±DIE 1.2011 zeitung der roten Hilfe e.v. I 2 Euro I 37. Jahrgang I c 2778 f

S.S. 11 9 S. 16 S. 26-53 S. 56 S. 60 repreIn eigenerssion sache repression schwerpunkt internationales azadi GrenzenloseBeugehaft Spitzelei Stuttgart 21 – Mord und Totschlag als „Krieg gegen Drogen“ in Der „Anti-Terror-Krieg“ gegen ehemalige Versuch eine politischen staatliche Option Mexiko zur Unterdrückung am Beispiel der RAF-Mitglieder Einschätzung der Opposition Kurdinnen und Kurden

»Ein Staat, der seine Terroristen hinrichtet, kann nicht mehr genötigt werden, sie nach Südjemen auszufliegen. Auch scheidet ein exekutierter Verbrecher künftig als Attentäter aus.« (Die Welt, 29. September 1977) Inhalt

In eigener Sache 3 Editorial 4 Geld her! Dafür brauchen wir euer Geld – ausgewählte Unterstützungsfälle

repression 8 Was tun wenn’s Brennert? 11 Grenzenlose Spitzelei – Matthias Monroy 14 Repression auf psychischer Ebene 16 Stuttgart 21 – Der Versuch einer politischen Einschätzung 20 Demokratie hat ihren Preis – Hartmut rübner 21 Signale der Einschüchterung 21 Europa ist nicht genug 24 Falsche Gründe für das Richtige – kolumne von ulla jelpke

schwerpunkt: Mord und Totschlag als staatliche Option 26 Die Kill-Fahndung im Deutschland der 1970er Jahre 29 Die Methodik des legalen Mordens 32 bericht zu meiner verhaftung in frankfurt/main am 9. juni 1979 – Rolf Heißler 33 Die Schüsse von Bad Kleinen 34 Chile 1973 Zum Titelbild: 38 COINTELPRO – das Counter Intelligence Program des FBI – Brian Glick 41 Eine Mord, der weiter seine Kreise zieht – Michael Schiffmann Die Erschießung von 46 Terror in der Türkei Gefangenen war auch in der 50 Auf offener Straße erschossen – Nick Brauns „demokratischen” BRD der 51 Anti-Terror-Krieg auf Spanisch – Ingo Niebel späten 1970er Jahren eine Option staatlichen Handelns. internationales Die Springerpresse brachte 54 Für die Freilassung der baskischen Gefangenen! dies ebenso ins Spiel wie der 56 „Krieg gegen Drogen“ als Instrument zur Unterdrückung der Opposition – bayerische Ministerpräsident autorinnenkollektiv a.s.a. Franz-Josef Strauß. Aber 58 „Die Zahl der Verschwundenen kann nicht genau benannt werden“ – nicht nur in Deutschland interview mit antonio cerezo und nicht nur in der Azadi Vergangenheit waren Morde 60 Bericht zur Internationalen Tagung „Der so genannte Anti-Terror-Kampf am Beispiel eine Option zur Durchsetzung der Kurdinnen und Kurden“ von Herrschaftsinteressen, wie unser Schwerpunkt Get Connected zeigt. Im Bild die neueste 62 Gesichtsbuch in Staatshand Standardschusswaffe der deutschen Polizeien, 65 nachrufE die Walther PPS. 68 Adressen

69 IMPRESSUM

70 Literaturvertrieb

WER IST DIE ROTE HIlFE?

Die Rote Hilfe e.V. ist eine parteiun­abhängige, strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation.

Die Rote Hilfe organisiert nach ihren Möglichkeiten die So­lidarität für alle, un­abhängig von Parteizuge­hö­ rigkeit oder Weltanschauung, die in der Bundesrepublik Deutsch­land aufgrund ihrer politischen Betä­tigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der ArbeiterInnen ­ be­we­gung, der antifaschis­tische, antisexis­tische, antirassistische, demokratische oder gewerkschaftliche Kampf und der Kampf gegen die Kriegsgefahr.

Un­­sere Unterstützung gilt denjenigen, die deswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsverbot erhalten, vor Gericht gestellt und zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt werden oder sonstige Nachteile er­leiden. Darüber hinaus gilt die Solidarität der Roten Hilfe den von der Reaktion politisch Verfolgten in allen Ländern der Erde. Aus der Satzung In eigener Sache

Liebe Genossinnen und Genossen,

zu kaum einem anderen Schwerpunkt gab es in den letzten Jahren eine so lange Vorbereitungszeit und entsprechend ausführliche Diskussionen wie zur aktuellen Ausgabe. Die Idee dazu hatten wir bereits im letzten Frühjahr, konkret wurde es dann bei der Redaktionsklausur im Sommer. Ausgangspunkte unserer Überlegungen, wann und warum für bestimmte Fraktionen innerhalb des kapitalistischen Systems Mord, Folter, Entführung oder in letzter Konsequenz Militärputsch oder faschistische Machtübernahme eben auch Optionen sind, waren drei Thesen:

––im Rahmen eines bestehenden Systems, entweder außerhalb der Legalität oder durch die Schaffung neuer Gesetze (am Beispiel RAF-Killfahndung, siehe Seite 26) ––in einer tatsächlich oder vermeintlich vorrevolutionären Situation (am Beispiel Türkei 1980, siehe dazu Seite 46) ––nach der freien und demokratischen Wahl einer sozialistischen oder linken Regierung, um das Rad der Geschichte zu ihren Gunsten zurückzudrehen (am Beispiel Chile 1973, siehe dazu Seite 34)

Alle diesen Interventionsformen haben nach unserer Einschätzung ein gemeinsames Ziel: die Durchsetzung kapitalistischer Interessen oder die Aufrechterhaltung bürgerlicher Herrschaft. Wir können hier keine umfassende allgemeinpolitische Analyse der Funktionsweise kapitalistischer Herrschaft leisten. Das ist auch nicht unser Anspruch. Wir wollen grundsätzlich in jeder Ausgabe mit dem Brennglas Themen genauer betrachten und im Idealfall weiterführende Diskussionen anstoßen. Dieser Schwerpunkt schlägt für uns den inhaltlichen Bogen zu den Ausgaben 2/2010 („Geheimgefängnisse, Folter, Staatsterrorismus“) und 4/2010 („Zur Lage der Menschenrechte in der BRD“) und bildet einen vorläufigen Abschluss zu diesem Komplex. Die Artikel, die sich mit dem Schwerpunktthema befassen, sind deshalb nicht nur unter historischen Gesichtspunkten interessant. Sie sind auch für aktuelle Entwicklungen von Bedeutung und ganz sicher auch für zukünftige. Nicht auszuschließen, dass sich eine solche Situation, in der die Herrschenden ihre Macht derart bedroht sehen, dass sie den weit gesteckten gesetzlichen Rahmen planmäßig und offiziell verlassen, sehr schnell und sehr nah ergibt – beispielsweise im Nato-Mitgliedsstaat Griechenland.

Sicher, es ist nicht gesagt, dass der schrittweise Abbau der Grundrechte zwingend in den Ausnahmezustand und die Ermordung politischer GegnerInnen führt, wenn es auch die logische Fortführung ist. Dieser Vorlauf ist ja auch – und die meisten der in diesem Heft angeführten Fallbeispiele zeigen das – keine zwingende Voraussetzung.

Erinnert sei hier an den seinerzeitigen KPD-Vorsitzenden Max Reimann, der bei der Verabschiedung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat 1949 erklärte: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“ Sieben Jahre später wurde unter Verweis auf eben dieses Grundgesetz die KPD verboten und zehntausende ihrer Mitglieder und Sympathisanten mit Berufsverbot belegt, ins Exil gedrängt oder ins Gefängnis geworfen.

Es grüßt solidarisch das Redaktionskollektiv

Wie immer rufen wir euch dazu auf, euch an der nächsten Ausgabe zu beteiligen: Das Heft 2/2011 soll sich schwer- punktmäßig mit privaten Sicherheitsdiensten beschäftigen: Was ist ihre Aufgabe und ihre Stellung im System, wel- che Rechte maßen sie sich an und welche Kompetenzen werden ihnen von der Bevölkerung einfach so zuerkannt? Wie setzen sie sich zusammen und wie werden sie ausgebildet? Findet hier eine Verlagerung hoheitlicher Aufgaben statt? Welche Erfahrungen gibt es in Ländern, in denen private Sicherheitsdienste bereits weiter verbreitet sind als hierzulande? Auch Söldnerfirmen wären ein Aspekt. Und es gibt noch viele Weitere. Wenn Ihr dazu oder zu anderen Themen rund um Repression etwas beitragen wollt, meldet euch bei uns. Wir freuen uns auf eure Mitarbeit. Redaktionsschluss für die Ausgabe 2/2011 ist der 25. März. Soweit von uns.

DIE ROTE HILFE 1/2011 3 In eigener Sache

Geld her!

Insgesamt wurden zirka 21.000 Euro an Unterstützungsgeldern bewilligt.

Insgesamt wurden 21.094,61 Euro Freigekauft wurde einzig unser Antragsteller verur- an Unterstützungsgeldern bewilligt. teilt. Er muss 80 Sozialstunden ableis- Auf der letzten Sitzung des Bundes-  Ein Genosse aus Rostock bekam zwei ten. Daneben trägt er seine Anwaltskos- vorstands gab es 38 Entscheidungen Strafbefehle: Einen wegen des Verstoßes ten in Höhe von 597,02 Euro, von denen über gestellte Unterstützungsanträge. gegen das Versammlungsgesetz bei einer die Rote Hilfe 50 Prozent zahlt. Da der Darunter hieß es 25 Mal „Regelsatz“, Antifa-Demo in , den anderen Genosse keinen deutschen Pass besitzt also die Übernahme von 50 Prozent aller wegen einer Beleidigung auf einer Antifa- und nur „geduldet“ ist, liegt die Vermu- anfallenden Kosten im Zusammenhang Demo in Neubrandenburg. Die Strafen tung nahe, dass es sich hier um gezielt mit dem Verfahren. Fünfmal wurde nach betrugen je 40 Tagessätze. Da er beide rassistische Repression handelt. Regelsatz auf Pflichtverteidigersatz ent- Strafbefehle rechtskräftig werden ließ schieden, da die Anwaltsrechnung höher und sie nicht bezahlte, wurde er eines Nachschlag vom Landgericht als der Pflichtverteidigersatz nach dem Tages von zu Hause abgeholt und muss- RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) te seine Tagessätze im Knast absitzen.  Im September 2009 gab es in Ham- war. Diese Entscheidung gründet darauf, Nach der Hälfte der Zeit wurde es auf- burg eine Anti-Nazi-Demo, an welcher dass die Rote Hilfe die AnwältInnen grund von Nazis, mit denen er sich seine sich auch unser Antragsteller beteiligte. dazu anhalten möchte, den MandantIn- Zelle teilen musste, unerträglich, so dass Er soll Knallkörper dabeigehabt haben nen eine niedrige Rechnung (also eine er sich durch Genoss_innen „freikaufen“ und daher der versuchten Brandstiftung auf dem Pflichtverteidigersatz basieren- ließ. Auch wenn die Rote Hilfe die Vorge- schuldig sein, so die Beamten auf der de) zu stellen. Dann gab es in zwei Fäl- hensweise des Genossen nicht vorbildlich Wache zu ihm. Verurteilt wurde er dann len eine allgemeine Zusage, das bisher findet, wird dieser mit 50 Prozent unter- wegen eines angeblichen Flaschenwurfs. unbeendete Verfahren zu unterstützen. stützt. Es wird jeder/m geraten, sich bei Zunächst setzte das Amtsgericht eine Ein Fall wurde zu 100 Prozent unter- Erhalt eines Strafbefehls sofort an die Strafe von 60 Tagessätzen fest. Die stützt. Es gab zwei Kürzungen wegen nächste Rote-Hilfe-Ortsgruppe zu wen- Staatsanwaltschaft ging in Berufung und Alkohols bei der durchgeführten Aktion den, damit eine Strafe möglicherweise erreichte vor dem Landgericht, dass eine sowie zwei Ablehnungen (wegen Aussa- abgewendet werden kann. Strafe von 90 Tagessätzen verhängt wur- gen beziehungsweise keiner politischen de. Der Genosse kam leider erst nach Tätigkeit in unserem Sinne). Ein Fall Einer von 19 dem Verfahren zur Ortsgruppe wurde mit Nachfragen zurückgestellt. und schilderte seinen Fall. Denn im  Ein Genosse nahm am 5. Septem- Prozess machte er Aussagen und zudem ber 2009 an den Protesten gegen den hatte er sich vor der Demo überreden „Nationalen Antikriegstag“ in Dortmund lassen, ein Bier zu trinken. Da die Rote teil. Dort wurde er aus einer Gruppe he- Hilfe aufgrund seiner persönlichen Lage • Bei eurer Ortsgruppe oder auf unse- rausgegriffen, die nach Auflösung der und seiner vollkommenen Einsicht nach rer Homepage erfahrt ihr, wie ihr Versammlung mit Steinen auf Polizist_in- dem Beratungsgespräch in der Ortsgrup- selbst einen Unterstützungsantrag nen geworfen haben soll. Mit ihm wur- pe noch mal ein halbes Auge zudrückt, stellen könnt: den 18 weitere Personen aus der Menge erhält der Genosse 20 Prozent seiner www.rote-hilfe.de/infos_ ausgewählt, die ihre Personalien abge- Kosten, die sich aus 720 Euro Strafe, hilfe/unterstuetzungsantrag ben mussten. Der Vorwurf an alle lautete 267,25 Euro Gerichtskosten und 834,48 gleich: Landfriedensbruch. Allerdings Euro Anwaltskosten zusammensetzten.

4 DIE ROTE HILFE 1/2011 In eigener Sache

All colours are beautiful I Silvio Meier I Kanonen auf Spatzen

 Im Sommer 2008 kam es in Des-  Eine Berliner Genossin wurde bei  Am 19. September 2010 wurde in sau (Sachsen Anhalt) zu verschiedenen der Silvio-Meier-Demo an einer Straßen- Neubrandenburg ein Genosse ausgerech- Aktionen gegen die örtliche Neonazisze- sperre festgenommen, auf die sie nach net vom Geschäftsführer der örtlichen ne, die zuvor mit diversen Gewalttaten Ansicht der Staatsanwaltschaft „mit ge- Stadtwerke und einem Polizisten, der auf aufgefallen war. Der Antragsteller und senktem Kopf“ zugerannt sein soll. Ge- dem Heimweg war, beim Verkleben von ein weiterer Genosse wurden auf Grund gen einen Strafbefehl von 50 Tagessätzen Aufklebern „mit linkem Inhalt“ erwischt. schwarzer Kleidung kontrolliert, nach- à 30 Euro wegen Landfriedensbruchs und Nachdem zwei Streifenwagen angerückt dem es angeblich in der Nähe Randale Widerstands gegen Vollstreckungsbeam- waren, wurde der Genosse in Handschel- gegeben hatte. Leider hatten sie eine mit te legte sie Einspruch ein. Das Gericht len auf die Wache gebracht. Das Buß- Farbe gefüllte Glühbirne bei sich. Die stellte das Verfahren gegen Ableistung geld fiel demgegenüber mit 173,50 Euro Genossen wurden daher verdächtigt, für von 50 Sozialstunden ein. Die Anwalts- einschließlich Verfahrensgebühren ver- insgesamt neun Farb- und Graffitiaktio- kosten betrugen 671,76 Euro. Die Rote gleichsweise moderat aus. Die Rote Hilfe nen verantwortlich zu sein. Bei beiden Hilfe übernahm die Hälfte der Pflichtver- übernimmt die Hälfte. fanden Hausdurchsuchungen statt, die teidigergebühren von 544,43 Euro. Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren Frankreich? Nie wieder! wegen Sachbeschädigung aber schließ- Silvio Meier II lich mangels hinreichenden Tatverdachts  Im Rahmen des Nato-Gipfels 2009 ein. Der Antragsteller hatte Anwaltskos-  Ein Berliner Genosse wurde kurz in Strasbourg wurde ein Genosse wegen ten in Höhe von 423,07 Euro, von denen nach Auflösung der Silvio-Meier-Demo angeblicher Gewalt gegen Polizeibeamte die Rote Hilfe die Hälfte übernahm. 2007 aus der Menge heraus festgenom- und „Zusammenrottung“ festgenommen. men, weil er Polizisten mit einer Fla- Nachdem er gegen das erstinstanzliche By all means necessary sche beworfen und getreten haben soll. Urteil Berufung eingelegt hatte, wur- Wegen schweren Landfriedensbruchs, de der Genosse nun zu sechs Monaten  Am 21. Juni 2008 demonstrierten Widerstands gegen Vollstreckungsbeam- Haft und fünf Jahren Aufenthaltsverbot in Dresden Nazis gegen eine zeitgleich te, gefährlicher Körperverletzung und in Frankreich verurteilt. Die Verurtei- stattfindende Antifa-Demo. Zwei Genos- Verstoßes gegen das Versammlungsge- lung beruht allein auf den schriftlichen sen, die mit dem Fahrrad in der Stadt un- setz wurde er in erster Instanz zu fünf Belastungsaussagen zweier Polizeibe- terwegs waren, sahen fünf Nazis, die of- Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung amter. Der Genosse hatte Kosten von fenbar auf dem Rückweg von ihrer Demo verurteilt. Er legte Berufung ein und wur- insgesamt 4542,96 Euro, davon 2000 waren. Im Vorbeifahren bewarfen sie die de schließlich zu 150 Tagessätzen von Euro Gerichtsgebühr, 2435,20 Euro An- Nazis mit einer Holzlatte und mehreren jeweils zehn Euro verurteilt. Hinzu kamen waltsgebühr und 107,76 Euro Überset- Steinen. Das Gericht stellte das Verfah- noch 530,23 Euro Gerichtskosten und zugskosten. Die Rote Hilfe übernimmt ren wegen gefährlicher Körperverletzung 2078,22 Euro Anwaltskosten. Weil der 50 Prozent. Nicht übernehmen können gegen Zahlung von jeweils 1000 Euro an Antragsteller getrunken hatte, bevor er wir leider die Kosten für die anwaltliche den Verein „Aktiv Wohnen“ ein. Zudem sich spontan der Demo anschloss und Vertretung des Genossen vor dem Zivilge- entstanden den Genossen Anwaltskosten offenbar nicht ganz nüchtern war, über- richt. Dort fordert ein Polizist Schadener- in Höhe von 392,80 beziehungsweise nimmt die Rote Hilfe nur 30 Prozent sei- satz von ihm. 380,80 Euro. Die Rote Hilfe übernahm ner Kosten von insgesamt 4108,45 Euro. jeweils die Hälfte der Kosten. Ein bisschen Schwund ist immer Aufruhr, Widerstand  In Strausberg wurde am 19. Juni All colours are beautiful II 2010 eine Nazi-Demo erfolgreich blo-  Im Rahmen eines Anti-Räumungs- ckiert. Der Antragsteller gehörte leider  Ende 2009 wurde in Wittenberg Festivals gab es am 2. Februar 2010 zu den Genossen, die es nicht zum Blo- (Sachsen Anhalt) für elf Tage ein leer in einem Berliner Hausprojekt ein So- ckadepunkt schafften, da er an einer stehendes Haus besetzt. In dieser Zeit li-Konzert. Im Laufe des Abends kam Polizeikette festgenommen worden war. wurde mehrfach das örtliche Polizei- und es vor der Tür zu einer Festnahme. Ein Ein Verfahren wegen Widerstands gegen Kripo-Revier mit Farbbomben beworfen. Genosse kam dem Festgenommenen zu Vollstreckungsbeamte wurde vom Ge- Ein örtlicher Polizeibeamter will dabei Hilfe, konnte aber letztendlich nichts richt gegen Ableistung von 60 Stunden den Antragsteller und einen weiteren ausrichten und wurde selbst ebenfalls gemeinnütziger Arbeit eingestellt, dem Genossen gesehen haben. Bei dem An- festgenommen. Wegen versuchter Gefan- Genossen entstanden aber Anwaltskosten tragsteller fand eine Hausdurchsuchung genenbefreiung und Widerstands gegen in Höhe von 599,76 Euro. Hiervon über- statt, die aber zur Enttäuschung der Vollstreckungsbeamte erhielt er einen nimmt die Rote Hilfe die Hälfte. Staatsanwaltschaft weder Weihnachts- Strafbefehl über 40 Tagessätze à 15 baumkugeln noch „Kaltanstrich schwarz“ Euro. Die Strafe wird er durch gemein- zutage brachte. Das Verfahren wurde ein- nützige Arbeit ableisten. Die Rote Hilfe gestellt, der Antragsteller hatte aber An- übernimmt die Hälfte seiner Anwaltskos- waltskosten in Höhe von 314,16 Euro. ten von 614,04 Euro. Die Rote Hilfe übernahm 50 Prozent.

DIE ROTE HILFE 1/2011 5 In eigener Sache

Explosiver Wasserkocher übernahm die Hälfte der Kosten für die Geburtstagsparty mit Anwältin (302,26 Euro). ungebetenen Gästen  Am 27. Januar 2010 kam es in Göt- tingen zu Hausdurchsuchungen, nach- Nazis in Tostedt  Im November besuchte ein Genosse dem fünf Tage zuvor in der Ausländerbe- in die Geburtstagsparty der Drag hörde ein Wasserkocher explodierte. Weil  An Pfingsten 2010 griffen Nazis in Queen „Chicago Rose“. Schon bevor die Spürhunde angeblich eine Geruchsspur Wistedt (Niedersachsen) feiernde Antifa- Party losging, war eine homophobe Grup- von der Ausländerbehörde bis zu einer schistInnen an und verletzten mehrere. pe im Veranstaltungsraum und beleidigte linken WG verfolgten, wurden die beiden Danach ging im benachbarten Tostedt die Gäste. Sie wurde vom Sicherheits- Antragstellerinnen nun beschuldigt, eine eine Fensterscheibe von einem Haus, in dienst entfernt. Doch nach dem Ende Sprengstoffexplosion herbeigeführt zu dem ein Nazi wohnt, zu Bruch und ein der Geburtstagsparty wartete eben diese haben. Das Ermittlungsverfahren wurde Auto eines Nazis wurde beschädigt. Die Gruppe vor dem Veranstaltungsort und eingestellt. Die Rote Hilfe e.V. zahlte Nazis wollen das Auto eines Genossen beleidigte wieder die Gäste. Der Genos- jeweils 50 Prozent auf die entstandenen bei beiden Vorfällen in der Nähe gesehen se wies die Gruppe darauf hin, dass sie Anwaltskosten nach Pflichtverteidigerge- haben, weshalb dieser einen Strafbefehl mit den Beleidigungen aufhören soll- bühr (jeweils 396,03 Euro). wegen Sachbeschädigung erhielt. Das ten. Diese griff daraufhin den Genossen Verfahren konnte eingestellt werden und an, als dieser fliehen konnte, wurde er Affenkostüm gleich Vermummung die Rote Hilfe übernahm 50 Prozent der von der mittlerweile anwesenden Polizei Kosten für die Anwältin (348,37 Euro). festgehalten und bekam ein Verfahren  In Frankreich wurden 2008 neun wegen schwerer Körperverletzung. Dieses GenossInnen verhaftet, weil sie in den „Geordnetes Deutsch“ wurde eingestellt, im Gegenzug muss der Tagen vor dem Castortransport Haken- Genosse 80 Stunden gemeinnützige Ar- krallen an die Oberleitungen von TGV-  Am 3. Oktober 2009 fand in Regens- beit ableisten. Die Rote Hilfe e.V. über- Schnellzugtrassen gehängt haben sollen. burg (Bayern) ein Naziaufmarsch statt. nahm 50 Prozent der Anwaltskosten nach 2009 sollte nun eine Genossin wegen Eine Genossin verdeckte ihr Gesicht, um Pflichtverteidigersatz (533,12 Euro). eben dieses Vorwurfs als Zeugin in Ham- nicht von den Nazis fotografiert zu wer- burg vor Gericht erscheinen – tat sie aber den. Dies führte zu einer Festnahme und Erst Glück – dann Pech nicht. Lieber ging sie auf eine Solida- zu einer Verurteilung wegen Vermum- ritätskundgebung für die in Frankreich mung. Der Jugendrichter verurteilte sie  Am 30. Mai 2009 fand die Bur- inhaftierten GenossInnen und verlas dort zum Schreiben einer Erörterung in „ge- schenschaftler-Veranstaltung „Coburger einen Redebeitrag. Leider erkannte die ordnetem Deutsch“. Es entstanden An- Convent“ in Coburg (Bayern) statt. Auf Polizei sie, obwohl sie ein Affenkostüm waltskosten in Höhe von 990 Euro, die der Abschlusskundgebung der Gegende- trug, und brachte sie ins Gericht. Weil die Rote Hilfe e.V. in voller Höhe über- monstration wurde ein Genosse wegen sie vor Gericht keine Aussagen machte, nahm, da die Genossin keine Möglichkeit Vermummung festgenommen und soll bekam sie ein Ordnungsgeld auferlegt hatte, Solipartys zu organisieren. dabei Polizisten bespuckt haben. Glück (853,50 Euro) und weil das Affenkostüm hatte er, weil er durch die Hilfe anderer als Vermummung gewertet wurde auch Gefangenenbefreiung DemonstrantInnen wieder frei kam. Pech noch eine Strafe wegen Verstoßes ge- mit Luftpumpe hatte er, weil er später dann doch noch gen das Versammlungsgesetz (300 Euro), festgenommen wurde. Es kam zum Pro- dazu kamen dann noch Anwaltskosten  Am 20. Januar 2010 versuchten rund zess, zum Vorwurf der Vermummung und (477,90 Euro). Die Rote Hilfe übernahm 100 DemonstrantInnen, das Landgericht des Spuckens kam dann auch noch der 50 Prozent von allen Kosten. in Göttingen zu blockieren. Die Abschie- Vorwurf des Widerstands gegen Polizisten bung des Flüchtlings Gana Rama sollte dazu, obwohl der Genosse sich bei seiner Erst Hausfriedensbruch, verhindert werden. Dabei wurden einige Befreiung nicht gegen seine Verhaftung dann libertäres Zentrum DemonstrantInnen von der Polizei festge- gewehrt hatte. Das Verfahren wurde am halten. Zu Hilfe eilende DemonstrantIn- Jugendgericht geführt und der Richter  Im Sommer 2009 fand in Magdeburg nen konnten bewirken, dass alle wieder fühlte sich persönlich beleidigt, da der eine Kampagne für ein „Libertäres Zen- freikamen. Die Polizei will nun wiederum Genosse keinerlei Aussagen machte. Dies trum“ statt. Dabei wurde ein Haus über einen Genossen bei der Gefangenenbe- spiegelt sich dann auch im Urteil wieder. einen längeren Zeitraum besetzt, das freiung erkannt haben, dieser soll sie So wurde der Genosse zu drei Wochen heute tatsächlich als „Libertäres Zen- mit einer Fahrrad-Luftpumpe bedroht Dauerarrest, einer Strafe von 300 Euro trum“ genutzt wird. Am 30. Juni 2009 haben. Der Genosse lebt als Flüchtling und dem Schreiben eines Aufsatzes zum jedoch blockierte die Polizei das Haus in Göttingen und eine Verurteilung würde Thema „Das Wirken studentischer Ver- und ließ niemanden mehr rein, einem sich wahrscheinlich extrem negativ auf bindungen auf das Entstehen einer frei- Genossen wurde nun vorgeworfen, sich seinen Aufenthaltsstatus auswirken, das heitlichen Grundordnung in Deutschland auf dem Gelände befunden zu haben. Er Verfahren läuft noch. Die Rote Hilfe e.V. und das Erfordernis einer wirksamen Po- bekam einen Strafbefehl wegen Haus- hat schon mal die Hälfte der bisher ent- lizeiarbeit zur Verteidigung dieser Werte“ friedensbruchs, der in Arbeitsstunden standen Anwaltskosten nach Pflichtver- verurteilt. Die Rote Hilfe e.V. übernimmt umgewandelt wurde. Die Rote Hilfe e.V. teidigersatz (326,66 Euro) übernommen. 50 Prozent der Strafe und der Anwalts- kosten (577,55 Euro).

6 DIE ROTE HILFE 1/2011 In eigener Sache

… und so solltet ihr euch nicht verhalten:  Aus Verärgerung über den Abriss der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Zie- genhals schrieb der Antragsteller im September 2009 eine Postkarte an den Abgelehnt: zuständigen Ministerialrat in Potsdam. Texten von Gruppen, die politische Zie- Er kündigte an, dass der geplante Neu-  Ein als Antifaschist bekannter Ge- le verfolgen, distanziert. Nicht wegen bau auf dem Grundstück der Gedenk- nosse aus Storkow (Brandenburg) wurde der Aktion, sondern wegen der Flyer stätte nachts angezündet würde. Da- im August 2010 von Nazis angegrif- wurde dieser Antrag abgelehnt. mit schoss er wohl etwas über das Ziel fen und verletzt. Er will nun wieder- hinaus, denn die Staatsanwaltschaft um die ihm bekannten Nazis anzeigen  Ein Genosse war am 1. Mai 2009 in konstruierte aus dieser offensichtlich und Schmerzensgeld erklagen. Dabei Berlin auf der „Revolutionären 1.Mai- substanzlosen „Drohung“ ein Verfahren wird er von der Roten Hilfe e.V. nicht Demo“. Im Anschluss an diese wurde wegen Nötigung. Auf Grund von Finger- unterstützt, eine finanzielle Unterstüt- er von der Polizei festgenommen, die abdrücken und DNA-Spuren wurde der zung erfolgt nur bei einer Verfolgung ihn dabei beobachtet haben will, wie er Antragsteller als Absender der Karte von staatlicher Seite aus. Zivilklagen eine Flasche auf die Polizei geworfen ermittelt. Aus Unkenntnis und in der werden generell nicht unterstützt. haben soll. Es kam zum Prozess und Überzeugung, moralisch im Recht zu er wurde wegen Landfriedensbruchs sein, legte er bei den Ermittlungsbe-  Ein Genosse verteilte im Febru- und Körperverletzung verurteilt. Leider hörden ein Geständnis ab. Da er ALG- ar 2009 vor einem Zirkus in der Nähe machte der Genosse umfangreiche Aus- II-Empfänger ist, forderte die Rechts- von Göttingen Flyer, die sich gegen die sagen vor Gericht, er filmte die Demo anwaltskanzlei, an die er sich wandte, Haltung und Zurichtung von Tieren in und überließ der Polizei den Film und eine allgemeine Zusage der Roten Hil- Zirkussen richtete. Leider verteilte er zusätzlich benannte er noch einen Zeu- fe, 50 Prozent der Anwaltskosten zu Flyer des Vereins Tierfreunde e.V., der gen. All dies schließt eine Unterstüt- übernehmen. Diesen Antrag haben wir sich in auf der Homepage einsehbaren z u n g d u r c h d i e R o t e H i l f e e . V . a u s . abgelehnt.

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das wird ganz schön Rote Hilfe Schotter kosten… Kalender 2011

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DIE ROTE HILFE 1/2011 7 Repression

Was tun wenn’s Brennert?

Interview zur LKA-Spitzel-Enttarnung in Heidelberg

OG Heidelberg Gruppen und Bewegungen zu bekommen Mareike: Erstaunlicherweise ließ sich und auch bei überregionalen Aktionen „Simon Brenner“ dabei so weit unter mitzumischen. So nahm er am antiras- Druck setzen, dass er viele Fragen beant- sistischen NoBorderCamp in Brüssel teil wortete. Beispielsweise gab er an, bei der Seit Dezember 2010 sorgte eine unge- und war aktiv in der Organisation der An- LKA-Abteilung I540 (Verdeckte Ermitt- wöhnliche Repressionsmaßnahme mit ti-Castor-Proteste bei der Süd-Blockade. lungen Staatsschutz) zu arbeiten, etwa Zudem durchleuchtete er die sozialen zweiwöchentlich Berichte direkt im LKA mehr als fragwürdiger Rechtsgrund- Beziehungen innerhalb der Heidelberger in Stuttgart verfasst sowie Kontakt zum lage immer wieder für bundesweites Szene, indem er „Freundschaften“ mit Heidelberger Staatsschutz unterhalten zu Presseecho: die Enttarnung des Spit- AktivistInnen aus verschiedenen Studi- haben. Auf die Frage nach seinem genau- Gruppen pflegte und dieses Eingebun- en Einsatzziel erklärte der Spitzel, die zels „Simon Brenner“, den das baden- densein nutzte, um das Vertrauen wei- örtliche Antifa-Szene im Visier gehabt zu württembergische Landeskriminalamt terer Leute und Strukturen zu gewinnen. haben, insbesondere die Antifaschisti- über fast neun Monate hinweg in sche Initiative Heidelberg (AIHD), die er mittelfristig auch hätte infiltrieren sollen. die linke Szene Heidelbergs einge- RHZ: Wie kam es zu der Enttarnung? schleust hatte, löste überregional Dis- RHZ: Welche konkreten Angaben hat er kussionen über solche Überwachungs- Mareike: Dass die Enttarnung möglich zu seiner Arbeit vor Ort gemacht? methoden aus. Die RHZ im Januar wurde, ist letztlich einem glücklichen ein Interview mit Mareike und Micha- Zufall zu verdanken: Eine Frau, der der Spitzel im Sommerurlaub als „Simon Michael: Nach seinen Aussagen hat er el von der RH-Ortsgruppe Heidelberg. von der Polizei“ vorgestellt worden war, Personalakten über alle Menschen in sei- traf ihn bei einem Besuch in Heidelberg nem politischen Umfeld und Bekannten- auf einer Party wieder, wo er mit einigen kreis angefertigt, deren vollen Namen er Aktiven aus der KI zusammensaß. Der V- kannte. Dabei behauptete er, eigentlich Mann erkannte die Frau ebenfalls wieder ausschließlich deren politisches Enga- und versuchte, sie zum Schweigen zu be- gement protokolliert zu haben. Gleich- RHZ: Am 12. Dezember 2010 konnte in wegen. Sie ließ sich jedoch nicht verun- zeitig verriet er aber das wahre Ausmaß Heidelberg ein Spitzel enttarnt werden, sichern, sondern informierte am nächsten der Szenedurchleuchtung, indem er ver- der im Auftrag des LKA Baden-Württem- Morgen die AktivistInnen darüber, mit sicherte, dass die Namen der politisch berg seit April linke Strukturen infiltriert wem sie es hier zu tun hatten. Wenig nicht aktiven MitbewohnerInnen nicht hatte. Welche Gruppierungen waren davon später wurde „Simon Brenner“ in eine außerhalb dieser Akte verwendet werden betroffen? Kneipe eingeladen, wo er von den Studis würden. mit der Tatsache konfrontiert wurde. Mareike: Ganz konkret wissen wir aus Michael: Sein Einstieg in die Szene ver- seinen Antworten, dass er mit dem Hei- lief zunächst über sehr lose Zusammen- RHZ: Wie lief das Konfrontations- delberger Staatsschutz regelmäßig Poli- hänge und offene Gruppen, nachdem er gespräch ab? zeieinsätze bei linken Demonstrationen sich an der Universität eingeschrieben in der Region nachbereitete. Im Fall der hatte. Über den SDS und Bildungsstreik- Proteste gegen das umstrittene städti- initiativen sowie das linke Campus-Camp Michael: Tatsächlich gab er sofort zu, sche „Heldengedenken“ erklärte „Simon kam er zur Kritischen Initiative (KI). Die- dass er als V-Mann in der Szene unter- Brenner“, er habe bereits im Vorfeld den se offene linke Studierendengruppe setzt wegs war; schließlich wusste er ja, dass Staatsschutz kontaktiert und für die Ver- sich mit einer Vielzahl von politischen ihn seine Urlaubsbekanntschaft erkannt stärkung des Einsatzes und eine Hun- Themen auseinander und hat Kontak- hatte und Leugnen zwecklos gewesen destaffel gesorgt, da er Gerüchte über te in die Anti-AKW-Bewegung sowie zu wäre. Daraufhin benachrichtigten die geplante Aktionen gehört habe. Zudem antirassistischen und antifaschistischen AktivistInnen GenossInnen aus anderen hat er zugegeben, die Hausdurchsuchung Gruppen. Strukturen, so dass die Gruppe immer bei einem linken Studenten veranlasst zu größer wurde. Vor der Kneipe wurde der haben, in dessen Wohnung er kriminali- Mareike: Dadurch wurde es „Simon Bren- Spitzel systematisch zu seiner Arbeit und sierbares Material gesehen haben wollte. ner“ möglich, Einblick in verschiedene seinen Aufgaben befragt.

8 DIE ROTE HILFE 1/2011 Repression

RHZ: Für wie glaubwürdig haltet ihr die inzwischen bewiesen ist. Seine Kontak- aktiv war und in denen er engen privaten Angaben, die „Simon Brenner“ gemacht te zum Heidelberger Staatsschutz und Kontakt zu vielen Einzelpersonen hatte, hat? zum LKA ließen sich aus seinen Tele- und den weniger involvierten Strukturen. fonverbindungen ablesen, die ebenfalls Für Gruppen wie die KI war das wirklich geknackt wurden. Vieles hingegen – wie ein traumatisches Erlebnis, sowohl auf Michael: Zuerst gab es da schon große zum Beispiel seine Angaben zu seiner persönlicher als auch auf politischer Ebe- Unsicherheit, inwieweit die Aussagen von Schulung vor dem Einsatz – konnte bis- ne, und sie sahen sich anfangs nicht in einem Polizeispitzel als Grundlage für her nicht durch andere Quellen bestä- der Lage, direkt offensiv darauf zu reagie- Pressearbeit und eigene Auswertungen tigt werden, wirkt aber angesichts der ren. Den einzelnen AktivistInnen musste benutzt werden können. Allerdings klan- bewiesenen Details nicht grundsätzlich erst mal die Möglichkeit gegeben werden, gen einige Aspekte sehr plausibel oder unglaubwürdig. Trotzdem sind Spitzel- mit der Situation besser klarzukommen. lieferten Erklärungen für bereits exis- aussagen aber immer mit Vorsicht zu tierende diffuse Vermutungen, die bei- genießen. Mareike: Umso wichtiger war es, dass spielsweise angesichts des vollkommen politische Zusammenhänge, die den V- unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes Michael: Übrigens wurden einige Punkte Mann nicht oder nur vom Sehen kannten, beim „Heldengedenken“ aufgekommen inzwischen auch vom Innenministerium diesen Gruppen einen Teil der anfallen- waren. bestätigt, das sich am 17. Januar auf An- den Aufgaben abnahmen. Dazu gehörte, frage der Grünen-Fraktion genötigt sah, Szenestrukturen in anderen Städten zu Mareike: Manche Angaben zu seiner Per- zumindest den Einsatz einzuräumen. informieren oder auch die Pressearbeit in son konnten auch sehr bald dank der Auch wenn Innenminister Heribert Rech Angriff zu nehmen, die sich ja als recht HackerInnengruppe belegt werden. So (CDU) versuchte, so wenige Informatio- umfangreich herausgestellt hat. hatte der V-Mann im Konfrontationsge- nen wie möglich preiszugeben, musste spräch gesagt, ursprünglich in Überlin- er letztlich einige Angaben von „Simon gen als Polizist gearbeitet zu haben, was Brenner“ bestätigen. Beispielsweise wur- RHZ: Tatsächlich gab es innerhalb kurzer de das eigentliche Einsatzziel benannt Zeit Pressemitteilungen des Bundesvor- als Personen „aus der antifaschistischen stands der Roten Hilfe und der Antifaschis- und anarchistischen Szene“, was sich tischen Initiative Heidelberg sowie Artikel mit den Angaben des Spitzels deckt, und auf Indymedia. Wie lief die Pressearbeit auch die Telefonate mit dem Heidelber- aus eurer Sicht? ger Staatsschutz wurden eingeräumt.

Mareike: In den ersten Tagen haben nur RHZ: Wie haben die örtlichen Gruppen auf einige linke Medien die Enttarnung auf- die Enttarnung reagiert? gegriffen, zum Beispiel die „Junge Welt“ und einige freie Radios, sowie die Hei- delberger Lokalzeitung. Erst zehn Tage Michael: Zunächst war das für alle Grup- nach der Enttarnung gaben sich die bun- pen ein ziemlicher Schock. Allerdings desweiten Medien hier in Heidelberg die muss nochmals unterschieden werden Klinke in die Hand und brachten um- zwischen den direkt betroffenen Grup- fangreiche Berichte in Zeitungen, aber pen, in denen der Spitzel seit Monaten auch in einigen Fernseh- und Radiosen- dern. Nach einer kurzen Pause ging der Presserummel wieder los, als Mitte Janu- ar aus Stuttgart die offizielle Bestätigung des Einsatzes kam.

Michael: Was allerdings an der gesamten bürgerlichen Berichterstattung gruse- lig war, war die Konzentration auf die „menschlichen Aspekte“: In gefühlsdu- seligen Artikeln wurde die emotionale Betroffenheit und die persönliche Ent- täuschung der interviewten Studis in den Vordergrund gestellt, ohne den politi- schen Skandal, den dieser Einsatz dar- stellt, wirklich zur Geltung zu bringen.

Mareike: Trotzdem muss betont werden, dass insbesondere die beiden ersten Presseerklärungen der Roten Hilfe e.V.

Bild oben: Brenner bei den Protesten gegen das erwähnte „Heldengedenken“ auf dem „Ehrenfriedhof“, sozusagen unter Kollegen DIE ROTE HILFE 1/2011 9 Repression

und der AIHD vielfach zitiert wurden und rechtfertigen würde, aber das nur am „Simon Brenner“ überprüft und in vie- zahlreiche bürgerliche JournalistInnen Rande. len Punkten Klarheit gewonnen werden; auch den direkten Kontakt zu Vertreter­ das war für uns hier vor Ort bei der Ein- Innen linker Strukturen suchten. Aber Mareike: Jedenfalls bewegt sich dieser schätzung des ganzen Falls wichtig, aber es stimmt, die politische Analyse dieses V-Mann-Einsatz rechtlich auf mehr als es hat auch die Pressearbeit erleichtert. Einsatzes fehlt fast immer. fragwürdigem Boden, auch wenn das Zum anderen hat es innerhalb der Szene 2009 geänderte baden-württembergische ein wichtiges Signal gegeben, nämlich Polizeigesetz verdeckte Ermittler zulässt den Angriffen des Staates und seinen RHZ: Was ist das Besondere an diesem (§22 PolG). Diese dürfen allerdings nur Überwachungsmaßnahmen nicht hilf- Spitzeleinsatz? eingesetzt werden „zur Abwehr einer Ge- los ausgesetzt zu sein. Das Gefühl, dass fahr für den Bestand oder die Sicher- eine Gruppe von AktivistInnen den Spieß heit des Bundes oder eines Landes“ oder umdreht und zurückschlägt, hat für ein Michael: Oftmals wird bei der Betrach- „zur vorbeugenden Bekämpfung einer neues Selbstbewusstsein innerhalb der tung dieser ganzen Angelegenheit nicht Straftat von erheblicher Bedeutung“. betroffenen Gruppen gesorgt. richtig zwischen den verschiedenen Re- Dass diese Voraussetzungen im Fall des pressionsorganen und ihren rechtlichen Einsatzes gegen eine riesige Bandbrei- Michael: Außerdem war es toll, von einer Kompetenzen unterschieden; schließlich te legal arbeitender linker Strukturen unbekannten Gruppe so aktive Unterstüt- existiert immer noch das Trennungsge- und deren Umfeld gegeben sind, finden zung und praktische Solidarität zu erfah- bot zwischen Polizei und Geheimdiens- sogar staatstragende Medien mehr als ren. Ohnehin hat die Heidelberger Szene ten, auch wenn es durch immer weiter unwahrscheinlich. Ein entsprechender viele Hilfsangebote und solidarische Grü- reichende Kooperationsprojekte zuneh- Nachweis einer wie auch immer gear- ße aus anderen Städten erhalten. Auch mend ausgehöhlt wird. Es handelt sich teten konkreten Bedrohung durch die das war sehr wichtig, als politische Szene in diesem Fall um einen verdeckten Er- betroffenen Gruppen wurde bisher weder zu erfahren, dass wir mit dieser extremen mittler des LKA, also der Landespolizei. vom Innenministerium noch von den in- Repressionsmaßnahme nicht allein ge- Der verdeckte Einsatz ist allerdings ein volvierten Polizeistellen erbracht, die lassen werden. Schließlich ist in solchen Instrumentarium, das juristisch gesehen sich „aus Gründen der Geheimhaltung“ Fällen die Gefahr groß, dass sich die be- eindeutig in das Repertoire des Geheim- zu den Details weiterhin in Schweigen troffenen AktivistInnen und Strukturen dienstes gehört – was diese Schweinerei hüllen. verunsichern und einschüchtern lassen. auch beim Verfassungsschutz keineswegs Michael: Abgesehen davon hat „Simon Brenner“ bei der Enttarnung selbst zu- RHZ: Wie geht es jetzt weiter? Sind neben Anzeige gegeben, zur Prävention möglicher künf- der Öffentlichkeitsarbeit auch rechtliche tiger Straftaten sowie „zur Informations- Schritte gegen den Einsatz geplant? beschaffung“ eingesetzt gewesen zu sein. Ersteres mag noch ein schwacher Ab- Michael: Es gibt im Moment verschiede- klatsch dieser an sich schon skandalösen ne Überlegungen, doch müssen zunächst und recht unbekannten Rechtsgrundlage die rechtlichen Voraussetzungen und die sein, indem er und seine Vorgesetzten Erfolgschancen geprüft werden. Denkbar eben von ihnen vermutete oder herbei- wäre beispielsweise, dass die Universi- halluzinierte Straftaten zum Anlass nah- tät rechtlich gegen den Einsatz vorgeht. men. Beim Ziel der Informationsbeschaf- Schließlich immatrikulierte sich „Simon fung wird aber klar, dass es sich hier Brenner“ mit gefälschter Identität ein- faktisch um einen geheimdienstlichen schließlich eines gefälschten Abiturzeug- Einsatz eines Polizeibeamten handelt – nisses. Auch könnten einzelne Betroffene also um einen offenen Verstoß gegen das gegen die Repressionsmaßnahme klagen. Trennungsgebot. Mareike: Letztlich muss der Kampf gegen diesen Einsatz aber weniger auf juristi- RHZ: Die linke HackerInnengruppe „Spit- scher als auf politischer Ebene geführt zel sind das Allerletzte“ hat zunächst den werden. Es gilt, den Staat so weit unter Mail-Account von „Simon Brenner“ ge- Druck zu setzen, dass er nicht nur in die- knackt und im Januar sogar seine wahre sem Einzelfall in die Defensive gerät, wie Identität herausgefunden. Waren diese In- es bereits der Fall ist, sondern es sich formationen für euch hilfreich? grundsätzlich nicht mehr leisten kann, V-Leute einzusetzen und auf diese Weise politische Strukturen zu durchleuchten. Mareike: Tatsächlich hat uns der Hack sehr weitergeholfen. Zum einen konnte RHZ: Vielen Dank für das ausführliche dadurch – wie vorhin schon erwähnt – Interview! der Wahrheitsgehalt einiger Angaben von

