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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Beiträge zur Naturkunde Niedersachsens

Jahr/Year: 2000

Band/Volume: 53

Autor(en)/Author(s): Lobenstein Ulrich

Artikel/Article: Zur Schmetterlingsfauna des mittleren Niedersachsen 133- 179 Beiträge zur Naturkunde Niedersachsen 53. Jahrgang - Heft 4/2000

Beitr. Naturk. Niedersachsens 53: 133-179 (2000) Zur Schmetterlingsfauna des mittleren Niedersachsen von Ulrich Lobenstein

Teil I : Grundlagen 1 Einleitung

Über die Schmetterlingsfauna des o.g. Gebietes ist gemessen an der Anzahl der tatsächlich vor- han-denen Untersuchungen nur wenig Literatur zu finden. Die hier vorgestellte Arbeit behan­ delt einen Raum, der die Region Hannover, die Südheide und das untere -Leine-Bergland umfaßt. Für diesen findet man vor allem Aufsätze über Tagfalter, die zwar populärer als Nachtfalter sind, aber höchstens 5 % der Schmetterlinge ausmachen. Die anderen 95 % umfassen die sogenannten Nachtfalter. Um sich über diese zu informieren, mußte man bisher auf die Gesamtdarstellung von FÜGE et al. (1930) und damit auf ein veraltetes, nur anti­ quarisch erhältliches Werk zurückgreifen.

Das Kennenlemen der Nachtfalter gilt als schwierig und erfordert eine intensive Einarbeitung. Für den genannten Raum gibt es dennoch einen Personenkreis von etwa dreißig Interessierten, die - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - diese Arbeit auf sich genommen haben und im Zeitraum 1970 - 1999 damit beschäftigt waren, die Verbreitung und Lebensweise von Nachtfaltern zu unter-suchen.

Immer wieder wird von angehenden Lepidopterologen die schwere Zugänglichkeit des vorlie­ genden Wissens kritisiert und als motivationshemmend bezeichnet. Interessante Fundmeldungen, so heißt es, kursieren mehr unter Insidern, werden aber gegenüber "Neulingen" oft geheimgehalten. Die neue Dokumentation kann dieses Defizit insofern nicht beheben, als sie nicht im Buchhandel erhältlich ist. Einige Duplikate der 360 Seiten umfassen­ den Arbeit ist jedoch in Naturschutz-Fachbibliotheken* einzusehen oder entleihbar.

Ein wichtiges Anliegen der neuen Schmetterlingsfauna war es, Informationen, die durch das Ableben von Entomologen oder Beendung des Hobbies häufig verloren gingen, rechtzeitig zu

* Bibliotheken: NABU-Akademie 29308 Winsen/Gut Sinder, BUND Hannover 30161 Hannover, Niedersächsische Naturschutzakademie 29640 Schneverdingen, Universitätsbibliothek 33098 Paderborn, Universität GHS 37671 Höxter, Universität FB Natursch. Landschpfl. 30419 Hannover, Bundesamt für Naturschutz 53179 Bonn.

133 Abgrenzung und naturräumliche Gliederung des Untersuchungsgebietes

134 sichern. Außerdem sollten die speziell an Nachtfaltern interessierten Naturfreunde zusammen­ gebracht werden, was seit 1985 in Form einer Arbeitsgruppe geschah. Das aktuell nachlassen­ de Interesse am Naturschutz erschwert jedoch weitere Bemühungen, die angewandte Entomologie zu fördern und zu einer Einarbeitung in schwierige Artengruppen wie die Nachtfalter zu motivieren.

Erst recht gilt das für die Kleinschmetterlinge, also jene Hälfte der Schmetterlinge, die im Volksmund wegen ihrer geringen Größe als Motten bezeichnet werden. Das hier besonders wichtige Suchen nach den Raupen, ein genaues Hinsehen und viel Literaturarbeit lassen sich mit dem Bedürfnis der jungen Generation nach Schnelligkeit und Unterhaltung nicht zu ver­ einbaren.

Die "Micros" haben daher mehr als die Großschmetterlinge an Anhängerschaft verloren; in diversen Sammlungen existieren viele hundert wissenschaftlich unzureichend aufgearbeitete Exemplare. Zu dem Desinteresse trägt neben dem nötigen Aufwand auch die Erkenntnis bei, daß es keine For-schungseinrichtungen, Museen oder Fachkreise gibt, die eine Auswertung betreiben und damit eine Wertschätzung der geleisteten Arbeit vermitteln. Unter dem Eindruck, daß es außer einen selbst niemanden interessiert, mag sich kaum jemand den Microlepidopteren zuwenden. Daher ist die Dichte ihrer Funddaten viel zu gering, um sie in die neue Fauna auf­ zunehmen.

Bibliotheken: Im folgenden wird das Projekt erläutert und ein Überblick über die Ergebnisse gegeben. Das Kernstück der Dokumentation ist ein Nachschlageteil, in dem - hier nur am Beispiel einiger Arten demonstriert - über die Verbreitung, Häufigkeit, Habitatansprüche, die wichtigsten Beobachtungen, Lebensweise und Funde von Raupen sowie die Gefährdung und Hilfsmaßnahmen informiert wird.

2 Das Beobachtungsgebiet

2.1 Abgrenzung und Gliederung

Im Mittelpunkt des Gebietes liegt die Stadt Hannover, die der Verkehrsknotenpunkt ist, von wo alle Untersuchungsorte zu erreichen sind. Die Lage des Gebietes folgt damit keiner naturräum­ lichen, sondern einer praktischen Abgrenzung.

Die Gebietsabgrenzung ist so gewählt, daß ein Anschluß an benachbarte Untersuchungsgebiete gegeben ist: das Braunschweiger Gebiet nach SCHMIDT (1989), das Westfälische Gebiet nach WEIGT (1982), das südniedersächsische Gebiet nach MEINEKE (1984) und das Bremer Gebiet, für das RATHJE & SCHROEDER (1924) als Südostgrenze die Linie Wilsede-Eystrup nennen. Nordöst-lich schließt der von SCHROEDER (1940) bzw. WARNECKE (1957) abge­ grenzte Bereich der Zen-tralheide an, wobei die Grenzen von künftigen Autoren vermutlich wieder anders gewählt werden.

Da viele Artnachweise nur im Zusammenhang mit ihrer naturräumlichen Lage beurteilt werden können, wird das Gebiet in seine wichtigsten Naturräume untergliedert: die Südheide, das

135 Weser-Aller-Flachland, die Börde und das untere Weser-Leine-Bergland (s. Karte). Diese Unterteilung wird auch bei den Fundortangaben in der faunistischen Darstellung verwendet.

3 Informationsgrundlagen

3.1 Ältere Informationsgrundlagen (bis 1970)

Die ersten verwertbaren Artenverzeichnisse des Gebietes wurden von REINF10LD (1860) und GLITZ (1874) verfaßt. Diese Aufstellungen mit ihren von 1878 bis 1883 verfaßten Nachträgen enthalten mit 650 bzw. 707 Arten bereits einen großen Teil des Artenbestandes. Die folgende von PEETS (1907) gelieferte Bearbeitung enthält mehr Angaben zur Lebensweise, wobei jedoch seine eigenen und abgeschriebene Beobachtungen vermischt wurden. Trotzdem sind die ersten Faunen hinsichtlich ihrer Sorgfalt und Zuverlässigkeit für die damalige Zeit als vorbild­ lich zu bezeichnen. Die Verfasser, allen voran C. GLITZ, legten Wert darauf, daß tatsächlich nur die im Freiland beobachteten Falter der einheimischen Fauna zugerechnet wurden und nicht, wie es üblich war, am Ort eingetauschte oder gezüchtete Falter.

Auf den Grundlagen der Verzeichnisse von GLITZ und von PEETS erschien 1930 das Standardwerk für Schmetterlinge im Raum Hannover von FÜGE, PFENNIGSCHMIDT, PIETZSCH u. TROEDER, das insgesamt 787 Groß- und 1037 Kleinschmetterlingsarten behan­ delt (Die Schmetterlinge der weiteren Umgebung der Stadt Hannover, Sonderveröff. Naturhist. Ges. Hannover, 1930). Fast 70 Jahre lang diente diese Arbeit als einziges Nachschlagewerk zur Lokalfauna des Gebietes.

Die Beobachtungsdaten aus den darauffolgenden Jahrzehnten sind dagegen nur lückenhaft erhalten geblieben. Einigermaßen gut dokumentiert ist noch die Zeit von 1930 bis 1950, aus der wenigstens die als bemerkenswert erachteten Funde veröffentlicht wurden (s. GROSS 1950). Leider bleibt bei diesem Nachtrags werk unklar, ob die nicht behandelten Arten nicht selten genug waren, d.h. als nicht bemerkenswert galten oder ob sie seit der Aufstellung von FÜGE et al. (1930) verschwunden waren.

Obgleich die folgenden zwanzig Jahre (1950-1970) von reger faunistischer Aktivität geprägt waren, liegen aufgrund des fehlenden Interesses an einer Dokumentation kaum Funddaten vor. Viel Arbeit, die in den Aufbau umfangreicher Sammlungen gesteckt wurde, ist für die Nachwelt bedeutungslos geworden - ein schlechtes Andenken für die noch nach 1950 tätigen Schmetterlingskundler wie Gross, Branscheid, Groth, Lux, Zettel, Stadler, Pastemack und Nachstedt. Verschiedene private Sammlungen sind ohne Auswertung von dem Händler Schulte an auswärtige Interessenten weiter-verkauft worden. Dabei waren viele Schmetterlingskundler keineswegs "reine Sammler", sondern wirklich naturinteressierte Menschen mit Freude am Entdecken und am lebenden Insekt. Dadurch, daß oft die Angehörigen mit dem Nachlaß nichts anderes anzufangen wissen, als Beobachtungs-tagebücher wegzuwerfen und Sammlungen zu verkaufen, ist der lokalfaunistischen Forschung bereits großer Schaden entstanden. Wissenschaftliche Sammlungen werden auf diese Weise entwertet und die eigentlichen Ambitionen ihres Besitzers nicht gewürdigt.

136 3.2 Aktuelle Informationsgrundlagen (ab 1970)

Um 1975 bemühte sich S. Potel, unter den hannoverschen Entomologen eine zentrale Funddaten- Sammelstelle einzurichten, was seitens der Mitglieder im "Verein für Insektenkunde Hannover" aus Zeitmangel scheiterte (s. STAVEN 1982). Durch private Mitteilungen sind aber wichtige Funde ab etwa 1970 überliefert, so daß die vorliegende Dokumentation die Jahre von 1970 bis 1999 behandelt, also einen Zeitraum von 30 Jahren umfaßt.

Seit etwa 1980 wurde in Hannover die systematische Neubearbeitung der Fauna vorbereitet, d.h. mehrere Personen führten Datei bzw. Tagebuch und die Ergebnisse wurden am Jahresende zu-sammengetragen. Insgesamt haben in dieser Zeit, wenn auch nicht durchgängig, 18 Mitarbeiter Nachtfalterfänge mit eigenem Lichtfanggerät unternommen. Die Zahl der Tagfalterbeobachter ist deutlich größer, denn sie schließt viele Naturkundler mit guten allge­ meinen Artenkenntnissen ein.

Ein elektronischer Datenaustausch mittels gemeinsamen Datennetzes ist, obwohl inzwischen viele Mitarbeiter mit PC arbeiten, noch nicht in Sicht. Bis zum Redaktionsschluß bereitete das Abrufen von Daten immer wieder Schwierigkeiten, so daß sich gerade in diesen Momenten die alte Karteikartenmethode als die "krisensicherere" Verwaltung der Daten erwies.

4 Unterteilung der Arten in ,fFalterformationenM

Die meisten bisherigen Versuche, die Schmetterlingsarten nach den Pflanzengesellschaften eines Gebietes zu unterteilen, sind kritisch zu beurteilen. Das System der Pflanzengesellschaften ist als Bezugsgrundlage für die Schmetterlinge gut brauchbar bei Extremstandorten, im übrigen aber weit-gehend unbrauchbar, nämlich bei den mittleren, von mäßig anspruchsvollen Artengemeinschaften besiedelten Standorten. Trotz geringer Überein­ stimmung des Lebensraumes von Pflanzen- und Tiergesellschaften (dazu s. auch HEYDE- MANN 1955) werden derartige Einteilungen immer wieder aufgestellt.

Ein geeignetes Konzept ergibt sich dagegen aus der Arbeit von BLAB & KUDRNA (1982). Es ver-zichtet darauf, Arten ohne Bindung an Pflanzengesellschaften in das pflanzensoziologische Schema zu pressen und begnügt sich mit weit gefaßten Formationen. Bei den Arten der Extrembioto-pe werden speziellere Zuordnungen ermöglicht, wie z.B. in der Formation der Hochmoorbewohner i. e. S.. Für die Fauna wurde daher in abgewandelter Form auf dieses Konzept zurückgegriffen (s. Tab. 4). Es hat gegenüber der Einteilung in "Leitartengruppen" nach BERGMANN (1951- 1955) auch den Vorteil, daß nicht nur Charakterarten, sondern vom Ubiquisten bis zum Torfmoorbewohner sämtliche Arten einer "Falterformation" zugeordnet werden können. Dadurch wird vermieden, daß - nur um möglichst viele Arten einordnen zu können - von Spezialisierungen ausgegangen wird, die in der Realität nicht bestehen. Der Begriff der Leitarten sollte besser auf einzelne ausgewählte Arten beschränkt bleiben, die besondere Anspruchstypen charakterisieren.

137 5 Auswertung

5.1 Aktueller Artenbestand und Bestandsentwicklung

Die neue Fauna umfaßt 843 Großschmetterlingsarten, die von 1970 bis 1999 beobachtet wur­ den. Außerdem werden 21 Arten behandelt, die nach dem Nachtrag von GROSS (1950) zwi­ schen 1951 und 1969 festgestellt wurden und durch aktuelle Funde bestätigt werden müßten.

Der in einem Zeitraum von 30 Jahren nachgewiesene Bestand entspricht nicht dem momenta­ nen Artenbestand des Gebietes. Viele Arten weisen Fluktuationen auf und besiedelten das Gebiet nur eine begrenzte Anzahl von Jahren. Somit ist die neue Fauna das Ergebnis zahlrei­ cher Momentauf-nahmen unter zeitlich sehr unterschiedlichen Bedingungen. Einen Überblick über bodenständige und nicht bodenständige Arten gibt die folgende Tabelle. Nach gegenwär­ tiger Kenntnis werden 800 Arten zum festen Bestand der Fauna gezählt. Zwischen bodenstän­ digen Arten mit zeitweiligem Populationszusammenbruch und nicht bodenständigen Arten mit zeitweiliger Ansiedlung besteht ein fließender Übergang, wobei einzelne Arten im Laufe der Zeit ihren Status gewechselt haben.

Tab. 1: Gesamtzahl beobachteter Großschmetterlingsarten 1970 - 1999 843 Nicht bodenständige Arten mit sporadischen Ansiedlungen 7 Arten mit unklarem Status (Einzelfund, unvollständ. Mitteilung, geograph. Isolation) 14 Einwandemde, i.d.R. nicht überwinterungsfähige Arten 14 Sonstige nicht bodenständige Arten 3 Arten, deren einzigen bekannten Fundorte zerstört wurden 5 Gesamtbestand der nicht bodenständigen Arten 43 Bestand der bodenständigen Arten 800

FÜGE et al. (1930) führten 783 Arten auf, wobei das damalige Untersuchungsgebiet kleiner war. GROSS (1950) ergänzte 82 Arten, doch waren vom früheren Bestand 41 Arten seit über 60 Jahren verschollen und verschiedene nach 1950 ent-deckte Arten waren offenbar nur übersehen worden. Daraus ergibt sich eine Gesamtzahl von ca. 850 Arten, wobei genaue Zahlen angesichts anderer Methoden, Bearbeitungszeiträume und Gebietsabgrenzungen nicht sehr auss- sagefähig wären.

Auf den ersten Blick ließe sich behaupten, daß der Artenbestand von einst und jetzt etwa in der gleichen Größenordnung liegt. Wenn man die Bestandsaufnahme allerdings anhand der glei­ chen Methoden und an den gleichen Lokalitäten vomimmt, so wird ein starker Rückgang offen­ kundig. Bei vielen inzwischen zurückgegangenen Arten lagen die klassischen, jahrzehntelang überlieferten Flugstellen innerhalb der heutigen Stadtgrenzen. Für damalige Sammler wäre es ein unnötiger Auf-wand gewesen, diese Arten in schwer zugänglichen Gebieten außerhalb der Stadt zu suchen, so daß dort ihre Bestandssituation kaum erforscht war. Genau in diesen Gebiete zieht es heute die Faunisten. Dies läßt die Rückgangstendenzen mancher Arten weniger gravie­ rend erscheinen, da hier öfters noch Reliktvorkommen zu finden sind.

Man müßte, um einen Vergleich anzustellen, z.B. die zur Erfassung notwendigen Fahrtkilometer berücksichtigen. So bedurfte es im Jahr 1930 um die nächstgelegen Habitate aller einheimischen Maculinea-Arten (Ameisen-Bläulinge) aufzusuchen, weniger als 15 km

138 Abb. 1: Der Punktierte Baumflechten-Grauspanner (Tephronia cremiaria). Die bundesweit einzigen bekannten Vorkommen liegen in einem kleinen Areal südöstlich von Hannover; darüber hinaus wird die Art vor allem in Frankreich beobachtet.

Abb. 2: Ein vielfältiges Nebeneinander von Weiden, Äckern, Gehölzzeilen, Wäldern und Gebüschen wie hier im Weserbergland istideale Voraussetzung für eine artenreiche Schmetterlingsfauna. Während die Natur durch Oberflächenrelief und flachgründigen Boden die ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen diktiert, erfordert es in den übrigen Gebieten seitens der Eigentümer und Nutzer einigen Idealismus, die Landschaft extensiv und natur­ schutzfreundlich zu bewirtschaften.

139 Fahrt (ab Hbf.), heute sind es über 100 km. Alle heimischen Coenonympha-Arten (WiesenVögelchen) waren mit nur 20 Fahrtkilometem zu erreichen, heute muß man über 150 km fahren. Die Scheckenfalter matuma, aurinia, cinxia, athalia und didyma waren in 15 km Entfernung (ab Hbf.) vollständig vertreten, heute findet man sie nur noch teilweise innerhalb des Gebietes und muß über 200 km zurücklegen; diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Der stark geschrumpfte Artenbestand ist damit nur noch nachweisbar, wenn man den Tieren - meist per PKW - bis zu den letzten Schlupfwinkeln in die entlegensten Teile des Gebietes folgt, die vermutlich noch kein Schmetterlingskundler betreten hat.

