775- 11777. 10 Ein »Öffentlicher Jugendkongreß der SPD« fand am 6. 3. 1965 in Bad Godesberg, ein rechtspoliti- scher Kongreß »Der Bürger und sein Recht« am 26./27. 3. 1965 in Heidelberg statt.; WEHNER, Die Bundestagswahl 1965, S. 14, in: Bundestagswahl 1965. Zu sozialpolitischen Fragen fanden mehrere Konferenzen statt. 11 Der von Ernst Schellenberg erarbeitete Plan »Die Volksversicherung der Arbeiter und Angestellten« wurde am 26. 4. 1965 von der »Regierungsmannschaft« verabschiedet. Er ist abgedr. in: Mannschafts- erklärungen, Anhang »Die Volksversicherung« (33 S.), in: Bundestagswahl 1965. Vgl. dazu eingehend Reinhart BARTHOLOMÄI, Der Volksversicherungsplan der SPD, in: BARTHOLOMÄI u. a., Sozialpoli- tik, S. 161 ff. 12 Gemeint ist die sog. »Parlamentarier-Konferenz der SPD«, die vom 7.-9. 5. 1965 in Wiesbaden unter der Schirmherrschaft des hessischen Ministerpräsidenten Zinn tagte. Zu der Ankündigung durch von Knoeringen siehe PARTEITAG SPD Nov. 1964, S. 849-851. 13 Das sog. »Deutschlandtreffen« bildete den traditionellen Auftakt zum Bundestagswahlkampf der SPD. 14 Die IG Bergbau und Energie hatte für den 10. 12. 1964 eine Urabstimmung über einen evtl. Streik bei den laufenden Tarifverhandlungen geplant; siehe die folgende Anm.

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wäre der erste große Arbeitskampf an der Ruhr seit 1945. Wenn und wo immer es an- gebracht erscheine, solle die SPD ihre guten Dienste anbieten.15 Zu 2) Das Kuratorium Unteilbares Deutschland hat das »Ringen um kleine Schritte« nachhaltig unterstützt.16 In dieser Frage bestehe auch eine internationale Übereinstim- mung mit den USA, Großbritannien und Frankreich. Allerdings sei der Spielraum leider enger als noch vor einem Jahr. Alles spräche für eine erneute Verhärtung in der Zone. Schon eine flüchtige Durchsicht der Reden vor dem Zentralkomitee der SED17 zeige eine steigende Intransigenz, allerdings hätten die Machthaber in der Zone – wenn auch verschleiert – damit zugeben müssen, daß es ihnen nicht gelungen ist, die Bevölkerung in Mitteldeutschland von ihrer Deutschland- politik zu überzeugen. Die Unsicherheit der Regierung bei der schoflen Umtauschakti- on18 mache die Notwendigkeit klarer Entscheidungen und Reaktionen besonders deut- lich. Schaumschlägereien allein führen nicht weiter. Wenn die Regierung allerdings in ihren antibritischen Aspekten verharre, würde alles nur noch schwieriger. Zu 3) Willy Brandt erinnert an die Frage des Ghanesischen Präsidenten [vor] der Voll- versammlung, wie die vier Mächte sich zur Wiedervereinigung verhalten.19 Wenn auch