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Grenzenlose Spitzelei

Immer mehr Undercover-Agenten werden europaweit eingesetzt

Matthias Monroy Wiener Kriminalbeamte Stefan Wappel, Seit einigen Jahren widmet sich auch hatte sich für ihre Mission den Namen die EU-Polizeiagentur Europol dem The- „Danielle Durand“ ausgedacht und ihr menkomplex „Animal Rights Extremism“. Wohnsitze in Wien und in der Steiermark SOKO-Beamte aus Österreich haben hier- Mehrere bekannt gewordene Ein- verschafft. Um sie mit der nötigen Legen- für an mehrmals im Jahr stattfindenden sätze verdeckter ErmittlerInnen de auszustatten führte er „Internetrecher- Tagungen teilgenommen. Das Thema chen und Gespräche“ und wollte damit steht regelmäßig auf der Agenda des Ko- dokumentieren deren zunehmend herausfinden „wie diese Leute denken“. mitees für innere Sicherheit (COSI), das internationale Verwendung in linken Aufträge bekam er von einer Sonderkom- dazu von Europol mit vierteljährlichen Zusammenhängen. Eines der vor- mission, die auch die verdeckte Überwa- „Bedrohungsanalysen“ versorgt wird. chung angewiesen hatte. „Durand“ liefer- Auch im jährlichen „Trendreport“ (3) rangigen Ziele scheint das Dissent!- te Informationen über geplante Aktionen zu Erscheinungsformen von Terrorismus Netzwerk gewesen zu sein. Die EU wie „Tiertransportblockaden oder Jagd- in der EU kommt „Animal Rights Extre- will noch mehr Vereinfachung, eine störungen“. Hierfür schrieb sie Berichte mism“ Beachtung zu. Alle Erkenntnis- und schickte SMS. se werden in der Europol-Analysedatei entsprechende Initiative startete un- Die Vernehmung Wappels erhellt die „Dolphin“ („nicht-islamistischer Extre- ter deutscher Präsidentschaft 2007. überraschend kurze Ausbildung verdeck- mismus“) gespeichert. Der Europäische ter ErmittlerInnen: Nach der Polizeischu- Rat fordert ebenfalls ein „hohes Maß an le wurde „Danielle Durand“ im „Büro für Vorsicht und Wachsamkeit gegenüber ■■ Der Internationalisierung von Protest verdeckte Ermittlungen“ aufgenommen, Tierschutz-Extremisten“. und Widerstand folgen offensichtlich ste- wo sie eine dreiwöchige Zusatzausbil- Kein Wunder also, dass „Daniel- tig wachsende grenzüberschreitende Ein- dung absolvierte und Fortbildungsveran- le Durand“ auch grenzüberschreitende sätze von Undercover-PolizistInnen. Der staltungen besuchte. Zuvor spitzelte sie Verwendung fand. Wappel hatte sie zu in Heidelberg eingesetzte Polizei-Spitzel in den Komplexen „Suchtmittel, Falsch- internationalen Treffen von Tierschützer­ Simon Bromma war auf dem Brüsseler geld, Eigentumskriminalität“. Innen ins holländische Appelscha und Grenzcamp Ende September zugegen und das schweizerische Luzern persönlich interessierte sich besonders für die – dort „Ein hohes Maß an Vorsicht begleitet. „Durand“ war dafür unter an- zweifellos notwendige – Antirepressions- und Wachsamkeit gegenüber derem mit einem manipulierten Mobil- arbeit. Aus Belgien hatte er in fünf Ta- Tierschutz-Extremisten“ telefon ausgerüstet, über das Wappel die gen 35 SMS an ein deutsches Handy im Raum geführten Gespräche mithörte. geschickt, dessen Anschlussnehmer nach Mit dem Hilfsmittel einer „Gefahren- Der Einsatz von „Danielle Durand“ im Vermutungen der Tageszeitung „Frank- abwehr“ sparte sich die österreichische Ausland sei „mit der dortigen Behörde furter Rundschau“ das Landeskriminal- Polizei eine Genehmigung der Ermittlun- akkordiert“ gewesen. Wappel war zustän- amt Baden-Württemberg ist. Bei seiner gen nach der Strafprozessordnung und dig, die für den grenzüberschreitenden Enttarnung redete sich Bromma heraus, organisierte den Einsatz von „Danielle Einsatz der Ermittlerin notwendige Er- seine Schnüffelei hätte einer nicht näher Durand“ stattdessen nach dem Sicher- laubnis zu beantragen. bezeichneten „Informationssammlung heitspolizeigesetz. Allerdings wurde auch Amtshandlungen von PolizistInnen und Gefahrenprävention“ gedient. Der die österreichische Strafprozessordnung auf dem Hoheitsgebiet anderer Staaten Landesinnenminister ergänzte (1), Brom- ab 1. Januar 2008 geändert, verdeck- müssen zuvor in einem Ersuchen darge- ma sei auch auf konkrete Zielpersonen te Ermittlungen zur „Gefahrenabwehr“ legt werden, dem dann – mit Auflagen angesetzt gewesen. müssen seitdem richterlich genehmigt versehen – entsprochen werden kann. Der Eine diffuse „Gefahrenabwehr“ dien- werden. Vielleicht wurde „Durand“ des- Einsatz richtet sich nach den Rechtsvor- te auch in Österreich als Vehikel zur halb 2007 aus der Szene abgezogen, so schriften des Staates, in dem er stattfin- verdeckten Überwachung der dortigen jedenfalls behauptet es die Staatsan- det. Eilfälle sind je nach Polizeigesetz Tierrechtsszene, die seit März 2010 zur waltschaft. Laut Wappel sei sie dafür, nicht möglich oder müssen unverzüglich Anklage von 13 TierrechtsaktivistInnen inszeniert durch einen angeblichen Um- mitgeteilt und die Erlaubnis kurzfristig (2) geführt hat. Ihnen wird nach §278 zug nach Frankreich, „behutsam“ aus nachgeholt werden. Im Dezember wurde StGB die Bildung einer kriminellen Orga- der Szene herausgelöst worden. Jedoch vor dem Gericht in Wien über die Teil- nisation vorgeworfen, es stehen Haftstra- schrieb „Danielle Durand“ noch im Sep- nahme an den internationalen Treffen in fen von bis zu fünf Jahren im Raum. tember 2008 Mails an ihre früheren Ziel- Holland und der Schweiz berichtet. Die Der „Führer“ der im §278-Verfahren personen, als ihre Spitzeltätigkeit längst angefragten Behörden hatten die Ermitt- eingesetzten verdeckten Ermittlerin, der zu deren Verhaftung geführt hatte. lungen zwar genehmigt, aber Auflagen

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erteilt. Die holländische Polizei etwa Gerichtsverfahrens Details einer obskuren was seit der Berichterstattung in der bri- wies an, dass für jede weitere Ermitt- Polizei-Aktion ans Licht: Kennedy hatte tischen Presse offenkundig wurde (5). lungshandlung eine neue Genehmigung die Direkte Aktion mit organisiert. Der Ergänzt mit Recherchen vor allem der beantragt werden müsse. geübte Kletterer versorgte die anderen Tageszeitung „Guardian“ und den jetzt Gewöhnlich fordern die nationalen 113 AktivistInnen mit geographischen In- bekannten – mit Vorsicht zu genießenden Polizeibehörden, mit regelmäßigen Be- formationen über das anvisierte Kraftwerk – Aussagen Kennedys ergibt sich, dass richten versorgt zu werden. Anders als und schlug bestmögliche Zugänge vor. In der Spitzel als heimliche Waffe gegen Angehörige von Geheimdiensten dürfen einer Razzia vor Beginn des geplanten die europaweite Vernetzung antikapita- Undercover-PolizistInnen qua Gesetz Protestes hatten 400 PolizistInnen die listischer Gruppen aufgebaut wurde und keine „milieubedingten Straftaten“ be- 114 Personen verhaftet. Mike Schwarz, hauptsächlich anlässlich von Massen- gehen, etwa um ihrer Legende Glaub- der Anwalt der Betroffenen, kritisiert den protesten mit internationaler Beteiligung würdigkeit zu verschaffen – diese Gren- Polizei-Überfall als einen schwerwiegen- Verwendung fand, darunter auch der Räu- ze ist allerdings fließend und wird gern den Angriff auf friedliche Protestformen mung des Ungdomshuset in Kopenhagen. übertreten. gegen den Klimawandel. Schwarz fordert Kennedy wurde vor allem innerhalb des jetzt, dass Gerichtsverfahren, die auf von „Ich habe täglich berichtet“ Kennedy gelieferten „Erkenntnissen“ be- ruhen, überprüft werden. Im Oktober 2010 war in Großbritan- Das Boulevard-Blatt „Daily Mail“ nien ein Spitzel mit noch weiter reichen- meldete, Kennedy habe seine Informati- den internationalen Kontakten (4) auf- onen auch an den Kraftwerks-Multi E.ON geflogen. „Mark Stone“ wurde als der verkauft. Laut übereinstimmender Pres- britische Polizist Mark Kennedy enttarnt, seberichte hatte Kennedy gegen Ende als nach einem ersten Verdacht sein seiner Spitzel-Tätigkeit für die private echter Pass bei ihm gefunden wurde. Sicherheitsfirma „Global Open“ gearbei- Der 41-Jährige arbeitete seit mindestens tet und später mit „Tokra“ ein entspre- 2003 für die gegen „Extremismus“ in chendes eigenes Unternehmen gegrün- Stellung gebrachte National Public Order det. E.ON betreibt ein Kraftwerk, das Ziel Intelligence Unit (NCDE) bei Scotland einer der späteren Einsätze Kennedys Yard. Die Einheit wurde Ende der 90er wurde. Die Firma dementiert die Berichte Jahre gegründet, um etwa anarchistische über eine Zusammenarbeit. und globalisierungskritische Gruppen Kennedy hatte seine Story Mitte Ja- oder die wachsende Tierrechtsbewegung nuar an die „Daily Mail“ verkauft. Der auszuforschen. Die NCDE hat angeblich Artikel wird garniert mit einer Beschrei- ein jährliches Budget von fast zehn Mil- bung seiner auch sexuellen Affären, die lionen Euro. ihm zur Infiltration linker Zusammenhän- Kennedy infiltrierte ab 2003 zunächst ge und dem Erschleichen von Vertrauen die beginnende Klimabewegung und dienlich waren. Er erhielt nach eigenen die Vorbereitung des G8 in Gleneagles. Angaben zusätzlich zu seinem üblichen Er übernahm Fahrdienste, stellte seine Gehalt von 60.000 Euro bis zu 240.000 Wohnung für Treffen zur Verfügung oder Euro jährlich für seine Spitzeldienste. verlieh großzügig seinen USB-Stick für Seine auch in den unterwanderten Grup- mobiles Internet. In Island hatte Kennedy pen auffallende Lebensweise erklärte Mark Kennedy alias „Mark Stone“ bereits 2005, also zu Beginn der dortigen er mit angeblichem Drogenschmuggel, spitzelte über Staatsgrenzen hinweg. Klimabewegung, Workshops zu „Direkter was auch zur Legende als bereitwilliger Aktion“ gegen die Aluminiumverhüttung Fahrer rund um Protestaktionen passte. der Firma ALCOA und die italienische Kennedy erklärt, er sei mit einem mani- Dissent!-Netzwerks eingesetzt, das einen Baufirma Impregilo organisiert. Seine pulierten Telefon ausgestattet gewesen, erheblichen Anteil an der Mobilisierung vorgebliche Leidenschaft für Massen- über das seine Vorgesetzten jederzeit sei- zu den G8-Gipfeln 2005 und 2007 sowie proteste brachte ihm den weiteren Alias- ne Position orten konnten. Er habe ihnen dem Nato-Gipfel 2009 hatte. Sechs Tage Namen „Detective Stone“ ein. Im Nach- zudem „täglich berichtet“ und regelmä- vor seiner Enttarnung erkundigte er sich hinein fiel den von ihm Ausgeforschten ßig SMS verschickt. Insgesamt sei er 20 bei einer französischen Dissent!-Gruppe auf, dass Kennedy sich nie auf politi- anderen Undercover-PolizistInnen begeg- nach dem Stand der Mobilisierung zum sche Diskussionen einließ. Mit rund 200 net, von denen fünf noch ihren Dienst kommenden G20- und G8-Gipfel. Observierten feierte er demgegenüber versehen würden. Beim G8 2007 hatte Kennedy der dreist seinen 40. Geburtstag. Der Verrat deutschen Polizei während der Proteste einer Aktion von KlimaaktivistInnen, die Informationsbeschaffung für einsatzrelevante Informationen übermit- sich 2009 anscheinend zu einer Blockade dänische und deutsche Polizei telt: „At a G8 protest in the riot des Kohlekraftwerks Ratcliffe-on-Soar cops were planning to go in heavy, but I verabredet hatten, brachte anlässlich Auf Indymedia wird zusammengetra- knew the crowd was planning to disper- des im Dezember hierzu begonnenen gen, wo Kennedy seit 2003 aktiv war und se. I texted that information in, and the

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charge was called off“, diktierte er der Tage im Freiburger Autonomen Zentrum geregelt. Die entsprechenden Verträge „Mail on Sunday”. KTS, das als Infopunkt, Medienzentrum treffen Vereinbarungen etwa zur Dauer Fraglich ist, auf welche Weise der und Schlafplatzbörse diente. oder Berichtspflicht. Spitzel in die polizeiliche Handhabung Auch in Nordamerika wurden in Europaweit organisieren sich die po- der Proteste gegen den G8-Gipfel in Hei- jüngster Zeit Polizeispitzel aufgedeckt. In lizeilichen Abteilungen zu verdeckten Er- ligendamm eingebunden war und welcher den USA ist mit „Karen Sullivan“ kürz- mittlungen in der „European Cooperation Stelle er Informationen lieferte. Vermut- lich eine verdeckte Ermittlerin des FBI Group on Undercover Activities“ (ECG), lich hatte er weiterhin Kontakt zu einem in antimilitaristischen Zusammenhängen zu deren Treffen auch das deutsche Bun- britischen Betreuer, der wiederum über aufgeflogen. Vor dem G20-Gipfel in To- deskriminalamt (BKA) sowie das Zollkri- das Netz internationaler Verbindungsbe- ronto im Herbst 2010 sollte „Brenda Dou- minalamt eingeladen werden. amtInnen in die Sicherheitsarchitektur gherty“ die kanadischen anarchistischen EU-Arbeitsgruppen und Instituti- des G8-Gipfels eingebunden gewesen Zusammenhänge ausforschen. onen, darunter die regelmäßig zusam- sein könnte. Womöglich war hierfür eine mentretende „Task Force europäischer eigene Arbeitsgruppe zu verdeckten Er- Ziel: EU-weite Vereinfachung Polizeichefs“, hatten sich unter deut- mittlungen eingerichtet, die dann bei der verdeckter Ermittlungen scher Präsidentschaft 2007 mit neuen damaligen polizeilichen Sonderbehörde Maßnahmen hinsichtlich des grenzüber- „Besondere Aufbauorganisation Kavala“ Durchaus möglich, dass die Spitzelei schreitenden Einsatzes von Spitzeln be- angesiedelt war. von Mark Kennedy zusammen mit deut- schäftigt. In seiner letzten Sitzung unter Kennedy war zudem regelmäßig in schen Bundes- oder Länderpolizeien in deutscher Leitung im Juni 2007 hatte Deutschland zu Besuch. In der Antwort einer so genannten „Gemeinsamen Er- der Europäische Rat eine Entschließung auf eine Kleine Anfrage verweigert die mittlungsgruppe“ (GEG) durchgeführt zur „Intensivierung der Zusammenarbeit Bundesregierung hierzu jede Auskunft wurde, wie sie seit Jahren unter EU-Mit- der Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung und will wie beim Castor-Protest nicht gliedsstaaten immer üblicher werden. Die der grenzüberschreitenden Schwerkrimi- offen legen, wann und von wem der GEG bieten den Beteiligten eine Reihe nalität durch den vereinfachten grenz- grenzüberschreitende Einsatz verabredet von Erleichterungen. So können etwa In- überschreitenden Einsatz von Verdeckten wurde. Aus „einsatztechnischen Erwä- formationen untereinander ausgetauscht Ermittlern“ (9) verabschiedet. Angestrebt gungen“ bleibt die Frage nach der Zu- werden, ohne hierzu jeweils förmliche wurde damals, Rechtsunsicherheiten sammenarbeit britischer und deutscher Anfragen stellen zu müssen. Auf Rechts- aufzulösen und ausländische verdeckte Behörden ebenfalls unbeantwortet. Die hilfeersuchen kann in einer GEG eben- ErmittlerInnen inländischen gleichzu- Regierung erklärt immerhin, es lägen falls verzichtet werden. stellen. Die deutsche Initiative mündete „keine Anhaltspunkte für Verstöße ge- In einem von den EU-Agenturen Euro- 2008 in einem EU-weiten Fragebogen zu gen internationale Vereinbarungen vor“. just und Europol erstellten Handbuch (8) den entsprechenden Regelungen in den Wenn dem so ist, waren die deutschen werden die GEG und der dortige „infor- Mitgliedsstaaten. Behörden also per Ermittlungsersuchen melle Austausch von Sachkenntnis“ ge- Ein Vermerk des damaligen deut- informiert, wenn nicht sogar an den Er- lobt. Eurojust und Europol können jeder- schen EU-Ratsvorsitzes (10) vom 25. mittlungen beteiligt. Über das Ermitt- zeit in eine GEG integriert werden oder Mai 2007 präzisiert, eine Entdeckungs- lungsziel kann höchstens spekuliert wer- ihre Einrichtung anregen – durchaus zum gefahr sei minimiert, wenn weniger in- den. Der Umstand, dass sich Kennedy Vorteil für alle Beteiligten, denn Europol ländische verdeckte ErmittlerInnen zum neben internationalen Gipfelprotesten bringt den ungehinderten Zugang zu sei- Zuge kämen. Die „bisherigen praktischen auch für Strukturen in Deutschland in- nen weitgehenden Datensammlungen, Erfahrungen“ zeigten stattdessen, dass teressierte legt jedenfalls nahe, dass sei- für deren Nutzung keine umständlichen ausländische verdeckte ErmittlerInnen ne Aufträge nicht nur von Scotland Yard Ersuchen gestellt werden müssen. Im „in gewissen Konstellationen leichter in kamen. Gegenzug darf Europol alle erlangten In- kriminelle Vereinigungen eingeschleust In Großbritannien scheint seit formationen in seine Systeme einspeisen. werden können“. der Herausgabe eines entsprechenden Die innerhalb der EU weit fortge- Handbuchs 2009 (6) und einer Hand- schrittene grenzüberschreitende Poli- lungsempfehlung für Outings (7) auf In- zeizusammenarbeit geht auf das „Über- dymedia Bewegung in die Enthüllung einkommen über die Rechtshilfe in (1) https://linksunten.indymedia. org/de/comment/view/13364 von Polizei-Spitzeln gekommen zu sein. Strafsachen“ (EU-Rh-Übk) zurück, das (2) http://antirep2008.org Nachdem Fotos der bereits im Oktober der EU-Ministerrat vor zehn Jahren an- (3) http://euro-police.noblogs.org/ files/2010/08/tesat_2010.pdf enttarnten Polizistin „Lyn Watson“ ver- genommen hatte. Auch verdeckte Er- (4) http://www.indymedia.org.uk/ öffentlicht wurden, ist im Januar mit mittlungen sind dort aufgeführt. Neben en/2011/01/472102.html „Marco Jacobs“ ein weiterer Spitzel öf- einem ähnlichen Abkommen der Verein- (5) http://www.indymedia.org.uk/ en/2010/10/466477.html fentlich gemacht worden. „Jacobs“ war ten Nationen sind es ansonsten bilate- (6) http://www.activistsecurity.org/Infiltrators0.3.pdf anscheinend mit Kennedy befreundet. rale Verträge, die nähere Bestimmungen (7) http://northern-indymedia.org/system/ zine/2010/12/17/1174/imc_northern_eng- Laut Kommentaren auf der britischen festlegen. Der Einsatz oder Austausch land_guidelines_proposal.pdf Indymedia-Plattform war er bis 2005 Mit- von Undercover-PolizistInnen in und aus (8) http://www.europol.europa.eu/jit/manual/de.pdf (9) http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/ glied der Dissent!-Gruppe in Brighton. Er Deutschland ist hingegen nur mit den cms_Data/docs/pressData/de/jha/94661.pdf beteiligte sich an den Protesten gegen Niederlanden, Österreich, der Tsche- (10) http://register.consilium.europa.eu/ pdf/en/07/ den Nato-Gipfel 2009 und blieb mehrere chischen Republik und der Schweiz st06/st06678-re03.en07.pdf

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Repression auf psychischer Ebene

Über potenziell traumatisierende Folgen von Polizei- (und anderer) Gewalt und wie wir da wieder rauskommen.

Out of Action jedes heftige Erlebnis führt zu einem Stimmungsschwankungen (unkontrollier- Trauma. Das ist sozusagen das „Worst- tes Weinen, Aggressionsausbrüche und ■■ Wer Widerstand leistet gegen den ka- Case-Szenario“. Gleichzeitig ist es nie so weiter), mag ständig oder gar nicht pitalistischen Normalzustand ist häufig zu früh, auf sich selbst und die Mitmen- über das Erlebte sprechen, hat das Ge- mit Repression konfrontiert. Diese kann schen zu achten und einen konstruktiven fühl, neben sich zu stehen oder die Um- viele verschiedene Gesichter haben: ge- Umgang mit emotionalen Belastungen zu welt nur noch verschwommen wahrzuneh- walttätiges Vorgehen der Polizei, juris- finden. men, kann nicht schlafen, hat Alpträume, tische Kriminalisierung, Überwachung der Körper steht unter Spannung. Dies oder Einsperrung. Ebenso vielfältig sind Was ist ein Trauma? sind ganz normale Reaktionen auf ein die negativen Folgen von Repression oder außergewöhnliches Erlebnis. auch von Konfrontationen mit Nazis: Ne- In Prinzip kann jede gefährliche Situ- Im Extremfall klingen die Reaktionen ben leicht greifbaren Auswirkungen wie ation, in der eine Person handlungsunfä- nicht nach einiger Zeit ab, sondern ma- einer blutigen Nase oder finanzieller Be- hig ist oder sich so fühlt, einen traumati- nifestieren sich zu einem Trauma. Dies lastung durch Prozesskosten gibt es auch sierenden Effekt haben. Der Verlust über kann auch lange Zeit nach dem traumati- weniger offensichtliche Auswirkungen die Kontrolle einer Situation löst einen schen Ereignis auftreten und steht nicht wie emotionalen Stress bis hin zu einem massiven Stresszustand aus, für den es unbedingt im unmittelbar erkennbaren psychischen Trauma. kein Ventil gibt. Das Bild von sich selbst Zusammenhang damit. Zentrales Element Die Staatsmacht weiß diesen Effekt als Menschen mit Handlungsmöglichkei- psychischer Traumata ist die Spannung zu nutzen: Über die Traumatisierung Ein- ten in einer beeinflussbaren Welt wird zwischen dem Wunsch, schreckliche Er- zelner soll allgemein von politischem erschüttert. Die überwältigende Situation eignisse zu verleugnen und dem Wunsch, Widerstand abgeschreckt werden, indem muss nicht selbst erlebt sein – auch die sie laut auszusprechen. Durch sozialen ein Gefühl von Handlungsunfähigkeit Ohnmacht, einem anderen Menschen Rückzug und depressives „Nicht-Füh- und Ohnmacht gegenüber staatlicher nicht helfen zu können, kann als Trauma len“ wird Kontakt mit möglichen Auslö- Herrschaft erzeugt wird. Die Betroffenen wirken. Manchmal reicht es sogar aus, sereizen vermieden, Rauschmittel und ziehen sich häufig aus der Bewegung und sich durch Erzählungen mit den Erlebnis- süchtiges Essen dienen der Betäubung. auch aus ihrem persönlichen Umfeld zu- sen Anderer auseinanderzusetzen. Selbstverletzendes Verhalten bietet ein rück, wenn sie keine Unterstützung bei Ebenso kann ein altes Trauma auf- Ventil für die innere Spannung oder die der Bewältigung des Erlebten erhalten. grund eines Auslösereizes in der Gegen- Möglichkeit, doch wieder etwas zu fühlen Genau so wie Demosanis, Ermitt- wart (ein so genannter Trigger) aktiviert und den Körper zu spüren. lungsausschüsse und die Rote Hilfe e.V. werden. Ist der Mensch wieder diesen Hinzu kommen können Unruhe, als schon lange in der emanzipatorischen Gefühlen ausgeliefert ohne sie zu bewäl- Schlafstörungen, Panikattacken und Linken etablierte Gruppen gegen die Aus- tigen, kann die Erinnerung erneut trau- Angst. Das traumatische Erlebnis bahnt wirkungen von Repression vorgehen, so matisch wirken. So kommt es vor, dass sich häufig durch Alpträume und Flash- kämpft auch die Emotionale Erste Hilfe- auch durch weniger heftige Situationen backs den Weg zurück ins Bewußtsein. Gruppe „Out of Action” seit über fünf in der Gegenwart plötzlich alte schlimme Belastend ist auch das Gefühl, nicht wie Jahren für einen solidarischen Umgang Erlebnisse beispielsweise aus der Kind- gewohnt „zu funktionieren“ und keine miteinander. Rückblickend können wir heit wieder hochgeholt werden und dar- Perspektive zu sehen. Es scheint, als gin- feststellen, dass sich ein offenerer Um- auf eine traumatypische Reaktion erfolgt. ge diese Phase nie vorbei (das tut sie in gang mit dem Thema der staatlichen Re- den meisten Fällen aber doch!). pression auf psychischer Ebene etabliert Charakteristisch für die Folgen von hat und Menschen immer besser aufge- Folgen von emotional Traumatisierung ist, dass es zu Schuld- fangen werden. belastenden Erlebnissen zuweisungen sich selbst gegenüber oder Im Folgenden stellen wir noch ein- untereinander kommt: „Hättest du/hätte mal die möglichen Auswirkungen von Nach einer potenziell traumati- ich das und das nicht gemacht, dann hät- emotionalem Stress vor und geben Tipps schen Erfahrung befindet sich ein ten uns die Bullen nicht angegriffen…“ für den Umgang damit. Einige der unten Mensch in einem „psychischen Schock- Weil die staatlichen Schläger nicht so beschriebenen Reaktionen auf emotio- zustand“, der mehrere Wochen anhal- leicht unter Kontrolle zu bringen sind, nale Belastung mögen den Leser_innen ten kann. Alles ist durcheinander, man disziplinieren wir uns gegenseitig. Dies bekannt vorkommen, doch längst nicht fühlt sich betäubt, verletzt, unterliegt kann eine Verarbeitung der Ohnmacht

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sein (zu unterscheiden von den sehr sinn- Kraft von den Unterstützer_innen erfor- Aktivität sein und diese nicht als Auto- vollen Problemanalysen in einer Nachbe- dert. Der Heilungsprozess verläuft selten aggressivität oder ungeklärte Autoritäts- sprechung), da so wieder der Eindruck gradlinig, er dauert meist lang und bein- konflikte missinterpretieren. Eine solch von Kontrolle entstehen kann. Entsolida- haltet einen häufigen Wechsel von Auf negative Bewertung von politischem Wi- risierung und Angst vor aktivem Wider- und Ab. Die Konfrontation mit den The- derstand und Militanz birgt die Gefahr stand können eine unschöne Folge dieses men und der dem Trauma immanenten von Schuldzuweisungen für das Erlebte. Mechanismus' sein. Energie birgt die Gefahr, selbst auszu- Deshalb sollte die Auswahl des Therapeu- brennen und an Traumafolgen zu leiden. ten/der Therapeutin sorgfältig erfolgen. Einen Umgang finden Oft ist es auch für Unterstützer_innen gut, sich Hilfe zu holen oder zumindest Dem Geschehenen eine Traumatische Erfahrungen können mit anderen darüber zu sprechen. Vor Bedeutung verleihen zwar nicht immer verhindert werden, wir allem in der Begleitung schwer traumati- können uns aber dagegen wappnen, dass sierter Menschen ist es unerlässlich, für Traumatische Erlebnisse können sie uns lähmen. Der beste Schutz vor das Gehörte und „Mitertragene“ Ventile nicht ungeschehen gemacht werden, den langfristigen Folgen einer Trauma- zu suchen und gut für sich zu sorgen. doch ein konstruktiver Umgang mit ihnen tisierung ist ein soziales Klima, in dem kann deren negative Folgen abschwä- selbstverständlich über Gefühle und Er- Die Frage nach chen. Eine Möglichkeit ist, individuelle lebtes gesprochen wird. Angst ist eine professioneller Hilfe Gewalterfahrungen gemeinsam öffent- verständliche Reaktion auf die Gewalt, lich zu machen, soweit den Beteiligten mit der wir konfrontiert sind. Das Ver- Ob und wann ein Zeitpunkt erreicht dadurch keine (juristischen) Nachteile schweigen von Gefühlen wie Furcht, ist, an dem es nicht mehr ausreicht, die entstehen. Das Geschehene gewinnt eine Trauer und Ohnmacht kann dazu führen, Folgen einer psychischen Belastung aus- Bedeutung, sowohl für einzelne Betrof- dass traumatische Erlebnisse nicht auf- schließlich im politischen Umfeld oder fene als auch für eine politische Bewe- gearbeitet werden. Langfristig leiden vie- Freundeskreis aufzuarbeiten, müssen Be- gung. Und es zeigt anderen Betroffenen, le Betroffene von staatlicher Gewalt mehr troffene individuell entscheiden. Eine dass sie mit ihren Erfahrungen nicht unter den emotionalen Folgen als unter psychische Verletzung kann letztendlich alleine sind. Ganz praktisch kann das körperlichen Verletzungen. eine Plakataktion gegen Besonders nieder- Prügelbullen sein oder schmetternd ist es, wenn die Verschriftlichung die Betroffenen mit ihren von im Gefängnis ge- Gefühlen alleine gelassen machten Erfahrungen. werden, das Umfeld kein Der Fantasie sind da Verständnis hat und kei- kaum Grenzen gesetzt. ne Unterstützung leistet. Gleichzeitig ist es wich- Dies kann eine emotional tig, einem immer noch noch größere Erschütterung weit verbreiteten Leis- sein als Gewalterfahrungen tungsdruck entgegen zu durch die Polizei. Wenn wir wirken. von unserem Umfeld keine Genau so gut wie Solidarität erfahren, wankt die Idee, traumatische das Weltbild. Ganz prak- Erfahrungen wiederum tisch hilft die Bildung von in politische Aktionen Bezugsgruppen, in denen bereits vor ei- genauso von professioneller Seite her umzusetzen ist es, einfach mal Pause zu ner Aktion ehrlich darüber geredet wird, behandlungsbedürftig sein wie eine kör- machen. Einfach mal bewußt nicht zu wie es den Einzelnen in der Gruppe geht perliche auch. Psychotherapie ist eine funktionieren. Es ist ein auch innerhalb und wo die Grenzen liegen. Die Gruppe Leistung der Krankenkasse. Es werden der Linken durchaus weit verbreitetes sollte besprechen, wie eine Person un- aber nur tiefenpsychologisch fundierte Merkmal der kapitalistisch organisierten terstützt werden kann, die während einer Psychotherapie, Verhaltenstherapie und Gesellschaft, ständig Leistung erbringen Aktion „raus“ will. Nach einer Aktion ist Psychoanalyse finanziert. Um den/die zu müssen und fehlende Ergebnisse in- eine Nachbereitung zu empfehlen, in der Therapeut_in prüfen zu können, bezah- dividuellem Versagen zuzuschreiben. So es Raum gibt, um das Erlebte und die len die Kassen Erstgespräche. Erst dann wichtig die Bekämpfung des kapitalis- damit zusammen hängenden Gefühle zu muss ein Antrag auf Finanzierung der tischen Normalzustandes ist, so wenig besprechen. Behandlung gestellt werden. sinnvoll ist es, wenn Menschen dabei Trotz aller Achtsamkeit gegenüber Diese Zeit sollte genutzt werden, auf der Strecke bleiben und wesentliche Anderen und sich selbst kann sich aus dem/der Therapeut_in Löcher in den Elemente dessen, was wir bekämpfen den Folgen eines heftigen Erlebnisses Bauch zu fragen über Arbeitsweise, Ein- wollen, reproduziert werden. heraus ein Trauma entwickeln. Die Be- stellungen und was sonst noch relevant gleitung eines Menschen bei der Bewäl- erscheint. Die Therapeut_innen sollten tigung eines tatsächlichen Traumas ist aufgeschlossen und akzeptierend ge- • Weitere Informationen unter eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel genüber der gewählten Form politischer www.outofaction.net

DIE ROTE HILFE 1/2011 15 Repression

Stuttgart 21 – Der Versuch einer politischen Einschätzung

Man traf verständlicherweise vieler- orts auf eine recht große Naivität, was die Bedeutung einer kritischen Öffentlichkeit und die Selbsteinschätzung des Protestes betrifft („Das können die ja nicht bauen, wenn wir so zahlreich dagegen sind“). Diese Haltung hat sich bis heute trotz aller Ereignisse teils gehalten, allerdings entwickelte der Protest nichtsdestotrotz eine erstaunliche Kontinuität. Seit nun- mehr Monaten finden in Stuttgart jeden Montag und immer wieder auch samstags Kundgebungen und Demonstrationen mit mehreren tausend TeilnehmerInnen statt.

Das Spektrum des Protests

Gegen S21 hat sich ein sehr hetero- gener und breiter Protest entwickelt. Die über die Medien transportierten – größ- tenteils selbst ernannten – Sprecher der Einige solidarische restlichen Rahmen den Aspekt der Re- Bewegung sind nur ein Teil hiervon. Der GenossInnen aus Stuttgart pression abzuhandeln. größte Teil von ihnen, allen voran die Deshalb schreiben wir etwas ausführ- grüne Partei, hat bislang von den Ent- licher und hoffen damit, zumindest einen wicklungen profitiert (stärkste Fraktion groben Eindruck der Entwicklungen ver- im Gemeinderat), ohne diese maßgeblich Stuttgart 21 ist praktisch über Nacht mitteln zu können. initiiert zu haben oder zu tragen. Den or- zu einem Thema mit bundesweiter ganisatorischen Kern des Protests auf der Zur Entwicklung des Protests Straße stellen die so genannten Aktiven medialer Resonanz geworden. Die Parkschützer. Berichterstattung führte jedoch kaum Gegen das Projekt Stuttgart 21 for- Die Parkschützer entstanden als ein dazu, dass ein differenziertes Bild mierte sich Protest seit den ersten ver- weitgehend basisdemokratisches Netz- lautbarten Planungen. Der Protest be- werk. Wer immer auf die Treffen der davon wiedergegeben wurde, was wegte sich jahrelang im Rahmen kleiner Parkschützer geht und sich an ihren Ak- in Stuttgart derzeit abläuft. Auch Bürgerinitiativen, die kontinuierliche tionen beteiligt, kann sich als solcher von Seiten der Linken mangelt es Informations- und Öffentlichkeitsarbeit bezeichnen. Im Netz der Parkschützer leisteten, von der breiten Öffentlichkeit und ihm angegliedert gibt es inzwischen bislang an Analysen zur Entwick- jedoch kaum wahrgenommen wurden. viele Arbeitskreise und Aktionsgruppen, lung des Protestes gegen S21. Von Seiten der Landes- und Kommu- etwa für Blockaden, für die Rechtshilfe nalpolitik wurde das Projekt wie ein und anderes. Genaueres dazu auf ihrer Happening beworben: mit großflächiger Homepage. Die Parkschützer haben auch Plakatwerbung, Ausstellungen und Post- während der „Schlichtungsgespräche“ ■■ In Gesprächen mit GenossInnen aus wurfsendungen. Das Projekt stieß von mit Aktionen auf der Straße (Demos, anderen Städten wurde klar, dass ziem- Anfang an auf Vorbehalte bei der Bevöl- Besetzungen und anderes) konsequent lich viel in den Protest hinein projiziert kerung. Lange manifestierte sich dies weitergemacht, obwohl die Schlichtungs- wird. Vielen dieser Vorstellungen wird der jedoch nicht in entsprechenden Protest- beteiligten Friedenspflicht verkündeten. Protest so nicht gerecht. Dennoch bringt formen, die übliche Lethargie dominierte Angehörige verschiedener sozialer er natürlich ungewohnte und willkomme- vielmehr („Die machen doch eh was sie und beruflicher Gruppen haben sich ne Bewegung in den Stuttgarter Mief. wollen“). Dies änderte sich erst, als es ebenfalls gegen S21 organisiert: Ingeni- Auch wir können an dieser Stelle kei- konkret auf die ersten baulichen Maß- eure, Architekten, Unternehmer, Pfarrer, ne umfassende Analyse liefern. Gleich- nahmen zuging. Die Kundgebungen er- Juristen, Jugendliche, Menschen mit Be- wohl macht es wenig Sinn, losgelöst vom hielten massiven Zulauf. hinderung und so weiter. Ein Teil dieser

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Gruppen zählt sich zum Netzwerk der Protest einige Initiativen mittragen, die Hausdurchsuchungen wegen nichtigster Parkschützer, andere betrachten sich als auf eindeutig antifaschistischer Grundla- Vorwürfe, Schnellgerichtsverfahren nach eigenständige Organisierungsansätze. ge arbeiten. Demos, einige Großverfahren und gleich- Wir können nicht auf alle Teile der Bei aller Kritik und allen Vorbehal- zeitig zig Kleinstverfahren, die eine Null- Bewegung im Einzelnen eingehen. Rele- ten sollte hervorgehoben werden, dass Toleranz-Linie etablieren sollen. vant ist zunächst, dass sich schon früh es eine ganze Reihe Menschen gibt, die Warum fällt der 30. September also zwei Tendenzen abzeichneten. Vertreten sich für einen kontinuierlichen Protest angeblich derart aus dem Rahmen? Ein auf der einen Seite vor allem durch einen entschieden haben, der Ausdruck wie kleinerer Aspekt ist die Wahl der Mittel. Teil des Dach-Bündnisses „Kopfbahnhof auch Voraussetzung für eine erste und Seit Jahren gab es keine Wasserwerfer- 21“, der an der Schlichtung teilnahm weitergehende Politisierung bildet. Pro- einsätze in Stuttgart. Man hat sie einfach und als Ausrichter vieler Kundgebun- grammatisch ist die Bewegung bislang nicht für notwendig befunden, dafür gibt gen zum Beispiel immer wieder Rede- oberflächlich und eindimensional. Mit es hier ja auch noch die Reiterstaffel. Die beiträge von der Basis verhinderte. Ein der Atomthematik/Castor ist ein erster Entscheidung für Wasserwerfer ist bereits Teil dieses Spektrums trägt ein äußerst Brückenschlag zur thematischen Erwei- als Eskalationsvorbereitung zu werten. instrumentelles Verhältnis zu S21 zur terung der Bewegung gelungen. Praktisch Der Hauptaspekt ist jedoch, dass sich Schau, es geht ihm vorrangig um Mitbe- wurden durch zahlreiche unangemeldete die Repressionsplaner schlichtweg im stimmungsmöglichkeiten und eine eige- Demonstrationen und Blockaden für Viele Publikum geirrt haben. Es waren nicht ne Profilierung. neue Erfahrungen gemacht. die üblichen Linken, die da protestierten, Auf der anderen Seite stehen die Ba- Ungeachtet der fehlenden Program- sondern jene oftmals unerfahrene und sisgruppen, die nicht unbedingt aufgrund matik gibt es einen offiziellen Konsens zugleich unerwartet selbstbewusst auftre- einer weitergehenden Programmatik, in der Protestbewegung: den Pazifismus. tende Bürgerbewegung. Die Repression sondern schlicht durch ihre Praxisbezo- Und dies durchaus über den üblichen war sozusagen in der „Mitte“ der Gesell- genheit und entsprechende Erfahrungen Kanon deutscher Bürgerbewegungen hi- schaft angekommen. entschlossenere Positionen vertritt. Na- naus. Der Pazifismus ist bislang ein we- Trotz massiver Unterstützung durch türlich sind aber auch die Parkschüt- sentliches Identifikationskriterium, das die Boulevard-Presse konnten auch im zer zum Beispiel ein sehr heterogener teils hysterisch-groteske Züge annimmt. Nachhinein keine gewalttätigen Angriffe Zusammenhang. Leute werden als gewalttätig bezeichnet, auf die Polizei konstruiert werden. Es gab Quer zu diesen Tendenzen ist sicher- weil sie an Bauzäunen rütteln oder sie schlichtweg keinen Ansatzpunkt für den lich vieles wahr, was über den grün-klein- gelten durch ihr Äußeres als „militant“, Verweis auf einen „schwarzen Block“. bürgerlichen „Aufstand“ berichtet wurde. weil sie zum Beispiel eine Schutzbrille Der Einsatz war aus staatlicher Sicht Der Protest wird zu guten Teilen struktu- gegen Pfefferspray tragen. Dieses Verhal- taktisch sicherlich schlecht geplant. Dies rell getragen von ökologisch eingefärbten ten trug nicht nur von Seiten der Linken mag zum einen an der geringen Erfah- und künstlerisch angehauchten Bildungs- zu Vorbehalten und Distanzierungen bei. rung in Baden-Württemberg mit breiten bürgermilieus. Stuttgart ist eine Stadt Nicht zuletzt, weil es vom vorauseilenden Bürgerbewegungen in den letzten Jahren mit einer hohen Reichtumskonzentration Gehorsam zu einer Entsolidarisierung liegen. Zum anderen liegt es schlicht- und die schwarzgelbe Alleinherrschaft und Spaltung eben nur ein kleiner Schritt weg an der „Arroganz der Macht“ einer darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ist. schwarz-gelben Oligarchie, die seit dem diese Schicht gerade im städtischen Be- Zweiten Weltkrieg die Alleinherrschaft reich auch stark verankert ist. Der 30. September auf Landesebene gebucht hat. Ohne Mit S21 haben sich einige Grenzen Weiteres hätte ein anderer Polizeiein- verschoben, denn es ist davon auszuge- Die Dynamik der Bewegung erhielt satz, zum Beispiel das Wegtragen von hen, dass die ganze Geschichte einige durch die Ereignisse des 30. September Blockier­Innen, sein Ziel genauso er- CDU-WählerInnen abtrünnig werden lies. 2010 einen zusätzlichen Schub. An eben reicht und wäre politisch unverfänglicher Genauso haben sich im Protestspektrum jenem Tag sollten die Baumfällarbeiten gewesen. die Grenzen nach links hin geöffnet, zu- im Stuttgarter Schlossgarten beginnen. Dies alles erklärt zu einem guten Teil mindest was eine Aktionseinheit im Rah- Den Weg dafür räumten Einheiten der den Schock, den das polizeiliche Vorge- men zivilen Ungehorsams angeht. Polizei mit Wasserwerfern, Pfefferspray hen bei den Betroffenen sowie bei der Man kann sagen, dass sich bislang und Knüppeln frei; die Bilder gingen Bevölkerung auslöste, wie auch das me- noch so gut wie alles im Spektrum des bundesweit durch die Presse. Der Einsatz diale Echo, das die Repression erfuhr. Widerstands wieder finden lässt. So kann war tatsächlich äußerst brutal. Durch den Aber noch einmal: Der Polizeieinsatz war man als LinkeR im Stuttgarter Park zwi- Wasserwerfereinsatz verlor ein Mensch brutal, aber kein Ausnahmefall im Ver- schen buddhistischen Gebetsfähnchen, zum Beispiel fast sein komplettes Augen- gleich zu vielen anderen Schauplätzen monarchistischen Aushängen und jeder licht und hat heute nur noch 20 Prozent (Castor, 1.Mai und andere). Menge Esoterik auch durchaus Momente Sehkraft. Viele weitere Menschen, dar- Bereits am 30. September versam- des Zweifels erleben. unter zahlreiche Minderjährige, wurden melten sich abends im beißenden Ge- Die Nazis haben sich bislang bis teils schwer verletzt. ruch des Pfeffers und CS-Gases noch auf einzelne Abenteuersucher von den In Stuttgart wird jedoch ohnehin zehntausende Menschen. Am Tag danach Protesten ferngehalten. Wenn mal einer ein extrem hohes Repressionsniveau fand die bislang größte Demo mit über auftauchte, waren die Reaktionen lei- gegen politische AktivistInnen in An- 100.000 Menschen statt. Auch für uns der eher zurückhaltend, wenngleich den schlag gebracht. Es gab im letzten Jahr war es natürlich ein erhebendes Zeichen,

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dass der Abschreckungsversuch nicht Landtagswahlen im kommenden März ausgeblendet, denn es ging bei den Ge- griff, sondern im Gegenteil viele Men- noch in irgendeiner Weise beeinflussen sprächen rein um technische Konzepte schen gegen die Repression auf die Stra- kann bezweifelt werden. und deren Umsetzbarkeit (Durchgangs- ße gingen. bahnhof vs. Kopfbahnhof). Zahlreiche Menschen hatten Plakate Die „Schlichtungsgespräche“ Im TV verpuffte der Widerspruch der selbst gebastelt, die die Polizeigewalt Straße zum Paradebeispiel eines demo- kritisierten, am Rande der Demo wurden Die Dynamik des Protests und die Re- kratischen Kasperletheaters, das en pas- die Beamten vereinzelt in Sprechchören aktion auf den Polizeieinsatz überrasch- sant einen weiteren Protest delegitimie- „Schlägerbande“ und Ähnliches genannt. ten die Landesregierung. Ihr gelang es ren sollte. Nach dem Motto: „Demokratie In Deutschland darf ein solcher Image- jedoch schnell, mit den so genannten wird von gewählten Experten gemacht Schaden ja durchaus als Ausnahme „Schlichtungsgesprächen“ wieder die und nicht auf der Straße.“ Zudem wur- Oberhand zu gewin- den mit der Schlichtungsrunde bereits nen. Wer es nicht mögliche Spaltungsansätze in der Bewe- mitbekommen hat: gung ausgelotet. Man konnte die Vor diesem Hintergrund ist es zu- Gespräche von so mindest fraglich, was ein argumentati- genannten „Exper- ver oder moralischer Sieg, den viele auf ten“ der Pro- und Seiten der GegnerInnen sehen, bei den Contra-Seite sogar Schlichtungen wert war. im TV mitverfolgen. Die Auswirkun- Die Befürworter und die Presse gen der Gespräche auf die Bewegung Hier ist nicht der geeignete Ort, auf waren zumindest den systematischen Zusammenhang ambivalent. Zu- zwischen bürgerlichem Parlamenta- nächst einmal war rismus, Klientelismus und Korruption es unter dem Ge- einzugehen. sichtspunkt der So- Die schwarz-gelbe Polit-Statik Ba- lidarität ein verhee- den-Württembergs hat faktisch ein be- rendes Signal, dass sonders ausgebautes Beziehungsgeflecht Teile des Dach- zwischen Politik und Wirtschaft entste- Bündnisses „Kopf- hen lassen. Dieses musste durch aus- bahnhof 21“ an ih- bleibende Machtwechsel nie neu jus- nen teilgenommen tiert werden. Das Projekt S21 wird von haben. Schließlich diesem Geflecht weitgehend getragen: ist die Situation Chefetagen der öffentlichen Verwaltung, am 30. September „Arbeitgeber“verbände, IHK (trotz Protest nicht eskaliert, wie von einigen Zwangsmitgliedern) und an- durch alle bürger- dere. Dieser Lobby stehen für ihre Propa- lichen Medien ver- ganda riesige Werbemittel, die Stuttgar- lautbart wurde. Sie ter Lokalpresse wie auch einige weitere wurde von staatli- Medien praktisch uneingeschränkt zur Friedlicher Protest gegen S21 am während des Abrisses cher Seite eskaliert. Verfügung. des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs Mitte September 2010. Dies aus Betroffe- Relativ ungewohnt für deutsche Ver- nensicht als Beweg- hältnisse ist es, dass auch auf der Straße Foto: Marion Hassold grund zu nehmen, Pro-S21 Kundgebungen stattfanden. An- sich zur Verhinde- fangs von Einzelpersonen initiiert, wurde gelten. Klar, dass es gleichzeitig auch rung einer weiteren Eskalation endlich an das Konzept von Seiten der Lobby auf- Einige gab, die die Polizei trotz allem einen Tisch mit den Repressionsinitiato- gegriffen, in Szene gesetzt und subven- verteidigten. ren zu setzen, ist geradezu zynisch. tioniert. Nicht nur gemessen am Kapital Abgesehen von dieser unmittelba- Mit dem Polizeieinsatz am 30. Sep- und den „Volksparteien“, die hinter S21 ren Reaktion auf der Straße kann man tember war zudem verstärkt das po- stehen, sind die Kundgebungen ProS21 sagen, dass keine weiteren Konsequen- litische Moment rund um S21 ins Be- zu allen Zeiten jämmerlich besucht gewe- zen folgten. Der Einsatz ist Thema ei- wusstsein gerückt worden; Themen wie sen. Auf den Kundgebungen trafen sich nes Untersuchungsausschusses, in dem demokratische Mitbestimmung, polizei- neben Vertretern der Lobby und ihrem die Täter über sich selbst urteilen und staatliche Durchsetzungsmethoden, der unmittelbaren Anhang einige derjenigen, der dementsprechend ganz sicher nichts schwarzgelbe Klientelismus et cetera. die der Propaganda für S21 auf den Leim bewegen wird. Die Verantwortlichen sit- Durch die Schlichtungsgespräche und gehen: dem Gerede von Wettbewerbs- zen den Einsatz erfolgreich aus. Dass die inszenierte „Rückkehr zur Sachlich- fähigkeit, der Illusion, Stuttgart bedeu- die Ereignisse des 30. September die keit“ wurde der politische Aspekt gezielt tender und moderner zu machen, einem

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Arbeitsethos („jetzt wird in die Hände Polizei unter Druck gesetzt. Diese Tatsa- Das BfV, dem die Rote Hilfe lokal gespuckt“), sowie dem Hass von rechts chen werden vom Bündnis „Kopfbahn- auch angehört, hat sich gegen die Ver- gegen das grüne Bildungsbürgertum. hof 21“ nicht thematisiert, lediglich von schärfung des Versammlungsgesetzes in Die geringe TeilnehmerInnenzahl den Parkschützern. Von der Basis wurden Baden-Württemberg gegründet und the- bedeutet keinesfalls, dass die Kundge- zahlreiche Spendensammlungen und So- matisiert die Vorfälle bei S21 in einem bungen nicht ihren Zweck erfüllt haben. likonzerte für die Betroffenen organisiert. breiteren Rahmen der Beschneidung der Sie gaben Medien und Politik das Bild Am Rande von Demonstrationen wer- Bürgerrechte und der Demonstrations- einer scheinbar gespaltenen Bevölkerung, den immer wieder einzelne Personen freiheit. Sie macht außerdem regelmäßig den vermeintlichen Handlungsdruck für festgenommen. Einzelne AktivistenInnen Demobeobachtungen. S21 aus den eigenen Reihen et cetera. werden auf dem Weg von Blockaden und Die Rote Hilfe Stuttgart hat mit Fly- Dankbar wurde einer Kleinkundgebung Demos abgepasst, kontrolliert oder mit ern und einem Transparent auf den De- ProS21 der gleiche Raum in den Lokal- Pfefferspray angegriffen. Die AktivistIn- mos die Einstellung aller Verfahren ge- medien eingeräumt wie einer Großdemo nen, die nach Beginn der „Schlichtungs- fordert und sich zugleich als Anlaufstelle gegen S21. gespräche“ den Südflügel des Bahnhofs bekannt gemacht. Dies als Ergänzung zu Nun steht zu befürchten, dass nach besetzt hatten, haben alle polizeiliche den S21-eigenen Strukturen. Zudem lau- dem kurzen Aufschrei am 30. September Vorladungen bekommen. Auf der Wache fen Kooperationen für Verhaltenstipps- und dem Schlichtungstheater nicht nur werden Betroffenen teilweise Photos vor- workshops für AktivistInnen. Das Inter- die lokalen Medien für erheblichen Ge- gelegt und bei Mitarbeit eine Einstellung esse an der Thematik ist verhältnismäßig genwind sorgen, sondern auch das bun- der Ermittlungen in Aussicht gestellt. groß, was schon alleine für sich spricht. desweite Echo sich verstärkt gegen den Gleichzeitig stehen immer mehr Ge- Protest richten wird. Es bleibt abzuwar- richtsverfahren ins Haus. Die Repressi- Gegen Polizeigewalt und ten, inwiefern die Bewegung hier etwas on setzt also nach dem 30. September Kriminalisierungsversuche! gegensteuern kann. verstärkt auf Schnüffelei, Abschreckung Einstellung aller Verfahren und Vereinzelung etwas außerhalb des gegen S21-GegnerInnen! Repressionspanorama und öffentlichen Fokusses. Antirepressionsarbeit Es steht auch zu befürchten, dass da- Für weitere Fragen zur Repressi- ran angesetzt werden soll, die Bewegung on zu S21 kontaktiert die Ortsgrup- Bereits vor dem 30. September wur- zu spalten und den aktiven Teil verstärkt pe Stuttgart der Roten Hilfe e.V. unter den etwa wegen der Besetzung des in- zu kriminalisieren. Die Repressionsorga- [email protected] zwischen abgerissenen Nordflügels des ne haben bereits eine Menge Verfahren PGP puplic key fingerprint (gültig bis Bahnhofs am 26. Juli alleine mindestens in der „Warteschleife“. Derzeit sind um 31. Juli 2011): 55 Verfahren eingeleitet und zahlreiche die 1000 (!) Verfahren anhängig. Es wird 4515 5139 1163 FC6B 4B77 CD32 Strafbefehle erteilt. Juristisch wird auch sich zeigen, wie die Bewegung damit zu- 9979 1006 DA0B 59D7 der 30. September selbst noch Folgen rechtkommt und inwiefern sie es schafft, haben, wenn auch nur für die Betroffe- eine gemeinsame, tragfähige Solidarität nen der Polizeigewalt. Zwischenzeitlich zu entwickeln. • Links: hat sich die Polizei vorübergehend zu- Neben den Antirepressionsstrukturen, Parkschützer: www.bei-abriss-aufstand.de rückgezogen von der Taktik, eine breite die sich speziell zu S21 gegründet haben GewerkschafterInnen gegen S21: Repression auf der Straße anzuwenden. (EA, Rechtshilfefonds kritisches Stutt- http://gewerkschaftergegens21.de Gleichzeitig wird zum Beispiel selbst gart), thematisieren die Repression vor Versammlungsrechtsbündnis: eine Person, die durch den Wasserwerfer- allem das breite „Bündnis für Versamm- www.versammlungsrecht.info Einsatz am 30. September erheblich an lungsfreiheit“ (BfV) Baden-Württemberg Rote Hilfe Stuttgart: den Augen verletzt wurde, massiv von der sowie die Rote Hilfe Stuttgart. www.rote-hilfe-stuttgart.de.vu

