Atomwaffenforschung in Berlin? - Chronik Mit Hintergründen
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Stand: 25. November 2020 Atomwaffenforschung in Berlin? - Chronik mit Hintergründen - Vorbemerkung 1 1887–1940 Großforschung im Dienst von Deutschland 2 1941 – 1944 Wettlauf um die erste Atombombe 3 1945 Deutsches Bombenexperiment – US-Atombomben auf Japan 3 1946–1954 Verdeckte Atombombenforschung und Remilitarisierung der Bundesrepublik 4 1955–1965 Der Rückstand im Atombomben-Knowhow wird aufgeholt 6 1965–1969 Die BRD übt den Atomkrieg und hilft anderen Staaten beim Aufstieg zur Atommacht 16 1970–1978 Großforschungseinrichtungen werden nach militärischen Erfordernissen strukturiert 17 1979–1985 Stationierung neuer Atomraketen in der BRD – Exzellente Abrüstungspolitiker/in und ein Ministerpräsident mit geheimem militärischen Wissen sterben eines gewaltsamen Todes 18 1985–1997 Exkurs: Der Prozess gegen das HMI 27 1986–1990 Militarisierung des Weltraums – Ein Atomwaffenexperiment läuft schief 44 1990–1999 Einigungsvertrag – Gleichschaltung der DDR-Wissenschaft 46 2000–2013 Mit Erneuerbare Energien in die Zukunft – Mit Fusionstechnologie zur Großmacht? 53 2014–2020 Mittel für Erneuerbare Energien werden gekürzt – Forschungsgelder für Nuklearenergien werden erhöht 63 2020 Öffentliches Eintreten für eine eigene Atombombe 74 Ausblick 81 Stichwortverzeichnis 83 Vorbemerkung Eine Meldung, die aufhorchen lassen sollte, gab für diese Arbeit den Ausschlag. Anfang dieses Jahres verlautbarte der stellvertretende CDU-Vorsitzende, Johann Wadephul, dass Deutschland bereit sein sollte, sich mit eigenen atomaren Waffen an der „Nuklearen Abschreckung“ zu beteiligen. Nach zwei verheerenden Weltkriegen eine Ungeheuerlichkeit. Um nicht hinzunehmen, dass Deutschland mit einer militärisch gestärkten EU und eigenen Atomwaffen mehr „Verantwortung“ in der Welt übernehmen kann, soll der Griff nach einer Atombombe mit der nachfolgenden Chronik bekannter gemacht werden. An Beispielen wird beleuchtet, wie sich Politik, Rüstungsforschung und Rüstungsindustrie gegenseitig hochschaukeln und welche Rolle besonders die Großforschung spielt. In den von „Neue Verlagsgesellschaft der Frankfurter Hefte mbH.“ im Jahr 1973 1 herausgegebenen „Frankfurter Hefte – Zeitschrift für Kultur und Politik“ kritisiert der Soziologe Uwe Schimank die Großforschung als ein verselbständigtes gesellschaftliches Teilsystem, das gegen Kritik an seiner die Umwelt zerstörenden Wirkung immun ist. Im Folgenden wird dargestellt, ob sich daran mittlerweile etwas geändert hat. Wie ein Anwohner des Hahn-Meitner Großforschungsinstituts in Berlin Wannsee gegen die risikobelastete Kapazitätserweiterung des Atomreaktors klagt und zusammen mit solidarischer Unterstützung der Bevölkerung die Justiz über zwölf Jahre in Atem hält und einen Richter in Gewissenskonflikte stürzt, wird in kursiver Schriftform dargestellt. 1887–1940 Großforschung im Dienst von Deutschland 1887: Den Grundstein für die Berliner Großforschung legte der Industrielle Werner von Siemens. Auf seine Anregung hin wurde zur Förderung exakter Naturforschung und Präzisionstechnik im nationalen Interesse von Wissenschaft, Handel und Militär die erste staatlich finanzierte außeruniversitäre Großforschungseinrichtung in Deutschland, die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Berlin-Charlottenburg, gegründet. Erster Präsident war 1888 der als „Reichskanzler der Physik“ bekannte Naturwissenschaftler Hermann von Helmholtz. Unter seiner Leitung verbanden von Lehrveranstaltungen freigestellte Wissenschaftler die Grundlagenforschung mit Dienstleistungen für die Industrie. Davor war die Forschung vom Humboldtschen Bildungsideal der Einheit von Lehre und Forschung unter Einbeziehung der gesamten Erkenntnisse aus Natur- und Geisteswissenschaften geprägt. Ihr Ziel war die Bildung einer selbst bestimmten vernunftgeleiteten Persönlichkeit, die fähig ist, die Folgen ihres Tuns mitzudenken. Die Gründung außeruniversitärer Einrichtungen bedeutete einen Paradigmenwechsel. Nicht mehr die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Wissenschaftlers stand im Vordergrund, sondern der Wissenschaftler als Dienstleister einer konkurrenzgetriebenen, kapitalistischen Wirtschaft und einer von Großmachtinteressen geprägten Politik. 1911: Nachdem in den USA eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat, wird in Berlin die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) gegründet. Sie soll weitere - lenkbare - Großforschungsinstitute entwickeln und betreuen. 