FORUM | Hermann /Buljevic, „Lex Werder“ – die Bremer Lösung zur Polizeikostenbeteiligung an kommerziellen Großveranstaltungen

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„Lex Werder“ – die Bremer Lösung zur Polizeikostenbeteiligung an kommerziellen Großveranstaltungen Von Dr. Tobias Hermann und Daniel Buljevic*

I. Einführung II. Die Problemkreise der „Bremer Lösung“ Die Freie Hansestadt hat eine eigenständige Ermächti- 1. Polizeirechtliche Erstattungspflicht des Veranstalters gungsgrundlage geschaffen, um kommerzielle Großveranstalter Da in Bremen der Weg über die Einführung eines eigenständigen an den Kosten für Polizeieinsätze zu beteiligen. Anlass für diesen Gebührentatbestandes im BremGebBeitrG gewählt wurde,7 ist bundesweit diskutierten Vorstoß war das Anliegen des Bremer fraglich, ob nicht schon eine Verantwortlichkeit der DFL bzw. von Senats nicht auf den Mehrkosten für die Polizeieinsätze von ca. Werder Bremen auf polizeirechtlicher Grundlage in Betracht käme. EUR 300.000 pro sog. Risikospiel des SV Werder Bremen in der Sekundäransprüche aus Ersatzvornahme, unmittelbarem Zwang Fußball- sitzen zu bleiben.1 Um dieses Vorhaben in oder Sofortvollzug richten sich gegen die auf der Primärebene die Tat umzusetzen, wurde hierzu seitens der Bremischen Bür- für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit verantwortlichen gerschaft im Oktober 2014 eine Änderung des Gebühren- und Störer. Insofern besteht grundsätzlich eine Akzessorietät zwischen Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG) mit Stimmen der Regierungs- Störereigenschaft und Kostentragungspflicht, wobei von diesem fraktionen beschlossen,2 nachdem zunächst noch eine Regelung Grundsatz z.B. beim Anscheinsstörer eine Ausnahme gemacht wird.8 in einer Rechtsverordnung für ausreichend gehalten wurde. Die Es stellt sich bereits die Frage, ob eine Ersatzvornahme in der Neuregelung ist am 08.11.2014 in Kraft getreten. Als Adressaten vorliegenden Konstellation überhaupt möglich ist. Voraussetzung eines etwaigen Gebührenbescheides kommen die Deutsche Fußball für eine Ersatzvornahme wäre die Verpflichtung, eine vertretbare Liga GmbH (DFL) sowie Werder Bremen in Betracht. Die DFL Handlung vorzunehmen, die durch einen anderen möglich ist hat bereits angekündigt, die Kostenbescheide im Innenverhältnis an Werder Bremen weiterzuleiten und sich dagegen rechtlich zur (§ 15 BremVwVG). Ein Kostenerstattungsanspruch des Veran- Wehr zu setzen.3 Der Deutsche Fußballbund entzog Bremen als stalters unter dem Gesichtspunkt der Ersatzvornahme würde Reaktion auf das Gesetzesvorhaben sogar das EM-Qualifikati- also voraussetzen, dass der Pflichtige zunächst im gestreckten onsspiel gegen Gibraltar im November 2014 und verwies auf Verfahren durch schriftlichen Verwaltungsakt dazu aufgefordert eine Vereinbarung der Innenministerkonferenz, von der Bremen wird, die Gefahrenquelle mit eigenen Mitteln zu beseitigen (§ 11 als einziges Bundesland abgewichen sei.4 I BremVwVG). Dabei liegt die Besonderheit vorliegend darin, Neben der gesellschaftlichen Fragestellung, ob es gerechtfertigt dass die Gefahrenquelle jedenfalls auch außerhalb des Stadions erscheint, einen Fußballverein an Polizeikosten für Einsätze, die liegt, nämlich im Rahmen der An- und Abreise randalierender an einem anderem Ort als dem eigentlichen Veranstaltungsort Zuschauer. Außerhalb des Stadions, z.B. auf Bahnhöfen, hat der stattfinden zu beteiligen,5 sind die damit aufgeworfenen juris- Veranstalter (vorliegend Werder Bremen bzw. die DFL) jedoch tischen Fragestellungen genauso umstritten. Dies wird u.a. da- durch deutlich, dass der Gesetzgeber von seinem ursprünglichen * Tobias Hermann arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Cronemeyer & Grulert Rechtsanwälte in und ist außerdem bundesweit Plan eine Kostenerhebung über eine bloße Rechtsverordnung als Rechtsdozent tätig. Daniel Buljevic ist Kandidat der Bremer CDU zu begründen, abgewichen ist und nunmehr eine eigenständige für den 18. Deutschen Bundestag und steht kurz vor Abschluss seines 1. Juristischen Staatsexamens. gesetzliche Grundlage im BremGebBeitrG geschaffen hat. Die 1 Die Risikospiele werden von der Innenbehörde festgelegt. Als Risiko­ Vereine der Fußball-Bundesliga stehen in dieser Frage seit jeher auf spiel gilt insbes. das Nordderby gegen den Hamburger SV, wobei mit dem Standpunkt, dass die Kosten für derartige Einsätze aus dem einem Einsatz von bis zu 1.500 Beamten gegenüber ca. 120 Beamten bei normalen Spielen gerechnet wird. allgemeinen Steueraufkommen zu tragen sind. Schließlich handelt 2 Bremische Bürgerschaft, DS. 18/1502; DS. 18/1591. es sich bei der Gefahrenabwehr um eine klassische Staatsaufgabe 3 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 33 vom 17.08.2014, S. 9: und die Veranstalter üben zudem nur ihre Grundrechte aus. „DFL: Bremen will mit Krawallen Geld verdienen“, Interview mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der DFL Christian Seifert. Eine automatische Kostenfreiheit wird sich jedoch auch aus 4 http://www.dfb.de/news/detail/dfb-praesidium-vergibt-laender- den Grundrechten der Veranstalter nicht per se herleiten lassen, spiel-gegen-gibraltar-nach-nuernberg-61080/. 5 Siehe hierzu auch die mediale Diskussionen, bspw. in FAZ: http://www. da dem Gesetzgeber im Gebührenrecht ein erheblicher Gestal- faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/1700-risiko-fans- tungsspielraum zusteht.6 Welche grundsätzlichen rechtlichen fussballeinsaetze-kosten-38-millionen-euro-12730561.html oder Spiegel: Probleme die „Bremer Lösung“ über eine Änderung des Gebüh- http://www.spiegel.de/sport/fussball/bundesliga-bremer-regelung-zu- polizei-kosten-fragwuerdig-a-999432.html. renrechts mit sich bringt, soll in diesem Beitrag näher beleuchtet 6 Ausführlich dazu: Wahlen, Polizeikostenerstattung kommerzieller werden. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die Reichweite des Großveranstaltungen, S. 63 ff. 7 DS 18/1502. sog. Vorteilsprinzips im Gebührenrecht sowie die Bestimmtheit 8 Näher dazu: Sailer, Haftung für Polizeikosten, in: Lisken/Denninger, der gesetzlichen Regelung. Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Rn. 50.