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Die Tageszeitung

Utopische Kassiber Der Jugendstil wird oft als »reine Kunst« präsentiert, seine soziale Inspiration vergessen. Ein vielseitiger Konstrukteur war der belgische Architekt Victor Hor- ta, der heute vor 150 Jahren geboren wurde junge Seiten 10/11 Gegründet 1947 · Donnerstag, 6. Januar 2011 Welt · Nr. 4 · 1,30 Euro · PVSt A11002 Pressefreiheit · Entgelt bezahlt Rohstoffstreit www.jungewelt.de Ein linker Hamburger Sender klagte Dioxinfett erfolgreich gegen die Durchsu- Probebohrungen bestätigen ein riesiges Übernahmeattacke Gasfeld vor den Küsten Libanons Behörden durchsuchen Betriebe eines 2 chung seiner Redaktionsräume Der spanische Baukonzern ACS steht 3 und Israels. Von Joachim Guilliard Futtermittelherstellers. Warnung 5 vor Eierkonsum bei Hochtief kurz vor dem Ziel. 9 Beschäftigte nur Verhandlungsmasse

Ein Gespenst geht um Rebellenführer festgenommen Der jW-Artikel der Linksparteivorsitzenden Gesine Lötzsch bringt den bundesdeutschen Mainstream zum Tanzen. Politik und Medien in Aufruhr. Von Arnold Schölzel ommunismus wirkt, in der Bundesrepublik 2011 reicht Kdie bloße Vokabel. Am Mon- tag veröffentlichte jW unter dem Titel »Wege zum Kommunismus« einen Ar-

tikel der Linksparteivorsitzenden Gesi- AP ne Lötzsch. Sie nimmt am kommenden Manila. Philippische Sicherheits- Sonnabend im Rahmen der von kräfte haben einen hochrangigen jW und zahlreichen Organisationen in Berlin Kommandeur der kommunisti- veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konfe- Am Kioskschen Rebellen festgenommen. renz an einer Podiumsdiskussion unter Nach Ablauf eines 19tägigen Waf- dem Titel »Wo bitte geht’s zum Kom- fenstillstands in der Weihnachts- munismus? Linker Reformismus oder zeit hätten Polizisten und Soldaten revolutionäre Strategie – Wege aus dem ein Dorf südlich von Manila Kapitalismus« teil. Der Beitrag diente gestürmt, teilten die Behörden am der Vorbereitung auf die Debatte, an der Mittwoch mit. Tirso Alcantara, An- auch die Betriebsratsvorsitzende Katrin DIE ROTE HILFE 1/2011 führer19 der Neuen Volksarmee auf Dornheim, die DKP-Vorsitzende Bet- den Hauptinsel Luzon, sei bei der www.jungewelt.de tina Jürgensen, Claudia Spatz von der Festnahme am Dienstag abend ver- Antifa Berlin, das frühere RAF-Mit- letzt worden. Er habe seine Waffe glied Inge Viett für die Radikale Linke ziehen wollen, deshalb hätten die sowie die Bundestagsabgeordnete Ulla eingesetzten Elitesoldaten auf ihn geschossen. Jelpke (Die Linke) als Moderatorin teil- (dapd/jW) nehmen. Die Anwesenheit Inge Vietts hatte bereits am Dienstag den innenpo- litischen Sprecher der CDU-Fraktion Leiharbeit erreicht im Berliner Abgeordnetenhaus, Robbin Millionengrenze Juhnke, veranlaßt, in der stark rechtsla- AP/KERSTIN JOENSSON; MONTAGE: jW Morgens Sonnenfinsternis in der Bundesrepublik, abends HaMburg stigen Wochenzeitung Junge Freiheit /berlin. In diesem Jahr von »Skandal« zu sprechen (siehe auch Spiegel-Halluzinationen werden in der BRD mehr Leihar- gel-Enten auf Seite eins, Welt online beiter beschäftigt sein als je zuvor. jW vom 5. Januar). Am Dienstag abend »schmerzlich und unerträglich« für die phantasierte eine Zeitlang von »dem »2011 wird die Zeitarbeitsbranche setzte die Internetseite Spiegel online Opfer des Kommunismus und forderte Frank-Walter Steinmeier an der Spitze: DKP-Vorsitzenden« als Teilnehmer der erstmals die Millionengrenze bei auf die bräunliche Postille eins drauf Lötzsch auf, ihre Teilnahme an der Ro- »Ich faß’ mir an den Kopf«. Diskussion – dann brachen im Politik- den Beschäftigten überschreiten«, und verkündete: »Linke-Chefin erklärt sa-Luxemburg-Konferenz abzusagen. Gesine Lötzsch kommentierte die betrieb alle Dämme. CDU-Generalse- sagte der Präsident des Bundes- Kommunismus zum Ziel der Partei.« Aus der eigenen Partei kam u. a. das Aufwallungen in einer Presseerklä- kretär Hermann Gröhe warf Lötzsch verbands Zeitarbeit (BZA), Volker Autor Stefan Berg hält auch »das Um- etwas irrlaufende Statement des Ber- rung: »Der wutschnaubende Verriß eine »skandalöse Kommunismussehn- Enkerts, dem feld der Veröffentlichung« für einen liner Landesvorsitzenden Klaus Lede- meines junge Welt-Beitrages durch den Hamburger Abend- sucht« vor. CSU-Generalsekretär Alex- blatt (Mittwochausgabe). Dem- »Skandal«: Der Text, den er falsch als rer: »Wir haben Gesine Lötzsch bislang Spiegel zeigt, wie verunsichert das Esta- ander Dobrindt sekundierte, die Politi- nach arbeiteten im Oktober 2010 Vorabdruck einer Rede bezeichnet, nicht als eine Vorsitzende erlebt, die die blishment ist, wenn es um Alternativen stehe im »Marxistenblatt kerin stehe »außerhalb unserer Verfas- bundesweit 923 000 Menschen in junge Welt Linke in eine kommunistische Partei zum kapitalistischen System geht.« Sie «. sung«. Die Linkspartei müsse nun un- der Branche, rund 100 000 mehr Berg empörte sich: »Mit der gleichen umwandeln will. Wir gehen davon aus, habe die Fragestellung der Podiumsdis- bedingt wieder flächendeckend in ganz als vor der Krise. Die Branche Selbstverständlichkeit, mit der Lötzsch daß die vollständige Rede von Gesine kussion aufgegriffen, plädiere für linke Deutschland vom Verfassungsschutz rechnet in diesem Jahr mit deutli- über den Kommunismus spricht, ver- Lötzsch uns keinen Grund geben wird, Reformen und einen demokratischen beobachtet werden. Der Leiter der Ge- chem Wachstum. DGB-Vorstands- gißt sie dessen Blutspur.« unsere Ansicht zu ändern.« Argumen- Sozialismus nach den Ideen Rosa Lu- denkstätte Berlin-Hohenschönhausen, mitglied Claus Matecki erklärte, Am Mittwoch meldeteBild tationsstark äußerten sich auch SPD- xemburgs. die Spie- Hubertus Knabe, fand den Lötzsch-Text dies bedeutete für viele Leiharbeit- Größen mit Bundestagsfraktionschef u Siehe auch Seite 8 nehmer »nichts als einen Rekord an Lohndumping«. Zeitarbeiter verdienten rund ein Drittel weniger Berliner Senat weiterhin hilflos als Stammbeschäftigte, manch- mal sogar nur die Hälfte. Matecki Keine Lösung für S-Bahn-Krise in Sicht. Vertragskündigung ausgeschlossen forderte deshalb erneut, im Arbeit- nehmerüberlassungsgesetz das or ihrem Treffen mit Spit- Prinzip »gleicher Lohn für gleiche Eine Kündigung des noch bis Ende Arbeit« verbindlich festzulegen. zenmanagern der Berliner S- am Mittwoch in Potsdam. Es fehle 2017 laufenden Verkehrsvertrages mit Die Politik müsse handeln, bevor VBahn und ihrer Konzernmut- eine »kurzfristige Alternative«. Wie gionalverkehr, wo in diesem Winter der Bahn-Tochter lehnte die Politike- die Grenzen für Arbeitnehmer aus ter DB AG hat Verkehrsse- seine Berliner Amtskollegin kündigte ebenfalls so viele Züge wie noch nie rin ab. Da es sich um ein technisches den mittel- und osteuropäischen natorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) Vogelsänger eine baldige Entschei- ausgefallen seien. Die S-Bahn wird Unikat handle, gebe es »bundesweit, Ländern am 1. Mai fallen. am Mittwoch ihre Forderung nach dung darüber an, ob ein Teil des S- auch eines der Themen auf einer für (AFP/jW) ja europaweit niemanden, der diese u Siehe Kommentar Seite 8 »grundsätzlichen Antworten« bekräf- Bahn-Netzes ausgeschrieben wird. Montag anberaumten Konferenz der tigt. Das Unternehmen müsse endlich Leistung bringen könnte«, betonte Landesverkehrsminister sein. die Senatorin. Ähnlich äußerte sich Wegen der langen Vorlaufzeiten bei plausibel darlegen, wie künftig chao- Das Unternehmen kündigte der- Brandenburgs Verkehrsminister Jörg der Entwicklung und Produktion neu- junge Welt wird herausgegeben von 1 088 tische Zustände und der Ausfall eines Genossinnen und Genossen er Züge, müßte dies noch in diesem weil an, vier vor einigen Tagen einge- (Stand 28.12.10). Großteils des Wagenparks vermieden Vogelsänger (SPD), dessen Bundes- stellte Verbindungen ab dem heutigen Informationen: www.jungewelt.de/lpg land von dem eingeschränkten Ange- Jahr geschehen, um ab Dezember 2017 werden könne, so Junge-Reyer. Auch umgesetzt werden zu können. Zu- Donnerstag wieder zu bedienen. Al- verlange sie eine Aussage über weite- bot der S-Bahn ebenfalls stark betrof- lerdings sind auch dann nur maximal fen ist. »Eine Kündigung würde gar nächst würden alle Möglichkeiten für re Entschädigungen für die Fahrgäste. 300 der für einen Normalbetrieb not- 4 0 0 0 1 > nichts bringen«, sagte der Minister finanzielle Sanktionen ausgeschöpft werden. Das gelte ebenso für den Re- wendigen 550 Viertelzüge einsatzfä- hig. (dapd/jW) 4 198625 901300 Repression

der Verleihung des diesjährigen Förder- Demokratie hat ihren Preis preises von der Jury ein „gewisses Maß an Toleranz abverlangt“ werde. Die die Entscheidung der Jury missbilligende Ein mit dem „Sächsischen Förderpreis für Demokratie“ Landesregierung hat ihren Einfluss dazu benutzt, die Preisträger zu disziplinieren ausgezeichnetes Projekt lehnt die Gesinnungsprüfung zu versuchen. Der Kotau vor der Landesregierung seiner Partner ab hätte das Vertrauensverhältnis des AKuBiZ zu seinen Kooperationspartnern nachhaltig beschädigt. Deswegen wiegt Hartmut Rübner, Berlin möchte der Verein jedoch keinesfalls die Entscheidung des nicht eben finanz- übernehmen. Konkret wurde die Absicht starken Vereins umso schwerer. Denn der ■■ Um das zivilgesellschaftliche Engage- der Instrumentalisierung, als das AKu- Preis hätte nicht nur die mittelfristige ment für die hehren „Werte der Demokra- BiZ dazu aufgefordert wurde, einen dem Arbeit sichergestellt, sondern auch das tie, Weltoffenheit und die Anerkennung sächsischen Innenministerium unlieb- bisherige Engagement in einem schwie- der Menschenrechte“ zu honorieren, ver- samen Link zu einer Antifa-Gruppe von rigen Umfeld gewürdigt. Tatsächlich wur- geben die Amadeu-Antonio-Stiftung, die seiner Webseite zu entfernen. den Mitglieder des Vereins – ebenso wie Freudenberg-Stiftung, die Kulturstiftung Das CDU-geführte Innenministerium vieler anderer Initiativen in Sachsen und Dresden der Dresdner Bank sowie die verlangt von den Preisträgern, dass sie anderswo – in der Vergangenheit bedroht, Stiftung „Frauenkirche Dresden“ an re- nicht den „Anschein erwecken“ dürfen, körperlich verletzt und zudem von Brand- gionale Initiativen gemeinsam und all- durch „materielle und immaterielle Leis- anschlägen betroffen. Auch eine zweite jährlich den „Sächsischen Förderpreis tungen extremistische Strukturen zu un- nominierte Initiative, das Antidiskrimi- für Demokratie“. Für den mit 10.000 Euro terstützen“. Demgegenüber weist Steffen nierungsbüro aus Leipzig, kritisiert den dotierten Hauptpreis, einen mit dem Richter darauf hin, dass der Verein seine auferlegten Extremismusansatz. Dieser gleichen Beitrag prämierten Sonderpreis Partner danach auswählt, „ob sie huma- delegiere „gesamtgesellschaftliche Prob- sowie für die mit 500 Euro prämierten nistische Grundsätze teilen, sich gegen leme an ‚extreme‘ Ränder“ und versperre Finalisten wählte die Jury dieses Jahr Diskriminierung und für gesellschaftliche „dadurch die Sicht auf weit verbreite- aus 80 Bewerbern zehn Projekte aus, die Teilhabe einsetzen“. Mit Diskriminierung te diskriminierende Einstellungen und sich „gegen Rechtsextremismus und für sind indessen jene sozialdarwinistischen Normvorstellungen, auf strukturelle Dis- demokratische Kultur“ einsetzen. Über und nationalistischen Ressentiments kriminierung und alltägliche Diskriminie- die Nominierung freute sich zunächst angesprochen, welche die so gern be- rungen unterhalb der Gewaltschwelle“. auch das in Pirna aktive „Alternative Kul- schworene bürgerliche Mitte lieber an Im Unterschied zur gesinnungsethi- tur- und Bildungszentrum Sächsische den extremistischen Schmuddelrändern schen AKuBiZ möchte das Büro jedoch Schweiz“ (AKuBiZ e.V.). verortet, selbst aber von den Stammti- das Preisgeld akzeptieren. Mit dem AKu- Nach der Bekanntgabe der Kandida- schen bis zu den „Eliten“ kultiviert. Und BiZ solidarisch erklärten sich indessen tenliste reichten die Initiatoren des De- die antiextremistischen Floskeln, welche zahlreiche Antifa-Intiativen, Opferbera- mokratiepreises eine vom sächsischen der für den überraschend verhinderten tungsstellen, Einzelgewerkschaften so- Innenministerium formulierte „Extremis- Ministerpräsidenten Stanilslaw Tillich wie Vertreter oder Landtagsfraktionen musklausel“ an sämtliche Beteiligten (CDU) eingesprungene Regierungsspre- von „Bündnis 90/Die Grünen“, „Die Lin- zur Unterzeichnung weiter. Das AKuBiZ cher Johann-Adolf Cohausz in dessen ke“, DKP und SPD. Nach Auffassung unterzeichnete diese Erklärung zunächst, Auftrag in der Dresdner Frauenkirche ver- der Fraktion „Die Linke“ im sächsischen distanzierte sich dann aber nachträglich lautbarte, lassen den Schluss zu, dass Landtag hat sich AKuBiZ unbeugsam ge- davon und lehnte die Entgegennahme die sächsische Landesregierung eigent- genüber „Selbstzensur und Diskriminie- des Preises ab, weil die „Extremismus- lich den Preis auch für das Engagement rung seiner Partner“ gezeigt, was den klausel“ die Nominierten praktisch zur gegen Links verliehen sehen möchte. Verein „erst recht zu einem würdigen Überprüfung ihrer Kooperationspartner Preisträger“ mache. In ihrer Presseerklä- auf den Verdacht des „Extremismus“ Die Landesregierung rung verweisen die Grünen auf diffuse verpflichtet. Wie der Vorsitzende von fordert einen Kotau Vorbehalte, die der Verfassungsschutz AKuBiZ e.V., Steffen Richter, den zum zuvor gegen Preisträger gestreut hat. geschichtsträchtigen 9. November zur Vermutlich ist über das Jurymitglied Mit der erstmaligen Einführung der feierlichen Preisvergabe in die Dresde- Michael Wilhelm, als Staatssekretär im „Extremismusklausel“ durch die Verlei- ner Frauenkirche geladenen 200 Gästen Sächsischen Staatsministerium des Inne- her des Demokratiepreises reagiert eine erläuterte, betrachtet der Verein diese ren für den Verfassungsschutz zuständig, private Institution vorauseilend auf die Verpflichtung als „Gesinnungsprüfung“. zu einem frühen Zeitpunkt Meldung über von Bundesfamilienministerin Schröder Tatsächlich wird aus der veröffent- den unliebsamen Preisträger an höchste forcierte Verankerung der Extremismus- lichten Klausel ersichtlich, dass für die Stellen erfolgt. Zumindest konnte sich formel in der Legislative des Bundes auferlegte Ausleuchtung unter anderem die sächsische Staatsregierung rechtzei- und der Länder. Dagegen beginnt sich die Vorgaben des Verfassungsschut- tig zur offiziellen Verkündung des Ergeb- nun allerdings ein breites Bündnis zu zes maßgeblich sind. Dessen Aufgaben nisses darüber beschweren, dass ihr bei formieren.

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Signale der Einschüchterung

Ortsgruppe Hamburg Einen solchen Fall keine Erlaubnis im Sinne des Waf- Signalgeber fengesetzes notwendig war. ■■ Kürzlich erhielt der linke Ham- darf Der Staatsanwalt scheint also ande- burger Rechtsanwalt Andreas Beuth normaler- re Gründe für sein Verfolgungsinteresse einen Strafbefehl wegen eines angebli- weise nur zu haben, denn Andreas Beuth ist seit chen Verstoßes gegen das Waffengesetz. führen, wer vielen Jahren als linker, engagierter, kri- Der absolut absurde Vorwurf wird damit einen „klei- tischer und vor allem für Gericht und begründet, dass Beuth als Verteidiger ei- nen Waffenschein“ Staatsanwaltschaft unbequemer Anwalt nen Signalgeber mit in eine Verhandlung besitzt. Beuth brachte den Signalgeber bekannt. Der einzige Sinn dieses Verfah- brachte, um diesen im Rahmen einer jedoch ungeladen, ohne Munition in sei- rens scheint der Versuch der massiven Vernehmung polizeilichen Belastungs- nem verschlossenen Aktenkoffer mit in Einschüchterung zu sein. Es stellt sowohl zeugen zu präsentieren. Beuths Mandant die Verhandlung, so dass die „Waffe“ un- einen allgemeinen Angriff auf die freie wurde vorgeworfen, einen Schuss aus brauchbar war. Sogar das zuständige LKA Verteidigung als auch einen persönlichen einem Signalgeber – einem auffälligen, schrieb im polizeilichen Schlussvermerk, Angriff auf den Anwalt als linken Vertei- orangefarbenen, etwa 15 Zentimeter lan- dass kein „Führen einer Waffe“ im Sinne diger dar, der unter anderem zahlreiche gen Gegenstand – abgegeben zu haben. des Waffengesetzes und damit auch kein Mandant_innen in politischen Verfahren Dieser Signalgeber wurde aber weder Verstoß gegen das Waffengesetz vorliegt, verteidigt. bei der unmittelbar erfolgten Festnahme wenn der Beschuldigte die Waffe in ei- noch bei Durchsuchung der näheren Um- nem Behältnis (Aktenkoffer) und nicht Wir fordern die sofortige Rücknahme des gebung aufgefunden. zugriffsbereit (ungeladen) transportiert Strafbefehls! Der Vorwurf, der dem Anwalt nun da- und dies außerdem im Rahmen der an- raus gemacht wird, lautet „fahrlässiger waltlichen Tätigkeit erfolgt. Das LKA be- Nicht ein Signalgeber, sondern Solidari- Verstoß gegen das Waffengesetz“. Denn: stätigt hierdurch also, dass im konkreten tät ist unsere Waffe!

Zusätzlich zur Einbringung von Vor- Europa ist nicht genug schlägen zur Festlegung der GASP und der Gemeinsamen Sicherheits- und Ver- teidigungspolitik (GSVP) vereint die/der Der EU-Geheimdienst entsteht EU-Außenbeauftragte sowohl Vizepräsi- dent_innenschaft der Europäischen Kom- mission als auch Vorsitz im Rat für Aus- E., Ortsgruppe Hamburg dieser Neuerungen sind eindeutig die wärtige Angelegenheiten – zwei wichtige Ausweitung des interventionistischen Posten innerhalb der EU-Institutionen. Seit es sie gibt, entziehen sich Geheim- Einflusses der EU weltweit und eine ver- Zur Unterstützung der/des EU-Außen- dienste jeglicher demokratischen Kon- stärkte Zusammenarbeit im Bereich der beauftragten bei diesen Aufgaben wurde trolle, da sie fürchten, ihre Macht über inneren Sicherheit. im Vertrag von Lissabon darüber hinaus die Definition von Sicherheit und Gefahr festgelegt, den Europäischen Auswärti- zu verlieren. Denn nur wer bestimmen Ein „EU-Außenministerium“ gen Dienst (EAD) zu gründen. Der EAD kann, was sicher ist und was gefährlich, entsteht nahm am 1. Dezember 2010 seine Arbeit bestimmt auch die Maßnahmen, um die- schließlich mit dem Ziel auf, den Ein- se Zustände herbeizuführen. Mit Inkrafttreten des Vertrags von fluss der EU in der Welt zu erhöhen und Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde internationale Prozesse – besser als es ■■ Mit der Errichtung des Europäischen das Amt der/des EU-Außenbeauftragten die Mitgliedsstaaten im Alleingang kön- Auswärtigen Dienstes (EAD) werden drei ins Leben gerufen. Es entstand aus der nen – als homogener Akteur zu lenken. Abteilungen der EU zu einem neuen Zusammenlegung der Ämter der Hohen Des Weiteren soll die Arbeit in auswär- Geheimdienst mit fragwürdiger Verant- Vertreterin/des Hohen Vertreters für die tigen Angelegenheiten optimiert werden, wortlichkeit und Transparenz vereint. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspo- damit die „Interessen und Werte (der EU) Assoziierung von internen und externen litik (GASP) und der Kommissarin/des in einer Welt mit wachsender Komple- sowie zivilen und militärischen Aufgaben Kommissars für Außenbeziehungen, de- xität und fundamentaler Machtverschie- im Rahmen der EU führt zu gefährlichen ren Aufgaben sich durch die Neuerungen bung“ (1) gesichert werden können. Machtstrukturen, bei denen ungeklärt ist, des Vertrags von Amsterdam 1999 be- Dafür werden im EAD bereits beste- wie weit ihre Befugnisse reichen. Ziele reits teilweise überschnitten. hende Abteilungen von Europäischer

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Kommission und EU-Minister_innenrat zivile Krisenbewältigung erfolgt keine der Europäischen Kommission und die zusammengeschlossen, die zuvor haupt- Abgrenzung mehr zur Verteidigungs- und Watch-Keeping Capability des EU-Rates sächlich alleinstehend ihre Aufgaben er- Militärpolitik der EU, was einer Fusion als Fundament der neuen Nachrichten- füllten. Der gesamte Apparat des EAD von Außen- und Verteidigungsministe- dienst-Abteilung ausgewählt, welche am umfasst somit circa 8000 Mitarbeiter_in- rium entspricht. Das Prinzip der Gewal- 1. Dezember 2010 offiziell ihre Arbeit nen weltweit, wobei sich die 1800 direkt tenteilung wird hierbei anscheinend be- aufgenommen hat. im EAD tätigen Mitarbeiter_innen haupt- wusst übergangen. Daneben besteht die Ziele der noch namenlosen Abteilung sächlich aus Beamt_innen verschiedener Gefahr, dass der EAD für die Durchset- sind unter anderem eine größere Unab- Abteilungen des Generalsekretariats des zung gemeinsamer Ziele von nur weni- hängigkeit der EU von Geheimdienst- EU-Rates und der Europäischen Kommis- gen Mitgliedsstaaten mit gleichen Inte- Informationen aus den USA und eine sion sowie Abgeordneten der nationalen ressenschwerpunkten genutzt und somit bessere Koordination der Arbeit nati- diplomatischen Dienste zusammensetzen gleichsam nationale Politik betrieben onaler Nachrichtendienste. Durch die – mit denen zuvor ohnehin eng kooperiert wird. Dabei kommt es zwangsläufig zu Bündelung, Beurteilung und Aufberei- wurde. Die administrative Leitung obliegt einer Überlegenheit der bevölkerungs- tung geheimer Berichte aus allen Mit- der/dem geschäftsführenden Generalse- starken und wirtschaftlich bedeutenden gliedsstaaten werden analytische Papiere kretär_in, die/der ebenfalls die Finanzen Mitgliedsstaaten. und politische Empfehlungen für EU- verwaltet und für einen reibungslosen Mit ihrer einhelligen Forderung, der Diplomat_innen erstellt und gleichzei- Ablauf zwischen den einzelnen Abtei- EAD benötige zur Ausübung seiner au- tig sicherheitsrelevante Informationen lungen zu sorgen hat. Sie/Er hat dabei ßenpolitischen Aufgaben auch eigene, auch für kleine Mitgliedsstaaten ohne weitreichende Kompetenzen, ist jedoch nachrichtendienstliche Strukturen, haben weit ausgebauten Nachrichtendienst zu- nur der/dem EU-Außenbeauftragten Re- die Verantwortlichen in der EU die Basis gänglich gemacht. Zusätzlich sollen in chenschaft schuldig. für einen EU-Geheimdienst geschaffen, Zukunft Informationen aus den neu zu der in das jetzt schon schwer zu kontrol- gründenden EU-Botschaften des EAD Undurchsichtiger EAD lierenden Gefüge des EAD eingegliedert ausgewertet werden. Mit der Gründung will mehr sehen wird. soll darüber hinaus die nachrichten- dienstliche Kapazität der EU erhöht wer- Die Freiheiten der Generalsekretä- Der neue EU-Geheimdienst – den, wodurch der Einfluss Europas auf rin/des Generalsekretärs bei der Lei- Ein namenloser Riese erwacht die internationale Ordnung maßgeblich tung des EAD wurden im EU-Parlament bestimmt wird. ausführlich diskutiert, denn sie/er un- Noch im Februar 2004 wurde die Er- terliegt keiner direkten Kontrolle durch richtung eines europäischen Geheim- Die drei Standbeine des die Europäische Kommission oder die dienstes mit der Begründung abgelehnt, neuen EU-Geheimdienstes Parlaments­abgeordneten, bestimmt aber für derartige Aufgaben sei Europol zu- maßgeblich die EU-Außenpolitik. ständig und außerdem sei es schwierig, Der Crisis Room besteht momentan Generell ist die Möglichkeit der die nationalen Nachrichtendienste in aus vier Angestellten, zwei Dienstleis­- Einflussnahme auf die Arbeit des EAD solch einer Institution zu vereinen. Nach ter_innen sowie mehreren Teilzeitmitar- durch parlamentarische Mittel stark ein- den Anschlägen von Madrid (März 2004) beiter_innen und wurde Ende 2001 als geschränkt, denn nur über Fragen zum und London (Juli 2005) änderte sich die- Folge des 11. Septembers gegründet. Da- Budget ist der Öffentlichkeit momentan se Meinung dahingehend, dass die Mit- mals wurden die vorhandenen EU-Struk- das Beziehen von Informationen möglich. gliedsstaaten Europol nun zu wenig Erfolg turen von der Flut an Informationen und Dabei sei außerdem dahingestellt, ob auf dem Gebiet der Terrorbekämpfung Eilmeldungen schlicht überschwemmt. dieses Vorgehen Auswirkungen auf die bescheinigten. Außerdem stünden die Die daraufhin neu geschaffene Krisen- politische Orientierung des Dienstes ha- strikten Datenschutzbestimmungen der zentrale beurteilt seitdem 24 Stunden ben kann, da er den Gebrauch seiner Gel- Behörde dem „Kampf gegen den Terror“ am Tag alle aktuellen Konflikte der Welt der selbst bestimmt. Eine erforderliche im Wege. Im Zuge dessen erfolgte, neben durch computergestütztes Scannen öf- Kontrolle des EAD durch das EU-Parla- der längst stattfindenden Zusammenar- fentlicher Medien und aus Berichten von ment, die Europäische Kommission oder beit der einzelnen Nachrichtendienste Auslandsbotschaften, um Zusammenfas- die nationalen diplomatischen Dienste der Mitgliedsstaaten, eine Aufwertung sungen davon auf einer Plattform für aus- ist ebenfalls nicht vorhanden, da ihnen des noch unbedeutenden Joint Situation gewählte EU-Abgeordnete bereitzustellen nur Anhörungs- und Informationsrechte Centres (SitCen) hin zu einer europäi- – gewissermaßen ein „Frühwarnzentrum zustehen. Die derzeitige EU-Außenbe- schen Nachrichtendienst-Zentrale. zur Konfliktprävention“. auftragte Catherine Ashton und der EAD Im August 2008 sprach sich die Die Watch-Keeping Capability (WKC) willigten aber ein, sich bei ihren außen- Future Group – eine Zusammenkunft war vor ihrer Eingliederung in den EAD politischen Tätigkeiten – unverbindlich – der Innenminister_innen von Belgien, beziehungsweise den EU-Geheimdienst an der UN-Charta sowie der Europäischen Deutschland, Frankreich, Schweden, eine Abteilung des EU-Militärstabs und Menschenrechtskonvention orientieren Slowenien, Spanien, der Tschechischen besteht zur Zeit aus zwölf europäischen zu wollen. Ein weiterer Kritikpunkt ist Republik und Ungarn – schließlich of- Polizei- und Militärangehörigen, deren die schleichend vorangetriebene Milita- fen für die Gründung eines EU-Geheim- Aufgabe es ist, zivile sowie militärische risierung der EU-Außenpolitik mit der dienstes aus. Dafür wurden nach In- Operationen im Rahmen der GSVP rund Einführung des EAD. Durch die Einglie- krafttreten des Vertrages von Lissabon um die Uhr zu überwachen. Im Fall ei- derung der Referate für militärische und 2009 neben SitCen auch der Crisis Room ner Krisensituation benachrichtigt die

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Abteilung alle Beteiligten der Operation die nachrichtendienstliche Infrastruktur viel uneffizienter und unverlässlicher ar- und versorgt sie mit neuesten Informatio- für EU-Krisen-Einsatztruppen zur Ver- beiten wird als die nationalen Nachrich- nen. Außerdem trägt sie „die Verantwor- fügung und analysiert die Risiken, die tendienste. Diese haben untereinander tung für die Bereitstellung von Kapazitä- von internationalen Terrorgruppen sowie längst bewährte Wege zum Informati- ten zur Planung und Durchführung von organisierter Kriminalität ausgehen. Die onsaustausch errichtet. Mit dem Aufbau (...) EU-Militäroperationen“ (2). Folgen illegalisierter Migration oder po- der weltweiten EU-Botschaften und der Die größte und machtvollste Abtei- litischer Radikalisierung von Gruppen Bildung eigener Ermittlungseinheiten lung des neuen EU-Geheimdienstes ist werden ebenso eingeschätzt wie die Flug- könnte jedoch die Unabhängigkeit des jedoch eindeutig das Joint Situation sicherheit über Europa. EU-Geheimdienstes schrittweise zuneh- Centre – eine ehemalige Abteilung des Diese politisch-strategischen Ana- men, wodurch auch dessen Macht und Generalsekretariats des Rates der EU, lysen werden dann zum Teil als gehei- Einfluss steigen dürfte. die nun der/dem EU-Außenbeauftragten me Papiere an die nationalen Nach- Als Folge der jahrelangen Aufwer- unterstellt ist. SitCen wurde 1999 aus richtendienste verteilt oder als offizielle tung und Erweiterung des SitCen seit der der Westeuropäischen Union (3) in die Berichte allen EU-Mitgliedsstaaten be- Eingliederung in die EU 1999 wurden EU eingegliedert, um als Analysezentrale reitgestellt. Sie sind somit auch Ent- dessen neu gewonnene Aufgaben und für internationale Krisen zu operieren. scheidungsgrundlagen für Maßnahmen Befugnisse im Gegensatz zu Europol nie Dabei übte es zunächst nur beobach- der EU im Rahmen der GSVP. rechtlich festgelegt. Kontrollversuche tende Funktionen aus und erstellte La- Die Quellen für diese Analysen sind über den Umweg der Finanzen wie beim gebilder für die GASP – allerdings noch öffentlich zugängliche Materialien wie EAD sind im Fall von SitCen ohnehin nicht in Funktion eines Krisenzentrums. Medien oder Internet und geheime Be- nicht möglich, da dessen Budget unter 2002 wurde die Arbeit des SitCen mit richte der nationalen diplomatischen der einstigen Führung des Europäischen dem Austausch erster Informationen von Dienste. Darüber hinaus erhält SitCen Rates nicht ausdrücklich aufgelistet wur- EU-Auslandsgeheimdiensten auf das Ge- Informationen aus der militärischen Auf- de und gegenwärtig intern über den EAD biet der Terrorbekämpfung ausgedehnt, klärung der Mitgliedsstaaten und hat da- abgewickelt wird. was seitdem zu einer kontinuierlichen durch auch Zugriff auf Spionagesatelli- Weiterhin besteht die Gefahr, dass Aufwertung der Abteilung führt. ten. Zusätzlich zu den Auskünften von mit der Verschmelzung der drei Abtei- So wurde 2004 beschlossen, dass Europol und Frontex stellen die wichtigs- lungen zum neuen EU-Geheimdienst die die Counter Terrorism Group (CTG) ak- ten Quellen jedoch die nationalen Nach- Grenzen zwischen Nachrichtendienst, Mi- tiv mit SitCen zusammenarbeiten sollte, richtendienste der EU dar, die SitCen mit litär und Polizei immer mehr verschwin- wodurch die Sicherheitsdienste der EU- geheimen Dossiers und auch Informati- den. Dadurch werden gültige Kontroll- Mitgliedsstaaten zum ersten Mal einen onen von Nicht-EU-Nachrichtendiensten mechanismen ebenfalls wertlos. Folglich direkten Kanal zu einer offiziellen EU- versorgen. soll es bald sogar möglich sein, ohne Zu- Institution bekamen. Daraufhin erhielt Da SitCen (noch) keine operativen stimmung der 27 EU-Abgesandten des SitCen 2005 eine „Anti-Terror-Einheit“ Einheiten unterhält oder verdeckte Er- Politischen und Sicherheitspolitischen und wurde bevollmächtigt, auch Infor- mittlungen betreibt – allenfalls Beobach- Komitees (PSK), nur durch einen Anruf mationen der EU-Inlandsgeheimdienste ter_innen zu EU-Auslandseinsätzen von der/des EU-Außenbeauftragten, eine EU- auszuwerten. Nachrichtendienstliche Tä- Polizei und Militär entsendet – ist es auf Mission weltweit in Gang zu setzen – egal tigkeiten innerhalb wie außerhalb der das Wohlwollen der nationalen Nachrich- ob friedlich oder nicht. EU zählten aber weiterhin nicht zu den tendienste angewiesen. Letztendlich übertragen sich die im Aufgaben von SitCen. Die Future Group Zusammenhang mit dem EAD ohnehin empfahl dann 2008 bei den Beratungen Kontrolle und Transparenz – schon schwer nachvollziehbaren Macht- zum Vertrag von Lissabon, dass SitCen, nicht vorhanden? befugnisse und Zuständigkeiten auf Eurojust und Europol – nun gleichwer- die ihm untergeordneten nachrichten- tig – beim europaweiten Austausch von Die nationalen Nachrichtendienste dienstlichen Abteilungen, werden da- sicherheitsrelevanten Information bezüg- der EU stehen seit jeher in engem Kon- mit ausgebaut und führen so zu einer lich der EU-Mitgliedsstaaten auftreten takt mit Diensten von Nicht-EU-Ländern, hochkomplexen Struktur, die Fragen zu sollten. die jedoch in wachsendem Maße an der Verantwortlichkeit und Transparenz völlig Sicherheit ihrer ausgehändigten Informa- offen lässt. Was kann SitCen – tionen zweifeln, sofern diese ins SitCen Was darf SitCen beziehungsweise zum neuen EU-Geheim- dienst gelangen. Häufig tauchten gehei- (1) Catherine Ashton, Pressemitteilung des Rates der EU, http://www.consilium.europa.eu/uedocs/ Die aktuelle Arbeit von SitCen be- me Berichte kurz nach der Weitergabe an cms_data/docs/pressdata/EN/genaff/115960.pdf steht unter anderem aus der Vorhersa- die Mitgliedsstaaten bei Nicht-EU-Nach- (2) Stellenausschreibung für einen “watch-keeper”, Ref.: END/2010/EUMS/1, http://www.es isidarbini- ge möglicher bewaffneter sowie politi- richtendiensten auf. Aus diesem Grund mas.lt/files/fckeditor_files/File/2010/dne/Letter%20 scher Konflikte und der Beobachtung befürchtet Großbritannien bereits eine PermRep%20and%20attachment.en.pdf und politischen Bewertung von Krisen- Beeinträchtigung der jahrelangen, angeb- (3) Die Westeuropäische Union (WEU) wurde 1954 aus einem Militärbündnis heraus gegründet, besaß situationen außerhalb der EU. Hier- lich guten Zusammenarbeit mit den USA. aber nie bedeutende Anteile an den Aufgaben der EG für besitzt es eine permanent besetzte Zusätzlich kritisiert „Open Europe“, im Kalten Krieg. Dafür war die NATO mit ihren weit- reichenden Befugnissen zuständig. Zur Jahrtausend- Notfall-Abteilung, die regelmäßig Nach- eine euro-kritische Organisation, dass der wende hin gingen die WEU-Institutionen langsam in richten an ausgewählte EU-Diplomat_in- neue EU-Geheimdienst durch die andau- die EU über, was schlussendlich zur Auflösung der nen verschickt. Des Weiteren stellt es ernde Abhängigkeit von anderen Diensten WEU 2010 führte.

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Falsche Gründe für das Richtige

Linke, Polizei und Unions-Hardliner in einer Front gegen die Fusion von BKA und Bundespolizei?

Ulla Jelpke Warnung vor neuer Er setzt den Trend zur Zentralisierung bleibt ungehört und Vorfeldverlagerung polizeilicher Was war das Arbeit fort. De Maizière beschwichtigt: für ein Auf- Es gehe ja nur um eine Organisations-, reger, als ich In der gegenwärtigen Sicherheitsdebat- nicht aber um eine Befugnisreform. Die vor zweiein- te wird das kaum noch thematisiert. Länder hätten nichts zu befürchten. halb Jahren, Der gängige Begriff „Sicherheitsarchi- in der De- tektur“ suggeriert, es gehe nur um eine Das ist Augenwischerei. Große Appara- batte über Frage der Technik, der Statik, der Prak- te bringen stets ein Eigengewicht mit das BKA- tikabilität. In Zeiten, in denen globale sich, mit dem sie weitere Dynamiken Gesetz, den Herrschaftsansprüche die internationa- anstoßen. Und im vorliegenden Fall ist Vorwurf er- le Polizeikooperation immer wichtiger es nun mal so, dass eine „Bundespoli- hoben hatte, hier werde „eine geheim erscheinen lassen, wird die föderale zei (neu)“ mehr wäre als nur die Sum- ermittelnde Staatspolizei“ geschaffen. Struktur der deutschen Polizei für ana- me zweier Teile. Denn immerhin geht Der Vorwurf richtete sich an die da- chronistisch erklärt. Aber es geht um es ja darum, die rund 40.000 Mann mals regierende große Koalition, die Grundrechte, um Werte, um Interes- starke Bundespolizei mit den „nur“ gerade dabei war, dem Bundeskrimi- senkonflikte zwischen einem kapita- 4500 BeamtInnen des BKA zu fusionie- nalamt Befugnisse einzuräumen, wie listischen Staat, der Bürgerrechte ein- ren. Das bedeutet: Die Befugnisse des sie klassischerweise Geheimdienste schränken will, und BürgerInnen, die BKA können mit der Manpower und der haben: Heimliche Videoüberwachung sich dagegen leider noch zu wenig weh- Logistik der Bundespolizei erfolgen. von Wohnräumen, heimliche Online- ren. Und es geht darum, Konsequenzen Der häufig angestellte Vergleich mit Durchsuchung von PCs und so weiter. aus der faschistischen Herrschaft ver- dem FBI hinkt: Es hat zwar ebenfalls Ich sei entweder „böswillig oder nicht gessen zu machen und zu tilgen – oder bundespolizeiliche Befugnisse, aber zurechnungsfähig“, schallte es mir sie eben zu bewahren. längst nicht den personellen Unterbau aus der SPD entgegen, die Union warf seines anvisierten deutschen Pendants. ausgerechnet mir eine Verhöhnung von Zum Zeitpunkt, zu dem ich diese Ko- Nazi-Opfern vor, und auch die Grünen lumne schreibe (14. Januar 2011), sind Es sei nochmal darauf hingewiesen, um fanden meine Kritik furchtbar böse. die Fusionspläne der „Werthebach- was für Befugnisse es da geht: Wem Allesamt unterstellten sie mir, das Kommission“ arg in der Kritik. Es die Bude gefilzt wird, der weiß das we- BKA mit der Gestapo gleichgesetzt zu kommt nicht gerade häufig vor, dass nigstens und der kann Rechtsmittel haben. ich mich auf einer Linie ausgerechnet dagegen einlegen, die – es gibt noch mit dem bayerischen Innenminister Richter – in Einzelfällen sogar erfolg- Tatsächlich hatte ich darauf hingewie- Joachim Herrmann (CSU) und sei- reich sind. Und man kann die Repressi- sen, dass die GrundgesetzgeberInnen nem niedersächsischen Amtskollegen on politisch skandalisieren. Wenn aber gute historische Gründe dafür hatten, Uwe Schünemann (CDU) befinde. Die das BKA („Bundespolizei neu“) den auf einer strikten Trennung von Ge- Absichten des Bundesinnenminis- Rechner heimlich ausspäht oder heim- heimdiensten und Polizei zu bestehen ters halten sie für schlichtweg verfas- lich Videokameras in der WG-Küche und Polizeiarbeit zur Ländersache zu sungsfeindlich, auch die SPD-Länder- anbringt, dann weiß man das nicht und erklären. Wie richtig mein Verweis auf politiker lehnen den „falschen Traum kann nichts dagegen tun. Was unter- historische Erfahrungen war, bestätig- einer Zentralpolizei“ (Erhart Körting, scheidet solch ein Vorgehen noch von te Anfang 2011 die Gewerkschaft der Berlin) ab. dem eines Geheimdienstes? Polizei (GdP): Die Pläne von Bundesin- nenminister Thomas de Maizière (CDU) Die Kommission empfiehlt, nachdem zur Fusion von BKA und Bundespolizei sie die derzeitige Polizeistruktur für Trennung der Dienste in der lehnt sie ab. „Eine solche polizeili- mängelbehaftet erklärt, die Zusam- Praxis längst aufgehoben che Zentralgewalt hatten die Mütter menlegung von BKA und Bundespoli- und Väter unserer Verfassung aufgrund zei „unter einem Dach: Bundespolizei Die Trennung von Polizeien und Ge- der geschichtlichen Erfahrung nicht (neu)“. Der Bundesinnenminister hat heimdiensten wird ohnehin immer brü- im Sinn“, erklärte der GdP-Chef. Wie erklärt, er habe „eine gewisse Ten- chiger. Was an Befugnissen noch nicht wahr. denz“, diesem Vorschlag zu folgen. geteilt wird, das wird seit Jahren durch

24 DIE ROTE HILFE 1/2011 Repression

Formen offiziell-informeller Kooperati- des Bundes – das wäre doch mal was! Bundes im föderalen Sicherheitsge- on kompensiert: Etwa im Gemeinsamen Auch der Widerstand der Länder-Innen- füge“ ginge zu Lasten ihrer eigenen Terror-Abwehrzentrum in Berlin, wo minister ist unübersehbar. Pfründe. Wenn hier einer Wohnräume alle möglichen Geheimdienstler und abfilmt, wenn hier einer die BürgerIn- Polizeivertreter Tag für Tag zusammen- Man muss leider unterstellen, dass ihre nen bespitzelt und bedroht, dann wol- hocken und in geheimen Lagebespre- Kritik, so berechtigt sie ist, sich aus len Hermann, Schünemann und Co. chungen ihre Erkenntnisse austauschen einem falschen Ansatz heraus speist. dabei schon selber den Hut aufhaben. – selbstverständlich auch mit ausländi- Gerade Bayerns Herrmann und Nie- schen Partnern. dersachsens Schünemann sind abso- Das sind falsche Gründe, aus denen lute Hardliner, wenn es um Themen heraus das Zentrale Staatspolizeiamt Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist offen, der „inneren Sicherheit“ geht. Flücht- abgelehnt wird, aber wir Linken dürfen wie viel von de Maizières Plänen um- linge abschieben, Polizei aufrüsten, uns ruhig darüber freuen, dass sich die gesetzt wird. Vorerst werden wohl nur Listen politisch „Verdächtiger“ aufset- Herrschenden mit ihren Ansprüchen ein paar Kompetenzen verlagert, denn zen, Bundeswehr im Inland einsetzen selbst ins Gehege kommen. Nur müs- die Kritik ist beachtlich. Das Personal – damit haben sie kein prinzipielles sen wir diese Gelegenheit auch nutzen, beim BKA droht mit Protesten, die GdP Problem. Aber die im Kommissionsbe- unsere eigene Kritik zu verbreiten. warnt ihrerseits vor Benachteiligung richt geforderte „sichtbare Aufwertung der Bundespolizei. Streik der Polizeien der polizeilichen Angelegenheiten des

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DIE ROTE HILFE 1/2011 25 Schwerpunkt