5.2 Lokalfaunistische Besonderheiten

Hannover liegt an der Schnittstelle wichtiger naturräumlicher Grenzen, und da viele speziali­ sierte Arten ihre Hauptvorkommen mehr in Richtung ihres Verbreitungszentrums besitzen, erreichen sie unser Gebiet nur noch ganz am Rande (Erebia ligea, Melitaea aurelia, Acontia luc­ tuosa u.v.a.). Die beträchtliche Zahl dieser Arealrand-Besiedler ist ein besonderes Merkmal unseres Gebietes. Die naturräumliche Grenzlage erklärt damit den für ein nordwestdeutsches Gebiet hohen Artenreichtum, aber auch die Vielzahl unbeständiger und sehr empfindlicher Vorkommen.

Umgekehrt ist die Zahl der Arten, die um Hannover ihren Verbreitungsschwerpunkt oder zumindest einen von mehreren Schwerpunkten in der Bundesrepublik besitzen, äußerst gering. Dazu zählt der nach hannoverschen Exemplaren beschriebene Baumflechten-Grauspanner (Tephronia cremiaria), der im Südosten Hannovers offenbar die einzigen aktuellen Vorkommen im Bundesgebiet hat.

Einige bemerkenswerte Arten (s. Tab. 2) bilden im Gegensatz zu verschiedenen anderen Teilen Niedersachsens oder der Bundesrepublik im Untersuchungsgebiet noch beständige Populationen - wenn auch das Überleben dieser Arten nicht auf unser Gebiet beschränkt ist. Diese Vorkommen tragen zur überregionalen Bestandserhaltung bei. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, die Populationen zu schützen und soweit möglich eine Wiederausbreitung in potentielle Habitate zu bewirken, um die fortschreitende Isolierung der Vorkommen zu verhin­ dern.

112. Euphydryas aurinia ROTT. - Skabiosen-Scheckenfalter 143. Boloria aquilonaris STICH. - Moor-Perlmutterfalter 180. Maculinea nausithous BRGSTR. - Schwarzer Moorbläuling 198. Vacciniina optilete KNOCH - Moosbeerenbläuling 252. Orgyia ericae GERM. - Heidebürstenbinder 440. Drepana harpagula ESP. - Linden-Sichelflügler 714. Eugraphe subrosea STPH. - Torfmooreule 742. Xestia agathina DUP. - Heidekraut-Bodeneule 891. Apamea aquila DONZ. - Pfeifengras-Trauereule 1043. Lithophane lamda F. - Sumpfporst-Rindeneule 1296. Hypenodes turfosalis WOCKE - Hochmoor-Motteneule 1516. Coenotephria sagittata F. - Wiesenrauten-Blattspanner 1665. Arichanna melanaria L. - Rauschbeeren-Fleckenspanner 1828. Dyscia fagaria THNBG. - Heidekraut-Fleckenspanner

Die größte Bedeutung kommt den Bewohnern der Hochmoore und Heiden zu, die den Nordteil

140 unseres Gebietes charakterisieren. Die Biotope der Sandböden, bedingt durch die in Norddeutsch-land wirksam gewordenen Eiszeiten, sowie der Hochmoore, die nur dort existie­ ren können, wo die Niederschläge die Verdunstung durch Wärme übertreffen, gehören zu den Besonderheiten unseres Gebietes. Dem hohen Spezialisierungsgrad der hier vertretenen Arten steht eine im Vergleich zu anderen Lebensräumen auffällige Artenarmut gegenüber.

Der Südteil unseres Gebietes weist weitere bemerkenswerte Vertreter auf, die vielfach kenn- zeich-nend für warmtrockene Magerbiotope auf Kalkböden sind. Ihre Fauna ist deutlich arten­ reicher als die der Hochmoor- und Heide-Lebensräume. Für unseren atlantisch geprägten Klimaraum stellen viele dieser Arten Raritäten dar. Oft sind besondere Anstrengungen notwen­ dig, um die Lebensbedingungen aufrecht zu erhalten, während die gleichen Habitate in zentra­ len Teilen des Verbreitungsareales (z.B. Süd- und Ostdeutschland) auf Grund der günstigeren Wärme- und Besonnungsverhältnisse und des geringeren Isolationsgrades der Populationen mit viel weniger Fürsorge seitens des Naturschutzes auskommen.

5.3 Das mittlere Niedersachsen - ein Treffpunkt für Arealrand-Bewohner

Wer z.B. die Schmetterlingsfauna süddeutscher Trockenrasen und die dortigen " Vorzeigearten" kennt, wird die Schutzbemühungen für die bei uns vorhandenen Arten vielleicht für übertrieben hal-ten. Derartige Vergleiche sind für die lokale Naturschutzarbeit jedoch nicht relevant, denn dann wären auch die Hochmoore weniger schutzwürdig, wenn man ihre Ausbildung in einigen osteuropäischen Ländern zum Vergleich nimmt. Ein überwiegend an süddeutschen Verhältnissen orientiertes Schutzkonzept, in dem in Niedersachsen die Erhaltung von Moorbewohnem doppelt so hoch wie die von Trockenrasenbewohnem eingestuft wird, ist das Hilfsprogramm für Schmetterlinge von BLAB & KUDRNA (1982). Die typischen Trockenrasenbewohner sind für die norddeutschen Halbtrockenrasen jedoch großenteils zu anspruchsvoll, so daß dieser Habitattyp für den Fortbestand der in Süddeutschland gefährdeten Arten keinen nennenswerten Beitrag leisten kann. Da die Veröffentlichungen zum Artenschutz der Schmetterlinge in der Bundesrepublik überwiegend aus dem süddeutschen Raum kommen, prägen die dortigen Erkenntnisse maßgeblich die fachliche Diskussion.

Die Forderung, man solle die Arten im Zentrum ihres Areales schützen anstatt an den Arealrändem, führt den Naturschutz ad absurdum. Dies würde bedeuten, daß eine Art dort am meisten Schutz ver-dient, wo sie in den Roten Listen am niedrigsten eingestuft wird, d.h. wo sie ihr Optimum hat. Dort sieht man jedoch oft keinen Anlaß, sich besonders zu bemühen. Im Gegenteil: so mancher Lebens-raumtyp wird im Zentrum seiner Verbreitung bekämpft, weil er sich ausbreitet bzw. anderen Nut-zungsinteressen einschließlich landespflegerischen Maßnahmen im Wege steht. Geschätzt werden die Habitate und ihre Artengemeinschaften gerade dort, wo sie Seltenheitswert haben, nämlich in Richtung ihrer Arealränder. Mit der weltweit fortschreiten­ den Intensivierung der Nutzung und einer aus Monokulturen bestehenden anthropogenen Vegetation ist unter den aktuellen Arealgrenzen nur eine Momentaufnahme zu verstehen. Mit jedem Tag, den die Wirtschaftsfläche weiter expandiert, wird die Arealfläche der Arten redu­ ziert, d.h. die Arealgrenzen rücken näher auf das weniger störempfindliche Arealzentrum zu. Es ist daher nötig, mit dem Schutz an den Arealrändem zu beginnen und die Bemühungen mög-

141 liehst früh auf zentrale Bereiche des Areals auszudehnen, bevor hier die gleiche bedrohliche Situation eintritt. Die negativen Entwicklungen in peripheren Arealteilen können dabei den Anstoß geben, rechtzeitig die Gesamtbestandslage zu beobachten und Kenntnisse über die öko­ logischen Ansprüche und die Gefährdungsfaktoren zu sammeln und umzusetzen.

5.4 Schutz und Wiederbelebung der Schmetterlingsfauna

Hilfsmaßnahmen für die Schmetterlingsfauna sollten auf längere Sicht angelegt sein und auf guter Beobachtung basieren. Die oft im Rahmen von Gutachten im Naturschutz nachgefragten Vorschläge für Biotoppflegemaßnahmen werden fast immer unter Zeitdruck innerhalb eines Jahres erarbeitet. Dies ist zu kurz, um die Lebensweise der Arten in der Natur zu beobachten und fundierte Pflege-vorschläge zu erarbeiten und hat außerdem den Nachteil, daß Nutzem und Behördenmitarbeitem nicht vor Ort demonstriert werden kann, wie und wo die schutzbedürfti­ gen Arten genau aufwachsen und leben.

Es ist besonders wichtig, daß die letzten Restpopulationen bedrohter Arten erhalten bleiben, denn alle Versuche, unseren Schmetterlingsbestand neu zu beleben, sind aussichtslos, wenn die Arten bis weit über die Landesgrenzen verdrängt wurden. So gibt es eine Reihe von Arten, deren günstigster Zeitpunkt für Hilfsmaßnahmen bereits verpaßt wurde. Diese Arten sind bei einem Wiederauftreten besonders zu beachten und ihre Lebensweise und Lebensbedingungen am Fundort zu untersuchen. Wichtig wäre, zu klären, durch welche Faktoren der Bewirtschaftung oder Nutzung die gegenwärtige kritische Bestandslage ausgelöst wird.

Tab. 3: Arten, deren letzte Populationen möglicherweise erloschen sind

Nummer Art letztes Fundjahr

43. Erebia medusa D.& S. - Rundaugen-Mohrenfalter 1992 95. Limenitis populi L. - Großer Eisvogel 1985 245. Laelia coenosa HBN. - Gelbbein 1970 250. Orgyia gonostigma F. - Eckfleck-Bürstenbinder 1974 475. Odonestis pruni L. - Pflaumenglucke 1980 673. Ochropleura praecox L. - Grüne Beifuß-Erdeule 1979 877. Dicycla oo L. - Eichen-Nulleneule 1973 926. Luperina nickerlii FRR. - Nickerls Graswurzeleule 1976 1732. Agriopis bajaria D.& S. - Ligusterbuschflur-Herbstspanner 1979 1831. Siona lineata SCOP. - Weißer Hartheuspanner 1980

Ein wichtiger Aspekt betrifft die Entwicklung neuer Lebensräume, damit sich rückläufige Arten wieder ausbreiten können. Extensiv genutzte, kleinräumig gegliederte und vielseitig struktu­ rierte Landschaften mit guter Vernetzung der Biotope haben heute Seltenheitswert. Sie haben sich dort erhalten, wo sich eine intensivere Nutzung aufgrund der natürlichen Gegebenheiten nicht lohnt, wie z.B. in Teilen des Weser-Leine-Berglandes. Bei der Entwicklung neuer Biotope konzentrieren sich die Bemühungen vor allem auf die Übergangsbereiche zu den intensiv wirt­ schaftlich genutzten Flächen, die oft bis vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten noch natumah waren.

142 Die völlig ausgeräumten Landschaften (wie etwa der Raum Söhlde-Algermissen südöstl. von Han-nover) wurden vom Naturschutz praktisch aufgegeben. Mit der Intensivnutzung muß jedoch nicht zwangsläufig eine restlose Biotopzerstörung verbunden sein,sondern es gibt viel­ fältige Möglichkeiten, geeignete Lebensräume am Rande der Nutzflächen entstehen zu lassen. Schmetterlinge bewegen sich bevorzugt entlang von Säumen, so daß diese Landschaften über potentiell wertvolle Ausbreitungswege und Kleinbiotope verfügen und - ein wenig mehr Windschutz durch Hecken und Gehölzzeilen vorausgesetzt - eine deutliche Wiederbelebung erfahren können.

5.5 Schmetterlinge und Landwirtschaft

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war für die Schmetterlingsfauna mit besonders schwe­ ren Verlusten verbunden. Dem Versuch vieler Landwirte, durch zunehmend intensive Grünlandwirtschaft den Betrieb aufrecht zu erhalten, folgte in den meisten Fällen die Umstellung auf Ackerwirtschaft. Die offene Kulturlandschaft ist heute geprägt von Ackerflächen und auf den Grenzertragsböden von - mit Hilfe von Trockenlegung und Düngung nutzbar gemachtem - Grünland. Die aktuell noch vorhandenen Grünlandanteile sind als Tierlebensräume kaum höher zu bewerten als Äcker, wenn man einmal vom Entwicklungspotential absieht.

Dieser Tendenz sind, wie ein Vergleich mit den alten Artenverzeichnissen von FÜGE et al. (1930) und GROSS (1950) zeigt, zahlreiche typische Wiesen-Falterarten zum Opfer gefallen; ihr Habitatan-gebot ist praktisch zusammengebrochen. Gebietsweise finden sich noch einzelne natumahe Feucht-wiesen entlang der Bäche und Flüsse in der Südheide oder punktuell gibt es extensiv genutzte Schafweiden von Nebenerwerbs-Landwirten, doch ist der räumliche Zusammenhang dieser Restflächen zu lückenhaft für den Fortbestand vieler Arten.

Damit richtet sich die Aufmerksamkeit auf Habitate, denen eine Ersatzfunktion für die einstige Wie-senfauna zukommen könnte. Im Stadtgebiet von Hannover findet man die betreffenden Artengemeinschaften weniger im Wirtschaftsgrünland als auf den städtischen Grünflächen. Die von Naturschützem jahrelang gescholtene zu intensive Pflege dieser Flächen wurde immer wei­ ter extensiviert, so daß z.T. schon darum gebeten wird, die Pflege nicht aus Kostengründen wei­ ter zu reduzieren oder örtlich sogar einzustellen. Denn charakteristisch für die Biozönose der Wiese ist der Schnitt der Vegetation und nicht etwa die Brache.

Andere Ersatzhabitate für Wiesenstandorte sind Entwässerungsgräben. Seltene Tagfalterarten wie Rundaugen-Mohrenfalter (E. medusa), Feuchtwiesen-Perlmutterfalter (A. ino), Schwarzer Moorbläu-ling (M. nausithous), aber auch Nachtfalter wie Gelbbein (L. coenosa), Wiesenrauten-Blattspanner (C. sagittata) fanden dort wertvolle Rückzugslebensräume. Daher wäre es wünschenswert, diese Habitate durch eine naturschutzgemäße Pflege zu erhalten bzw. zu entwickeln.

Wichtig ist auch in diesem Fall der kleinräumige zeitliche Wechsel bei der Durchführung der Maßnahmen, bei denen nach persönlichem Ermessen z.B. "schön blühende" oder nicht pflege­ bedürftige Bereiche ausgespart werden können. Der Begriff "unordentliches Mähen" findet sich sogar schon in den Nutzungsvereinbarungen der oberen Naturschutzbehörde mit einem

143 Landwirt, damit Wiesensäume nach unterschiedlichem, unregelmäßigem Muster gemäht wer­ den. Wie in der forstwirtschaftlichen Pflege wird empfohlen, mit den technischen Möglichkeiten bewußt umzugehen und diese nicht auszuschöpfen. So sind kleinere Maschinen mit mehr Rücksichtnahme für Flora und Fauna zu handhaben und mähen weniger gründlich - dies wäre eine günstige Voraussetzung für eine größtmögliche Strukturvielfalt. Glücklicherweise sieht man an pflegeintensiven Stellen heute eher den Einsatz einer Motorsense statt - wie in den 70er Jahren - eines Spritzgerätes. Ebenso ist die Pflege vieler Wegraine und Böschungen in letzter Zeit, oftmals aus Kostengründen, deutlich extensiver geworden.

Der Nutzungswandel im Grünland, auf städtischen Grünflächen sowie in deren Saumbiotopen und das Kommen und Gehen der dort lebenden Schmetterlingsarten ist in Hinblick auf den Naturschutz interessant und aufschlußreich. Die erheblichen Bemühungen, einzelne wertvolle Wiesen und Wei-den zu schützen und naturschutzgerecht zu pflegen, geben jedoch auch Anlaß zu Ratlosigkeit. Es wird auf absehbare Zeit kaum möglich sein, den Zusammenbruch der Wiesen-Falterfauna in seiner Gesamtheit rückgängig zu machen, denn mehr denn je kommt die dafür notwendige Subventionie-rung der traditionellen extensiven Grünlandwirtschaft auf gro­ ßer Fläche nicht in Betracht.

Für die Wiederbelebung der Wiesenfauna bleiben als wertvolle Ersatzhabitate die Saumbiotope. Damit wird der aussterbende Biotoptyp Blumen wiese praktisch in die Ackerlandschaft verlegt, näm-lich als schmales Band entlang der Wege, Gräben und Flurgrenzen. Ein Projekt zur natur­ gemäßen Pflege von Saumbiotopen läuft seit 1988 im Rahmen von Hilfsmaßnahmen für den Schwarzen Moorbläuling (M. nausithous) im Raum Laatzen. Das Resultat, ein dichtes Nebeneinander von Intensiväckem und naturgemäß gepflegten Grabenrainen mit charakteristi­ schen Wiesenpflanzen und -deren zeigt, in welcher Weise eine Annäherung zwischen sehr unterschiedlichen Interessen von Ökonomie und Ökologie realisiert werden kann. Solche Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Naturschutz werden viel zu wenig ausgeschöpft, sie sind jedoch auch von langfristigem organisatorischem und finanziell- lem Engangement abhängig.

5.6 Schmetterlinge und Forstwirtschaft

Auch wenn nur die wenigsten Wälder in vollem Umfang schmetterlingsfreundlich sind, so zäh­ len sie heute zu den wenigen Lebensräumen, für deren künftige Entwicklung die Prognosen des Naturschutzes vergleichsweise positiv ausfallen. Die Situation der einheimischen Holzwirtschaft und grundsätzliche Überlegungen über neue Aufgaben der staatlichen Forstwirtschaft im Naturschutz haben bei diesem Wandel eine Rolle gespielt. Hinzu kommen die enger gewordenen Finanzspielräume bei Durchforstung und Pflege, die im allgemeinen zu einer extensiveren Bewirtschaftung führen, alle-dings manchmal auch zwecks Zeitersparnis zu besonders radikalen Maßnahmen.

144 Abb. 3: In der Südheide wurden durch Orkan (1972) und Waldbrand (1975) große Waldflächen zerstört, die z.T. mit Nadelholz (Kiefer, Douglasie), doch später vermehrt auch mit Laubhölzem neu aufgeforstet wurden. In einigen Bereichen, wie hier bei Eschede, wurde auf die Einrichtung breiter Wegrandstreifen geachtet, die für Schmetterlinge wichtige Ausbreitungswege und Entwicklungshabitate darstellen

Abb. 4: Um den gesetzlichen Verpflichtungen zu genügen, wurde 1998 dieser geschützte "§-28a-Biotop", ein Erlenbruchwaid am Altwarmbüchener Moor, von den Baumaßnahmen zur Erweiterung der Zentraldeponie ausge­ nommen. Es ist schwer vorstellbar, wie z.B. die landesweit bedrohte Erlengehölz-Rindeneule (Acronicta cuspis) in ihrem bald von Bauschuttbergen umringten Biotoprest nach Vernichtung sämtlicher Kontaktbiotope überleben können soll. Solche Beispiele sind typisch dafür, wie bei fehlendem politischen Willen die Naturschutzbelange seitens der Verwaltung korrekt abgearbeitet werden...