15 In »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 394/64 vom 8. 12. 1964 wird dieser Teil von Brandts Ausfüh- rungen ausführlicher wiedergegeben. »Die Bergarbeiter, die in diesen Tagen darüber abstimmen, ob sie bereit sind, ihre Lohnforderungen notfalls auch im Arbeitskampf durchzusetzen, müßten wissen, daß die SPD zu ihnen steht. Man könne nicht immer wieder von der nationalen Aufgabe des Berg- manns sprechen und ihm gleichzeitig eine Lohnerhöhung von 2 1/2% anbieten, wenn sogar im öf- fentlichen Dienst eine Erhöhung von 6% zugestanden wird. Ein derartig unterkühltes Angebot führe zu sozialen Spannungen, zu denen auch die Sorge um den Arbeitsplatz beitrage. Ein großer Arbeits- kampf, der der erste dieser Art seit 1928 sein würde, würde ernste allgemeine politische Konsequen- zen haben. Die SPD appelliere an alle Beteiligten, bei den bevorstehenden Verhandlungen nach der Urabstimmung Vernunft walten zu lassen. Wörtlich sagte Brandt: ›Die Demokratie sollte es nicht dahin kommen lassen, daß sich die Bergarbeiter auf die Straße gedrängt fühlen. Die SPD steht für die weitere Entwicklung zu guten Diensten bereit.‹« Am 8. 12. 1964 schaltete sich BMWi Schmücker in die Tarifauseinandersetzungen zwischen dem Unternehmerverband Ruhrbergbau und der IG Berg- bau und Energie ein. Am folgenden Tage einigten sich die Tarifparteien über eine 7,5%ige Lohn- und Gehaltserhöhung und eine Verdoppelung des Wohnungsgeldes für Bergleute. Vgl. Bulletin Nr. 283 vom 11. 12. 1962, S. 1681. 16 Das Kuratorium Unteilbares Deutschland hatte vom 3.-5. 12. 1964 seine Jahrestagung in Berlin abgehalten, auf der u. a. auch Brandt und Wehner gesprochen hatten. Vgl. AdG 1964, S. 11576 f. 17 Beim sog. 7. Plenum des Zentralkomitees der SED vom 2.-7. 12. 1964 hatte sich der 1. Sekretär des ZK Ulbricht eingehend zur Deutschlandfrage geäußert. Brandt bezog sich des weiteren auf den von Kurt Hager erstatteten Bericht des Politbüros. DOKUMENTE ZUR DEUTSCHLANDPOLITIK IV, 10, 2. Hbd., S. 1164-1176 und 1202-1209; AdG 1964, S. 11583 f.; SPD-Pressemitteilungen Nr. 394/64 vom 8. 12. 1964. 18 Die DDR hatte am 25. 11. zum 1. 12. 1964 neue Devisenbestimmungen verfügt, die für Besucher aus der Bundesrepublik »und anderen nichtsozialistischen Staaten« einen Zwangsumtausch je Person und Tag von 5 Ost-Mark vorschrieben. Für Besucher aus West-Berlin wurde der Mindestumtausch auf 3 Ost-Mark festgesetzt. Vgl. DOKUMENTE ZUR DEUTSCHLANDPOLITIK IV, 10, 2. Hbd., S. 1143 f.; AdG 1964, S. 11552. – Die BReg verfügte im Gegenzug am 2. 12., die Gespräche über Kreditwün- sche der DDR nicht fortzuführen, ließ am gleichen Tag aber durch Staatssekretär von Hase erklären, es gebe kein legales Mittel gegen den Zwangsumtausch; vgl. AdG 1964, S. 115645. 19 Gemeint ist die Eröffnungsrede des neugewählten Präsidenten der Vollversammlung der UN, Ale- xander Quaison-Sackey (Chefdelegierter Ghanas bei der UN) zur 19. Session der UN am 1. 12. 1964. Sein Vorschlag, im Rahmen der UN ein ad hoc Komitee für die Deutschlandfrage zu bilden, wurde von den Delegierten der USA reserviert kommentiert. Vgl. DOKUMENTE ZUR DEUTSCHLANDPOLI- TIK IV, 10, 2. Hbd., S. 1178 (Anm. 2); AdG 1964, S. 11578.

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der Vorschlag nicht der Weisheit letzter Schluß gewesen sei, so hätten die unglückli- chen Reaktionen auch ihm den dahinterstehenden guten Willen schlecht honoriert. Was schließlich die Rede Gromykos vor der UNO anginge20, wäre diese im Ton weniger schroff gegen die Bundesrepublik gewesen, hätte aber inhaltlich keine Änderung in der sowjetischen Position erkennen lassen. Fritz Erler dankt Willy Brandt und gibt einige Hinweise auf das deutsch-französische Verhältnis am Beispiel der WEU-Diskussion und der Deutsch-Französischen Konfe- renz. Alle seien betroffen gewesen, wie unverblümt die französische Mehrheitspartei fordere, alle Grundsätze der französischen Politik zu übernehmen.21 Mit Europa habe das nichts zu tun. Die Ablehnung gemeinsamer Institutionen werde verbunden mit einer dogmatischen Philosophie der Nation, nicht der übernationalen Gemeinschaft. Auch das Europa de Gaulles in dessen Straßburger Rede22 sei nur der unverbindliche Zusammenschluß von Nationen unter Lockerung der Bindungen zu den Vereinigten Staaten. Erler verwies auf die entscheidenden Gegensätze im Bereich der Verteidigungspolitik und darauf, daß in der WEU etwas geschehen sei, mit dem die französische Regierung nicht gerechnet hätte. Nachdem [in]23 Abstimmung mit den Briten in der Frage einer alliierten Atomstreitkraft auf multilateraler Basis ein Antrag der Sozialistischen Frakti- on hatte erarbeitet werden können, boten unerwartet andere Fraktionen auch aus ande- ren Ländern ihre Unterstützung an. Dies führte zur Annahme des Antrages mit 37 gegen 9 Stimmen bei 15 Stimmenthaltungen.24 Er (Erler) habe daraus für die Deutsch-Französische Konferenz durchaus mit Erfolg seine Konsequenzen gezogen. In entscheidenden Fragen dächten also die deutschen Parteien ähnlich wie die französi- sche Opposition.