Anmerkung der Redaktion: Die Chronologie zur Killfahndung be- Die Kill-Fahndung schäftigt sich mit den Genossinnen im Deutschland der und Genossen, die in bewaffneten Aus- einandersetzungen 1970er Jahre mit dem Staat ums Leben kamen. Wir Eine Chronologie haben bewusst zwei Chronologien zum Schwerpunkt in der BRD (siehe dazu „Die Methodik des legalen m „mit allen Mitteln“; „diese Gruppen zu tilgen“ oder „das Äußerste dagegen Mordens“ auf Seite „... auch scheidet ein exekutierter unternehmen“. 29) ausgewählt, weil Verbrecher künftig als Attentäter aus.“ Es blieb nicht bei diesen Äußerun- wir durchaus Unter- (Die Welt, 29. September 1977) gen, die längst von der Praxis der deut- schen Polizei überholt waren. Zur juris- schiede darin sehen, ■■ Eine Schwerpunktausgabe der RHZ tischen Absicherung der Todesschüsse ob Menschen im zur gezielten Tötung von „Staatsfein- wurde 1973 das Konzept des finalen Zusammenhang mit dInnen“ bliebe unvollständig und würde Rettungsschusses entwickelt, das seit- in eine bedenkliche Schieflage geraten, dem Bestandteil der Polizeigesetze der einer Demonstration wenn nicht die Tötung politischer Gegne- meisten Bundesländer ist. Damit wird oder anderen Aus- rInnen auch in der BRD erwähnt würde. auch formal das Grundrecht auf Leben einandersetzungen Nach den Jahren der Revolte in den (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz) späten 1960er Jahren setzte um 1970 in bestimmten Situationen für den Staat durch Polizeigewalt das große staatliche Aufräumen ein. Die zur Verhandlungssache. gestorben sind oder Amnestiegesetze für Demonstrationsstraf- Die im Zuge der Aufstandsbekämp- ob Genossinnen und taten, die die sozialliberale Koalition im fung getöteten Mitglieder militant kämp- Frühjahr 1970 verabschiedete, sollten fender Gruppen oder von Menschen, die Genossen, die die die außerparlamentarische Opposition fälschlicherweise dafür gehalten wurden, Entscheidung getrof- befrieden. Diejenigen, die sich von sol- dokumentieren, dass in der Auseinan- fen haben mit der chen Angeboten staatlicher Großzügig- dersetzung mit den Stadtguerilla-Grup- keit nicht beeindrucken ließen, bekamen pen die physische Vernichtung des po- Waffe in der Hand für gleichzeitig die ganze Härte der Staatsge- litischen Gegners als Option staatlichen die Umwälzung der walt zu spüren. Das betraf insbesondere Handelns immer mehr an Bedeutung gesellschaftlichen die Mitglieder militanter und bewaffneter gewann. Gruppen wie der Bewegung 2. Juni und Verhältnisse zu kämp- der RAF. Am 15. Juli 1971 wurde Petra fen, im Rahmen der Den Konsens auf höchster Regie- Schelm in Hamburg im Zuge der ersten staatlichen Anti-Ter- rungsebene, die gezielte und verdeckte Großfahndung nach der RAF durch ei- Tötung von Mitgliedern illegaler Gruppen nen Schuss aus einer Maschinenpistole ror-Fahndung erschos- wie die von Gefangenen zumindest billi- unterhalb des linken Auges getötet. Die sen, im Knast durch gend in Kauf zu nehmen, drückte Bun- Polizei ging davon aus, es handele sich Zwangsernährung zu deskanzler Schmidt programmatisch be- um Ulrike Meinhof. Ein Ermittlungsver- reits in seiner Regierungserklärung vom fahren gegen den Todesschützen wur- Tode gefoltert oder 13. März 1975 aus in Formulierungen de schon wenig später eingestellt: Der anderweitig „geselbst- wie: „härtestes Durchgreifen des Staates, Polizist habe aus „Notwehr“ gehandelt. der sich in einer Verteidigungsposition Der überlebende Werner Hoppe dagegen mordet“ wurden. nicht scheuen kann, selbst zu töten“; wurde in einem fragwürdigen Strafverfah- „bis an die Grenzen des Rechtsstaats“; ren wegen dreifachen Totschlagversuchs

26 DIE ROTE HILFE 1/2011 Schwerpunkt

Zeitgenössische Publikationen der Roten Hilfe zu den staatlichen Morden an Georg von Rauch, Petra Schelm und Thomas Weisbecker zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, Am 3. Mai 1977 wurde Günther Son- der Wohnungstür nahm er Gestalten im obwohl er nicht einen einzigen Menschen nenberg bei seiner Festnahme von der kleinen Vorraum wahr, von denen einer auch nur verletzt hatte. Kugel eines Polizeibeamten in den Hin- mit der Waffe in der Hand aus einem terkopf getroffen. Er überlebte, nachdem Meter Entfernung direkt auf ihn zielte. Am 4. Dezember 1971 wurde Georg er zwei Wochen lang im Koma gelegen Nur weil es ihm im selben Moment ge- von Rauch in Westberlin, als er mit er- hatte. Trotz seiner Verhandlungs- und lang, reflexartig seinen Körper ein wenig hobenen Händen mit dem Gesicht zur Haftunfähigkeit war er danach fünfzehn abzuwenden und sich zum Schutz ins- Hauswand stehend zur Seite blickte, Jahre lang inhaftiert, was seine Genesung tinktiv seine Tasche vors Gesicht zu rei- durch eine Kugel ins rechte Auge aus unmöglich machte. Ärzte seines Vertrau- ßen, überlebte er (siehe auch den Erinne- einem Meter Entfernung erschossen. ens wurden ihm verweigert. rungsbericht Rolf Heißlers auf Seite 32). Rolfs Verfassungsbeschwerde gegen Am 2. März 1972 wurde Thomas Am 6. September 1978 wurde Willy die Einstellung des Verfahrens gegen die Weisbecker im Rahmen einer Observati- Peter Stoll in einem Düsseldorfer China- Beteiligten wurde vom OLG Frankfurt zu- on und Sonderaktion in Augsburg durch Restaurant erschossen. Die Einstellung rückgewiesen, weil der beschuldigte Po- einen Herzschuss aus zwei Meter Ent- des Verfahrens gegen die Polizeibeam- lizist, der nur als Nummer bekannt war, fernung getötet. Seine Pistole hatte er ten begründete die Staatsanwaltschaft nicht namentlich benannt wurde. noch im Hosenbund stecken. Eine von Düsseldorf unter anderem damit, die Die Liquidationsstrategie draußen der Mutter von Tommy gestellte Strafan- „allgemein bekannte Gefährlichkeit ter- setzte sich in der Vernichtungsstrategie zeige wegen Verdachts der vorsätzlichen roristischer Gewalttäter“ rechtfertige den gegen die Gefangenen durch die Isola- Tötung wies die Staatsanwaltschaft des Schusswaffengebrauch. tion nach innen wie nach außen konti- Landgerichts Augsburg am 28. August nuierlich fort. Die Gefangenen blieben desselben Jahres ab und stellte das Ver- Am 25. September 1978 wurde Mi- nicht nur Objekt der staatlichen Rache, fahren ein. chael Knoll nach Hinweisen auf Schieß- sondern sollten zugleich als Geiseln ge- In Bezug auf die Todeschüsse und in übungen in einem Wald bei Dortmund genüber der Bewegung außerhalb der Solidarität mit den Erschossenen wurden erschossen. Knäste fungieren. Golo Mann erklärte in Berlin die Kollektive Georg-von-Rauch- in der Fernsehsendung „Panorama“ am Haus (1971) und Tommy-Weisbecker- Am 4. Mai 1979 wurde Elisabeth 17. Oktober 1977 programmatisch: „Der Haus (1973) gegründet. von Dyck beim Betreten einer Wohnung Moment kann kommen, in dem man jene (http://www.tommyhaus.org/thomas- in Nürnberg erschossen. Von der einen wegen Mordes verurteilten Terroristen, weisbecker.php) Seite kam der erste Schuss in den Ober- die man in sicherem Gewahrsam hat, schenkel und im Fallen gab es von der in Geiseln wird verwandeln müssen, in- Am 9. Mai 1975 wurde Werner anderen Seite den zweiten Schuss in den dem man sie den Gesetzen des Friedens Sauber in Köln im Rahmen einer Fahr- Rücken, der die inneren Organe zerfetzte. entzieht und unter Kriegsrecht stellt.“ zeugkontrolle auf einem Parkplatz von Es wurde „Notwehrrecht“ behauptet. Noch deutlicher wurde am 29. Septem- PolizistInnen erschossen. In einem Straf- ber 1977 in der Springer-Zeitung „Welt“ verfahren gegen seine BegleiterInnen Am 9. Juni 1979 war Rolf Heißler der Düsseldorfer Professor Wilfried Lan- wegen versuchten Mordes an den betei- beim Betreten einer Wohnung in Frank- ge: „Ein Staat, der seine Terroristen hin- ligten PolizeibeamtInnen wurden beide furt mit einer ähnlichen Situation wie richtet, kann nicht mehr genötigt werden, freigesprochen. Elisabeth konfrontiert. Nach dem Öffnen sie nach Südjemen auszufliegen. Auch

DIE ROTE HILFE 1/2011 27 Schwerpunkt

scheidet ein exekutierter Verbrecher Verfolgung durch staatliche Repressions- Proteste gegen die staatliche Todes- künftig als Attentäter aus.“ In den Zu- kräfte kam es aber auch zu zahlreichen schusspraxis gegen Linke setzte sich die- sammenhang mit den Erschießungen bei unbeteiligten Toten, die keiner Stadtgue- se in den 1980er Jahren nicht unmittel- der Festnahme gehören deshalb auch die rilla-Gruppe zuzurechnen waren, aber im bar fort. Gefangenen, die in den Hochsicherheits- Zuge der „Antiterrorfahndung“ erschos- Dennoch wirkt auch die Akzeptanz für trakten der Knäste unter strengster staat- sen wurden. Herausgegriffen seien nur die Tötung von „StaatsfeindInnen“ bis in licher Überwachung ums Leben kamen: drei besonders bekannt gewordene Fälle: die jüngste Zeit nach.

Am 9. November 1974 starb Hol- Am 1. März 1972 wurde der unbe- Wolfgang Grams wurde am 27. Juni ger Meins an den Folgen von Hunger- waffnete 17jährige Lehrling Richard 1993 bei seiner Festnahme in Bad Klei- streik und Zwangsernährung in der JVA Epple von PolizistInnen in Tübingen mit nen durch einen Schuss in den Kopf so Wittlich. einer Maschinenpistole erschossen. Der schwer verwundet, dass er wenige Stun- Täter rechtfertigte sich damit, er habe den später starb. Innenminister Rudolf Am 24. April 1975 wurde Siegfried ihn für ein Mitglied der RAF gehalten Seiters übernahm die politische Verant- Hausner nach der Erstürmung der deut- und sei deshalb davon überzeugt gewe- wortung und trat am 4. Juli 1993 von schen Botschaft in lebens- sen, richtig zu handeln. seinem Amt zurück. Auch Generalbun- gefährlich verletzt verhaftet. Er wurde desanwalt von Stahl musste zurücktreten. kurzzeitig in Schweden ärztlich versorgt, Am 1. Juli 1972 wurde in Stuttgart Dennoch wurde staatlicherseits mit aller dann jedoch auf massiven Druck der der Schotte Ian McLeod von einem Po- Vehemenz eine Tatversion durchgesetzt, Bundesrepublik nach Deutschland aus- lizisten nackt und unbewaffnet durch nach der sich Wolfgang auf der Flucht geflogen. Ein schwedischer Mediziner seine Schlafzimmertür hindurch erschos- vor GSG9-Beamten schwer verletzt noch bezeichnete die Verlegung als „reines sen. Vormieterin der Wohnung war ein im Fallen selbst erschossen habe. (Ver- Todesurteil“. Statt Siegfried in eine Mitglied der RAF. gleiche „Die Schüsse von Bad Kleinen“, notwendige Spezial-Klinik zu verlegen, Seite 33.) wurde er ins Gefängnis-Hospital nach Am 21. Mai 1974 wurde in München Stuttgart-Stammheim gebracht und starb der Taxifahrer Günter Jendrian durch Po- Am 29. Juni 1994 wurde in Hannover dort am 4. Mai 1975. lizistInnen in seiner Wohnung im Rah- der 17jährige Kurde Halim Dehner beim men einer Fahndung erschossen. Plakatieren aus nächster Nähe durch ei- Am 9. Mai 1976 wurde Ulrike Mein- nen Schuss in den Rücken getötet. Der hof in ihrer Zelle im Gefängnis Stuttgart- Die Zahl der Menschen, die bei Po- SEK-Beamte, der ihn erschoss, gab vor Stammheim aufgehängt gefunden. lizeieinsätzen erschossen wurden, stieg Gericht an, es sei schließlich nicht um allgemein seit 1973 sprunghaft an. Das bloßes Plakatieren gegangen, sondern um Am 18.Oktober 1977 wurden And- dürfte nicht zuletzt an der juristischen eine Unterstützung der „terroristischen“ reas Baader, Gudrun Ennslin und Jan- Absicherung der betreffenden Beamten, PKK. Er wurde freigesprochen. Carl Raspe in ihren Zellen in Stuttgart- aber auch an der propagandistischen Stammheim tot aufgefunden. Irmgard Schützenhilfe durch die Medien liegen. Möller wurde mit zahlreichen Messersti- Der Bericht, einE BankräuberIn sei „auf Die physische Vernichtung politischer chen in die Chirurgische Klinik Tübingen der Flucht erschossen“ worden, ruft mitt- GegnerInnen ist eine Option, die im Falle geflogen und notoperiert. Sie überlebte. lerweile nur noch begrenzte Empörung in politischer Krisenzeiten auch in der BRD In der Folge wurden Äußerungen, die an der Öffentlichkeit hervor und noch un- fortbesteht. In begrüßenswerter Offenheit der staatlichen Selbstmordversion zwei- wahrscheinlicher ist es, dass der/die ver- hat der damalige rheinland-pfälzische felten, strafrechtlich verfolgt. beamtete Todesschütze/in strafrechtliche Innenministers Schwarz am 10. Juni Verfolgung zu befürchten hat. 1976 erklärt, warum die Polizei beim Am 12. November 1977 wurde Ingrid Waffengebrauch gegen Linke eine mög- Schubert in ihrer Zelle in der JVA Mün- Allerdings blieb die Strategie der lichst freie Hand braucht: „Aber es gibt chen-Stadelheim erhängt aufgefunden. Killfahndung in der deutschen und inter- Fälle, in denen sie (die Handgranaten) nationalen Öffentlichkeit nicht ohne Wi- angewandt werden müssen, zum Beispiel Am 16. April 1981 starb Sigurd De- derspruch. All zu offensichtlich war, dass in einer vorrevolutionären Situation. Es bus auf Grund der Zwangsernährung wäh- sich die BRD-Behörden nicht nur auf muss doch die Chance bestehen, eine rend des Hungerstreiks. „unbürokratische Art“ politischer Gegner bewaffnete Revolution niederzuschla- entledigten, sondern sich auch gleich gen. (...) Die Polizei handelt in konkre- Die Killfahndung hatte als erklärtes die öffentliche und juristische Ausein- ten Situationen so, wie sie es für ihren Ziel die Zerschlagung der Stadtgueril- andersetzung mit ihren Beweggründen Fahndungserfolg für richtig hält. Je un- lagruppen und die physische Auslö- ersparten. bestimmter das beschrieben ist, desto schung ihrer Mitglieder. Im Rahmen der Auch auf Grund der sich häufenden größer der Spielraum.“

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Die Methodik des legalen Mordens

und die vertragliche militärische Bindung Kurras gab in der Folgezeit drei verschie- an die NATO. Gegen dieses Vorhaben dene Versionen des Tathergangs an, die Dieser Artikel bezieht sich formte sich ein breiter Widerstand aus nur im ersten Punkt übereinstimmten: ausschließlich auf Genos- linken, kommunistischen und pazifis- Er habe sich von den Demonstranten be- tischen Kräften. Am 10. Mai verbot der droht gefühlt, daraufhin seine Waffe ge- sinnen und Genossen, die Innenminister von Nordrhein-Westfalen, zogen und entsichert. während Demonstrationen Karl Arnold (CDU), der zugleich Minister- 1.) Dann habe er einen oder zwei Warn- oder ähnlichen Aktionen präsident war, eine geplante Demonstra- schüsse abgegeben, von denen einer als tion gegen die Wiederbewaffnung. Den- Querschläger Ohnesorg getroffen habe. ums Leben kamen und be- noch fanden sich etwa 30.000 Personen, 2.) Im Handgemenge sei seine Waffe ver- schäftigt sich nicht mit den die an verschiedenen Orten in Essen klei- sehentlich losgegangen. nere Veranstaltungen organisierten, die 3.) Zwei Männer mit „blitzenden Mes- Genossinnen und Genos- von der Polizei alsbald aufgelöst wurden. sern“ hätten ihn, als er am Boden lag, sen, die bei bewaffneten Bei den folgenden Auseinandersetzun- attackiert, und er habe sich durch den Auseinandersetzungen gen wurde von der Polizeiführung der Schusswaffengebrauch schützen wollen. Schießbefehl erteilt. Zwei abgegebene Die dritte Version vertrat er – und mit der Staatsmacht ihr Schüsse eines Polizisten trafen Phil- zwar ohne Widerspruch seitens der Leben verloren (siehe ipp Müller, eine davon sein Herz töd- Behörden – monatelang in der Pres- dazu „Die Killfahndung im lich. Durch Polizeikugeln schwer verletzt se und später auch in seinem Prozess. wurden außerdem der Sozialdemokrat Freispruch! Deutschland der 1970er Bernhard Schwarze aus Kassel und der Jahre“ auf Seite 26). Diese Gewerkschafter Albert Bretthauer aus „Stoppt Strauß!“ – Der Tod von Chronologie hat keinen Münster. Die Schüsse sind mit Urteil Olaf Ritzmann 1980 vom 2. Oktober 1952 vom Dortmun- Anspruch auf Vollständig- der Landgericht als Notwehr eingestuft „Über 15.000 Menschen haben am keit und kratzt nur an der worden, Schusswaffengebrauch von De- 25. August 1980 gegen den damaligen Oberfläche. Daher möchten monstranten konnte im Prozess jedoch CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß de- nicht nachgewiesen werden. Dutzende monstriert. Hamburgs SPD-Senat und wir euch auffordern, euch Jugendliche wurden festgenommen, elf die Polizeiführung der Hansestadt ha- im Internet oder auch in von ihnen später zu Gefängnisstrafen bis ben die Demonstration verboten und zur den Archiven der sozialen zu zwei Jahren verurteilt. Ministerpräsi- Durchsetzung des Verbots mit über 3000 dent Arnold erklärte: „Da der Widerstand Polizisten und ‚Grenzschützern‘ das seit Bewegungen weitergehend durch den Gebrauch des Polizeischlag- langem größte Polizeistaatsmanöver in zu informieren. Einige stocks nicht gebrochen werden konnte … dieser Stadt veranstaltet. ausgewählte Links dazu musste von der Schusswaffe Gebrauch Die etwa 5 bis 6000 Demonstranten, gemacht werden. Vor dem Schusswaf- die in Richtung des Veranstaltungsortes findet ihr im Beitrag. fengebrauch wurde die Menge dreimal marschiert waren, die massiven Sperren aufgefordert, das Werfen einzustellen“. jedoch nicht überwinden konnten, son- Redaktionskollektiv der RHZ dern fortlaufend von Polizei und BGS Benno Ohnesorg angegriffen wurden, hatten ihre Demons- tration gegen 21.15 am S-Bahnhof Stern- Philipp Müller: Ohnesorg war Student der Romanistik schanze mit einer kurzen Kundgebung Die Ereignisse am 11. Mai 1952 und Germanistik in West-Berlin. Am 2. abgeschlossen. Die Menge zerstreute Juni 1967 wurde der 26-Jährige nach sich, und ein größerer Teil der Demons- Philipp Müller war ein deutscher einer Demonstration gegen den Schah tranten ging in den S-Bahnhof, um nach Arbeiter und Kommunist. Müller starb, von Persien Reza Pahlavi unter bislang Hause zu fahren.“ als die Polizei in Essen auf Teilnehmer immer noch ungeklärten Umständen vom (Aus einem zeitgenössischen Flugblatt) einer Demonstration gegen die bundes- Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras deutsche Remilitarisierung schoss. Dies erschossen. Dies führte zu einer Ausbrei- „Vier Tage nach den schweren Kra- war das erste Mal in der Geschichte der tung und Radikalisierung der damaligen wallen während des Strauß-Besuchs Bundesrepublik Deutschland, dass ein westdeutschen Studentenbewegung („Be- in Hamburg ist am Freitagmorgen der Demonstrant durch die Polizei getötet wegung 2. Juni“). 16jährige Tischlerlehrling Olaf Ritzmann wurde. Nach dem Polizeibericht, der sich seinen schweren Verletzungen erlegen. In Koordination mit den Westalliier- ausschließlich auf Aussagen von anwe- Der Jugendliche, der als Vollwaise in ten plante die Regierung der Bundesrepu- senden Polizisten stützte, soll Kurras einem Heim lebte, wurde nach der De- blik Deutschland die Wiederbewaffnung damals in Notwehr geschossen haben. monstration vom Bahnhof Sternschanze

DIE ROTE HILFE 1/2011 29 Schwerpunkt

aus über die Gleisanlagen getrieben und waren offensichtlich der Anlaß für die Freundschaftsfest. Rund 700 Menschen dabei von einer S-Bahn erfaßt worden. Polizei – entgegen den Radiomeldungen feiern entspannt und friedlich. Schwer verletzt wurde er in die Inten- flogen keine Steine – unter dem Etikett Am Abend dann schlägt die Stim- sivstation des Krankenhauses Altona ge- ‚Räumen!‘ mit größter Brutalität auf die mung um. Die Polizei spricht von „etwa bracht, erlangte aber das Bewußtsein Leute einzuschlagen. Sie wurden von der 400 Militanten“, die gegen 19.30 Uhr be- nicht wieder. Die Polizei hat Vorwürfe, Polizei auf die Potsdamer Straße gejagt. ginnen, Steine, Flaschen und Beutel mit sie sei mitschuldig am Tod des Lehrlings, Ich befand mich bereits auf der anderen Buttersäure auf NPD-Anhänger zu wer- entschieden zurückgewiesen.“ Seite, auf dem Gehweg unter der Hoch- fen, um deren Zugang zum Haus Gallus (Hamburger Abendblatt, 31. August 1980) bahn, als ich sah, wie plötzlich ein bis- zu verhindern. Der 26 Tonnen schwere her haltender BVG-Doppeldecker anfuhr, Wasserwerfer, Typenbezeichnung Wawe „Vier Tage wurde Olaf Ritzmann noch direkt in die fliehenden Demonstranten. 9 IV / 1, Kennzeichen WI – 3026 steuert künstlich am Leben gehalten. Gehirntot Der dann totgefahrene junge Mann riß auf mehrere Personen zu, die ausein- aber war er schon am Montag davor, als kurz vor dem Aufprall, wahrscheinlich ander rennen. Ein Demonstrant bleibt er von einem Zug der Hamburger S-Bahn vor Schreck, beide Arme hoch und schlug allein auf der Straße zurück, der Strahl erfaßt und auf die Gleise geschleudert dann mit dem Kopf gegen die Wind- des Wasserwerfers erfasst ihn. Um 20.52 wurde. Auf einen Wink der Polizei hatten schutzscheibe, die dabei zu Bruch ging. Uhr überrollt das massige Gefährt den die Ärzte das kurze Leben des jungen Er fiel um und kam direkt unter den Bus. Genossen Günter Sare, aufgewachsen im Mannes noch um ein paar Tage verlän- Aber statt zu halten, gab der Fahrer noch Gallus, 36 Jahre alt, von Beruf Schlosser, gert. Man wollte vermeiden, daß es im Gas und schleifte den jungen Mann auf Mitglied im Vorstand des Jugendzent- Anschluß an die blutigen Auseinander- dem Boden mit, bis er dann vor der Com- rums Bockenheim, seit 15 Jahren aktiv setzungen nach einer Anti-Strauß-De- merzbank zum Stehen kam. Viele Leute in der autonomen Szene und engagiert monstration auch noch zum Märtyrer- brüllten dann vor Entsetzen ‚Halt!‘ und bei Häuserbesetzungen im Frankfurter Mythos komme.“ rannten auf den Bus zu, um dem Fah- Westend und bei Demos gegen den Bau (Die Zeit, 12. September 1980) rer klarzumachen, daß er halten solle. der Startbahn West. Dies wertete die Polizei wiederum als Günter liegt auf dem Asphalt der „Daß überhaupt die Polizeiversion Angriff auf den Bus und schlug auf die- Straßenkreuzung. Aus seinem Kopf rinnt erschüttert und in der Öffentlichkeit ein jenigen, die helfen wollten, ein. Alle Be- Blut. Sein Brustkorb ist gequetscht, aber wahrheitsgetreues Bild der Geschehnis- schädigungen am Bus fanden nach dem er atmet noch. Ein Arzt und ein Sanitäter se verbreitet werden konnte, ist auf die Unfall statt! Eine lange schwarze Spur versuchen, an Ort und Stelle Erste Hilfe Tätigkeit des Ermittlungsausschusses rührte von der Lederjacke des Toten her, zu leisten. Augenzeugen berichten, dass zurückzuführen, der sofort nach dem 25. Bremsspuren des Busses waren keine zu umstehende Polizisten die Rettungsmaß- August 1980 Augenzeugenberichte sam- sehen ...“ (Aus einem zeitgenössischen nahmen nicht unterstützt und nicht mal melte, die schon wenige Tage später ein Gedächtnisprotokoll). Scheinwerfer angemacht hätten, obwohl präzises Bild des tatsächlichen Ablaufs „Keiner der Bullen bemüht sich um sie darum gebeten wurden. Auch sei der der Ereignisse ermöglichten. Auf der Klaus, ganz im Gegenteil: Eine Bullen- Notarztwagen zu spät eingetroffen. Grundlage von über 100 Augenzeugenbe- kette vertreibt knüppelnd die um Klaus „Ich kann mir keinen Menschen, kei- richten wurde Anzeige gegen die Verant- stehenden und hinzueilenden Menschen nen Polizisten vorstellen, der sozusagen wortlichen für den Polizeieinsatz an der und behindern somit eine erste Hilfe. bewusst einen Menschen vor sich her- Sternschanze gestellt, zu deren Unter- Die herbeigerufene Feuerwehr kommt jagt, ihn vorsätzlich überfährt oder das stützung 1.500 Unterschriften gesammelt erst nach ca. 1/4 Stunde ...“ (Aus einem Überfahren auch nur in Kauf nimmt“, wurden“ (So damals der EA Berlin). Gedächtnisprotokoll). formulierte Hessens Innenminister Win- (Hierzu wirklich sehr empfehlenswert: terstein (SPD) die offizielle Lesart bereits Berlin, 22. September 1981: abgeräumt? 8 Häuser geräumt ... Klaus- eine Woche, nachdem Günter von dem Klaus-Jürgen Rattay Jürgen Rattay tot. Eine Dokumentation. Wasserwerfer überrollt worden war. EA Berlin; http://new.squat.net/archiv/ Das juristische Verfahren um den Klaus-Jürgen Rattay schloss sich berlin/22.9.81/) Günters Tod endete im November 1990 1980 der Berliner HausbesetzerInnensze- in zweiter Instanz vor dem Landgericht ne an. Im Rahmen einer Demonstration, „Deutsche Polizisten ... Frankfurt, das die Besatzung des Wasser- die gegen die Räumung von acht besetz- Mörder und Faschisten“ werfers vom Vorwurf der fahrlässigen Tö- ten Häusern protestierte („Lummerland tung freisprach. Dem Urteil zufolge hatte ist abgebrannt“), geriet der vermummte Am 28. September 1985 hatten Günter vor dem Unfall Alkohol und Ha- Klaus-Jürgen am 22. September 1981 sich im Haus Gallus an der Franken- schisch konsumiert und deshalb die Be- auf die Fahrbahn, wurde von einem Bus allee in Frankfurt um die 70 Anhänger drohung durch den Wasserwerfer falsch der BVG erfasst, zu Boden geworfen und der rechtsradikalen NPD zu einer poli- eingeschätzt. (Quelle: http://linksunten. tödlich verletzt. tischen Kundgebung versammelt. Aus- indymedia.org/de/node/5966) „Am Nachmittag kam es vor dem gerechnet im multikulturellen Gallus! geräumten Haus in der Bülowstraße zu Nachmittags veranstalteten Antifaschist­ Wackersdorf einer Ansammlung von Demonstranten, Innen, NPD-Gegner, Stadtteilpartei- als Lummer die Dreistigkeit besaß, in en und Migrantengruppen im Hof ei- Die WAA Wackersdorf war eines der Siegerpose dort aufzutreten. Sprechchöre ner Schule ein deutsch-ausländisches politisch umstrittensten Bauprojekte der

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1980er Jahre in der Bundesrepublik. gehörte Conny. Die starke linksradikale als „terroristische Vereinigung“ angese- Dabei kamen im Rahmen der Polizei- Szene in der Stadt mobilisierte beim Auf- hen und ist mit einem Betätigungsver- einsätze zwei einheimische Bürger, die treten von Rechtsradikalen Unterstützung bot belegt. Der SEK-Beamte wurde 1997 Rentnerin Erna Sielka (2. März 1986), häufig über organisierte Telefonketten. nach einem mehr als skandalösen Verfah- die während eines Einsatzes der Polizei Die Antifa-Gruppe, zu der die aus Lin- ren freigesprochen. einen Herzinfarkt erlitt, und der 38-jäh- gen stammende Conny gehörte, hatte „Das Gericht billigte dem Angeklag- rige Alois Sonnleitner (31. März 1986), die Neonazis, die von der Polizei zu ei- ten zu, daß er in dieser Streß-Situation, der den Folgen eines Asthmaanfalls in- ner Bushaltestelle begleitet und aus der in der er einen unbewaffneten 16jährigen folge eines CS-Gas-Einsatzes erlag, ums Stadt verwiesen worden waren, schon Plakatekleber festhalten und gleichzei- Leben. nicht mehr angetroffen, wurde aber ihrer- tig seine herausgefallene Waffe holstern Bei den folgenden Demonstrationen seits von der Polizei observiert und durch wollte, ,deutlich überfordert’ gewesen an Pfingsten 1986 eskalierte die Gewalt die Stadt verfolgt. In einer Stichstraße sei. Der Angeklagte habe den Schuß un- auf dem Baugelände, als Polizeihub- hinter dem Iduna-Zentrum an der Ween- ter Streß in einer außergewöhnlichen Si- schrauber Gasgranaten über der demons- der Landstraße wollte die Gruppe sich tuation unabsichtlich abgegeben. Bloße trierenden Menschenmenge abwarfen eigentlich auflösen, um getrennt nach Unvorsichtigkeit sei keine Fahrlässigkeit. und militante Autonome zwei Polizei- Hause zu gehen, wurde dort aber bereits Die Situation sei so dramatisch zuge- fahrzeuge in Brand steckten. Insgesamt von einem Zivilstreifenwagen erwartet. spitzt gewesen, ,daß auch ein ausgebil- wurden an den Pfingstfeiertagen 1986 Conny floh auf die stark befahrene Ween- deter SEK-Beamter sie nicht in den Griff auf beiden Seiten mehrere hundert Per- der Landstraße, wo sie von einem Auto bekommt’, urteilte das Gericht über die sonen verletzt. erfasst wurde und starb. ,Fähigkeiten’ der besonders geschulten Am 7. Juni 1986 kam es bei einer Seither machen viele die Polizei für Polizisten des Spezialeinsatzkommandos. nicht genehmigten Demonstration am Connys Tod verantwortlich, weil diese Die Grundlage für diese Argumentati- Bauzaun erneut zu schweren Auseinan- durch ihre überraschende und überflüs- on lieferte das Gutachten eines für das dersetzungen zwischen 30.000 Demons- sige Aktion in dem engen Durchgang die SEK tätigen Unfallforschers und Sachver- tranten und den rund 3000 eingesetzten Studentin quasi in den Tod getrieben ständigen für Sensomotorik, obwohl ein Polizisten. Etwa 400 Personen wurden habe. Viele Genossinnen und Genossen Schußwaffensachverständiger auf Grund- verletzt, mindestens 50 mussten ärztlich verstehen ihren Tod sogar als politischen lage eines eigens durchgeführten Experi- versorgt werden. Mit Blendschockgrana- Mord durch den Staat: Im von Antifa- ments eine unwillkürliche Schußabgabe ten und so genannten Gummischrotge- schistInnen aufgenommenen und später unter solchen Umständen nach mensch- schossen wurden der Polizei im Sommer öffentlich dokumentierten Polizeifunk lichem Ermessen für ausgeschlossen 1986 von der Staatsregierung neue Mit- hatten Polizeibeamte sich dazu verabre- hält. Immerhin muß bei der Schußabga- tel bei Einsätzen gegen demonstrieren- det, die Gruppe, der Conny angehörte, so be mit dem benutzten Revolver ein ho- de Bürgerinnen und Bürger an die Hand wörtlich „plattzumachen“. her, kraftaufwendiger Abzugswiderstand gegeben. In einem Interview des NDR-Fern- von 4,3 kg überwunden werden, um ei- Für Schlagzeilen sorgte auch der Ein- sehens erklärte der damalige leitende nen Schuß aus der nicht vorgespannten satz Berliner Polizeieinheiten am 10. Ok- Göttinger Staatsanwalt Jabel später, Waffe auszulösen. Wie der Angeklagte tober 1987, bei dem zahlreiche Demons- „plattmachen“ sei Polizeijargon für eine die Waffe aufgenommen habe und die tranten zum Teil schwer verletzt wurden. Personalienfeststellung, bei der Verdäch- Schußabgabe tatsächlich erfolgte, konn- (Empfehlenswerte Broschüre der Auto- tige gezwungen würden, sich flach auf te im Verfahren nicht geklärt werden.“ nomen Demosanis: http://www.nadir.org/ den Boden zu legen! Bei den offiziellen (Verkehrte Gerichtswelt – Freispruch im nadir/initiativ/sanis/archiv/cs/kap_00.htm Untersuchungen wurde dann weder ein Halim-Dener-Prozess. Anmerkungen zu weiterhin siehe auch: http://www.nadir. Verschulden von Polizeibeamten noch einem denkwürdigen Strafprozeß wegen org/nadir/initiativ/sanis/archiv/index.htm) des Autofahrers festgestellt, weil dieser des polizeilichen Todesschusses auf Ha- nicht mehr rechtzeitig hätte ausweichen lim Dener von RA Rolf Gössner, siehe: „Plattmachen!“ können. http://www.infopartisan.net/archive/kur- Lesenswert: http://blog.deklein. denverfolgung/099.html) Kornelia „Conny“ Wessmann kam am de/wp-content/uploads/2009/11/ 17. November 1989 als 24-Jährige in Brosch%C3%BCre-zum-17.11.1989.pdf Göttingen am Rande eines Polizeieinsat- zes bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Tod wegen Plakatierens – • Weiterführende Links: An der Stelle, an der sie getötet wurde, Halim Dener Tip: http://linksunten.indymedia.org/de/ steht heute ein Denkmal. node/5966 An jenem Tage hatten Nazi-Skins in Halim Dener wurde am 29. Juni Tip: http://zinelibrary.info der Göttinger Burgstraße randaliert. Da- 1997 von dem SEK-Beamten Klaus T. Tip: http://www.sooderso.net/ raufhin waren Linke, aber auch eher un- mit einem Schuss in den Rücken getötet, Tip: http://libertad.de politische, gegen Neonazis und Rassisten als er beim Plakatieren von Plakaten der Tip: http://www.bewegung.in/ empörte junge Leute in verschiedenen „Nationalen Befreiungsfront Kurdistans“ Gruppen in die Göttinger Innenstadt auf- (ERNK), die als Nebenorganisation der Viele schöne Originale aus den Antire- gebrochen, um sich den Faschisten ent- „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) gilt, pressionsstrukturen der 1970er Jahre gegenzustellen. Zu einer dieser Gruppen erwischt wurde. Die PKK wird in der BRD unter: http://www.kulturhof.org/blues/

DIE ROTE HILFE 1/2011 31 Schwerpunkt bericht zu meiner verhaftung in frankfurt/main am 9. juni 1979

Rolf Heißler autoschlüsseln. dann entwaffneten sie der operation nicht abgenommen werden. mich, das heißt sie zogen meinen revol- jegliche schmerz- und schlafmittel habe nach dem einkauf von zeitungen und ver, der im innenholster am hosenbund ich abgelehnt. ich hing am tropf (ein an- brötchen (und ohne seit wochen „obser- steckte, heraus, entnahmen der jacken- tibiotikum) und war in einem ständigen viert“ worden zu sein) kam ich – ohne tasche die ersatzmunition und legten mir dämmerzustand. sonderlich auf meine umgebung zu ach- handschellen um. von ihren gesprächen am morgen des 10.6. wurde noch ten – kurz nach 8 uhr vor der textorstraße ist mir nur noch der spruch „2 cm weiter mein rechtes auge untersucht, verletzung 79 an. als ich den wohnungsschlüssel rechts – dann hätten wir das ganze pro- dessen aderhaut mit starker herabsetzung aus dem briefkasten, der in der untersten blem nicht“ (der auch im krankenhaus des sehvermögens, das heißt so gut wie reihe liegt, holte, fiel mir auf, dass der ein-, zweimal fiel) und, daß sie sich auf blind, sehvermögen 1 zu 100, inopera- briefkasten ein stück mehr als üblich eine längere zeit des wartens eingestellt bel, wie ich später erfuhr. gegen mittag aufgebogen war und der briefumschlag, hatten, in erinnerung. wurde ich nach straubing geflogen. sechs in dem der schlüssel war, anders als nor- nach vielleicht zehn minuten kamen mann waren dabei: zwei mann besatzung, malerweise von uns hinterlassen im brief- weißkittel, die mir einen provisorischen ein normaler grüner, pelke vom bka und kasten lag, auch fester zugeklebt war als verband anlegten und mit mir anschlie- zwei zivile, zusätzlich zwei maschinen- sonst. trotzdem dachte ich mir außer „na ßend in die uniklinik fuhren. im röntgen- pistolen. wir landeten auf dem sportfeld ja, kann ja vorkommen“ nichts dabei. um raum wurden mir meine klamotten vom vorm straubinger knast, wo ich von der den briefkasten wieder zuzumachen – er leib geschnitten und wurde meine arm- anstaltsleitung empfangen wurde. ich klemmte kurz und leicht –, kniete ich banduhr mit gewalt (habe mich dagegen kam auf die krankenstation (dreifaches mich kurz hin. gewehrt) vom arm gerissen. gitter, rechts und links die zellen frei), In der linken hand das couvert und das röntgen habe ich genehmigt, die habe jegliche behandlung durch den an- die tasche mit den dicken sonnabend- tomographische untersuchung des ge- staltsarzt abgelehnt – ich hatte schon zeitungen ging ich im erdgeschoß links hirns wie die notwendige operation abge- einschlägige erfahrung mit ihm, zwangs- in den flur zu dem appartement 2. als lehnt, bevor ich nicht mit meinem anwalt ernährung während des hs (1) 74/75 zum ich die wie üblich verschlossene tür auf- gesprochen habe. den versuch der abnah- beispiel – und die sofortige zusammen- geschlossen hatte, sah ich zwei oder drei me von prints und des machens von fotos legung mit bernd (rößner) und knut (fol- typen im vorraum, von denen einer in habe ich erfolgreich abgewehrt. nach ei- kerts) verlangt. der mitte mit dem rücken zur wand und ner halben stunde jedoch kamen sie mit trotz meines gesundheitszustands – ausgestrecktem arm mit der waffe in der knebelketten wieder. sie zogen sie so fest gleichgewichtsstörungen, konzentrati- hand stand und aus einem meter entfer- an, dass ich vor schmerzen geschrieen onsmängel, beeinträchtigung des seh- nung auf mich zielte. vermutlich bin ich habe und die kopfwunde wieder zu blu- vermögens und so weiter – wurden über in dem moment spontan einen schritt ten angefangen hat. während der ganzen die gesamte haftdauer alle anträge auf seitlich zurückgewichen und habe in­ prozedur (der eine arm angekettet an der beiziehung von ärzten meines vertrauens stinktiv den kopf nach links (von mir aus) bahre, der andere in der knebelkette) hat abgelehnt. abgewandt. zugleich riß ich mir, wie ich ein typ mich fotographiert. später den akten entnahm, die tasche nachdem sie mir auf den kopf zuge- mit den zeitungen vor mein gesicht. eine sagt haben, wer ich bin, habe ich ihnen (1) Hungerstreik eigene erinnerung daran habe ich nicht. gegen 11 uhr gesagt, welche anwälte sie meiner schnellen reaktion verdanke ich ranschaffen sollen. staatsanwalt dörf- mein überleben. denn im selben moment ler von der baw habe ich gegen 14 uhr hatte der eine typ einmal geschossen und noch einmal gesagt, daß die verzögerung, Rolf Heißler: etwa gleichzeitig ein anderer „polizei“ einen anwalt ranzuschaffen, die verzö- gerufen. getroffen fiel ich sofort um und gerung der notwendigen operation be- Organisiert in der Bewegung 2.Juni, lag bewegungsunfähig am boden. deutet, dass baw und bka verantwortlich 1972 zu einer sechsjährigen Haftstrafe die zeit zwischen erkennen der situ- sind, wenn ich deswegen sterbe. verurteilt. 1976 gegen den entführten ation und reagieren können war zu kurz, am spätnachmittag wurde im beisein CDU-Vorsitzenden von Berlin, Peter als dass ich überhaupt nach meiner waffe meines unterdessen anwesenden anwalts Lorenz, ausgetauscht. 1979 bei sei- hätte greifen können. eine tomographie meines schädels ge- ner Verhaftung in Frankfurt am Main in trotz dieses totalen knalls vorm/im macht. daraus ergab sich, daß das pro- den Kopf geschossen und lebensgefähr- kopf war ich die ganze zeit bei bewußt- jektil im schläfenmuskel steckte, das lich verletzt. 1982 wegen angeblichen sein und konnte mit dem linken auge gehirn nicht beschädigt war. die operati- Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. noch sehen. sie durchsuchten mich, on fand unter vollnarkose und mit hand- 2001 aus der Haft entlassen. ihr hauptinteresse galt eventuellen schellen statt, sie durften selbst während

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Die Schüsse von Bad Kleinen

Wolfgang Grams, ein Spitzel und das Ende der RAF

red.radical [d] ■■ Durch die Medienberichte in den Ta- gen nach der Staatsschutzaktion wird schnell klar: Das war keine Zufallsverhaf- tung, das war von langer Hand geplant. 27.Juni 1993. Bad Kleinen, Wie heute bekannt ist, waren mindes- Mecklenburg-Vorpommern. tens 56 Beamte von BKA, Bundesanwalt- Bei einer lange vorbereiteten schaft (BAW) und der paramilitärischen Staatsschutzaktion werden Polizeigruppe GSG 9 an der Festnahme- durch den Verrat des aktion vor Ort beteiligt. Immer wieder ist Verfassungsschutzagenten dann auch von einem „dritten Mann“ (1) Klaus Steinmetz die Genossin die Rede, der in Begleitung von Wolfgang Birgit Hogefeld aus der und Birgit war, aber angeblich entkom- Rote Armee Fraktion (RAF) men konnte und nicht festgenommen verhaftet und der Genosse wurde. Erst der in der „tageszeitung“ vom Wolfgang Grams (RAF) durch 29. Juni 1993 veröffentlichte Anruf von einen Kopfschuss getötet. Birgit bei ihrer Mutter „Klaus aus Wies- Die umgehend verbreitete baden wurde verhaftet, besorgt ihm einen regierungsamtliche Version Anwalt“ bestätigt den Anfangsverdacht Wolfgang Grams zum Tod von Wolfgang ist und lässt die schlimmsten Befürch- die eines Selbstmordes. tungen Realität werden: Die Aktion am öffentlichen Druck zu machen hätte be- Doch mindestens zwei Bahnhof war eine Falle, Birgit und Wolf- inhaltet, die Tatsache des Verrats und ZeugInnen widersprechen gang wurden verraten. Denn der angeb- der geheimdienstlichen Unterwanderung unabhängig voneinander lich entkommene „dritte Mann“ war der ohne Umschweife zu benennen und so- dieser Version: „Nach ewig vermeintliche Genosse Klaus Steinmetz. mit die staatlichen Stellen unter öffent- langen 20 Sekunden ist dann Aber er ist nicht entkommen, sondern lichen Zugzwang zu setzen. In politisch der tödliche Schuss gefallen. wurde von der Polizei laufen gelassen, unverantwortlicher Weise wurde dagegen Ein Kollege von der GSG9 um wieder an die RAF zu kommen und der Spitzel so lange gegeneinander und hat aus einer Entfernung von so weitere militärische Schläge gegen die untereinander gedeckt (,weil nicht sein Maximum fünf Zentimetern Guerilla zu ermöglichen. Steinmetz hatte darf, was nicht sein kann‘), bis sich der gefeuert.“ So schilderte sich in politischen Zusammenhängen der Bullenapparat in seiner Version einigen ein anonymer Zeuge des revolutionären Linken bewegt und seit konnte. Heute wird diese Behauptung Bundeskriminalamts (BKA) mindestens 1986 für den Verfassungs- seitens der Regierung wie eine Staats- kurz nach den Ereignissen schutz gearbeitet. Er hatte Kontakt zur doktrin gehandhabt. Die Selbsttötung von von Bad Kleinen seine RAF und hat Wolfgang und Birgit in Bad Wolfgang Grams ist in Amt und Würden.“ Beobachtungen dem Kleinen ans Messer geliefert. (Aus einem Papier zum Prozessauftakt Nachrichtenmagazin „Der Die Umstände des Todes von Wolf- 1994 gegen Birgit Hogefeld, von „Kein Spiegel“. Die Verkäuferin gang Grams auf den Gleisen von Bad Friede“). eines Kiosks auf dem Kleinen führte zur annähernd größten Am 29. Juni 1993 wurden von den Bahnsteig berichtete von staatlichen Legitimationskrise im Zu- Behörden folgende Untersuchungsaufträ- einem ähnlichen Ablauf: sammenhang mit der RAF seit 1977 ge erteilt: zum einen an die Universität Demnach feuerten zwei (Entführung des damaligen Arbeitgeber- Münster. Dort sollte eine serologische Beamte der GSG9 aus präsidenten Schleyer, die Todesnacht Untersuchung der Waffen und Geschoss- nächster Nähe auf den bereits in Stammheim am 18. Oktober 1977). teile vorgenommen werden. Zum ande- reglos auf den Bahngleisen Innenminister Seiters trat zurück, Gene- ren an den Wissenschaftlichen Dienst Liegenden, ein weiterer ralbundesanwalt von Stahl wurde entlas- der Stadtpolizei Zürich (WD). Er sollte hinzutretender Polizist tötete sen. Doch die radikale und revolutionäre prüfen, aus welcher Entfernung die töd- Wolfgang Grams mit einem Linke konnte diesen Moment der Schwä- liche Kugel auf Wolfgang Grams abge- aufgesetzten Kopfschuss. che politisch nicht nutzen. „Im krassen geben wurde und mit welcher Waffe und Gegensatz dazu stand das nahezu voll- welcher Munition. Der WD Zürich wurde ständige Schweigen der in den Verrats- bereits nach der Todesnacht von Stamm- fall Steinmetz involvierten Struktur der heim 1977 beauftragt, die (Selbst-)Mor- revolutionären Linken. Aufzuklären und de von Andreas Baader, Gudrun Ensslin

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und Jan-Carl Raspe zu untersuchen und natürlich entsprechend zu bestätigen. Chile 1973 Das Abschlussgutachten zu Bad Kleinen kam dann auch hier erwartungsgemäß zu der Erkenntnis, dass sich Wolfgang Militärputsch gegen Bodenreform und Umverteilung Grams selbst erschossen hat. Im Ab- schlussbericht der Bundesregierung wird den beteiligten Beamten „Ernsthaftigkeit ihres Bemühens um Aufklärung“ attes- Emil für seinen Erfolg nur 36,6 Prozent der tiert und stellt ebenfalls fest, Wolfgang Stimmen ausreichten. Grams habe sich selbst „möglicherweise Sein Ziel waren Reformen, die den noch während der Schüsse der Beamten Weg zum Sozialismus öffnen sollten. In in Suizidabsicht einen Kopfdurchschuß“ Was ist am 11. September diesem Sinne handelte er im Rahmen versetzt. Die vorliegenden Zeugenaussa- 1973 in Chile geschehen? der bestehenden gesetzlichen Ordnung. gen seien damit „ohne Beweiswert“. Alle Diese wurde allerdings, im Rahmen des (Un-)klarheiten waren damit beseitigt, Warum hat dieser jedem Gesetz innewohnenden Ermes- die Schüsse am Bahnhof von Bad Klei- „11. September“, viele Jahre sensspielraums, zugunsten der unteren nen und die Umstände des Todes von vor 9/11 in den USA, die Welt Klassen ausgelegt. Das Regieren gestal- Wolfgang hatten ein amtliches Siegel. tete sich nicht einfach, da die Unidad Wer anderes behauptet, wird wegen Ver- so berührt? In Chile meinen Popular bei Parlamentswahlen nur gute leumdung der Bundesrepublik Deutsch- Einige, sie hätten damals den 40 Prozent der Stimmen erzielte. Das land strafrechtlich verfolgt. ersten Stein aus der Berliner machte die Suche nach Verbündeten Weder die RAF noch die revolutionä- notwendig. Dies wurde mit der Zeit im- re Linke haben sich von dieser Staats- Mauer gezogen. Doch das mer schwieriger, da die Christdemokratie schutzaktion erholt, nach dem 27. Juni ist eine ziemlich skurrile sich wieder mit der Rechten verbündete. 1993 hat die RAF nicht mehr bewaffnet Trotzdem konnte diese Regierung Erfol- Ansicht. Menschen rund um interveniert. Bad Kleinen war der Anfang ge erzielen. Unter anderem wurden die vom Ende der Rote Armee Fraktion und den Erdball verbinden mit Landreform beschleunigt und die Kup- damit das vorläufige Ende revolutionärer diesem Datum einen blutigen ferminen verstaatlicht. Die bekannteste Politik in der BRD. In einer Erklärung Maßnahme Allendes ist aber der tägliche Militärputsch. Er beendete zum Komplex Steinmetz und zur Neu- halbe Liter Milch für jedes Kind. orientierung revolutionärer Politik in der den Versuch von chilenischen Diese Politik konnte den kapitalis- BRD schrieb die RAF: „wir haben mehr Sozialisten und Kommunisten, tischen Industriestaaten nicht gefallen. fragen als antworten“ – das bleibt unwi- Sie taten alles, um seinen Wahlsieg zu in ihrem Land eine gerechtere dersprochen … bis heute. verhindern und, als das nicht klappte, Gesellschaft zu errichten. seine Regierung zu stürzen. Dazu verbün- „Leben. Wie ein Baum, einzeln und frei deten sie sich mit der lokalen Bourgeoi- und brüderlich wie ein Wald, se. Der relativ lange Zeitraum zwischen diese Sehnsucht ist unser!“ der Wahl Allendes und dem Staatsstreich Inschrift auf dem Grab von Wolfgang, liegt darin, dass die Rechte erst eine vom türkischen Dichter Nâzžm Hikmet ■■ Die Gründe für den Staatsstreich be- Mehrheit der Gesellschaft von der Not- schreibt die Politikwissenschaft heute wendigkeit einer militärischen Aktion so: „Die Ursachen für das Scheitern der überzeugen musste. Das betraf vor al- (1) In der vorherrschend männlichen Definitions- Demokratie sind jedoch wesentlich in der lem die Führung und Anhängerschaft der macht der bürgerlichen Medien wird die Genossin Birgit damit ebenfalls zum Mann gemacht – als Aufkündigung des Elitenkompromisses Christdemokratie. Die Abgeordneten die- Frau, als kämpfende Revolutionärin wird sie nicht zu finden, die Besitzverhältnisse auf dem ser Partei hatten es 1970 in der Hand, ob wahrgenommen. Land – und damit die Machtbasis der Allende oder der Kandidat der Rechten Rechten – nicht anzutasten.“ (1) Die- das Mandat erhält. Damals votierten sie • Weiterführende Links ser „Elitenkompromiß“ wurde durchaus noch für Allende. ● Die Wochen nach Bad Kleinen – mit Hilfe der Linken aufgekündigt, die Ein weiterer Grund für die lange eine Chronologie: Initiative ging aber von der politischen Vorbereitungszeit ist die politische Zu- http://redradical.blogsport.de/guerilla Mitte aus. Die Christdemokratie hatte, sammensetzung des Offizierskorps'. Es ● „Bad Kleinen und die Erschießung mit sozialistischer und kommunistischer wies eine starke demokratische Strömung von Wolfgang Grams“ (das Buch Unterstützung, eine Landreform begon- auf. Zu ihrem Berufsethos gehörte die als Webfassung): nen. Wegen der dadurch verursachten Loyalität zum jeweiligen Präsidenten. http://www.nadir.org/nadir/archiv/ Spaltung des bürgerlichen Lagers konnte Der bekannteste Vertreter dieser Rich- Repression/bad_kleinen Salvador Allende als Kandidat der Uni- tung ist Carlos Prats. Der damalige Ober- ● Webvideos zu Wolfgang dad Popular (Volkseinheit) die Wahl von kommandierende der Streitkräfte wurde Grams und Bad Kleinen: 1970 mit relativer Mehrheit gewinnen. später von Agenten des Regimes in Bu- http://wn.com/Wolfgang_Grams Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass enos Aires ermordet. Die zur Meuterei

