Vermehrtes Auftreten
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Nyctalus (N.F.), Berlin 15 (2010), Heft 4, S. 265-270 Vermehrtes Auftreten von „Kälteflüchtlingen" bei Zwerg- und Rauhhautfledermäusen (Pipistrelluspipistrellus, P nathusii) während des besonders kalten Winters 2009/2010 in Süd-Niedersachsen* Von Wolfgang Rackow, Osterode am Harz Mit 2 Abbildungen Abstract 1 Einleitung Increased presence of „cold refugees" in pipistrelle and Nathusius' bats {Pipistrellus pipistrellus and R na Die Zwergfledermaus {Pipistrellus pi thusii) during the cold winter 2009/2010 in southern pistrellus) gilt für Deutschland, und somit Lower-Saxony auch für Niedersachsen, als weit verbreitet From December 2009 until February 2010 altogether 38 und relativ häufig (Taake & Vierhaus 2004). common pipistrelles (Pipistrellus pipistrellus), 12 Nathu Das Überwintern dieser Art ist bekannt so sius' bats (P nathusii) and 7 undetermined species ofthe wohl, und dies nicht selten, in Massenwinter genus Pipistrellus were found as "cold refugees" in the region ofsouthern Lower-Saxony. During this period un- quartieren, wie in den Stollen bei Osterode am usual cold temperatures down to -25°C were registered. Harz (Rackow 1994), im Altbergbau und in Most of the "cold refugees", shown in Tab. 1, entered Industrieanlagen von Rüdersdorf bei Berlin rooms through tilted Windows and were the found and lan- (Haagen & Arnold 1955, Haensel 1973, ded over to the bat workers. The high number ofNathusi us' bats is quite remarkable since this species was not 1992), im Schlosskeller von Marburg (Sendor known to commonly hibernate in Lower-Saxony, espe- 1997, Simon & Kugelschafter 1999), in der cially in the area around Hildesheim and Hannover. Kirche von Demmin (Grimmberger & Bork 1978, 1979), als auch einzeln oder in kleinen Zusammenfassung Gruppen in natürlichen Höhlen (z. B. Neue Winterberghöhle bei Bad Grund, Haensel Von Dezember 2009 bis Februar 2010 sind aus der Region Süd-Niedersachsen 38 Zwergfledermäuse {Pipistrellus 2010), in (sehr) trockenen und meist auch kal pipistrellus), 12 Rauhhautfledermäuse (P nathusii) und ten Stollen, Bunkern und Kellern, des wei 7 unbestimmte Angehörige der Gattung Pipistrellus als teren in Wohngebäuden mit 10-15 (20) mm „Kälteflüchtlinge" gemeldet worden. Der genannte Zeit breiten, meist senkrecht verlaufenden bzw. an raum zeichnete sich durch eine ungewöhnlich lang anhal tende Kälteperiode mit Temperaturen von zeitweilig bis gelegten Spalten. So wurden dem Verf. des unter -25°C aus. Die meisten der in Tab. 1 aufgeführten öfteren aus den Wintermonaten Zwergfleder „Kälteflüchtlinge" drangen durch angekippte Fenster in mäuse gemeldet, die beim Tür- oder Fen Wohnräume ein und wurden daraufhin den Fledermaus sterausbau hinter Blendrahmen überwinterten. schützern/Innen gemeldet. Besonders bemerkenswert ist der große Anteil an Rauhhautfledermäusen, von denen bisher nicht bekannt war, dass sie so häufig in Niedersach Nach Sendor (1997) und Simon & Kugel- sen, vor allem im Raum Hildesheim-Hannover, überwin schafter (1999) ruhen Zwergfledermäuse im tern. mer mehrere Tage in den gleichen Spalten, und zwar mit Rücken und Bauch stabil zwi Keywords schen die verschiedenen Substrate