20 Zur Rede des sowjetischen Außenministers Gromyko am 7. 12. 1964 vor der UN-Vollversammlung vgl. AdG, S. 11578 f. sowie DOKUMENTE ZUR DEUTSCHLANDPOLITIK IV, 10, 2. Hbd., S. 1210 f. Nach »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 394/64 vom 8. 12. 1964 führte Brandt zur Rede Gromykos noch aus: »Seine Vorschläge für eine Rüstungsbegrenzung und -kontrolle bedürften genauer Prü- fung. Wenn er aber behaupte, durch eine multilaterale Lösung der atomaren Verteidigung würde die Einigung Deutschlands noch schwieriger, so müsse man die Gegenfrage stellen, ob eine nichtgemein- schaftliche Lösung dieser Frage die deutsche und die europäische Frage erleichtern wird. Das Bemü- hen um die Einheit Deutschlands und die europäische Sicherheit richte sich nicht gegen die Sowjet- union, sondern diene dem Frieden.« 21 Vgl. Erlers Bericht in Sitzung des Parteivorstandes am 11. 12. 1964, AdsD, Parteivorstand. Vom 30. Juni 1964 bis 11. Dezember 1964, über die Tagung der Versammlung der WEU am 30. 11.- 4. 12. 1964 und die deutsch-französische Parlamentarierkonferenz vom 28.-30. 11. in Paris. Zur WEU-Tagung vgl. ferner AdG 1964, S. 11572-11575 und EUROPA-ARCHIV 1964, 11, 22, 23, 24. 22 Zur Rede von Staatspräsident de Gaulle am 22. 11. 1964 in Straßburg siehe den Auszug in EUROPA- ARCHIV 1964, D 617. 23 Im Or. »die«. 24 Gemeint ist die am 2. 12. 1964 verabschiedete »Empfehlung Nr. 110« der Versammlung der WEU über den Stand der europäischen Sicherheit und die westliche Strategie. Sie sprach sich für ein »Sys- tem gemeinsamer politischer Kontrolle über alle dem Bündnis unterstellten Atomstreitkräfte« und das »Prinzip einer atlantischen Atomstreitmacht auf multilateraler Grundlage, welche die Beteiligung gemischter Mannschaften gestattet«, aus. Vgl. AdG 1964, S. 11572-11575 und EUROPA-ARCHIV 1965, D 62 mit dem vollen Wortlaut der Empfehlung.

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Der Hauptredner der Gaullisten hätte darauf in seinem Schlußwort erheblich zurück- gepflockt.25 Die Aufforderung Willy Brandts, keine Feigheit vor dem Freunde zu zeigen, sei also nur zu berechtigt. Noch zu Punkt 1 der Tagesordnung berichtete Alfred Nau26 über den Stand der Ver- handlungen mit dem Vorstand der CDU und der FDP, ein Abkommen, die Kostenbe- grenzung und einen fairen Wahlkampf betreffend, zu erreichen.27 Mit einer positiven Entscheidung der beiden genannten Gremien sei für den nächsten Tag zu rechnen.28 Die bereits ausgehandelten Vereinbarungen sähen vor, daß keine Partei ab 1.௔1. 1965 bis zur Wahl mehr als 15 Mio. DM aufwendet, daß die Plakatwerbung erst drei Wochen vor dem Termin, die Zeitungswerbung erst acht Wochen vor dem Termin einsetzen und keine wilde Plakatierung erfolgen würde. Zentral würden nur zwei Werbedrucksachen erstellt und sowohl auf Luftwerbung und auch kommerzielle Werbung verzichtet. Beinhalten soll das Abkommen auch die Verständigung über ein Schiedsgericht. Das Abkommen würde allerdings nur für die Landes- und Bundesvorstände gelten, da so- wohl CDU als auch FDP erklärt hätten, daß sie die örtlichen Parteiorganisationen nicht in der Hand hätten. Wenn auch nicht alle Zweifel ausgeräumt seien, würde ein solches Abkommen doch einen Anfang darstellen, den man machen sollte.29 Anschließend unterrichtete Alfred Nau über den außerordentlichen Erfolg der Buchaktion und teilte