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Direkt nach dem Putsch geht das Militär gegen Anhänger der gestürzten Regierung vor.

entschlossenen Kräfte in der Armee mussten als erstes die Demokraten aus den entscheidenden Positionen der mili- tärischen Hierarchie verdrängen. Im Falle von General Prats geschah das durch ein Kesseltreiben durch die Damen der Ober- schicht auf den Straßen Santiagos. Bei einer dieser Attacken zog er seine Pisto- le, was zu seinem Rücktritt führte. Nun war der Weg frei für Pinochet. Am Morgen des 11. September 1973 erhob sich die Armee. Luis Corvalán, der damalige Generalsekretär der chi- Die Militär-Junta kurz nach der Machtübernahme im September 1973. lenischen KP, beschreibt den Vorgang so: „Aber der Feind (...) wusste dass ist nicht verkehrt und kann mit zahllo- Propagandakampagne auf den Leim zu die Kräfteverhältnisse nicht zu unseren sen Berichten der Flüchtlinge untermau- gehen. Um diesen doch etwas ungewöhn- Gunsten standen und kannte, was wir ert werden. Dazu gibt es einige Zitate lichen Standpunkt zu erläutern muss hatten und was wir machen konnten um von Militärs, die mit diesem Blickwinkel etwas weiter ausgeholt werden. Bei ei- einer Situation wie der beschriebenen harmonieren. Am bekanntesten ist diese nem Blick in die Vergangenheit darf man entgegenzutreten, deshalb plante und Stellungnahme Pinochets: „Man sagt, nicht vergessen, dass damals ein mar- realisierte er einen fulminanten Schlag, dass Demokratie hin und wieder in Blut xistischer Präsident in einem lateiname- wie der Blitzkrieg Hitlers, entladend all gebadet werden muss, damit sie weiter- rikanischen Land ein absolutes Novum seine Kraft des Feuerns und des Ter- hin eine Demokratie sein kann!“ (3) darstellte. Schließlich betrachten die rors.“ (2) Innerhalb weniger Stunden war Wie gesagt, es ist nicht falsch bei der USA diese Gegend traditionell als ihren die linke Volksbewegung nieder gewor- Betrachtung des Putsches seine Augen Hinterhof. Selbst kleine Unbotmäßig- fen. Allende starb in den Trümmern des nur auf die Gewaltanwendung zu richten. keiten von liberalen Regierungen waren Regierungspalastes. Es ist aber aus zwei Gründen problema- schon Auslöser für Interventionen. Heute, tisch. Einerseits übersieht man leicht, wo Staatschefs wie Hugo Chávez oder Evo Problematische Opferperspektive was sich zur gleichen Zeit an anderen Morales fast schon zum Alltag gehören, Orten der Gesellschaft ereignete. So hat gerät dies leicht in Vergessenheit. Aber Es ist gar nicht so einfach das, was zum Beispiel die Mehrheit der Chilenen damals war dies fortschrittlichen Men- damals geschah, heutigen Lesern in den Beginn der Diktatur gerade nicht als schen auf der ganzen Welt klar. Daher Deutschland zu erläutern. Man könnte Gemetzel erlebt. Das hat politische Fol- blickten sie mit großem Interesse auf fortsetzen, was Linke in den Jahren nach gen, die noch heute wirksam sind. Allendes Versuch eines friedlichen Weges 1973 taten: den Blickwinkel der Verhaf- Andererseits läuft man bei der Schil- zum Sozialismus. teten und Gefolterten einnehmen. Das derung der Verbrechen Gefahr, einer Daraus ergab sich für die Bourgeoisie

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Kundgebung von Allende-AnhängerInnen im Wahlkampf 1970.

die Aufgabe, seinen Sturz als abschre- und Universitäten, durchkämmten sie auf Bewegung der Revolutionären Linken ckendes Beispiel zu organisieren. Mögli- der Suche nach linker Literatur und Waf- (MIR), bewaffneten Widerstand leisten. chen Nachahmern sollte gezeigt werden, fen, und nahmen alle Verdächtigen mit. Laut dem Informe Rettig (4), dem Be- was ihnen droht, wenn sie die demokra- Sie wurden unterstützt von Zivilisten, die richt der chilenischen Wahrheitskommis- tischen Institutionen ihres Landes auf den Offizieren die Aktivisten der Volks- sion, brachte das Militär bis März 1978 eine ähnliche Art und Weise nutzen soll- bewegung zeigten. Bei Widerstand wurde mindestens 2443 Menschen um. Bei ten. Das vorhandene Kräfteverhältnis in rücksichtslos von der Waffe Gebrauch weiteren 127 Toten können die Urheber Chile selbst machte das Eingreifen der gemacht. der Tat nicht mehr ermittelt werden. Von Militärs eigentlich nicht erforderlich. Ein In dieser Zeit kommt es ansatzwei- den Toten, die eindeutig auf das Konto Einheitskandidat der Opposition bei der se zu so etwas wie einer unspezifischen der neuen Regierung gehen, zählen 1160 folgenden Wahl hätte die Unidad Popular Massenrepression. Es wurden so viele zu den Verhaftet-Verschwundenen. Die sofort aus der Regierung verdrängt. Menschen verhaftet, dass man Fuß- große Mehrheit der Opfer starb bis zum Doch die Bourgeoisie und ihre bür- ballstadien in Konzentrationslager um- Ende des Jahres 1973. Für diesen Zeit- gerlichen Anhänger entschieden sich für wandelte. Hier kommt es zu grausamen raum hat die Kommission den Tod von politischen Mord. Im Gegensatz zu ih- Misshandlungen. Viele Gefangene werden 1674 Personen festgestellt. Diese Ziffern ren Sonntagsreden von Demokratie und ermordet. Doch nach Abschluss dieser sind im Zusammenhang mit Chiles dama- Gewaltfreiheit riefen sie das Militär. In Phase wird die Gewalt nur noch gezielt liger Bevölkerung von etwa zehn Millio- den frühen Morgenstunden des 11. Sep- gegen Menschen angewendet, die ver- nen Einwohnern ziemlich hoch. tember besetzte die Armee das Land. suchen linke Organisationen im Unter- Doch nicht in allen Teilen des Landes Soldaten umstellten Stadtteile, Fabriken grund weiterzuführen oder die, wie die gehen die lokalen Befehlshaber mit der

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von der Führung gewünschten Brutalität nach. Man kann sich vorstellen, welche Rettig ermittelten 1674 Toten, stimmt in vor. In der Region Atacama, um nur ein psychischen Folgen die Ermordung von etwa die Größenordnung. In der gleichen Beispiel zu nennen, sind bis zum 17. Ok- Manuel Cortázar bei seinen Angehörigen Schrift schreibt amnesty von einem „in- tober keine Todesopfer zu beklagen. Da- ausgelöst hat. Das betrifft die meisten offiziellen Hinweis“ aus dem nordameri- mit erzielt man keine abschreckende Wir- Familien, die Tote zu beklagen haben. kanischen Außenministerium. Danach kung. Deshalb entsendet die Militärjunta Das älteste Opfer in Copiapó war der lag die Zahl der Opfer bis Ende 1973 bei Offiziere mit Sondervollmachten in diese 43-jährige Ricardo Garcia, Direktor der etwa 10.000. Teile des Landes. Die Rundreise einer verstaatlichten Kupfermine El Salvador. Heute kann man sagen, dass dieser dieser Kommissionen ist als Karavane Der Kommunist war außerdem Mitarbei- Hinweis eine Lüge war. Daher muss ge- des Todes in die Geschichte eingegan- ter der CEPAL, einer UN-Organisation für fragt werden, was mit dieser falschen gen. Sie trifft am Abend des 16. Oktober Lateinamerika. Er wurde zwei Tage nach Zahl bezweckt wurde. Es liegt nahe, dass in Copiapó ein und nimmt am folgenden dem Staatsstreich festgenommen. Nach es sich hier um ein Element der psycho- Tag ihre Arbeit auf. Der Informe Rettig Ankunft der Karawane des Todes „verur- logischen Kriegsführung gegen die in- beschreibt was geschah: „An diesem Tag teilte“ ihn ein Kriegsgericht zum Tode. ternationale Linke handelt. Schließlich und dem folgenden wurden 16 Gefange- Die Qualität des Verfahrens illustriert steigt mit der Zahl der Toten die abschre- ne exekutiert, deren Tod wurde als Folge die Aussage des Rechtsanwaltes, den ckende Wirkung: Bei der schließlich ver- von Schusswaffengebrauch erklärt der seine Frau engagiert hatte: „Man gibt mir breiteten Zahl von 30.000 Ermordeten notwendig war um eine Flucht zu ver- Stunden und Tage zur Verteidigung von muss der Kreis der Opfer weit über die hindern oder dem Vollzug einer Strafe Kriminellen und für ihren Ehemann gab aktiven Linken hinausgehen. Es kann eines Kriegsgerichtes. Für die Komission man mir nicht einmal eine Minute.“ (5) jeden treffen und nicht nur den Kreis der erwies sich keine der zwei Versionen als Vom gleichen „Gericht“ wurde auch wichtigen Kader. Wird dieser Eindruck glaubhaft noch als gerechtfertigt.“ Francisco Lira zum Tode verurteilt. Er im Bewusstsein der Bevölkerungsmehr- war Personalchef der Kupfermine. Doch heit verankert, ist die Linke isoliert. Die Rache an der Stimme der Linken obwohl auch er sich in den Händen der Menschen werden aus Angst vermeiden Militärs befand hat er überlebt: „Durch sich mit ihr einzulassen. Betrachtet man die vorliegenden eine befreundete Hand wurde er aus dem Trotz dieser Ambivalenz darf der Mi- Informationen über die in Copiapó Er- Gefängnis gerettet.“ litärputsch in Chile und die ihm vorange- mordeten, kann man auf Seiten der gangene Zeit der Unidad Popular nicht Putschisten ein durchdachtes und ziel- Höhere Opferzahlen, größere Angst dem Vergessen anheim gegeben werden. gerichtetes Handeln erkennen. Ziel ist Schließlich haben viele Anhänger der das Ausschalten des intellektuellen Po- Diese harte und brutale Verfolgung bürgerlichen Demokratie in diesen Aus- tenzials der linken Bewegung. Die große traf die chilenische Linke relativ unvor- einandersetzungen ihren Offenbarungs- Mehrheit der Opfer übte vor Ort wichtige bereitet. In ihrem Bewusstsein war Chile eid geleistet. Sie haben gezeigt, dass sie Leitungsfunktionen in Parteien, Gewerk- eine gefestigte Demokratie mit Jahrzehn- sich nur dann an demokratische Grund- schaften oder sozialen Bewegungen aus. te alter Tradition. Sie sahen den Putsch sätze halten, wenn sie ihre Interessen Aber sogar hier, einen guten Monat nach durchaus kommen, aber rechneten nicht nicht in Gefahr wähnen. Das gilt nicht dem Putsch, lassen die Militärs ihrem mit dieser Gewalt. Das gilt sogar für die nur für Chile. Auch in deutschen Medien Hass freien Lauf. So befindet sich un- Guevarristen des MIR. Sie hielten ei- findet man regelmäßig eine grundsätzli- ter den Toten Jaime Sierra, ein Mode- nen Staatsstreich für unvermeidlich und che Zustimmung zum Staatsstreich. Dort rator von Radio Atacama. Dieser Sender versuchten, sich und ihr Umfeld darauf wird zwar Pinochet wortreich kritisiert, gehörte zur Sozialistischen Partei. Die vorzubereiten. Wie Hernán Vidal nach- das richtet sich aber häufig nur gegen die Ermordung des Direktors dieser Institu- gewiesen hat (6), gingen sie bei ihren übermäßig angewendete Gewalt. Die Zie- tion passt in das Schema der Militärs. Planungen für die Zeit nach dem Putsch le der Militäraktion werden geteilt. Aber ein Sprecher? Die Journalistin Pa- aber von der Fortdauer der Garantien ei- tricia Verdugo berichtet, dass er zu den nes Rechtsstaates aus. dort am stärksten Gefolterten gehörte. Diese schockierenden Erlebnisse An ihm, wie an vielen Anderen, die der machten es möglich, dass nach kurzer Linken Gesicht und Stimme gaben, hat Zeit eine Zahl von 30.000 Opfern für re- die Rechte besonders grausame Rache alistisch gehalten wurde. Selbst amnesty für die drei Jahre der Regierung Allende international verbreitet fünf Jahre später (1) Ingrid Wehr in: Chile heute, Frankfurt/M, 2004, Fußnote S. 383 genommen. diese Schätzung (7). Es ist heute unmög- (2) Luis Corvalán, El Gobierno de Salvador Allende, Das jüngste Opfer in dieser Gegend lich, eine Quelle für diese Angaben aus- Santiago, 2003, S. 257 (3) Chile. Ein Schwarzbuch, Köln, 1974, S. 174 war Manuel Cortázar, ein 20 Jahre alter findig zu machen. Die Militärjunta stand (4) Nunca más en Chile. Síntesis corregida y actua- Schulsprecher, der im Informe Rettig als dazu, während des Putsches etwas mehr lizada del Informe Rettig, Santiago, 1999 Mitglied des MIR geführt wird. Nach dem als 1000 Menschen getötet zu haben (8). (5) Patricia Verdugo, Los zarpazos del Puma, Santia- go, 1989, S. 153 u. 157 Putsch veröffentlichte das Militär lange Amnesty international kalkulierte auf- (6) Hernán Vidal, Precencia del MIR, Santiago, Listen von Personen, die sich den neuen grund ihr vorliegender Informationen die 1999, S. 80 u. 82 (7) chile-koordinationsgruppe für verschwundene Machthabern stellen sollten. Er gehörte Zahl der bis Dezember 1973 Ermorde- düsseldorf, chile, verhaftet... gefoltert... verschwun- zu diesem Personenkreis. Auf Anraten ten auf 2000 Menschen. Vergleicht man den, materialien zur situation der verschwundenen gefangenen, Düsseldorf, 1978 seines Vater kam er der Aufforderung diese Zahl mit den von der Kommision (8) Ein Bericht von amnesty international, 1974

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COINTELPRO – das Counter Intelligence Program des FBI

Ein Programm zum „Ausspionieren und Zerrütten“ von innerstaatlicher Fundamentalopposition in den USA

Brian Glick/Übersetzung: Jürgen Heiser Innern der USA eliminieren. Als tradi- US-Auslandsgeheimdienst CIA weltweit tionelle Repressionsmethoden (Ausspä- berüchtigt ist. hung, offene Schikane und Strafverfol- Aus der Geschichte lernen: gung wegen politischer Delikte) gegen Wie erfuhren wir vom Was war das COINTELPRO? die sich ausbreitende Aufstandsbewe- COINTELPRO? gung scheiterten und sie teilweise sogar ■■ COINTELPRO war ein geheimes Pro- anheizten, nahm das FBI das Gesetz in Das COINTELPRO wurde im März gramm der US-Bundespolizei FBI zur die eigene Hand und ging verdeckt mit 1971 aufgedeckt, als den Medien Ge- Unterminierung der Bewegungen des ge- Betrug und Gewalt vor, um politische heimakten zugespielt wurden, die aus sellschaftlichen Aufbruchs der 1960er Aktivitäten, die eigentlich den Schutz einem (lokalen) FBI-Büro stammten. Jahre. Obwohl der Name als Abkür- der Verfassung genossen, zu sabotieren. Anträge auf Akteneinsicht nach dem zung für „Counterintelligence Program“ Dabei überschritt die US-Bundespoli- Freedom-of-Information-Gesetz, Ge- (deutsch: Programm zur Gegenspiona- zei mit ihren Methoden die Grenzen der richtsverfahren und öffentliche Bekennt- ge) steht, waren nicht etwa ausländische Überwachung bei Weitem und entsprach nisse ehemaliger Agenten führten zur Spione das Ziel. Vielmehr wollte das FBI damit eher einer innerstaatlichen Version Vertiefung der Enthüllungen, bis sich die „radikalpolitische“ Opposition im der verdeckten Aktivitäten, für die der ein Skandal von nationalen Ausmaßen

(Originaldokument des FBI ohne Datum; nach dem Inhalt zu urteilen aber im Zeitraum zwischen 1965 und 1968 verfasst, also nach der Ermordung von Malcolm X am 21. Februar 1965 und vor der Ermordung von Martin Luther King jr. am 4. April 1968)

COINTELPRO – ZIELVORGABEN

Um ein Höchstmaß an Effektivität des Counterintelligence Program zu erreichen und um vergebliche Bemühungen zu vermeiden werden langfris- tige Ziele gesetzt.

1. BÜNDNISSE militanter schwarzer Nationalistengruppen verhindern. Einheit macht stark; eine Binsenweisheit, die trotz ihrer Banalität nichts an Gültigkeit verliert. Ein effektives Bündnis schwarzer Nationalistengruppen könnte der erste Schritt sein zu einem echten „Mau-Mau“ (Schwarze revolutionäre Armee) in Amerika, der Beginn einer wahren schwarzen Revolution. 2. Den AUFSTIEG EINES „MESSIAS“ verhindern, der die militante schwarze nationalistische Bewegung vereinheitlichen und begeistern könnte. Malcolm X hätte ein solcher „Messias“ gewesen sein können; heute ist er der Märtyrer der Bewegung. Martin Luther King, Stokely Carmichael und Elijah Muhammad streben diese Position an. Elijah Muhammad stellt wegen seines Alters keine Bedrohung mehr dar. King könnte dann ein echter Aspirant für diese Position sein, wenn er seinen angeblichen „Gehorsam“ gegenüber „weißen liberalen Glaubensgrundsätzen“ (Gewaltlosigkeit) aufgeben und sich dem schwarzen Nationalismus zuwenden würde. Carmichael verfügt über das notwendige Charisma, um zu einer realen Bedro- hung zu werden. 3. GEWALT auf Seiten der schwarzen nationalistischen Gruppen verhindern. Dies ist von erstrangiger Wichtigkeit und ist natürlich Ziel unserer Ermittlungsarbeit; außerdem sollte es ein Ziel unseres Counterintelligence Program sein, potenzielle Unruhestifter zu lokalisieren und sie zu neu- tralisieren, bevor sie ihr Gewaltpotenzial ausüben können. 4. Militante schwarze nationalistische Gruppen und Anführer daran hindern, RESPEKTABILITÄT zu erlangen, indem sie gegenüber drei separaten Bereichen der Allgemeinheit in Verruf gebracht werden. Das Ziel, schwarze Nationalisten zu diskreditieren, muss taktisch auf dreierlei Weise umge- setzt werden. Sie müssen solche Gruppen und Individuen erstens gegenüber der zuverlässigen Negergemeinde in Verruf bringen. Zweitens müssen

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abzeichnete. Zur Schadensbegrenzung (ihre Gruppen) zu zerrütten. Verschiede- Gegen wen richtete sich das und um die staatliche Legitimität im Ge- ne Methoden zum Erreichen dieses Ziel COINTELPRO hauptsächlich? folge von Vietnamkrieg und der Water- werden weiter unten analysiert. gate-Affäre wiederherzustellen, zwangen 2. Andere Formen irreführender Täu- Die intensivsten Operationen waren der US-Kongress und die Justiz das FBI, schung: FBI und Polizei gingen auch gegen die schwarze Bewegung gerichtet, seine Aktivitäten zumindest in Teilen von außen mit psychologischer Krieg- insbesondere gegen die Black Panther preiszugeben und zu versprechen, es führung (gegen die Gruppen) vor – durch Party. Die Ursachen hierfür waren der nicht wieder zu tun ... gefälschte Publikationen, fingierte Kor- Rassismus in den Reihen des FBI und respondenz, anonyme Briefe und Te- der Polizei, die mangelnden materiellen Wie funktionierte das COINTELPRO? lefonanrufe und ähnliche Formen der Mittel der schwarzen Gemeinden, sich Täuschung. angemessen dagegen zu verteidigen, und Das FBI wies seine Außenstellen per 3. Schikane, Einschüchterung und Ge- die Neigung der Medien – und allgemein Geheimbefehl an, Vorschläge für Pro- walt: Wohnungs- und Arbeitskündigun- der Weißen –, Angriffe auf Schwarze ent- gramme zu machen, wie spezifische gen, Einbrüche, Vandalismus, Vorladun- weder zu ignorieren oder zu tolerieren. Individuen und Gruppen „irregeführt, gen vor Grand Jurys (1), Verhaftungen In dieser Intensität spiegelte sich auch diskreditiert, zerrüttet und sonstwie und Anklagen unter falschen Anschuldi- die Furcht von Staat und Kapital vor der neutralisiert“ werden könnten. Die enge gungen sowie physische Gewalt wurden schwarzen Bewegung wegen ihrer Mili- Zusammenarbeit mit örtlicher Polizei entweder angedroht, unmittelbar ange- tanzbereitschaft, ihrer breiten nationalen und Staatanwaltschaften wurde ange- wandt oder es wurde dazu angestiftet. Verankerung und starken internationalen regt. Die letztendliche Verantwortung lag Das Ziel war, politische Aktivisten in Unterstützung und ihrer historischen Rol- bei hohen FBI-Beamten in Washington, Angst und Schrecken zu versetzen und le als Katalysator der Aufbruchbewegung die die Zusicherung einforderten, dass ihre Bewegungen zu zerrütten. Die daran der 1960er Jahre. Auch viele andere Akti- jede Möglichkeit, „das Büro (FBI) in eine beteiligten staatlichen Agenten verbargen visten, die sich gegen US-Interventionen kompromittierende Lage zu bringen“, ihre Mitwirkung oder sie konstruierten im Ausland oder für Gerechtigkeit im ausgeschlossen sein müsse. Mehr als einen legalen Vorwand dafür. Was die Zusammenhang mit Diskriminierung we- 2000 einzelne Vorgehensweisen wurden Bewegungen der Schwarzen und der ame- gen Hautfarbe, Geschlecht oder Klasse offiziell genehmigt. Aus den Dokumenten rikanischen Ureinwohner betrifft, waren im eigenen Land organisierten, wurden ergeben sich drei Typen von Methoden: diese Angriffe – einschließlich offener Ziel verdeckter Angriffe. Es gerieten aber 1. Infiltration: Agenten und Spitzel politischer Morde – derart weit verbreitet nicht nur diejenigen ins Fadenkreuz, hatten nicht nur die Aufgabe, politische und brutal, dass man hier tatsächlich von die physische Gewalt anwendeten oder Aktivisten auszuspionieren. Ihre Haupt- Methoden des Terrorismus von Seiten des zur Waffe griffen. Führende Pazifisten funktion war, sie in Verruf zu bringen und Staates sprechen muss. wie Dr. Martin Luther King jr., David

sie gegenüber der weißen Gemeinschaft in Verruf gebracht werden und zwar sowohl gegenüber den zuverlässigen Weißen als auch gegenüber „Liberalen“, die nur deshalb, weil sie Neger sind, noch über Restspuren von Sympathie für militante schwarze Nationalist (sic!) verfügen. Drittens müssen diese Gruppen auch in den Augen radikaler Neger, den Anhängern der Bewegung, in Verruf gebracht werden. Gerade der zuletzt genannte Bereich erfordert unterschiedliche Taktiken gegenüber den beiden anderen. Publizität ihrer Tendenz zur Gewaltbereitschaft und ihrer radikalen Aussagen erhöhen nur das Ansehen schwarzer Nationalisten bei der zuletzt genannten Gruppe; sie vergrößert ihre „Respektabilität“ auf eine andere Weise. 5. Ein Endziel sollte sein, das langfristige WACHSTUM militanter schwarzer Organisationen zu verhindern, vor allem unter Jugendlichen. Es müssen spezielle Taktiken entwickelt werden, um diese Gruppen daran zu hindern, junge Leute auf ihre Seite zu ziehen. (…)

ZIELGRUPPEN Vorrangige Ziele des Counterintelligence Program sollten die gewalttätigsten und radikalsten unter den schwarzen nationalistischen Hassgruppen und ihren Anführern sein. Wir sollten einen besonderen Akzent auf diese Anführer und Organisationen legen, die landesweit aktiv und am ehesten dazu in der Lage sind, dieses Land ins Chaos zu stürzen. Zielgruppen sind Mitglieder und Anhänger von:

• Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) • Southern Christian Leadership Conference (SCLC) • Revolutionry Action Movement (RAM) • Nation of Islam (NOI)

(FBI-) Büros, die diese Fälle und den von Stokely Carmichael vom SNCC, H. Rap Brown vom SNCC, Martin Luther King von der SCLC, Maxwell Stanford vom RAM und Elijah Muhammad von der NOI bearbeiten, sollten mit Vorschlägen für nachrichtendienstliche Gegenmaßnahmen rechnen. (…)

Übersetzung: Jürgen Heiser / IVK Internetquelle: http://whatreallyhappened.com/RANCHO/POLITICS/COINTELPRO/COINTELPRO-FBI.docs.html

DIE ROTE HILFE 1/2011 39 Schwerpunkt

Dellinger, Phillip Berrigan und andere Welche Auswirkungen • Für weitere Information zu den standen ebenso ganz oben auf der Lis- hatte das COINTELPRO? COINTELPRO-Operationen des FBI te wie alternative Zeitungen und andere siehe: Projekte, deren Arbeit unmittelbar durch Seine Auswirkung sind in ihrer Ge- die Grundrechte geschützt wird. samtheit schwierig zu erfassen, da wir - Ward Churchill and Jim Vander Wall: Die Black Panthers wurden zu einer nicht das ganze Ausmaß dessen kennen, Agents of Repression: The FBI‘s Secret Zeit attackiert, als sie in ihrer Arbeit für was tatsächlich passiert ist – insbesonde- Wars Against the Black Panther Party kostenlose Verteilung von Nahrungsmit- re gegen Hauptziele wie Malcolm X, Mar- and the American Indian Movement, teln (2), kostenlose medizinische Versor- tin Luther King jr., das Student Nonvio- 1990, South End Press; gung (3) und Kontrolle von Schulen und lent Coordinating Committee (SNCC) und Polizei durch die schwarze Gemeinde in Students for a Democratic Society (SDS). - Jim Fletcher, Tanaquil Jones, & Syl- den Stadtteilen eintraten und sie Waffen Außerdem gibt es noch keine allgemein vere Lotringer (Eds.): Still Black, Still nur symbolisch und aus Gründen der Ab- anerkannte Analyse der 1960er Jahre Strong: Survivors of the War Against schreckung trugen. Es lag letztendlich (siehe jedoch Literaturhinweise und In- Black Revolutionaries, Semiotext(e), am Terrorismus des FBI und der Polizei, ternetquellen am Ende des Artikels). New York 1993; dass sich die Panthers provoziert fühlten (deutsche Ausgabe: Gruppe der Ange- und mit bewaffneten Aktionen Vergel- Es kann aber klar festgestellt werden: hörigen der politischen Gefangenen tung übten, die dann im Nachhinein als –– Das COINTELPRO verzerrte das Bild in der BRD (Hg.). Still Black, Still Rechtfertigung für die Repression gegen radikaler Gruppen in der öffentlichen Strong – Überlebende des US-Kriegs sie dienten. Meinung auf eine Weise, die es er- gegen schwarze Revolutionäre: Dhoru- Am Ende räumte das FBI offiziell leichterte, sie zu isolieren und offe- ba Bin Wahad, Mumia Abu-Jamal, As- sechs Zielgruppen für das COINTELPRO ne politische Repression gegen sie zu sata Shakur, Pahl-Rugenstein Verlag, ein (und von wann bis wann sie im Fa- legitimieren. Bonn 1999); denkreuz standen): –– Es verstärkte und verschärfte die 1. Communist Party USA (1956-71) Schwächen dieser Gruppen und mach- - Brian Glick: War At Home: Covert Ac- 2. „Gruppen für die Unabhängigkeit te es damit für die unerfahrenen Akti- tion Against U.S. Activists and What Puerto Ricos“ (1960-71) visten der 1960er Jahre schwierig, aus We Can Do About It, 1989/1991, South 3. Socialist Workers Party (1961-71) ihren Fehlern zu lernen und solide, End Press, Boston. 4. „Weiße Hassgruppen“ (1964-71) dauerhafte Organisationen aufzubauen. Zu Brian Glicks Buch „War at Home“ 5. „Schwarze nationalistische Hassgrup- –– Seine gewalttätigen Angriffe und ver- siehe auch: pen“ (1967-71) deckten Manipulationen förderten eine http://www.thirdworldtraveler.com/FBI/ 6. „Neue Linke“ (1968-71) Entwicklung, die letztendlich einige WarAtHome_page.html) der am meisten engagierten und er- Die Operationen gegen die zuletzt fahrenen Gruppen dazu brachten, sich Internetquelle für weitere englische genannten Gruppierungen („Neue Lin- aus der Basisarbeit zurückzuziehen Texte zum Thema COINTELPRO: ke“) betrafen Kriegsgegner, studentische und stattdessen bewaffnete Aktionen http://whatreallyhappened.com/ und feministische Gruppen. Der Begriff durchzuführen, die zu ihrer Isolation RANCHO/POLITICS/COINTELPRO/ „schwarze Nationalisten“ umfasste so- führten und die Bewegung vieler ihrer cointelpro.php wohl Martin Luther King jr. als auch die Führungskräfte beraubte. meisten Gruppen der Bürgerrechts- und –– Das COINTELPRO bewirkte, dass seine Black-Power-Bewegungen. Das gegen Opfer oftmals die Schuld für die Prob- (1) Die Grand Jury ist eine aus zwölf bis 23 Personen bestehende Jury (im Gegensatz zur ‚Petit Jury’, die „weiße Hassgruppen“ gerichtete Pro- leme, die das Programm erzeugt hatte, immer nur aus zwölf Personen besteht und erst im gramm diente hingegen hauptsächlich bei sich selber und anderen suchten, Gerichtsverfahren auftritt), die vom Staatsanwalt ein- berufen wird, um zu entscheiden, ob ein Verbrechen als Tarnung für verdeckte Unterstützung und es hinterließ dadurch eine Atmos­ begangen wurde und ob das Beweismaterial aus- des rassistischen Ku-Klux-Klan und phäre des Zynismus und der Verzweife- reicht, Anklage gegen Verdächtige zu erheben. Grand ähnliche rechtsextreme Milizen, die mit lung, die bis zum heutigen Tag spürbar Jurys gibt es heute nur noch in den USA. Dort hat die Grand Jury nicht nur das Recht, eigenständig Zeugen finanziellen Hilfen und Informationen ist. vorzuladen oder die Herausgabe materieller Beweis- ausgestattet wurden, solange sie ihre –– Durch ihre verdeckten Operationen stücke ohne richterlichen Beschluss zu verlangen, sondern im wesentlichen Unterschied zum ordentli- Angriffe auf die anderen COINTELPRO- gelang es dem FBI und der Polizei, chen Gerichtsverfahren tagt eine Grand Jury geheim. Zielgruppen beschränkten. Die FBI-Akten die innerstaatliche politische Oppo- Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Mutmaßliche Täter und deren anwaltliche Vertretung sind während enthüllten außerdem verdeckte Aktionen sition stark zu schwächen, ohne dass der Vernehmungen von Zeugen nicht zugelassen. Ein unter anderem gegen amerikanische Ur- darunter die Auffassung der meisten Zeugnisverweigerungsrecht gibt es nicht. Verwei- einwohner und Aktivisten der Bewegun- US-Bürger gelitten hätte, dass sie in gern Zeugen die Aussage, können sie verhaftet und in Beugehaft genommen werden. Eine rechtliche gen von Chicanos, Philippinos und US- einer Demokratie leben, in der es freie Anfechtung der Beugehaft ist nicht möglich. Susan Amerikanern arabischer Herkunft, ohne Meinungsäußerung gibt und das Recht Brenner, Juraprofessorin der University of Dayton/ Ohio: „Es gibt Leute, die haben bis zu acht Jahre in dass dazu gesonderte Programmteile des herrscht. Haft verbracht, weil sie sich weigerten auszusagen.“ COINTELPRO ausgewiesen wurden. (Anmerkung des Übersetzers) (2) Beispielsweise das Frühstücksprogramm für Schulkinder, Anmerkung des Übersetzers. (3) Einrichtung von Free Clinics (Freien Kliniken), Anmerkung des Übersetzers.

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Eine Mord, der weiter seine Kreise zieht

Die Ermordung der Black Panthers Fred Hampton und Mark Clark am 4. Dezember 1969

Michael Schiffmann Kommunisti- schen Partei der USA begonnen „Die Vergangenheit ist nicht tot wurden und sich in – in Wirklichkeit ist sie noch den letzten Jahren vor seiner offiziellen Been- nicht einmal vergangen“, lautet digung 1971 in erster ein berühmter Satz in William Linie gegen den radikalen Faulkners Roman „Requiem Flügel der schwarzen und indianischen Befreiungsbewegung für eine Nonne“. Durch zu richteten. Dabei steht das merkwürdige häufigen Gebrauch fast zum Wort COINTELPRO für COunter INTELli- Einschleusen von Spitzeln und Provoka- Klischee geworden, trifft diese gence PROgram, zu Deutsch „Programm teuren und die Anstachelung gewaltsa- zur Spionageabwehr“. mer Auseinandersetzungen innerhalb der Passage im Fall der Ermordung Was die Bekämpfung politischer Dis- und unter den verschiedenen Fraktionen des Vorsitzenden der sidenten im Inneren der USA mit Spio- der schwarzen und indianischen Befrei- nageabwehr zu tun haben sollte wurde ungsbewegung bis hin zum direkten po- Ortsgruppe Chicago der „Black vom FBI nie erläutert, aber dennoch war litischen Mord wie im Fall Hampton und Panther Party“, Fred Hampton, der Name des Programms keineswegs Clarks. Und COINTELPRO und die an- und seines Leibwächters Mark unwichtig. Für Vertreter der Staatsraison deren Repressionsmaßnahmen des US- wie Polizei, Militär und Justiz waren im Staats hatten weitgehend Erfolg: Sowohl Clark durch die amerikanische Kampf gegen „Angriffe“ und „Subver- die BPP als auch AIM als auch die an- Bundespolizei FBI und Beamte sion“ von außen schon immer härtere deren wichtigen schwarzen und indiani- der Polizei Chicagos am 4. Bandagen erlaubt, und so erfolgte auch schen Organisationen der sechziger und die bisher einzige Exekution politischer siebziger Jahre verschwanden von der Dezember 1969 auf seltene, ja Gefangener in den USA seit dem Zweiten Bildfläche, und zahlreiche Aktivistinnen geradezu unheimliche Art zu. Weltkrieg, die Hinrichtung von Ethel und und Aktivisten unter häufig erfundenen Julius Rosenberg im Jahr 1953, aufgrund oder übertriebenen Anklagen auf lange einer Anklage wegen „Verschwörung zur Jahre im Knast. (Atom-)Spionage“. Die Auswirkungen dieses politisch- Erklärtes Ziel von COINTELPRO war sozialen Zerstörungswerks waren verhee- die „Zerrüttung, Diskreditierung und rend. Filme wie die in Los Angeles ge- Zerstörung“ linker Bewegungen in den drehte Dokumentation „Bastards of the USA. Wie der Politikwissenschaftler Party” oder der von dem indianischen Ward Churchill, der Ex-FBI-Agent Wesley Autor Sherman Alexie produzierte Kino- Swearingen, der Filmemacher Lee Lew film „Smoke Signals“ zeigen, wie unter Lee und viele andere minutiös nachge- den armen Schichten in den Großstäd- wiesen haben, war dem FBI gerade im ten der USA eine nie da gewesene Form ■■ Die Ermordung dieser beiden militan- Kampf gegen die „Black Panther Party“ gewalttätiger Bandenkriminalität an die ten afroamerikanischen Freiheitskämp- (BPP) und das „American Indian Move- Stelle politischer Organisationsversu- fer war das schlimmste Verbrechen im ment“ (AIM) nahezu jedes Mittel recht, che trat und die Aufbruchstimmung, Rahmen der unter dem Namen COIN- um dieses Ziel zu erreichen. die sich in den sechziger und siebziger TELPRO zusammengefassten Aktivitäten Diese Mittel reichten von der Manipu- Jahren in den indianischen Reserva- des FBI, die 1956 zur Bekämpfung der lation der bürgerlichen Presse über das tionen entwickelt hatte, erneut durch

DIE ROTE HILFE 1/2011 41 Schwerpunkt

Hoffnungslosigkeit und Alkoholismus er- schwerbewaffnete Polizisten der örtli- „bemerkenswerte Zurückhaltung“, ihren setzt wurde. chen Polizei gewaltsam die Wohnung des „Mut“ und ihre „professionelle Diszip- Vorsitzenden der Ortsgruppe Chicago der lin“. Einige Tage später ließ er die Ereig- Ein „Mord im Gestapo-Stil“ BPP, Fred Hampton, die gleichzeitig als nisse für das Fernsehen nachstellen um lokales Hauptquartier der Partei diente. zu demonstrieren, dass die Sturmtruppe Rechtzeitig zum vierzigsten Jahrestag Während des Überfalls wurden beinahe der Polizei nur aus Notwehr geschossen des teuflischsten und brutalsten Akts hundert Schüsse abgefeuert; die Woh- hatte und in Wirklichkeit die Panthers im Rahmen von COINTELPRO erschien nung – wie in den ärmeren Vierteln der die Angreifer gewesen waren. 2009 das Buch „The Assassination of Städte der USA üblich eher ein Bretter- Doch aufgrund der sorgfältigen Be- Fred Hampton. How the FBI and the Chi- verschlag – sah hinterher buchstäblich mühungen der BPP und der brillanten cago Police Murdered a Black Panther”, wie ein Sieb aus. Fünf Minuten nach Be- Arbeit einiger örtlicher Journalisten zur verfasst von dem Chicagoer Rechtsanwalt ginn der Aktion waren Fred Hampton und Aufklärung der wahren Ereignisse brach Jeffrey Haas, der über viele Jahre hinweg Mark Clark tot und vier der sieben wei- die offizielle Version der Ereignisse rasch Angehörige der beiden Opfer der FBI- teren Panthers, die sich in der Wohnung zusammen und es wurde allen außer Aktion vom Dezember 1969 vor Gericht aufgehalten hatten, zum Teil mit lebens- den verblendetsten Beobachtern klar, vertreten hatte. länglichen Folgeschäden verletzt. Alle dass nicht die Panthers, sondern die Po- Von Noam Chomsky treffend gekenn- beteiligten Polizisten blieben unversehrt. lizisten mörderisch gehandelt hatten. zeichnet als „fesselnder Bericht über den Die sieben BPP-Mitglieder, darunter Tatsächlich war von den über neunzig Mord“ an Fred Hampton und Mark Clark, die hochschwangere Verlobte Hampton, Schüssen in dieser Nacht nur ein einzi- beschreibt das Werk zugleich „die dahin- Deborah Johnson, wurden brutal miss- ger von einem Panther abgefeuert worden ter stehende Verschwörung, den Versuch handelt, ins Gefängnis verfrachtet und – und zwar im Reflex von dem bereits im der Vertuschung, den Ausgang der Affä- einem allzu vertrauten Muster folgend Kugelhagel der eindringenden Polizei re und die Lehren, die wir aus diesem des Widerstands gegen die Staatsgewalt sterbenden Mark Clark, der nahe dem schockierenden Beispiel für staatliches und des Mordversuchs an den angreifen- Eingang zu Wohnung Wache hielt. Unrecht ziehen sollten“. den Polizisten angeklagt. Am 8. Dezem- Die Angreifer hatten sich nicht ein- In den frühen Morgenstunden ber belobigte Oberstaatsanwalt Edward mal bemüht, ihren – wie sich später he- des 4. Dezember 1969 stürmten 14 Hanrahan die Polizeibeamten für ihre rausstellen sollte ungültigen und unter

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42 DIE ROTE HILFE 1/2011 Schwerpunkt

Vorspiegelung falscher Tatsachen zustan- Überlebende in ihrer Rezension des Bu- Einen wollte das PLO weiter die tatsäch- de gekommenen – Durchsuchungsbe- ches von Haas beschreibt, begann nun liche Kette der Verantwortung für das fehl wegen Besitzes angeblich illegaler ein epischer Kampf, der erst im Oktober Dezembermassaker aufdecken, die über Waffen vorzulegen, sondern stattdessen 1982 endete. Staatsanwalt Hanrahan und den FBI-Di- lieber gleich durch die Tür geschossen rektor J. Edgar Hoover bis, in Gestalt von und dabei Clark getötet und vier Panther Ein Anwaltsbüro kämpft Justizminister John Mitchell, hinauf in verletzt. Der Tod Hamptons dagegen war um die Wahrheit die US-Regierung führte, und die Schul- nach Aussage von Deborah Johnson eine digen unter Anklage stellen lassen, und regelrechte Exekution. Sie bezeugte, sie Haas und das radikale Chicagoer An- zum Anderen wollte es immer noch eine habe einen Polizisten sagen hören: „Er walltsbüro „People‘s Law Office“ (PLO) gerichtlich angeordnete Entschädigung (Hampton) lebt so eben noch, er wird es reichten eine Zivilklage auf Entschädi- erkämpfen. schaffen“, danach habe sie zwei Schüsse gung der Opfer und ihrer Angehörigen Auf der ersten Ebene gelang es im- gehört und einen der Polizisten sagen ein, wurden abgewiesen und gingen in merhin, das FBI zur Herausgabe von hören: „Jetzt ist er endgültig erledigt.“ Berufung. Drei Jahre nach den Ereignis- mehreren hundert Kisten von COINTEL- Angesicht des Beweismaterials muss- sen erreichten sie eine Anklage gegen die PRO-Akten zu zwingen. Das Bild, das ten die Anklagen gegen die überlebenden Polizei und den letztlich für die Aktion sich ergab, war erschreckend. Susan Panthers fallengelassen werden, aber zu vom 4. Dezember 1969 verantwortlichen Rutberg schreibt: „Die minutiöse Sich- einer Anklage gegen die Verantwortlichen Oberstaatsanwalt Hanrahan, aber nicht tung der herausgegebenen Dokumente er- für dieses von Noam Chomsky als „Mord wegen Mordes, sondern wegen „Obstruk- brachte den Beweis, dass das FBI einen im Gestapo-Stil“ bezeichnete Vorgehen tion der Justiz“. Oft schien es so, als sei Informanten in die BPP eingeschleust kam es zunächst dennoch nicht. Wie Su- die Bestrafung der Schuldigen in greifba- und diese Tatsache vor sämtlichen Un- san Rutberg, die in den siebziger Jahren rer Nähe, aber das Undenkbare geschah tersuchungen und Gerichten geheim- an diesen Aktivitäten beteiligt war, über natürlich nicht: Alle Angeklagten wurden gehalten hatte. Der Informant des FBI, den Kampf von Jeffrey Haas und dem freigesprochen. William O’Neal, genoss als Freund und PLO vor den Gerichten von Illinois und Nun jedoch ging der juristische Leibwächter das Vertrauen Hampton. (…) den US-Bundesgerichten um Gerech- Kampf auf der Ebene der Zivilklage wei- Das verbindende Glied zwischen dem FBI tigkeit in Sachen Hampton, Clark und ter Er wurde auf zwei Arten geführt: Zum und der Polizeitruppe, die den Überfall

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durchführte, war ein Grundriss der Woh- Ein Gericht sprach den überlebenden Vor allem aufgrund der Recherchen nung Fred Hamptons, den die Chicagoer Opfern und den Angehörigen eine Ent- des Lokalreporters John Conroy, die seit Polizei vom FBI erhalten hatte. Diesen schädigung von 1,85 Millionen Dollar zu. 1990 in der Zeitschrift „Chicago Review“ Grundriss hatte O’Neal für das FBI ge- Für die Betroffenen und die Familien erschienen, und der Zivilklagen von Fol- zeichnet und das Bett Hamptons (in dem und Freunde der Getöteten war es eine teropfern, die unter anderem von Anwäl- er dann ermordet wurde. Anm. d. Autors) späte Genugtuung, aber was die „Black ten des PLO vertreten wurden, wurden war auf ihm klar markiert.“ Panther Party“ in Chicago betraf zeigte die Praktiken allmählich bekannt. Doch Die eigentlichen Verantwortlichen für sich, dass die Ermordung von Hampton Burge, der daraufhin 1993 zumindest die Ermordung von Fred Hampton und und Clark ihr einen tödlichen Schlag ver- gezwungen war, seinen Dienst zu quit- Mark Clark sowie für die Verwundung setzt hatte, von dem sie sich nie wie- tieren, durfte seitdem zehn Jahre lang und Verkrüppelung von vier weiteren Ak- der erholte. Auf US-weiter Ebene hatten unbehelligt seine Zeit als Frühpensionär tivisten saßen im FBI und agierten somit COINTEPLRO und die anderen Repres- in Florida verbringen. 2002 leitete dann unter Aufsicht des FBI-Direktors J. Edgar sionsprogramme des FBI und anderer endlich ein Sonderankläger eine Ermitt- Hoover und des US-Justizministeriums. staatlicher Organe dasselbe Resultat: Die lung ein, in deren Rahmen 2003 auch Laut dem späteren FBI-Aussteiger BPP, das AIM und andere radikale Orga- Burge vernommen wurde und jegliches Wesley Swearingen erklärte ihm sein nisationen brachen unter der Wucht der Fehlverhalten abstritt. früherer Kollege, der Ex-Chicagoer FBI- Unterdrückungsmaßnahmen zusammen 2006 ergab dann die vierjährige Er- Agent Greg York, in einem Gespräch, das und/oder verstrickten sich in mörderische mittlung, dass die Foltervorwürfe mit ho- FBI habe den Angriff arrangiert, „indem interne Querelen. Ironischerweise lös- her Wahrscheinlichkeit zuträfen, aber es der Polizei weismachte, die Panthers te sich die letzte Gliederung der „Black nicht verfolgt werden könnten, da sie hätten Massen von Waffen und Spreng- Panther Party“ 1982 auf, genau in dem mittlerweile verjährt seien. Vertuscht stoff und würden auf jeden Polizisten Jahr, als ein US-Gericht wenigstens par- wurde in dem offiziellen Ermittlungs- schießen, der das Gebäude betrete“. Und tiell anerkannte, welches Unrecht den bericht, dessen Erstellung über sieben hier ist die Beschreibung der Ereignisse Panthers in Chicago widerfahren war. Millionen Dollar gekostet hatte, dass in Yorks eigenen Worten: „Wir gaben ih- der ehemalige Oberstaatsanwalt (1981 nen ein Exemplar des detaillierten Woh- Folterhauptstadt der Nation bis 1989) und spätere (1989 bis heute) nungsgrundrisses, den wir von (unserem) Bürgermeister Richard Daley und sein Informanten hatten, damit sie dort eine Nahezu zeitgleich mit dem Ende der Stellvertreter und dann Nachfolger als Razzia machen und die ganze Bande um- „Black Panther Party“ in der drittgrößten Oberstaatsanwalt (1996 bis 2008) Ri- bringen konnten.“ Sie seien davon ausge- Stadt der USA wurde Chicago zur Fol- chard Devine frühere Versuche, der Folter gangen, „es würden etwa 20 Panthers in terhauptstadt der Nation. Folter in Poli- ein Ende zu bereiten, die resultierenden der Wohnung sein. Aber am Ende wurden zeigewahrsam hat es in den USA immer Falschanklagen niederzuschlagen und nur zwei von diesen schwarzen Niggerär- gegeben, aber die Ausmaße, die dieses stattdessen die Folterknechte vor Gericht schen getötet, Fred Hampton und Mark Phänomen zwischen 1972 und 1992 im zu stellen, aktiv unterdrückten und zu Clark.“ „Polizeibezirk 2“ im tiefen Süden Chica- diskreditieren versuchten. Genau wie ihr Die „Informationen“, auf denen der gos annahm, können doch als ungewöhn- Vorgänger Edward Hanrahan machten sie Durchsuchungsbefehl für die Wohnung lich gelten. sich damit zu Mittätern bei schrecklichen Hamptons basierte, waren vom FBI or- Wie Salim Muwakkil kürzlich in ei- Verbrechen. ganisiert worden, ohne den beteiligten nem Artikel in „In These Times“ schrieb, Erst beinahe zwanzig Jahre nach Polizisten mitzuteilen, dass sie erstunken betrieb ein Polizeikommandant namens seinen Folterorgien wurde John Burge und erlogen waren: Die oberste Polizeibe- Jon Burge dort – mit Hilfe etwa eines schließlich doch noch angeklagt, vor Ge- hörde der USA hatte nicht nur kaltblütig Dutzends Untergebener – einen regel- richt gestellt und am 20. Januar 2011 einen politischen Mord an schwarzen Ak- rechten Folterring. In der Sendung „De- zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt – tivisten geplant, sondern auch ihre örtli- mocracy Now!“ hieß es dazu im Mai aber nicht wegen seiner eigentlichen Ver- chen Helfer, die sie ins Feuer schickte, 2006, Bezirk 2 gelte inzwischen als brechen, sondern wegen seiner Lügen als willen- und bewusstlose Instrumente ehemaliges Epizentrum für „die syste- gegenüber dem Sonderankläger 2003. für ihr Attentat benutzt. matische Folterung von Dutzenden von Das Vergehen lautet „Behinderung der Die Aufdeckung dieses mörderischen afroamerikanischen Männern durch Chi- Justiz“, der ganze Vorgang erinnert stark Komplotts war ein großer politischer cagoer Polizeibeamte. Insgesamt sagen an die „Strafverfolgung“ Al Capones, der Sieg, aber selbstverständlich wurde auch mehr als 135 Menschen, sie seien Miss- für seine Morde nie belangt wurde und jetzt keiner der Täter strafrechtlich zur handlungen ausgesetzt worden, bei de- am Ende nur acht Jahre Haft verbüßte – Verantwortung gezogen. Der einzige, der nen ihnen Waffen in den Mund gesteckt, wegen Steuerhinterziehung! selbst Konsequenzen zog, war der Spitzel Plastiktüten über den Kopf gestülpt oder Ob der mutmaßlich an Krebs erkrank- William O’Neal, den offenbar doch sein Elektroschocks in die Genitalien verab- te Burge auch nur einen einzigen Tag Gewissen plagte und der im Januar 1990 reicht worden seien. Vier Männer sind hinter Gittern verbringen müssen wird Selbstmord beging. aus dem Todestrakt entlassen worden, ist noch fraglich, während mindestens An der zweiten Front der juristischen nachdem staatliche Ermittler zu dem zwanzig der Opfer dieses Mannes und Auseinandersetzung jedoch konnte das Schluss kam, die – fälschlichen – Urteile seiner Spießgesellen immer noch auf PLO nach 13 Jahren endlich einen, wenn gegen sie seien durch Folter zustande ihre Freiheit warten. Unterdessen bezahlt auch unbefriedigenden, Sieg vermelden: gekommen.“ die Stadt Chicago weiterhin sämtlich