einge klemmt. Sie drehen sich jedoch des öfteren in Pipistrellus pipistrellus, Pipistrellus nathusii, Pipistrellus spec, hibernation in Lower-Saxony, escape from extre- diesen Spalten, verlassen sie sogar, um an an mely cold temperatures. deren, ähnlich strukturierten Stellen wieder * Mitteilung der Interessengemeinschaft Fledermausschutz und -forschung in Süd-Niedersachsen im NABU. 266 W. Rackow: Vermehrtes Auftreten von „Kälteflüchtlingen1' in Süd-Niedersachsen einzuschlafen, was nicht zuletzt sehr von den dernden Fledermausarten zählt, die, aus öst Veränderungen der Außentemperaturen ab lichen bis nördlichen Richtungen kommend hängt. und im allgemeinen westlich bis südlich von Niedersachsen überwinternd (z. B. in der Nach eigenen, 1985 begonnenen Aufzeich Schweiz, in Frankreich und Italien), sind nungen verlassen Zwergfledermäuse häufig Funde von Oktober bis März in Niedersachsen nicht frostfreie Winterquartiere, wenn starker eher selten. Einzelne Winterfunde, vermehrt Frostvon mindestens-10°C einsetzt und mehr in den letzten Jahren, liegen aus Mittel- und als 3 Tage anhält (Rackow 1997). Auf der Su Ostdeutschland vor (z. B. Lehmann 1999, che nach neuen, frostsicheren Überwinte Hörn 2006, Haensel 1985, 1994, Iffert rungsorten fliegen die Tiere noch bei Tempe 1994), darunter auch einige wenige aus dem raturen bis -25°C (!) in Wohnhäuser ein. Meist Harzraum (Ohlendorf 1985, Knolle & dringen sie über angekippte Fenster in die Wielert 1988). Ein Nachweis gelang in Räume ein. Aus vorgenannten Gründen wer unserem engeren Untersuchungsgebiet, und den solche, im allgemeinen einzeln erschei zwar ein Todfund vom 30.12.1975 aus Boden- nende Fledermäuse „Kälteflüchtlinge" ge burg/LK Hildesheim (Schoppe & Benk 1991). nannt (Taake & Vierhaus 2004). 2 Funde von „Kälteflüchtlingen" Die Rauhhautfledermaus {Pipistrellus na im Winter 2009/2010 thusii) kommt in Ostdeutschland, z. B. im Land Brandenburg, häufig vor (Heise 1983 u. Die lang anhaltende Kälteperiode 2009/2010 a.). Im Bearbeitungsgebiet ist sie jedoch im setzte mit Schneefällen gegen (Anfang)/Mitte Gegensatz zur Zwergfledermaus wesentlich Dezember 2009 ein und hielt bis weit in den seltener. Im Erfassungszeitraum 1985-2005 Februar 2010 hinein an. Die Tageshöchsttem (NLÖ 2005) wurden nur 3 Wochenstuben- peratur betrug im Dezember 2009 2,9°C, im und 2 Winterquartiere für ganz Niedersachsen Januar 2010 -2,3°C (!) und im Februar 2010 gemeldet (vgl. u. a. Dense 1991). Da die Rauh 2,3°C (Wetter online). Die mittlere Tempera hautfledermaus zu den fern- bzw. weitwan tur für Niedersachsen wurde vom DWD für ^*W'^H < JyRNm //' •jffj B Sin 1gl _, "V.Mi: . Abb. 1. Rauhhautfledermaus-9 (Pipistrellus na Abb. 2. Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathu thusii), gefunden am 06.12.2009 in Heisede, als sii) im Nachwinter 2010 in Hildesheim, Marien- erster „KältefUichtling" des Winters im Landkreis burger Höhe. Aufn.: Stefan Meyer Hildesheim. Aulh.: Karsten Passior W. Rackow: Vermehrtes Auftreten von „Kälteflüchtlingen" in Süd-Niedersachsen 267 den Winter 2009/2010 mit -1,0°C (normal Individuen von P nathusii eher dazu neigen in 1,2°C) errechnet! der Nähe der bekannten Fortpflanzungsge biete zu überwintern als die mnnlichen. Als Außer