DOKUMENTATION UND RECHERCHE STEINPLATZ reloaded

STEFKA AMMON | KATHARINA LOTTNER

Titel DAS EXPERIMENT SIMULTANINSTALLATION GEGENWART IST GESCHICHTE UND GESCHICHTE IST TEIL VON GEGENWART

Ereignisse und Erinnerungen aus 133 Jahren, die sich auf und um den Steinplatz abgespielt haben, wurden in Form von 21 zusätzlichen Denkmälern auf den Platz zurückgebracht. Für diese Komprimierung von Zeit im öffentlichen Raum wurden die hinzugefügten wie auch die vorhandenen Skulpturen und Artefakte des Steinplatzes in Schutzcon- tainern belassen.

​Stefka Ammon und Katharina Lottner (mmtt) führten auf Einladung des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf auf dem neu gestalteten Steinplatz im Spätsommer 2018 dieses explorative Experiment durch.

THE EXPERIMENT SIMULTANOUS INSTALLATION PRESENCE IS HISTORY AND HISTORY IS PART OF PRESENCE

21 additional monuments and memorials to incidents and events that took place on and around Steinplatz over the past 133 years have been (re-)materialized on the square. For this compression of time in public space the new as well as the existing artifacts have been remaining inside their protective wrappings.

By invitation of the Department of Urban Development, Construction and Environment of the Borough of Charlottenburg-Wilmersdorf ​ Stefka Ammon und Katharina Lottner (mmtt) conducted an exploratory experiment on Steinplatz during Summer 2018.

Project descriptions in English

eeclectic.de

Fotografien

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 DOKUMENTATION: STEINPLATZ reloaded temporäre Kunst-Installation Steinplatz, Berlin-Charlottenburg 17. August 2018 bis 14. Oktober 2018

Der nach den Entwürfen der TU-Landschaftsarchitektur Studenten Leon Giseke, Lasse Malzahn und Lucas Rauch 2018 neu gestaltete Steinplatz war vom Bezirksamt Charlottenburg für einen nicht offenen Kunstwettbewerb ausgeschrieben.

Stefka Ammon und Katharina Lottner haben mit dem Entwurf STEINPLATZ reloaded die Denkmals- und Ereignisgeschichte des Schmuckplatzes­ gegenüber des UdK-Haupt- gebäudes an der Hardenbergstraße thematisiert.

16 17

Lageplan Steinplatz, Bearbeitung: Katharina Lottner INHALT

2 – 15 FOTOGRAFIEN Astrid Busch

16 STEINPLATZ reloaded Stefka Ammon

19 DENKMÄLER, TEXTE, RECHERCHE

18 Stefka Ammon und Katharina Lottner

121 TRANSKRIPTIONEN Kiezpoeten und Jessy James Lafleur

130 LAUDATIO Robert Patz

132 GRUSSWORT, BIOGRAFIEN

133 IMPRESSUM STEINPLATZ reloaded Temporäres Versuchsfeld in Charlottenburg

Stefka Ammon und Katharina Lottner (mmtt) führten im Spätsommer 2018 für neun Wochen auf dem Steinplatz ein exploratives Experiment durch. Erforscht wurde von uns die Wirkung von Zeit und Raum auf menschliche Wahrnehmung. Die Gegenwart der Besucher*innen wurde in unvermittelte Relation zur Vergangenheit gebracht. Ziel war es beim Queren oder Nutzen des Platzes einen Bewusstseinszustand der Passant*innen zu erreichen, der die bewusste Erfahrung ermöglicht, dass erlebte Ge- 19 genwart gleichzeitig immer schon Geschichte ist und dass wir uns dabei permanent in und auf dem „Geschichts-Feld“ des Vergangenen bewegen.

Durch das Hinzufügen von skulpturalen Zeitzeugen aus der Geschichte des Platzes kreierten wir als Künstlerin und Architektin eine „Simultan-Installation“. Die Kon- tinuität von Zeit und Raum wurde aufgehoben, indem wir Denkmäler, Mahnmale, und Infostelen von realen Ereignissen und Erinnerungen aus 133 Jahren, die sich auf und um den Steinplatz herum manifestiert, ereignet und abgespielt haben, simultan nebeneinander anordneten. Durch die Materialisierung in Form von Skulpturen, die hier schon einmal standen, wie auch solchen, die einst im Gespräch und bloß ange- dacht waren oder solchen, die möglicherweise „hergewollt“ hätten oder vielleicht hier sein sollten, öffneten sich gedankliche Räume, die verschüttete, kolportierte und indi- viduell erlebte Geschichte in die gegenwärtige Wahrnehmung holten.