198 | NordÖR 5/2015 Hermann /Buljevic, „Lex Werder“ – die Bremer Lösung zur Polizeikostenbeteiligung an kommerziellen Großveranstaltungen | FORUM keinerlei Befugnisse zur Ausübung von Ordnungsgewalt. Ihm mit der Schaffung eines Gebührentatbestandes in der Kostenverord- wäre die Beseitigung der Gefahr daher rechtlich unmöglich. nung für die Innere Verwaltung (InkostV).21 Dies sollte sich jedoch Auf der Primärebene wäre weiterhin zu überlegen, ob der Veran- im Laufe der Auseinandersetzung mit diesem Thema ändern.22 stalter überhaupt polizeipflichtig ist. In Betracht kommt hier eine Dennoch soll der Vollständigkeit halber in der gebotenen Kürze Inanspruchnahme als sog. „Zweckveranlasser“. Der Zweckveran- dargelegt werden, welche rechtlichen Probleme die ursprünglich lasser ist ein umstrittener Unterfall der Polizeipflichtigkeit des Ver- vorgesehene „Bremer Lösung“ mit sich brachte. Um das Vorhaben haltensstörers.9 Verhaltensstörer ist nach der herrschenden Theorie der Beteiligung an Polizeikosten durchzusetzen, wurde zunächst eine der unmittelbaren Verursachung grundsätzlich nur derjenige, der bei Änderung des Gebührenrechts in § 4 I Nr. 2 BremGebBeitrG und wertender Betrachtung die Gefahrengrenze überschreitet und damit in § 13 I BremGebBeitrG mit der jeweiligen Streichung des Wortes als zeitlich letztes Glied der Kausalkette die unmittelbare Ursache „überwiegend“ von der Bremischen Bürgerschaft beschlossen.23 für den Eintritt der Gefahr setzt.10 Dies wären vorliegend die randa- Dies allein stellt noch keine taugliche Grundlage für die Erhebung lierenden Zuschauer. Der „Zweckveranlasser“ stellt eine Ausnahme von Gebühren in oben genannter Weise dar. Daher wollte der Senat von der unmittelbaren Verursachung dar. Als solcher wird derjenige auf Grund dieser Änderung des Gebührenrechts einen Gebühren- verstanden, der die Gefahr bzw. Störung subjektiv bezweckt11 oder tatbestand in die InkostV aufnehmen.24 dessen Verhalten die Störung zwangsläufig nach sich zieht.12 Fraglich Auf dieser Grundlage sollten dann entsprechende Gebühren- ist, ob ein Veranstalter von Fußballspielen hierunter zu fassen ist. Eine bescheide erlassen werden.25 Die grundsätzliche Ermächtigung solche mittelbare Verantwortlichkeit könnte damit begründet werden, des Senats für die Schaffung von Gebührentatbeständen in der dass sich die Gefahren, welche von Teilen des Publikums (beispiel- InKostV ergibt sich aus den §§ 3 I,26 II, 4 und 12 BremGebBeitrG haft einer Hooligan-Gruppe) ausgehen, als zwangsläufige Folge der i.V.m. § 3 Nr. 1 InKostV. 13 Veranstaltung eines Bundesligaspiels darstellen. Der Veranstalter Es stellt sich diesbezüglich jedoch die Frage, ob ein auf Grundlage müsste sich in diesem Fall das störende oder gefährdende Verhalten von § 3 I BremGebBeitrG durch den Senat festgesetzter Gebühren- Dritter zurechnen lassen, auch wenn ihm dieses unerwünscht ist14 und er sogar besondere Maßnahmen zur Gewaltprävention ergreift. 9 Siehe dazu § 5 Abs. 1 BremPolG: „Verursacht eine Person eine Gefahr, so Eine solche Ausdehnung der Polizeipflicht ist jedoch im Hinblick sind die Maßnahmen gegen sie zu richten.“ auf die damit verbundenen Eingriffe in die Berufs- und Eigen- 10 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016 (1016); OVG Münster, NVwZ 1985, 355 (355); Schoch, JuS 1994, 932, (932, Fn. 10 m.w.N.); ablehnend: Erbel, JuS tumsfreiheit des Veranstalters abzulehnen, weil anderenfalls jede 1985, 257 (261 ff.). Veranstaltung dieser Art bereits eine Polizeipflichtigkeit begründen 11 VGH München, DVBl 1979, 737 f.; Selmer, JuS 1992, 97 (99 ff.). würde.15 Zwar besteht der Schutz der genannten Grundrechte 12 OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 638 (638 f.); Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 15. Aufl. 2013, § 9, Rn. 22. nicht schrankenlos, dennoch ist hier nicht einzusehen, warum ein 13 Götz, § 9, Rn. 31; Broß, DVBl. 1983, 377 (380); Lege, VerwArch 89 (1998), 71 (85). Veranstalter, der lediglich in Ausführung seiner Grundrechte eine 14 Schoch, JuS 1994, 932 (933). erlaubte Handlung vornimmt, polizeipflichtig sein soll.16 Sofern 15 So auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2013, § 4 Rn. 245. Auf die genaue Einordnung des Rechts am eingerichteten und ausge- der Veranstalter tatsächlich als Störer zu qualifizieren wäre, müsste übten Gewerbebetrieb in den Schutzbereich des Art. 12 oder Art. 14 GG die Polizei in letzter Konsequenz sogar Spiele absagen oder mas- soll an dieser Stelle verzichtet werden. 16 Hartmann, JuS 2008, 593 (594): „Wer sich rechtmäßig verhält, ist da- sive Beschränkungen („Geisterspiele“) vornehmen. Jedenfalls eine nach weder verhaltens- noch zustands-, sondern allenfalls notstands- komplette Spielabsage wäre mit den Grundrechten des Veranstalters pflichtig.“ Ausführlich dazu: Wahlen, Polizeikostenerstattung kom- aus Art. 12 und 14 GG kaum zu vereinbaren.17 Da es sich bei dem merzieller Großveranstaltungen, S. 19 ff. 17 Gröpl, in GG, Art. 12 Rn. 51. Zweckveranlasser um eine Ausnahme von der Polizeipflicht des 18 Ebenso: Braun, Die Polizei 2013, 321 (322); Schmidt, ZRP 2007, 120 (120); unmittelbaren Verursachers handelt, ist diese Rechtsfigur ohnehin Siegel, DÖV 2014, 867 (869); derselbe, NJW 2013, 1035 (1038); Steiner, restriktiv auszulegen. Folglich liegen die Voraussetzungen einer Verwaltungsrecht BT, S. 289, Rn. 158; siehe auch Deusch, Polizeiliche Gefahrenabwehr bei Sportgroßveranstaltungen, 2005, 128 (142 ff.); Inanspruchnahme des Veranstalters als Zweckveranlasser nicht vor.18 Fritzweiler in: Praxishandbuch Sport, S.80 Rn. 78. Vor diesem Hintergrund hat der Bremer Gesetzgeber die Rechts- 19 DS.18/1501, S.15, 16. 20 Siehe dazu §§ 56 ff. BremPolG. figur des Zweckveranlassers zur Begründung einer Gebühren- 21 DS. 18/1501, S. 19, 29. pflicht abgelehnt.19 22 Vgl. DS 18/1591, S.2. Schließlich würde eine Inanspruchnahme des Veranstalters im Wege 23 DS. 18/1502. § 4 I Nr. 2 BremGebBeitrG: „Verwaltungsgebühren werden für die Vornahme von Amtshandlungen erhoben, die aufgrund gesetzli- des polizeilichen Notstandes auch von der Rechtsfolge her nicht cher Ermächtigung im (überwiegenden) Interesse eines einzelnen vorge- passen, da diese nicht zu der gewünschten Kostentragungspflicht nommen werden…“ § 13 I BremGebBeitrG: „Schuldner einer Verwal- tungsgebühr oder von Auslagen ist derjenige, der die Amtshandlung der DFL oder von Werder Bremen auf der Sekundärebene führen selbst oder durch Dritte, deren Handeln ihm zuzurechnen ist, beantragt würde. Ganz im Gegenteil hat der Notstandspflichtige einen Ent- oder veranlasst hat, oder in dessen (überwiegendem) Interesse sie vorge- schädigungsanspruch gegen den Staat für seine Inanspruchnahme.20 nommen wird… (drucktechnische Hervorhebung durch die Verfasser)“. 24 DS. 18/1501, S. 35: „Einsatz des Polizeivollzugsdienstes bei öffentlichen Veranstaltungen, die auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet sind und an denen voraussichtlich mehr als 3000 Personen teilnehmen wer- 2. Ursprünglicher Weg Bremens über die Regelung in den, soweit im Zusammenhang mit den Veranstaltungen erfahrungsge- einer Rechtsverordnung und Konflikte mit der mäß mit Gewalthandlungen von Besuchern zu rechnen ist.“ 25 DS. 18/1501, S.29. Wesentlichkeitstheorie sowie Art. 80 I 2 GG 26 § 3 I BremGebBeitrG: „Der Senat wird ermächtigt, die Kostentatbestän- Bei Aufnahme der Arbeiten zu dieser Abhandlung plante der Bremer de und die Kostensätze im Rahmen der §§ 4 und 12 für das Land mit Zu- stimmung des Haushalts- und Finanzausschusses durch Rechtsverord- Gesetzgeber zunächst noch eine Änderung des Gebührenrechts i.V.m. nung festzusetzen.“