25 Vgl. Anm. 21. 26 Alfred Nau (1906-1989), 1933 Sekretär des SPD-Vorstandes, dann illegale Tätigkeit, 1946-1983 Mitgl. des Parteivorstandes, 1958-1975 des Präsidiums der SPD, Schatzmeister der SPD 1946-1975. 27 Seit April 1964 wurden zwischen den Schatzmeistern der Bundestagsparteien und Vertretern der Bundestagsfraktionen Verhandlungen über die Wahlkampfführung und ein Abkommen zur Begren- zung der Wahlkosten geführt. Ein von der SPD am 25. 5. 1964 vorgelegter Entwurf erstreckte sich auf sämtliche Wahlausgaben im Bund, in den Ländern und den einzelnen Wahlkreisen und wurde bis zum Sommer 1964 als Verhandlungsgrundlage akzeptiert. Am 8. 10. 1964 hatte die CDU dann einen neuen Entwurf vorgelegt, wonach die Ausgaben in den Wahlkreisen nicht unter das Abkommen fie- len. Vgl. den Abschnitt: »Das Wahlkostenbegrenzungsabkommen«, S. 3 f., in: Bundestagswahl 1965 sowie den Bericht von Nau in: Sitzung des Präsidiums am 16. 10. 1964 (AdsD, Präsidium 27./28. 6. bis 11. 12. 1964) und in Sitzung des Parteivorstandes am 11. 12. 1964; Parteivorstand. Vom 30. Juni 1964 bis 11. Dezember 1964. 28 Nach der Darstellung Naus, wie sie in »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 394 a/64 vom 8. 12. 1964, wiedergegeben wurde, hatte sich nach SPD und CDU auch die FDP am 8. 12. 1964 entschlossen, »Vollmacht zur Unterzeichnung zu erteilen«. Für den 9. 12. 1964 sei die »abschließende Beratung« in der Bayerischen Landesvertretung vorgesehen. Die SPD-Bundestagsfraktion vertrat in diesen Ver- handlungen Schmitt-Vockenhausen. 29 Die »Vereinbarung über die Führung eines fairen Wahlkampfes und über die Begrenzung der Wahl- kampfkosten« wurde erst am 9. 1. 1965 abgeschlossen. Die SPD wurde vertreten durch Brandt und Nau, die CDU durch Dufhues als Gschf. Vors. der CDU und als Bundesschatz- meister, die FDP durch den Parteivors. Mende und Bundesschatzmeister Hans Wolfgang Rubin, die CSU durch den Parteivors. Strauß und den Schatzmeister . Siehe den Faksi- mileabdruck in Bundestagswahl 1965, Abschnitt »Das Wahlkostenbegrenzungsabkommen«, S. 9-14; Zur Unterzeichnung vgl. auch MENDE, Wende, S. 166 f. Es wurde ergänzt durch das am 6. 5. 1965 unterzeichnete »Zusatzabkommen zur Vereinbarung über die Begrenzung der Wahlkampfkosten vom 9. Januar 1965«, Faksimileabdruck ebd., S. 15-17.

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mit, daß im Augenblick 90 000 Bücher neu gedruckt bzw. neu verlegt werden müß- ten.30 Die Auslieferung erfolge durch die örtlichen Parteiorgane unter Hinzuziehung des jeweiligen Bundestagsabgeordneten. Hermann Schmitt-Vockenhausen schlug vor, alle örtlichen Parteiorganisationen auf- zufordern, an ihre örtlichen Kontrahenten der CDU und FDP heranzutreten, um ähn- liche Vereinbarungen zu erzielen. Alfred Nau stimmte dem zu und bemerkte anschließend, daß das Begrenzungsabkom- men in der Öffentlichkeit gut aufgenommen worden sei und dies wohl auch der Grund für die Zustimmung des CDU-Präsidiums sein dürfte. Von Adenauer wisse man, daß er dem Projekt noch immer ablehnend gegenüber stünde.31 Was die Buchaktion anginge, sei auf allen Versammlungen immer wieder um eine Aus- weitung gebeten worden. Dieser Bitte sei man auch immer nachgekommen, wenn es sich um die Einbeziehung kleinerer Volksschulen handelte. Eine Einbeziehung der Berufsschulen (über 50 000) sei einfach finanziell nicht zu realisieren.32 Zu Punkt 2) der Tagesordnung unterrichtete Karl Mommer: Wegen des zu umfangreichen Programms müsse der Fragenkomplex der Eigentumsbil- dung auf Januar vertagt sowie eine dritte Sitzung angesetzt werden, auf de[re]n Termin man sich nicht habe einigen können.33 Während wir den Nachtragshaushalt 1964 am Donnerstag um 9.00 Uhr behandelt sehen möchten, hätte Rasner auf 18.00 Uhr bestan- den. Es müsse also abgestimmt werden.34

