Heft 30 Borodziej.Pdf
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Włodzimierz Borodziej/Jerzy Kochanowski/Bernd Schäfer Grenzen der Freundschaft Zur Kooperation der Sicherheitsorgane der DDR und der Volksrepublik Polen zwischen 1956 und 1989 Berichte und Studien Nr. 30 Herausgegeben vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden Włodzimierz Borodziej Jerzy Kochanowski Bernd Schäfer Grenzen der Freundschaft Zur Kooperation der Sicherheitsorgane der DDR und der Volksrepublik Polen zwischen 1956 und 1989 Dresden 2000 Herausgegeben vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. an der Technischen Universität Dresden Mommsenstr. 13, 01062 Dresden Tel. (0351) 463 2802, Fax (0351) 463 6079 Layout: Walter Heidenreich Umschlaggestaltung: Penta-Design, Berlin Druck: Sächsisches Druck- und Verlagshaus AG, Dresden Printed in Germany 2000 Abdruck und sonstige publizistische Nutzung – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar gewünscht. ISBN 3-931648-33-8 Inhaltsverzeichnis Bernd Schäfer Einleitung 7 Włodzimierz Borodziej/Jerzy Kochanowski Der DDR-Staatssicherheitsdienst und ein befreundetes Nachbarland: Das Beispiel Volksrepublik Polen 9 Bernd Schäfer Grenzüberschreitende Kirchenpolitik. Die Kooperation von Staatsorganen der DDR und der VR Polen von den fünfziger Jahren bis 1989 37 Abkürzungsverzeichnis 89 Einleitung Im Herrschaftsbereich der Sowjetunion existierte in Mittel- und Osteuropa seit Ende der vierziger Jahre bis 1989 ein sogenanntes „sozialistisches La- ger“, dessen Mitglieder zur gegenseitigen „Brüderlichkeit“ verpflichtet wa- ren. Während echte Freundschaften auf Freiwilligkeit beruhen, werden Verwandtschaftsverhältnisse nicht selten als aufgezwungen betrachtet und gestalten sich entsprechend verkrampft. Auch auf das Verhältnis zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen lässt sich ein populärer Witz anwenden, der in der vormals sowjetischen Einfluss- sphäre kursierte: „Sind die Russen unsere Freunde oder unsere Brüder? Sie sind natürlich unsere Brüder, denn Freunde kann man sich aussuchen.“ Das Verhältnis der DDR zur Volksrepublik Polen war darüber hinaus aber mehr als nur verkrampft. Seit 1956 entwickelten sich die beiden sozia- listischen Länder völlig konträr, was ihre innere Stabilität durch Sozial- und Konsumpolitik sowie geheimdienstliche Repression anging. Die Versor- gungskrisen des östlichen Nachbarn, der offenkundige „Revisionismus“ in der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei und der relativ kleine, zumeist überforderte Sicherheitsapparat waren für die DDR-Führung und ihr Minis- terium für Staatssicherheit (MfS) Anlass zu „höchster Wachsamkeit“. Aus Ostberliner Sicht war Polen spätestens seit den Streiks von 1980 ein hohes Sicherheitsrisiko für den Bestand des gesamten sozialistischen Lagers. Nach den sowjetischen Interventionsdrohungen und der vorübergehenden Kon- fliktlösung durch die Verhängung des Kriegsrechtes im Dezember 1981, bemühte sich die DDR in präzedenzloser Weise, zur „Stabilität des Sozialis- mus“ in Polen durch die Unterstützung der „echten kommunistischen Kräfte“ gegen die „Revisionisten“ und „Oppositionellen“ beizutragen. In Absprache mit dem Sicherheitsdienst im Warschauer Innenministerium intervenierte die DDR Anfang 1982 mit hauptamtlichem Personal des MfS, das auf polnischem Boden tätig wurde. Neben der auf diesem Gebiet bereits seit längerem erfolgreichen DDR-Botschaft in Warschau schuf sich der Staatssicherheitsdienst ein Netz von Informanten im polnischen Staats- und Parteiapparat, in gesellschaftlichen Organisationen und unter Privatperso- nen. Doch Polen sollte sich als hoffnungsvoller Fall für das sozialistische Lager erweisen, wovon die zwischen 1982 und 1989 nach Ostberlin gelan- genden Berichte der DDR-Akteure in ihrer Frustration oft beredtes Zeugnis ablegen. Włodzimierz Borodziej und Jerzy Kochanowski widmen sich in einem Überblick über die Zeit zwischen 1956 und 1989 der mehr oder weniger effektiven Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsdiensten der Volks- republik Polen und der DDR, wobei ihr Schwerpunkt auf der Periode nach 1980 liegt. Sie konnten für ihre Studie umfangreiche Aktenbestände der 7 Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes in Berlin auswerten. Zur Erforschung dieses wichtigen Teilbereiches der ostdeutsch-polnischen Beziehungen sind diese Akten des MfS angesichts des nach wie vor unbefriedigenden Archivzugangs im heutigen Polen ein unerlässlicher Quellenfundus. Bernd Schäfer beschäftigt sich für denselben historischen Zeitraum mit den Möglichkeiten und Grenzen der Kooperation auf dem Gebiet der Kirchenpolitik. Durch die starke gesellschaftliche Stellung des Katholizismus im sozialistischen Polen und die politischen Wirkungen, die ein polnischer Papst in