Wer weiß noch, dass hier ein Wettbewerb für ein Freiherr-vom-Stein-Denkmal den Siegerentwurf „Brunnen mit Elefant und Pelikanen“ hervorbrachte? Dass während des 1. Weltkrieges die UdK zum Lazarett umfunktioniert wurde? Dass in der Zeit des Nationalsozialistischen Terrorregimes auch am Steinplatz Anpassungs- und Wider- standsstrategien sichtbar wurden? Dass von hier Anwohner „abgeholt“ und deportiert wurden? Wer erinnert, von wem kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges zwei aufein- ander folgende Gedenkorte für Opfer des Stalinismus (1951) und Opfer des National- sozialismus (1953) errichtet wurden? Dass sich hier eines Nachts die Schauspielerin Romy Schneider und ihr Kollege und zeitweiliger Lebensgefährte Alain Delon laut- hals stritten? Dass hier 1968 aufgebrachte Student*innen demonstrierten? Dass 1987 zur 750-Jahr-Feier der Stadt Berlin eine von zwei Büsten Freiherr von Steins aufge- stellt wurde? Was ist aus dem Kino, dem Hotel geworden? Weiß noch jemand, wie die Gegend um den Steinplatz seit den 1980ern gentrifiziert wurde?

Weiter stellten wir die These auf, dass ein „ungeheuerliche Projektions-Druck“ in dieser Versuchsanordnung erzeugt würde durch die „Projektions-Kraftfelder“, die den 21 zusätzlich von uns aufgestellten Denkmälern innewohnten: jedes Denkmal mani- festiere seinen eigenen Zeitbezug zum Steinplatz. Wir hatten daher für die Dauer der Installation sämtliche Denkmäler und Skulpturen in „Sicherheits-Umverpackung“ verpackt. Nur so sollten sie dem erzeugten „Projektions-Druck“ der zeitlichen Ver- dichtung und der geschichtlichen Tektonik- und Parameter-Verschiebung standhalten können. Diese Verpackung erreichte dabei vor allem eines: nicht Form und Materi- alität des jeweiligen Denkmals waren relevant – vielmehr wurden die vergangenen Ereignisse und die damit verbundenen Personen in der Vorstellung der Betrachtenden vergegenwärtigt. Die Spuren der Geschichte des Steinplatzes wurden so gedanklich präsent und erfahrbar. 20 Außen auf den Denkmalsschutzverpackungen aufgebrachte Aufkleber wiesen jeweils auf den vermeintlichen Entstehungszeitpunkt, die Materialität, die Form und vor allem: den historischen Hintergrund der in den Schutzverpackungen befindlichen Artefakte hin. Der Boden der Gegenwart wurde so zu eben dem Pflaster, auf dem vergangene Generationen Ereignisse als gegenwärtig erlebt haben. Wie Geister erschienen ab Ein- bruch der Dämmerung diffuse Formen in den dann von innen erleuchteten verpackten Denkmal-Kisten.

Die Vielzahl der unterschiedlichsten historischen Ereignisse und ihrer Prota­go­nist­ *innen verwiesen durch die gleichbehandelnde und anachronistische Präsentation als verpackte Denkmäler darauf, wie dicht sich Gegenwart und Geschichte ereignen. Wir nutzen Orte und Institutionen, wir sehen Menschen und wir treffen täglich Entschei- dungen. Selten machen wir uns bewusst, wie viel wir mit unserem Handeln und Nicht- Handeln bewirken. Auch die Frage danach, wer an welches Ereignis / welche Person gedenkt, wem ein Denkmal errichtet wird und wem nicht, stellt sich hier in aller Deutlichkeit.

An fünf Sonntagen wurden fachkundige Führungen über den Steinplatz mit dem Stadtführer Eckehard Hoffmann angeboten. Hoffmann hat mit seinen stadthistori- schen und literarischen Kenntnissen die Vermittlung der gesamten ephemeren Instal- lation übernommen, wie auch die einzelnen Artefakte und ihre Geschichte vorgestellt. Wir haben die Phänomene der Auswirkung der Installation STEINPLATZ reloaded auf die Wahrnehmung der Besucher*innen aufzeichnen lassen. Wie erhofft wurden in einigen Fällen Raum-Zeit bezogene Vorstellungsräume von Proband*innen festgehal- ten (siehe Transkriptionen), die in einem „regulären Raum-Zeit-Fluidum der Wahr- nehmung“ (so unsere These) nicht so leicht zugänglich sind.