NordÖR 5/2015 | 199 FORUM | Hermann /Buljevic, „Lex Werder“ – die Bremer Lösung zur Polizeikostenbeteiligung an kommerziellen Großveranstaltungen tatbestand der InKostV für kommerzielle Großveranstaltungen mit „Eine Gebühr wird von Veranstaltern oder Veranstalterinnen dem Vorbehalt des Gesetzes, der Wesentlichkeitstheorie sowie der erhoben, die eine gewinnorientierte Veranstaltung durchführen, Bestimmtheitstrias des Art. 80 I 2 GG im Einklang stehen würde. an der voraussichtlich mehr als 5000 Personen zeitgleich teil- Die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes und damit die Frage, nehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender welche Angelegenheiten formalgesetzlich geregelt werden müssen, Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung werden bestimmt von der Wesentlichkeitstheorie.27 Die Wesent- am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder lichkeitstheorie und die Anforderungen an die Ermächtigung der sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Poli- Exekutive in Art. 80 I 2 GG ergänzen und konkretisieren sich dabei zeikräften vorhersehbar erforderlich wird. Die Gebühr ist nach wechselseitig.28 Nachfolgend ist zu prüfen, ob § 3 I, II BremBeitrG dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen als taugliche Rechtsgrundlage den Anforderungen der Wesent- Bereitstellung von Polizeikräften entsteht. Der Veranstalter oder lichkeitstheorie und des Art. 80 I 2 GG genügt. Grundsätzlich die Veranstalterin ist vor der Veranstaltung über die voraussicht- besagt die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlich- liche Gebührenpflicht zu unterrichten. Die Gebühr kann nach keitstheorie, dass wesentliche politische Leitentscheidungen vom den tatsächlichen Mehrkosten oder als Pauschalgebühr berechnet Parlament selbst zu treffen sind.29 Um das Merkmal „wesentlich“ werden.“ zu bestimmen, orientiert sich das Bundesverfassungsgericht an Diese Neuregelung ist am 08.11.2014 in Kraft getreten. Nun- dem zu verwirklichenden Grundrechtsschutz des Betroffenen, der mehr sind Tatbestand und Rechtsfolge in § 4 IV BremGebBeitrG Bedeutung der Regelung für die Allgemeinheit und der Intensität ausdrücklich normiert und die skizzierten Bedenken jedenfalls im des staatlichen Eingriffs.30 Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes, die Wesentlichkeitsthe- Durch § 3 I BremGebBeitrG wird der Senat dazu ermächtigt, orie sowie die Vorgaben aus Art. 80 I 2 GG ausgeräumt. Damit Rechtsverordnungen hinsichtlich einer Festsetzung von Kosten- stellt sich die Frage, ob § 4 IV BremGebBeitrG im Einklang mit tatbeständen in der InKostV zu erlassen. Die dort formulierten den spezifischen Anforderungen im Gebührenrecht steht (a), ob gesetzlichen Vorgaben müssten zum Erlass einer Verordnung hin- der Tatbestand den verfassungsrechtlichen Anforderungen an reichend bestimmt sein i.S.v. Art. 80 I 2 GG.31 Jedenfalls nicht die Bestimmtheit genügt (b) und ob hier ggf. ein unzulässiges hinreichend bestimmt ist das ermächtigende Gesetz, wenn es nach Einzelfallgesetz nach Art. 19 I 1 GG vorliegt (d). Inhalt, Zweck und Ausmaß nicht erkennen lässt, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihm Gebrauch gemacht wird und welchen Inhalt zukünftige, auf Grund der Ermächtigungsgrund- a) Veranlasser- und Vorteilsprinzip lage, erlassene Rechtsverordnungen haben könnten.32 Der Zweck § 4 IV BremGebBeitrG müsste zunächst mit den spezifischen müsste darin liegen, dass sich der Gesetzgeber auf ein Regelungsziel Anforderungen im Gebührenrecht im Einklang stehen. Durch festlegt. Der Inhalt müsste insoweit bestimmt sein, dass der Ge- eine Gebühr sollen die Kosten für eine bestimmte Gegenleistung setzgeber selbst festlegt, was geregelt werden soll und das Ausmaß abgegolten werden, welche der Gesetzgeber in einer von ihm be- dahingehend, welche Grenzen die Verordnung beinhalten soll.33 stimmten und im Einzelfall erbrachten Amtshandlung sieht. Dabei Die Regelung einer Ersatzpflicht von kommerziellen Großver- kommt es darauf an, ob zwischen der Leistung der Verwaltung anstaltern in einer voraussichtlichen Höhe von EUR 300.000,00 und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung besteht, pro Risikospiel dürfte wesentlich für die Verwirklichung der Be- welche die individuelle Zurechenbarkeit der Amtshandlung auf rufs- und Eigentumsfreiheit sowie die Chancengleichheit gerade der Grundlage des Veranlasser- oder Vorteilsprinzips begründet. kleinerer Bundesligavereine wie Werder Bremen sein. Siegel hält hier In der individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung allenfalls eine „maßvolle Pauschalgebühr diesseits des kalkulierten dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln Mehraufwandes“ für vertretbar.34 Daher muss eine solch weit- finanziert, sondern dem Schuldner eine Gebühr auferlegt wird.38 reichende Entscheidung dem Parlament vorbehalten bleiben und darf nicht über eine bloße Kostenverordnung geregelt werden.35 27 Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 25. Weiterhin sind weder das Regelungsziel noch dessen Ausmaß 28 Voßkuhle, JuS 2007, 118 (119). durch die Ermächtigungsgrundlage hinreichend erkennbar. Da 29 In Bezug auf die Bremische Bürgerschaft: Fisahn, Bremer Recht, S. 49. auch § 4 I Nr. 2 BremGebBeitrG eine Rechtsgrundlage verlangt36 30 Seit BVerfGE 47, 46 [79] std. Rspr. Siehe dazu auch Epping, Grundrechte, Kapitel 8, Rn. 358. und eine solche nicht ersichtlich ist, war die skizzierte ursprünglich 31 Siehe dazu: Wallrabenstein in: GG, Art. 80 GG, Rn. 36. geplante Lösung des Senats verfassungsrechtlich bedenklich. Die 32 BVerfGE 1, 14 [60]. 33 , a.a.O. Erhebung von Gebühren für Polizeikosten von kommerziellen Wallenrabenstein 34 Siegel, DÖV 2014, 867 (871). Großveranstaltern ist ein wesentlicher Punkt, den das Parlament 35 So auch: Siegel, DÖV 2014, 867 (870), der sich konkret auf die zunächst selbst regeln muss. avisierte Bremer Lösung bezieht und diese unter Verweis auf den Vor- behalt des Gesetzes für „rechtlich bedenklich“ hält sowie allgemein: Würtenberger, NVwZ 1983, 192 (196); Kränz, JuS 1987, 451 (454); a.A: Braun, Die Polizei 2013, 323 (323). 3. Neuregelung in § 4 IV BremGebBeitrG 36 Siehe Fn. 24: „… aufgrund gesetzlicher Ermächtigung…“. 37 DS 18/1591. Im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Bedenken an der 38 BVerwG, Urteil v. 25.08.1999 – 8 C 12.98, BeckRS 1999 30071036. Siehe zunächst vom Senat vorgeschlagenen Lösung, besserte der Gesetz- dazu auch § 1 I Bundesgebührengesetz (BGebG). Siegel, DÖV 2014, 867 (869) spricht hier von der „willentlichen Herbeiführung der betreffen- geber nach und fügte einen vierten Absatz in das BremGebBeitrG den Amtshandlung“ als Zurechnungskriterium auf der Kostenebene. ein.37 Dort heißt es nunmehr: Kritisch dazu: Nolte, NJW-aktuell 34/2014, 14.

