Diss Anja Fischer
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DISSERTATION Titel der Dissertation Unterhaltung in der Wüste Verbale Interaktion und Soziabilität bei Imuhaê-NomadInnen Verfasserin Dipl.-Ing. Mag.phil. Anja Fischer angestrebter akademischer Grad Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) Wien, 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 092 307 Dissertationsgebiet lt. Studienblatt: Kultur- und Sozialanthropologie Betreuer: O. Univ.-Prof. Dr. Andre Gingrich 1 2 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 7 Danksagung 8 Vorbemerkungen 9 Verwendete Terminologie, Transkription Ausblick 13 Thema, Methode, Aufbau TEIL I GRUNDLAGEN 16 1. Imuhaê 16 1.1 Nomadisches Gefüge 16 1.2 Geographisches Gefüge 16 1.3 Historisches Gefüge 22 1.4 Gesamtgesellschaftliches Gefüge 23 1.5 Aktuelles Gefüge 27 2. Tamahaq/Tamascheq 28 2.1 Ursprung 28 2.2 Grammatik der Vielfalt 28 2.3 Linguistische Forschung 32 3. Feldforschungreflexionen 36 3.1 Feldforschungsphasen und Spracherwerb 37 3.2 Feldforschungssituation 39 3.3 Methodische Problematik 41 4. Linguistische Anthropologie 46 4.1 Linguistische Anthropologie zur Sahara 48 4.2 Linguistische Nomadologie 49 4.3 Ethnographie des Sprechens 50 3 TEIL II EMPIRIE 57 5. Unterhaltung im linguistischen Porträt 57 5.1 Nuna und der Schauplatz 59 5.1.1 Ein Tag im Winter 59 5.1.2 Räumliche Dimensionen 62 5.1.3 Zeitliche Dimensionen 72 5.1.4 Soziale Dimensionen 75 5.1.5 Schauplatz Unterhaltung 85 5.2 Zeinaba und das Sprachenvermögen 101 5.2.1 Sprachrepertoire 101 5.2.2 Sprachkapazität 108 5.2.3 Sprachmischung 110 5.2.4 Sprachloyalität 110 5.3 Haba und das Alltagsgespräch 111 5.3.1 Isalan: Neuigkeiten 112 5.3.2 Ehare, Imuâar et Akasa: Herde, Dromedare und Futter 113 5.3.3 Addunat: Menschen 114 5.3.4 Verbale Rituale im Alltag 115 5.4 Tedar und die verschleierten Botschaften 118 5.4.1 Getarntes Sprechen 119 5.4.2 Geheime visuelle Nachrichten 123 5.5 Kela und die Geheimsprachen 125 5.5.1 Tagenegat: Geheimsprache der Imuhaê 126 5.5.2 Codierungen 129 5.5.3 Teneí: Geheimsprache der Inaáan 135 5.5.4 Etymologie 137 5.5.5 Vergleich von Geheimsprachen in der Umgebung 137 5.6 Alambo und die rätselhafte Wüste 141 5.6.1 Tunîart: Rätsel 143 5.7 Akidima und die Dichtkunst 146 5.7.1 Tesawit: Gedicht 147 5.8 Mena und die kleinen und großen Erzählungen 151 5.8.1 Esem n Edag: Geographische Bezeichnung 153 5.8.2 Taneqqest / Emay: Geschichte 154 5.8.3 Anhi: Sprichwort 156 4 Teil III ANALYSE 159 6. Unterhaltung: Soziabilität und Interaktion 159 6.1 Das Nomadische 159 6.2 Soziale Werte 160 6.3 Konzepte der Meidung 162 6.4 Geselligkeit 165 6.5 Verortung 166 6.6 Verbale Interaktionsnormen 169 6.6.1 Schwarz / Weiss 170 6.6.2 Fragen / Zuhören 171 6.6.3 Reden / Schweigen 172 6.6.4 Lob / Tadel 173 6.6.5 Direkt / Indirekt 175 6.7 Virtuose Interaktionen 177 6.7.1 Verdecktes Sprechen 177 6.7.2 Spielfeld Sprache 178 6.7.3 Getarnte Weisheiten 179 7. Sprechkonzept der Imuhaê 180 8. Anhang 183 8.1 Glossar 183 8.2 Bibliographie 192 8.3 Sprachbücher 205 8.4 Zusammenfassung/Abstract 208 8.5 CV 212 5 „Es gibt umherziehende, ambulante Wissenschaften, die darin bestehen, daß man einem Strom in einem Feld von Vektoren folgt, wo Singularitäten wie eine Reihe von „Zufällen“ (Problemen) verteilt sind“ (Deleuze/Guattari 2005: 512). 