30 Nach der Erhöhung der Bundeszuschüsse für die politischen Parteien im Bundeshaushalt, die von der SPD-Fraktion abgelehnt worden war, hatten Parteivorstand, Parteirat und Kontrollkommission in der Sitzung vom 2. 7. 1964 beschlossen, die zusätzlich auf die SPD entfallenden Mittel für ein ge- sellschaftspolitisches Bildungsprogramm zu verwenden. Das Schwergewicht lag bei der kostenlosen Lieferung von Büchern an Volks-, Mittel- und Realschulen, an Gymnasien, Pädagogische Hochschu- len und Lehrerfortbildungsseminare. Sie konnten aus einer Liste von 47 (später 48) Buchtiteln wäh- len, darunter u. a. Ludwig BERGSTRÄSSER, Geschichte der politischen Parteien; Karl Dietrich BRA- CHER, Die Auflösung der Weimarer Republik; Julius BRAUNTHAL, Geschichte der Internationale; Thomas ELLWEIN, Das deutsche Regierungssystem; Eugen KOGON, Der SS-Staat; Golo MANN, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; Susanne MILLER, Das Problem der Freiheit im Sozialismus; Wilhelm MOMMSEN, Deutsche Parteiprogramme; Arthur ROSENBERG, Geschichte der Weimarer Republik; Leo SCHWERING, Zur Frühgeschichte der CDU; Hermann WEBER, Der deut- sche Kommunismus. Die erste Lieferung umfaßte insgesamt 110 000 Bücher, 90% der bestellten Bü- cher mußten neu aufgelegt werden. Siehe JAHRBUCH SPD 1964/65, S. 183-190; Sitzung des Partei- vorstandes, des Parteirates und der Kontrollkommission am 2. 7. 1964, AdsD, Parteivorstand. Partei- rat. Vom 30. Juni 1964 bis 11. Dezember 1964. In der Sitzung des Haushaltsausschusses beantragte die SPD am 11. 12. 1964, den Ansatz für die Parteien von 38 auf 20 Mio. DM zu verringern. Der An- trag wurde abgelehnt. Vgl. »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 404/64 vom 11. 12. 1964. 31 Zur Bedeutung des Wahlkampfabkommens für die SPD vgl. STRUVE, S. 143 f. 32 Im März 1965 begann die SPD jedoch mit einer entsprechenden Aktion für Soldatenbibliotheken, Studentenheime und Jugendheime; vgl. JAHRBUCH SPD 1964/65, S. 190-192. 33 In dieser Woche fand eine 3. Plenarsitzung am Freitag, dem 11. 12. 1964 statt; über die Vermögens- bildung beriet das Plenum am 22. 1. 1965. BT Sten. Ber. 56, S. 7571-7603; 57, S. 7776-7812. 34 Die Plenarsitzung am 10. 12. 1964 begann um 14.02 Uhr; BT Sten. Ber. 56, S. 7509. Nach der Frage- stunde zu Beginn der Sitzung begann kurz nach 15 Uhr die 2. und 3. Beratung des Nachtragshaus- halts 1964 (als TOP 17); ebd., S. 7522. Für die SPD-Fraktion sprachen Schoettle (S. 7522-7524) und Möller (S. 7529-7535).

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Unseren Antrag zur Großen Anfrage betrifft Überwindung des Bildungsnotstandes wird Fritz Erler begründen. Ulrich Lohmar und Karl Bechert werden sich in die Aus- sprache einschalten.35 In der Frage der Verjährung von NS-Verbrechen [werden wir] die Vorlage zusammen mit der CDU/CSU einbringen. FDP stimmt nicht zu.36 In der Wehrdebatte (2426)37 werden Ernst Paul und Karl Wienand sprechen. Vier wei- tere Genossen stehen zur Verfügung.38 Für den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages soll dessen Geschäftsordnung insoweit geändert werden, daß der Wehrbeauftragte auf Antrag eines Abgeordneten und bei Zustimmung weiterer 30 Mitglieder des Hauses vor dem Parlament sprechen kann.39 Die CDU möchte so verfahren, wie bei Mitgliedern der Bundesregierung. Wenn dieser Fragenkomplex auch politisch nicht viel beinhaltet, sollten wir den CDU-Antrag aber doch ablehnen.40 Zustimmung der Fraktion.