Im Ergebnis beobachteten wir im Energiefeld der Installation STEINPLATZ reloaded eine Erweiterung der Wahrnehmung und Vorstellung von Besucher*innen und Passant*innen. Eigenes gegenwärtiges Erleben wurde von zahlreichen Passant*innen mindestens für die Dauer des Aufenthalts in der Installation in Beziehung zum Kon- text von „Geschichte“ begriffen: Geschichte als Gegenwart genauso wie Gegenwart als Geschichte. Stefka Ammon, März 2019

21 22

Modell Elefantenbrunnen, August Gaul, 1905 Foto: unbekannt, Quelle: Werkverzeichnis August Gaul, Käthe-Kollwitz-Museum, Berlin DENKMÄLER

Stefka Ammon und Katharina Lottner Recherche und Texte: Stefka Ammon, Eckehard Hoffmann Übersetzung: Patrick Hubenthal Fotos: Astrid Busch

23 TITEL JAHR PORTRÄTBÜSTE FREIHERR VOM STEIN 1987

KUBATUR MATERIAL

Figurativ X Abstrakt  Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Freiherr vom Stein (* 1757 in Nassau, † 1831 in Augenblick allgemeinen Unglücks wäre es sehr Cappenberg bei Lünen), preußischer Beamter, unmoralisch, die eigene Persönlichkeit in Anrech- Staatsmann und Reformer. nung zu bringen.“

Stein stammt aus einer Reichsritterfamilie. Er Der Freiherr gibt offen dem fürstlichen Absolutis- studiert Jura, Geschichte und Wirtschaft in mus und dem Feudalismus gehörige Mitschuld für Göttingen und ist für viele verschiedene deutsche die preußische, wie auch für die deutsche Misere. Herrscher in der Verwaltung tätig. Künftig wollen er und seine Mitstreiter die Bürger am politischen Leben beteiligen, aus Untertanen Der Freiherr ist ein jähzorniger Dickkopf mit Patrioten machen, die sich der Fremdherrschaft und scharfem Verstand und aufbrausendem Tempera- Unterdrückung erwehren sollen. 24 ment. Mitunter genießt er es, das Gegenteil eines geschmeidigen Diplomaten darzustellen, dafür ist er Im Herbst 1807 beginnt Stein – unterstützt von Karl ein hervorragender Fachmann und ein erprobtes August von Hardenberg – die Modernisierung Verwaltungsgenie. Oft genug stößt er seinen König Preußens. Das „Oktoberedikt“ katapultiert Preußen vor den Kopf. Doch seine Loyalität gegenüber endgültig aus dem Mittelalter heraus: Die Erbunter- Preußen steht außer Zweifel. tänigkeit der Bauern wird abgeschafft. Wer es sich leisten kann, darf Land erwerben. Die Städte dürfen Trotz heftiger Gichtanfälle rettet Stein 1806 auf sich selbst verwalten. In Steins Auftrag reformiert abenteuerlichen Wegen die Staatskasse vor den Wilhelm von Humboldt das Bildungswesen, führt Franzosen. Als Friedrich Wilhelm III. sich mit das Gymnasium ein und gründete die Berliner Napoleon arrangieren will und den Freiherrn als Universität. Außenminister vorgesehen hat, lehnte dieser ab. Mit Napoleon will er nichts zu tun haben. Stein zieht Die Büste wird 1987 als Geschenk des Deutschen sich im März 1807 auf sein Landgut in Nassau Städtetags zur 750-Jahr-Feier aufgestellt. zurück. Ost-Berlin erhält das gleiche Geschenk. Daher befindet sich eine weitere Ausführung der Büste Preußen braucht dringend Reformen, um wieder zu jetzt im Berliner Roten Rathaus. alter Stärke zurück zu finden. Auf Drängen der Königin Luise holt Friedrich Wilhelm III. vom Stein zurück. Der nur sechs Monate zuvor Geschasste folgt dem „Befehl“ pflichtbewusst: „In diesem

