Verlorene Lieder – Verlorene Zeiten Zwischen Fördervertrag Und Auftrittsverbot
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3/99 November 1999 Pfingsttreffen ’99: „Leipzig im Herbst ’89“ Jens - Paul Wollenberg Paul - Jens Manfred Manrenbrecher Hans - Eckardt Wenzel Eckardt - Hans Dieter Kalka no Schmidt no Ar …und die Gruppe „Leipziger Folksessions“ Fotos: molo Verlorene Lieder – verlorene Zeiten Zwischen Fördervertrag und Auftrittsverbot er Mond ist auch gegangen/ die im Jahre ‘89 unter der Wende vor- so gut sie konnten. Es ist erst zehn Dgoldnen Sternlein prangen/ schon stellten oder kaum vorstellen konn- Jahre her, aber schon nach so kur- längst nicht mehr so klar./ Der Wald ten - oder auf keinen Fall vorstellen zer Zeit verblasst Erinnerung. Es ist steht schwarz und schweiget/und wollten, weil vielen von ihnen schon also nicht nur erst, sondern auch aus den Wiesen steiget/ein grauer damals aufging, daß die goldenen schon zehn Jahre her. Nebel sonderbar“. Sternlein der bundesrepublikani- Sie trafen sich auf Burg Waldeck im Es ist erst zehn Jahre her, und schon schen Zukunft nicht gar so klar Hunsrück, von wo die westdeutschen kann der Liedermacher Arno Schmidt prangen würden, wie sie manchen Liedermacher aufgebrochen waren, vom Mond singen, der auch gegan- Leuten damals schienen. Im Jahre ‘99, die damalige Bundesrepublik zu ver- gen ist. Gegangen wie das, was sich zehn Jahre später, trafen sich eini- ändern. Deren Mond ist schon eini- viele Unterhaltungskünstler der DDR ge von ihnen und erinnerten sich ge Jahre früher gegangen. Der Kul- Pfingsten ’99: turwissenschaftler Lutz Kirchenwitz wie überhaupt gemischte Gefühle versuchte, den Erinnerungen auf die damals, vor zehn Jahren, vorherr- Aus dem Inhalt: Beine zu helfen. Er ist seit den sech- schend waren: ziger Jahren in der DDR-Liederma- cherszene zuhause und hat über sie ein Buch geschrieben. Manfred Mau- Der Riss ging durch die Leute. Zu Pfingsten ’99: renbrecher war 1989 mit Wessis auf Rockpoeten-Tour durch die DDR, Der Riss ging nicht nur durch das Verlorene Lieder – Arno Schmidt war DDR-Liedermacher, Land DDR. Der Riß ging auch mit- verlorene Zeiten . 1–3 der auch nach Westdeutschland rei- ten durch die DDR-Leute durch, sen durfte. Der Musiker Matthias damals vor zehn Jahren. Und auf Festival des politischen Liedes . 4 Rote Lieder . 4 „Unsere alltägliche Macht“ Petra Schwarz Jürgen B. Wolff und „Gegenlied“. 5 Dirk und Theo Hespers. 6 HV-Protokoll ’99 . 7 Görnandt war ehrenamtlicher Vor- Burg Waldeck im Hunsrück erin- sitzender der Sektion „Lied und Klein- nerten sich DDR-Unterhaltungs- kunst“. Die Journalistin Petra Schwarz künstler, daß sie am 18. September Manitonquat . 11 arbeitete für das Jugendradio 1989 eine Resolution der Rockmu- DT 64, und Liane Fürst ist Musik- siker und Liedermacher verfaßt hat- Jugendbewegung . 12 wissenschaftlerin und war damals ten. Sie rief dazu auf, die Lösung Sekretärin der Sektion „Lied und der anstehenden Probleme in die Kleinkunst“. Sie alle erinnerten sich eigene Hand zu nehmen. Sie wurde Mindener Kreis ’99. 13 an die sogenannte Wende und an das, von den Bühnen herunter verlesen - Musik & Wort . 14 Leyn Gerd-Semmer-Texte . 15 Bernd Lindner Wolfgeng W. Grab: Autobiografie . 16–17 G. Gall: „Paradiesäppel“ . 18 Fotos: molo Zivis gesucht . 18 was sie damals gemacht hatten. Jür- nicht von allen, aber von den mei- gen Wolff erinnerte sich, dass sie sten. (Schmutzige Wäsche wurde auf damals bei Bärbel Bohley waren. Da der Waldeck nicht gewaschen.) ABW-Singewettstreit . 