35 Zur Beratung ihrer Großen Anfrage vom 16. 10. durch das Plenum am 9. 12. 1964 hatte die SPD- Fraktion am 8. 12. 1964 einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem die BReg u. a. aufgefordert werden sollte, 1. »einen langfristigen nationalen Bildungsplan zu erarbeiten«, um das »bestehende Bildungsgefälle zwischen den Bundesländern« zu beseitigen, 2. die Ausgaben für Bildung und Wis- senschaft in Bund, Ländern und Gemeinden bis 1970 »auf mindestens 5,5% des Bruttosozialpro- dukts« zu steigern, 3. eine Koordinierung »der Maßnahmen in der Bildungs- und Wissenschaftspoli- tik« herzustellen und »die Gründung eines Wissenschaftsrates zu fördern«, 4. die Forschungsförde- rung des Bundes beim BM »für wissenschaftliche Forschung« zu konzentrieren, 5. sich beim Aus- und Neubau von Universitäten und Hochschulen zu beteiligen und 6. ein Forschungsförderungsge- setz vorzulegen. Wortlaut dieses Antrags in BT Sten. Ber. 56, S. 7501 f. (Anl. 3); auch als Anl. zum Prot. Vgl. Erlers Ausführungen zur Begründung der Großen Anfrage (S. 7431-7438) sowie die Reden von Lohmar (S. 7462-7466) und Bechert zur Begründung des Antrags (S. 7479 f.). 36 Der von CDU/CSU und SPD am 8. 12. 1964 gemeinsam eingebrachte Antrag – BT Anl. 94, Drs. IV/2823 – nahm in nur geringfügig veränderter Form die im SPD-Entwurf enthaltenen Forderungen auf. Zusätzlich wurde ein Vorspann vorgeschaltet, in dem die bisherigen Maßnahmen von Staatsan- waltschaften, Gerichten und der Zentralstelle in Ludwigsburg gewürdigt wurden sowie eine »ver- stärkte und beschleunigte Fortsetzung dieser Anstrengungen« verlangt und ein Aufruf der BReg vom 20. 11. 1964 »nachdrücklich« unterstützt wurde. Vgl. Nr. 95, Anm. 25 sowie die Erklärung von Jahn in »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 384/64 vom 3. 12. 1964. Vgl. Nr. 95, TOP 2 b. Bei der Beratung des Antrags am 9. 12. 1964 gab Jahn eine Erklärung für die SPD-Fraktion ab; BT Sten. Ber. 56, S. 7460 f. Der Antrag wurde »bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen«; ebd., S. 7462. 37 Bezieht sich auf Drs. IV/2426 (Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Lage in der Bundeswehr). 38 Die Große Anfrage der FDP – vgl. die vor. Anm. – wurde am 11. 12. 1964 zusammen mit dem Be- richt des Verteidigungsausschusses über den Jahresbericht 1963 des Wehrbeauftragten beraten. Für die SPD-Fraktion sprach Ernst Paul, BT Sten. Ber. 56, S. 7594-7596, sowie »zu einer persönlichen Erklärung« Wienand; ebd., S. 7603. 39 Die SPD-Fraktion hatte schon am 23. 6. 1963 einen dahingehenden Antrag »betr. Ergänzung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages« eingebracht; BT Anl. 92, Drs. IV/2403. Am 3. 12. 1964 legte der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung seinen Antrag zur Er- gänzung der GO um einen Abschnitt »X a. Der Wehrbeauftragte des Bundestages« vor. § 116 a be- zog sich auf die Wahl des Wehrbeauftragten »mit verdeckten Stimmzetteln« und § 116 b auf die »Be- richte des Wehrbeauftragten«. In § 116 c »Beratung von Berichten des Wehrbeauftragten« war in Abs. 1 vorgesehen, daß der Wehrbeauftragte dabei »das Wort ergreifen konnte, wenn ein Mitglied des Bundestages es verlangt und das Verlangen die Zustimmung von 30 anwesenden Mitgliedern des Bundestages findet«. Nach Abs. 2 konnte ferner jeder Abg. »Herbeirufung des Wehrbeauftragten« zu den Sitzungen verlangen; dem war stattzugeben, »wenn 30 anwesende Mitglieder des Bundestages zustimmen«. BT Anl. 94, Drs. IV/2797. 40 Der Änderungsantrag »Jaeger und Fraktion der CDU/CSU« vom 9. 12. 1964 sah dagegen für den Abs. 2 des § 116 c vor, daß jeder Abg. die »Herbeirufung des Wehrbeauftragten« beantragen konnte.