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Verteidigerkosten von Burge & Co, die Stunden, um ihn einstimmig zum Tod zu auch Widerstand dagegen gibt, der am sich mittlerweile samt der Verhandlungs- verurteilen. Bei seiner „Verlesung“ des Ende oft zumindest Teilerfolge erringt. kosten in Entschädigungsprozessen für Artikels aus dem „Philadelphia Inquirer“, Zu hoffen wäre das auch für den Kampf die Gefolterten auf Dutzende Millionen der vom 4. Januar 1970 stammte und gegen das, was man als eine der Spätfol- Dollar belaufen. auf einem Interview des Journalisten mit gen von COINTELPRO bezeichnen könn- Wie war dieser sich über vier Jahr- Abu-Jamal beruhte, der damals erst 15, te, nämlich die Tatsache, dass bis heute zehnte hinziehende Skandal möglich? aber schon Pressesprecher der BPP in Dutzende von ehemaligen Mitgliedern der James Conroy, mittlerweile auch Autor Philadelphia war, hatte Staatsanwalt Mc- BPP, des AIM und anderer radikaler Or- des Buchs „Unspeakable Acts, Ordinary Gill einige wichtige Dinge ausgelassen. ganisationen, die dann durch diese und People. The Dynamics of Torture”, sieht Vor und nach dem Zitat über politische andere staatlichen Maßnahmen dezimiert die Ursache dafür unter anderem in der Macht, die aus den Gewehrläufen kommt, und/oder zerschlagen wurden, aufgrund relativen Trägheit und Gleichgültigkeit hatte Abu-Jamal ausführlich über von der erfundener oder übertriebener Anklagen der betroffenen Communities. Eine der Polizei verübte Morde an Black Panthers und maßloser Urteile in Haft sitzen. Wurzeln dieser Haltung kann sicher in im ganzen Land gesprochen und dies Sundiata Acoli, Herman Bell und Jalil der gewalttätigen Zerschlagung so vieler als „Verschwörung zur Vernichtung der Abdul Muntaqim, Marshall „Eddie“ Con- Hoffnungen auf radikale Veränderung Führung unserer Partei“ und als „seit way, Romaine „Chip“ Fitzgerald, Ruchell während der COINTELPRO-Periode gese- zwei Jahre andauernde Geschichte von Magee, Hugo „Yogi“ Pinell, Mondo we hen werden, die in Chicago in den Mor- Überfällen und Schießereien seitens der Langa und Edward Poindexter, Herman den vom 4. Dezember 1969 gipfelte. Polizei“ bezeichnet. Wallace und Albert Woodfox, die Gefan- Doch der Versuch Abu-Jamals, die genen der Öko-Gruppe MOVE – sie alle Der lange Schatten des Sache durch Verlesung des gesamten sind Gefangene, von denen fast noch nie- Clark/Hampton-Mordes Artikel in ihren Kontext zu rücken, schlug mand etwas gehört hat und die jetzt über fehl: McGills toxische Worte hatten ihre 30, manchmal über 40 und in einem Fall Aber es gibt noch eine weitere, re- Wirkung bereits getan. Tatsächlich war sogar über 50 Jahre im Gefängnis ver- gelrecht gespenstische Nachwirkung das Zitat ursprünglich als Charakterisie- bracht haben und deren Haftdauer nicht des Clark/Hampton-Mordes, die sich von rung der aktuellen Machtausübung durch einmal dann gerechtfertigt wäre, wenn 1982 bis heute hinzieht. In der nur einen die Polizei Amerikas gemeint. Abu-Jamal sie tatsächlich schuldig wären. Tag währenden Strafphase des Prozesses war selbst in den Wochen vor dem In- Die US-Gefangenenhilfsorganisati- gegen Mumia Abu-Jamal – der bereits am terview im Auftrag der BPP in Chicago on Jericho hat nun eine Kampagne für Vortag, dem 2. Juli 1982 von der Jury gewesen und hatte sich den Tatort der eine parlamentarische Untersuchung von des Mordes an dem Polizeibeamten Dani- Ermordung von Clark und Hampton an- COINTELPRO und ähnlichen Program- el Faulkner für schuldig befunden war – gesehen, mit Überlebenden gesprochen men begonnen zu deren erklärten Zielen zog Staatsanwalt Joseph McGill während und für die Parteizeitung „The Black gehört, die Freilassung dieser Gefange- des Kreuzverhörs des Angeklagten plötz- Panther“ über diesen staatlichen Terror- nen zu erreichen. Wenn der Folterer Bur- lich einen Zeitungsartikel hervor und akt berichtet. ge noch nicht einmal im Gefängnis ist, begann daraus vorzulesen. Kurz darauf Ironischerweise gelang es Staatsan- warum kann dann der vermutlich eben- sprach er Abu-Jamal direkt an: „Sie sind walt McGill so letztlich, den staatlichen falls krebskranke AIM-Gefangene Leonard oft mit folgender Aussage zitiert worden: Mord an den beiden Panthers dazu zu be- Peltier nicht nach 35 Jahren aus der Haft ‚Politische Macht kommt aus den Ge- nutzen, um einen weiteren (Ex-)Panther entlassen werden? wehrläufen.‘ Erinnern Sie sich daran, das in die Todeszelle zu befördern. Falls die Die neue Petition allein wird das si- gesagt zu haben?“ derzeit über Abu-Jamals Fall beratenden cher nicht erreichen können, aber sie Da erst direkt zuvor Abu-Jamal den Gerichte, das 3. Bundesberufungsgericht ist ein Anfang, und 40 Jahre nach dem Vorsitzenden Richter Albert F. Sabo als in Philadelphia und der US Supreme offiziellen Ende von COINTELPRO ist es „Henker“ bezeichnet hatte und McGill Court in Washington, das im Sommer Zeit zu sagen: Genug ist genug! seine Verlesung des Zeitungsartikels 1982 gegen ihn verhängte Todesurteil in sinngemäß mit dem Kommentar einge- den nächsten Monaten ein weiteres Mal leitet hatte, man werde gleich klären, wer bestätigen sollten, bleibt die Beschwerde hier der Henker sei, war klar, worauf dies über die verfassungswidrige Einführung hinauslief: Mit diesem Mao-Zedong-Zitat von Abu-Jamals politischem Statement Quellen: sollte Abu-Jamal als politisch motivier- über das Verhältnis von politischer Macht ter Gewalttäter diskreditiert werden, der und Gewalt eine seiner wenigen verblei- - Bastards of the Party: HYPERLINK „http:// video.google.com/videoplay?docid=8238349 nur auf die Gelegenheit gewartet hatte, benden rechtlichen Möglichkeiten, seine 959209990570“http://video.google.com/vid mal schnell kaltblütig einen „Bullen“ Hinrichtung dennoch abzuwenden. eoplay?docid=8238349959209990570 HY- PERLINK „http://video.google.com/videopl abzuknallen. In einem Film von 1989 be- ay?docid=8238349959209990570“#. richtet Abu-Jamal, wie er sich an diesen Der Kampf gegen COINTELPRO - COINTELPRO-Petition: HYPERLINK „http://www. Augenblick erinnert: „Als ich sah, wie die petitionbuzz.com/petitions/jerichocointelpro“http:// 40 Jahre danach www.petitionbuzz.com/petitions/jerichocointelpro. Jury das zu hören bekam, war es wie ein - John Conroy: Unspeakable Acts, Ordinary People. Stromstoß – wumm, das war’s.“ Trotz scheinbarer Übermacht staat- The Dynamics of Torture, Vision, London 2001. - Jeffrey Haas: The Assassination of Fred Hampton. Und Abu-Jamals Eindruck erwies sich licher Repressionsmaßnahmen – alle How the FBI and the Chicago Police Murdered a als richtig. Die Jury brauchte keine vier obigen Beispiele zeigen, dass es immer Black Panther, Lawrence Hill Books, Chicago 2009.

DIE ROTE HILFE 1/2011 45 Schwerpunkt

Terror in der Türkei

Die blutigen Jahre

Der türkische Staat war mit seinen politischen Gegnern nie sonderlich zimperlich. Schon 1921 ließ er vorsorglich die erste Führungsriege der gerade gegründeten türkischen KP ermorden. Gegen die Aufständischen in Kurdistan wurde schon in den 1920er, 1930er Jahren die Armee mit Redaktionskollektiv der RHZ türkischen Teil Kurdistans große Kundge- damals modernsten bungen statt. Mitteln eingesetzt, Die Linke Der Staat beziehungsweise die „west- die politischen liche Wertegemeinschaft“ hatten aber ■■ Die sozialistische/kommunistische schon vorgesorgt: Im September 1952 Gegner mit Urteilen Linke sah in den 1960er Jahren etwa so wurde auch in der Türkei ein Gladio-Ab- von Sondergerichten aus: Die Moskau-orientierten TKP-Kader leger, das „Sonderkriegsamt“ (Özel Harb bekämpft. Bis lebten vor allem im Ausland, im Land Dairesi), gegründet, um im Falle eines selber hatten sie, außer bei einigen Intel- Falles den schmutzigen Krieg im Landes- 1950 war außer der lektuellen, kaum Einfluss. Im Parlament inneren entfalten zu können. Dazu kam Republikanischen saß die von linken Gewerkschaftern ge- die Gründung der „zivilen“ „Vereine für Volkspartei keine gründete TIP (Türkiye Isci Partisi – Tür- den Kampf gegen den Kommunismus“, kische Arbeiterpartei) mit 15 Abgeordne- die das faschistisch-klerikale Fußvolk andere Partei ten. Schließlich fingen die studentischen organisierten. Ab Mitte der 1960er Jahre zugelassen. Kreise an, sich vom links-kemalistischen wurden überall im Land „Kommando- Bis in die 60er Jahre Einfluss zu lösen und diskutierten über Camps“ gegründet, wo diese „Zivilen“ den bewaffneten Kampf. von Armeeangehörigen und türkischem blieb die Linke in der Aber das Wichtigste war, die Men- Geheimdienst für den Straßenterror mili- Türkei marginal. Erst schen waren in Bewegung geraten: In tärisch ausgebildet wurden – die Vorläu- ab den 60ern wurden Betrieben fanden immer größere Streiks fer der späteren faschistischen „Grauen statt, die Gewerkschaften und die Stu- Wölfe“ („Bozkurtlar“). die linken Debatten dierenden demonstrierten gegen den US- zur besseren/freien Imperialismus, ein neuer, kämpferischer 12. März 1971 – Militärputsch Gesellschaft hitziger, Gewerkschaftsdachverband DISK (Dev- rimci Isçi Sendikaları Konfederasyonu Bis weit in die linken Kreise der tür- vor allem über die – Konföderation der revolutionären Arbei- kischen Gesellschaft herrschte bis in die Wege, die man dabei tergewerkschaften) wurde gegründet, die 1970er Jahre die Meinung, dass die türki- einzuschlagen hatte. Landbevölkerung forderte eine „echte“ sche Armee fortschrittlich, ja sogar „revo- Landreform und als Ausdruck der Aktu- lutionär“ sei. Das hing zum einen damit alität der „kurdischen Frage“ fanden im zusammen, dass die links-kemalistischen

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Streikende Arbeiterinnen am 15./16. Juni 1970.

Offiziere tatsächlich „anti-imperialisti- Türkei und wurde so ein Teil der natio- Situation wurde dann der Ausnahmezu- sches“ Vokabular verwendeten, zum an- nalen Bourgeoisie. Damit hatten die Offi- stand ausgerufen. Doch in allen wichti- deren auch tatsächlich zum Teil eine ziere auch einen persönlichen Grund, ge- gen Industriezentren ging die Streikbe- fortschrittliche Rolle gespielt hatten. Bis gen alle gewerkschaftlichen und linken, wegung weiter. Letztendlich musste das zu dem Militärputsch von 1971 galt die sozialistischen oder kommunistischen Gesetz zurückgezogen werden. Verfassung, die nach dem Militärputsch Aktivitäten vorzugehen. Auf diese Jugend- und Arbeiterbewe- vom 1960 beschlossen war. Diese Ver- Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gung reagierten die Herrschenden immer fassung war für türkische Verhältnisse wurden zu einem der Höhepunkte in der aggressiver. Mit der Zeit entwickelten sehr liberal; sie garantierte die Presse- Geschichte der türkischen Linken. Die sich drei verschiedene Vorgehensweisen: und Koalitionsfreiheit und sozialistische, Arbeiterklasse kämpfte in diesen Jahren Zum einen die „übliche“ Repression, das marxistische Literatur konnte zum ersten mit Streiks – offizielle und wilde –, führte heißt die Polizei knüppelte und schoss Mal legal übersetzt werden. Teile der tür- Fabrikbesetzungen durch, die Studie- auf die Menschen, die Festgenommenen kischen Linken hingen der Illusion an, renden besetzten die Universitäten und wurden gefoltert, verloren ihre Arbeits- dass in der Türkei ohne die Armee keine boykottierten Vorlesungen und gingen plätze und wurden vor Gericht gestellt. Revolution zu machen sei und machten militant gegen die häufigen Besuche der Die andere Vorgehensweise war, dass die mit den fortschrittlichen Offizieren flei- US-amerikanischen sechsten Flotte vor. „zivilen“ Faschisten, die die Rolle hat- ßig Putschpläne. Die Kriegsschiffe der USA konnten nicht ten, den „gerechten Zorn des Volkes“ zu Abgesehen davon, ob und wie fort- mehr ungestört türkische Häfen anlau- demonstrieren, die „gottlosen Kommu- schrittlich eine bewaffnete Formation fen. Einige der aufregendsten Tage die- nisten“ und „aufgehetzten“ Arbeiter und des bürgerlichen Staates sein kann, war ser Zeit waren die des 15. und 16. Juni Studierenden angriffen. Die dritte Form die Armee der späten 1960er Jahre eine 1970. Die Regierung versuchte durch waren Anschläge und Attentate, die den andere als die von 1950. Zum einen war Gesetzesänderung den wachsenden Ein- „Kommunisten und Anarchisten“ in die die Armee immer wieder von „linken“ Mi- fluss der Konföderation der revolutionä- Schuhe geschoben wurden. In diesen litärangehörigen gesäubert worden, und ren Arbeitergewerkschaften (DISK) zu Zeitraum entstanden dann aus Kreisen zum anderen mutierte die als Hilfs- und brechen, dagegen wiederum rief DISK ehemals studentischer Aktivisten die ers- Unterstützungskasse der Armeeangehöri- ihre Mitglieder zum Streik auf. An dem ten bewaffneten Gruppen. gen gegründete OYAK (Ordu Yardimlasma Aufstand beteiligten sich aber auch die Unter den Herrschenden setzte sich Kurumu – Einrichtung zur gegenseitigen Mitglieder anderer Gewerkschaften. Hun- die Meinung durch, dass die aktuelle Unterstützung der Armeeangehörigen) zu derttausende waren im Aufstand und die Verfassung „zu locker“ sei und „nach- einem der mächtigsten Konzerne in der Polizei weitestgehend machtlos. In dieser justiert“ werden müsste. Am 12. März

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Todesurteil bekämpft oder bei bewaffne- ten Auseinandersetzungen aufgerieben.

Nach dem Putsch ist vor dem Putsch

Trotz der blutigen Repression war der Putsch nicht so erfolgreich, wie die Herr- schenden es sich erhofft hatten. Bald konnten sich die Linken wieder reorgani- sieren, die Gewerkschaft DISK organisier- te mehr Arbeiterinnen und Arbeiter als je zuvor, die revolutionären, sozialistischen Zeitungen und Zeitschriften erreichten Auflagen von Hunderttausenden und so bitter der Militärputsch für die Linke auch war, so hatte er sie doch von der unheilvollen Vorstellung „revolutionärer“ Militärs befreit. Die folgenden Jahre waren die blu- tigsten in der Geschichte der Linken in der Türkei. Auf den wachsenden Mas- seneinfluss der Gewerkschaften und revolutionären Gruppen reagierten die Streikende Arbeiter am 15./16. Juni 1970. Herrschenden mit massivem Terror. Die faschistischen „Grauen Wölfe“ verübten „Sie sind hingerichtet“ Sonderausgabe der Hürriyet vom 6. Mai 1972 zu der Hinrich- brutalste Morde. Linke Intellektuelle, tung von drei Genossen der THKO (Türkiye Halk Kurtuluş Ordusu/Volksbefreiungsar- Gewerkschafter, Arbeiterinnen und Ar- mee der Türkei). beiter oder Studierende wurden auf der Straße, in ihren Wohnungen oder Be- trieben überfallen, entführt oder „ver- schwanden“. Täglich starben fünf bis zehn Menschen, Bombenanschläge er- schütterten das Land und manchmal war schwer zu erkennen, wer eigentlich gegen wen vorging. Auf diesen Terror reagierte die Linke mit Bewaffnung, versuchte sich gegen die staatlich-faschistischen Angriffe in „befreiten Zonen“ und Stadtteilen zu wehren. In den späten 70er Jahren gab es auf den Demonstrationen der radika- len Linken immer einige bewaffnete Ge- nossen als Schutz, da die Demos immer wieder von Faschisten oder Polizei unter Beschuss genommen wurden. Diese Lage war für die Linke in der Türkei eine nahezu ausweglose Situa- tion. Einerseits wurde Bewaffnung als Eigenschutz von Betriebsbesetzungen, Streiks und Demonstrationen für not- wendig erachtet, denn es gab keinen an- 1971 forderte die Militärführung die Re- Putsch wurden der DISK und die Lehrer- deren Schutz. Die Massaker in südost- gierung dann zum Rücktritt auf. Erklär- gewerkschaft, die Arbeiterpartei und die türkischen Städten an alewitischer oder tes Ziel der Offiziere war es, „Anarchie revolutionäre Jugendorganisation DEV- kurdischer Bevölkerung mit hunderten und wirtschaftlichem Chaos“ ein Ende GENC (Devrimci Gençlik Federasyonu von Toten, die Schüsse auf die Demons- zu machen. Die Putschisten zielten auf – Föderation der Revolutionären Jugend) trierenden am 1. Mai 1977 in Istanbul die Zerschlagung der Linken und der Ar- verboten, die entstandenen Guerillaorga- waren keine Hirngespinste der Linken. beiterbewegung. Unmittelbar nach dem nisationen durch „legales“ Ermorden per Die Täter blieben immer unbekannt, und

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Die Putschisten versuchten die Gefangenen unter anderem mittels einheitlicher Gefängniskleidung zu unterwerfen und zu brechen. Die Gefangenen wehrten sich dagegen und verweigerten die Gefängniskleidung. Auf dem Bild stehen die ange- klagten Genossen in Unterwäsche vor Gericht. wenn es einmal nicht zu vermeiden war, nahm immer größere Ausmaße an. Die und ihr Vermögen beschlagnahmt, der sie zu verhaften, dann wurden sie schnell Versuche der wechselnden Regierungen, Ausnahmezustand und Ausgangssper- freigesprochen, konnten fliehen oder wur- den wirtschaftlichen Niedergang mittels ren verhängt und zehntausende Aktivis- den „versehentlich“ entlassen. Anderer- Erhöhung der Verbraucherpreise, Lohn- ten verhaftet. Folter – eine alltägliche seits war es ein sehr ungleicher Kampf. stopp und anderem zu begegnen, beant- Erscheinung in der auf 90 Tage ausge- Ob hochgerüstete Faschisten oder Ge- worteten die Beschäftigten mit entschlos- dehnten türkischen Polizeihaft – wurde, heimdienste, Polizei oder Armee – die senem Widerstand. Der Außenhandel noch feiner und brutaler ausgetüftelt, Widersacher waren auf Vernichtung aus. – vor allem die Importe – kam aufgrund systematisch bei allen Festgenommenen Die Bewaffnung der Linken lieferte den des Devisenmangels zum Erliegen. Der angewendet, Militante „auf der Flucht“ späteren Putschisten das Argument, dass Industrie fehlten Ersatzteile und Ener- beziehungsweise „im Gefecht“ ermordet. sie quasi die Friedensstifter in einem gie zur Produktion, sogar die Güter des Im Zusammenhang mit dem Putsch Bürgerkrieg wären. Alltags waren häufig nur noch auf dem wurden insgesamt 650.000 Personen fest- Was wären denkbare Auswege gewe- Schwarzmarkt zu bekommen. genommen, 1.683.000 Personen polizei- sen? Reflektionen über linke Geschich- Die konservative Regierung beschloss lich registriert und in 210.000 Prozessen te, in diesem Falle in der Türkei, sind nach Verhandlungen mit dem Internati- wurden 230.000 Personen vor Gericht nach wie vor Teil unseres politischen onalen Währungsfonds (IWF), die Wirt- gestellt. 98.404 Personen wurden als Selbstverständnisses. Vielleicht haben schaftspolitik grundsätzlich zu ändern. „Mitglieder oder Anhänger illegaler Orga- die Genossinnen und Genossen damals Am 24. Januar 1980 wurde dieses neo- nisationen“ vor Gericht gestellt, für 7.000 die Lage und ihre eigene Stärke zu op- liberale „Konsolidierungs-Programm“ Personen wurde die Todesstrafe gefor- timistisch eingeschätzt, die Revolution offiziell bekannt gegeben. Dieses Datum dert und 517 Personen wurden zum Tode – welcher Prägung auch immer – stand ist heute in der Türkei ein feststehender verurteilt; 50 Personen wurden erhängt, für sie quasi vor der Tür. So wurden zum Begriff vom Beginn einer neuen Ära. Der 171 Personen starben unter Folter, 300 Beispiel die Vorkehrungen für die Illega- 24. Januar steht für den umfassenden Personen wurden durch unbekannte Täter lität vernachlässigt und die Brutalität des Angriff auf die Arbeiterklasse und es ist ermordet und 299 Personen starben im Militärs unterschätzt. innerhalb der Linken unumstritten, dass Gefängnis. 160 Personen starben unter Die 70er Jahre waren auch in wirt- zur Durchsetzung dieser Maßnahmen der verdächtigen Umständen, 43 Personen schaftlicher Hinsicht Jahre großer Ver- Militärputsch unumgänglich wurde. begingen „Selbstmord“ in Polizeihaft, 73 werfungen. Die Inflation fraß permanent Am 12. September 1980 putsch- Personen starben aus „natürlichen Grün- die erkämpften Lohnerhöhungen auf, Ar- ten die Generale erneut. Parteien, Or- den“ in Polizeihaft, 95 Personen wurden beitskämpfe wurden immer heftiger ge- ganisationen, Gewerkschaften, Zeitun- bei „Schusswechseln“ erschossen, 14 führt und die Verschuldung des Staates gen und Zeitschriften wurden verboten Personen starben bei den Hungerstreiks.

DIE ROTE HILFE 1/2011 49 Schwerpunkt

Auf offener Straße erschossen

Prozessauftakt wegen Ermordung des Kommunisten Alaattin Karadag

Nick Brauns stieg aus einem Ford Transit aus. Danach Sprengsatz zehn Insassen eines Klein- wurden fünf bis zehn Schüsse abgefeu- busses nahe dem Dorf Peyani in der Pro- ert. Wir beobachteten, dass die Person vinz Hakkari. Am Tatort, der auf einer sich verletzt am Boden auf den Gehsteig von Militärstützpunkten gut überwachten Im November 2009 wurde der schleppte. Der große Mann in Zivil hat Hochebene liegt, wurden Rucksäcke und Kommunist Alaattin Karadag ihn getötet.“ Die Polizei behauptete da- Ausrüstung einer Spezialeinheit des Mi- gegen, zwei auf der Parkbank sitzende litärs gefunden. Offensichtlich handelte in Istanbul von Polizisten Personen hätten das Feuer auf die Be- es sich um einen Racheakt, weil die Be- erschossen. Ab dem 21. April amten eröffnet, als diese Ausweiskon­ wohner von Peyani, die jahrzehntelang 2011 wird vor einem Istanbuler trollen durchführen wollten. Karadag sei als Dorfschützer gegen die PKK gekämpft anschließend auf der Flucht erschossen hatten, inzwischen die Waffen niederge- Gericht über die Klage der worden. legt hatten und sich zur prokurdischen Angehörigen gegen die Polizei Europäische Regierungen und die Partei für Frieden und Demokratie (BDP) verhandelt. Alaattin Karadag bürgerlichen Medien feiern den türki- bekannten. schen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Immer wieder finden extralegale Hin- war Mitglied der illegalen Erdogan dafür, dass unter der seit 2002 richtungen an Kontrollposten von Polizei Kommunistischen Arbeiterpartei regierenden islamisch-konservativen AKP und Militär statt. Am 10. Dezember 2010 der Einfluss des einst allmächtigen Mili- stoppten Soldaten an einem Checkpoint der Türkei (TKIP). Aufgrund tärs auf die Politik zurückgedrängt wur- in Hakkari zwei Fahrzeuge mit Aktivisten seiner politischen Aktivitäten de. Doch kaum ein westlicher Kommen- der BDP und der Demokratisch-Patri- war er im Jahr 2002 verhaftet, tator nimmt wahr, dass in Wirklichkeit otischen Jugend (DYG). Anschließend unter der AKP-Regierung der Wandel von schoss ein Soldat dem DYG-Sprecher von schwer gefoltert und wegen der kemalistischen Militärdiktatur zum Yüksekova, Sedat K., in den Kopf. Se- Mitgliedschaft in der TKIP neoliberalen Polizeistaat vollzogen wur- dat K. überlebte den Exekutionsversuch zu zwölfeinhalb Jahren Haft de. Die von Anhängern der Bewegung des schwer verletzt. Während derartige Morde in den USA lebenden Predigers Fethul- und Mordversuche der Einschüchterung verurteilt worden. Er beteiligte lah Gülen unterwanderte Polizei wurde linker und kurdischer Aktivisten dienen sich am Todesfasten hunderter zur regelrechten Bürgerkriegstruppe mit sollen, läuft seit rund zwei Jahren eine politischer Gefangener gegen schweren Waffen aufgerüstet. Unter dem Verhaftungswelle gegen tausende Mit- Vorwand der EU-Anpassung wurde die glieder, Funktionäre und Bürgermeister die Einführung der F-Typ- Zuständigkeit für die so genannte Ter- prokurdischer Parteien, aber auch ge- Isolationshaftgefängnisse. Aus rorismusbekämpfung vom Militär auf gen Sozialistinnen und Sozialisten sowie gesundheitlichen Gründen das Innenministerium und die Polizei kämpferische Gewerkschafterinnen und verlagert und diese durch das neue Po- Gewerkschafter. Wegen ihrer Teilnahme wurde Karadag unter Auflagen lizeiaufgabengesetz (PVSK) mit Sonder- an Protesten gegen Karadags Ermordung vorzeitig aus der Haft entlassen. vollmachten ausgestattet. In ländlichen wurden im März 2010 bei Polizeirazzien Gebieten, insbesondere in Kurdistan, ist auch 20 Mitglieder der „Unabhängigen dabei weiterhin auch die Militärpolizei revolutionären Klassenplattform“ (BDSP) Jandarma im Einsatz. in Ankara, Izmir, Bursa und Samsun Der staatliche Mord an Karadag verhaftet. ■■ Am 19. November 2009 waren Ka- ist kein Einzelfall in der Türkei, doch Die Familie, Freunde und Genossen radag und ein Genosse beim Plakatie- meist finden derartige extralegale Hin- von Alaattin Karadag rufen jetzt dazu auf, ren im Istanbuler Stadtviertel Esenyurt/ richtungen an linken Aktivisten fern der internationale Beobachter zum Prozess Avcilar, als sie von der Polizei attackiert Metropole Istanbul in den kurdischen zu schicken und Solidarität zu zeigen. So wurden. Ein Kleinhändler schilderte den Bürgerkriegsgebieten statt. Nur wenige soll verhindert werden, dass das Verbre- Vorfall als Augenzeuge: „Eine Person Tage nach Karadags Ermordung starb chen ungesühnt bleibt oder der polizei- lief in die Straße hinein. Er wurde mit der Student Aydin Erdem auf einer De- liche Mörder mit einer lediglich symboli- Schusswaffen von Polizisten gejagt. Sie monstration in Diyarbakir durch Polizei- schen Strafe davonkommt. sagten zu uns ‚Warum haltet ihr ihn nicht schüsse in den Rücken. Auch im Jahr fest?‘ Wir waren verblüfft und antwor- 2010 wurden zahlreiche kurdische Zivi- teten: ‚Wen und warum sollen wir ihn listen von Sicherheitskräften ermordet. • Kontakt zur Prozesskommission: festhalten?‘ Eine große Person in Zivil So tötete am 16. September 2010 ein [email protected]

50 DIE ROTE HILFE 1/2011 Schwerpunkt

Anti-Terror-Krieg auf Spanisch

Folter, Sondergesetze und Mord als Mittel „demokratischer“ Politik

Ingo Niebel 474 Toten der spanischen Repression im ETA“. Die dafür nötigen Gesetze, wie Baskenland (1960-2010) wieder in Erin- zum Beispiel zur Incomunicado-Haft ■■ „Sie hatten den Befehl, so auf die nerung brachte. Das letzte ETA-Mitglied, oder das Parteiengesetz, ergaben sich beiden Jungs zu schießen, dass sie ster- das bei einer Polizeiaktion ums Leben aus der Rechtspraxis, die das Sonder- ben und dass es eine sichere Methode kam, war Imanol Gómez (2005): Bei der gericht für Terror- und Drogendelikte, wäre, sie zu töten, indem sie ihnen in Flucht vor der französischen Polizei raste die Audiencia Nacional, mittels entspre- die Leber schössen.“ So erinnert sich er mit seinem Wagen gegen einen Baum. chender Ermittlungen und Urteile schuf. der katalanische Anwalt Francesc Arnau Heute verlaufen selbst Verhaftungen Vordenker der „Alles-ist-ETA-Doktrin“ ist i Arias an die Umstände, die zum Tod von bewaffneten ETA-Aktivisten in der ihr zurzeit wegen Rechtsbeugung vom der beiden ETA-Mitglieder Ion Erezu- Regel ohne Schießerei. Viele Gründe mö- Amt suspendierter Untersuchungsrich- ma und Joan Carles Monteagudo am 30. gen das erklären; einer ist sicherlich, ter, Baltasar Garzón. (Bisher ist es ihm Mai 1990 bei Vic führten. Die spätere dass das politische Backing für brutale weitgehend gelungen, seine Rolle bei Obduktion bei Erezuma ergab, dass kei- Interventionen fehlt. Oder anders ausge- der Unterdrückung der linken baskischen ne der drei Schussverletzungen tödlich drückt: Vor gut einem Jahrzehnt fiel die Unabhängigkeitsbewegung zu verbergen, gewesen war. Trotzdem starb der Akti- Entscheidung, dass die Kill-Fahndung weil sein Image als Verfolger von latein- vist der Untergrundorganisation Euskadi politisch nicht mehr gewollt ist, weil sie amerikanischen Diktatoren und Folterern Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und dem Ansehen Spaniens als „demokra- und als Verfolgter des spanischen (Post-) Freiheit), weil die Polizisten – und die tischem Rechtsstaat“ schadete und die Franquismus bekannter ist.) Im Moment Sanitäter – ihn verbluten ließen. Jahre toten Etarras zu Märtyrern machte. stellt die Audiencia Nacional das grund- später berichtete der Leiter der Polizeiak- In der Folgezeit verlagerte Madrid legende Instrument der Madrider Basken- tion dem Journalisten Xavier Vinader („El den Schwerpunkt von der Fahndung nach land-Politik dar: Gegner des spanischen, Temps“) von den Einzelheiten, die der ETA-Mitgliedern auf die Kriminalisie- kapitalistischen Einheitsstaates werden Polizeiaktion vorausgingen. Weitere Jahre rung und Illegalisierung ihres Umfeldes, nicht mehr weggeschossen, sondern vergingen, bis 2010 die Stiftung Euskal das mit politischen Mitteln für ein unab- weggeschlossen. Memoria (Baskische Erinnerung) den Fall hängiges und sozialistisches Baskenland Dass man in Madrid keinen Wert auf in ihrer Studie „No les bastó Gernika“ kämpfte. Diese neue Politik läuft seit den „finalen Rettungsschuss“, wie es in (Gernika reichte ihnen nicht) über die etwa 1998 unter dem Motto „Alles ist Deutschland verharmlosend heißt, oder

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auf den „schmutzigen Krieg“ legt, bedeu- nötigen Stimmen zu holen, griff man tief Krieges ist, dem Gegner seinen Willen tet keine grundlegende Abkehr von die- in die Kiste der schmutzigen politischen aufzuzwingen. Klassisch geschieht das sen Praktiken. Im Gegenteil. Beide blei- Tricks. Und so tauchten 1995 urplötzlich durch den berühmten offenen Kampf ben Instrumente der Kriegsführung nach die sterblichen Überreste von zwei bas- auf dem Schlachtfeld. Weniger klassisch innen, die man nur beiseite gelegt hat, kischen Flüchtlingen in einem südspa- sind die Methoden an der Schattenfront um auf sie notfalls wieder zurückgreifen nischen Leichenschauhaus auf, die man der Geheimdienste. Ein wichtiger Be- zu können. Zwei Umstände belegen das. zwölf Jahre nach ihrem Verschwinden standteil der Baskenland-Politik des als die von Joxean Lasa und Joxe Zabala spanischen Staates ist hierbei die spe- Der schmutzige Krieg und die GAL identifizierte. Ein Offizier des militäri- zielle Form des Polizeigewahrsams, der schen Geheimdienstes CESID offerier- als Incomunicado-Haft bekannt ist. Er Erstens: Für den „schmutzigen Krieg“ te der Presse einschlägige Berichte, die ermächtigt die Polizei auf der Basis ei- bedarf es einerseits einer entsprechen- Galindos GAL und hochrangige PSOE- nes entsprechenden Haftbefehls, den den Leitungsebene auf politischer Seite, Mitglieder der Entführung, Folterung und ein Untersuchungsrichter der Audiencia die vom Staat geschützt wird. Anderer- Ermordung der beiden Freunde beschul- Nacional auszustellen hat, einen Men- seits muss diese auf Elemente aus Po- digten und vor den Kadi brachten. Ne- schen mindestens fünf Tage lang von lizei und Militär oder aus der Unterwelt benbei flog auf, wie sich Politiker und der Außenwelt abzuschotten, bis er dem – beziehungsweise rechtsextremen Krei- Polizisten an den Reptilienfonds, aus Robenträger vorgeführt werden muss. Da- sen – zurückgreifen können, die für sie denen die Regierung die Todesschwadron nach kann Letzterer diese Art der Isola- die Schmutzarbeit an vorderster Front finanzierte, bedient hatten. González ver- tionshaft verlängern, selbst wenn er den erledigen. Die Geschichte der staatli- lor die Wahl, musste sich aber niemals Verhafteten mittlerweile in ein Gefäng- chen Todesschwadron namens Grupos wegen der GAL vor Gericht verantworten. nis überstellt hat. In dieser Zeit hat der Antiterroristas de Liberación (GAL, an- Stattdessen gingen sein Innenminister Betroffene keine Möglichkeit mit einem titerroristische Befreiungsgruppen) be- José Barrionuevo, dessen Staatssekretär Vertrauensanwalt, einem Arzt seines Ver- legt, dass ihre Macher so verfuhren. Die Rafael Vera und General Galindo kurz- trauens oder einem Familienangehörigen Beamten der Nationalpolizei José Amedo fristig ins Gefängnis. Ihre Untergebenen zu sprechen. Letztere wissen in der Regel und Miguel Domínguez stellten ihre GAL- kamen nicht so glimpflich davon. nicht, wo sich das Familienmitglied be- Struktur aus faschistischen Kriminellen Aber der Fall GAL sandte eine klare findet. Im besten Fall befindet es sich in zusammen. Ein Teil kam aus Frankreich, Botschaft an die Sicherheitskräfte aus: der nächsten Polizeistation, im ärgsten wo die GAL von 1983 bis 1987 die meis- Wer sich in Spanien dem „schmutzigen Fall auf dem 400 Kilometer langen Weg ten Attentate, darunter 27 Morde, verüb- Krieg“ verschreibt, kann nicht damit nach Madrid. Fakt ist, dass Menschen ten. Die Söldner eigneten sich zwar zum rechnen, dass der Staat in der Lage und von jetzt auf gleich in den Fängen von Killen, aber nicht zum Verschleiern ihrer willens ist, ihn vor Strafverfolgung zu Staatsorganen verschwinden können. Da- Spuren. Ihr Unvermögen paarte sich mit schützen. Stattdessen muss jeder Polizei- für bedarf es nicht mehr einer Entfüh- dem Geltungsbedürfnis ihrer beiden Füh- beamte und Geheimagent damit rechnen, rung in Krimi-Manier, sondern es reicht rungsoffiziere. Die daraus resultierenden gegebenenfalls auf dem Altar der politi- ein Haftbefehl. Hinzu kommt die Sorge Fehler sorgten dafür, dass sich ein junger schen Opportunität geopfert zu werden. um die körperliche Unversehrtheit des Untersuchungsrichter namens Baltasar (Im klaren Gegensatz dazu steht das in Betroffenen, da Erniedrigungen, Miss- Garzón mit der Aufarbeitung dieser GAL- Deutschland weit verbreitete Bild vom handlungen und Folter zur Verhörpraxis Ebene Ende der 1980er Jahren einen „sauberen Krieg“ der Bundesregierung während der Incomunicado-Haft gehören. Namen machen konnte. während des „deutschen Herbstes“ ge- Der Untersuchungsrichter kann Vi- Mitte der 1990er Jahre flog eine wei- gen die RAF. Es lässt sich auch auf den deoaufzeichnungen der Haftzeit anord- tere GAL-Gruppe um den Guardia Civil- Fakt zurückführen, dass keiner der da- nen, muss es aber nicht. In den wenigen General Enrique Rodríguez Galindo auf. mals verantwortlichen Politiker oder sei- Fällen, in denen das geschah, bekamen Dieser hatte mit Zivilgardisten seines ne Partei jemals versucht hat, mögliche die Verteidiger die Bänder nicht zu se- Vertrauens eine geheime Zelle gebildet, Ungesetzlichkeiten zum eigenen Vorteil hen. Amnesty International und das UN- die neben der klassischen Polizeiarbeit auszunutzen.) Komitee zur Prävention von Folter fordern gegen ETA eben auch die Mittel des Neben der Erfahrung, dass der gefähr- regelmäßig von Madrid, es möge die In- „schmutzigen Krieges“ einsetzte, wobei lichste Feind eines Spaniers, der bereit comunicación aufheben, weil dort die die Grenzen fließend waren. Galindos ist, die ETA auch mit illegalen Methoden Rechte der Verhafteten nicht gewährleis- offensichtliche Erfolge gegen die bewaff- zu bekämpfen, aus den eigenen Reihen tet seien. Dieses Defizit hat Anfang 2010 nete Organisation machten ihn nicht nur kommt, bedarf es des „schmutzigen Krie- auch die Audiencia Nacional erkannt, zum höchstdekorierten Polizeioffizier der ges“ als Mittel der Politik nicht, weil es als sie fünf angeklagte Journalisten (von als elitär geltenden Guardia Civil, son- andere Maßnahmen gibt, die weniger Ri- denen vier Folter angezeigt hatten) vom dern auch zu einem „Untouchable“. siko mit sich bringen. Vorwurf der Zusammenarbeit mit ETA Zum Verhängnis wurde ihm aber, freisprach. Diese Erkenntnis ist folgenlos dass Spaniens Rechte befürchten muss- Die Incomunicado-Haft geblieben. te, dass sie 1996 das Kopf-an-Kopf-Ren- Das wundert nicht, weil der spanische nen mit der regierenden Sozialistischen Dazu gehört, zweitens, die Incomuni- Staat im Rahmen seiner Baskenland- Arbeiterpartei (PSOE) von Premier Feli- cado-Haft, die Mittel zum Zweck ist. Ein Politik auf die Audiencia Nacional als pe González verlöre. Um doch noch die Hauptziel des wie auch immer geführten sein wichtigstes Repressionsinstrument

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nicht verzichten will. Damit das Sonder- Januar 2008 geleistet hätten. Des Wei- Verweigerungshaltung wächst im Basken- gericht die politisch gewünschten Urteile teren hätten die beiden schon durch den land die Bereitschaft, sich für eine fried- liefern kann, benötigt es das entspre- Umstand, dass sie die Zivilgardisten der liche Lösung einzusetzen. Wenn die ETA chende Beweismaterial, wobei es beson- Folter bezichtigten, zugegeben, der ETA trotz dieser und aller weiteren Provokatio- ders Aussagen, die in der Incomunciado- anzugehören, da diese ihre Mitglieder nen bei ihrem Waffenstillstand bleibt, ist Haft entstanden, berücksichtigt. Hier angeblich angewiesen hätte, selbiges zu absehbar, dass Madrid bald die legalen kommen dann die Verhörspezialisten der tun. Rubalcaba verwies erneut auf ein Mittel ausgehen werden, um die Unab- Polizeiorgane zum Zuge. Diese fühlen angebliches ETA-Handbuch, das aber hängigkeitsbewegung weiter zu repressie- sich zurzeit sehr sicher, weil die ETA aus niemand kennt. ren. Rubalcaba bleibt noch die Möglich- verschiedenen Gründen – zuletzt wegen Das Urteil im Fall Portu/Sarasola ist keit, die baskische Linke erneut daran zu ihres Waffenstillstandes – keine Straf- noch nicht rechtskräftig. Da es nicht an hindern, dass sie mit einer eigenen Par- aktionen gegen Folterer durchführt. So der Audiencia Nacional gefällt wurde, tei an den Kommunalwahlen in der Au- animieren sie ihre Opfer, im Gefängnis hat niemand in Madrid Interesse daran, tonomen Baskischen Gemeinschaft und sowie vor Freunden und Familie - nicht es breit zu treten. Außerdem wirft es ein an der Wahl zum Regionalparlament von aber vor dem Richter - über die Tortur zu schlechtes Licht auf das Sondergericht. Nafarroa (Navarra) im Mai 2011 teilneh- berichten, um Angst zu säen. Des Wei- Diese hatte die beiden Basken wegen men kann. Die Betroffenen werden mit teren geben sie zu, zum Beispiel das si- des Bombenanschlags auf den Madrider einem Plan B zu antworten wissen. Ein mulierte Ertränken (Waterboarding) von Flughafen Barajas (2007), bei dem zwei weiteres Verbot wird das Problem noch israelischen Kollegen gelernt zu haben. Menschen starben, zu je tausend Jah- vergrößern, da die linke Gewerkschaft Nur: Die Folter als System bei der ren Haft verurteilt. Als Grundlage dien- LAB jetzt einen Teil der politischen Ar- Verfolgung der linken Unabhängigkeits- te die Selbstbezichtigung von Sarasola, beit leistet, der sonst einer Partei vor- bewegung hat ihr Potenzial ausgeschöpft die er in der Incomunicado-Haft „unter behalten ist. Für den 27. Januar hatte und ihr Limit erreicht. Zum Einen zeigt Wahrung aller seiner verfassungsmäßigen sie zusammen mit der führenden Mehr- sich die baskische Linke trotz jeglicher Rechte“, so das Urteil, gemacht haben heitsgewerkschaft ELA und drei kleine- Art der Repression stärker denn je, zum soll. Folglich müsste das Verfahren von ren Arbeitervertretungen zum General- Anderen wendet sich die Praxis erneut Portu und Sarasola neu aufgerollt wer- streik aufgerufen. Somit ergibt sich ein gegen ihre Anwender. Das belegt ein den. Ob es dazu kommen wird, ist frag- immer deutlicheres Zusammenwachsen kürzlich verhandelter Folterfall. lich – da die spanische Staatsräson daran von sozialer und nationaler Frage im Bas- Laut Madrider Lesart achten die Si- kein Interesse haben kann. kenland. Ähnlich wie in der Wirtschafts- cherheitsbehörden die Menschen- und politik gleitet Madrid das Handling des Bürgerrechte, alles andere sind Einzel- Folter in aller Öffentlichkeit politischen Konflikts aus den Händen. fälle oder Verleumdungen. In dieses vom Die postfranquistische Volkspartei (PP) spanischen Staat gepflegte Bild fügt sich Interessant an dem Fall ist noch ein hat bereits angekündigt, dass sie im Fal- dann auch die Verurteilung von vier Poli- anderer Aspekt: Die beteiligten Zivilgar- le eines Wahlsieges 2012 den Autono- zisten ein, die wegen Folter an den Bas- disten folterten Portu und Sarasola au- miestatus aus ökonomischen Gründen zur ken Igor Portu und Mattin Sarasola ein ßerhalb einer sicheren Polizeikaserne in Disposition stellen werde. Ihr Lösungs- paar Jahre Haft kassierten. Der verant- einem offen zugänglichen Waldgebiet. modell für den Basken-Konflikt setzt auf wortliche Feldwebel der Zivilgarde soll Diese Demonstration polizeilicher All- die Selbstauflösung der ETA, Verbüßung für vier Jahre ins Gefängnis, drei seiner macht passt zum Auftreten dieser mili- aller Haftstrafen, Bezahlung aller Geld- Untergebenen für je 24 Monate. Elf wei- tärischen Institution, die sich nicht nur strafen, öffentliche Reuebekenntnisse al- tere Angeklagte der Guardia Civil wurden als Staat im Staate fühlt, sondern auch ler Etarras und selbstverständlich werde freigesprochen. Der wesentliche Punkt ist so auftritt. Zwar müssen ihre Angehöri- Madrid dafür keinen „politischen Preis“ hierbei nicht das Urteil, das im Übrigen gen wie alle Staatsbediensteten mit fünf bezahlen. Damit dürfte das Arsenal an versteckt zwischen den Feiertagen am Prozent weniger Gehalt auskommen, aber politischen Instrumenten bald erschöpft 30. Dezember 2010 gefällt wurde, son- über ihre Zukunft müssen sie sich vorerst sein und es würde sich dann die Frage dern die Frage, ob die Verurteilten ihre keine Sorgen machen. stellen, ob Madrid zu den beiseite geleg- Strafe werden antreten müssen und wie Obwohl die ETA am 10. Januar 2011 ten Praktiken der Vergangenheit zurück- ihr weiterer Berufsweg aussehen wird. einen „allgemeinen, dauerhaften und kehren würde. Damit stünde man wieder Bis auf wenige Ausnahmen hat Folter verifizierbaren Waffenstillstand“ ausge- am Anfang dieses Artikels. noch keiner Polizeikarriere Abbruch ge- rufen hat, um eine politische Verhand- tan. Dass das auch in diesem Fall nicht lungslösung des Konflikts zu ermögli- eintreten muss, ergibt sich aus dem Um- chen, durfte die Guardia Civil keine 24 Der Autor ist Historiker und Jour- stand, dass Innenminister Alfredo Pérez Stunden später bereits den ersten ETA- nalist. Über die Vergangenheit und Rubalcaba nach dem Richterspruch nicht Verdächtigen festnehmen. Am 18. Januar Gegenwart des Baskenlandes hat er zurücktreten musste. Er war es gewesen, 2011 erfolgte eine Großoperation gegen mehrere Bücher veröffentlicht. der seine Polizisten in Schutz nahm, in- 13 Angehörige der linken Unabhängig- dem er behauptete, Portus und Saraso- keitsbewegung. Sie alle kamen in die las Verletzungen seien Folge des Wider- Incomunicado-Haft. (Ihr Schicksal war standes, den die beiden mutmaßlichen bei Redaktionsschluss ungewiss.) Aber • www.berriak-news.de ETA-Mitglieder bei ihrer Festnahme im diametral entgegengesetzt zur Madrider • www.info-baskenland.de

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Für die Freilassung der baskischen Gefangenen!