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #H-KS 001 25

Standort Denkmal BUST OF FREIHERR VOM STEIN

Freiherr vom Stein (b. 1757 in Nassau, d. 1831 in Stein, who conscientiously obeyed the king’s “order” Cappenberg near Lünen), Prussian civil servant, despite having been dismissed just six months earlier, statesman, reformer saying: “In this time of general misfortune, it would be quite immoral to take my own personality into account.” Stein was born into a noble family. He studied law, Stein openly blamed feudalism and princely absolutism history, and economics in Göttingen and worked as an for their part in reducing Prussia and to a administrator for a number of German heads of state. state of misery. He and his fellow campaigners would henceforth seek to involve the middle class in politics The Freiherr was stubborn and irascible, with a keen and turn vassals into patriots who would fight against intellect and a fiery temper. While he enjoyed playing foreign rule and oppression. the antithesis of a pliable diplomat on occasion, he In autumn 1807, with the support of Karl August von was extraordinarily­ knowledgeable and a seasoned Hardenberg, Stein began the modernization of Prussia. administrative genius. More than once he clashed with The “October Edict” abolished the hereditary serfdom the king, but there was never any doubt of his loyalty of the peasants, catapulting Prussia out of the Middle to Prussia. Ages at last. Land could be bought by anyone who 26 could afford it. The cities were granted self-rule. In 1806 Stein effected a daring rescue of the state Acting on Stein’s instructions, Wilhelm von Humboldt coffers from the French, despite suffering violent reformed the education system, introducing the attacks of gout. During negotiations with Napoleon, Gymnasium and founding Berlin’s Humboldt-Univer- Frederick William III offered Stein the Ministry of sität. Foreign Affairs, but Stein refused, wanting nothing to do with Napoleon. In March 1807 he retired to his Installed in 1987, the bust was a gift from the Associa- country estate in Nassau. tion of German Cities in honor of Berlin’s 750th anniversary. East Berlin received the same present, If Prussia was to regain its former strength, it would which is why a second copy of the bust stands in have to implement desperately needed reforms. At the Berlin’s Rotes Rathaus today. urging of Queen Louise, Frederick William recalled Porträt Freiherr vom Stein, Zeichnung von Friedrich von Olivier, “Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie mit 1821, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei dazu gehöriger Instruktion behufs der Geschäftsführung der 27 Stadtverordneten bei ihren ordnungsmäßigen Versammlungen“ (Städteordnung), Dezember 1808 Quelle: Vereinigte westfälische Adelsarchive e.V.

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Biografie online:Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Friedrich_Karl_vom_und_zum_Stein Internet Portal westfälische Geschichte https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz. php?urlID=502&url_tabelle=tab_websegmente

Preußen-Chronik RBB online: https://www.preussenchronik.de/begriff_jsp/key=begriff_preu%25dfische+reformen.html

Literatur: „Freiherr vom Stein – Eine politische Biographie“, Gerhard Ritter, Fischer Verlag (Digital), am Main, epup und Buchdruck, 2018 „Freiherr vom Stein – Sein Leben – seine Zeit“, Franz Herre, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2018 „Freiherr vom Stein – ein Zeit- und Lebensbild“, Alfred Oehlke, (Nachdruck von 1922), Severus Verlag, Hamburg, 2015 „Freiherr vom Stein – Reformer und Moralist“, Hans Fenske, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2012 TITEL JAHR GEDENKSTEIN FÜR DIE OPFER DES STALINISMUS 1951

KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt  Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere X Metall Andere