6 Vorwort Wir setzten uns in den Schatten einer Akazie. Drei Nomadenfrauen der Kel Ahnet und ich hatten den Vormittag lang mit Stöcken auf Akazien eingeschlagen, auf dass die herabfallenden Blätter von den Zicklein gefressen wurden. Kela, eine der Nomadinnen, sagte etwas in einer Sprache zu mir, die ich nicht verstand. Eigentlich hatte ich bei meinen Feldforschungen Tamahaq, die Sprache der Kel Ahnet, soweit gelernt, um mich gut zu verständigen. Die Worte, die Kela sprach, klangen nicht nach Tamahaq. Sie wiederholte das, was sie gesagt hatte. Nach wie vor verstand ich kein Wort. Ich bekam den Eindruck, sie wollte mich necken. Dann fing eine zweite Frau in der gleichen Sprache an zu sprechen. Ich war verwirrt und die Frauen amüsierten sich darüber. Ich fragte sie, in welcher Sprache sie sprechen und Kela meinte, dass sie Tagenegat sprechen. Zu dem Zeitpunkt betrieb ich schon seit fünf Jahren jeden Winter für mehrere Monate Feldforschung bei den Kel Ahnet in Südalgerien, jedoch hatte ich weder bei meinen Feldforschungen etwas über Tagenegat erfahren noch bei meinen Literaturrecherchen etwas darüber gelesen. Kurz nach diesem Ereignis endete meine Feldforschung bei den Kel Ahnet und in Tamanêasset fragte ich den Chef einer dortigen Reiseagentur, ob er Tagenegat kennt und er meinte, dass das die Geheimsprache der Imuhaê sei. Der Grundstein zu dieser Nomadologie der Sprache und des Sprechens wurde damit gelegt. 7 Danksagung Zunächst möchte ich meinen Eltern Ulrike und Joachim Fischer herzlich danken, die in der Zeit, als ich im Jahre 2008 auf Feldforschung in Algerien war, schwere Zeiten erleben mussten. Aus wissenschaftlicher Sicht habe ich Bambi Schieffelin (New York University) sehr viel zu verdanken. Sie hat mich in das faszinierende Forschungsfeld der Linguistischen Anthropologie eingeführt und ist mir bei meiner Dissertation von Anfang an unterstützend zur Seite gestanden. Schon in meiner Studienzeit waren die Vorlesungen von Andre Gingrich (Universität Wien) wegweisend für meinen wissenschaftlichen Werdegang. Der erfolgreiche Abschluss meiner Magisterarbeit bei Andre Gingrich, die anschließende Veröffentlichung dieser Arbeit im Reimer-Verlag und die durchwegs positiven Rezensionen zu diesem Buch motivierten mich, auch bei der Dissertation die ausgezeichnete Betreuung durch Andre Gingrich in Anspruch zu nehmen. Dafür möchte ich ihm ganz besonders herzlich danken. Der Forschungsschwerpunkt von Wolfgang Kraus (Universität Wien) liegt bei den Imaziêen in Marokko und von daher waren seine Seminare eine grosse Inspirationsquelle für meine Arbeiten. Für seine Betreuung möchte ich ihm vielmals danken. Bei meiner lieben Freundin Gabriela Kreimer möchte ich mich für das versierte Korrekturlesen dieser Studie herzlich bedanken und bei Gabriela Tomitza für die linguistische Beratung. Ahmed Efekase und Aicha Cheikh Salah bin ich ausgesprochen dankbar für ihre kompetente Unterstützung bei der Verifikation der Studie. Für die kompetente Transportorganisation ins Feldforschungsgebiet habe ich besonders Chrikh Mellak, Chef der algerischen Reiseagentur Adrar Bous, vielmals zu danken. Ganz besonders habe ich jedoch den Kel Ahnet Nomaden und Nomadinnen zu danken. Sie haben mich bei sich aufgenommen und ohne ihre Unterstützung wäre die Studie nicht zustande gekommen. 