einem ersten Nachweis von P nathu Ursache dafür kommt die globale Klima sii (25.10.2009 in Springe/Region Hannover erwärmung in Betracht, die unter anderem da durch F. Brandes), der noch in die Zugzeit, für verantwortlich ist, dass sich die Ankunfts nicht jedoch in die lange und kontinuierliche und Wegzugzeiten der Rauhhautfledermäuse Frostperiode ab Anfang Dezember 2009 bis im östlichen Brandenburg deutlich nach vorn Ende Februar 2010 fallt, sind mir folgende bzw. nach hinten verschoben haben. Schmidt Nachweise von „Kälteflüchtlingen" bekannt (2000) stellte für das Jahrzehnt von 1989-1998 bzw. mitgeteilt worden (Tab. 1). Wie aus fest, dass P nathusii im Frühjahr durch Tab. 1 ferner hervorgeht, setzen die Mel schnittlich 2 Wochen früher ins Heimatgebiet dungen über „Kälteflüchtlinge" am 05. bzw. zurückkehrte als im Jahrzehnt davor (1979- 06.12.2009 (Abb. 1) ein, und die Serie solcher 1988); im Herbst verzögerte sich demgegen Meldungen endet erst nach Mitte Februar über der Wegzug im gleichen Zeitraum um 2010 (Abb. 2). durchschnittlich eine Woche! 3 Ergebnisse und Diskussion Zweimal wurden 4 Zwergfledermäuse als „Kälteflüchtlinge" zur gleichen Zeit registriert Unter den insgesamt 57 in Tab. 1 aufge (s. Tab. 1: 25.01.2010 in Hildesheim und listeten „Kälteflüchtlingen" aus dem nieder 03.02.2010 in Nordstemmen/LK Hildesheim). sächsischen Hügel- und Bergland befanden Ob dieses gemeinsame Auftreten von mehre sich 38 Zwergfledermäuse, 12 Rauhhaut- ren Tieren jeweils als Winter"invasion" ge fledermäuse und 7 unbestimmt gebliebene deutet werden kann, ist nicht exakt nachvoll Angehörige der Gattung Pipistrellus. Dem ziehbar. In Berlin kam es in den 1960er Jahren Autor sind noch weitere Meldungen aus Nie im Zusammenhang mit heftigen Kälteein dersachsen bekannt, die wegen bestehender brüchen vereinzelt zu Winter"invasionen", Unklarheiten und/oder aufgrund der Begren wobei daran sogar mehr als 10 Ex. gleichzeitig zung des Untersuchungsgebietes auf Süd- beteiligt waren (Haensel 1967), später jedoch Niedersachsen hier keine Berücksichtigung nicht mehr, „wahrscheinlich weil die Winter gefunden haben. nicht mehr so streng waren" (Haensel 1991). Bemerkenswert ist die verhältnismäßig Die als Pipistrellus spec. mit in die Tab. 1 große Zahl an Rauhhautfledermäusen mit aufgenommenen 7 Individuen beruhen vor einer Konzentration im Raum Hildesheim- allem auf telefonischen Meldungen bzw. Hannover. Auffällig war auch, dass in der E-Mail-Zuschriften, so dass keine exakte Art Anfangszeit vor allem Rauhhautfledermäuse bestimmung möglich war. anfielen (s. Tab. 1). Dies weist daraufhin, dass seitens R nathusii besonders viele Tiere keine Alles in allem muss davon ausgegangen frostsicheren Quartiere aufgesucht oder ge werden, dass den Regionalbetreuern nur ein funden hatten bzw. die Angehörigen dieser Art Bruchteil der tatsächlich angefallenen „Kälte noch empfindlicher auf strenge Kälteperioden flüchtlinge" gemeldet worden ist. Ursache: reagieren als P pipistrellus. Der in diesem Zusammenhang wichtige Be- kanntheitsgrad der unser Fachgebiet repräsen Das Geschlechterverhältnis war bei den tierenden Personen ist unterschiedlich, und es Zwergfledermäusen ausgeglichen (15 66, 15 gibt auch, geografisch gesehen,