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Fritz Erler unterrichtet die Fraktion über den Stand der Dinge in der Frage der Neube- rufung eines Wehrbeauftragten. Während Vertreter des CDU-Fraktionsvorstandes angeblich »vertraulich und unver- bindlich« sondiert und dabei auch den Namen Hoogen erwähnt hätten, sei dieser be- reits in der Presse als Kandidat der CDU herausgestellt und heute einstimmig von der CDU-Fraktion vorgeschlagen worden.41 Der Vorstand schlägt vor, vor Weihnachten nicht mehr zu wählen und der Verwunde- rung Ausdruck zu geben, warum nicht wie bislang ein Unterausschuß eingeschaltet werden soll, um zu prüfen. Nach der Prüfung im Unterausschuß soll dann nach Weih- nachten entschieden werden.42 Auch der Sozialdemokratischen Fraktion liegt nichts an einer Verschleppung. Was den Vorschlag Hoogen angeht, sei zwar nicht zu übersehen, daß dessen Eigen- schaft als langjähriger Vorsitzender des Rechtsausschusses43 das Amt des Wehrbeauf- tragten aufwerten würde, [es] müsse aber auch die Person Hoogen berücksichtigt wer- den. Seine Funktion als Kriegsgerichtsrat gebe keine Veranlassung zu Bedenken44, wohl aber sein Verhalten als Vorsitzender eines Parlamentarischen Untersuchungsausschus- ses in der FIBAG-Affäre.45 Die Fraktion stimmt dem Vorschlag des Vorstandes zu.46 Zum Jugendarbeitsschutzgesetz spricht . Zustimmung zur Ausschuß- vorlage.47 Zum Nachtragshaushalt sprechen Erwin Schoettle und Alex Möller.48 Zur Enquete über die Situation der Frau im Beruf spricht Martha Schanzenbach.49 In der Frage eines Europäischen Jugendwerkes beschließt die Fraktion nach einer Aus-

»Der Antrag bedarf der Unterstützung von 30 anwesenden Mitgliedern des Bundestages. Über den Antrag entscheidet der mit einfacher Mehrheit.« BT Sten. Ber. 57, S. 7872 f. (Anl. 4 zur Sitzung vom 27. 1. 1965). Er lehnte sich an den § 46 der GO an, wonach jeder Abg. die »Herbeiru- fung eines Mitglieds der Bundesregierung beantragen« konnte. Über den Antrag, der die Unterstüt- zung von 30 Anwesenden brauchte, entschied das Plenum mit einfacher Mehrheit. 41 Vgl. Nr. 99, Anm. 2. 42 Zur Vorbereitung der Wahl des Wehrbeauftragten wurde vom Verteidigungsausschuß eine Fünfer- Kommission als Unterausschuß »Wahl des Wehrbeauftragten« bestellt, die zunächst ihr Votum ab- geben sollte. Vgl. »Der Spiegel« Nr. 51 vom 16. 12. 1964, S. 21. Der betreffende Artikel »Wehrbeauf- tragter« gibt Aufschlüsse über die Haltung der SPD zur Wahl des neuen Wehrbeauftragten, die ein- deutig auf Insider-Informationen beruhen. Vgl. auch Anm. 46. 43 Hoogen war von 1953-1964 Vors. des Rechtsausschusses. 44 Nach »Der Spiegel« Nr. 51 vom 16. 12. 1964, S. 21 amtierte Hoogen »ab August 1944 im Kurland- Kessel als Kriegsgerichtsrat« und kam Anfang 1945 »zum Feldgericht einer Flak-Division« in Süd- westdeutschland. 45 Vgl. Nr. 99, Anm. 2. 46 Im »Protokoll der Sitzung des Vorstandes am Dienstag, d. 8. 12. 1964«, AdsD, IV BT Fraktionsvor- stand, A, B, 1020 hieß es u. a., der »Vorstand ist nicht bereit, schon in dieser Woche zu wählen, die Bedenken gegen die Wahl Hoogen sind beträchtlich«. Vgl. auch »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 395/64 vom 8. 12. 1964, die Fraktion sei »einstimmig der Auffassung« gewesen, daß zunächst »der zur Vorbereitung dieser Wahl eingesetzte Unterausschuß des Verteidigungsausschusses« diese Frage erörtern müsse und »es sich dabei nicht nur um die Erörterung eines Personalvorschlages handeln könne«. Vgl. Nr. 99. 47 Zur 2. und 3. Beratung des Gesetzentwurfes der SPD-Fraktion, Änderung des Jugendarbeitsschutz- gesetzes am 9. 12. 1964, sprach für die SPD-Fraktion Ravens; BT Sten. Ber. 56, S. 7483 f. Der Bericht des Ausschusses für Arbeit vom 4. 11. 1964 ist abgedr. in BT Anl. 94, Drs. IV/2696. 48 Siehe Anm. 34.