VERWEIS

Opfer des Stalinismus [Josef Wissarionowitsch Der VOS-Gedenkstein ist das erste Mahnmal Stalin, *1878 in Gori (Georgien), † 1953 in für Opfer des Stalinismus in Deutschland über- Kuzenow b. Moskau (UdSSR)] haupt. Bereits seine Aufstellung findet im Zuge der damaligen Stimmung in der Bevölkerung ein Die Bezeichnung Stalinismus wird bereits vor großes Medieninteresse. Die jährliche Gedenk­ Stalins Tod geprägt und umfasst die Herrschaft veranstaltung am Mahnmal findet zum Jahrestag Josef Stalins von 1927 bis 1953 in der Sowjet­ des Aufstandes in der DDR am 17. Juni statt. union und hier vor allem die darauf aufbauende Bis etwa 1960 arbeitet die VOS mit dem britischen Form des Totalitarismus. Stalins angenommene Auslands-Geheimdienst MI6 zusammen. Die Verschärfung des Klassenkampfes wird zur Zielsetzungen der VOS gehen also von Beginn an Legitimation der „Stalinschen Säuberungen“, weit über den Versuch einer reinen Opfer-Interes- 28 deren Opfer ermordet oder in die von der Haupt- senvertretung hinaus. Vielmehr ist die VOS auch verwaltung der Besserungsarbeitslager (GULag) als politischer Akteur zu verstehen. So bezeichnet betriebenen sowjetischen Zwangsarbeitslager auch der Berliner CIA-Chef die VOS 1957 als eine gebracht werden. Die Zahl der Opfer ist unbekannt, der „cold warrior groups“. die Schätzungen liegen innerhalb des einstelligen Millionenbereichs bis zu zehn Millionen. Mit Man strebt einen „Block aller Opfer der Unmensch- eingeschlossen in das Gedenken des hier lichkeit aus den Nazi- und den Sowjet-KZ-Lagern“ stehenden Gedenksteins sind vor allem (deutsche) an. Die NS-relativierende semantische Gleich­ Opfer in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ). setzung der Nazi- und Sowjet-Lager als KZ ist dabei in der westdeutschen Öffentlichkeit der Die Initiative für das Mahnmal geht von der Berliner frühen Nachkriegszeit keine Besonderheit und Landesgruppe der „Vereinigung der Opfer des wird vom Bund der Verfolgten des Naziregimes in Stalinismus e.V., Gemeinschaft von Verfolgten und den frühen Jahren seines Bestehens genutzt. Gegnern des Kommunismus“ (VOS) aus.

Die VOS wird am 9. Februar 1950 in West-Berlin auf Initiative ehemaliger Häftlinge aus dem 1950 aufgelösten sowjetischen Speziallager Sachsenhausen gegründet.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #I-OS 002 29

Standort Denkmal MEMORIAL TO THE VICTIMS OF STALINISM

Victims of Stalinism (Joseph Vissarionovich Stalin, 1950, by former prisoners from the Soviet internment b. 1878 in Gori, Georgia, d. 1953 in Kuntsevo outside camp in Sachsenhausen, which was closed that year. Moscow) The VOS memorial is the first memorial to the victims of Stalinism to be erected in Germany. The simple fact The term Stalinism, which had already been coined of its creation attracted considerable media attention, before Stalin’s death, refers to Joseph Stalin’s rule over reflecting the public mood at the time. An annual the from 1927 to 1953, and in particular remembrance ceremony is held at the memorial on June to the form of totalitarianism associated with that 17, the anniversary of the 1953 East German uprising. period. The VOS is believed to have worked with Britain’s Stalin’s embrace of the concept of the aggravation of foreign-intelligence agency, the MI6, until about 1960. class struggle was used to justify the Stalinist “purges,” So from the very beginning, the organization’s mission whose victims were murdered or sent to gulags, went far beyond simply representing the interests of forced-labor camps named after the agency that ran victims. It is more accurate to regard the VOS as, in them (GULAG being the Russian acronym for the part, a political actor. Thus the CIA’s local station chief 30 Central Administration of Corrective Labor Camps). mentioned the VOS as one of Berlin’s “cold warrior The number of victims is unknown, but estimates range groups.” from the low millions to 10 million. The VOS sought to create a “bloc of all victims of the This particular memorial stone is primarily dedicated to inhumanity of the Nazi and Soviet concentration the (German) victims in the Soviet Occupation Zone. camps.” This Nazism-minimizing semantic identification of both Nazi and Soviet camps as concentration camps The impetus for the memorial came from the Vereini- was not unusual for public discourse in gung der Opfer des Stalinismus (VOS), a Berlin-based in the early postwar era and was also employed by the association of victims and opponents of communism. BVN, an association of victims of the Nazi regime, in its The VOS was founded in on February 9, early years. Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus nach der Enthüllung, 1951 Foto: Gert Schütz, Quelle: Landesarchiv Berlin 31

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Vereinigung der Opfer des Stalinismus: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigung_der_Opfer_des_Stalinismus VOS e.V. https://www.vos-ev.de/

Geschichte des Denkmals https://flucht-exil-verfolgung.de/de/ort/steinplatz

Zu Gedenkkultur in der jüngeren deutschen Geschicht online: Ums Gedenken streiten, Wolfgang Benz, Tagesspiegel, 2013 https://www.tagesspiegel.de/wissen/ns-zeit-und-stalinismus-ums-gedenken-streiten/7814060-all.html