145 Der gegenwärtige Zustand der Wälder und ihr ökologisches Entwicklungspotential (die soge­ nannten Waldentwicklungstypen) sind Grundlage für das 1991 erlassene, vielversprechende landesweite Programm zur langfristigen ökologischen Waldentwicklung (LÖWE), das mehr als bisher Aspekte des Naturschutzes berücksichtigen soll. Ob die mit den planerischen Vorgaben eröffneten neuen Freiräume seitens der Revierförstereien zugunsten eines naturgemäßen, schmetterlingsfreundlichen Waldbaus tatsächlich genutzt werden, wird davon abhängen, inwie­ weit die Umsetzung im Betriebsalltag durch besonders geschulte Fachleute begleitet wird. Denn ähnlich wie in der Landwirtschaft wird so mancher Biotopeingriff nicht in voller Kenntnis der Folgen für Flora und Fauna vorgenommen, zumal derartige Detailkenntnisse kein Bestandteil der üblichen Ausbildung des Forstpersonals sind. Damit die angestrebten Änderun­ gen in der Praxis umgesetzt werden, muß weiter für Naturschutzziele geworben und vor Ort über die Bedeutung bestimmter Habitate informiert werden. Wichtig sind auch Erfolgskontrollen, die nicht nur Erträge sondern ebenso ökologische Aspekte berücksichtigen.

In Hinblick auf die Erhaltung und Förderung der Schmetterlingsfauna wäre die angestrebte Entwick-lung eines größeren Anteils von Nebenholzarten ein besonderer Fortschritt. Damit würde endlich einer Forderung von Entomologen nachgekommen, die sich u.a. aus den seit lan­ gem registrierten Bestandsverlusten der Schmetterlingsfauna ergeben hat. Das Verschwinden der Schillerfalter- und Eisvogelarten mit der stetigen Beseitigung von Gehölzen wie Espe, Salweide und Heckenkirsche am Rand von Altholzbeständen geht in unserem Gebiet schon auf die Anfänge des Jahrhunderts zurück (FÜGE et al. 1930). Wie Gespräche mit Forstbeamten zei­ gen, ist die Bereitschaft zur Duldung der für Schmetterlinge wichtigen Pflanzen deutlich größer geworden als noch vor einigen Jahren.

Ein Blick in die Wälder zeigt allerdings auch, daß Espe, Salweide, Heckenkirsche punktuell gehäuft auftreten, während sie an den meisten Waldwegen vollständig fehlen, soweit man den höchstens fünfjährigen Jungwuchs nicht berücksichtigt. Ähnliches gilt für Flatter- und Bergulme. Es ist wichtig, daß diese Gehölze einen gewissen Raum in der Randzone der eigent­ lichen Bestandsfläche erhal-ten, da sie an Wegrainen nur in den Phasen zwischen den Pflegemaßnahmen geduldet werden, d.h. einer ständigen Fluktuation ausgesetzt sind, was von anspruchsvollen Falterarten nicht akzeptiert wird.

Als Gegenargument wird manchmal vorgebracht, dies seien keineswegs gefährdete Gehölzarten, was zeigt, daß die Vielschichtigkeit von Faktoren, die insbesondere für den Fortbestand bestimmter Insektenarten notwendig sind, schwer verständlich ist. In der Tat sind viele der hier genannten "aussterbenden Arten" an häufige Pflanzen gebunden, was insbeson­ dere bedeutet, daß die mit diesen Pflanzenstandorten repräsentierten Lebensbedingungen (Licht, Feuchte, Struktur, Kontinuität der Bedingungen etc.) nicht hinreichend sind.

Es ist wünschenswert, daß auf die Schmetterlingsfauna im Wald mehr Rücksicht genommen wird. Andererseits ließe sich die forstliche Tätigkeit mit Vorschlägen zum Schmetterlingsschutz völlig überfordem, selbst wenn man nur einige schutzbedürftige Arten auswählt, was bei 100 bis 300 Großschmetterlings-Arten eines nordwestdeutschen Laubwaldes nicht schwer ist. Daher sollte eine gezielte Hilfe auf Einzelfälle beschränkt bleiben (z.B. Schillerfalter- und Eisvogelarten) und dafür geworben werden, ein besseres Grundverständnis für die Ansprüche von Schmetterlingen zu entwickeln und dies umzusetzen. Der Hinweis, einen Waldweg nicht zur Zeit des größten Blüten-reichtums zu mähen, ist sinnvoller, als Mahdzeitpunkte zu benenn-

146 nen. Bei den Faltern wäre es schließlich ein Leichtes, mittels gefährdeter Arten in jedem Monat zwischen März und Oktober die Mahd eines Waldwegs abzulehnen, aber gleichzeitig zu for­ dern, daß unbedingt eine Mahd in der Vegetationsperiode stattfinden muß. Nichts wirkt jedoch Naturschutzzielen mehr entgegen als unpraktikable Vorgaben zur Pflege und Nutzung. Sinnvoller wäre ein nicht vorschriftmäßiges, sondern bewußtes Vorgehen, bei dem z.B. im räumlichen und zeitlichen Wechsel gemäht und überhaupt genügend Fläche für saumbewoh­ nende lichtliebende Arten zur Verfügung gestellt wird.

In der vorgestellten Arbeit werden zahlreiche Hinweise zur Waldwegpflege gegeben. Dies bedeutet nicht, daß sie alle an ein und demselben Ort zu berücksichtigen sind (denn dies wäre unmöglich), sondern sie zeigen die Vielfalt der Fauna bzw. der notwendigen Lebensbedingungen, die sich optimal bei großem Flächenangebot mit kleinräumiger Nutzungsweise entwickeln.

Die vorgestellte Arbeit zeigt am Beispiel vieler Arten auf, welche zentrale Bedeutung offenen, extensiv genutzten Bereichen im Wald zukommt: Sie dienen als Habitate für lichtliebende Arten und - etwa bei blumenreichen Waldwiesen - als Nahrungsbiotope für zahlreiche anspruchsvoll- le Tagfalterarten. Gerade in diesen Fällen ist ein besonderes Entgegenkommen und Verständnis für die Belange des Natur- und Schmetterlingsschutzes seitens der Forstwirte und -behörden zu wünschen.

5.7 Gebietserschließung als Ursache für den Artenrückgang

Mit dem Ausbau der Autobahnen und dem Neubau autobahnähnlicher Umgehungsstraßen wird der Kraftfahrzeugverkehr gefördert und immer neue Orte werden an ein Netz von "Rennbahnen" ange-schlossen. Unter den Hunderten neuer Straßenkilometer liegen nicht nur wertvollste Schmetterlings-habitate begraben (Fallbeispiele siehe LOBENSTEIN 1990), son­ dern der Straßenbau zieht oft weite-re NaturzerStörungen nach sich, indem Neubaugebiete, Bodenentnahmen, Deponien etc. entstehen.

Um konkurrenzfähig zu sein, erhöhen sich auch die Flächenansprüche für andere Verkehrsmittel: neue Start- und Landebahnen (dadurch Zerstörung der Hasenheide südlich von Kananohe), breitere Binnenschiffahrtswege (Beseitigung hunderter alter Eschen, Pappeln, Erlen, Ulmen entlang des Mit-tellandkanals) und Bau der ICE-Strecke nach Würzburg durch hochgradig schutzbedürftige alte Laubwälder, wie den Südwald bei Hildesheim (einem Fundort seltener Schmetterlingsarten wie A. rubrirena, N. polycommata, A. evonymaria, L. pomonaria). Jeder "Fortschritt" im Wettkampf um die Fahrminuten bringt auch die Konkurrenz weiter in Zugzwang, so daß allseits über neue Ausbaumaßnahmen nachgedacht wird, eine für die Erhaltung von Schmetterlingshabitaten verhängnisvolle Entwicklung.

Die Frage, ob auf bemerkenswerte Biotope etwa im Rahmen der Eingriffsregelung Rücksicht genommen wird und diese somit als Instrument für den Schutz bedrohter Arten wirksam ist, läßt sich klar verneinen. Die Haltung der Öffentlichkeit in diesen Fällen ist zwiespältig, denn einer­ seits kommt gerade der Straßenbau dem Wunsch vieler Bürger entgegen, andererseits wollen viele die Natur im allgemeinen, d.h. unter Ausnahme der von ihnen erwünschten Baumaßnahmen, erhalten wissen. Widersprüchlich verhält sich ebenso jener Zeitgenosse, der ein Haus im Gebiet natumaher, schutz-bedürftiger Lebensräume baut, dies später aber

147 Mitbürgern, die die Natur noch weiter zersiedeln wollen, mit Argumenten des Naturschutzes verwehren will. Viele sind sich nicht darüber klar, daß sie Geschädigte und Verursacher zugleich sind und daß sie ihre Erholungsräume verlieren, wenn alle sich so verhalten wie sie. Da es schwierig ist, anderen etwas zu verwehren, in dessen Genuß man selber weiterhin komm­ men will, kann zur Zeit nur eine kleine Zahl von Idealisten den Naturschutz glaubhaft vertre­ ten. Dazu ist unter anderem die Einsicht notwendig, daß wir generell keine weiteren Straßen mehr benötigen und daß insbesondere Umgehungsstraßen, egal in welchem Gebiet, das Problem der Verkehrsbelastung nicht lösen und die Erlebnisqualität unserer Landschaft weiter irreversibel schädigen.

Wie gespalten die Gesellschaft in dieser Frage ist, zeigt das Phänomen, daß sich in den heuti­ gen Bürgerinitiativen (seit den 60er Jahren eigentlich ein Mittel gegen alles, was von oben, über die Köpfe der Bürger hinweg bestimmt wurde) nun auch der Protest bestimmter Interessensgruppen gegeneinander, wie z.B. Naturschutz-Befürwortern und -Gegnern formiert. Die Tatsache, daß Bürgerinitiativen gegen Naturschutzgebiete, Nationalparks und für Umgehungsstraßen zunehmend erfolgreich sind, verdeutlicht den geringer gewordenen Rückhalt, den der Naturschutz derzeit in der Bevölkerung hat. In einer mit dem Schmetterlingsschutz befaßten Arbeit darf daher der Hinweis nicht fehlen, daß damit trotz loka­ ler Schutzbemühungen der Artenschwund unvermindert anhält und unsere Landschaft immer erlebnisärmer wird.

Es ist positiv zu beurteilen, daß die zu erwartenden Artenverluste heute eingehender erforscht, dokumentiert und bei der Interessensabwägung zur Diskussion gestellt werden. Auch wenn diese fachlichen Informationen eine wichtige Grundlage zur Schadensbegrenzung darstellen können, so sind sie bei den meisten Planvorhaben kein Mittel, um Naturschutzzielen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Naturschutz benötigt jene kritischen Mitmenschen, für die das Überleben von Pflanzen und Tieren zu wichtigen Wertvorstellungen gehört und die dafür ein- treten. Nur auf diesem Wege können nicht naturverträgliche Planungen gestoppt werden.

6 Fazit

Mehrfach gab es eine rege Diskussion über die Frage, ob der hannoversche Artenbestand tat­ sächlich abgenommen habe. Dabei wurde u.a. die Meinung vertreten, daß alle verschwunden geglaubten Arten - zumindest wenn intensiv danach gesucht wurde - doch wieder aufgetaucht seien. Aus den bisherigen Erfahrungen ist daher zu schließen, daß mit dem Begriff "ausgestor­ ben" vorsichtig umzugehen ist und zumindest bei versteckt oder lokal lebenden Arten Beobachtungsdefizite möglich sind.

Es ist allerdings nicht davon auszugehen, daß die allgemeine Einschätzung der Bestandssituation der meisten Arten auf ungenügender Beobachtung basiert. Die Dichte unse­ res Straßennetzes, über das jeder früher noch so entlegene Biotop heute binnen kurzer Zeit erreicht werden kann, sowie die Entwicklung leistungsfähiger Lichtfanggeräte, mit einem Wort unsere fortschreitende Technisierung, ist der Hauptgrund dafür, daß Restbestände einer Nachtfalterart heute leichter zu entdecken sind. Ein Kenntnisstand, bei dem aus fast jedem Meßtischblatt Nachtfalterdaten vorliegen, ist neu in der über zweihundertjährigen Geschichte der entomofaunistischen Erforschung unseres Gebietes. Diese Entwicklung findet eine Parallele

148 bei verschiedenen anderen schwer auffindbaren Tiergruppen, wie z.B. bei der Erfassung von Fledermäusen und Heuschrecken (Ultraschall-Detektoren), nachtaktiven Säugetieren (Nachtsichtgeräte), Insektenfang durch synthetische Pheromone, Elektro-Befischung usw..

Die zunehmend bedrohte Bestandsdichte der Arten als sekundäre Folge der Technisierung kann mit eben diesen Mitteln quantitativ vollständiger erfaßt werden, d.h. das Ausmaß der Zerstörung Natur wird durch effizientere Untersuchung der Reliktbestände in der erhalten gebliebenen Natur verschleiert. Das mit technischer Hilfe intensivierte Aufspüren von Populationsresten hat jedoch dort seine Grenze, wo die betreffenden Vorkommen ganz erlo­ schen sind. Die Zahl dieser Arten am Ende der Skala nimmt zu und wird bei den Tagfaltern bereits deutlich sichtbar. So finden auf allen besseren Halbtrockenrasen gelegentlich Tagfalterkontrollen statt, so daß für Arten wie E. aurinia, M. aurelia, C. dia, L. coridon eine bessere als die genannte Bestandslage ausgeschlossen werden kann. Ähnliches gilt für anspruchsvolle Feuchtwiesen-Bewohner.

Einerseits kann es als Glücksfall gesehen werden, wenn eine ausgestorben geglaubte Art doch noch einmal wiedergefunden wird und ihre Bestandsreserven etwas größer waren, als zunächst angenommen. Ein Restvorkommen kann von entscheidender Bedeutung für den Erfolg von Entwicklungsmaßnahmen an anderen Orten sein. Solange Aspekte des Schmetterlingsschutzes einen so untergeordneten Stellenwert in der Land- und Forstwirtschaft, der Gewässemutzung, im Bodenabbau sowie in der Stadt- und Dorfentwicklung haben, wie das in den zurückliegen­ den Jahrzehnten der Fall war, ist es andererseits ohne Bedeutung, wann genau von einem end­ gültigen Aussterben einer Art auszugehen ist. Die heutigen Kenntnisse über die Bestandslage der Schmetterlinge werden zur Erhaltung einer lebendigen, erlebnisreichen Fauna jedenfalls kaum genutzt, was daran zu erkennen ist, daß sich bei kaum einer Art die Situation als Folge von Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen verbessert hat.

7 Erläuterung der verwendeten Fachbegriffe

7.1 Allgemeine Fachbegriffe

Biotop Lebensraum

Börde im Zuge der Eiszeiten entstandene Ablagerungen fruchtbarer Lößböden, die z.B. im niedersächsischen Bergvorland einen bis zu 50 km breiten Streifen bilden - siehe auch Calenberger/Hildesheimer Börde eurytop Fähigkeit, mehrere verschiedene Lebensraumtypen zu besiedeln

Fluktuation hier: vorübergehender Ausbreitungsvorgang, dem wieder ein Rückzug folgt

Geest die nördlich an die Börde anschließende, aus leichten Erhebungen bestehende Sandlandschaft

Grenzlinien Grenzen zwischen unterschiedlichen Landschaftstypen oder -Strukturen, wie

149 Gehölzbeständen und Offenland. Verschiedene Insektenarten folgen bei der Eiablage und Nahrungssuche solchen Grenzlinien. Ein erheblicher Verlust von Grenzlinien ist bei der Begradigung der Waldränder durch die Aufforstung zahlreicher Waldbuchten und Waldwiesen in den letzten 120 Jahre entstanden.