8 Vorbemerkungen Diese Untersuchung beschäftigt sich mit ruralen NomadInnen und nicht mit metaphorischen beziehungsweise urbanen NomadInnen (siehe dazu Fischer 2010a), da ich den Großteil meiner Feldforschungen in der Zentralsahara bei nomadisierenden Gruppen, die hauptsächlich von Viehzucht leben, durchgeführt habe. Somit beziehen sich die hier getroffenen Aussagen auf die nomadische Bevölkerung in Südalgerien und nicht auf die neu entstandenen sesshaften Bevölkerungsgruppen der Imuhaê. Die Gruppierung der NomadInnen wird weder statisch noch isoliert betrachtet, sondern als im Prozess veränderlich und im lokalen und globalen Kontext eingebunden. Wer hier eine spezifisch linguistische Arbeit erwartet, wird enttäuscht werden, da ich mehr Wert auf die anthropologischen Aspekte in der Sprache und im Sprechen lege. Da die Linguistische Anthropologie vor allem im englischen Sprachraum vertreten ist, sind spezifische Fachtermini in Englisch. Daher finden sich in dieser Studie oftmals die englischen Fachbegriffe mit angeführt. Verwendete Terminologie Besonders für eine Studie, die sich mit linguistischer Anthropologie beschäftigt, ist es meiner Ansicht nach wichtig, grundsätzlich auf Fremdbezeichnungen zu verzichten und stattdessen auf das Vokabular der Umgangssprache im Forschungsgebiet zurück zugreifen. Alle Namen der Kel Ahnet sind, aus Gründen der Anonymität, explizit keine Namen aus der Ahnet Region, sondern Personennamen von Imascheêen aus dem Niger. Tuareg (Touareg) In der wissenschaftlichen Literatur findet man die Bezeichnung Tuareg oder Touareg, manchmal sogar Tuaregs oder Touaregs. Tuareg ist jedoch an sich schon der Plural von Targi (Sg.fem.) und Targia (Sg.mask.). Die Etymologie des Begriffes Tuareg ist umstritten. Einerseits wird die Wortgeschichte auf die arabische Wurzel terek1 (verlassen) zurückgeführt, welches dazu führt, dass Tuareg als „die von Gott Verlassenen“2 interpretiert wird. Die 1 Siehe Nicolaisen/Nicolaisen 1997: 47. 2 Siehe zum Beispiel Duveyrier 1864: 317. 9 Herkunft des Begriffes wird auch auf eine Region im heutigen Libyen namens „Targa“3 zurückgeführt. Jede Ableitung ist bis dato eine Spekulation. Obwohl es in der wissenschaftlichen und populären Literatur Usus ist, die Bevölkerung als Tuareg zu bezeichnen, möchte ich hier aus Rücksichtnahme4 auf die Bevölkerung darauf verzichten. De facto handelt es sich bei dem Begriff Tuareg um eine Fremdbezeichnung und die Bevölkerung in der Sahara bezeichnet sich selbst als Imuhaê, Imascheêen beziehungsweise Imuschaê. Imuhaê/Imascheêen/Imuschaê Als Imuhaê bezeichnen die in Algerien und Libyen beheimateten Gruppen ihre gesamte Gesellschaft. Die im Niger ansässigen Gruppen benennen ihre Gesellschaft als Imascheêen beziehungsweise in Mali als Imuschaê. Durch den entstandenen Lautwandel in den Regionen ist es nun schwer, eine gemeinsame Bezeichnung wie Tuareg zu finden. Es existieren Bestrebungen, sie unter dem Sammelbegriff Kel Tamascheq (Menschen die Tamascheq sprechen) zusammenzufassen. Jedoch zeigen auch die Sprachbezeichnung den Lautwandel auf. Somit grenzt die Bezeichnung Kel Tamascheq jedoch