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sprache, an der Harry Liehr, Kahn-Ackermann, Hans Hermsdorf und Heinrich Rit- zel teilnahmen, den Änderungsantrag der CDU abzulehnen und für den Antrag des Jugendausschusses zu stimmen.50 Bei der Aussprache über die Regierungserklärung zum Getreidepreis sollen auf keinen Fall eine Europadebatte provoziert, sondern nur die innenpolitischen Konsequenzen behandelt werden. (Martin Schmidt-Gellersen).51 Zu Punkt 3) der Tagesordnung: Vorlagen aus den Arbeitskreisen erläutern: Lucie Beyer 3 a, der Genosse Gscheidle 3 b und Martin Schmidt-Gellersen 3 c.52 Hans Hermsdorf bittet, die Hochseefischerei mit in 3 c aufzunehmen. Einstimmige Zustimmung der Fraktion zu allen 3 Vorlagen. Zu Punkt 4) der Tagesordnung: Termin noch offen.53 Zu Punkt 5) der Tagesordnung54: Fehlanzeige Ende der Fraktionssitzung: 17.15 Uhr Für das Protokoll: Drenhaus

49 Der Ausschußbericht zu den Anträgen »betr. Enquete über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft« vom 25. 11. 1964 (BT Anl. 94, Drs. IV/2771) wurde am 9. 12. 1964 vom Plenum beraten. Für die SPD-Fraktion sprach Schanzenbach; BT Sten. Ber. 56, S. 7489 f. 50 Der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen hatte sich in seinem Bericht zu dem SPD-Antrag »betr. Europäisches Jugendwerk« die Forderung der SPD-Fraktion im Kern zu eigen gemacht. Mit seinem Antrag vom 29. 11. 1964 wurde die BReg ersucht, »die Gründung eines europäischen Ju- gendwerks anzustreben« und »den Austausch und die Zusammenarbeit der jungen Generation in Europa in einer Weise zu fördern, die im Interesse der europäischen Integration liegt«. BT Anl. 94, Drs. IV/2772. Durch den Änderungsantrag, der aus der CDU/CSU- und FDP-Fraktion am 8. 12. 1964 eingebracht wurde, sollte die Aufforderung entfallen, ein europäisches Jugendwerk anzustre- ben. BT Sten. Ber. 56, S. 7503 (Anl. 6). Der Änderungsantrag wurde angenommen; ebd., S. 7498. Für die SPD-Fraktion sprachen in der Debatte am 9. 12. 1964 Liehr (S. 7492-7494) und Mommer (S. 7496 f.). 51 Siehe Nr. 97, bes. Anm. 3. 52 Es handelte sich um a) Kleine Anfrage »betr. Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus den Sitzverla- gerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben (Steueroasen)«, b) Kleine Anfrage »betr. Harmonisierung von Stellenplänen« und c) den »Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der landwirtschaftlichen Erzeugung an die Erfordernisse des Marktes (Marktstrukturgesetz)«. Die Vor- lage b) war vom AK Innenpolitik mit Datum »1. 12.« vorgelegt worden. Die Vorlage a) trug das Da- tum »3. 12.«; c) war undatiert (Anl. zum Prot.). Eingebracht wurden alle Vorlagen am 8. 12. 1964, BT Anl. 94, Drs. IV/2820, 2821, 2822. 53 In der TO für die Fraktionssitzung – Anl. – war unter »4. Die nächsten Termine« nur eine »Vor- standssitzung« am 10. 12. 1964, 18.00 Uhr vermerkt. 54 D. h. »Verschiedenes«.

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