Habitat spezieller Wohnort einer Art

Hügelland in Nordwestdeutschland Höhenlagen bis ca. 200 m über Meeresspiegel (auch: colline Stufe) hygrophil die Feuchtigkeit liebend

Klein­ wissenschaftlich veraltete, aus Gründen der Arbeitsteilung aber noch aufrecht schmetterlinge erhaltene, großenteils willkürliche Artengruppierung, der die kleineren Schmetterlingsfamilien (Motten, Wickler, Zünsler usw.) angehören

Lichtfang Nachtfalter-Fangmethode, bei der die Falter nachts an eine weiße Tuchfläche angelockt werden, die von weißem oder UV- Licht (z.B. Schwarzlichtröhen) angestrahlt wird. mesotop Bevorzugung von Standorten mit mitleren Feuchte- und Wärmeverhältnissen

Mischlichtlampe Lampe mit Wellenlängenanteilen aus verschiedenen Teilen des Spektralbereiches monophag nur an einer Nahrungspflanze lebend

Naturräume geologisch, bodenkundlich und vor allem vegetationskundlich charakterisier te, größere einheitlich Region

Nominatform aus der Variationsbreite diejenige Form, die zur Beschreibung der Art Vorgelegen hat

Pheromone artspezifische, zum Zweck der Bekämpfung von Schadinsekten auch synthe­ tisch hergestellte Sexuallockstoffe, die den Männchen zur Anlockung von Weibchen dienen

Präimaginal- unter diesem Begriff werden die Entwicklungsstadien Ei, Raupe und Puppe Stadien zusammengefaßt

Schwarzlichtröhren Leuchtstoffröhren mit hohem UV-Lichtanteil

Sukzession natürliche Abfolge verschiedener Stadien der Vegetation, indem sich z.B. eine Feucht-wiesenbrache über ein Buschmoor zum Bruchwald entwickelt superaktinische weißes Licht emittierende Leuchtstoffröhren mit gemischten Röhren Wellenlängenanteilen, darin auch gewisser UV-Anteil ubiquitär vielerorts lebensfähig bzw. ökologisch anspruchslos

150 7.2 Fachbegriffe für Lebensräume

Bruchwälder natürliche Waldgesellschaften von Naßstandorten; anhaltende Vernässung führt zu unvollstän-digem Abbau organischer Substanz, es bildet sich Bruchwaldtorf. Nur enige Baumarten gedeihen unter diesen Bedingungen (Birke, Erle, Weide, Esche)

Galeriewälder Gehölzbestände entlang der (Bergland-)Bäche und -Flüsse, zumeist bestehend aus alten Weiden, Erlen und Eschen

Gebüsche natürliche, zusammenhängende Strauchbestände ohne intensive Pflege (vgl. Hecken)

Gehölzreihen in lockerer Anordnung in Reihen gepflanzte, meist sonnig exponierte Bäume in der offenen Landschaft, z.B. Hybridpappeln oder Kopfweiden an Gräben und Wiesen, Birken an Heidewegen, nur vereinzelt Sträucher

Gehölzzeilen an Feldwegen, Straßen, Gräben, sowie entlang von Flurgrenzen wachsende geschlossene Gehölzstreifen, die oft Gebüsche (Faulbaum, Schlehe, Weißdorn), Vorwaldstadien (Hasel, Feldahom, Espen) und Altbäume (Eiche, Birke) enthalten

Grünland Wiesen, Weiden, nur bewirtschaftete Flächen

Grünflächen Rasenflächen oder gepflegte, d.h. nicht zur Mähgutgewinnung genutzte Wiesen meist innerhalb von Siedlungen oder Grünanlagen

Halbtrockenrasen im Gebiet zumeist anthropogen entstandener Magerrasen auf flachgründigem Kalkboden, überwiegend aus Rodung und Beweidung mit Schafen hervorge gangen

Halden Aufschüttungen von Bodenaushub, überwiegend im Bereich von Bodenabbaustellen oder entlang des Mittellandkanals

Hecken gepflanzte oder natürlich angesiedelte Strauchbestände, die regelmäßig gepflegt werden und meist an landwirtschaftliche Flächen, Haus- oder Gartengrundstücke grenzen initialstadien siehe Pioniervegetation

Kampfwaldzone Übergangszone z.B. auf Hochmooren (oder im Gebirge), in der sich der Wald bis zur baumfreien Zone auflöst, da die Bäume unter extremen Standortbedingungen nicht lebensfähig sind Knicks, Heckenlandschaften im Bereich der norddeutschen Flußauen, in denen Knickhecken­ Heckensträucher durch das Knicken ihrer Sprosse miteinander verflochten landschaften wurden, um für Vieh undurchdringliche Umzäunungen zu schaffen

151 Mittelwald historische extensive Waldnutzungsform, bei der einzelne hochstämmige Bäume (Eiche, Esche u.a.) als Überhälter stehenbleiben, während sich darun ter eine dichte Unterholzschicht bildet, die in kurzen Abständen zur Brennholzgewinnung geschlagen wird (Hasel, Feldahom, Hainbuche)

Pioniervegetation Erstbesiedlung von Rohböden bzw. -gestein durch Pflanzen

Quellmoore lokale Niedermoorbildungen im Bereich von Bergquellen

Ruderalfläche durch Menschenhand beeinflußte Freifläche mit vielen brachezeigenden und kulturfolgenden Pflanzen: Gewerbe- und Industriebrachen, B auerwartungsland, Abrißgrundstücke

Sandtrockenrasen, niedrigwüchsige, oft lückige Pflanzengesellschaften, die besonders sandige, Sandmagerrasen trockene Biotope besiedeln

Saumbiotope Randstreifen von Wäldern, Gebüschen, Gewässern mit typischen bevorzugt an Saumstrukturen auftretenden Pflanzen

Sekundär­ Standorte, deren Bodenverhältnisse und Vegetation nicht nur vom Menschen standorte/ beeinflußt wurden, sondern vorrangig aus dessen gestaltenden Eingriffen her biotope vorgegangen sind bzw. dessen "Bauwerke" darstellen: Straßenböschungen, Bodenabbauflächen, Halden, Bahndämme, Deiche, Abrißgrundstücke, flech tenbewachsene Mauern u.v.a.

Sukzessions­ Stadium der natürlichen Vegetationsentwicklung, die in der Regel von lücist- stadium gem Gras- und Krautbewuchs über Hochstauden-, Gebüsch- und Vörwaldstadien bis zum Wald führt

Trockenrasen Pflanzengesellschaften besonders warmtrockener Standorte, zumeist Kalk oder Sand

Überhälter einzelne hochstämmige Bäume, die in Heckenbeständen erhalten bleiben; besonders typisch für Flußauen (früher häufig in Mittelwäldem, heute z.T. auch in Hochwäldern nach Endnutzung)

Vörwaldstadien Stadium der beginnenden Bewaldung, in dem oft Gehölze wie Hasel, Weißdorn, Hainbuche, Feldahom, Eberesche, Salweide, Espe zu finden sind

Waldaußenränder/ Waldinnenränder Ränder, die den Wald nach außen (offene Landschaft) bzw. nach innen (Lichtungsbereiche: Wege, Schläge, Schneisen) abgrenzen

Waldbachtäler im Bergwald verlaufende Bachläufe ohne Grünlandwirtschaft, ggf. aber mit Waldlichtungen (feuchte Hochstaudenfluren) oder entlang von Waldweg- Saumbiotopen

152 Waldbuchten Waldaußen- und Waldinnenränder mit Einbuchtungen, in denen häufig Hochstaudenvegetation zu finden ist (Fuchskreuzkraut, Wasserdost, Bärenklau, Disteln)

Waldmantel natürliche Waldrandvegetation, bestehend aus mehreren Schichten von Sträuchem und meist vorgelagerter (Hochstauden-) Saumvegetation

Weichholzaue Wuchsorte von Weiden im Bereich von Flußniederungen und in der (auch Weich- Verlandungszone von Teichen holzbestände, Standorte, -gesellschaften)

Abb. 5: Massenvermehrungsgebiet des Schwammspinners zwischen Ovelgönne und Allerhoop (1993). Bis 1995 hatte sich die Raupenzahl noch vergrößert, aber da viele Heidelbeeren nicht mehr austrieben, hungerten die Raupen. Nur wenige erreichten die Bäume. Diese ertrugen die Schäden problemlos. 1996 waren keine Raupen mehr zu finden, und die Heidelbeeren begannen wieder auszutreiben.

153 Teil II: Auszug aus der Arten-Gesamtdarstellung (ausgewählte Arten)

Danksagung

Folgenden Entomologen danke ich herzlich für die Überlassung ihrer Funddaten: W. Bartling/Hannover, R Becker/Barienrode, H.-J. Clausnitzer/Eschede, H. Engelking/Hannover, W. Ehrhardt/Eschede, T. Fähn-rich/Sehnde, R Giese/Seelze, W. Gleber/Wolfenbüttel, R. Gleichauf/Celle, A. Gube/Hannover, G Grannas/Hannover, E. Groth/Egestorf, D. Hellmer/Laatzen, R. Hinz/Einbeck, H.-G Joger/Hannover, J. Köhler/Hitzacker, E. Krüger/Brelingen, B. Niemeyer/Borken, H. Männel/Hildesheim, R Pauschert/Höxter, M. Petersen/Hannover, S. Potel/Hannover, H. Retzlaff/Lage. O. Rohlfs/Bremen, H. Rutzen/Sehnde, R Scharf/Hannover, G Schmidt/Braunschweig, K. Schnell/Hannover, G Tepper/Hannover, B. Wechsler/.

Vorbemerkungen

Die Kopfzeile enthält die Nummer nach FÖRSTER & WOHLFAHRT (1955-1981),den wiss- senschaftlichen Artnamen sowie den deutschen Artnamen in Anlehnung an die Niedersächsische Rote Liste (LOBENSTEIN 1986), eine Zuordnung zu den „Lebensraumformationen" (römische Ziffern) in Anlehnung an BLAB & KUDRNA (1982), die Gefährdungseinstufung unter Verwendung folgender Schreibweise: Gef. = Gefährdung im Gebiet der vorliegenden Fauna, Nds. = für Niedersachsen, Rote Liste (Stand 1986). Die Gefährdungskategorien 1 vom Aussterben bedroht, 2 stark gefährdet, 3 gefährdet, (4 entfällt, nur bundesweit), 5 bzw. V bei anhaltender Lebensraumzerstörung gefährdet (Vorwamstufe), D Arten mit mangelhaftem Datenbestand

1. Verbreitung und Häufigkeit

Die Angabe der "maximalen Anzahl" bezieht sich auf das Resultat eines Beobachtungstages bzw. einer Fang-nacht, nicht aber z.B. eine Summierung aus mehrtägigem Lichtfallenbetrieb. Zusätzlich wäre jeweils eine Bezugsfläche erforderlich gewesen, da verschiedene Beobachter unter einem Fangort ganz unterschiedliche Areale verstehen. Als Höchstgrenze galt daher grundsätzlich ein Durchmesser von 1 km. Die meisten Nachtfal-terdaten wurden mittels der bewährten Lichtfangkonstellation bestehend aus 2 Schwarzlicht-, 2 superaktinischen Röhren von jeweils 20 Watt und einer 160-Watt Mischlichtlampe (oder aus 3 Schwarzlichtröhren und 160-Watt Mischlichtlampe) erhoben. Dabei ist für die Mehrzahl der Angaben von einem Radius von 100 m um die Lichtfanganlage als Bezugsfläche auszugehen. Bis zu einer Größenordnung von etwa 1 Dtzd. Falterindividuen (abgekürzt "Expl.") sind die Angaben als Zählungen zu betrachten, darüber - z.B. 25 Expl. oder 40 Expl. - oft als Schätzungen. Ihre Schätzgenauigkeit haben die Beobachter häufig durch Zählung kontrolliert und damit trainiert.

154 2. Lebensräume

Die bevorzugten Habitattypen betreffen ausschließlich das Untersuchungsgebiet, stellen also keine Literaturzi-tate dar. Oftmals tritt eine Art in einer ganzen Reihe von Lebensräumen auf, so daß es schwierig ist, dabei eine Präferenz für einen/mehrere bestimmte Habitate zu ermitt- teln. In solchen Fällen wird hinter jeder Lebensraumangabe die Zahl der Fundmeldungen genannt, z.B. Feuchtwiesen (7), Hochmoore (2), Feuchtwälder (1), d.h. 7 der Fundorte sind Feuchtwiesen usw.. Die genannten Zahlen stimmen z.T. nicht mit der Gesamtzahl der Fundortmeldungen überein (Biotopangabe fehlte oder in 1 km Durchmesser werden unter­ schiedliche Biotope besiedelt).

3. Flugzeit:

Bei der Flugzeit wird jeweils die erste und letzte Beobachtung genannt, wobei Beobachtungsdaten, die m. o. w. aus dem Rahmen fallen, in Klammem angegeben werden. Flugzeit: (4.05.) 12.06. - 28.07. (6.09., 11.09.)

4. Fundorte

Hinter dem Fundort werden erstes und letztes Fundjahr genannt. Die Aufzählung der Fundorte erfolgt in der Rei-henfolge, in der die jeweils letzte Beobachtung am Ort stattfand. Bei interess- santen Arten werden die Funddaten komplett mit Individuenzahl angegeben. Die Individuenzahl bezieht sich jeweils auf einen Fangtag. Die Fundort-angabe besteht aus dem nächstgelegenen Ort (vorliegende Kurzfassung) und aus Landschaftsteil, Topogra-phischer Karte/Quadrant/Minutenfeld, die im Verzeichnis der Gesamtdokumentation nachzuschlagen sind.

5. Bestands- und Gefährdungssituation

Hier werden Prognosen zur Bestandsentwicklung gegeben, Rückgangsursachen beschrieben und Hilfsmaß-nahmen vorgeschlagen.

6. Präimaginalstadien

Unter diesem Stichwort werden Funde der Präimaginalstadien (Ei, Raupe, Puppe) genannt und Angaben zu Habitat, Nahrungspflanzen und Verhalten der Raupen gemacht. Da in zahlreichen Fällen keine Beobachtungen vorliegen, wird oft auf die Veröffentlichung von GLITZ (1874) zurückgegriffen, der im vergangenen Jahrhundert viele Falterarten als Raupe nachgewiesen hat. Tab. 4: Lebensraum-Formationen (in Anlehnung an BL AB & KUDRNA 1982).

I Eurytope/ubiquitäre Arten Arten, die sehr verschiedene Lebensräume besiedeln, z.B. Wald (ausgenommen dichte Forste), Offenland, Siedlungsbereiche, beliebige Böden und Feuchtegrade

155 akzeptieren, so daß eine Zuordnung zu bestimmten Habitaten nicht möglich ist.

[I Mesotope Arten des Offenlandes Arten mit meist weiter Verbreitung im Offenland (= waldfreie Bereiche); sie sind sowohl in trockenen als auch in feuchten Biotopen zu finden, ohne auf diese speziali siert zu sein. Ihre flächenmäßig größte Verbreitung finden sie auf "mittleren Standorten" (mittlere Wärme-/FeuchtigkeitsVerhältnisse) (II) Mesotope Arten des Offenlandes und der Übergangsbereiche zum Wald Mäßig anspruchsvolle Offenlandbewohner ähnlich II, oft auch in Lichtungsbereichen der Wälder; im Unterschied zu den eurytopen Arten oft nicht inmitten von Wäldern und weniger stark in Siedlungsbereichen vertreten; gegenüber (IV) keine Ansprüche an Beschattung, Waldsaumpflanzen o.ä.

III Hygrophile Arten der Wälder Vorzugsweise in feuchten Wäldern, die Lichtungsbereiche nutzend, aber nicht auf diese angewiesen

(III) Hygrophile Arten der Wälder und der Übergangsbereiche zum Offenland In feuchten Wäldern, die Lichtungs- und Waldaußenbereiche nicht nur nutzend, son dem vorzugsweise dort bzw. darauf angewiesen (z.B. lichtliebende Nahrungspflanzen)

[V Mesotope Arten der Wälder In Wäldern aller Art (auch feuchte oder trockene Standorte, aber nicht darauf speziali siert); weiteste Verbreitung auf mittleren Standorten, z.B. Wälder der Börden, Eichen- Birken-Wälder des Flachlandes, Laubmischwälder des Berglandes usw.. Oft auch auf Waldlichtungen, aber nicht auf diese angewiesen.

(IV) Mesotope Arten der Wälder und der Übergangsbereiche zum Offenland Wie IV, aber lichtliebende Pflanzen/ausreichende Lichtverhältnisse oder Besonnung bevorzugend, die sie im benachbarten Offenland sowie auf Waldlichtungen finden. Zum Teil besiedeln sie auch Vorwald- und Gebüschstadien, Parkanlagen u.ä. außerhalb der Wälder.

V Xerothermophile Arten der Offenlandes Arten, die Trockenheit und zumeist auch Wärme benötigen, z.B. Bewohner von Halbtrockenrasen, aufgelassenen Steinbrüchen, trockenen Wiesen und Brachen, Sandmagerrasen etc..

(V) Xerothermophile Arten des Offenlandes und der Übergangsbereiche zum Wald Offenlandbewohner wie V, aber auch in Lichtungsbereichen warmtrockener Wälder

VI Xerothermophile Arten der Wälder Trockenheitsliebende Arten, die im Waldesinnem zu finden sind (keine Forste), eben so auf Lichtungen, auf diese aber nicht angewiesen sind.

(VI) Xerothermophile Arten der Wälder und der Übergangsbereiche zum Offenland Waldbewohner wie VI, aber mehr auf lichtliebende Pflanzen, gute Lichtverhältnisse

156 oder Besonnung angewiesen. Sie besiedeln z.T. auch Vorwald- und Gebüschstadien an warmtrockenen Standorten weit außerhalb der Wälder (z.B. verbuschte Halbtrockenrasen), ebenso Parkanlagen

VII Hygrophile Arten des Offenlandes Feuchteliebende Arten offener Bereiche wie Feuchtbrachen, Moore, Wiesen

(VII) Hygrophile Arten des Offenlandes und der Übergangsbereiche zum Wald Offenlandbewohner wie VII, auch auf Lichtungen im Wald, aber nicht auf diese ange wiesen

VIII Tyrphophile Arten i.w.S.,nässeliebende Arten, z.B. Naßwiesen, Niedermoor

IX Tyrphophile Arten i.e.S., typische Hochmoorbewohner (einschließlich Kampf­ waldzone).

X Arten der Felsbiotope

TAGFALTER

28. Leptidea sinapis L. - Tintenfleck-Weißling (Senfweißling) (II) (V ), Gef. 1 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Die Vorkommen im Stadtgebiet sind seit langem erloschen (GLITZ 1874: ...auf Waldwiesen ziemlich selten). In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich die Art in auffälliger Weise bis in den Süden Niedersachsens zurückgezogen und ist erst in den letzten, warmen Jahren wieder vereinzelt aufgetaucht. Ähnliche Fluktuationen waren schon früher bekannt: nach 1905 gab es jahrelang keine Beobachtungen, nach dem warmen Sommer 1947 trat sie wieder an ver­ schiedenen Stellen auf und war lokal häufig (s. GROSS 1950). Lebensräume: Nach diesem Weißling ist an geschützten Lokalitäten auf Magerwiesen und -weiden in Waldrandlagen zu suchen. Beim einzigen neuen Fundort handelt es sich um die mageren Raine entlang des Leinpfades am Stichkanal Hildesheim mit Beständen von Hornklee. Flugzeit: 1. Gen. 25.04. - 23.05., 2. Gen. 27.08., einschließlich der Daten von GROSS (1950); nach GLITZ (1874) Ende April und Mai Fundorte: Südheide und Flachland: - Börde: Bolzum 25.05.95 3 Expl. Bergland: - ; nächster Fundort ca. 8 km von der Gebietsgrenze: Ziegenberg/Höxter E.07.76 1 Expl. (RETZLAFF 1981. Bestands- und Gefährdungssituation: Durch den Rückgang extensiv genutzter Wiesen und Weiden auf Kalkboden im Hügelland, die überackert, aufgeforstet, bebaut werden oder verbuschen, werden die Bedingungen für eine Wiederansiedlung immer schlechter. Der Verlust von Grenzlinien wirkt sich auf das Biotopangebot ebenfalls negativ aus (Begradigung von Waldrändern u.a.). Die flug­ schwachen Falter bevorzugen abwechslungsreiche Landschaften mit kleinräumiger Nutzung und gutem Biotopverbund. Am neuen Fundort am Mittellandkanal ist die Art bereits wieder verschwunden, wahrscheinlich weil die Gehölzvegetation zu dicht geworden ist. Pr äimaginalstadien: Keine Funde. Nach den Raupen ist an verschiedenen Schmetterlingsblütlern zu suchen, z.B.Hornklee, Hasenklee (KOCH 1984).