Rom seit 1978 auslöste, war dieser Teilbereich im Verhältnis von Warschau und Berlin von überproportionaler Bedeutung. Neben der Zusam- menarbeit der Sicherheitsdienste Polens und der DDR werden auch die bila- teralen und multilateralen Beziehungen der Staatsämter für Kirchenfragen thematisiert. Nicht zuletzt legen beide Studien dar, mit welcher Arroganz der selbst- ernannte sozialistische Musterstaat der DDR seine Nachbarn bevormunden wollte und wie er sich besten Gewissens in ihre inneren Angelegenheiten einmischte. Dabei ging er nirgendwo so weit wie in den achtziger Jahren gegenüber der Volksrepublik Polen. Die Machthaber in Berlin mit ihrem schematischen Antifaschismus sprachen sich von jeder historischen Mit- verantwortung für die Grausamkeiten im deutsch-polnischen Verhältnis in der ersten Hälfte des Jahrhunderts frei. Somit hatten sie keinerlei Skrupel, mit ihren Mitteln dazu beizutragen, eine äußerst unpopuläre Richtung in der Regierungspartei gegen den überwältigenden Willen des polnischen Volkes an der Macht zu halten. Dass dieses Unterfangen letztlich vergeblich war und in der Konsequenz auch den Untergang der DDR mit herbeiführte, entbindet die Geschichtsschreibung nicht von der Rekonstruktion dieser Zusammenhänge. Bernd Schäfer 8 Włodzimierz Borodziej/Jerzy Kochanowski Der DDR-Staatssicherheitsdienst und ein befreundetes Nachbarland: Das Beispiel Volksrepublik Polen Diese Studie stützt sich auf eine materialintensive Recherche im Archiv des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) in Berlin sowie auf einige Akten, die den Verfas- sern im Zentralarchiv des Innenministeriums in Warschau (Centralne Archi- wum Ministerstwa Spraw Wewnętrznych i Administracji/CA MSWiA) zur Verfügung gestellt worden sind. Zu verstehen ist sie als eine Einführung in einen wichtigen Teilbereich der Beziehungen zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen (VRP). Die Forschungsliteratur zu diesem Thema ist bescheiden, denn für die deutschen Historiker, die sich mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beschäftigt haben, war dessen „Polish Connec- tion“ aus verständlichen Gründen kaum mehr als ein wichtiges Nebengleis. Polnische Historiker, die über den realsozialistischen Unterdrückungsappa- rat arbeiten, gibt es in wesentlich geringerer Zahl. Der Zugang zu den Akten in Polen ist nur notdürftig und keineswegs generös geregelt, und auch für die dortigen Historiker steht die Aufarbeitung der innenpolitischen Rolle von Polizei und Sicherheitsdienst im Vordergrund. Die Kenntnis der für das Thema „DDR-Staatssicherheitsdienst und VRP“ relevanten Quellen dürfte daher auf beiden Seiten der Oder noch immer ungenügend sein. Weil aber die Thematik der geheimdienstlichen Kooperation in der öffentlichen Dis- kussion der neunziger Jahre in Polen mehrmals eine wichtige Rolle gespielt hat und weil sich trotz des Wissens um die noch unvollständige Kenntnis aller relevanten Akten einige Probleme und Zusammenhänge doch sehr deutlich abzeichnen, erscheint zumindest ein erster Versuch der historischen Darstellung angebracht. Dass es sich bei diesem Versuch nur um einen vor- läufigen Aufriss handeln kann, der erste Schwerpunkte benennt, wie sie hauptsächlich aus der Perspektive der MfS-Akten herauszulesen sind, ist ebenso evident wie die gänzlich unoriginelle Prophezeiung, dass in zehn oder zwanzig Jahren ein wesentlich schärferes Bild rekonstruierbar sein wird. 9 1. Die institutionelle Entwicklung des Sicherheitsdienstes in der Volksrepublik Polen Die Politische Polizei östlich der Oder hatte eine längere Tradition als in der DDR. Ein Ministerium für Öffentliche Sicherheit (Ministerstwo Bezpieczeń- stwa Publicznego/MBP1) war vor 1939, in der Zeit der autoritären Militär- diktatur, unbekannt. Es entstand erstmals zusammen mit der ersten kommu- nistischen Regierung Polens am 21. Juli 1944. Von Beginn an war es fest in den Händen der Kommunisten und erlebte seine Blütezeit zwischen 1948 und 1954, als das Kürzel „UB“ (Urząd Bezpieczeństwa/Amt für Sicherheit) zum Symbol uneingeschränkter Herrschaft wurde, nicht zuletzt über die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP) selbst. Im Dezember 1954 wur- de das Ministerium aufgelöst und seine Dienste aufgeteilt in das Innenminis- terium (Ministerstwo Spraw Wewnętrznych/MSW) und ein Komitee für Öffentliche Sicherheit (Komitet do Spraw Bezpieczeństwa Publicznego/ KBP), das direkt dem Ministerrat unterstellt war. Dieses Komitee und mit ihm die Politische Polizei wurden aber bereits Ende 1956 nach dem Um- bruch vom Oktober dieses Jahres in das Innenministerium eingegliedert, so dass in Volkspolen im Unterschied zu anderen realsozialistischen Ländern die Politische Polizei die längste Zeit ihrer Existenz dem Innenminister un- terstellt war, der in den Nachbarländern