200 | NordÖR 5/2015 Hermann /Buljevic, „Lex Werder“ – die Bremer Lösung zur Polizeikostenbeteiligung an kommerziellen Großveranstaltungen | FORUM aa) Veranlasserprinzip der wirtschaftlichen Kosten eines ökonomischen Verteilungssystems Das Veranlasserprinzip scheidet als Grundlage der Gebühren- zwischen Luftverkehrsunternehmen und Fluggästen bzw. Veran- pflicht des Veranstalters aus. Auch wenn dem Gesetzgeber bei stalter und Zuschauern. Ähnlich wie das Luftfahrtunternehmen der Gebührengestaltung ein weiter Gestaltungsspielraum zu- profitiert auch der Veranstalter objektiv gesehen unmittelbar und 43 kommt,39 würde die individuelle Zurechenbarkeit hier bedenklich erheblich von den polizeilichen Sicherungsmaßnahmen und kann weit ausgedehnt werden, da der Veranstalter weder faktisch die erhöhten Kosten an die Zuschauer weiterreichen. Somit liegt noch rechtlich sämtliche Zugänge und Abgänge zum Stadion die Einführung einer Gebühr im politischen Gestaltungsspiel- kontrollieren kann. Der Veranstalter hat die Gewalthandlungen raum des Gesetzgebers. Eine Pflicht zur Finanzierung aus dem nicht veranlasst40 – es kann insoweit auf die entsprechenden allgemeinen Steueraufkommen, wie von den Vereinen der Bun- Ausführungen zum Zweckveranlasser verwiesen werden. desliga bzw. der DFL immer wieder gefordert, lässt sich daher unter Zugrundelegung des vom Bundesverwaltungsgericht weit verstandenen Vorteilsprinzips rechtlich nicht begründen. bb) Vorteilsprinzip Die Zurechenbarkeit der Amtshandlung kann demnach allein b) Bestimmtheit des § 4 IV 1 BremGebBeitrG auf der Grundlage des Vorteilsprinzips begründet werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer Grundsatzentschei- Da in Bremen die notwendige parlamentarische Regelung für dung aus dem Jahre 1993 zur Luftsicherheitsgebühr bereits mit einen Gebührentatbestand vorliegt, stellt sich die Anschlussfrage, einer vergleichbaren Konstellation beschäftigt.41 In dem Fall ging ob diese bezüglich ihrer Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen 44 es um einen Gebührenbescheid an ein Luftfahrtunternehmen hinreichend bestimmt und klar ist. für die Überprüfung von Fluggästen und mitgeführten Gegen- Der Bestimmtheitsgrundsatz stellt eine besondere Ausprägung des ständen vor dem Betreten des engeren Sicherheitsbereichs eines Rechtsstaatsprinzips dar. Insbesondere Gebührentatbeständen wird 45 deutschen Flughafens. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ein erhebliches Maß an Bestimmtheit abverlangt. Hinreichend dem Erheben einer solchen Gebühr für die Durchsuchung nach bestimmt ist eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage jedenfalls §§ 32 I 1 Nr. 13, 29c II LuftVG a.F. keinen Verstoß gegen das dann, wenn der Gesetzgeber den Zweck, Anlass und Grenzen des 46 Vorteilsprinzip gesehen. Insbesondere sei der Bundesgesetzgeber Eingriffs bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt hat. nicht verpflichtet gewesen, die durch die angeordneten Sicher- Die Anforderungen an die Bestimmtheit richten sich nach der Art 47 heitsmaßnahmen entstehenden Kosten ausschließlich der Allge- und Weise des Eingriffs. Dabei bleibt es dem Gesetzgeber unbe- meinheit aufzubürden. Das Vorliegen einer Gebühr werde nicht nommen, unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden, zumindest dadurch in Frage gestellt, dass die zu entgeltende Leistung auch solange die Norm insgesamt den rechtsstaatlichen Grundsätzen 48 oder sogar in erster Linie aus Gründen des öffentlichen Wohls der Normenklarheit entspricht. Da Anlass und Zweck des Ge- verlangt werde und damit zugleich oder überwiegend öffentliche setzes hinreichend konkretisiert sind, sollen nunmehr die Grenzen Interessen verfolgt werden. Die erbrachte Leistung – die Sicher- des Eingriffs näher beleuchtet werden. In der von der Bremischen 49 heitskontrolle – sei individuell zurechenbar, da eine Konnexität Bürgerschaft beschlossenen Ermächtigungsgrundlage werden fol- zwischen dem Leistungsinhalt und dem individuellen Erfolg in gende unbestimmten Rechtsbegriffe auf Tatbestandsseite verwendet: n Gestalt einer konkreten Minderung des Gefahrenrisikos i.S. des „Veranstalter“ (dazu sogleich unter aa), n „gewinnorientierte Veranstaltung“ (bb), § 29c I 2 LuftVG bestehe. Es entspreche gerade dem Grundsatz n mit einer Teilnahme von voraussichtlich mehr als 5.000 Per- der Verteilungsgerechtigkeit, dass die Kosten jenen aufgebürdet sonen (cc), werden, die bei typisierender Betrachtungsweise einen Vorteil von n „erfahrungsgemäß zu erwartende Gewalthandlungen“ (dd). dem gewählten und durchgesetzten Sicherheitsstandard erfahren. Daher sei es rechtlich unerheblich, dass der Gesetzgeber auf eine Ferner werden nähere Anforderungen an den Veranstaltungsort gebührenrechtliche Regelung verzichten und die von ihm als nötig („Zugangs- und Abgangswege“ und das „sonst räumliche Um- angesehene Sicherheitskontrolle auch zu Lasten der Allgemeinheit feld“, dazu unter ee)) und den Veranstaltungszeitraum („… vor, aus dem Steueraufkommen finanzieren könnte. Es liege innerhalb während oder nach der Veranstaltung…“, dazu unter ff)) nor- der politischen Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers und des miert. Es ist nachfolgend zu untersuchen, ob diese unbestimm- von ihm ermächtigten Verordnungsgebers, darüber zu befinden, ten Rechtsbegriffe dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen. ob er eine amtliche Leistung gebührenpflichtig machen wolle.42 Vor diesem Hintergrund war es dem Bremischen Gesetzgeber 39 BVerwG, Urteil v. 3.3.1994 – 4 C 1/93 – NVwZ 1994, 1102 (1105) – Luftsi- unbenommen, den gebührenrechtlichen Vorteil durch Streichung cherheitsgebühr. des Begriffs „überwiegend“ die §§ 4 I, 13 BremGebBeitrG zu 40 Siehe dazu auch § 3 II Nr. 2 und 3 BGebG. 41 Siehe dazu Fn. 40. erweitern. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. 42 BVerwG NVwZ 1994, 1102 (1105). Die Veranstalter eines Fußballspiels können den Luftverkehrsun- 43 Siegel, DÖV 2014, 867 (869). ternehmen gleichgesetzt werden, die zur Zahlung einer Luftsicher- 44 Zu den genauen Anforderungen an die Bestimmtheit siehe: BVerfGE 113, 348 [375]. heitsgebühr verpflichtet sind. Die staatlichen Amtshandlungen bezie- 45 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, § 14, S. 181. hen sich auf den privaten Luftverkehr bzw. die Fußball-Bundesliga, 46 BVerfGE 120, 378 [407, 408]. 47 BVerfGE 110, 33 [55]. welche sich beide nach marktwirtschaftlichen Regeln vollziehen. Der 48 Vgl. BVerfGE 110, 33 [56, 57]. aus öffentlichen Gründen erforderliche Sicherheitsstandard ist Teil 49 Vgl. DS 18/ 1591 S.6.