Literatur: „Ein Kampf um Deutungshoheit. Politik, Opferinteressen und historische Forschung. Die Auseinandersetzung um die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam.“ Wolfgang Benz (Hrsg.), Berlin 2013. „Aufarbeitung der Diktatur – Diktat der Aufarbeitung? Normierungsprozesse beim Umgang mit diktatorischer Vergangenheit.“, Katrin Hammerstein, Ulrich Mählert, Julie Trappe, Edgar Wolfrum (Hrsg.): Göttingen, 2009 TITEL JAHR GEDENKSTEIN FÜR DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS 1953 KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt  Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere X Metall Andere

VERWEIS

Opfer des Nationalsozialismus (Regime der die jährliche BVN-Gedenkveranstaltung an diesem NSDAP 1933–1945) Stein abgehalten. [Nationalsozialismus ist eine radikal antisemitische, rassistische, nationalistische, völkische, sozialdar- Im Laufe der Jahre kommt es immer wieder zu winistische, antikommunistische, antiliberale und Sachbeschädigungen am Gedenkstein. So antidemokratische Ideologie] müssen beispielsweise im Jahr 1974 mehr als 7.500 DM für die Wiederherstellung des Die Einweihung des Gedenksteins geht nicht auf beschädigten Denkmals aufgebracht werden. die Stadt Berlin zurück, sondern auf eine Initiative von Betroffenen selbst, auf den Bund der Verfolg- Der BVN versteht sich als „interkonfessioneller ten des Naziregimes (BVN). Auch die Finanzierung Zusammenschluss aller Opfer der nationalsozialis- 32 wird allein durch Spenden von BVN-Mitgliedern tischen Rassenpolitik (mit Ausnahme der von der getragen. Dies kann als bezeichnend für das durch jüdischen Gemeinde Betreuten)“, dessen Mit­ Verdrängung und Beschweigen der NS-Zeit glieder vor allem aus so genannten nicht-arischen geprägte Nachkriegsklima in Deutschland Christ*innen bestanden. Zu Beginn seiner Tätigkeit angesehen werden. bis etwa Anfang 1953 kooperiert der Verein gelegentlich mit der Kampfgruppe gegen Un- Gegenüber, an der nordwestlichen Ecke, steht menschlichkeit (KgU), einer in Konkurrenz zur seit 1951 das erste Mahnmal für die Opfer des Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) Stalinismus in Deutschland überhaupt. Die arbeitenden antikommunistischen Spionagegruppe Entstehungsbedingungen, die verantwortlich zeich- und politischen Interessenvertretung. nenden Initiativen und die Rezeption der beiden Denkmäler am Steinplatz lassen Schlüsse auf Der BVN existiert noch heute und ist Mitglied im das geschichtspolitische Klima in der deutschen Zentralverband demokratischer Widerstandskämp- Nachkriegsgesellschaft und den im Sinne des fer und Verfolgtenorganisationen. Totalitarismus identitätsstiftenden Gehalt zu.

Das Denkmal wird aus Steinen der während der Pogromnacht vom 9. November 1938 verwüsteten Fasanenstraßen-Synagoge erbaut. In Erinnerung an den Jahrestag der Pogromnacht wird auch

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #J-OF 003 33

Standort Denkmal MEMORIAL TO THE VICTIMS OF NAZISM

Victims of Nazism (era of Nazi rule in Germany, during the Kristallnacht pogroms on the night of 1933–45; Nazism is a radically anti-Semitic, racist, November 9, 1938. The BVN also holds a remem- nationalist, ethnonationalist, social Darwinist, anticom- brance ceremony at the stone on this date every year. munist, antiliberal, and antidemocratic ideology) Over the years, the memorial has suffered repeated This dedication of this memorial stone was undertaken damage. For example, in 1974 more than 7,500 marks not by the city of Berlin, but by a group of the victims were spent to restore the damaged stone. themselves: the Bund der Verfolgten des Naziregimes (BVN). The funding, too, was provided entirely by The BVN has described itself as an “interdenomination- donations from BVN members. This can be taken as al union of all victims of the Nazi regime’s racial policies a measure of the repression and silence regarding the (excepting those served by the Jewish community),” Nazi era that characterized the postwar climate in and its original membership consisted primarily of Germany. “non-Aryan” Christians. From the time of its founding until early 1953, it occasionally cooperated with the Across from this stone, in the northwest corner, stands Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (Task force 34 the first memorial to the victims of Stalinism to be against inhumanity), an anticommunist erected anywhere in Germany. The circumstances organization and political interest group that operated surrounding the creation of these two memorials, the in competition with the Vereinigung der Opfer des organizations responsible, and the public’s response Stalinismus (Association of victims of Stalinism). all tell us something about the historical-political tenor of postwar German society and the power of the The BVN still exists today and is a member of the concepts involved to create, in totalitarian fashion, a ZDWV, an umbrella organization of “democratic sense of identity. resistance fighters” and victims of political persecution.