64.000 Basken demonstrieren für eine Generalamnestie

Sozialismus – zu teilen oder gar nur Fo- tos der politischen Häftlinge zu zeigen. Das Ausmaß der Kriminalisierung wird deutlich, wenn man folgende Da- ten betrachtet: Heute zählt das Kollektiv der Baskischen Politischen Gefangenen (EPPK) 713 Mitglieder, wovon 567 in spanischen und 144 in französischen Gefängnissen einsitzen sowie je einer in Portugal und Nord-Irland (Stand Januar 2011). Etwa zwanzig weitere Häftlinge haben das EPPK verlassen und sich öf- fentlich von der ETA distanziert. Sie hof- fen so auf Hafterleichterungen seitens des spanischen Staates und auf eine bal- dige Freilassung. In der Gesamtsumme übersteigt die Anzahl der aus politischen Gründen inhaftierten Basken die Zahlen der Franco-Diktatur. Als der faschistische Diktator Francisco Franco am 20. No- vember 1975 starb, befanden sich 731 Euskal Herraren Lagunak (EHL) ■■ Die Veranstaltung folgte dem Aufruf: Basken aus politischen Gründen in Haft. Deutschland - Freundinnen und Freunde „Mit all ihren Rechten die baskischen Nach der Generalamnestie von 1977 des Baskenlands / Ingo Niebel Gefangenen ins Baskenland – Lasst uns mussten bis 2007 etwa 4700 Basken ins einen Schritt vorwärts machen“. Während Gefängnis. Gegenwärtig machen die bas- der Demonstration, die friedlich verlief, kischen Gefangenen knapp ein Prozent waren Rufe wie „Die baskischen Gefan- aller 76.000 Häftlinge in Spanien aus. genen und Flüchtlinge nach Hause“ und Das Baskenland hat das neue „Generalamnestie“ zu hören. Angeführt Die „Zerstreuungspolitik“ Jahr kämpferisch begonnen: Am wurde der Protestmarsch von den Fami- soll das Kollektiv sprengen lienangehörigen der Häftlinge, die sich 8. Januar 2011 demonstrierten in der Vereinigung Etxerat (Nach Hause) Seit über 20 Jahren werden sie nicht 64.000 Menschen in Bilbo organisiert haben. In der Vergangenheit mehr heimatnah, so wie es das Gesetz (spanisch Bilbao) für die konnten sie als Veranstalter auftreten, vorschreibt, inhaftiert, sondern so weit aber im Januar 2010 verbat die spanische weg wie möglich. Nach Angaben von Et- Freilassung der über 700 Justiz die Demo zunächst wegen „Ver- xerat müssen die Familien jährlich 14,7 politischen Gefangenen. Das herrlichung des Terrorismus“. Millionen Euro aufbringen, um ihre Ange- waren 20.000 Teilnehmer mehr Die hohe Beteiligung erklärt sich an- hörigen meistens nur für wenige Minuten gesichts der sozialen Dimension, die die besuchen zu können. Die Gesamtsum- als im vergangenen Jahr. Zu Gefangenenfrage in der baskischen Ge- me, die die Angehörigen seit 1977 für der Demonstration hatte ein sellschaft angenommen hat. Seit Madrid das Zusammensein mit den Ihren aufge- ab 1998 dazu übergegangen ist, die ge- bracht haben, beläuft sich auf 300 Milli- Kollektiv von Personen aus samte linke Unabhängigkeitsbewegung onen Euro. unterschiedlichen sozialen mittels der Doktrin „Alles ist ETA“ zu Die Gefangenen dürfen einen Besuch Zusammenhängen aufgerufen. kriminalisieren, haben viele politische von 40 Minuten pro Woche erhalten. Die Aktivisten ihre Freiheit verloren. Dazu Gefängnisverwaltung beschränkt die An- Daher war es dem spanischen bedarf es mittlerweile nicht mehr der zahl der Besuchsberechtigten auf zehn Staat nicht möglich, den Mitgliedschaft in der Untergrundorga- Personen und wählt diese nach Gutdün- Protestzug wie 2010 in erster nisation Euskadi Ta Askatsuna (ETA, ken aus. Aus „Sicherheitsbedenken“ darf Baskenland und Freiheit), sondern es sie Besucher von der Liste streichen. Instanz verbieten zu lassen. reicht, deren Ziele – Unabhängigkeit und Das Gespräch erfolgt in der Regel hinter

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einer Glaswand und wird aufgezeichnet. nicht, faktisch wird sie aber bei den bas- gescheitert ist, zeigt einerseits die De- In Ausnahmesituationen dürfen sich Fa- kischen Gefangenen angewendet. Ge- monstration vom 8. Januar, andererseits milienangehörige oder Lebenspartner für setzesänderungen in der Vergangenheit der Umstand, dass sich bestenfalls 20 ein zweistündiges Vis-à-vis zusammen haben einerseits dazu geführt, dass das ehemalige ETA-Mitglieder von der Orga- einschließen lassen. Auch hier laufen Maximum für „Lebenslang“ von 30 auf nisation und dem EPPK losgesagt haben. die Aufnahmegeräte mit. 2010 platzten 40 Jahre heraufgesetzt wurde. Anderer- Die Realität für das Gros des Kollektivs Hunderte dieser Besuchsmöglichkeiten, seits nahm der Staat den Häftlingen mit sieht so aus: Niemand kann auf Haftver- weil das spanische Innenministerium an- „terroristischem Hintergrund“ die Mög- kürzung noch auf Gnade hoffen. Aber die geordnet hatte, dass sich die Familienan- lichkeit, die Haftzeit durch gute Führung Hoffnung auf Freiheit lebt weiter, weil gehörigen körperlich durchsuchen lassen und Fortbildung zu reduzieren. Gut zwei die 64.000 Demonstranten gezeigt haben, mussten. Die Anordnung traf auf 21 Mo- Dutzend Gefangene sitzen weiterhin im dass das Baskenland über das Potenzial nate alte Kleinkinder ebenso zu wie auf Knast, obwohl sie die auferlegte Stra- verfügt, heute wieder eine Amnestie zu Menschen mit körperlichen Einschrän- fe vollständig abgesessen haben, weil erkämpfen wie einst 1977. kungen. Letztere wurden sogar gezwun- das Oberste Gericht sie aufgrund eines gen, ihre Gehhilfen abzulegen, um sich neuen Gesetzes nachträglich verlängert. • www.info-baskenland.de stehend durchsuchen zu lassen. Besu- Zu dieser Gruppe zählen zurzeit 53 Ge- cherinnen erklärten, wie Gefängnisbeam- fangene. Dadurch hat der ehemalige te versucht hätten, sie zu begrabschen. südafrikanische Freiheitskämpfer und Ähnlich verfuhren französische Gefäng- Friedensnobelpreisträger Nelson Man- nisbehörden. Hierauf reagierten beider- dela seinen Status als am längsten in- Anzeige seits der Pyrenäengrenze die betroffenen haftierter politischer Gefangener an den Tarifeinheit – Österreich – China – Chile Häftlinge. Im besten Fall verzichteten sie Basken Sagardui „Gatza“ verloren. Letz- Postvertriebsstück 12538, Entgelt bezahlt Winter 2010/2911 Nr. 170, 39. Jahrgang Nürnberg auf den Besuch; im ärgsten Fall began- teren mit seinen mittlerweile 30 Haft- Arbeiterstimme E Zeitschrift für marxistische Theorie und Praxis 3,– nen sie einen Hunger- und Durststreik, jahren als den „baskischen Mandela“ zu Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! um eine menschenwürdige Behandlung bezeichnen, wird seit 2010 in Spanien Das neue deutsche Wirtschaftswunder durchzusetzen. Zwei baskische Häftlinge als „Verherrlichung des Terrorismus“ ge- Miese Jobs, Hungerlöhne und Hubers Wahrheitskommission hatten mit dieser extremen Kampfmaß- ahndet. Dasselbe gilt für das Zeigen von nahme Erfolg. Photos der politischen Gefangenen. Un- Eine Familie muss im Durchschnitt geahndet bleibt hingegen, wenn Medien monatlich 1500 Euro aufwenden, um ih- ausführlich aus der Privatkorrespondenz ren eingesperrten Angehörigen besuchen von bestimmten Häftlingen zitieren oder zu können. Die mittlere Distanz, die sie anderweitig über sie herziehen.

für die Anreise bewältigen muss, liegt bei Diese Willkür im Äußeren spiegelt s scheint so, als sei der und BMW melden sensationelle Ver- de 10 Prozent werden die Ausfuhren Verlauf der Krise sowohl kaufszahlen“. nach China in diesem Jahr insgesamt von bürgerlicher Seite als Nicht unbedeutend an der Ent- steigen. Dabei gibt es alleine in der 750 km. Seit Beginn der „Zerstreuungs- sich im Innern der Knäste wider. Jegli- auch Evon der Linken völlig falsch ein- wicklung ist der Boom in China. Run- Fortsetzung auf Seite 3 Ausgeschätzt dem worden. Inhalt, Nr 170, Auch wir schätzten auf der JK im vergangenen Jahr noch ein, dass politik“ Ende der 1980er Jahre starben cher Kontakt nach außen wird überwacht. sich die ökonomische Krise verschär- Inhalt Winterfen würde und sich2010/2011: daraus größere gesellschaftliche Konflikte und kon- – Das neue deutsche Wirtschaftswunder S. 1 krete betriebliche Abwehrkämpfe 16 Familienangehörige bei Verkehrsun- Ein Fernstudium auf Baskisch und an – Die Jahreskonferenz der Gruppe S. 11 entwickeln würden. – DasIm Moment neue erleben wirdeutsche das – Zur Politischen EntwicklungWirtschaftswunder und zur Lage der Gruppe S. 12 Gegenteil. Die deutsche Industrie fällen. Für 2010 verzeichnete Etxerat 14 der Universität des Baskenlandes ist seit boomt und exportiert fast wie in den – Gesetzesinitiative zur Einschränkung des Streikrechts S. 14 Zeiten vor der Krise. Anfang Sep- – Dietember schwärmte Jahreskonferenz das Handelsblatt – Über den 19. Parteitag der DKP Gruppe S. 20 über diesen „wunderbaren Sommer“ Unfälle und für den gesamten Zeitraum ein paar Jahren verboten. Selbst wenn – Wahlen in Wien und der Steiermark S. 22 und schrieb: „Die Autoindustrie kann ihr Glück – Chinas Wiedereintritt in die große Geschichte und Wirtschaft S. 25 – Gesetzesinitiativekaum fassen. So schnell wurde noch nie zur Einschränkung ab 1989 summiert sich die Summe auf mehrere Basken im selben Gefängnis in- eine Krise bewältigt – Abwrackprämie – Die Erschaffung einer rechten Dominanz in Chile/Teil IV S. 31 war gestern. Vor allem Mercedes, Audi zirka 3000. haftiert sind, werden sie auf unterschied- des Streikrechts Zurzeit sitzen lediglich acht Mitglie- liche Trakte verlegt. Dabei unterscheidet – Über den 19. Parteitag der DKP der des EPPK in baskischen Haftanstal- die Gefängnisverwaltung nicht, ob es sich – Wahlen in Wien und der Steiermark ten ein. Weitere acht Gefangene befin- um das Mitglied eines ETA-Kommandos – Chinas Wiedereintritt in die große den sich im elektronisch überwachten handelt oder um eine Journalistin, die Geschichte und Wirtschaft Hausarrest, weil sie schwer krank sind. wegen ihrer publizistischen Arbeit, die – Die Erschaffung einer rechten Aufgrund ihrer schweren, in fünf Fällen das Gericht als „Zusammenarbeit“ mit Dominanz in Chile/Teil IV sogar terminalen Krankheit müssten sie der Organisation gewertet hat, einsitzt. – ... u.a. eigentlich freigelassen werden. Für sie gelten alle baskischen Gefange- Seit 1977 sind mindestens 21 politi- nen als „gefährlich“. Folglich bedeutet Bestellungen: sche Häftlinge im Knast gestorben, weil die Isolationshaft, die bestenfalls zwei T. Gradl, Postfach 910307, sie medizinisch nicht richtig versorgt Stunden Hofgang pro Tag vorsieht, die 90261 Nürnberg wurden. Dazu zählt sogar ein Tuberkulo- Regel. Die übrigen 22 Stunden verbringt oder: [email protected] se-Fall. Diese Krankheit gilt gemeinhin der Häftling in einer Mini- oder gar in als in Europa ausgerottet. einer Strafzelle. Die Arbeiterstimme erscheint Mit der „Zerstreuungspolitik“ (Dis- viermal im Jahr. Abonnement kostet Sondergesetze und persión) verfolgte Madrid einst zwei Zie- 13.– € (einschließlich Versandkosten). Sonderhaftbedingungen le: Erstens wollte man so das Kollektiv Über Förderabonnements (ab 20.– € sprengen; zweitens die Solidarität der aufwärts) sind wir sehr erfreut. Offiziell kennt das spanische Straf- Gesellschaft mit ihnen und ihren An- recht die lebenslange Freiheitsstrafe gehörigen beenden. Dass diese Politik www.arbeiterstimme.org

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„Krieg gegen Drogen“ als Instrument zur Unterdrückung der Opposition

Kampagne gegen das Verschwindenlassen in Mexiko gegründet

Autorinnenkollektiv a.s.a Pressekonferenz im Kulturzentrum der Freunde. Das Verschwindenlassen soll Universität von Mexiko erklärte die Kam- sie verunsichern. Die Angst, selbst zum/r pagne öffentlich ihre Ziele und stellte Betroffenen dieser Praxis zu werden, Unter dem Vorwand eines „Krieges das von ihr verfasste Handbuch „¿Qué ist allgegenwärtig, so sollen sie einge- gegen das organisierte Verbrechen“ hacer en caso de Desaparición Forzada?“ schüchtert werden, um sich nicht wei- („Was tun im Fall des Verschwindenlas- terhin in ihren politischen Zusammen- wachsen die Repressionen in Me- sens?“) vor VertreterInnen der Presse, hängen zu organisieren. Außerdem sind xiko. Zurzeit gibt es geschätzte verschiedenen Organisationen und Inte- Freunde und Angehörige meist nur noch 3000 Verschwundene. Seit dem ressierten vor. mit der Suche nach dem Betroffenen beschäftigt. Auch das Unwissen, ob je- Amtsantritt Felipe Calderóns im Zur Praxis des mand tot ist beziehungsweise wo er „ver- Jahre 2006 wurden rund 28.000 Tote Verschwindenlassens scharrt“ wurde ist sehr traumatisierend. gezählt. Diese Zahlen beruhen auf Oft suchen Angehörige noch nach 30 Jah- Menschenrechtsverletzungen, die in ren nach Verschwundenen. Schätzungen von Menschenrechts- Mexiko praktiziert werden, richten sich organisationen. Die mexikanische meistens gegen Personen, die sich in Situation in Mexiko sozialen Bewegungen engagieren, Men- Regierung weigert sich, den Fällen schenrechtsverteidigerInnen sowie kriti- Die steigende Gewalt im Rahmen nachzugehen und dokumentiert sie sche JournalistInnen, LehrerInnen und des Drogenhandels dient häufig zur noch nicht einmal. Menschenrechts- Frauen, die für ihre Rechte kämpfen. Verschleierung politischer Verbrechen. Diese sind konfrontiert mit willkürlichen Menschenrechtsverletzungen an sozialen verletzungen wie Verschwindenlas- Festnahmen, Folter und Misshandlun- AktivistInnen werden unter dem Deck- sen und Folter sind gängige Mittel gen sowie (Mord-)Drohungen, Entfüh- mantel eines Kampfes gegen die Dro- der mexikanischen Repressionsor- rungen und der Praxis des Verschwin- genkartelle legitimiert. Aktuell werden in denlassens. Das Verschwindenlassen Calderóns „Krieg gegen die Drogen“ etwa gane und der ihnen nahe stehen- ist weltweit als ein Verbrechen an der 40.000 Militärs und Bundespolizisten den paramilitärischen Gruppen. Menschheit anerkannt. Es verletzt funda- eingesetzt. Die Gelder, die die USA im mentale Menschenrechte wie das Recht Rahmen der „Initiative Merida“ oder des auf Freiheit, Würde und Sicherheit. Im „Plan México“ zur Bekämpfung des Dro- ■■ Das Verschwindenlassen war und ist Falle des Verschwindenlassens sind die genhandels beisteuern, fließen weiterhin eine gängige Praxis in vielen Ländern. Opfer den Repressionsorganen völlig aus- in deren Aufstockung, Ausrüstung und Insbesondere in lateinamerikanischen geliefert und können von ihrem Recht Bewaffnung. Militärdiktaturen und während der ver- auf menschenwürdige Haftbedingungen Verbessert hat sich an der Situation schiedenen Bürgerkriege wurden tausen- und Rechtsbeistand keinen Gebrauch jedoch nichts. Seit Anfang des Jahres de Menschen von staatlichen Repressi- machen. Sie unterliegen der „totalen“ sind über 3000 Menschen in Auseinan- onsorganen verschleppt und tauchten Verfügungsgewalt der „Entführer“ ohne dersetzungen zwischen Kartellen, Polizei meist nie wieder auf. Um auf diese Pra- jegliche Einflußmöglichkeit oder Einwir- und Militär getötet worden. Die Zahl der xis aufmerksam zu machen und sie zu kung von außen. Das ermöglicht sämt- Gewalttaten und Feminiziden in Ciudad diskreditieren wurde von der „Federa- liche Foltermethoden (oft auch sexuelle Juárez, einem der wichtigsten Zentren ción Latinoamericana de Asociaciones Gewalt und Vergewaltigungen) und soll des Drogenhandels, steigt weiter an. Die de Familiares de Detenidos-Desapare- das „Opfer“ schneller brechen, um so von verschiedenen Menschenrechtsor- cidos“ (FEDEFAM) der 30. August als an Informationen über seine politischen ganisationen mit den Drogenkartellen internationaler Tag der Verschwundenen Zusammenhänge zu bekommen. Die psy- in Verbindung gebrachten Frauenmorde ausgerufen. chischen Belastungen für die Betroffenen bleiben weiterhin ungestraft. Am 30. August 2010, dem internati- sind enorm. Auch der Tod wird in Kauf Die engen Verbindungen zwischen onalen Tag der Verschwundenen, grün- genommen, da es für diesen im Nachhin- Kartellen, Polizei und Politik lassen dete sich in Mexiko-Stadt die „Cam- ein keine Beweise gibt. wenig Hoffnung auf eine Veränderung paña Nacional Contra la Desaparición Verletzt werden nicht nur die Men- der Situation. Stattdessen werden im- Forzada“ („Nationale Kampagne gegen schenrechte der betroffenen Person, mer wieder soziale AktivistInnen als ver- das Verschwindenlassen“). Auf einer sondern auch die der Angehörigen und meintliche HändlerInnen von Drogen und

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Waffen festgenommen, häufig gefolgt geworden sind, um soziale Bewegungen akademischen Experten geschaffen wer- von deren Verschwinden oder Tod. Diese und politische Organisationen im Land den, um auch auf dieser Ebene gegen Strategie der Vertuschung kann als ein zu schwächen. das Verschwindenlassen vorzugehen und entscheidender Grund dafür angesehen InitiatorInnen der Kampagne sind das Fälle mit rechtlicher Absicherung zu do- werden, dass die mexikanische Regierung „Comité Monseñor Romero“, „Comité kumentieren und zu verfolgen. in den letzten Jahren das Entführen und Cerezo México“, „Comité Hasta Encont- Verschwindenlassen von AktivistInnen ralos“ sowie „Nacidos en la Tempestad“, Was tun im Fall des verstärkt praktiziert hat. So bleibt die zusätzlich stehen weitere sechzig Or- Verschwindenlassens? Zahl der statistisch erfassten politischen ganisationen sowie 23 Einzelpersonen Gefangenen niedrig und das Bild eines als UnterstützerInnen hinter der Kam- Unter diesem Titel ist von den Ini­ demokratischen Staates wird gewahrt. pagne. Diese Organisationen sind von tiatorInnen der Kampagne ein Hand- Die Anerkennung und Durchsetzung der Opfern von politischer Gefangenschaft buch herausgegeben worden, das sich Menschenrechte ist Bedingung für alle oder des Verschwindenlassens und von mit der Praxis des Verschwindenlassens wichtigen wirtschaftlichen und politi- Angehörigen ins Leben gerufen wor- auseinandergesetzt, um damit zu kon- schen Beziehungen im internationalen den, kommen aus sozialen Bewegungen frontieren und sich dagegen zu wehren. Staatengefüge. oder sind Menschenrechtsorganisatio- Das Handbuch definiert zunächst genau, Um verfassungswidrige Repressionen nen. Das Hauptziel der Kampagne ist was die Praxis des Verschwindenlassens und Verbrechen gegen die Menschen- der Zusammenschluss und Austausch beinhaltet und benennt diese deutlich rechte durchführen zu können, als ein Verbrechen an der schaffen die Repressionsorga- Menschheit. Auch wird ne einen rechtsfreien und nicht sich mit den psychologi- sichtbaren Raum, der der globa- schen, sozialen sowie so- len Öffentlichkeit entzogen ist. zioökonomischen Folgen Zu den Feierlichkeiten anlässlich des Verschwindenlassens von 200 Jahren Unabhängigkeit auseinandergesetzt. Si- und 100 Jahren mexikanischer cherheitsaspekte für Fa- Revolution rühmte sich der mexi- milien und Angehörige kanische Staat seiner fortschritt- werden benannt und es lichen Verfassung. In diese hat werden Tipps gegeben, wie Mexiko die internationalen Men- man sich als Angehörige schenrechte aufgenommen und verhalten kann. Ein Kapi- eine nationale Komission der tel widmet sich der Praxis Menschenrechte gegründet, die des Verschwindenlassens theoretisch jede Klage und An- als ein repressiver Mecha- zeige auch gegen Behörden und nismus des mexikanischen staatliche Institutionen verfol- Staates und setzt sich mit gen muss. Um die Konventionen „Kein Vergessen“ und „Verurteilung und Bestrafung“: Die Paro- den politischen Dimensio- len der Angehörigen. zu umgehen, entführt der Staat nen auseinander. Menschen in verfassungsferne Situati- zwischen Menschenrechtsorganisationen, Der zweite Teil des Heftes besteht onen, in denen Verbrechen wie Folter sozialen Bewegungen, Betroffenen und aus konkreten Tipps, was man im Fall nicht verfolgt werden können, da ihre deren Angehörigen, um so der Vereinze- des Verschwindenlassens und als Op- Existenz zum Beispiel im Falle des Ver- lung der Opfer etwas Gemeinschaftliches fer einer Entführung für Maßnahmen schwindenlassens systematisch geleug- entgegenzusetzen. Die Kampagne will ergreifen kann. So werden eine Reihe net wird. Angehörige motivieren sich zu wehren von rechtlichen Mitteln aufgezeigt, die und sowohl juristisch als auch öffentlich man verfolgen kann. Gleichzeitig wer- Campaña Contra la Desapari- die Regierung anzuklagen. Es soll ein den praktische Tipps gegeben, wie man ción Forzada – Kampagne ge- Netzwerk geschaffen werden, in dem sich Öffentlichkeit schaffen kann (Tipps für gen das Verschwindenlassen Betroffene und Angehörige austauschen die Erstellung von Pressemitteilungen können, um mit ständigen Drohungen bis hin zur Initiierung einer Kampagne), Am 30. August wird international al- und Einschüchterungen nicht alleine Aktionen macht und eine Mobilisierung ler Verschwundenen gedacht. Die Kampa- umgehen zu müssen und mit ihren For- startet. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist gne wählte diesen Tag, um an die Öffent- derungen gemeinsam an die „Öffentlich- die Kontaktaufnahme zu internationalen lichkeit zu gehen und ihren Forderungen keit“ zu gehen. Menschenrechtsorganisationen, für die nach Gerichtsbarkeit und Bestrafung der Desweiteren wird die Kampagne ver- Tipps und AnsprechpartnerInnen benannt Verantwortlichen Nachdruck zu verlei- suchen eine Datenbank anzulegen, in werden. hen. Sie macht darauf aufmerksam, dass der alle Fälle des Verschwindens do- Bis jetzt ist dies ein einzigartiges Do- auch in Mexiko das Verschwindenlassen kumentiert und erfasst werden. Diese kument in Mexiko, das es schafft, alle und die damit einhergehenden Folterun- soll dann allen interessierten Organisa- Aspekte und Elemente der Praxis des Ver- gen und Freiheitsberaubungen zu einem tionen im Land zur Verfügung stehen. schindenlassens zusammenzufassen. Aus gängigen Mittel repressiver Staatspolitik Es soll ein Forum mit juristischen und finanziellen Gründen hat die Kampagne

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zunächst nur 500 Hefte gedruckt und der „Nationalen Kampagne gegen das stillschweigend hinzunehmen, sich da- verteilt diese gegen Spende. Es ist aber Verschwindenlassen“ leisten die Orga- gegen zu wehren und für eine gerechtere eine weitere Auflage geplant, damit die nisationen eine dringend notwendige Welt einzutreten. Informationen im ganzen Land verbrei- politische Arbeit in Mexiko, sind dabei tet werden können. Ziel ist es auch, das selbst ständig Repressionen ausgesetzt, Heft über die Grenzen Mexikos hinaus in werden bedroht und laufen Gefahr selbst • Weitere Informationen andere lateinamerikanische Länder zu Opfer zu werden. Die Zunahme der Ver- www.desaparecidosmexico.ya.st verteilen. Denn auch dort sind tausende brechen in Mexiko zeigt nur, wie wichtig (Spanisch) Menschen Opfer dieses Verbrechens. es ist, sich zusammenzuschließen und zu www.comitecerezo.org Mit diesem Heft und der Gründung vernetzen, um diese Staatspolitik nicht (Auch auf Deutsch) „Die Zahl der Verschwundenen kann nicht genau benannt werden“ Interview mit Antonio Cerezo vom Comité Cerezo aus Mexiko

für MenschenrechtsverteidigerInnen, so- ziale Organisationen und für Angehöri- ge von Gefangenen“. Außerdem haben wir ein kleines Handbuch zur Sicherheit von MenschenrechtsverteidigerInnen und zivilen Organisationen herausgebracht Wir sind nicht alle, und beteiligen uns an der „Campaña Na- es fehlen die cional Contra la Desaparición Forzada“ Gefangenen! („Nationale Kampagne gegen die Praxis des Verschwindenlassens“). Innerhalb dieser Kampagne haben wir ein Hand- buch unter dem Titel „Was tun gegen die Praxis des Verschwindenlassens?“ herausgebracht, welches wir auf einer Pressekonferenz vorgestellt haben und nun im Land verbreiten. Unsere Hauptaufgabe innerhalb der Kampagne ist es, organisierte Gruppen in ihren verschiedenen Kämpfen zu un- Anita Starosta illegitimen Verhaftungen für die Ver- terstützen. Außerdem begleiten und un- teidigung und Freiheit dieser Gewis- terstützen wir Menschen, die aus politi- sensgefangenen eingesetzt. Es waren schen Gründen in Gefangenschaft sind. Wer ist das Comité Cerezo, wann und hauptsächlich FreundInnen aus der Uni- warum habt ihr euch gegründet und was versität die sich zur Solidaritätsarbeit Wie ist die Situation für politische Gefan- ist Eure politische Arbeit? zusammengefunden haben, da wir drei gene und Verschwundene in Mexiko heute? Brüder zu dem Zeitpunkt Studenten an Antonio Cerezo: Das Comité Cerezo ist der Universidad Nacional Autónoma de Wir haben vier dokumentierte Fäl- eine Menschenrechtsorganisation, das México (UNAM) waren. Mit dieser Arbeit le von politischer Gefangenschaft, also heißt wir verteidigen Menschenrechte hat sich das Komitee nach und nach zu Menschen, die den legalen Rahmen und setzen uns für diese ein. Wir haben einer Menschenrechtsorganisation etab- überschritten haben und im bewaffne- uns als Organisation Ende 2001 gegrün- liert und sich auch am Kampf für andere ten Kampf aktiv waren. Zurzeit haben det, als Reaktion auf die illegalen und Gewissensgefangene beteiligt, wie zum wir 125 Gewissensgefangene dokumen- unrechtmäßigen Festnahmen von Alejan- Beispiel im Fall der (politischen) Gefan- tiert. Diese Gefangenen haben sich nicht dro, Héctor und Antonio Cerezo Contreras genen von Atenco (1). am bewaffneten Kampf beteiligt, son- sowie Pablo Alvarado Flores. Uns Vieren Kommen wir nun zu unserer aktuellen dern sind wegen ihren politischen Ideen wurde unter fadenscheinigen Begründun- politischen Arbeit. Wir geben verschiede- zu Gefangenen geworden. Die Zahl der gen vorgeworfen, Sprengkörper in drei ne Workshops/Seminare zu Themen wie Verschwundenen kann nicht genau be- Bankfilialen in Mexiko-Stadt platziert zu „Menschenrechte im politischen Kampf“, nannt werden. Es gibt eine Dunkelziffer, haben. „Dokumentation von Menschenrechtsver- also eine Zahl von Menschen bei denen Das Comité hat sich nach diesen letzungen“ oder „Sicherheitsmaßnahmen man vermutet, dass sie aus politischen

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Gründen ver- das Handbuch wird in anderen Bundes- konkreten Fälle der Gefangenen in Me- schwunden staaten neu aufgelegt, so zum Beispiel in xiko zu informieren. Wir pflegen dazu sind, es gibt Michoacán, dort haben sie 300 gedruckt drei Internetseiten: comitécerezo.org, aber keine ent- und verteilt, darüber hinaus fangen sie vientodelibertad.org und revistarevuelta. sprechenden an mit Familienangehörigen von Gefan- org. Wir versuchen mit Hilfe deutscher Zahlen, die dies genen und Verschwundenen zu arbeiten GenossInnen, einige Texte ins Deutsche dokumentieren. und diese Fälle zu dokumentieren. An- zu übersetzen, damit die Sprachbarriere In unserem Land dere Bundesstaaten Mexikos, in denen nicht mehr so groß ist. spricht man von drei Millionen Ver- das Handbuch vorgestellt und verteilt Außerdem kann man Urgent Actions, schwundenen im Zusammenhang mit wurde, sind Hidalgo, Veracruz, Chiapas die das Komitee herausgibt, wenn Mit- dem Kampf gegen den Drogenhandel, der und Guerrero. glieder überwacht, bedrängt oder bedroht von der aktuellen Regierung forciert wird. werden, unterzeichnen. Ihr könnt von Es ist das erste Mal, dass eine Gruppe in eurer eigenen Regierung einen strikteren Wie du schon erwähnt hast, ist das Comité Mexiko ein Handbuch für Betroffene und Umgang mit der mexikanischen Regie- Cerezo Mitglied in der „Campaña Nacio- Angehörige von Gefangenschaft und der rung fordern, wenn diese Menschenrech- nal Contra la Desaparición Forzada“. Diese Praxis des Verschwindenlassens herausge- te verletzt. hat sich am 30. August (internationaler geben hat. Wie ist die Resonanz der Leute? Eine andere Möglichkeit ist es uns Tag der Verschwundenen) letzten Jahres zu spenden, wir sind eine Organisation gegründet. Was habt ihr bis jetzt gemacht Ja, soweit wir wissen ist es das erste die keinerlei finanzielle Unterstützung und was sind Eure Ziele? Mal in Mexiko. Die Menschen haben da- vom Staat oder internationalen Gremien rauf gewartet, die erste Auflage von 500 erhält. Unsere politische Arbeit finan- Das Hauptziel der Kampagne ist es, Stück war in weniger als einem Monat zieren wir mit einer kleinen Cafeteria in möglichst viele Menschen darauf auf- vergriffen und es gibt immer noch Nach- der Universität, wo wir und GenossInnen merksam zu machen, dass die Praxis fragen. Diese hohen Nachfragen sind unentgeltlich arbeiten. Außerdem erhal- des Verschwindenlassens in Mexiko im- leider der traurige Beweis dafür, dass ten wir Spenden von Leuten, die an die mer noch angewandt wird. Außerdem die Fälle von Gefangenschaft und des Dringlichkeit unserer Arbeit glauben. Die wollen wir Instrumente schaffen, die Verschwindens immer noch sehr präsent Daten um uns zu spenden befinden sich Angehörigen von Gefangenen oder Ver- sind und ansteigen. auf unserer Homepage. schwundenen helfen. Mit diesen Zielen im Hinterkopf haben wir das Handbuch Wie können die Menschen hier in Deutsch- Vielen Dank für das Interview, Antonio. „Was tun im Fall des Verschwinden- land die Arbeit des Comités sowie die politi- lassen?“ herausgegeben und öffentli- schen Gefangenen in Mexiko unterstützen? che Pressekonferenzen in verschiedene (1) Im Mai 2006 kam es zu schwere Auseinanderset- zungen zwischen politischen AktivistInnen und der Städten des Landes gemacht, um dieses Wichtig ist sich zu informieren, Polizei in der Stadt Atenco. 3000 Polizisten drangen vorzustellen. was wir als Komitee für aktuelle politi- in die Stadt ein, es gab hunderte Verhaftungen und Verletzte, brutale Gewalt gegen EinwohnerInnen und Unsere Aktivitäten gehen weiter und sche Arbeit machen und sich über die AktivistInnen. (Anmerkung der Interviewerin)

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„WiR sind Ein Bild dER Zukunft – auf dER stRassE schREiBEn WiR GEschichtE“ Edition PRoVo Band 1 Texte zur griechischen Revolte 2008 bis 2010.

Im Dezember 2008, nach der Erschiessung eines 15-jährigen Schülers durch die Polizei begann die Revolte in Griechenland. Es war mehr als ein Protest

gegen die alltägliche Gewalt der Einsatzbereitschaften. Innerhalb weniger Edition Provo Tage verwandelte sich der Protest einzelner zur Revolte gegen das gesamte Gesellschaftssystem. Der Widerstand gegen Repression und soziale Deklassie- rung erfasste das gesamte Land. Die Revolte dauerte bis ins Frühjahr 2010.

„Genau wie wir über keine offizielle Geschichte der Pariser Kommune oder der Spanischen Revolution verfügen, ist dies hier nicht die Geschichte des griechischen Aufstands. Durch Fragmente, Gerüchte, Mythen und Erzählungen findet diese soziale Revolte ihren direkten Weg in die Herzen und Köpfe der Menschen der Zukunft.“

Was im Dezember 2008 begann ist nicht zu Ende. Die Revolte der vergange- nen 24 Monate hat nur eine Atempause eingelegt, es war nur der Beginn des kommenden Aufstands.

366 Seiten, zahlreiche Bilder, Preis: 24,90 Euro, ISBN: 978-3-942281-82-9

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azadi Informationen des Rechtshilfefonds

DIE ROTE HILFE I 1/2011 für Kurdinnen und Kurden in Deutschland

Der Rechtshilfefonds AZADI unterstützt Kurdinnen und Kurden, die in Deutschland im Zuge

ihrer politischen Betätigung mit Strafverfolgung bedroht werden.

AZADI e.V. I Graf-Adolf-Straße 70a I 40210 Düsseldorf I Telefon 0211/830 29 08 I Fax 0211/171 14 53

[email protected] I www.nadir.org/azadi/ I V.i.S.d.P. Monika Morres (Anschrift wie AZADI e.V.)

Spendenkonto GLS Gemeinschaftsbank e.G. I BLZ 430 60 967 I Konto 80 35 78 26 00

II. Internationale Fachtagung „Der so genannte Anti-Terror-Kampf am Bei- spiel der Kurdinnen und Kurden – Praxis im europäischen Rechtsraum“: Verknüpfung von politischem und und juristischem Wirken notwendig

Vom 10. bis 12. Dezember 2010 fand in Bonn die II. Inter- nationale Fachtagung mit dem Titel „Der so genannte Anti- Interpol und EU-weite Repression Terror-Kampf am Beispiel der Kurdinnen und Kurden – Die gegen kurdische Bewegung Praxis im europäischen Rechtsraum“ statt. Sie war organisiert vom kurdisch-deutschen „Verein für Demokratie und interna- tionales Recht“ (MAF-DAD) und vom Rechtshilfefonds AZADÎ Die Ersuchen der türkischen Justizbehörden nach Auslie- und wurde mitgetragen von der „Vereinigung demokratischer ferung von kurdischen und türkischen Oppositionellen aus Juristinnen und Juristen e.V.“ (VDJ), der „Europäischen Ver- Ländern der EU in die Türkei und in diesem Zusammenhang einigung Jurist_innen für Demokratie und Menschenrechte die Rolle von Interpol, ihre rechtlich höchst fragwürdige und weltweit“ (EJDM) sowie der „Internationalen Liga für Men- intransparente Vorgehensweise, waren Diskussionsgegenstand schenrechte e.V.“ (ilm), finanziell unterstützt auch von der der Tagung. Dies machte die Mitarbeiterin von MAF-DAD, Roten Hilfe. Die Veranstaltung war die Fortsetzung des ersten Bernadette Casu, in ihrem Referat deutlich. Zu dieser The- Zusammentreffens im November 2009. matik hat sie im Rahmen ihres Jura-Studiums eine Studie erarbeitet und auf der Tagung vorgestellt.

Politische Schauprozesse und Angriffe auf Anwälte Die Rechtsanwälte Martin Pradel aus Frankreich, Jan Fer- mon aus Belgien, Mario Angelelli aus Italien und Rainer Ahues aus der BRD berichteten über die insbesondere seit Zu Beginn der Tagung informierten die Rechtsanwälte aus Anfang 2010 durchgeführte EU-weit koordinierte strafrecht- der Türkei, Cihan Aydin, Muharrem Sahin, Faik Özgür Erol liche Verfolgung von politisch aktiven Kurd_innen, gegen und Ibrahim Bilmez über die politischen Hintergründe der im kurdische Einrichtungen wie den Fernsehsender ROJ-TV, Oktober 2010 in Diyarbakir eröffneten Schauprozesse gegen den Kurdischen Nationalkongress oder den KONGRA-GEL. Dutzende ParteivertreterInnen, Bürgermeister, Menschen- Dieser Politik müsse mit Entschiedenheit begegnet werden rechtlerInnen, Kinder, Jugendliche sowie gegen deren Vertei- und Möglichkeiten zu deren Überwindung gefunden werden. diger. Von der Kriminalisierung betroffen sind auch die mit Rechtsanwalt Rainer Ahues erläuterte die Geschichte sowie über 230 Prozessen überzogenen Rechtsanwälte von Abdullah die verfassungsrechtlichen und administrativen Aspekte des Öcalan, die mit mehrjährigen Haftstrafen bedroht werden. Al- PKK-Verbots und verwies darauf, dass die Rücknahme einmal len Beschuldigten wird vorgeworfen, sich kommunalpolitisch erlassener Verbote in Deutschland keine Tradition habe und oder international im Sinne der PKK engagiert und sie auf nannte beispielhaft das KPD-Verbot von 1956, das bis heute diese Weise unterstützt zu haben oder unterstellt ihnen PKK- nicht aufgehoben sei. Übereinstimmend waren die Anwälte Mitgliedschaft. Dieser Auffassung widersprechen die Anwälte der Auffassung, dass dieser Kriminalisierungspraxis auch vehement. Weil den Anklageschriften die juristische Grund- mit juristischen Mitteln begegnet werden müsse. Über die lage fehle, seien faire Verfahren nicht möglich. Außerdem Versuche der bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden, das würden die Rechte der Verteidiger massiv beschnitten. Ihren Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit der EU-Terrorliste Angaben zufolge sind seit April 2009 mehr als 1700 Men- gegen politische Aktivist_innen anzuwenden, referierte die schen in Haft genommen worden. Die politischen Gefangenen Hamburger Anwältin Britta Eder, die als Verteidigerin in ein in der Türkei sind den Schilderungen von Rechtsanwalt Faik §129b-Verfahren gegen die linksgerichtete türkische DHKP-C Özgür Erol zufolge menschenrechtswidrigen Sonderhaftbedin- vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf involviert ist. Mit der gungen und Folterungen ausgesetzt, vor denen selbst Kinder Rechtswidrigkeit des Anliegens hatte sich auch der Europäi- und Jugendliche nicht verschont werden. sche Gerichtshof (EuGH) befasst und entschieden, dass die Aufnahme der DHKP-C (und aller anderen Organisationen) auf die EU-Terrorliste zumindest bis Ende Juni 2007 ungültig

Azadi

azadi Informationen des Rechtshilfefonds war und eine Strafbarkeit in allen Fällen darauf nicht gestützt verweigerte und die jahrelang unter den harten Sanktionen werden kann. leiden mussten, müssen sofort von der Liste gestrichen und für den ihnen zugefügten Schaden entschädigt werden. DIE ROTE HILFE I 1/2011 für Kurdinnen und Kurden in Deutschland - Das kontraproduktive bundesdeutsche PKK-Betätigungs- PKK von EU- und UN-Terrorlisten streichen verbot ist aufzuheben – wegen der fatalen Auswirkungen auf die (gewalt)freie politische Betätigung, die Organisations-, Meinungs- und Pressefreiheit von Kurden, deren Integration Die Professoren Amir Attaran aus Ottawa/Kanada und Bill dadurch massiv behindert wurde/wird. Die Verbotsaufhebung Bowring von der Sozialistischen Anwaltsvereinigung Englands ist ohne Verlust an Sicherheit möglich, zumal auch PKK und berichteten über das undemokratische und rechtlich nicht le- Folgeorganisationen einen friedlichen Lösungsweg suchen, gitimierte Zustandekommen der EU- und UN-Terrorlisten und auf dem ihnen eine nicht zu unterschätzende Rolle zugedacht deren Unkontrollierbarkeit. Professor Attaran demonstrierte werden muss. Wir brauchen einen offenen und kritischen am Beispiel der unglaublichen Odyssee eines Mannes, der Dialog mit der kurdischen Seite innerhalb der EU, in der ohne sein Wissen auf die Terrorliste gesetzt wurde, wie ein Bundesrepublik und anderen EU-Mitgliedstaaten mit hohem Staat mit allen Mitteln versucht, das Leben eines Menschen kurdischen Bevölkerungsanteil – also einen politischen Um- zu zerstören. Nur durch das große und beharrliche Engage- gang ohne Stigmatisierung, Kriminalisierung, Ausgrenzung ment eines Solidaritätskreises konnte das verhindert und und Berührungsängste, wie wir sie immer noch erleben. nachgewiesen werden, dass der Betreffende das Opfer einer - EU und Bundesregierung tragen Verantwortung für die Namensverwechslung geworden war. Beide Juristen forderten weitere Entwicklung. Deshalb sind sie aufgefordert, die Kur- ein konsequentes Vorgehen gegen die Listen, deren Abschaf- den- und Minderheitenfrage in der Türkei unter Beteiligung fung das Ergebnis sein müsse. kurdischer Vertreter unverzüglich und mit Nachdruck auf die Der stellvertretende Vorsitzende von MAF-DAD, Rechtsanwalt Agenda der EU-Beitrittsverhandlungen zu setzen, um – trotz Mahmut Sakar, informierte über die am 19. Oktober 2010 in aller Rückschläge - eine demokratische, menschenrechtskon- Brüssel vorgestellte Kampagne „Europäische Juristinnen und forme und gerechte Lösung in der Türkei weiter zu forcieren. Juristen fordern Streichung der PKK von der EU-Terrorliste“. Denn die kurdische Frage und die Menschenrechtsfrage sind Bis Mai 2011 sollen weitere Unterschriften zur Unterstützung und bleiben die Schlüsselfragen eines EU-Beitritts der Türkei. gesammelt und anschließend dem EU-Ministerrat übergeben werden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung beschlie- ßen Vernetzung und Informationsaustausch; Protestschreiben Rechtsanwalt Hans Werner Odendahl sprach über eine am an Ministerpräsident Tayyip Erdogan und Justizminister Er- 9. November vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gin wegen der KCK-Verfahren und der Kriminalisierung der getroffene Entscheidung zu der Frage, ob ehemalige Guerilla- Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Forderung nach kämpfer_innen von PKK bzw. DHKP-C prinzipiell vom Schutz Freilassung der inhaftierten Angeklagten; Delegationsreisen der Genfer Flüchtlingskonvention ausgeschlossen werden dür- zur Beobachtung der Prozesse; Protestbrief an die britische fen. Nach dem 11. September 2001 wurden in das deutsche Regierung sowie Solidaritätserklärung zu 16 Mitgliedern der Asylverfahrensgesetz bestimmte Ausschlussklauseln gesetzt. kurdischen Community in London, die vom britischen Ge- Der Begriff der „politischen Verfolgung“ wurde umdefiniert heimdienst MI5 bedroht worden sind; Bildung einer Arbeits- und Asylwiderrufe hierauf gestützt. Odendahl erläuterte die gruppe zum Thema Interpol und Auslieferungsersuchen sowie Auswirkungen und den weiteren Verfahrensweg nach der Ent- eine AG zur Erarbeitung von Vorschlägen für das Tribunal- scheidung des EuGH in der BRD. Projekt. Die im Oktober gestartete Unterschriftenkampagne „Europäische Juristinnen und Juristen zur Streichung der PKK von der EU-Terror-Liste“ wird bis Mai 2011 fortgesetzt. Tribunal zu Kriminalisierung und In diesem Zusammenhang sollen weitere juristische und po- Unrecht gegen kurdische Bewegung litische Schritte gegen die Indizierung der PKK auf den EU- und UN-Terrorlisten, die Aufhebung der Verbotspolitik gegen die kurdische Befreiungsbewegung und die Verteidigung des Überlegungen zu einem „Tribunal gegen die Verbotspolititik Rechts auf Selbstbestimmung im Zentrum der Überlegungen der deutschen und anderer EU-Regierungen gegenüber der zur Lösung der kurdischen Frage stehen. kurdischen Befreiungsbewegung“ stellten die Rechtsanwälte Dr. Fabio Marcelli aus Italien und Jan Fermon aus Belgien vor. „Die Legitimität von Widerstand gegen gravierendes Unrecht soll einer weiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, so Fermon. Dies gelte mit Blick auf die deutsche und inzwischen auch auf andere EU-Länder ausgeweitete Verbotspolitik gegen die kurdische Befreiungsbewegung und die Stigmatisierung der PKK als Terroristenorganisation. Ferner müsse sowohl das Recht der kurdischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung als Eckpfeiler internationalen Rechts festgelegt als auch die Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft für die Lösung der kurdischen Frage ins Zentrum der Diskussion gestellt werden. Nötig sei eine Verknüpfung von politischem und juristischem Wirken, um der weltweiten „Anti-Terror-Politik“ eigene Vorstellungen und Strategien entgegenzusetzen.