NordÖR 5/2015 | 201 FORUM | Hermann /Buljevic, „Lex Werder“ – die Bremer Lösung zur Polizeikostenbeteiligung an kommerziellen Großveranstaltungen aa) Veranstalter cc) Teilnahme von voraussichtlich mehr als 5.000 Personen Veranstalter ist, wer in organisatorischer und finanzieller Hinsicht Die Personenanzahl ist mit voraussichtlich mehr als 5.000 Personen für die Veranstaltung verantwortlich ist oder durch äquivalente hinreichend bestimmt. Veranstaltungen im Amateursport scheiden Leistungen die Veranstaltung zu einem vermarktungsfähigen damit im Regelfall zwangsläufig aus, da die Besucherzahlen in der Produkt macht.50 Regel deutlich niedriger sein dürften. Die Aktivitäten von Gewalt- Als weitere Kriterien für die Veranstaltereigenschaft kann auf tätern verlagern sich jedoch bereits partiell auf den Amateursport, die Weisungsbefugnis51 und das Halten der Verwertungsrechte da dort deutlich weniger Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden abgestellt werden. Einigkeit besteht dahingehend, dass der Verein sind. So wurde das als vormalig eingestufte „Risikospiel“ zwischen jedenfalls Mitveranstalter der auf seinem Platz ausgetragenen Werder Bremen und Hannover 96 am 13.12.2014 als „Normal- Heimspiele ist.52 Der Verein übt insoweit sein Hausrecht aus. spiel“ herabgestuft, da sich potenzielle Gewalttäter aus Hannover Hinzu kommt die Vermarktung seitens der DFL, die vom Li- nun dem Amateursport widmen.57 Dies ändert jedoch nichts an gaverband mit dem operativen Geschäft beauftragt wurde. Dazu der Geeignetheit der Regelung des § 4 IV BremGebBeitrG, da die zählen insbesondere die Leitung des Spielbetriebes der Lizenzligen Förderung des legitimen Zwecks bereits ausreicht. und die Durchführung der Wettbewerbe des Ligaverbandes.53 Der Ligaverband selbst ist im Wesentlichen nur für die Erteilung dd) Erfahrungsgemäß zu erwartende Gewalthandlungen der Lizenzen an die Vereine und Spieler zuständig. Im Ergebnis können sowohl Werder Bremen als auch die DFL als Veranstalter Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzung angesehen werden. Damit ist der Adressat der Norm anhand der der „erfahrungsgemäß zu erwartenden Gewalthandlungen“ mit genannten Kriterien abstrakt hinreichend bestimmt. dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar ist. Nachfolgend sollen einige Bedenken gegen diese Formulierung dargelegt werden. Auffällig ist, dass der Gesetzgeber hier nicht auf eine objek- bb) Gewinnorientierte Veranstaltung tivierte Durchschnittsfigur abstellt, wie z.B. im Presse- (Durch- Bezüglich des Begriffs der gewinnorientierten Veranstaltung ist schnittsleser) oder Wettbewerbsrecht (Durchschnittsverbraucher). fraglich, ob dieser hinreichend bestimmt ist. Der Senat hat sich Auch im Polizeirecht bildet der objektive Durchschnittsbeamte zur Auslegung dieses Begriffs auf das Gewerberecht bezogen den Maßstab für das Vorliegen einer Gefahr auf der Primärebe- und auf eine Gewinnerzielungsabsicht festgelegt.54 Eine Gewin- ne.58 Vorliegend soll es jedoch auf den Maßstab eines atypischen norientierung ließe sich zumindest anhand des Kriteriums der Zuschauers ankommen, von dem Gewalthandlungen zu erwarten Gewinnerzielungsabsicht feststellen. Angesichts der Vermarktung sind. Es ist bereits fraglich, wessen Erfahrungen der Maßstab für im Sponsoring-Bereich, Merchandising und auch des Verkaufs die Prognose einer zu erwartenden Gewalthandlung sein soll und der Tickets ist eine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar. Hierfür wie weit diese Erfahrungen in temporärer Hinsicht berücksich- dient als Indiz insbesondere die Firmierung des „Vereins“ als tigt werden sollen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die GmbH und Co. KG. Bestimmtheit der Norm auf den ersten Blick als zweifelhaft, da Zwar wird teilweise angeführt, dass es sich bei Bundesligaspielen aus ihr nicht hervorgeht, wer die Prognose für Gewalthandlun- um Veranstaltungen handelt, die Allgemeinwohlbelangen dienen.55 gen im Rahmen von Veranstaltungen erstellen soll. Man könnte Dies wird damit begründet, dass Polizeieinsätze im Rahmen darauf abstellen, dass die Prognose sinngemäß vom Ersteller des solcher Veranstaltungen überwiegend dem öffentlichem Interesse Gebührenbescheids ex post vorgenommen wird. Dies wäre unter dienen und die Gemeinschaft ein Interesse an die Bevölkerung in- Berücksichtigung der Voraussetzung der „erfahrungsgemäß zu tegrierenden Veranstaltungen haben müsse („panem et circenses“). erwartenden Gewalthandlungen“ jedoch nicht plausibel, da diese Zudem bestehe ein überwiegendes Interesse an Polizeieinsätzen, Voraussetzung auf einer Beurteilung ex ante basiert. wenn es aus der Anonymität der Masse zu Aggressionen oder Auf der kostenrechtlichen Sekundärebene kommt es jedoch im strafbaren Handlungen komme.56 Gegensatz zur Primärebene stets auf die Beurteilung ex post an. Diese Ansicht vermag allerdings nicht gänzlich zu überzeugen. Dieser Widerspruch ließe sich insofern auflösen, dass der Senat die Eine Begründung der Gemeinnützigkeit mit Gründen eines Risikospiele im Vorfeld eines Spieles festlegt und bei seiner Prog- allgemeinen, überwiegenden Interesses reicht nicht aus, denn noseentscheidung eine ex-ante-Betrachtung vornimmt, an die der der Wortlaut des neuen Gebührenrechts verlangt nach der Strei- Ersteller des späteren Gebührenbescheides dann gebunden wäre. chung des Begriffs „überwiegend“ in §§ 4 I, 13 BremGebBeitrG ein solches überwiegendes Interesse des Einzelnen gerade nicht 50 Mahler, SpurtR 2001, 8 (10); Stopper, SpuRtR 1999, 188 (190 f.). mehr. Es entspricht dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der 51 Arter, Der Zuschauer im Sport, SpurRt 2. Tagungsband 2005, S. 38. Norm, dass gerade auch Gebühren für Handlungen erhoben 52 BGHZ 137, 297. 53 § 2 Nr. 1.1 und 1.2 der Satzung der DFL. werden, die im überwiegend öffentlichem, aber zumindest auch 54 DS 18/1501 S. 20. im Interesse eines Einzelnen stehen. Da zumindest durch den 55 Würtenberger, NVwZ 1983, 192 (196); Stopper, Holzhäuser, Knerr, SpuRt Einsatz der Polizei bei entsprechenden Risikospielen auch der 02/2013, 50 (50). 56 Würtenberger, NVwZ 1983, 192 (196). Veranstalter hinsichtlich eines störungsfreien Ablaufs der Ver- 57 http://www.ndr.de/sport/fussball/Bremen-96-Stadt-stellt-keine- anstaltung profitiert, wäre ein solches Bundesligaspiel hierunter Rechnung,werder7140.html; http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Poli- zu verstehen. Somit stellen Bundesligaspiele gewinnorientierte zei-in-Sorge-Ultras-verlegen-sich-auf-Hannover-96-Amateure. Veranstaltungen dar. 58 Zum Gefahrenbegriff im Polizeirecht: Voßkuhle, JuS 2007, 908 f.