157 43. Erebia medusa D.& S. - Rundaugen-Mohrenfalter (VII), Gef. 0 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Die Art hat sich aus großen Teilen ihres nordwestdeutschen Areals zurückgezogen. Im Untersuchungsgebiet wurde sie bis vor kurzem nur noch an einer Stelle bei Kirchhorst/Lkr. Hannover in alljährlich geringer Individuenzahl beobach­ tet. Lebensräume: Bei dem Fundort handelt es sich um einen gras- und sehr blumenreichen Graben auf sandigem Boden entlang der Autobahn A 7, der durch ein Grünlandgebiet in einem größeren degenerierten Hochmoorkomplex, dem Altwarmbüchener Moor, verläuft. Flugzeit: 29.05731.05. Fundorte: Südheide: - Flachland: Kirchhorst '80 - '92, max. 12 Expl./Tag. Zuletzt: 29.05.92 1 Falter, 31.05.92 2 Falter; vor 1970 auch noch am Sonnensee/Misburg, hier durch Bau des Badegeländes ausgerottet. Börde: - zuletzt 1962, Bockmer Holz, zerstört durch Autobahnbau/ A 7. Bergland: - noch zu suchen, zuletzt nur noch auf westfälischem Gebiet im Weserbergland. Bestands- und Gefährdungssituation: Erebia medusa zählt zu den Bewohnern extensiv bewirtschafteter Waldwiesen - heute ein extrem zurückgegangener Biotoptyp, der durch ein überregionales Entwicklungsprogramm gefördert werden sollte. FÜGE et al. (1930) fanden medusa noch "in großen Mengen" und vergleichen sie mit C. palaemon (S. 6). Noch 1960 siedelte die Art im Feuchtgrünland am Rand des Altwarmbüchener Moores und hat sich nach dem Bau der A 7 auf die o.g. Sekundärhabitate ausgebreitet. Die Gräben auf beiden Seiten der Autobahn übernahmen damit die Biotopfunktion extensiv gepflegter Feuchtwiesen. Einige Jahre aus den Augen gelassen, befand sich die Population 1991 kurz vor dem Zusammenbruch. Die Ursachen konnten nicht ermittelt werden, da keine negativen Einwirkungen festzustellen waren - abgesehen von dem erheblichen (seit 1960 stark erhöhten) Barriereeffekt der A 7. Präimaginalstadien: Keine Funde. Nach KOCH (1984) leben die Raupen ab Juli sowie nach der Überwinterung bis in den April an ver­ schiedenen Wald- und Wiesengräsem

95. Limenitis populi L. - Großer Eisvogel III IV, Gef. 0 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Mehrfach sehr lokal und selten in den Wäldern der Börde und des Innerste-/Leineberglandes gefunden. Im westfäli­ schen Weserbergland meldet RETZLAFF (1981) ein Vorkommen direkt an der Gebietsgrenze am Köterberg, 23.06. u. 10.07.73. Aufgrund der kurzen Flugzeit, des lokalen Auftretens und des vielfachen Aufenthaltes im Kronenbereich hoher Bäume kann der Falter jedoch leicht übersehen werden. Andererseits sind auch Verwechslungen mit dem Großen Schillerfalter vorgekommen. Aus der Südheide liegt nur ein Einzelfund vor. Lebensräume: Wege, Schneisen und sonstige Lichtungsbereiche in feuchten Wäldern mit tiefkronigen Espenbeständen in besonnter Lage. Flugzeit: 04.06. - 28.06. (12.07.) Fundorte: Südheide: Queloh '71 1 Expl. an einer saftenden Eiche Flachland: - Börde: Wülferode Eh.'70, Müllinger Tivoli seit mind. '70 bis '85, Anderten 70-'85. Bergland: Ottbergen '82, Diekholzen W.B.'81, Diekholzen K.B. '85. Folgende Hinweise bei Nachprüfung nicht bestätigt: Diekholzen Math.'92, Rodenberg Tbr.'90, Wrisbergholzen Wh.'94, Wesseln '96 Bestands- und Gefährdungssituation: Der Große Eisvogel ist fast ausschließlich durch die Abholzung von Espen an Waldwegen gefährdet und infolgedess- sen an den meisten Fundorten ausgerottet worden. Um 1986 wurde die letzte Population im Bockmer Holz vernichtet, eine gemeinsame Besichtigung von Naturschutz- und Forstverwaltung ergab keine klar verbindlichen Schutzmaßnahmen, die zur Erhaltung nötig gewesen wären. Im NSG Gaim wurden die Espen im Winter 1992/93

158 gekappt". Die Espen haben den Eingriff gut überlebt und schlagen wieder kräftig aus, während einem isolierten Faltervorkommen durch solche unüberlegten Maßnahmen die Grundlage entzogen wird (letzter Fund 1985). Ob die Art heute noch ein Bestandteil der hiesigen Fauna ist, muß weiter untersucht werden. Die letzten Beobachtungen aus dem Bergland sind durchweg zweifelhaft (s.o.). Präimaginalstadien: Die Raupen wurden entlang von Waldwegen an den Zweigen randständiger Espen in den für L. populi typischen Über­ winterungsröhren gefunden, die nahe der Zweiggabeln angelegt waren.

106. Polygonia c-album L. - C-Falter (IV ), Gef. 3 , Nds. 5

Verbreitung und Häufigkeit: In allen Naturräumen zerstreut und meistens einzeln (lokal max. 8 Expl.), jahrweise - wie 1992 - häufig. Lebensräume: Überwiegend in feuchten Wäldern, in wechselnder Häufigkeit auch in anderen Wäldern. Bevorzugt werden Lichtungen, z.B. Wege, geschützte Waldbuchten, Schläge oder kleinere Sonneninseln im Wald sowie Kontaktbiotope mit reicher Kraut- und Strauchvegetation. Daneben vor allem in Jahren mit häufigem Auftreten verschiedene andere Biotope wie verwilderte Obstgärten, Heckengebiete, gehölzreiche Bachränder, Landschaftsparks. Flugzeit: 1. Gen. 21.06. - 14.08. (18. und 22.08. noch zu 1. Gen.?) 2. Gen. 07.09. - überwinternd- 15.05. (erster Falter im Frühling 07.03., letzter Falter im Herbst 20.10.) Fundorte: Südheide 10 , Flachland 26 , Börde 18 , Bergland 21 ; Gesamtzahl der Fundorte 75 Bestands- und GefährdungsSituation: Durch intensive Pflege von Gehölzsäumen und Beseitigung von Nebenholzarten wie z.B. Flatterulme in Wäldern wird die Art im Bestand reduziert. Außerdem gehen - in einem schleichenden Prozeß - durch Aufforstungen von Waldbuchten und eingeschobenen Wiesen oder Äckern alljährlich viele Kilometer von Grenzlinien verloren. Dies sind wertvolle Habitate, an denen Arten wie der C-Falter stundenlang hin- und herpendeln, um Geschlechtspartner zu treff- fen, Nektar- und Eiablagepflanzen zu finden. Präimaginalstadien: Am 02.06.93 wurde eine erwachsene Raupe im Misburger Wald an Flatterulme (Ulmus laevis) am Rande eines Waldweges gefunden. GLITZ (1874) fand die Raupen früher im Mai und August auf Johannisbeere, Hopfen und Ulme.

SPINNER

257. Lymantria dispar L. - Schwammspinner (IV ), Gef. 2 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Nach sporadischem Auftreten bis etwa 1975 und weitgehendem Fehlen in den Folgejahren trat die Art 1993 plötzlich in den Sandgebieten nahe der Aller und in der Südheide wieder in Erscheinung. Bis dahin hatte sie vermutlich an bestimmten Lokalitäten in östlichen Teilen der Südheide überlebt. Das Massenvorkommen im Raum Ovelgönne (s.u.) muß schon einige Jahre lang im Aufbau gewesen sein. Lebensräume: Ältere Eichen-(Birken-) und Kiefernwälder mit Heideibeerunterwuchs auf Sandboden (5), Baumbestände und Gärten in Ortsrandlage (1), Gehölzzeilen entlang xerothermer Gleisanlagen (1), Apfel-Alleebäume (1). Flugzeit: (?) 21.07.-21.08. Fundorte: Südheide: Dalle '94, Stedden '96, Queloh/Umgeb.'95-'97, (Celle '68/69: oft Eier/Raupen an Alteichen der Bundesstraßen). Flachland: Ovelgönne '93-95 massenhaft, Brelingen O. '94, Oldau '96, Schönhop '99 Börde: Lehrte '96 (östliches Nachbargebiet: Peine '70, vereinzelt Raupen an Linden entlang

159 der Landstraßen) Bergland: Hameln* 74, Raupen häufig in einer Apfelbaumallee entlang einer Landstraße Bestands- und Gefährdungssituation: Im Vergleich zum letzten Jahrhundert ist L.dispar seltener geworden ("Raupe an Obstbäumen, Eichen und Linden oft in großer Menge und dadurch schädlich." GLITZ 1874). Trotz des nachfolgenden Rückganges zeigen die jüngsten Beobachtungen, daß bei der - für die Raupen wichtigen - warmtrockenen Witterung im Frühjahr/Frühsommer eine Wiederausbreitung und -Zunahme der Populationen Vorkommen kann. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden an Apfel, Eiche, Birke, ferner an Kiefer beobachtet. Am 19.06.93 bei Ovelgönne über 100.000 erwachsene Raupen mit Kahlfraß an Heidelbeeren. Laub- und Nadelgehölze wurden weitgehend verschont. Statt sach­ licher Information schreibt die Hannoversche Neue Presse v. 18.06.93: "Die Invasion der gefräßigen Schwammspinnerraupen hat Niedersachsen erreicht. Die Killerraupen hatten zuvor in Hessen und Mittelfranken gewü­ tet. ... Der Leiter des Forstamtes Wienhausen: Etwa zwei bis drei Hektar des Waldes sind betroffen. ...Es sieht gespen­ stisch aus...Weit über 100.000 Raupen sollen in das Waldgebiet eingedrungen sein."

263. Nudaria mundana L. - Zwergflechtenspinner X , Gef. 1 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Die Vorkommen des Zwergflechtenspinners sind ausschließlich auf das Bergland mit seinen Schichtkamm-Höhenzügen beschränkt und dabei auf Höhenlagen von ca. 200 - 400 ü. NN. Die Nordverbreitungsgrenze verläuft auf dem Kamm des Wesergebirges von Bad Eilsen zum Süntel, über Deister, Osterwald, Duinger Berg, Selter bis zum Harz. An den Fundstellen ist die Art als Raupe oft in Menge zu finden. Lebensräume: Felsketten und steinige Steilhänge mit Algenbewuchs in frischen oder feuchten schattigen Lagen; besonnte oder vom Wind ausgetrock-nete Felspartien werden gemieden. Dementsprechend sind nordostexponierte Felswände (z.B. Kleiner Deister, Thüster Berg) deutlich häufiger und stärker besiedelt als südwestexponierte (Wesergebirge, Süntel, Ith). Flugzeit: 18.07. (s. GROSS 1950) bis August (GLITZ 1874), keine aktuellen Falterdaten Fundorte: Bergland: 18 Fundorte Bestands- und Gefährdungssituation: Durch Gesteinsabbau im Bereich der Bergkämme des Wesergebirges, Thüster Berges, Ith und Selter gefährdet. Die Art ist ein Beispiel dafür, daß selbst so abgelegene Orte wie die Felsketten der Bergzüge nicht vor Biotopzerstörungen sicher sind. Im übrigen handelt es sich um noch weitgehend natürliche Lebensräume, in denen aufgrund der Steillage höchstens extensive Forstwirtschaft betrieben wird. Präimaginalstadien: Die Raupen sind vom 24.03.-30.06. an algenbewachsenen Felsen auf der Unterseite von Fels Vorsprüngen, Felskanten und in geschützten Nischen zu finden, lokal einige hundert bis über tausend Stück. Besonders in Aushöhlungen und Felslöchem sitzen die grünlichgrauen Raupen oft zu mehreren eng nebeneinander, da sie hier vor Regentropfen und Besonnung geschützt sind. An den gleichen Stellen finden sich die Puppenkokons (Ende Mai bis Anfang Juli) und zu jeder Zeit leere Vorjahres-Kokons.

271. Eilema lutarella L. - Lehmgelber Flechtenspinner (II) (V ), Gef. 3 , Nds. 3

Verbreitung und Häufigkeit: Zerstreut in der Tiefebene, lokal häufig (max. 20 Expl.). Im Westteil der Südheide sind weitere Fundorte zu erwarten. Im Gebiet fliegt die verdunkelte Tiefland-Form nigrogrisea PEETS. Ihre Verbreitung endet am Südrand der Geest: Steinhude - Kananohe - Großburgwedel - Burgdorf. In der Börde und im Hügelland wird nur die gelbe Nominatform gefunden. GROSS (1950) erwähnt aus Burgwedel Übergänge zwischen beiden Formen. Lebensräume: Lebensräume der f. nigrogrisea sind Heidemoore (6), Moorwiesen (6), luftfeuchte Heiden (3), Heidewiesen (2), Feuchtwaldränder (2, Zuflug?). Von der f. lutarella werden magere Brachen besiedelt, z.B. Bahndämme (2).

160 Mergelhalden (1), Kanalböschungen (1). Flugzeit: f. nigrogrisea 31.06. - 22.08. f. lutarella 12.07. - 09.09 Fundorte: f. nigrogrisea: Südheide 3 , Flachland 17, f. lutarella: Börde 4 , Bergland 1 ; Gesamtzahl der Fundorte 25 Bestands- und Gefährdungssituation: Die Art ist vor allem durch die Zerstörung und intensive Beweidung von Heiden, Moor- und Heidewiesen, Trockenlegung von Heidemooren sowie durch natürliche Wiederbewaldung dieser Lebensräume gefährdet. Präimaginalstadien: Keine Funde. Nach Literaturangaben lebt die Raupe an Stein- und Erdflechten; bei der Zucht ließen die Weibchen die Eier frei fallen BERGMANN (1953). Dieses Verhalten bindet die Art an Biotope, wo die benötigte Nahrung reichlich vorhanden ist. E. lutarella ist damit ein Bewohner von Rohböden und Substraten, die von Gefäßpflanzen nur schwer erschlossen werden können, wie Stein-, Sand- oder Torfböden mit hoher Flechtendichte.

328. Pelosia obtusa H.-SCH. - Schilfbärchen V III, Gef. 1 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Die Verbreitung dieser unscheinbaren, wohl öfter mit einem Kleinschmetterling verwechselten Art wäre noch genauer zu untersuchen. Offenbar kommt sie jedoch zerstreut und lokal in verschiedenen Teilen des Gebietes vor. Auch ihre Verbreitung in Niedersachsen ist nur lückenhaft bekannt; die wenigen Nachweise beschränken sich überwiegend auf östliche Landesteile (SCHMIDT 1982, dort weitere Lit.). Lebensräume: Die drei Fundorte betreffen Teichgebiete mit ungestörten, windgeschützten Schilfbeständen: am Rande von Auwaldeinbuchtungen (1), mit Erlen bewachsener Teichdämme (1), auf Waldlichtungen (1). Flugzeit: 30.06. - 12.08. Fundorte: Südheide: Meißendorf '93 1 Expl. Flachland: Oldau '96 1 Expl. Börde: Meinsen '92 1 Expl. Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Aufgrund ihrer engen Bindung an natumahe Schilfbiotope ist die Art stark bedroht. Besondere Gefährdungsfaktoren sind Entwässerung bzw. Wasserentnahme durch Wasserwerke bzw. Landwirtschaft sowie besonders intensive Pflegemaßnahmen und Beeinträchtigungen im Uferbereich von Fisch- und Angelteichen. Präimaginalstadien: Nach der an Schilf lebenden Raupe (KOCH 1984) wurde im Gebiet noch nicht gezielt gesucht.

429. Thyatira batis L. - Rosenflecken-Wollrückenspinner (IV ), Gef. - , Nds. -

Verbreitung und Häufigkeit: Im ganzen Gebiet verbreitet, meistens einzeln (max. 7 Expl., einmal ca. 40 Expl. in einem feuchten Waldbachtal). Lebensräume: Waldränder, lichte Wälder, gestrüppreiche Waldwege, feuchte Waldbiotope: Waldbachtäler, Moorwälder, Sekundärbiotope wie Brachen, Böschungen. Flugzeit: 12.05. - 26.08. (letzte Funde im August wahrscheinlich 2. Generation) Fundorte: weit über 100 Fundorte Bestands- und Gefährdungssituation: Nicht gefährdet. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden vom 31.08. bis 19.10. in Anzahl an Brombeere und Himbeere in der lichten Randzone von Feldgehölzen und an Moorrändem gefunden, so z.B. am 22.09.96 30 Raupen am Rand des Bissendorfer Moores.

161 440. Drepana harpagula ESP. - Linden-Sichelflügler (IV), Gef. 2 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Als relativ seltene Art ist dieser Sichelflügler nur in einem begrenzten Areal zu finden, das sich in auffälliger Weise auf den Raum Hildesheim, also ein klimatisch kontinental beeinflußtes Gebiet im Berg- bzw. Bergvorland konzentriert. Hier ist er, wie Stichproben erkennen lassen, in Waldgebieten wahrscheinlich flächendeckend vorhanden. Früher war das Areal allerdings größer und reichte bis ins Stadtgebiet von Hannover. Die nächsten Vorkommen befinden sich heute im Braunschweiger Raum (SCHMIDT 1982). Lebensräume: Lichte, reich strukturierte Linden- und Lindenmischwälder auf lockeren, humosen Böden mit reicher Strauchschicht. Dagegen werden Linden im offenen Gelände wie Alleen und Gehölzreihen nach bisherigen Kenntnissen nicht besie­ delt: die Art ist mehr ein Waldbewohner. Flugzeit: 1. Gen.: 21.05. - 17.06. 2. Gen.: nach GROSS (1950) Mitte 07 bis Mitte 08 Fundorte: Südheide: - Flachland: - Börde: Harsum 21.05.85 3 Expl., Klein Förste '85 2 Expl. Bergland: Diekholzen 12./17.06.83 zus. 5 Expl., Diekholzen Sw. '99 1 Expl. (sicher auch noch Diekh. R.Bg., zuletzt 1968) Bestands- und Gefährdungssituation: Zum Schutz der stark gefährdeten Art ist der hohe Lindenanteil im Hildesheimer Wald und in umliegenden Wäldern aufrecht zu erhalten. Von Seiten der Forstverwaltung verlautete einmal, daß man sich schon bemüht habe, die Linden etwas zurückzudrängen, da sie auf diesen Waldböden ein so starkes Durchsetzungsvermögen besäßen. Als Besonderheit dieser Gegend sind die Lindenbestände jedoch äußerst schützenswert. In den Habitaten des Linden-Sichelflüglers soll­ te die Pflege der randständigen Gehölzvegetation entlang der Wege und Lichtungsbereiche schonend vorgenommen und bei Durchforstungsmaßnahmen die Lindenbestände begünstigt und gefördert werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der Wald im Hildesheimer Raum noch zur Jahrhundertwende zu über 20 % aus Mittelwald bestand, dessen Oberholz von Eichen und Birken und das Unterholz von Linden, Hasel, R ot-, Hainbuche u.a. gebildet wurde (BODE nach ACHILLES 1907). Heute ist die Mittel Waldwirtschaft völlig zum Erliegen gekommen. Präimaginalstadien: Keine neuen Funde. Vor über hundert Jahren wurden die Raupen in Hannover an Linden gefunden und daraus die Falter gezüchtet (GLITZ 1874).