18 war auch der Liedermacher Hans Der Riss ging mitten durch die Leute Eckardt Wenzel dabei, und Frank durch, und auch die SED war nicht Osterseminar 2000 . 19 Schöbel, der Schlager-Fuzzy, gehör- homogen böse. Es gab nicht hier die te ebenfalls dazu. Täter und dort die Opfer. Nachdem An Wolf Biermann erinnerten sich die die Gruppe Pankow die Resolution meisten mit gemischten Gefühlen, verlesen hatte, waren sämtliche Rei- 2 Liedermacher Ost fen ihres Autos platt. Anderswo pas- len, wenn morgen die Grenze aufgeht, geben und war der Nato sierte nichts. Und dem FDJ-Chef dann ist alles futsch, dann rennen die zugefallen. Alles zerfiel, alles zer- Eberhard Aurich konnten Jürgen uns weg.’ Dann kam die Schabows- bröselte. Wolf, Tamara Danz, Hans-Eckardt ki-Erklärung, und damit war der Sie hockten zusammen auf Burg Wenzel, Matthias Görnandt und Korken raus, hin zu ‘ner populisti- Waldeck, der Gralsburg westdeut- andere durchaus auf die Bude rücken schen Sache: ‘Wenn die D-Mark scher Liedermacher, und erinnerten und sagen, was Sache war. nicht zu uns kommt, dann gehen sich an verlorene Lieder und verlo- Zehn Jahre später erinnerten sich wir zur D-Mark.’- diese ganze Sache. rene Zeiten im Osten der Republik. ehemalige Unterhaltungskünstler aus Dann war es eigentlich Schluß, und Vorbei waren die haarsträubenden der ehemaligen DDR daran, dass sie das andere war dann mehr oder Diskussionen mit der Bezirksleitung damals hofften, dass jetzt alles gut weniger - also das seh ich so, das ist der SED und dem Zentralrat der FDJ. Liane Fürsl Jens Quandl Matthias Görnandt Fotos: molo wird, aber nicht genau wussten, wie ganz subjektiv - Blauäugigkeit, daß Seit zehn Jahren war freier Markt für gut es wird, weil „gut“ für die einen wir trotzdem dachten, da kann noch Unterhaltungskünstler, aber sie waren dies und für die anderen das und was dabei passieren.… Letztlich keine Künstler mehr, die Gelder der für die Leute sowieso etwas ganz könnte man plakativ sagen: Durch die öffentlichen Hand verdient hätten. anderes war. Der Journalist Jens Öffnung der Grenze durch Schabo- Schlaraffenland, das nie Schlaraf- Quandt war damals Student und wski, durch dieses Verstottern, war fenland war, ist abgebrannt. Sie machte Musik im Oktoberclub. Lie- im Grunde genommen das ‘Wir wol- schlagen sich so recht und schlecht dermacher Arno Schmidt erinnerte len das bei uns probieren!’ ganz durch. Nur den Folkloregruppen geht sich an sehr banale Wünsche. Petra schnell raus und weg, und es ging der es besser. Schwarz von Radio DT 64 war Slogan von ‘Wir sind das Volk!’ zu Sie wollten damals durchaus ihre manchmal in der Bredouille, Liane ‘Wir sind ein Volk!’“. eigene Sache machen, jedenfalls viele Fürst stellte fest, dass die Kultur- der Unterhaltungskünstler, aber die funktionäre vor den Unterhaltungs- Leute - und das waren die meisten künstlern Schiss hatten, und Matthias Vom „Schlaraffenland“ zum - dachten ganz banal: bisschen bun- Görnandt sah die Ereignisse sehr „Legoland“ tes Legoland West, bisschen subjektiv: Reisepass und vielleicht noch Fuß- DDR-Unterhaltungskünstler trafen ball-Weltmeister, so banal war das sich auf Burg Waldeck im Hunsrück. eigentlich. Und auch aus den DDR- Zur Gretchenfrage Zehn Jahre nachdem der real exi- Hierbleibern, die nicht rübergemacht, stierende Sozialismus in der DDR sich sondern durchgehalten hatten, wur- „‘Wir wollen nicht alles weg- zur real existierenden Demokratie den nach und nach Ausreiser in die schmeißen. Wir wollen schon unse- in der BRD zu wandeln begann. Es BRD. Der Riss, der damals durch die re eigene Sache machen. Nur das war erst zehn Jahre her, und doch Leute ging, ist noch da, aber Ängste und das gefällt uns nicht.’ Das war auch schon zehn Jahre. Der Lieder- und Hoffnungen von damals sind die Situation bis Mai/Juni. Danach macher Gerhard Gundermann - sie bereits Vergangenheit. überstürzten sich die Ereignisse... nannten ihn Gundi - war inzwischen Der Riss hat seine Zukunft hinter Ich weiß, daß ich neben ein paar gestorben, und Schlaraffenland ist sich. Leuten gelaufen bin, bei der Novem- abgebrannt. Die Russen hatten die Pit Klein ber-Demonstration in Berlin, die Hand nicht draufgehalten. Die DDR wirklich sagten: ‘Um Himmels wil- hatte die Bastion des Ostens aufge- 3 Vorschau auf Rückschau Die Debatte innerhalb der damaligen und heutigen Künstlerszene „um Erfahrungen und Verletzungen, um Verantwortung und Schuld, um Irrtü- mer und Hoffnungen ist noch lange nicht beendet“, wie Michael Kleff feststellt. „Da ist noch Raum für einigen Streit.“ (Lutz Kirchenwitz) Gelegenheit zur Spurensuche wird es auf einem Kongress geben, den die Vereine „Lied und soziale Bewegungen e.V., PROFOLK und GFAJ ver- anstalten mit dem Thema „Festival des politischen Liedes“ vom 24. bis 26. Februar 2000 in Programm: Berlin. Dieses Festival wurde vor - Rechte Liedermacher und Balla- dreißig Jahren in der DDR gegrün- • Konzerte mit Reinhold Andert, Billy den zwischen antidemokratischem det. (Siehe dazu unten „Rote Lie- Bragg, Danny Dziuk, Hanns-Eis- „Protestsong“ und „nationalem der“). Neben der kritischen Rück- ler-Chor, Stephan Krawczyk, Hans- Romantikfolk“ schau soll auch die Frage nach den Eckardt Wenzel u.a. veränderten Bedingungen und For- • Liederkino: Filmaufnahmen vom Kontakt: Lied und soziale Bewe- men politisch engagierten Musizie- Festival des politischen Liedes gungen e.V., c/o Dr. Lutz Kirchenwitz, rens heute gefragt werden: „Ist das 1970-90 Prenzlauer Berg 17/9.3, 10405 Ber- politische Lied tot? Es lebe das poli- • Workshops lin. tische Lied!“ - Nora Guthrie und Billy Bragg prä- sentieren Woody Guthrie Tel. 030-4426668, Fax 030-4427093, - Zwischen Engagement und Instru- Internet http://www.songclub.de, mentalisierung - Festival des poli- e-mail [email protected] tischen Liedes ‘70 - ‘90 - Musik und Politik - Schnee von gestern? Lutz Kirchenwitz Lutz Fotos: molo Fotos: Rote Lieder m Februar 2000 sind es dreißig (beim ersten Festival waren z.B. die leider viel zu sehr verkleinerte Wie- IJahre her, dass das erste „Festival „Conrads“ aus Köln dabei), zur Anzahl dergaben von Plakaten. des politischen Liedes“ in (Ost-) Ber- der Veranstaltungen und der Eine Aufstellung aller Künstler, die lin stattfand. Aus diesem Anlass gibt Zuhörer, den Spielorten, dem Thema bei einem oder mehreren der Festi- der Verein „Lied und soziale Bewe- usw. vals mitgewirkt haben, und eine Dis- gungen e.V.“, mit dem zusammen die Zu jedem Festival gibt es auch eini- kographie schließen dieses nützli- ABW die Pfingstveranstaltung 1999 ge Pressestimmen, von der „Frank- che und interessante Heft ab. durchgeführt hat, ein informatives furter Rundschau“ bis zum „Neuen Heft heraus: Deutschland“, wobei natürlich die Zu bestellen ist es bei Dr. Lutz Kir- DDR-Stimmen überwiegen, was chenwitz, Prenzlauer Berg 17/9.3, „Rote Lieder - Festival des politi- einfach daran liegt, dass dieses 10405 Berlin.