The memorial was built of stones from the facade of the Fasanenstraße Synagogue, which was destroyed Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus, Enthüllung, 1953, links: Bezirksbürgermeister von Berlin-Steglitz Werner A. Zehden, Vorsitzender des BVN 35 Foto: Gert Schütz, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Online: Bund der Verfolgten des Naziregimes (BVN) https://de.wikipedia.org/wiki/Bund_der_Verfolgten_des_Naziregimes

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigung_der_Verfolgten_des_Naziregimes_ %E2%80%93_Bund_der_Antifaschistinnen_und_Antifaschisten

Geschichte des Denkmals https://flucht-exil-verfolgung.de/de/ort/steinplatz

Literatur: „Wege zur Erinnerung. Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin und Brandenburg“, Stefanie Endlich, Berlin, 2007 „Die Mahnung“. Organ des Bundes der Verfolgten des Naziregimes Berlin e.V., Jahrgang 1-3 (1953/54–1956), Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Hg.), Berlin, 2006 TITEL JAHR PELIKAN UND ELEFANTENBRUNNEN VON AUGUST GAUL (ERSTER VERSUCH FÜR DENKMAL FREIHERR VOM STEIN) 1907

KUBATUR MATERIAL

Figurativ X Abstrakt  Naturstein Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Georg August Gaul (* 1869 in Großauheim, Obwohl das Projekt Elephantenbrunnen nicht den † 1921 in Berlin), Bildhauer Freiherrn von Stein zeigt, finden einige Besucher der Entwurfsausstellung das Modell sehr gut, August Gaul wächst als Sohn eines Steinmetz auf. andere kritisieren es. Der Dichter Christian 1884 lernt er an der Königlich-preußischen Morgenstern greift die Meinungsverschiedenheiten Zeichenakademie in Hanau. 1888 geht er nach auf und verfasst das fünfstrophige Gedicht Vom Berlin. Nachdem er 1890 eine Dauerfreikarte für Stein-Platz zu Charlottenburg, darin heißt es unter den Berliner Zoologischen Garten gewinnt, anderem: betreibt er dort intensive Zeichenstudien, oft schon früh am Tage. 1894 nimmt er ein Studium an der „[…] War Stein kein großes Tier? Berliner Kunstakademie am Pariser Platz (die Ich denke doch er war es. […] 36 damals noch Ausbildungsstätte ist) auf. 1895 wird Ihr wackern Richter, lasst den Wert Gaul Meisterschüler von Reinhold Begas, der ihm des Werks den Streit entscheiden! die Arbeit an zwei der vier Löwen für sein Kaiser- Der Stein, den uns ein ‚Gaul‘ beschert, Wilhelm-Nationaldenkmal vor dem Berliner wird seinen Stein-Platz kleiden. […]“ Stadtschloss überlässt. Heute stehen die Löwen vor dem Raubtierhaus im Tierpark Berlin-Fried- Die Realisierung verzögert sich und nach Ende des richsfelde. Gaul wird ein anerkannter und erfolgrei- 1. Weltkrieges fehlen die Mittel für eine derart cher Tierbildhauer am Übergang vom Historismus üppige Brunnenanlage, sie ist auch nicht mehr zur Moderne. zeitgemäß. Eine Miniatur des Elefanten wird posthum für den Vertrieb im Kunsthandel in Bronze, 1905 feiert die noch selbstständige Residenzstadt 41,5 cm hoch, gegossen. Ein Exemplar befindet Charlottenburg ihre 200-Jahr-Feier. Dabei kommt sich bei den Städtischen Museen Hanau im der Wunsch auf, auf dem Steinplatz ein Denkmal Museum Großauheim. für den Namensgeber aufzustellen. Im Ergebnis von Spendensammlungen stehen zur Realisierung schließlich 18.700 Mark (heute rund 119.000 Euro) zur Verfügung, was zur Auslobung eines Gestaltungswettbewerbs führt. Den ersten Preis gewinnt August Gaul für einen Brunnen mit einer Gruppe von Pelikanen und einem Rüssel hebenden Elefanten.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN siehe Seite 12: Abbildung von Gauls Brunnen- #Q-AG 01 entwurf von 1905 37