478. Thyris fenestrella SCOP. - Fensterschwärmerchen (VI), Gef. 1 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Dieser tagfliegende Falter ist schwer zu beobachten und wird wohl meistens übersehen. So wurde er bisher nur um 1900 bei Gronau und 1938 im Deister beobachtet (GROSS 1950), 1967 /Hopfenberg (s. RETZLAFF 1975), 1969 bei Alfeld/Sieben Berge - also nur 4 Funde in 70 Jahren. Dabei ist er in den warmen Kalklandschaften des Berglandes sicher deutlich weiter verbreitet. Hier gibt es einzelne neue Fundorte, an denen der Falter vereinzelt auftritt (max. 7 Expl.). Um ein Fensterschwärmerchen zu Gesicht zu bekommen, muß man die Clematis-Bestände gezielt absu­ chen, auf deren Blättern die Falter oft in der Sonne sitzen. Manchmal muß man günstig exponierte Standorte erst 15 bis 30 Minuten "bewachen", bis irgendwo ein Falter aus einem Versteck auffliegt und sich offen zeigt. Lebensräume: Südexponierte Waldränder (2), warme Hänge (1) und Felsgebiete an der Weser (1) mit Clematis-Beständen, alle Standorte auf Kalkboden. Flugzeit: 27.05. - 20.07. Fundorte: Bergland: Steinmühle '87 (RETZLAFF 1993), Eimsen Hbg.'92, Kemnade AT '95, Wesseln '97. Bestands- und Gefährdungssituation: Die Art ist entsprechend ihrer Habitate schutzbedürftig; bei Pflegemaßnahmen sollte darauf geachtet werden, daß die Clematis-Bestände nicht restlos beseitigt werden. In Waldrandbereichen wird eine künstliche Offenhaltung zwar vor­ ausgesetzt, damit sich überhaupt Clematis-Bestände halten können - durch zu intensive, häufige Pflege werden die Vorkommen von T. fenestrella jedoch bedroht. Präimaginalstadien: Die von den Raupen eingerollten und zusammengesponnenen Blätter wurden mehrfach an Clematis gefunden.

162 EULEN

714. Eugraphe subrosea STPH. - Torfmooreule IX , Gef. 1 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Die Torfmooreule kommt in den Hochmoorgebieten des Tieflandes vor und wurde nur sehr lokal und meist einzeln (max. 5 Expl., an einem Fundort häufig: ca. 50 Expl.) gefunden. Die relativ späte Entdeckung in verschiedenen Mooren führte SCHROEDER (1923) darauf zurück "daß es nicht jedermanns Sache ist, diese einsam gelegenen öden Gebiete nachts aufzusuchen, besonders in früherer Zeit, als an den Rändern der Moore noch keine Menschen wohnten." Lebensräume: Natumahe bis mäßig degenerierte Hochmoore, die zumindest Regenerationsstadien und hochmoortypisches Kleinklima aufweisen (8). Flugzeit: 09.08. - 22.08. Fundorte: Südheide: Bannetze '83, Sieben Steinhäuser '85, Hetendorf '80,'88, Breliendamm '85,'99 Flachland: Wieckenberg Hm.'75, Kaltenweide '84, Lönswinkel '84, Kananohe B.M.'84, Neustadt W. (3 Fundorte)'93 Börde und Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Im Gebiet vom Aussterben bedroht, u.a. durch Trockenlegung und Verbuschung. Allerdings kann sich auch übermäßi­ ger Wasseranstau an den Rändern der Hochmoorkemflächen negativ auswirken (s. auch P. sobrina, 715.) Pr äimaginalstadien: Die Raupen leben (überwinternd) bis mindestens Ende Mai an Moorheidelbeere, an dieser Pflanze im Untersuchungszeitraum nur ein Raupenfund im Mai 1984.

715. Paradiarsia sobrina B. - Heidemoor-Kräutereule IX , Gef. 1 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Die Heidemoor-Kräutereule wurde erst 1932 für unseren Raum entdeckt, nachdem man die Moore schon mindestens siebzig Jahre untersucht hatte. Sie wird nur lokal und in geringer Zahl (max. 5 Expl.) in den Moomiederungen im Norden des Gebietes gefunden. Lebensräume. Verheidete Moore (2) und moorige Heiden (1). Flugzeit: 25.07. - 08.08. Fundorte: Südheide: Altensalzkoth '94 1 Expl. Flachland: Kananohe B.M .78 5 Expl., Neustadt W. an 5 Fundorten '93, Resse O.M. '94 2 Expl., Hetendorf (Jahr?) Börde und Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Äußerst schutzbedürftige Art, deren Lebensräume einerseits vor Trockenlegung und Verbuschung zu bewahren sind, andererseits aber auch nicht so stark wiederzuvemässen sind, daß die Ericaceen-Zwergstrauchgesellschaften den sich flächenhaft ausbreitenden Schwingrasen weichen müssen. Es sollte vielmehr darum gehen, ein möglichst großes Spektrum von Stadien der Hochmoorentwicklung nebeneinander zu erhalten und gerade im Fall größerer bedeutender Hochmoore den Wert der darin enthaltenen Übergangsstadien für die Fauna nicht zu unterschätzen. Dies betrifft aus­ drücklich nur bestimmte Moorteile; die oft ehrenamtlich geleisteten Einsätze zur Offenhaltung und Wiedervemässung der Hochmoore stellen in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der einheimischen Moore und ihrer Fauna dar. Präimaginalstadien: Keine Funde. Für die westfälischen Moore werden Birke und Heidekraut als Nahrungspflanzen genannt (ROBENZ et al. 1982).

163 Abb. 6: Lebensraum der Heidemoor-Kräutereule {Paradiarsia sobrina) im Bissendorfer Moor, daneben sind weitere bemerkenswerte Arten der Ericaceen-reichen Hochmoore zu finden, wie der Rötlichgraue Bürstenbinder (Dasychira fascelina), Heidebürstenbinder ( Orgyia ericae), Purpurbär ( Rhyparia purpuratd) und der Heideland-Streifenspanner {Perconia strigillaria).

Abb. 7: Typischer Habitat des Schwarzen Ordensbandes (Mormo maura) an der zwischen Bodenwerder und ; andere Mitbewohner dieses Lebensraumes sind das Rote Ordensband ( Catocala nuptd), die Uferstauden- Markeule (.Hydraecia micacea), die Auenschuttflur-Blättereule (Mamestra suasa) und die Ligustereule (Craniophora ligustri).

164 716. Paradiarsia glareosa ESP. - Atlantische Heide-Bodeneule (II), Gef. 3 , Nds. 3

Verbreitung und Häufigkeit: Diese Art ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Fauna, vermutlich schon seit mindestens den 40er Jahren, als sie in der Zentralheide bei Niederhaverbeck entdeckt wurde (s. SCHROEDER 1940). GROSS (1950) erwähnte für das Gebiet noch keine Funde; zu seiner Zeit wurden hauptsächlich die Heiden südlich der Aller untersucht, wo P. glareosa aber auch heute noch weitgehend fehlt. In der Südheide hat sie sich über nahezu alle Heideflächen ausgebreitet und fliegt lokal in Anzahl (max. 15 Expl.). Lebensräume: Heideflächen (8), Waldschneisen (1) und Waldwege (1) mit Heidekrautbeständen. Flugzeit: 20.08.- 18.09. Fundorte: Südheide: Westenholz '91, Krusenhausen '91, Neuohe '91, Müden '91, Lührsbockel '92, Hodenhagen '92, Lutterloh '92, Bierde '95, Hornshof '95 Flachland: Jeversen '94 Börde: - Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Durch Zerstörung (z.B. Überackem, Aufforstung, Pflege der Waldinnenränder) sowie durch Verbuschung sind die potentiellen Biotope bedroht. Auf den bereits unter Naturschutz stehenden "Touristenheiden" ist das Überleben der Art gesichert, so daß allein für den schleichenden Rückgang kleinerer Heiderestflächen von einer akuten Gefährdung aus­ zugehen ist. Die Falter sind abends an blühender Heide zu beobachten. Präimaginalstadien: Keine Funde; nach KOCH (1984) leben die Raupen im Herbst an Gräsern und nach der Überwinterung an Kräutern.

758. Polia bombycina HUFN. - Hauhechel-Garteneule (V) (II), Gef. V , Nds. 5 (advena D. & S.)

Verbreitung und Häufigkeit: In den Kalkhöhenzügen des Berglandes verbreitet, sonst sehr lokal, oft einzeln oder in kleiner Zahl (max. 12 Expl.), überwiegend im Süden des Gebietes. Mehr wärmeliebend als die verwandten Arten P. hepatica und P. nebulosa. Lebensräume: Im Bergland auf Halbtrockenrasen (7), an warmtrockenen Weg- (1) und Waldsäumen auf Kalk (2), in Steinbrüchen (1), Kiesgruben (1), außerdem verschiedene Waldbiotope (6). In der ausgeräumten Bördenlandschaft selten, jedoch im Stadtgebiet von Hannover auf Abrißgrundstücken (1), Gewerbebrachen (1), Mergelhalden (1). Im Flachland: Ränder von Callunaheiden (3), Sandgruben (2), sandige Terrassenkanten am Rand des Wesertals (2), sandige Waldschneisen (1), magere Moordämme (1). Flugzeit: 09.06. - 24.07. Fundorte: Südheide 5 , Flachland 9 , Börde 5 , Bergland 22 ; Gesamtzahl der Fundorte 41 Bestands- und Gefährdungssituation: Im Süden verfügt die Art noch über eine größere Zahl von Vorkommen, doch sind die Lebensräume oftmals Beeinträchtigungen ausgesetzt: intensive Pflege von Waldrändern, Aufforstung oder intensive Beweidung von Halbtrockenrasenhängen, Vernichtung von Brachen, Verbuschung durch völlige Nutzungsaufgabe. In der Tiefebene ist die Besiedlungsdichte sehr gering, die Populationen sind hier generell schutzbedürftig, wobei es sich meist um wert­ volle Flächen für den Naturschutz handelt. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden vom 29.03. bis 23.05. mehrfach (max. 13 Expl.) beim nächtlichen Ableuchten warmer Waldrandgebüsche und deren Säume im Leinebergland gefunden. Weitere Raupenfunde in der Geest (Wedemark) an Königskerze (Verbascum), Kreuzkraut (Senecio viscosus) und im Stengel eines Doldenblütlers. GLITZ (1874) fand die Raupen vor der Überwinterung im Herbst häufig auf jungen Birken. Demnach ist die Raupe in ihrer Nahrungswahl relativ vielseitig.

165 782. Mamestra dysodea D. & S. - Lattich-Kiesflureule (V ), Gef. 2 , Nds. 2 (Syn. M. spinaciae VIEW.)

Verbreitung und Häufigkeit: Sehr lokal und einzeln im Südosten des Gebietes (max. 2 Expl.), überwiegend als Raupe gefunden, meist in kleiner Anzahl (bis 20 Stück). Lebensräume: Nur in Sekundärbiotopen an warmen bzw. warmfeuchten Orten gefunden: Kanal- und Brückenböschungen (2), Dämme (1), Mergelgruben (1), Gewerbebrachen (1) und Bauerwartungsland (1). Flugzeit: 1. Gen.: 23.05. (Einzelnachweis) 2. Gen.: 31.07.- 13.08. Fundorte: Südheide und Flachland: - Börde: Badenstedt '94, Sehnde '84,'95,'98, Sehnde Kali '99, Misburg S.'99, Müllingen '99, Wülferode Kbg.'99, Wülferode '99, Laatzen M.'99 Bergland: Astenbeck '92 1 Expl. Bestands- und Gefährdungssituation: Im Stadtgebiet stark zurückgegangen und aus Gärten offenbar weitgehend verschwunden. GLITZ (1874) schreibt: "Raupe im August an Salatblüthen oft häufig". Diese Notiz aus einer Zeit, als man in den hannoverschen Stadtgärten vielfach noch blühenden Salat fand, verdeutlicht den Wandel der Stadtlandschaft im Lauf der Jahrzehnte. Bei FÜGE et al. (1930) heißt es bereits: "selten, Gärten der Außenstadt". Heute gilt M. dysodea als eine Art besonderer Sekundärstandorte. Sehr gefährdet ist sie insbesondere im Stadtgebiet, indem ihre Habitate nicht der Natur überlassen, sondern künstlich begrünt, gepflegt oder wieder genutzt werden. Präimaginals tadien: Die Raupen wurden vom 24.07. bis 30.08. zumeist an exponierten Stellen mit RuderalVegetation gefunden. Bevorzugt werden Standorte mit lückiger, voll besonnter Hochstaudenvegetation. Alle Raupen saßen an Kompaßlattich (Lactuca serriola). Als weitere Nahrungspflanzen nennt KOCH (1984) Habichtskraut (Hieracium), Hasenlattich (Prenanthes), Lattich (Lactuca). Für das Braunschweiger Gebiet gibt SCHMIDT (1982) ebenfalls Kompaßlattich als Hauptnahrung

795. Hadena compta D. & S. - Karthäusemelken-Kapseleule (II), Gef. 3 , Nds. 3

Verbreitung und Häufigkeit: Sehr zerstreut und meist einzeln (max. 2 Expl.), überwiegend als Falter, einmal als Raupe gefunden. In den Ortschaften der Südheide ist die Art noch zu erwarten. Lebensräume: Im Bereich von Siedlungen in Gärten mit Nelkenbeständen (9) oder in völlig unterschiedlichen Biotopen in Siedlungsnähe gefunden (3); an potentiellen Habitaten mit natürlichen Dianthus-Vorkommen wäre die Art noch zu suchen. Flugzeit: 25.05. - 17.07. Fundorte: Südheide: - Flachland: Brelingen O. '86-'96, Mariensee '89-'92 Börde: Seelhorst '76, Sehnde Kali '85, Sehnde '82-95, Stöcken '86, Groß Buchholz '90 Bergland: Bisperode '71, Hildesheim Fh.'78, Delligsen O. '73, '80, Vorwohle '83, Portenhagen Bw. '86, Nienstedt '94 Bestands- und Gefährdungssituation: Trotz der spärlichen Funde nur mäßig bedroht; bei gezielter Raupensuche in Gärten sind weitere Nachweise zu erwar­ ten. Besondere Bedeutung dürfte den Dianthus-Standorten im Freiland zukommen, die als ursprüngliche Habitate der Karthäusemelken-Kapseleule gelten. An diesen Standorten ist H. compta als wichtige Indikatorart für ungestörte Magerrasen anzusehen, an denen nicht aus Gründen der Ordnungsliebe - wie in vielen Gärten - die soeben verblühten und zu fruchten beginnenden Nelkensprosse abgeschnitten werden. Präimaginalstadien: Im Herbst 1976 wurden in einer Gartenkolonie in Hannover Seelhorst 4 Raupen an Nelken gefunden. Nach KOCH (1984) lebt die Raupe in den Kapseln von Heidenelke, Karthäusemelke und anderen Dianthus-Arten.

166 858. Mormo maura L. - Schwarzes Ordensband (III), Gef. 2 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Als Charakterart der Berglandbäche und -flüsse wird M. maura überwiegend im Süden des Gebietes gefunden. Sie ist lokal, an geeigneten Stellen regelmäßig in kleiner Anzahl (max. 10 Expl.) zu finden. Lebensräume: Strukturreiche Galeriewälder entlang der Berglandbäche und -flüsse mit reichen Weichholzbeständen, z.B. Korbweide, und krautiger Vegetation (11). Ferner Feuchtwälder in Teichgebieten (2) und Ufervegetation am Kanal (1). Flugzeit: 10.08. - 05.09. Fundorte: Südheide und Flachland: - Börde: Döhren 75, Schulenburg/Leine '95,'97, Wilkenburg '97, Klein Förste K. '97 Bergland: Grünenplan Gl.73, Kuventhal '80, Delligsen/Wispe '91, Seesen/Schildau '94, Bückeburg '95, Hohe Warte '95, Brüninghausen '95, Ockensen/Saale '95, Westerbrak '95 u. Buchhagen/Lenne '95, Hämelschenburg '95 u. Thal/Emmer '95, Elze/Leine '97, Hasede '97 Bestands- und Gefährdungssituation: Wie die Stichproben der Jahre 1995/1996 ergeben haben, ist das Schwarze Ordensband entlang der Bäche und kleine­ ren Flüsse weiter verbreitet, als bisher bekannt war. Allerdings meidet die Art Gewässerabschnitte, an denen die GehölzVegetation beseitigt wurde sowie solche, die kaum noch Wasser führen - sie ist damit ein Indikator für naturbe­ lassene Berglandbäche. Pr äimaginalstadien: Die Raupen wurden vereinzelt um 1980 im Frühling nachts am Ufer des Krummen Wassers bei Einbeck in der Ufervegetation geleuchtet.

891. Apamea aquila DONZ. - Pfeifengras-Trauereule IX , Gef. 1 , Nds. 1 (funerea HEIN.)

Verbreitung und Häufigkeit: Sehr lokal und selten in den Moomiederungen der Tiefebene, überwiegend Einzelfunde. Lebensräume: Wechselfeuchte Randbereiche, Torfdämme, künstlich offengehaltene Lichtungen auf Hochmooren mit Pfeifengrasbeständen (3). Flugzeit: 01.07. - 01.08. Fundorte: Südheide: Westenholz '89 1 Expl. Flachland: Kirchhorst A.M. '84, Altwarmbüchen 73-'95 mehrf., Eilvese '87 1 Expl Börde: - Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Früher war die Art sicher auf sämtlichen Mooren des Gebietes vertreten, da sie eine Charakterart der weniger feuchten Hochmoor-Randzonen ist. Durch Trockenlegung, Verbuschung und industrielle Abtorfung (z.B. Totes Moor bei Neustadt) ist ein großer Teil der Habitate zerstört worden, hinzu kommen Baumaßnahmen wie Erweiterung der Mülldeponie und Autobahnbau (Altwarmbüchener Moor). Werden die offenen, wechselfeuchten Randzonen der natur nahen Moore vollständig wiedervemäßt (Bissendorfer Moor), bis das Moor praktisch nur noch aus Kemzone besteht, so drohen auch die letzten Reliktpopulationen zu verschwinden. Präimaginalstadien: Keine aktuellen Funde. GLITZ (1874) berichtet: "Aus im Frühlinge gefundenen und nicht näher beachteten Raupen wurde diese bis jetzt nur bei Hannover vorgekommene Seltenheit in sieben Exemplaren im Juni erzogen". Nach KOCH (1984), übereinstimmend mit anderen Autoren, lebt die Raupe monophag an Pfeifengras (Molinia caerulea).