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Streng genommen muss jedoch davon ausgegangen werden, Bestimmungsort, beinhalten. Dies könnte hinreichend bestimmt dass es bei jedem Bundesligaspiel zu Gewalthandlungen kommen sein, da hier Grenzen des Umfangs aufgezeigt werden. kann. Auch ist weder die Qualität noch Quantität der geforder- Allerdings bleibt die Frage ungeklärt, welchen räumlichen Umfang ten „Gewalthandlungen“ näher umschrieben – welche Gewalt- die Norm umfassen soll. Wäre ein „Heimfan“ aus München kurz handlungen konkret vom Gesetzgeber gemeint sind, ist nicht vor der bayrischen Landeshauptstadt noch auf einem Abgangsweg ersichtlich. Zwar nennt der Senat in seinem Bericht explizit sog. vom Bremer Stadion? Ist der Abgangsweg eines Bremer Fans da- Risikospiele,59 dennoch ergibt sich aus der Norm nicht, wo hier durch unterbrochen, dass er nach dem Verlassen der Veranstaltung, eine Grenze zu ziehen ist. So dürfte das Werfen von Gegenständen jedoch vor der Heimkehr, ein Lokal aufsucht und erst dann die auf das Spielfeld als „Gewalthandlung“ wohl kaum ausreichen. Heimreise antritt? Eine klare Grenze, wer sich auf einen Zugangs- Es stellt sich die Frage, ob sich ein zukünftig Betroffener auf oder Abgangsweg befindet, lässt sich nicht ziehen. Ebenfalls nicht mögliche belastende Maßnahmen einstellen und sein Verhalten ersichtlich ist, welcher Radius das „räumliche Umfeld“ darstellen danach ausrichten kann, wenn eine Prognose hinsichtlich der zu soll. Dies bestimmt sich vor allem nach subjektiven Maßstäben, erwartenden Gewalthandlungen nicht möglich erscheint. Hier da es an einer Legaldefinition fehlt. Es ist folglich weder für den wäre dem Gesetzesgebers anzuraten eine hinreichende Präzisie- Veranstalter, noch für ein Gericht i.S. der Normenbestimmtheit rung in Hinblick auf eine Gewaltprognose in quantitativer und und -klarheit ersichtlich, welche Grenzen des räumlichen Umfeldes qualitativer Hinsicht vorzunehmen. gezogen werden können. Im Falle der Bremer Lösung bieten sich Eine solche Präzisierung könnte darin bestehen, dass beispiels- hierfür mehrere Ansätze an, um die Bestimmtheit zu gewährleisten. weise auf erhebliche Gewalthandlungen von Personengruppen, So könnte beispielhaft das Netz des Verkehrsbundes Bremen-Nieder- abgestellt wird. Zwar enthielte diese Formel weiterhin unbestimmte sachsen (VBN) heranzuziehen sein, da die Karten der Veranstaltung Rechtsbegriffe, doch ließen sich anhand der Merkmale „erheblich“ dazu berechtigen, dieses kostenlos zu nutzen. und „Personengruppe“ die Tatbestandsmerkmale weiter eingrenzen. Alternativ könnte das räumlich erfasste Umfeld i.S. des § 4 IV Auf diese Weise würde die gesetzausführende Verwaltung bei der BremGebBeitrG auch nach Postleitzahlen abgegrenzt werden. Je- Gesetzesanwendung auch steuernde und begrenzende Handlungs- denfalls bietet auch dieser unbestimmte Begriff keine notwendige maßstäbe vorfinden,60 an denen es bislang fehlt. Klarheit. Insbesondere ist für den Betroffenen nicht ersichtlich, Demgegenüber könnte man sich jedoch auch auf den Stand- wann die Grenzen des Wortlauts erreicht oder überschritten sind.65 punkt stellen, dass durch das Werfen von Gegenständen der Vermag der Veranstaltungsort selbst noch den Grundsätzen über Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften nicht erforderlich wird Normenbestimmtheit und Normenklarheit zu genügen, so sind und deshalb die Bestimmtheit noch gewahrt ist. § 4 IV 2 BremGeb- die anderen ortsbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 BeitrG lässt sich jedenfalls entnehmen, dass eine Kostenerhebung IV BremGebBeitrG nicht hinreichend bestimmt. nur für den Mehraufwand für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften beabsichtigt ist. ff) Veranstaltungszeitraum Schließlich bleibt die Frage nach der Bestimmtheit des Veran- ee) Veranstaltungsort staltungszeitraumes („… vor, während oder nach der Veranstal- Es ist zu prüfen, welcher Bereich zum „Veranstaltungsort“ bzw. tung…“).66 Voran gestellt sei die Frage, ob der Veranstaltungs- zu den „Zugangs- oder Abgangswegen“ oder dem sonstigen zeitraum überhaupt noch hinreichend bestimmt sein kann, da er räumlichen Umfeld i.S. des § 4 IV BremGebBeitrG gehört. Im in unmittelbarem Zusammenhang mit den nicht hinreichend be- Falle der oben bereits dargestellten Luftsicherheitsgebühr hat stimmten örtlichen Begriffen steht. Da aber der Veranstaltungsort der Gesetzgeber den räumlichen Anwendungsbereich klar und als solcher hinreichend bestimmbar ist, ist eine Untersuchung der eindeutig auf das Flugplatzgelände beschränkt (§ 29c I LuftVG temporären Begriffe „vor, während und nach“ der Veranstaltung a.F.).61 § 4 IV BremGebBeitrG geht deutlich darüber hinaus, so i.S. des § 4 IV BremGebBeitrG geboten. dass eine örtliche Lokalisierung hier schwerer zu bestimmen Der Begriff „während“ der Veranstaltung ist im Hinblick auf sein dürfte. Zunächst fällt bei einem Fußballspiel des SV Werder die Bestimmbarkeit der Veranstaltung und damit der Veran- Bremen zweifelsohne das Weserstadion als eigentlicher „Ver- staltungsdauer hinreichend bestimmt, da er sich nur auf die 90 anstaltungsort“ in den Kernanwendungsbereich dieser Norm. Minuten des Risikospiels bezieht. Weiterhin werden die „Zugangs- und Abgangswege“ sowie „das Fraglich ist, ob dies auch für die Begriffe „vor und nach“ der sonst räumliche Umfeld“ erfasst. Veranstaltung gilt. Auch hier wäre ein Wertungsmaßstab, was Es stellt sich hierbei die Frage, ob diese zwei Begriffspaare nun „vor“ oder „nach“ einer Veranstaltung konkret sein soll, bezüglich ihrer vom Gesetzgeber gewollten Grenzen ausreichend der Subjektivität des Einzelnen ausgesetzt. Zumindest liefert die präzise und klar formuliert wurden.62 Folglich ist zunächst zu klären, was unter den Zugangs- und Abgangswegen zu verste- 59 DS 18/ 1591, S. 5. hen ist. Ein Zugangsweg ist ein Weg, der als Zugang zu einem 60 BVerfGE 110, 33 [54]. 61 Siehe Fn. 40. 63 64 Ort dient. Ein Abgangsweg müsste dementsprechend ein 62 Vgl. BVerfGE 120, 378 [393]. Weg sein, der zum Verlassen eines Ortes dient. Wortlaut als 63 Ergebnis der Onlineeingabe unter http://www.duden.de. auch Sinn und Zweck der Norm sollen demnach die Wege zum 64 Hier keine Treffer unter http://www.duden.de. 65 Vgl. BVerfGE 120, 378 [407, 408]. Weserstadion und vom Weserstadion weg, hin zu einem anderen 66 DS 18 /1591, S. 6.