1912: Die ersten Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) entstehen. Dazu gehört das Kaiser- Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem. 1938: Lise Meitner, Otto Hahn und Fritz Straßmann entdecken am Kaiser-Wilhelm- Institut in Berlin-Dahlem (Lise Meitner war schon in ihrem Exil in Schweden) die Kernspaltung von Uran-Atomen. - Der Geist ist aus der Flasche. Schon im I. Weltkrieg unter Kaiser Wilhelm war Otto Hahn maßgeblich am Giftgaseinsatz beteiligt. Nun bietet er seine Dienste zur Entwicklung einer Atombombe Hitler an. Der US-amerikanische Wissenschaftshistoriker Mark Walker legt in seinem 1990 erschienenen Buch „Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe“ dar: „So ist zum Beispiel erst jetzt aktenkundig geworden, dass sogar Otto 2 Hahn, von dem man annahm, dass er sich jeder Zusammenarbeit mit den Behörden des Dritten Reiches enthalten habe, regelmäßig an das Heereswaffenamt über die mögliche Verwendung der Arbeiten seines Instituts zu militärischen Zwecken berichtet hat.“ In sein Tagebuch notiert Hahn: „Unsere Vorträge im Forschungsrat: guter Eindruck.“ 1941 – 1944 Wettlauf um die erste Atombombe Oktober 1941: Die militärischen Forschungsarbeiten sind soweit gediehen, dass Werner Heisenberg und sein Schüler Carl Friedrich von Weizsäcker fest davon überzeugt sind, mit einem Reaktor könne der Bombenstoff Plutonium erbrütet werden. 1942: Beginn des Manhattan-Projekts der USA, mit dem Ziel, Hitlers "Wunderwaffe" zuvorzukommen. Als Einsatzziele sind Berlin und das Industriegebiet Mannheim-Ludwigshafen vorgesehen. Oktober 1944: Von jetzt an arbeiten Heisenberg und von Weizsäcker in einer Felsenhöhle unter der barocken Kirche des schwäbischen Städtchens Haigerloch an der Fortführung ihres Reaktorprojekts zur Erbrütung von Plutonium. Bis Kriegsende erwirbt von Weizsäcker mehrere Patente auf Plutoniumbomben; der Prototypreaktor erreicht 85 % der kritischen Größe. 1945 Deutsches Bombenexperiment – US-Atombomben auf Japan 4. März 1945: Der Kernphysiker und Sprengstofffachmann Kurt Diebner führt gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, dem Kernphysiker Erich Bagge, auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen ein besonderes Experiment mit spaltbarem Material durch. Da sie zu dieser Zeit nur über wenige Gramm spaltbaren Materials verfügen, bringen sie die Bombe mit konventionellem Sprengstoff zur Explosion. Hunderte von KZ-Häftlingen, die in der Nähe gruppiert waren, sterben. Im Buch „Hitlers Bombe“ beschreibt der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch den Krater, den die Testexplosion im Boden hinterlassen hat. - Der Vorläufer einer Mininuke? 8. Mai 1945: Deutschland kapituliert. Japan signalisiert Kapitulationsbereitschaft. 24. Juli 1945: Als Demonstration der Macht gegenüber der Sowjetunion bereitet der amerikanische Präsident Truman während der Konferenz in Potsdam-Babelsberg den Abwurf von Atombomben über Japan vor. 2. August 1945: Mit dem Beschluss der Potsdamer Konferenz soll Vorsorge getroffen werden, dass von deutschem Boden nie wieder Faschismus und Krieg ausgehen. Dazu werden u. a. alle militärischen Anlagen einschließlich Forschungs- und Versuchsanstalten sowie grundlegende naturwissenschaftliche Forschung, aus der sich ein militärischer Nutzen ziehen lassen könnte, verboten. Das gänzliche Verbot von Wiederbewaffnung und atomarer Großforschung gilt für das später von den drei 3 Besatzungsmächten USA, England und Frankreich kontrollierte Westberlin bis zur Gewährung der vollständigen Souveränität 1990. 6. August 1945: Die USA zünden "Little Boy" - eine Uranbombe - über der japanischen Stadt Hiroshima. Innerhalb weniger Minuten werden 120 000 Menschen getötet und 80% der Stadt dem Erdboden gleich gemacht. 9. August 1945: Die USA zünden "Fat Man" - eine Plutoniumbombe - über Nagasaki. 80.000 Menschen, überwiegend Zivilisten, sterben; die Stadt ist zerstört. 1946–1954 Verdeckte Atombombenforschung und Remilitarisierung der Bundesrepublik 1946: Ungeachtet bestehender Verbote setzen Heisenberg und Max von Laue nach ihrer Entlassung aus englischer Kriegsgefangenschaft in Göttingen ihre Atomforschung fort. Dazu eröffnen sie unter dem Namen Max-Planck-Institut für Physik (MPI für Physik) ein dem KWI für Physik nachfolgendes Institut. Im Jahre 1958 wird das Institut an seinen heutigen Standort im Münchner Norden verlegt und zum Max-Planck-Institut für Physik und Astrophysik erweitert, mit Werner Heisenberg und Ludwig Biermann als Ko- Direktoren. 2. Februar 1947: Der „Tagesspiegel“ meldet: „Der amerikanische Atomenergie- Ausschuss gab in seinem ersten offiziellen Bericht an den Kongress bekannt, dass er seine Hauptaufgabe darin sehe, die Entwicklung der Atomenergie voranzutreiben, um bessere Atomwaffen für Amerika herzustellen.“ Die Sowjetunion ruft zu einer sofortigen internationalen, bedingungslosen Ächtung nuklearer Massenvernichtungswaffen auf. Ein Appell an die menschliche Vernunft und den Selbsterhaltungstrieb – er wird von den USA ignoriert. 26. Februar 1948: Otto Hahn und Ernst Telschow gründen in Göttingen als Nachfolgeorganisation der früheren KWG die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (MPG). Sie wird zur Wiege der modernen MPG. Zwei Tage zuvor ist das 1946 gegründete Max-Planck-Institut