167 Abb. 8: Sandige Terrassenkanten entlang der Weser im NSG Schmiedebruch/Leese. Typische Bewohner dieses Lebensraumes sind die Trockenrasen-Grüneule (Calamia tridens), die Steinhalden-Hartgraseule (Apamea furva), das Strand-Graseulchen (Mesoligia literosa) und die Ockergelbe Feldflur-Graseule,.(Eremobia ochroleuca). Die darunter­ liegenden Feuchtbrachen werden unter anderem vom Wiesenrauten-Blattspanner besiedelt (Coenotephria sagittata).

Abb. 9: Feuchter, krautreicher Lindenwald im Elmschebruch, Habitat des Linden-Blütenspanners (Eupithecia egena- ria). Die Raupe entwickelt sich etwa in der zweiten Junihälfte an den Blüten der Linden. Ein Bewohner der reichen Krautschicht dieses Lebensraumes ist die Lungenkrauteule (.Atypha pulmonaris).

168 917. Photedes minima HAW. - Moorrasen-Schmieleneule (III) VIII, Gef. V , Nds. 5

Verbreitung und Häufigkeit: Im gesamten Gebiet sehr zerstreut und vereinzelt oder in geringer Anzahl (einmal 5 Expl.). In den Waldgebieten des Berg- und Bergvorlandes ist die Art am weitesten verbreitet und an vielen entlegenen Stellen sicher noch nachzuwei­ sen. Lebensräume: Feuchtbiotope aller Art: an Außen- und Innenrändem von Feuchtwäldem (3), in luftfeuchten Bergwaldgebieten (6), Bachtälem (3), Bachauenwäldem (1), offenen Flußauen (5), Flußauenwäldem (1), an Hochmoorrändem (4), im Bereich von Kalk-Quellmooren (1), in Teichgebieten (3), sonstigen Feuchtniederungen (1). Außerdem verschiedene trockenere Biotope: Wälder (1), Straßenböschungen (1), Steinbrüche (2), Mergelhalden (1), Siedlungsbereiche mit Gärten (1), tro­ ckene Grünlandflächen (1) und -brachen (1) - z.T. offenbar Zuflug. Flugzeit: 31.05.-06.08. Fundorte: Südheide 3 , Flachland 7 , Börde 11 , Bergland 22 ; Gesamtzahl der Fundorte 43 Bestands- und Gefährdungssituation: Mit der Entwässerung und Aufforstung von Waldwiesen und lichter Waldbereiche ist die Moorrasen-Schmieleneule zunehmend gefährdet. Viele Wälder, wie auch Hannovers Stadtwald, die Eilenriede, waren früher z.T. Sumpfwälder und wurden so weit trockengelegt, daß sie für Arten wie P. minima heute ungeeignet sind. Die Trockenlegung der Wälder wird als Gefährdungsursache noch nicht genügend ernstgenommen. Dies gilt nicht nur für Renaturierungsmaßnahmen des Naturschutzes, die sich mehr auf Hochmoore und Bachauen konzentrieren, sondern besonders für die Forstverwaltungen, die immer wieder Maßnahmen zur Entwässerung wertvoller Feuchtwaldbiotope durchführen. Präimaginalstadien: Nicht gefunden. Zur Lebensweise schreibt PEETS (1907): "Raupe im Herbst an und in den Stengeln der Rasenschmiele (Deschampsia caespitosa), überwintert, verpuppt sich im Frühjahr auf dem Wurzelstock zwischen dicht zusammenge­ sponnenen Halmen".

943. Calamia virens L. - Trockenrasen-Grüneule (V) , Gef. 2 , Nds. 2 (tridens HUFN.)

Verbreitung und Häufigkeit: Die Art kommt lokal in den Sandgebieten der Tiefebene vor, seltener im Bergland. Bei gezielter Suche sind die frisch geschlüpften Falter durch Ableuchten der Grasvegetation häufig zu finden (max. 15 Expl.). Lebensräume: Sandmagerrasen mit Silbergrasbeständen (1), Sanddünen (1), Sandwege, Ackerraine und Grasheiden (1), Heideränder (1), Schotterrasen an Bahndämmen (1), sandige, lückig bewachsene Böschungen (1), im Bergland auf Halbtrockenrasen ( 1). Flugzeit: 29.07. - 24.08. Fundorte: Südheide: Boye '84, Bredebeck '85, Hermannsburg 71, 78, '88, Schmarbeck '96, Hornshof '97 Flachland: Berkhof'84, Vesbeck '85, Leese '89, Holtorf'91, Oegenbostel '92, Brelingen O. '83,'96 Börde: Lehrte '91 Bergland: Einbeck 7 2 ,73 Bestands- und Gefährdungssituation: Aufgrund der Bindung an Magerrasen ist die Trockenrasen-Grüneule im Gebiet stark gefährdet. Wahrscheinlich ist sie auf den Truppenübungsplätzen weiter verbreitet, so daß sich die Situation durch die Aufgabe der Standorte verschlech­ tern könnte. In den landwirtschaftlich genutzten Gebieten ist auf die Erhaltung ungenutzter nährstoffarmer, sandiger Brachen und Saumbiotope zu achten. Aufgelassene Sandgruben mit Vorkommen der Trockenrasen-Grüneule sind vor intensiverem Abbau zu bewahren und der natürlichen Sukzession zu überlassen (davon ausgenommen ist gelegentliche private Sandentnahme in geringem Umfang). Präimaginalstadien: Keine Funde. KOCH (1984), SKOU (1991) u.a. berichten von Raupen-Nachweisen an Gräsern wie Rispengras (Poa annua), Zwenke (Brachypodium pinnatum), Schafschwingel (Festuca ovina), Aufrechte Trespe (Bromus erectus). Im Wendland beobachtete Köhler die Raupen an Silbergras (Corynephorus) und Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa).

169 965. Atypha pulmonaris ESP. - Lungenkrauteule IV , Gef. 3 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Nach vielen Jahrzehnten (zuletzt s. PEETS 1907) konnte die Lungenkrauteule z.T. an den alten Fundorten wiederge­ funden werden. Zweifellos war sie die gesamte Zeit vorhanden, es war nur nicht ausreichend danach gesucht worden. Sie tritt verbreitet in den Wäldern der Börde auf, im Bergland kommt sie nur sehr zerstreut vor. An den Raupenfundorten können auch die Falter mehrfach angetroffen werden (max. 18 Expl), doch entfernen sich diese meist nicht weit von den Lungenkraut-Standorten. Da im Waldesinnem wenig Fänge durchgeführt werden, wird die Art trotz ihrer Verbreitung leicht übersehen. In der Südheide keine Funde, wahrscheinlich auch keine Vorkommen. Lebensräume: Laubwälder auf frischen bis feuchten, humosen oder schweren Böden mit Lungenkrautbeständen und zumeist reicher Geophytenvegetation (24). In Trockenwäldem des Berglandes ganz vereinzelt (3). Flugzeit: 03.07. - 28.07. Fundorte: Südheide - , Flachland 1 , Börde 17 , Bergland 10 ; Gesamtzahl der Fundorte 28 Bestands- und Gefährdungssituation: Aus regionaler Sicht ist die Art nur bei Zerstörung weiterer Waldgebiete in der Börde gefährdet. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden vom 14.04. - 19.05. an Lungenkraut gefunden, zwischen deren Blüten sie anfangs eingesponnen sind. Die halbwüchsigen Raupen leben in zusammengesponnenen Blatt-Tüten des Lungenkrautes verborgen. Charakteristisch ist das krüppelige Aussehen der jungen noch eingerollten Blätter, die aufgrund der Spinnfäden im Inneren an der Entfaltung gehindert sind und deshalb wie eingeschnürt erscheinen. Später im Frühjahr sind die Raupen um Pflanzen mit Fraßspuren tagsüber durch Beiseiteschieben des Bodenlaubes leicht zu finden, im übrigen nachts mit der Taschenlampe direkt an den Pflanzen zu leuchten (max. 22 Raupen).

1017. Calophasia lunula HUFN. - Möndcheneule V , Gef. 2 , Nds. 3

Verbreitung und Häufigkeit: Die Art wurde im Gebiet erstmals 1946/1947 bei Celle und im Deistervorland an Bahndämmen gefunden und zählt im Gebiet zu den Arealerweiterem. Wahrscheinlich hat sie sich entlang der Bahnlinien ausgebreitet, da sich ihre Vorkommen in auffälliger Weise auf Gleisanlagen beschränken. Lebensräume: Bahndämme (4) und Gleisanlagen - besonders "Gleiszwickel" - im Bereich von (Güter-)Bahnhöfen (3). Flugzeit: aktuell nur Raupenfunde. Falter nach GROSS (1950): 1. Gen: V - VI 2. Gen.: VIII Fundorte: Südheide: - Flachland: Kleinburgwedel '81 6 R. Börde: Burg '81 4 R., Heideviertel '98 1 R. Bergland: Kirchdorf '81 35 R., Barsinghausen Bhf. '81 15 R., Egestorf Bd.'81 10 R., Neuekrug '93 20 R. Bestands- und Gefährdungssituation: Aufgrund ihrer wenigen Vorkommen an Standorten, die teilweise durch intensive Pflege, Modernisierung von Bahnhöfen (Versiegelung, künstliche Begrünung, Beseitigung ungenutzter Bahngleise) beeinträchtigt werden, ist die Art im Gebiet stark gefährdet. An stillgelegten Bahngleisen ist auf längere Sicht mit einem Verschwinden der Art zu rechnen (z.B. Neuenkrug). Die Gefährdung durch Herbizideinsatz wie in den 70er Jahren hat dagegen abgenommen. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden vom 06.06. bis 07.07. an Leinkraut (Linaria officinalis) gefunden; sie sitzen tags offen an den Pflanzen und sind leicht zu finden. Sie erinnern an Raupen vom Großen Kohlweißling.

1151. Acronicta aceris L. - Ahomeule (IV ), Gef. - , Nds. -

Verbreitung und Häufigkeit: Im gesamten Gebiet verbreitet, als Falter aber eher selten und einzeln gefunden (max. 3 Expl.).

170 Lebensräume: Waldränder, Alleen, Baumreihen, Grünanlagen, oft in Siedlungsbereichen. Flugzeit: 15.05. - 15.08. Fundorte: Südheide 6 , Flachland 22 , Börde 19 , Bergland 16 ; Gesamtzahl der Fundorte 63 Bestands- und Gefährdungssituation: Nicht gefährdet. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden vom 25.06. bis 03.09. an Laubgehölzen gefunden: an Linde, Eiche, Kastanie, besonders Alleebäume. Im übrigen meistens auf Wegen und Straßen herumlaufend, wohl auf der Suche nach Verpuppungsverstecken. Auf einer einzelnstehenden Kastanie bei Sehnde mehrmals häufiges Auftreten der Raupen im August in den Jahren '81 - 86 (bis zu 100 Raupen).

1158. Acronicta menyanthidis VIEW. - Fieberklee-Sumpfeule IX , Gef. 2 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Nur in den Moorgebieten des Tieflandes, sehr lokal und meist in geringer Zahl (max. 8 Expl.). Lebensräume: Verheidete Hochmoore und Feuchtheiden (10), Siedlungsbereich (1, Zuflieger?). Flugzeit: 17.05. - 19.08. Fundorte: Südheide: Neuohe 75 Flachland: Brelingen 77, Kaltenweide 77, Altwarmbüchen 78, Kananohe B.M. 79 - '84, Eilvese '80, Resse B.M. '84, Stöckse '88, Krähe '88, Lahe '90, Neustadt W. (3 Fundorte) '92/'93, Brelingen 0.'96 Börde und Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Aufgrund der engen Bindung an Hochmoore ist die Art stark gefährdet, insbesondere durch fortschreitende Gebüschsukzession auf trockengelegten Hochmooren, außerdem durch direkte Biotopzerstörung durch Abtorfung, Aufforstung und Bebauung. Die genannten Fundorte werden teilweise schon bei PEETS (1907) angeführt; damals galt die Art im Altwarmbüchener Moor noch als "häufig", während sie heute immer mehr den Maßnahmen zur Trockenlegung und zum Ausbau der Müllkippe für die Stadt Hannover zum Opfer fällt. Präimaginalstadien: Keine aktuellen Funde. GLITZ (1874) schreibt, daß die Raupen im Juni und Herbst an Glockenheide sowie Potentilla anserina zu finden sind; die letztgenannte Pflanze ist fragwürdig, wahrscheinlich war damit Sumpfblutauge (Comarum palustre) gemeint - s. auch KOCH (1984). Als weitere Nahrungspflanzen nennt PEETS (1907) Moorheidelbeere und Weiden.

1223. Abrostola asclepiadis D. & S. - Schwalbenwurzeule (VI), Gef. 1 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Nur sehr lokal in den warmen Kalkhöhenzügen des Berglandes, an den Fundstellen als Raupe oft häufig, als Falter nur in geringer Zahl (max. 5 Expl.). Lebensräume: Warmtrockene, lichte Laubwälder auf flachgründigen Kalkböden, z.B. Orchideen-Buchenwälder, Eichen- Elsbeerenwälder, lichte aber nicht vollsonnige Saumbereiche von steinigen Hangwäldem (8), auch in den lichten Buschwäldem der natürlichen Kalkfels-Steilhänge entlang der Weser (3). Flugzeit: (30.06.: Eifunde) 25.07. - 12.08., die Flugzeit ist noch unzureichend belegt. Fundorte: Bergland: Steinmühle 7 4 (RETZLAFF et al. 1993), Wesseln '81, Brüggen '84, '85, Bodenwerder '85, Eimsen Hbg.'92, Kaierde '92, Langenfeld '92, Hilwarthshausen '92, Lauenberg '92, Rühle H.'92, Linse '96

171 Bestands- und Gefährdungssituation: Die Schwalbenwurzeule ist u.a. durch Aufforstung von Trockenhängen mit Fichte, den Bau von Ferienhäusern und intensiven Kalksteinabbau gefährdet. Die Schaffung größerer Freiflächen (s. RETZLAFF 1985) wird bei uns nicht zur Förderung der Schwalbenwurzeule empfohlen, da sie im Gegensatz zu ihrer Nahrungspflanze nur die zeitweilig besonnten Standorte, d.h. die kleinen Sonneninseln exponierter lichter Hangwälder und Waldrandzonen besiedelt. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden in lichten, steinigen Kalk-Laubwäldern vom 28.06. bis 30.07. an den Stengeln, oft auch an den Bälgen der Schwalbenwurz (Vincetoxicum) festgestellt. Die typischen Raupen-Fraßspuren an Bälgen und Blättern sind bis spät in den Herbst an den Schwalbenwurzbeständen nachzuweisen. Am 30.06.92 wurden einige einzeln an den Blattunterseiten abgelegte Eier gefunden.

SPANNER

1304. Odezia atrata L. - Mohrenspanner (II) , Gef. 2 , Nds. 3

Verbreitung und Häufigkeit: Nur im Süden des Gebietes, zerstreut, stellenweise in Anzahl (max. 30 Expl.). Die nördliche Verbreitungsgrenze ver­ läuft etwa von Bodenwerder nach Einbeck; der Verbreitungsschwerpunkt liegt im Weserbergland. Lebensräume: An feuchtwarmen Stellen im Bergland: zumeist in höherwüchsigen Randzonen von Halbtrockenrasen und an angren­ zenden Wegrainen (7), extensiv genutzte Waldwiesen (1), Hochstaudensäume in den Grünlandgebieten der Kalkhöhenzüge (1). Flugzeit: 07.06. - 13.07. Fundorte: Bergland: Lüthorst '83, Portenhagen '83, Avendshausen '83, '85, '83,'91, Mackensen '91, Merxhausen '91, '87, '94, '99, E. '99 Bestands- und Gefährdungssituation: Mit der fortschreitenden Flurbereinigung und der intensiven Pflege von Weg- und Grünlandrändem werden viele poten­ tielle Habitate beseitigt. Demgegenüber profitiert die Art von der Aufgabe der Beweidung und von ruderalen Störzonen auf Halbtrockenrasen. Präimaginalstadien: Keine Funde. Nach KOCH (1984) leben die Raupen an Kälberkropf (Chaerophyllum) undKerbel (Anthriscus).

1322. Idaea ochrata SCOP. - Ockerfarbener Steppenheidenspanner V , Gef. D , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Diese wärmeliebende, östlich und südlich verbreitete Art wurde bereits von PEETS (1907) für unser Gebiet gemeldet, dies jedoch nachfolgend von FÜGE et al. (1930) als Nachweis nicht anerkannt, weil sie im südlichen Nachbargebiet nach LIPPS/Göttingen fehlte. Auch in anderen Gebieten wurden Fundmitteilungen in Zweifel gezogen (s. HARTWIEG 1958, MEINEKE 1984, REUHL 1972-75). Jetzt wird ochrata für unser Gebiet erneut gemeldet, so daß vermutet wer­ den kann, daß sie sich in warmen Jahren aus Osten kommend ausbreitet (sie ist nicht selten z.B. um Harsleben/Sachsen- Anhalt, Schmidt mdl.). Lebensräume: Bei den Fundorten handelt es sich um eine Sandgrube auf der Südostseite des Brelinger Berges (1), einen stillgelegten Acker auf kalkhaltigem Boden bei Wülferode (1), eine Mergelkippe bei Anderten (1). KOCH (1984) nennt warme, tro­ ckene Hänge, Heiden, Bergwiesen, Weinbaugebiete, trockenheiße Plätze. Flugzeit: 05.07. - 26.07., nach KOCH (1984) Anfang Juli bis Ende August Fundorte: Südheide: -

172 Flachland: Brelingen Sgr.'97 2 Expl. Börde: Wülferode AS '98 1 Expl., Anderten '99 1 Expl. Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: Da sie im Gebiet nicht bodenständig sein dürfte, wird sie vorerst nicht zu den gefährdeten Arten gezählt. Der Biotop am Rand einer Sandgrube bei Brelingen ist durch fortschreitenden Sandabbau inzwischen völlig zerstört worden. Die Ackerbrache bei Wülferode wurde 1999 wieder bewirtschaftet. Eine weitere Fortpflanzung an diesen Orten ist damit unterbunden. Präimaginalstadien: Keine Funde. KOCH (1984) nennt als Nahrung der Raupen niedrige Pflanzen und Gräser.