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Norm keinen entsprechenden Hinweis darauf, inwiefern diese und nicht nur für den Einzelfall gültig sein. Art. 19 I 1 GG gilt Kriterien einzugrenzen sind. Würde man beispielweise den Be- dabei entgegen seinem Wortlaut nach h.M. für alle Grundrechte griff unmittelbar vor die zeitlichen Angaben setzen,67 so würden und nicht nur für solche mit „Einschränkungsvorbehalt“, da in damit auch gleichzeitig die ortsbezogenen Angaben der Norm, dieser Norm allgemeine Grundsätze wie die Gewaltenteilung zumindest grundsätzlich eingegrenzt. und das Gebot der Gleichbehandlung zum Ausdruck kommen.72 Jedoch unterbleibt innerhalb der Norm überhaupt jedwede Ein- Durch das Verbot des Einzelfallgesetzes sollen somit „Verwal- grenzung, so dass gerade im Hinblick auf die unzureichend bestimm- tungsakte in Gesetzesform“ verhindert werden.73 Eine Norm ten Ortsangaben die zeitbezogenen Angaben ebenfalls ausufernden ist „allgemein“, wenn sich wegen der abstrakten Fassung ihres Charakter aufzeigen und somit nicht hinreichend bestimmt sind. Tatbestandes nicht absehen lässt, auf wie viele Adressaten und Fälle sie sich anwenden lässt.74 Auf den ersten Blick ist § 4 IV BremGebBeitrG durchaus abstrakt c) Rechtsfolge des § 4 IV BremGebBeitrG formuliert. Bei näherer Betrachtung der Gesetzeshistorie ist jedoch § 4 IV BremGebBeitrG enthält eine gebundene Entscheidung. festzustellen, dass Anlass der Regelung nachweislich Risikospie- Dessen ungeachtet besteht bereits im Rahmen der Festsetzung le von Werder Bremen bzw. der DFL in der Fußball-Bundesliga der Gebühr die Möglichkeit, Härtefälle zu berücksichtigen und bilden.75 Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen der Schaffung eines ggf. von der Inanspruchnahme des Veranstalters abzusehen.68 generell-abstrakten Gesetzes durchaus gestattet eine Anzahl be- Die Normierung eines Ermessens war daher nicht zwingend stimmter Sachverhalte mit der Schaffung einer Norm ins Auge zu erforderlich. Eine Kostenpflicht über 300.000,- EUR pro Risi- fassen (sog. Anlass- oder Maßnahmegesetze).76 Ein generell-abstrakt kospiel ist gerade für kleinere Bundesligavereine wie Werder formuliertes Gesetz kann jedoch ein unzulässiges Einzelfallgesetz Bremen eine erhebliche finanzielle Belastung, bei der es durchaus sein, wenn es lediglich der Verschleierung eines Einzelfallgeset- zweifelhaft ist, ob diese Summe noch „maßvoll“ ist, wie von Siegel zes dient.77 Folglich ist auf der Merkmal der Allgemeingültigkeit gefordert.69 Werder Bremen könnte die Kosten jedenfalls über abzustellen. Das Gesetz müsste sich demgemäß auf eine Vielzahl den Eintrittspreis auf die Zuschauer abwälzen. Demgegenüber von Fällen beziehen, die nicht absehbar ist. Die Kernfrage lautet erscheint eine Kostentragungspflicht der DFL jedenfalls unter an dieser Stelle nunmehr, ob ausschließlich Werder Bremen bzw. dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als unbedenklich. die DFL von dem Gesetz betroffen sind oder ob die Norm mit dem Grundsatz der Allgemeinheit in Einklang steht. Dazu müss- ten, wenn auch nicht unmittelbar oder in absehbarer Zeit, auch d) Zwischenergebnis andere Adressaten der Norm denkbar sein. Konzerte in der Freien Als Zwischenbilanz bleibt festzuhalten, dass mehrere unbestimmte Hansestadt Bremen würden angesichts ihres durchweg friedlichen Rechtsbegriffe der Norm auf Tatbestandsseite den Mindestan- Charakters nicht unter den Begriff der „erfahrungsgemäß zu er- forderungen an die Normenbestimmtheit und -klarheit nicht wartender Gewalthandlungen“ zu subsumieren sein. genügen. Während man die Voraussetzung der „erfahrungsgemäß Auch der Bremer „Freimarkt“ und ähnliche Kirmes-Veranstal- zu erwartenden Gewalthandlungen“ im Wege der Auslegung tungen kommen aus diesem Grunde nicht in Betracht. noch als hinreichend bestimmt ansehen könnte, dürfte dies bei Jedoch könnte in der Norm eine allgemeine Regelung zu sehen den Voraussetzungen der „Zugangs- und Abgangswege“, des sein, welche die Gebührenordnung im Hinblick auf alle künfti- „sonstigen räumlichen Umfeldes“ sowie dem Veranstaltungszeit- gen Profifußballvereine bzw. deren Veranstaltungen in Bremen raum („… vor, während oder nach der Veranstaltung…“) nur regeln soll. Dies erscheint allerdings äußerst fragwürdig. Seit dem schwer möglich sein. Da sich § 4 IV 1 BremGebBeitrG haupt- Bestehen der Bundesliga seit 1963 besteht zwar zunächst eine sächlich auf unzureichend bestimmte Begriffe stützt, ist für die gewisse Fluktuation des Ligabetriebes durch begrenzte Auf- und Betroffenen die Rechtslage nicht hinreichend erkennbar.70 Eine Abstiegsmöglichkeiten. Durch die zunehmende Kommerziali- verfassungskonforme Auslegung einer zu unbestimmten Norm sierung des Profifußballs sind die Hürden für „Neueinsteiger“ scheidet als Lösung des Problems aus, da diese im Hinblick auf jedoch ziemlich hoch. den Bestimmtheitsgrundsatz keine Anwendung findet. Vielmehr ist der Gesetzgeber selbst verpflichtet eine verfassungskonforme 67 DS 18/1591 S. 6. 68 Siegel, DÖV 2014, 867 (871) plädiert für einen Ausnahmetatbestand von 71 Regelung zu treffen. der Gebührenerhebung, z.B. für Länderspiele. Demgegenüber kann möglichen Härtefällen im Rahmen der 69 Siehe zu dieser Forderung Fn. 36. Im Falle der Luftsicherheitsgebühr hat das BVerwG bereits einen Eingriff in Art. 12 I GG auf Grund der feh- Festsetzung der Gebühr Rechnung getragen werden. Ein solcher lenden berufsregelnden Tendenz verneint: BVerwG NVwZ 1994, 1102 Härtefall könnte z.B. in der Inanspruchnahme von Werder Bremen (1104). Den Eingriff in Art. 3 I GG hält das BVerwG jedenfalls für ge- als Veranstalter liegen, wobei jedoch an die Möglichkeit einer rechtfertigt (NVwZ 1994, 1102, 1105). 70 Vgl. BVerfGE 60, 215 [230]. Weiterreichung der Kosten an die Zuschauer zu denken wäre. 71 Vgl. BVerfGE 100, 313 [396]. 72 Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 2013, Rn. 119; offen ge- lassen von BVerfGE 25, 371 [399] – lex Rheinstahl. e) Unzulässiges Einzelfallgesetz 73 Bumke/Voßkuhle, aaO. 74 BVerfGE 10, 234 [241, 242]. Bei § 4 IV BremBeitrG könnte es sich schließlich um ein unzulässiges 75 http://www.spd-fraktion-bremen.de/top-themen/kosten-fuer-fuss- Einzelfallgesetz handeln und somit ein Verstoß gegen Art. 19 I 1 balleinsaetze.html. 76 BVerfGE 99, 367 [400]; GG vorliegen. Gemäß Art. 19 I 1 GG muss ein Gesetz allgemein 77 BVerfGE 24, 33 [52]; 13, 225 [229].