In seinem Grußwort benannte Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner, Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und Vorstandsmitglied von MAF-DAD e.V., unter anderem seine Forderungen:

- Die rechtsstaats- und menschenrechtswidrige EU-Terror- liste ist unverzüglich abzuschaffen. Die Betroffenen, die Am Podium der Kollege aus der Türkei, Cihan Aydin, von Anfang an zu Unrecht auf diese Terrorliste gesetzt wur- der zum Thema „KCK-Verfahren“ referiert hat. den, denen man das rechtliche Gehör und den Rechtsschutz

DIE ROTE HILFE 1/2011 61 Get Connected

Gesichtsbuch in Staatshand

Der elektronische Personalausweis als biometrisches Erfassungsinstrument

Regierung wesentlich selbst diktiert, sie an anderen Orten im Wesentlichen von Datenschutzgruppe der können also auch nicht als Motivation vorneherein fest. Ebenso klar war bereits Roten Hilfe Heidelberg herhalten. zu Beginn, wie die Erkennungs- und Irr- Nein, im Vordergrund stehen zwei tumsraten zu verbessern gewesen wären: Gründe. Der harmlosere läuft unter dem Besseres „Enrollment”, also mehr Daten Großtitel Industriepolitik (um hässli- von den zu erkennenden Personen. Mit che Wörter wie sicherheits-industrieller ein paar Dutzend Fotos pro Person, aus Seit November 2010 ist der Komplex oder Korruption zu vermeiden) verschiedenen Positionen und vielleicht Personalausweis der Bundesrepublik – der Industriezweig, der „Sicherheits- mit verschiedener Beleuchtung, hätten lösungen“ verkaufen will, ähnelt inzwi- die Rechner ein erheblich besseres Bild Deutschland „elektronisch” schen insoweit der Waffenindustrie, als abgegeben. und heißt drum ePA oder, nach er die politischen Entscheidungen sei- Stattdessen war Bedingung des BKA: Regierungs-Neusprech, nPA, weil ner Kunden ganz wesentlich beeinflusst. Ihr müsst auskommen mit – Überra- Die Technologie hinter dem ePA soll Ex- schung – einem „biometrischen” Pass- „neu” offenbar positiver konnotiert portschlager werden, seine bundesweite bild, beschrieben in enger Analogie zur ist als „elektronisch”. Nun dürfen Einführung ist kräftige Subvention und Verordung über den ePA. Eigentliches die Untertanen gar nicht mehr kostenlose Werbung in einem. Da in Pro- Ergebnis des Fotofahndungs-Versuchs ist duktdenke mehr Features mehr Markter- also mitnichten die alte Erkenntnis, dass lächeln, wenn sie Ausweisfotos folg versprechen, ist sekundär, ob all der Gesichtserkennung so nicht funktioniert, machen: Sowohl Pass als auch in das System reingebastelte Kram nötig sondern megabyteweise Trainingsdaten oder auch nur verträglich mit Menschen- für die Industrie, die damit funktionie- Personalausweis brauchen jetzt rechten ist. rende Anwendungen von Gesichtserken- „biometrische Bilder”. Diese Während solche Nummern in entwi- nung entwickeln kann. landen in einem RFID-Chip und ckelten Demokratien nur Achselzucken auslösen dürften, ist der andere Grund Ein paar Beispiele für beim Meldeamt – und dann? sinistrer: Es geht um eine erkennungs- solche Systeme: dienstliche Behandlung der Gesamtbe- völkerung. Dieses gewaltige Kontrollpro- – „optimierte” Videoüberwachung: ■■ Vorneweg: Um die beim ePA auch jekt hat am Schluss nicht ganz geklappt, Die armen Überwacher sitzen nicht sel- neue Auslesbarkeit digitaler Daten mit weil die Erfassung der Fingerabdrücke ten vor Dutzenden von Monitoren. Es Ausweis per Funk („RFID”) geht es uns in der gesetzgeberischen Zielgeraden wäre doch nützlich, wenn sie blaue Rah- hier nicht. Dazu gab es schon einen Ar- „optional” wurde – dank an die an der men für Verkehrssünder im Sichtfeld tikel in RHZ 2/06, und es scheint auch, damaligen Datenschutz-Empörung Betei- bekommen könnten, rote bei linken Ze- als sei die Obrigkeit an solchen Tricks ligten – und mithin wohl niemand, der/ cken und grüne bei LadendiebInnen. Die zunächst vor allem interessiert, weil der die noch ganz bei Trost ist, die große erhebliche Fehlerrate stört dabei nicht Ausweis ohne Kontakte robuster ist. Je- ED-Behandlung auf sich nehmen wird. wirklich, eine Hilfe ist sowas fast in je- denfalls sind vorläufig keine Pläne be- Doch die Entwicklung der Technologie dem Fall. kannt, ePA-Portale zu bauen, die nach wurde natürlich trotzdem subventioniert, – Unterstützung für die BFE: Die „Be- dem Muster der Mautbrücken einfach andernorts besteht ja Nachfrage. Sowieso weis- und Festnahmeeinheiten” der po- alle durchgehenden Identitäten erfassen. kann ja noch kommen, was noch nicht lizeilichen Prügelabteilungen könnten Die Sorte RFID-Chip, die mit ePA ver- ist. ein Gerät haben, das sie auf ein Gesicht baut ist, macht so was auch nicht gerade Zur Einordnung der Totalerfassung richten und das ihnen dann ein paar Hy- einfach. Wenn also RFID-basiertes Bewe- „biometrischer” Fotos ist eine Rückschau pothesen sagt, wer es sein könnte, samt gungsprofiling kommen sollte, dann nicht auf das Projekt „Fotofahndung” nützlich, zugehörigen Auszügen aus diversen Po- bald und nur als Kollateralnutzen. das das BKA 2006/07 im Hauptbahnhof lizeidatenbanken. Auch wenn dabei ein Aber natürlich ist auch der offizielle von Mainz laufen hatte. Dabei sollten paar Dutzend Namen rauskommen: Nach Grund, bessere (Fälschungs-) Sicherheit Testsysteme einer Handvoll Hersteller dem Datenbankabgleich sollten sich die nämlich, nicht stichhaltig – die Haupt- aus dem Strom der BahnhofsnutzerIn- „interessanten” Fälle schnell finden – lücken hier lagen schon bisher eher im nen per Kamera bestimmte Gesichter ein Glück, dass Vermummung in diesem administrativen Bereich, und das wird si- herausfinden. Das Projekt wurde später Land ja schon illegal ist. cher nicht besser, wenn mehr komplizier- öffentlich als mehr oder minder geschei- – „weiche” Bewegungsprofile: Aus im ter Computerwahnsinn im Spiel ist. Die tert abgeschrieben. Dieses Ergebnis Einzelnen unsicheren Daten kann durch EU-Vorgaben wiederum hat die Berliner stand indes nach ähnlichen Versuchen Korrelation mit anderen ein scharfes Bild

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werden. So könnten etwa Kameras einen niedrigere Spezifität hat, also eher mal (im Gimp hilft Werkzeuge/Maßband, um beständigen Strom von erkannten Per- einen falschen Alarm gibt – und umge- den Skalierungsfaktor auszurechen; den sonen liefern. 90 Prozent dieser Erken- kehrt. Dabei sind Fehler nicht immer Faktor könnt ihr mit Skalierungsdialog nungen können unsinnnig sein, und 60 schlimm: Zwar ist eine Fotofahndung, die eingeben, wenn ihr als Einheit Prozent Prozent der Personen, die durchlaufen, ständig Alarm gibt, unbrauchbar. Wenn auswählt). Die Einzelbilder, die ihr in nicht erkannt werden. Wenn mensch aber sie hingegen nur zehn Prozent der Ge- die große Druckvorlage einfügt, müssen weiß, wo bestimmte Mobiltelefone sind, suchten findet, aber nie „Unschuldige” danach logischerweise 350x450 Pixel wer irgendwo mit der EC-Karte bezahlt anschwärzt, mag sie durchaus attraktiv groß sein. hat oder eigentlich in der Schule sein erscheinen. Soweit wir wissen, gibt es kein Ge- sollte und dann die Daten ausreichend Dennoch ist eine Maßnahme gegen setz dagegen, eine Gesichtshälfte um vieler Kameras mit einfachen Regelan- die ED-Behandlung light (unterhalb des ein paar Pixel zu schrumpfen, Filter wie wendungen kombiniert („in 50 Minu- eigentlich wünschenswerten all-out- iWarp (dezent!) anzuwenden oder Mit- ten kommt keineR von Westerland nach Kampfs dagegen), mehr „Rauschen” in esser wegzuretuschieren. Im Netz gibt Köln-Deutz”), können sich für einzelne die Eingabedaten zu bringen, die Obrig- es zahlreiche Anleitungen für kreative „Zielpersonen” durchaus reizvolle Daten- keit also zu zwingen, „großzügiger” zu sätze ergeben. vergleichen, damit die Sensitivität nicht Anwendungen dieser Art sind in §15 komplett vor die Hunde geht. Das aber Anzeige des Personalausweisgesetzes ganz offen- macht ihnen die Spezifität kaputt, und sichtlich berücksichtigt: PA-Daten dürfen ihre Fahndungscomputer kommen aus zum Beispiel zur „Fahndung oder Auf- dem Piepsen gar nicht mehr raus – arme enthaltsfeststellung” verwendet werden. Polizei, arme Hersteller. Das Personalausweisregister – geführt „Rauschen” heißt in dem Zusammen- von den Meldebehörden – speichert dazu hang: Wer sonst keinen Bart trägt, trägt auch schon die Fotos (und übrigens auch für den Personalausweis einen (so er/ die Unterschrift). §24 und §25 des Ge- sie ausreichend Bartwachstum hat), ein setzes genehmigen Behörden quasi freien dezenter Kajal ist nicht verboten, auch Zugriff auf diese Daten, im Wesentlichen von Frisuren können die Algorithmen auf einer no-questions-asked-Basis und nicht immer gut abstrahieren. Ganz dras- im Zweifel auch im Direktzugriff. tisch wird es, wenn mensch es schafft, Augabstand und Position der Nasenspit- Keine Hilfe ze jedenfalls auf dem Bild etwas „off” zu kriegen. Es schadet natürlich auch Die Verfahren zum Abgleich bio- nichts, übernächtigt und etwas ausge- metrischer Daten und damit auch zur hungert zum Fotografieren zu gehen (oder Heft 12 Gesichtserkennung machen Fehler. Das ausgeschlafen und wohlgenährt für pro- Das EU-Grenzregime Frontex: gilt für die Implementation in unser al- fessionelle PartygängerInnen). Und dann Jährlich sterben Tausende ler Hirnen, und noch weit mehr für das, bleibt der Kamerazoom ganz drinnen – je Flüchtlinge. Die EU-Ökono- was mit heutigen Algorithmen und einem weitwinkliger die Optik ist, desto weiter mie funktioniert nur auf Ba- sis des Millionenheers von lausigen statischen Bild hinzubekom- weicht die Perspektive vom typisch gro- halblegalen und illegalen men ist. So wie wahrscheinlich jedeR ßen Zoom der Überwachungskamera ab, Migrantinnen und Migran- schon mal ein „Hast du mich jetzt echt und auch das irritiert den Rechner. ten. LP21-Spezial zur Festung nicht erkannt?!”-Erlebnis ebenso hat- Schließlich kann mensch im Zeitalter Europa von Philipp Hoffmann · Hannes Hofbauer · Tomasz te wie eine „Oh Verzeihung, ich habe der digitalen Fotografie ja auch das Bild Konicz Gerold Schmidt Außerdem Sie verwechselt”-Situation, können auch im eigenen Rechner vorverarbeiten. Dazu Quartalslüge Renteneintrittsalter// Rechner beim Erkennen zwei Sorten von muss mensch zunächst wissen, dass das Abwertungswettlauf// Krise & Lange Wellen// Arbeiterbewegung Fehler machen: Sie können eineN Ge- Bild 35 auf 45 Millimeter messen muss in Indien & China// Ökonomie des suchteN verpassen, oder es kann Alarm sowie zwischen Scheitel und Kinn 32 bis Iran Autorinnen und Autoren geben bei einer Person, die nicht gesucht 36 Millimeter liegen müssen. Mit einem Daniel Behruzi · Patrizia Heidegger wird. Weil der Kram zwischen Medika- Bildbearbeitungsprogramm (wir empfeh- Simone Holzwarth · Georg Fülberth · Andrea Komlosy · Thomas Ku- mententests und Websuchen überall len den Gimp, verfügbar auf http://www. czynski · Bernhard Knierim · Andrea auftaucht, hier noch Jargon: Die Wahr- gimp.org) und den Fotodruckdiensten in Marczinski · Gisela Notz · Bernd scheinlichkeit, einen Gesuchten auch der Drogerie nebenan lassen sich diese Riexinger · Bernard Schmid · Kai- zu finden, heißt Sensitivität, die Wahr- Bedingungen recht bequem erfüllen. Eicker Wolf · Winfried Wolf · Lucas Zeise scheinlichkeit, für nicht Gesuchte auch Auf das meist angebotene Format keinen Alarm zu geben, Spezifität. 15x10 Zentimeter passen zum Beispiel 72 Seiten, Einzelheft 5,50Euro, er- hältlich an allen größeren Bahn- Auch wer noch kein solches System bequem sechs Passbilder. Zwecks ein- hofskiosken, Abopreise Deutsch- gebaut hat, wird sich vorstellen können, facher Rechnung arbeitet mensch in land/Österreich 22 oder 29Euro (4 dass ein „schärferes” System (das we- einem Bild im Format 1000x1500 Pi- bzw. 6 Hefte im Jahr), Abopreise niger Gesuchte verpasst, also eine hohe xel. Im Portrait müssen dann zwischen Schweiz 25 oder 33 Euro Sensitivität hat) normalerweise eine Scheitel und Kinn etwa 340 Pixel liegen www.lunapark21.net

DIE ROTE HILFE 1/2011 63 Get Connected

Bildverbesserung. Klar ist aber, dass ihr könnt ihr dann nicht nutzen, aber de- staatlich abgesegnete E-Mail-Dienst DE- noch gut erkennbar sein müsst. Das ist ren BetreiberInnen muss ohnehin gesagt Mail ein Erfolg werden, gehen wir jede das Gesetz, und außerdem würdet ihr werden, dass sie PGP unterstützen sol- Wette ein, dass der Law-and-Order-Chor natürlich den doofen Ausweis nicht be- len – das funktioniert genauso gut und bei der nächst passenden Paketbombe kommen, wenn nicht Menschen erkennen kommt ohne potenziellen Nachschlüssel für ein Verbot von Verschlüsselungssoft- würden, wer die Person auf dem Foto ist. der Obrigkeit aus. ware ohne Hintertür heulen wird. Je nach Ein Boykott der Nutzer-Krypto auf der Zahl der Menschen, denen ihr PGP Die nIdentität dem ePA ist um so wichtiger, als eine weggenommen werden muss, könnten sie denkbare Motivation für ihre Präsenz auf damit auch durchkommen. Neben dem Foto befindet sich auf dem Chip ein fieser Plan sein könnte, die Im Übrigen schadet es qua Gesetz dem Chip auch etwas, das im Gesetz Kryptografie der Untertanen zu „regulie- dem Ausweis nicht, wenn der Chip kaputt „elektronischer Identitätsnachweis” ren”, sprich PGP (und vieles andere) zu ist. Nur: legt ihn nicht in den Mikrowel- heißt und einem privaten Schlüssel bei verbieten. Das ist nicht absurd, sondern lenherd. Der Chip geht zwar kaputt dabei, PGP entspricht. Der ePA hat demnach war zum Beispiel in Frankreich jahre- aber aller Wahrscheinlichkeit nach so auch eine Passphrase (aber für Laien: lang Praxis: Was der Staat nicht knacken spektakulär, dass ihr gleich wieder zur „Geheimnummer”), und es gibt auch ein kann, war dem Citoyen verboten. Solche Ausweisbehörde müsst und die Bundes- „Sperrkennwort”, das mit Glück etwas Ansinnen scheiterten in der BRD immer druckerei subventionieren dürft. Scho- wie PGPs Rückrufzertifikat, ebenfalls für am Einspruch von Siemens und Freun- nendere Geräte dürften bald käuflich zu Laien, sein könnte. Nur ist der Schlüs- den, denen klar war, dass ohne wirksame erwerben sein; Anleitungen für RFID- sel natürlich nicht richtig geheim, weil Verschlüsselungsmethoden im Netz kaum Zapper (zum Beispiel auf der Basis von er ja staatlich generiert ist und es mit Geld zu verdienen sein würde. Einwegkameras) gibts im Netz. dem Teufel zugehen müsste, wenn da Da nun der Staat selbst kryptografi- nicht irgendwo Nachschlüssel rumliegen sche Verfahren anbietet, die fraglos ge- würden. gen nichtstaatliche Angreifer mindestens • Kontakt und Artikel-Archiv: Deshalb ist es gut, dass die Funktion so sicher sind wie das, was derzeit Ban- http://datenschmutz.de extra eingeschaltet werden muss, und ken und Co den meisten ihrer KundInnen PGP Fingerprint: a3d8 4454 2e04 klar: KeinE aufrechteR LinkeR wird das bieten, könnten sich Bedenken dieser Art 6860 0a38 a35e d1ea ecce f2bd tun. Dienste, die auf dem Mist aufbauen, legen. Wenn also die ePA-Krypto und der 132a

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64 DIE ROTE HILFE 1/2011 Nachruf

Unser Genosse Patriq ist tot

Ortsgruppe Mainz Sein Kampf gegen die herrschenden Kanal und einiges mehr zeigen seine Kre- Verhältnisse war entschieden, ohne Wenn ativität und Experimentierbereitschaft, und Aber. Es stellte für ihn kein Problem beständig auf der Suche nach neuen We- dar, mit Provisorien und Unzulänglich- gen in den verschiedensten Bereichen. keiten umzugehen, solange die Prozesse Seinen Freund_innen und Genoss_in- ■■ Unser Genosse Patriq ist am 10. No- lebendig und in Bewegung blieben. Nicht nen begegnete er hilfsbereit, einfühlsam vember 2010 im Wendland unter bis- umgehen wollte er mit hierarchischen und großzügig. Vor allem aber war er of- lang ungeklärten Umständen ums Leben Strukturen und Ungerechtigkeit. fen und absolut aufrichtig. gekommen. Aus diesem Grund verweigerte sich Wir haben diskutiert, gestritten, ge- Patriq war ein organisierter und en- Patriq konsequent staatlichen und kapi- lacht, gefeiert und vor allem gemeinsam gagierter Aktivist der radikalen Linken talistischen Verwertungszwängen, bereit gekämpft. und auch Mitglied der Roten Hilfe e.V. Er dafür auch Nachteile in Kauf zu nehmen. Wir werden Patriq sehr vermissen. war stets vor Ort aber auch überregional Es war ihm wichtig, selbstbestimmt zu Ein Kollektiv von Freund_innen, Ge- in die politischen Kämpfe involviert, ob leben und zu kämpfen. Kritisch hinter- noss_innen und Familienangehörigen hat gegen Nazis, Krieg, Kohlekraftwerk, So- fragte er daher immer wieder unsere und die Beisetzung und Trauerfeier selbstbe- zialabbau, im Waldcamp gegen den Flug- seine politische Arbeit. stimmt organisiert. Diese Gruppe ist nach hafenausbau oder auch im Wendland, zu- Fotos, Bilder, Musik, Radiosendun- wie vor um die Aufklärung der Todesum- letzt als Aktivist bei „Castor Schottern“. gen, Fernsehsendungen im Offenen stände bemüht.

Peter O. Chotjewitz ist tot

Michael Csaszkóczy er zwar ab, aber bereits während seiner den 1970er Jahren strafrechtlich verfolgt Zeit als Referendar am Berliner Kammer- wurde wegen seines Romans „Die Hexen- ■■ Wie das so üblich ist, hatten die Zei- gericht begann er ein Zweitstudium der jagd“, in dem er Erfahrungen aus der Zeit tungen bereits am 15. Dezember 2010, Germanistik und Philosophie. Seit 1965 seines Berufsverbotsverfahrens literarisch wenige Stunden nachdem Peter O. Chot- lebte er als freier Schriftsteller. Er wurde verarbeitetet hatte. jewitz gestorben war, ihre Nachrufe parat. durch seine Romane und Erzählungen Dennoch war Pit schon seit Ende des Die Feuilletons, die seine Bücher stets ebenso bekannt wie durch seine Über- Studiums klar, dass die Juristerei nicht beharrlich ignorierten, priesen ihn nun setzungen der Werke von Dario Fo und zu seinem Beruf werden würde, schon gar als „stark unterschätzten Schriftsteller“ – nicht zuletzt als politischer Anwalt. Noch nicht zu seiner Berufung. Zu offensicht- nicht ohne eilfertig hinterherzuschieben: anlässlich seines Todes wurde ihm von lich war ihm die Tatsache, dass Recht- „ganz egal was man von der politischen nahezu allen Medien das Etikett „RAF- sprechung und Recht herzlich wenig mit- Vergangenheit des Autors halten mag“ Anwalt“ angeklebt. Gestört hat ihn dabei einander zu tun haben. So sehr Pit das („Spiegel online“). Von Chotjewitz als eher die Bezeichnung als Rechtsanwalt. Spiel mit unterschiedlichen Rollen und politischem Autor, der immer wieder in Auf seine Tätigkeit als Wahlvertei- Identitäten liebte – das war nicht seine gesellschaftliche Debatten eingegriffen diger von Andreas Baader angesprochen Bühne. hat, mochten die Wenigsten reden. In der pflegte Pit zu sagen, das sei in erster Die Auseinandersetzung mit der Po- FAZ, bei der man wohl ahnte, dass sein Linie ein Vorwand gewesen, um Andreas litik der RAF wurde bestimmend für sein Schreiben nicht von seinem politischen im Knast besuchen zu können. Die Vor- ganzes Leben. Andreas Baader lernte Denken zu trennen ist, verzichtete man stellung, als Rechtsanwalt zu arbeiten, er bereits 1966 in Berlin kennen und lieber ganz auf einen Nachruf. habe er bereits mit dem zweiten Staats- blieb ihm bis zu seinem Tod im Hoch- Geboren wurde Peter O. Chotjewitz examen 1965 ad acta gelegt. Daran war sicherheitstrakt von Stuttgart-Stamm- 1934 in Berlin. Nach 1945 in Hessen wohl ein guter Teil Selbststilisierung. heim verbunden. In seinen Texten hat aufgewachsen, absolvierte er zunächst Tatsächlich hat Pit später auch noch in sich Chotjewitz immer wieder mit der eine Anstreicherlehre, bevor er 1955 das anderen politischen Verfahren als Vertei- Stadtguerilla auseinandergesetzt wie Abitur nachmachte und begann, Jura diger agiert, so beispielsweise für Peter auch mit der Reaktion des deutschen zu studieren. Dieses Studium schloss Paul Zahl oder Peter de Lorent, der in Staates. Sein Roman „Die Herren des

DIE ROTE HILFE 1/2011 65 Nachruf

erster Linie einer theoretischen Analyse, sondern einer existen- ziellen Entscheidung, die er ein- mal getroffen hatte und an der er unabhängig von der politischen Wetterlage festhielt, während sich andere ehemals linke Schrift- steller flatternd im neoliberalen Wind drehten. Karl-Heinz Dellwo hat als Gefangener aus der RAF in der JVA Celle 1992 in einem „Konkret“-Interview – angespro- chen auf die Frage, wo denn heu- te noch ein revolutionäres Subjekt auszumachen sei – gesagt: „Guck in den Spiegel, dann siehst du ein revolutionäres Subjekt oder du siehst keins.“ Ich habe mit Pit nicht über diesen Satz gespro- chen, aber ich gehe davon aus, dass er ihm gefallen hat. Peter O. Chotjewitz Foto: Alexander Janetzko Im Jahr 2007 hatte Peter O. Chotjewitz begonnen, alte und neue Texte in den mittlerweile vier Bän- Morgengrauens“ führte zur Trennung der war keine sokratische Lehrmethode und den seiner „Fast letzten Erzählungen“ zu Autorenedition vom Bertelsmann-Verlag, kein brechtscher Verfremdungstrick. Pit sammeln. Eingeleitet wird der erste Band der in dem Buch RAF-Propaganda zu er- war ehrlich interessiert daran, wie andere von einem Text, in dem es heißt: „Ich kennen glaubte. die Dinge sahen. Er wusste, dass es mehr schreibe immer. Egal, ob ich schreibe, In den letzten Jahren kannten Linke als eine Sicht auf die Wirklichkeit gibt. oder nicht. Das Schreiben ist zu mei- ihn in erster Linie aus Artikeln und Kurz- Ein Beispiel für Literatur, die aus einer ner Seinsweise geworden.“ Das klingt prosa, die er regelmäßig in „Konkret“ solchen Art des Fragens entstehen kann, hoch gegriffen. Aber wer Pit begegne- und „Jungle World“ veröffentlichte. Die war sein jüngster Roman „Mein Freund te, der konnte sehr bald spüren, dass Solidarität mit den politischen Gefan- Klaus“, in dem er sich der Biographie es eine ganz nüchterne Wahrheit war. genen blieb für ihn eine schlichte Not- des politischen Anwalts Klaus Croissant Jedes Gespräch, jede neue Erfahrung wendigkeit. So gehörte er 2008 zu den annähert. – und Pit hat sich bis zum letzten Tag Erstunterzeichnern einer Unterstützungs- Seine Offenheit für verschiedene Per- die Fähigkeit bewahrt, neue Erfahrungen erklärung im Verfahren gegen Axel, Flori- spektiven bedeutet nicht, dass er einer zu machen – mündete bei ihm in einen an und Oliver, die wegen Mitgliedschaft postmodernen Beliebigkeit das Wort ge- Reflektionsprozess, der sich in Sprache in der militanten gruppe (mg) angeklagt redet hätte. Es gab für ihn einen Grund- niederschlug. waren. Im folgenden Jahr nahm er an stock an Wahrheiten, an denen festzu- Sein letztes Jahr war neben seinem einer Prozessdelegation anlässlich der halten blieb, wenn man sich morgens im unermüdlichen Schreiben geprägt von 129b-Verfahren gegen türkische Exillinke Spiegel noch ins Gesicht sehen können seinem Kampf gegen den Krebs. Trotz al- in Stammheim teil, besuchte Mustafa wollte. Dazu gehörte das Festhalten an ler Skepsis gegenüber dem Gesundheits- Atalay im Knast und versuchte Öffent- der prinzipiellen moralischen Berechti- betrieb („Tod den Ärtsten!“ hatte er ei- lichkeit für dessen skandalöse Haftbedin- gung und politischen Notwendigkeit des nen seiner letzten Texte genannt) trotzte gungen herzustellen. bewaffneten Kampfes – ganz unabhängig er dem Tod, mit dem er sich schreibend Wer das Glück hatte, Peter O. Chot- von tagesaktuellen taktischen Entschei- oft und immer wieder auseinandergesetzt jewitz kennen zu lernen, war beeindruckt dungen und oft genug zum ungläubigen hat, immer noch ein paar Monate, Wo- von seiner Klugheit und seiner umfas- Entsetzen seiner bürgerlichen Gesprächs- chen, Tage ab. Er hatte noch so viel zu senden Bildung, von seiner Freundlich- partner. Ungeachtet aller kritischen erledigen. keit und Offenheit. Pit liebte das Fra- Selbstreflexion, zu der er fähig war: Die Seine letzten Mails an mich hat er gen. Sein Interesse war denkbar weit Distanzierung von der militanten Revolte, unterschrieben mit „Weitermachen! Dein gefächert. Mit ihm ließ sich über Koch- die jeder zu leisten hatte und hat, der in Pit“. Ich war mir nicht sicher, ob das rezepte, Drogen, Musik oder seine Enkel der politischen und literarischen Diskus- eine trotzige Selbstvergewisserung oder ebenso leidenschaftlich plaudern wie sion ernst genommen werden will, war eine Staffelübergabe sein sollte. Nun über Geschichte, Musik und Literatur. von Chotjewitz nicht zu haben. bleibt uns nichts anderes übrig, als ohne Im Gespräch erkundigte er sich oft nach Auch wenn Pit seinen Marx gelesen ihn weiterzumachen. Dennoch: In den Dingen, über die er eigentlich nur all zu hatte – und vielleicht besser verstanden kommenden Kämpfen um Befreiung wird gut Bescheid wusste. Und er hörte bei als mancher Andere: Seine Parteinah- Pit dabei sein. der Antwort sehr aufmerksam zu. Das me für die Rebellion entsprang nicht in

66 DIE ROTE HILFE 1/2011 Anzeigen nachrichten aus dem prekären leben

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DIE ROTE HILFE 1/2011 67 Adressen

Bundesvorstand und Redaktion Darmstadt Bunte Hilfe/ Halle Magdeburg Südthüringen Rote Hilfe e.V c/o Infoladen c/o Soziales Zentrum Magdeburg c/o Infoladen Arnstadt Rote Hilfe c/o LinksTreff Georg Fröba Ludwigstraße 37 Alexander-Puschkin-Straße 20 Plauesche Straße 20 Bundesgeschäftsstelle Landgraf-Philipps-Anlage 32 06110 Halle 39108 Magdeburg 99310 Arnstadt Postfach 3255 64283 Darmstadt Telefon 0345/170 12 42 [email protected] [email protected] 37022 Göttingen Telefon & Fax 06151/391 97 91 Fax 0345/170 12 41 http://rotehilfesth.blogsport.de Telefon 0551/770 80 08 [email protected] [email protected] Mainz di+do 15–20 Uhr http://halle.rote-hilfe.de c/o Haus Mainusch Wiesbaden Fax 0551/770 80 09 Dresden Sprechzeiten: Staudinger Weg 23 c/o Infoladen Linker Projekte [email protected] Rudolf-Leonhard-Straße 39 jeden di 18-19 Uhr 55128 Mainz Werderstraße 8 [email protected] 01097 Dresden [email protected] 65195 Wiesbaden Fax 0351/811 51 11 Hamburg [email protected] Spenden- und [email protected] Postfach 30 63 02 Marburg Beitragskonto 20329 Hamburg Postfach 20 05 63 Wuppertal Düsseldorf-Neuss [email protected] 35017 Marburg Markomannenstraße 3 Rote Hilfe e.V. c/o Linkes Zentrum www.rote-hilfe.de/hamburg 42105 Wuppertal Postbank Dortmund Corneliusstr. 108 München [email protected] BLZ 440 100 46 40215 Düsseldorf Hannover Schwanthalerstraße 139 Konto 19 11 00-462 [email protected] c/o UJZ Kornstraße 80339 München Würzburg: Kornstraße 28 Telefon 089/448 96 38 c/o Die Linke KV Würzburg Duisburg 30167 Hannover Sprechzeiten: Weissenburgstraße 3 ortsgruppen der c/o Jugend- und Kulturverein [email protected] mi 18–19 Uhr 97082 Würzburg roten hilfe e.v. Kaiser-Wilhelm-Straße 284 www.rh-hannover.de.vu [email protected] [email protected] 47169 Duisburg http://rhmuenchen.blogsport.de [email protected] Berlin Heidelberg c/o Stadtteilladen Lunte Postfach 10 31 62 Neuruppin Weisestraße 53 69021 Heidelberg Kontakt über BuVo Kontaktadressen der c/o Offene Arbeit Erfurt 12049 Berlin Fax 06221/16 37 67 Tel.: 01512 84 44 25 2 roten hilfe e.v. Allerheiligenstraße 9 / Hinterhaus Telefon 030/62 72 25 77 [email protected] [email protected] 99084 Erfurt [email protected] http://heidelberg.rotehilfe.de http://rhnrp.blogsport.eu/ Hameln [email protected] http://berlin.rotehilfe.de Antifa Hameln http://rotehilfeerfurt.blogsport.de Heilbronn Nürnberg, Fürth, Erlangen c/o Sumpfblume Bielefeld c/o Infoladen c/o Libresso Am Stockhof 2a Frankfurt am Main Postfach 2204 Postfach 810 112 31785 Hameln c/o Hermann Taube c/o café exzess 74012 Heilbronn 90246 Nürnberg Postfach 101230 Goldbach 5 Leipziger Straße 91 [email protected] Telefon 0162 3805197 31762 Hameln 33615 Bielefeld 60487 Frankfurt am Main Sprechzeiten: [email protected] Telefon 0521/12 34 25 [email protected] Jena 2. + 4. do, 19-20 Uhr Fax 0521/13 79 83 http://rhffm.blogsport.eu/ [email protected] c/o Infoladen Jena KOMM, Untere Seitenstr. 1 Karlsruhe Schillergäßchen 5 [email protected] c/o Infoladen Karlsruhe Freiburg 07745 Jena Werderstraße 28 Bochum-Dortmund c/o KTS Telefon 03641/449304 Oberhausen/Westliches Ruhrgebiet 76137 Karlsruhe c/o soziales Zentrum Baselerstraße 103 [email protected] c/o projekt: archiv! Telefon 0721/38 78 58 Josephstraße 2 79100 Freiburg http://www.rotehilfejena. Autonomes Zentrum Mülheim [email protected] 44791 Bochum Telefon 0761/4 09 72 51 http://rotehilfebochumdortmund. blogsport.de Auerstraße 51 [email protected] blogsport.de 45468 Mülheim an der Ruhr Köln Kiel [email protected] c/o Alternative Lebenshilfe Gießen Yasamevi ALY e.V. Bonn Postfach 6444 Postfach 10 08 01 Frankfurter Straße 18 c/o Buchladen le Sabot 24125 Kiel Osnabrück 35338 Gießen 51065 Köln Breite Straße 76 Telefon & Fax 0431/751 41 Postfach 3604 Telefon: 0175 /210 77 68 [email protected] 53111 Bonn [email protected] [email protected] 49026 Osnabrück Fax 0228/69 51 93 [email protected] Rendsburg [email protected] Göttingen Königs Wusterhausen http://www.rotehilfeosnabrueck. c/o H. G. A. blogsport.de c/o T-Stube c/o Buchladen Rote Straße Postfach 506 Braunschweig Postfach 11 19 Nikolaikirchhof 7 24756 Rendsburg Cyriaksring 55 15701 Königs Wusterhausen Potsdam 37073 Göttingen Telefon 04331/295 66 38118 Braunschweig Telefon 0551/770 80 01 [email protected] c/o Madia Telefon 0531/8 38 28 http://rotehilfekw.blogsport.de Lindenstraße 47 Mobil 01577 7253534 Saarland Fax 0531/2 80 99 20 Telefon: 0177/7420920 14462 Potsdam Fax 0551/770 80 09 c/o Verein für kommunikatives [email protected] [email protected] [email protected] Landshut Wohnen und Leben http://rotehilfegoettingen.word- Postfach 103207 Bremen Wagnergasse 10 Rostock press.com 66032 Saarbrücken Postfach 11 04 47 84034 Landshut Kontakt über Bundesvorstand [email protected] 28207 Bremen Greifswald [email protected] [email protected] [email protected] Postfach 1228 Leipzig Salzwedel 17465 Greifswald Chemnitz c/o linXXnet c/o Autonomes Zentrum [email protected] Kontakt über Buvo http://www.rotehilfegreifswald. Bornaische Straße 3d Altperverstr. 34 [email protected] blogsport.de 04277 Leipzig 29410 Salzwedel [email protected] [email protected] Cottbus Hagen-Lüdenscheid http://www.leipzig.rote-hilfe.de Postfach 10 08 01 c/o Quadrux Buchladen Sprechzeiten: Strausberg 03008 Cottbus Lange Straße 21 jeden 1. do 19-20 Uhr c/o doma e.V. Telefon 0355 / 28 91 73 8 58089 Hagen An der Stadtmauer 7 [email protected] [email protected] Leverkusen 15344 Strausberg http://rotehilfecb.blogsport.de/ c/o Kulturausbesserungswerk [email protected] Kolbergerstraße 95a 51381 Leverkusen Stuttgart [email protected] Linkes Zentrum Lilo Herrmann Böblingerstr. 105 70199 Stuttgart [email protected]

68 DIE ROTE HILFE 1/20114/2010 Zutreffendes ankreuzen und bitte Beitrittserklärung Bitte senden an: Rote Hilfe e.V., Ich zahle einen Mitgliedsbeitrag von in Großbuch­staben ausfüllen! und Einzugsermächtigung Postfach 3255, 37022 Göttingen jährlich 90 Euro anderer Betrag Euro Ich erkläre meinen Beitritt zur Roten Hilfe e.V. halbjährlich 45 Euro Ich bin an aktiver Mitarbeit interessiert Vorname/Name anderer Betrag Euro

Ich möchte den E-Mail-Newsletter der Roten Hilfe vierteljährlich 22,50 Euro beziehen, der aktuell über Repression berichtet Straße und Hausnummer anderer Betrag Euro

monatlich 7,50 Euro Postleitzahl/Wohnort anderer Betrag Euro E-Mail Ich ermächtige den Bundesvorstand der Roten Hilfe, jeder- Ich zahle einen Solibeitrag von zeit widerruflich, meinen Beitrag jeweils zu Beginn des Telefonnummer Fälligkeitsdatums zu Lasten meines rechts angegebenen jährlich 120 Euro Kontos durch Lastschrift durchzuführen. Innerhalb von 5 anderer Betrag Euro Wochen kann ich bereits vollzogene Lastschriften wieder Name und Sitz des Kreditinstituts rückgängig machen. Von mir verursachte Rücklast­gebühren monatlich 10 Euro (Rückbuchungen z.B. bei ungedecktem Konto) gehen zu anderer Betrag Euro meinen Lasten und können ebenfalls von meinem Konto abge- Kontonummer Bankleitzahl bucht werden. Der Mindestbeitrag beträgt 7,50 Euro monat­lich. Der ermäßigte Mindesbeitrag für SchülerInnen, Er­werbs­lose usw. beträgt 3 Euro Datum Unterschrift monatlich. Empfohlen wird ein Solibeitrag von 10 Euro monat- lich bzw. 120 Euro jährlich.

± Impressum Die Rote Hilfe erscheint quartalsweise. Für die Ausgabe 2/2011 gilt: Erscheinungstermin: Anfang Mai 2011 Redaktionsschluß: 25. März 2011

Herausgeber Preise Artikel, Leserbriefe u.ä. wenn möglich als Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. Einzelexemplar 2 Euro, Mail und auf 3,5“-Disketten mit einem Aus- Abonnement: 10 Euro im Jahr. druck schicken, vor dem Schreiben längerer V.i.S.d.P. Für Mitglieder der Roten Hilfe e.V. ist der Sachen die Redaktion kontaktieren. M. Krause, Postfach 32 55, Bezug der Zeitung im Mit­glieds­bei­trag 37022 Göttingen. inbegriffen. Gefangene erhalten die Zei­tung Austauschanzeigen: kostenlos. Austauschanzeigen linker Zeitschriften Für die AZADI-Seiten V.i.S.d.P. Eine Teilauflage enthält einen Mitglieder- drucken wir nach Möglichkeit ab. Anzeigen Monika Morres rundbrief. in den Datei-Formaten jpeg, tif (jew. mind. (Anschrift siehe AZADI-Seiten) 300dpi, Graustufen), bitmap (mind. 600dpi, Bildnachweise sw), pdf (nach PDF/X-3 bzw. PDF/X-1a- Namentlich gezeichnete Artikel geben nicht Archiv Rote Hilfe Standard) oder Vektor-EPS an: unbedingt die Meinung des Herausgebers [email protected] wieder. Die Verfasser­Innen der namentlich nicht gezeichneten Artikel sind Alle Zuschriften und Anfragen der Redaktion bekannt. bitte schicken an: Mitgliedsbeiträge und Spenden bitte nur auf Die Rote Hilfe im Internet Rote Hilfe Redaktion, Post­fach 32 55, folgendes Konto überweisen: www.rote-hilfe.de 37022 Göttingen, Telefon 0174/477 96 10, Rote Hilfe e.V. Fax 0551/770 80 09, Kontonummer: 191 100 462 Auflage [email protected]. BLZ: 440 100 46 - Postbank Dortmund 7650 Exemplare; Eigendruck auf chlorfrei Diese Adresse bitte nicht für Mailinglisten IBAN: DE75 4401 0046 0191 1004 62 gebleichtem Papier im Selbstverlag. ver­wenden! BIC: PBNKDEFF

Zutreffendes ankreuzen und bitte Änderung der adresse/ Bitte senden an: Rote Hilfe e.V., Ich zahle einen Mitgliedsbeitrag von in Großbuch­staben ausfüllen! bankverbindung Postfach 3255, 37022 Göttingen jährlich 90 Euro anderer Betrag Euro Ich bin Mitglied der Roten Hilfe und ändere meinen Beitrag/meine Bankverbindung/meine Adresse halbjährlich 45 Euro anderer Betrag Euro Meine bisherige Anschrift/Bankverbindung Meine Anschrift/Bankverbindung • neue • vierteljährlich 22,50 Euro anderer Betrag Euro

monatlich 7,50 Euro Vorname/Name Vorname/Name anderer Betrag Euro

Ich zahle einen Solibeitrag von Straße und Hausnummer Straße und Hausnummer jährlich 120 Euro anderer Betrag Euro Postleitzahl/Wohnort Postleitzahl/Wohnort monatlich 10 Euro anderer Betrag Euro Telefonnummer Telefonnummer Der Mindestbeitrag beträgt 7,50 Euro monat­lich. Der ermäßigte Mindesbeitrag für SchülerInnen, Er­werbs­lose usw. beträgt 3 Euro Name und Sitz des Kreditinstituts Name und Sitz des Kreditinstituts monatlich. Empfohlen wird ein Solibeitrag von 10 Euro monat- lich bzw. 120 Euro jährlich.

Kontonummer Bankleitzahl Kontonummer Bankleitzahl DIE ROTE HILFE 1/2011 69 Datum Unterschrift Datum Unterschrift Literaturvertrieb

Rote Hilfe Zeitung Reden vor Gericht Bundesweites Quartalsmagazin der Rote Hilfe. Plädoyers in Text und Ton. Regelmäßige Berichterstattung über die Rote Hilfe, Heinrich Hannover. 2010. PapyRossa. Prozesse und Ermittlungen, als auch Entwicklungen Einband. 276 S. im Polizei- und Justizapparat. 22,- Euro Aktuelle Schwerpunktthemen. 60-70 S. A4. 2,- Euro (für Mitglieder kostenfrei)

Internationales Die Rechtsanwälte der Roten Hilfe Deutschlands Es ist die Angelegenheit der ganzen Gesellschaft. Schneider, Schwarz, Schwarz. 2002. Materialien der Informationstelle Politische Strafverteidiger in der Weimarer Republik. Kurdistan e.V. 2000. Geschichte und Biografien von A wie Albert Aaron, Paperback. 121 S. Alex Heilbrun, Felix Halle, Hans Litten, Alfred 5,- Euro Lewinsohn bis Arthur Wolff. Verlag Pahl-Rugenstein für die Rote Hilfe. Experimentierfeld Nordirland Stammheim 364 S. Hardcover. Technologie politischer Unterdrückung. Peter Bakker Schut. 16,- Euro Rote Hilfe. 1989. 2007. Pahl-Rugenstein. Brosch. A4 47 S. Paperback. 685 S. Gelebte Emanzipation 1,- Euro (Sonderpreis) 19,95 Euro Frauen zwischen Küche, Mutterkreuz und „Roter Hilfe“. Hau ab, Mensch! Totgesagte leben länger Inge Helm. 2008. Karin Kramer Verlag. Erfahrungen von Xosé Tarrio. Zur Sicherungsverwahrung mit einem Erfahrungs­ Paperback. 128 S. 1997/2007. bericht des Gefangenen Claus Goldenbaum. 14,80 Euro Paperback. 402 S. Zapata Buchladen. 1992. 8,- Euro 112 S. 4,- Euro How many more years? Haft in den USA. Biografie des politischen Vom Armeeeinsatz bis Zensur Gefangenen Ruchell „Cinque“ Magee. Ein ABC der Repression. Mark A. Thiel. 2000. Atlantik-Verlag. Rote Hilfe. 2007. Paperback. 252 S. Brosch. A4. 75 S. 8,- Euro 3,- Euro

Indian War Der Fall des indianischen Bürgerrechtlers BEWEGUNGEN UND §129a,b Leonard Peltier. Martin Ludwig Hofmann. 2005. Atlantik-Verlag. Der Hunger des Staates nach Feinden Paperback. 179 S. Die Geschichte der Paragrafen 129, 129a u. 129b 13,- Euro Schafft Rote Hilfe! und ihre Anwendung gegen die radikale Linke. N. Brauns. 2003. Pahl-Rugenstein. Rote Hilfe. 2009. Zehn Jahre grenzüberschreitende Kurdenverfolgung 320 Seiten mit 200 Abbildungen. Brosch. A4. 80 S. Beiträge für eine Menschenrechtschronik. Hardcover. 3,- Euro Eberhard Schulz. 1998. GNN-Verlag. 10,- Euro Paperback. 124 S. Entsichert – Der Polizeistaat lädt nach. 1,- Euro (Sonderpreis) Rote Hilfe. ca. 1998. Über das Missverhältnis zwischen staatlichen Zerschlagungsversuchen und gesellschaftlicher BEWEGUNGEN UND REPRESSION Bedeutung der Bewegung. Brosch. 64 S. Der Umgang des Staates mit den Protesten 2,- Euro (Sonderpreis) gegen die SIKO 2004 Rote Hilfe. 2004. Kein Schritt zurück 54 S. Brosch. A4 inkl. CD. 129a-Verfahren gegen die 4,- Euro Passauer AntifaschistInnen. Rote Hilfe. 1999. Die Bewegung 2. Juni Brosch. A5. 39 S. Reinders u. Fritzsch. 1995. ID-Verlag. Berlin. 1,- Euro (Sonderpreis) VORWÄRTS und nicht vergessen Paperback. 182 S. 70/20 Jahre Rote Hilfe. Die Geschichte der Roten 10,- Euro Hilfe von der Weimarer Republik bis zur Wiedergrün- dung der Roten Hilfe 1975. BEWEGUNGEN, ROTE HILFE U. GESCHICHTE Freilassung für die politischen Gefangenen der RAF Brosch. A4. 61 S. Rote Hilfe. 2000. 1,- Euro (Sonderpreis) Der Barkenhoff. Brosch. A4. 67 S. Kinderheim der Roten Hilfe 1923 -1932. 1,- Euro (Sonderpreis) Zu Unrecht vergessen Bresler, Grahn, Hoffmeister. 1991. Josef Schwarz. 1997. Die Kinderhilfe, der Barkenhoff, das Kinderheim Ohne Zweifel gegen den Angeklagten Arbeit eines Rote-Hilfe-Anwaltes in der Weimarer in Egelsburg, und die Rote Hilfe. Erklärungen vor Gericht. Republik: Halle und die deutsche Justiz. Paperback im Vier-Farben-Druck. 192 Seiten mit Rainer Recke. 1997. Aktiv-Druck. GNN-Verlag. 248 S. zahlreichen z. T. ganzseitigen farbigen Abbildungen. Paperback. 455 S. 13,- Euro Gesamte Restauflage des Verlages beim Literaturver- 16,36 Euro trieb der Roten Hilfe. 16,- Euro

70 DIE ROTE HILFE 1/2011 Literatur

Rote Hilfe e.v. Literaturvertrieb

Postfach 6444, 24125 Kiel Telefon & Fax 0431/751 41 Öffnungszeiten: Dienstag: 15.00 – 20.00 Uhr EXTRA-MATERIAL Donnerstag: 15.00 – 20.00 Uhr [email protected] Fliegendes Material der Roten Hilfe e.V. zu den Themen Aussageverweigerung, Zeugenhaft/ Postbank Hamburg BLZ 200 100 20 Beugehaft, Hausdurchsuchung, was tun? Selbstdar- Konto 35 50 92 02 stellung der RH, Mumia Info (allg. Stand Dez. 2009) Plakate u. Info zu DNA. IBAN DE9720010020035509202 BIC PBNKDEFF Gegen Erstattung der Versandkosten.

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Bei lebendigem Leib Von Stammheim zu den F-Typ-Zellen. Nowak, Sesen, Beckmann. 2001. Unrast-Verlag. Neuer Solidaritätssampler für Mumia Abu- Paperback. 174 S. Jamal. Doppel-CD mit über 30 Bands: 7,- Euro 13,- Euro. Bestellungen über: Jump Up- Bremen, Matthias Henk, Postfach 110447, 28207 Bremen, E-Mail: [email protected], Demonen www.jump-up.de

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Notizbücher schwarz. Troja Vorn RH Logo; hinten Schriftzug „Rote Hilfe“ in Technologien politischer Kontrolle. weiß. Seiten zum Herausreißen. Olaf Arndt. 2005. Belleville-Verlag. A7. Hardcover. 174 S. Allgemeine Bezugsbedingungen 4,- Euro 14,80 Euro Lieferungen gegen Vorkasse, Briefmarken, Verrechnungscheck oder Überweisung auf das Konto des Literaturvertriebes (siehe oben auf HANDBÜCHER dieser Seite). Versandkostenpauschale nicht vergessen! Aus der Überweisung müssen Name Wege durch die Wüste des/der Bestellenden und Titel der bestellten Antirepressions-Handbuch. Ware ersichtlich sein. Das Material bleibt bis autorInnenkollektiv Hg. 2007. Überarb. Auflage. zur Bezahlung nach §455 BGB Eigentum der Unrast-Verlag. Roten Hilfe e.V. Paperback. 280 S. 9,80 Euro Weiterverkäufer_innen, Buch- und Infoläden Für Broschüren der Roten Hilfe gibt es 30 Aussageverweigerung und Verhörmethoden Ella Ehlers Prozent Mengenrabatt. Regelmäßige Bezie- Rote Hilfe. 2007. Mai MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO her_innen können bei Abnahme von mindestens Brosch. A5. 63 S. 25 26 27 28 29 30 12345678 drei Exemplaren remittieren. Dies gilt NICHT Gegen Spende 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 12345 für Materialien, die mit Sonderpreis gekenn- zeichnet sind. Was tun wenn´s brennt?! Bei Demonstrationen, Übergriffen, Festnahmen, Rote Hilfe Kalender 2011 Alle Lieferungen zuzüglich Versandpauschale: auf der Wache. Kolorierte Bilder auf der Vorderseite, Texte zu den 500g = 1,50 Euro; 1000g = 2,50 Euro; Rote Hilfe Hg. Stand 2008. abgebildeten Frauen auf der Rückseite. 2000g = 4,50 Euro; bis 10kg = 7,- Euro. Brosch. A6. 32 S. A3 mit Deckblatt. Bei anderen Vorstellungen oder internationalem Gegen Spende 10,- Euro (Sonderpreis) Versand bitte Rücksprache unter Engl. Franz. Span. Ital. Türk.: [email protected] What to do in case of fire! Legal tips! Rote Hilfe. 2007. Gegen Spende Eigentumsvorbehalt Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist diese Zeitung solange Eigentum des Absenders, bis sie der/dem Gefangenen Bundesvorstand persönlich ausgehändigt worden ist. „Zur-Habe-Nahme“ und Redaktion ist keine persönliche Aushändigung im Sinne dieses Vorbe- Rote Hilfe halts. Wird die Zeitung der/dem Gefangenen nicht persön- Bundesgeschäftsstelle lich ausgehändigt, so ist sie dem Absender unter Angabe Postfach 3255 des Grundes der Nichtaushändigung zurückzusenden. Wird 37022 Göttingen die Zeitung der/dem Gefangenen nur teilweise persönlich Telefon 0551/770 80 08 ausgehändigt, so sind die nicht persönlich ausgehändigten di+do 15–20 Uhr Teile, und nur sie, dem Absender unter Angabe des Grundes Fax 0551/770 80 09 [email protected] der Nichtaushändigung zurückzusenden. BWR: 0.0400mm 1.57mils PostvertriebstückBar Height:23.5730mm C 2778 FMagnification:90.91% Gebühr bezahltPrinter dpi: 2540

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