1326. Idaea muricata HUFN. - Purpurstreifiger Moorheidenspanner (II), Gef. 3 , Nds. 3

Verbreitung und Häufigkeit: Hauptsächlich im Bergland, im übrigen Gebiet sehr zerstreut. Meist einzeln oder in geringer Zahl (max. 6 Expl.). Lebensräume: An windgeschützten, oft mageren, warmfeuchten Stellen: Waldinnenränder (3) und Waldwiesen (1), Randzonen von Hochmooren (4), Halbtrockenrasen (9), sandige Wiesenbrachen (1), feuchte Heiden (2), Flußauen (1); Sekundärbiotope: Steinbrüche (1), Kanalböschungen (1), Bahndämme (1), Halden (1). Für Lüchow-Dannenberg bezeichnet Köhler (mdl.) die Art als Verschieden-Biotopbewohner, der auf Torfmooren und Trockenrasen gefunden wird. Flugzeit: 19.06. - 16.08. Fundorte: Südheide 3 , Flachland 7 , Börde 5 , Bergland 16 ; Gesamtzahl der Fundorte 31 Bestands- und Gefährdungssituation: Die Angabe "auf Waldwiesen" bei FÜGE et al. (1930) ist kaum noch aktuell, da es diesen Lebensraum fast nicht mehr gibt. Um Arten wie den Moorheidenspanner zu fördern und vor allem auch um die Tagfalterfauna wiederzubeleben, wurde daher in der Region Hannover ein Waldwiesen-Schutzprogramm gefordert (LOBENSTEIN 1990, S. 256). Die noch verbliebenen Rückzugsbiotope liegen heute zumeist auf mageren Brachen wie z.B. auf Halbtrockenrasen, die allerdings durch Eingriffe und zunehmende Verbuschung ebenfalls bedroht sind. Präimaginalstadien: Einmal wurde am 15.07.90 bei Nienburg eine Eiablage an Wollgras (Eriophorum vaginatum) in einem lichten alten Kiefem-Moorbirkenwald mit einzelnen verlandeten Torfstichen beobachtet.

1454. Cidaria fulvata FORST. - Rosenspanner (VI) (IV ), Gef. -, Nds. -

Verbreitung und Häufigkeit: Zerstreut und lokal gefunden, nur in den Kalkhöhenzügen des Berglandes und den Knickheckenlandschaften der Ebene weiter verbreitet, hier lokal in Anzahl zu finden (einmal über 100 Expl., sonst max. 30 Expl.). Lebensräume: Waldrand- und Offenlandbiotope mit Rosensträuchern: trockene gebüschbewachsene Hänge, z.B. ehemalige Schafweiden mit Halbtrockenrasen (18), Waldweg- und Waldränder (12), Gärten und sonstige Grünanlagen (12), Auengebiete mit Knickhecken (4), Grünlandgebiete mit Gehölzzeilen (3), Böschungen (2), Mergelaufschüttungen (2), aufgelassene Kalksteinbrüche (2). Flugzeit: (31.05.) 20.06.- 11.08. Fundorte: Südheide 1 , Flachland 11 , Börde 21 , Bergland 32 ; Gesamtzahl der Fundorte 65 Bestands- und Gefährdungssituation: Aktuell nicht gefährdet, doch sollte bei Entbuschungsmaßnahmen darauf geachtet werden, daß Rosensträucher nicht vollständig und nur soweit notwendig weggenommen werden. Durch intensive Flurbereinigung ist C. fulvata gebiets­ weise verdrängt worden, während sie in Grünanlagen vermutlich noch einigermaßen verbreitet ist. Der Rosenspanner zählt zu den zahlreichen Arten, die in Gärten einen Ersatzlebensraum gefunden haben, soweit diese naturfreundlich gestaltet und gepflegt werden.

173 Präimaginalstadien: Keine Funde. Raupe im Mai bis Anfang Juni an Rosen (PEETS 1907).

1497. Colostygia didymata L. - Anemonen-Blattspanner (IV ), Gef. V , Nds. 5

Verbreitung und Häufigkeit: Sehr zerstreut und meist vereinzelt in allen Teilen des Gebietes, nach Süden zunehmend, aber nur ausnahmsweise häu­ fig (Harbarnsen, Sehlemer Wald 08.07.95 25 Expl., Wöhle Vorholz 14.07.96 15 Expl., sonst max. 3 Expl.). Dagegen in den benachbarten luftfeuchten Bergwäldem der Mittelgebirgslagen von Harz und Solling sehr häufig, auch bei Tag. Lebensräume: Krautreiche Wälder, in der Tiefebene auch in Knickheckengebieten der Flußmarschen von Weser und Leine. Das dor­ tige Auftreten entlang der Heckensäume ist interessant, da dieser "Waldfalter" damit den beschatteten Standorten aus dem Auwald in die offene Auenlandschaft folgt, zusammen mit Pflanzen der Geophytenvegetation wie Buschwindröschen (Anemone nemorosa), Lerchensporn (Corydalis) u.a.. Flugzeit: 05.06. - 26.07. Fundorte: Südheide 2 , Flachland 4 , Börde 11, Bergland 12 ; Gesamtzahl der Fundorte 29 Bestands- und Gefährdungssituation: Als typischer Krautschichtbewohner ist die Art im Bergland u.a. durch Umwandlung von Laubwäldern in dichte kraut- arme Nadelholz-monokulturen bedroht. Präimaginalstadien: Keine aktuellen Funde. GLITZ (1874) fand die Raupe im April häufig an Anemonen - gemeint ist sicher Buschwindröschen. PEETS (1907) schreibt: "Raupe im Mai an Anemonen, Geißblatt und Heidelbeere" (ähnliche Angaben bei KOCH 1984).

1631. Eupithecia distinctaria H.-S. - Thymian-Blütenspanner (V ), Gef. 1 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Sehr lokal in den warmtrockenen Kalklandschaften im Süden des Gebietes, örtlich als Raupe häufig gefunden, als Falter selten (max. 2 Expl.). Auch im südwestlichen Nachbargebiet: einmal im Lkr. Höxter nachgewiesen (RETZLAF- FF 1985). Lebensräume: Nur an sehr warmen, trockenen Stellen auf steinigem Boden: Kalkfelsen (1) und kleine windgeschützte Steinbrüche mit Kalksteinfluren (4) und reichlich ausgebildeten Thymianpolstem. Flugzeit: 12.07. - 26.07. Fundorte: Bergland: Lüthorst '85, '90, Dölme Stbr.'91 Bestands- und Gefährdungssituation: Durch den Kalkabbau werden einerseits Habitate geschaffen, indem die Gesteinsschicht freigelegt wird. Häufig entste­ hen aber aus den anfangs kleinräumigen, windgeschützten Lebensräumen riesige Abbauflächen, die kaum noch Bedeutung für Flora und Fauna haben. Der moderne industrielle Abbau wirkt sich damit auf Besiedler anthropogener Kalksteinfluren zunehmend negativ aus. Besonders schutz-bedürftig sind daher die natürlichen, xerothermen Kalkfelslandschaften, wie sie z.B. entlang der Weser zu finden sind. Es ist davon auszugehen, daß der Thymian-Blütenspanner hier weitere Vorkommen besitzt. Präimaginalstadien: Die auf den Thymianpolstem vorzüglich getarnten Raupen wurden vom 24.07. bis 11.08. lokal in Anzahl gefunden, so am 11.08.85 an einer Stelle über 70 Raupen. Bevorzugte Habitate sind Abbruchkanten und -stufen an besonders war­ men, vegetationsarmen Stellen. Der Thymian-Blütenspanner ist damit ein Erstbesiedler von Initialstadien aufgelassener Steinbrüche.

174 1669. Ligdia adustata D. & S. - Spindelbaumspanner (IV) (II), Gef. -, Nds. 5

Verbreitung und Häufigkeit: Im gesamten Gebiet noch relativ verbreitet zu finden, besonders in südlichen Gebietsteilen, meistens aber nur einzeln (max. 5 Expl.). Lebensräume: Unterholzreiche Laubwälder und Waldmantelgebüsche, auch im Offenland in Gebüsch- und Heckenlandschaften mit Beständen des Pfaffenhütchens, in Siedlungsbereichen oft in Grünanlagen, Landschaftsparks und an Böschungen. Flugzeit: 1. u. 2. Gen.: 19.04.88 - 31.08.92 , mit Überschneidung der Generationen im Juni/Juli Fundorte: weit über 100 Fundorte Bestands- und Gefährdungssituation: Nicht gefährdet. Präimaginals tadien: Eine Raupe wurde am 02.10.95 an einem halbschattigen Waldweg auf einem 2,5 m hohen Pfaffenhütchenstrauch gefun­ den, wo sie gut sichtbar am Rand eines Blattes saß. GLITZ (1874) berichtet von häufigen Raupenfunden an Pfaffenhütchen im Juli.

1665. Arichanna melanaria L. - Rauschbeeren-Fleckenspanner IX III, Gef. 1 , Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Nur in den Hochmooren der Tiefebene, örtlich mehrfach, einmal auch häufig (bis 8 Expl., einmal über 60 Expl.). Lebensräume: Teilweise bewaldete Übergangsbereiche (Kampfwaldzone) von Hochmooren mit Rauschbeerenbestän­ den (7), rauschbeerenreiche Birkenbruchwälder (1), Erlen-Birken-Bruchwälder und Eichenwälder in Hochmoomähe mit Heideibeerunterwuchs (1). Flugzeit: 30.06. - 18.07. Fundorte: Südheide: Hetendorf '91, Dehnernbockel '92,'93, Hohne '97 Flachland: Kaltenweide '70, Groß Kolshorn '84, H.M. '92,'93, Altwarmbüchen '93, Scharrel H.M.'93, Wiechendorf '93, Vorwerk '93 Börde und Bergland: - Bestands- und Gefährdungssituation: A. melanaria ist eine Art der Hochmoor-Randzonen und kann, solange ein teilweise natumaher Moorkem vorhanden ist, relativ lange in Degenerationsstadien überleben. Mit dem völligen Trockenfallen und der Verdichtung des Waldes in der Moorkemzone verlieren die Habitate das typische Hochmoor-Kleinklima. A. melanaria verschwindet daher in der Regel von Hochmooren, die vom Naturschutz aufgegeben werden. Es kommt darauf an, daß der Schutz bewalde­ ter Übergangszonen gerade bei den restlichen naturnahen Hochmooren nicht vernachlässigt wird. Dies bedeutet auch, daß die bewaldeten Habitate nicht vom Naturschutz selbst "weggepflegt" werden: auf wiedervemäßten Hochmooren, die ohne bewaldete Übergangszone direkt an monotone Nadelholzforsten, Acker- und Grünlandgebiete grenzen, sind Arten wie der Rauschbeeren-Fleckenspanner zum Aussterben verurteilt. Präimaginalstadien: Die Raupen wurden auf verschiedenen Mooren vom 01.05. bis 13.05. mehrfach bis häufig an Rauschbeere(Vaccinium uliginosum) gefunden, in einem lichten, moorigen Birkenbruchwald bei Soltau am 01.05.93 über 1000 Stück in allen Größen. Hier wurden zuvor am 31.06.92 über 60 Falter am Licht beobachtet.

1695. Apeira syringaria L. - Geißblatt-Buntspanner (IV), Gef. 2 , Nds. 2

Verbreitung und Häufigkeit: Sehr zerstreut in verschiedenen Teilen des Gebietes, stets nur einzeln (max. 2 Expl.). Lebensräume: Bevorzugt warmfeuchte Gehölzstandorte: strauchreiche Waldränder (3), verbuschte Trockenhänge (2), auch

175 Knicklandschaften der Flußauen (1) Flugzeit: 07.05. - 13.07. Fundorte: Südheide: Weesen '96 Flachland: Burgdorf '70, Mariensee '91, Schadehop '91, Stöckendrebber '94, Brelingen O. '84,'85,'93, Börde: Gehrden ca. 70, Bemerode '95, Anderten '99 Bergland: Portenhagen '85, Delligsen 0.'72,'94, Düsterntal '95, Dunsen '95, Harbarnsen '95, Vorholz '96, Coppengrave '97 Bestands- und Gefährdungssituation: Als Folge der intensiven Durchforstung artenreicher Mischwaldrandzonen sowie der Waldwegpflege und Beseitigung vieler Gehölzbiotope im Offenland (Flurbereinigung) ist dieser anspruchsvolle Strauchbewohner stark bedroht. Auch die Entwässerung vieler Waldgebiete wirkt sich negativ aus. Präimaginalstadien: Am 02.05.99 wurde eine fast erwachsene Raupe an einem Waldweg bei Anderten in der Gaim an Heckenkirsche gefun­ den, an der sie gut getarnt ist, da sie den beigebraunen Blattschuppen der einzelnen Zweigabschnitte ähnelt. Früher berichteten GLITZ (1874) wie auch FÜGE et al. (1930) für das Stadtgebiet von Hannover, daß die Raupen im Frühjahr nicht selten an Geißblatt zu finden seien.

1779. Tephronia cremiaria FRR.- Punktierter Baumflechten-Grauspanner (IV), Gef. 1, Nds. 1

Verbreitung und Häufigkeit: Die Art zählt zu den Besonderheiten der hannoverschen Schmetterlingsfauna. Bereits GLITZ (1874) schreibt dazu: „Dieser von Krösmann entdeckte Spanner lebt als Raupe an den Flechten der Bäume und Zäune". Heute findet sich die Art vereinzelt, örtlich auch mehrfach in der südöstlichen u. südlichen Umgebung von Hannover (max. 10 Expl.). Die letzten Funde stammen von 1950 aus Ricklingen (GROSS 1950), 1951 Hildesheim (Gleber) und 1951 Hannover-Letter (Schaarschmidt); über Einzelheiten zur neuen Entwicklung berichten FÄHNRICH und RUTZEN (in Arbeit). Lebensräume: Siedlungsbereiche; hier befinden sich die Hauptvorkommen (3); außerdem: warmfeuchte Mergelhalden mit Pappelpflanzungen (1), feuchte Eichenwälder im Bergland (1), Bachauen mit Gehölzbeständen (1). Flugzeit: 25.06. - 31.07. Fundorte: Südheide und Flachland: - Börde: Anderten, Gaim 29.07.77 1 Expl. und Höver ca. 1978 1 Expl. (bei Zundel als sepiaria verzeichnet), Sehnde Lh. 25. - 28.06.94 9 Expl., Sehnde (südlicher Ortsrand) 09.07.95 10 Expl., 31.07.95 4 Expl.. Bergland: Dörpe, Osterwald '82 1 Expl., Dunsen, Nordwestrand des Külf 06.07.95 1 Expl.. Bestands- und Gefährdungssituation: Es wird davon ausgegangen, daß T. cremiaria zahlreiche Ortschaften im Südosten Hannovers besiedelt und damit in einem klimatisch begünstigten Areal ein Kulturfolger der Bebauung ist - und weniger ein Baum- oder Waldbewohner. Dies ergibt sich aus Mehrfachfunden an vier Stellen in Sehnde und Ilten im Siedlungsbereich. Eine Gefährdung könn­ te sich vor allem aus der Sanierung alter Ortskerne ergeben, doch wären für eine genaue Einschätzung die Raupen- Habitate ausfindig zu machen. Präimaginalstadien: Es gelang nicht, im Siedlungsbereich von Sehnde die Raupen zu finden, wo unter anderem einmal 10 Falter im 3. Stock eines Wohnhauses ans Licht geflogen waren. Es wird vermutet, daß die Raupen am reichlich vorhandenen Flechtenbewuchs auf den Dächern leben, da sonst keine Flechtenhabitate zu finden sind. In der (aus Eiablage erzielten) Zucht nahmen die Raupen die von Dachziegeln am Fundort gesammelten Flechten sofort an.

176 Zusammenfassung

Die Arbeit gibt einen Einblick in eine neue Dokumentation der Großschmetterlingsfauna zen­ traler Teile Niedersachsens (Region Hannover, Südheide, unteres Weser-Leine-Bergland), in der 843 Arten behandelt werden, die von 1970 bis 1999 beobachtet wurden. Aufgrund des Umfanges ist die Arbeit nicht im Buchhandel erhältlich, sondern nur bei einigen Fachbibliotheken entleihbar bzw. ein-sehbar. Die als Nachschlagewerk aufgebaute Arten- Gesamtdarstellung informiert über Verbreitung, Häufigkeit, Lebensräume, Ökologie und Schutzmaßnahmen, was hier am Beispiel ausgewählter Arten demonstriert wird. Aus den Beobachtungen ergeben sich Aussagen über die Rückgangsursa-chen (Eingriffe in Stadtbiotope, Biotopzerstörung durch Umgehungsstraßen, intensive Land- und Forstwirtschaft etc.). Dabei fallen die Prognosen für die Bestandsentwicklung bedrohter Arten im Wald etwas positiver aus als für die Landwirtschaft. Erstaunlicherweise gelingt es aber immer wieder, bereits ver­ schwunden geglaubte Arten aufzufinden. Ein Widerspruch zu der allgemeinen Rückgangstendenz wird daraus jedoch nicht abgeleitet. Vielmehr scheint die Biotopzerstörung durch fortschreitende Technisierung unserer Umwelt, durch Weiterentwicklung der Beobachtungs-methoden überlagert bzw. verschleiert zu werden, durch bessere Lichtfangtechnik oder indem die Fanggeräte per Auto schneller an entlegene Orte transportiert werden können.

Abb. 10: Fluggebiet des Punktierten Baumflechten-Grauspanners (Tephronia cremiaria) in einer Wohnsiedlung in Sehnde. Hier flogen auf dem Balkon im 3.Stock vom 25. bis 28.06.94 insgesamt 9 Falter dieses seltenen Spanners an. Nach vergeblicher Raupensuche wird vermutet, daß die Raupen am reichlich vorhandenen Flechtenbewuchs auf den Dächern (den Dachziegeln) leben.

177 Summary

The purpose of this paper is to draw attention to a comprehensive study of Lepidoptera in Central including Hanover carried out from 1970 to 1999. Because of its size, the original documentation is not available in book form but can be lent at a number of special libraries. For each of the 800 indigenous species of Macrolepidoptera, information is given on distribution, habitats, ecology, status of endangerment, and measures of protection. This paper presents descriptions of only a few chosen species to give the reader an idea of how the com­ prehensive collection of data is structured. Among the results is the surprising fact that almost every year some relict populations were discovered, but the situation of endangered species has not improved. Ironically, the same technological progress that often destroys habitats has proved entomologists with more effective methods of investigations, including better light traps and ever - growing road network. But the fact that intensified investigation led to the discove­ ry of certain relict populations must not obscure the overall trend: The number of species that have disappeared has been growing for decades , and so far we have not been able to stop this development. (Summary by Andreas Zeugner)

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Anschrift des Verfassers: Dipl.Biol. Ulrich Lobenstein, Stärke Str. 7, D-30451 Hannover.

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