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Auch ein Vergleich mit einer Unternehmensgründung,78 bei Rechnung getragen werden, so dass die Formulierung einer Ermes- welcher der Gründer stets einer nicht unerheblichen Konkur- sensentscheidung auf Rechtsfolgenseite nicht zwingend geboten renzsituation ausgesetzt ist, führt hier nicht weiter. Während im war. An der Inanspruchnahme von Werder Bremen bestehen unternehmerischen Bereich stets die Möglichkeit einer Neugrün- unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Bedenken, so dung besteht und somit zumindest ein Gesetz, auch mit Blick in dass ggf. nur die DFL als Kostenschuldner heranzuziehen wäre. die Zukunft abstrakt-generell sein könnte erscheint eine Neu- Sowohl Werder Bremen als auch die DFL werden aller Vor- gründung im Profifußballbereich jedenfalls im kleinen Bremen aussicht nach den Klageweg gegen zu erwartende Gebührenbe- kaum vorstellbar. Der dortige „Markt“ im Profifußball erschöpft scheide des Landes Bremen bestreiten,83 so dass sich ggf. schon sich auf unabsehbare Zeit im Spielbetrieb von Werder Bremen. im nächsten Jahr das Verwaltungsgericht Bremen mit dem neuen Es liegt außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit, dass ein Gebührentatbestand im Rahmen einer Anfechtungsklage beschäf- weiterer Fußballverein aus Bremen in den Profibereich vorsto- tigen wird und die Sache dem Bundesverfassungsgericht im Wege ßen und damit in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen der konkreten Normenkontrolle vorlegen könnte. Dies wird könnte. Der Amateurverein von Werder Bremen ist naturgemäß angesichts der bisherigen Spruchpraxis zu Art. 19 I 1 GG jedoch von einem Aufstieg in den Profibereich ausgeschlossen. Auch die vermutlich nicht dazu führen, dass erstmalig ein unzulässiges Tatbestandsmerkmale und die Intention des Gesetzgebers lassen Einzelfallgesetz vom Bundesverfassungsgericht angenommen den Rückschluss zu, dass mit dem Gesetz ausschließlich Werder wird. Mit Spannung darf jedoch bereits jetzt auf eine Antwort Bremen und die DFL gemeint sind.79 Die Einladung von Vertretern aus Karlsruhe zur Bestimmtheit des § 4 IV BremGebBeitrG der DFL und Werder Bremen im Rahmen der Anhörung belegen gewartet werden. diesen Befund.80 Bei näherer Betrachtung sind jedoch auch andere Fälle vor- stellbar, die in den Anwendungsbereich des § 4 I BremGebBeitrG fallen könnten. Zu denken wäre hier an ein brisantes Länderspiel der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft,81 z.B. gegen die Niederlande oder an die Ausrichtung olympischer Wettbewerbe in Bremen, die mit der Gefahr terroristischer Anschläge gegen einzelne politisch unliebsame Teilnehmer verbunden sein könnten. Sofern man Art. 19 I 1 GG jedoch als speziellen Gleichheits- satz ansieht, würde kein unzulässiges Einzelfallgesetz vorliegen, wenn es nur einen zu regelnden Fall gibt und die Regelung dieses Sachverhaltes von sachlichen Gründen getragen wird. Die Weiter- reichung der Mehrkosten an den Veranstalter einer gewinnorien- tierten Veranstaltung, bei der mit Gewalthandlungen zu rechnen ist, kann jedenfalls nicht als willkürlich angesehen werden. Mit dieser Argumentation wäre ein Verstoß gegen Art. 19 I 1 GG zu verneinen. Da das Bundesverfassungsgericht bislang, soweit ersichtlich, noch nie ein Gesetz wegen eines solchen Verstoßes für nichtig erklärt hat,82 steht zu vermuten, dass es dies auch bei § 4 IV BremGebBeitrG nicht tun wird.

III. Fazit und Ausblick Die Untersuchung zeigt auf, dass es im Rahmen des Gestaltungs- spielraums des Gesetzgebers liegt, wenn er für bestimmte Amts- handlungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Gebührenpflicht einzelner Personengruppen einführt. Das gebührenrechtliche Vorteilsprinzip wird hier vom Bundesverwaltungsgericht entsprechend weit verstanden. Die Möglichkeit der Einführung einer Gebühr zur Aufrecht- erhaltung der Sicherheit innerhalb eines bestimmten privat- rechtlichen Verkehrs (Luftverkehr, Bundesligaspiele) entbindet 78 Vgl. hierzu BVerfGE 13, 225 [228]. den Gesetzgeber jedoch nicht davon, die verfassungsrechtlichen 79 Vgl. hierzu: DS 18/1591 S.3; DS 18 / 1501 S. 10; http://www.spd-frakti- Anforderungen an die Bestimmtheit einzuhalten. Hier sehen die on-bremen.de/top-themen/kosten-fuer-fussballeinsaetze.html. 80 DS 18 /1591 S.3. Verfasser Bedenken im Hinblick auf die unbestimmten Rechts- 81 So auch Siegel, DÖV 2014, 867 (871). begriffe auf Tatbestandsseite des § 4 IV 1 BremGebBeitrG. 82 Siehe aber Beispiel bei Degenhart, 27. Aufl. 2011, Staatsrecht I Staatsor- ganisationsrecht, Rn. 141. Demgegenüber kann etwaigen Härtefällen (drohende Insolvenz 83 http://www.radiobremen.de/politik/nachrichten/buergerschaft-poli- des Vereins, Länderspiele) im Rahmen der Kostenfestsetzung zeikosten102.html.

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