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz PELICAN AND ELEPHANT FOUNTAIN BY AUGUST GAUL (FIRST ATTEMPT AT MEMORIAL TO FREIHERR VOM STEIN)

Georg August Gaul (b. 1869 in Großauheim, d. 1921 August Gaul won first place for a fountain featuring a in Berlin), sculptor group of pelicans and an elephant with raised trunk. Although the elephant fountain did not depict Freiherr August Gaul was the son of a stonemason. In 1884 he vom Stein, some visitors to the design exhibition thought enrolled in the Royal Prussian Academy of Drawing in the model quite good, but others were critical. The poet Hanau, and in 1888 he moved to Berlin. After winning Christian Morgenstern took up the controversy, and free admission for life to the Berlin Zoo in 1890, he played on the names Stein (stone) and Gaul (gift horse), drew intensive studies of the animals, often early in the in the five-stanza poem “Vom Stein-Platz zu Charlotten- morning. In 1894 he became a student at the Berlin burg,” which reads in part as follows: Academy of Arts on Pariser Platz (which was still an educational institution at that time). In 1895 he began a “And yet! Was Stein not a great beast? master class with Reinhold Begas, who entrusted him I do believe he was one. … with the sculpting of two of the four lions for the Kaiser … O worthy judges, let the merit Wilhelm Monument in front of the Berlin Palace. The of the work decide the matter! 38 lions were later moved to the Predator House at the The stone a Gaul has gifted us Tierpark Berlin zoo in Friedrichsfelde. Gaul became a his Stein-Platz now shall flatter.” successful and celebrated animal sculptor on the cusp between historicism and modernism. Construction was delayed, and after the opulent fountain was no longer affordable nor In 1905 Charlottenburg, which was then the royal contemporary. A 41.5-cm-high bronze miniature of capital and still independent of Berlin, celebrated its the elephant was posthumously cast for sale by art bicentennial, prompting a desire to have a memorial dealers. One of these elephants belongs to the erected on Steinplatz commemorating its namesake. collection of the Städtischen Museen Hanau in the Following a donation drive that raised a total of 18,700 Museum of Großauheim. marks for the project (equivalent to 119,000 euros today), a design competition was announced. See page 12: model of Gaul’s fountain, 1905 August Gaul, Gemälde von Alois Metz (1869–1921), Trompetender Elefant, 1905, Bronzeguss zum Modell Freiherr Scan aus “Die großen Deutschen im Bilde” (1936), vom Stein-Brunnen in Berlin-Charlottenburg, August Gaul 39 Michael Schönitzer, gemeinfrei Bronze, braun patiniert, Guss von H. Noack, Berlin Foto: unbekannt, Quelle: Städtische Museen Hanau

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Biografie online: Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/August_Gaul Groß Auheimer Geschichtsverein: https://www.grossauheimer-geschichtsverein.de/index.php/grossauheim/geschichte/113-august-gaul Auktionshaus Lempertz: https://www.lempertz.com/de/kataloge/kuenstlerverzeichnis/detail/gaul-august.html

Literatur: „August Gaul – das Werkverzeichnis der Skulpturen“, Josephine Gabler, im Auftrag des Georg-Kolbe-Museums Berlin, Jaron Verlag, Berlin, 2007 „Der Tierbildhauer August Gaul“, Ursel Berger, Ausstellungskatalog, Georg-Kolbe-Museum, Nicolai, Berlin, 2000 „Der Bildhauer August Gaul -- Leben u. Werk. Oeuvre-Katalog“, Angelo Walther, Dissertation, Leipzig, 1962 „August Gaul“, Emil Waldmann, Verlag Paul Cassirer, Berlin 1919 „Alte Tier-Fabeln“, Karl Wilhelm Ramler, mit Zeichnungen von August Gaul, Verlag Paul Cassirer, Berlin, 1919 TITEL JAHR FLORADENKMAL 1921

KUBATUR MATERIAL

Figurativ X Abstrakt Naturstein Kunststein

Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Fritz Klimsch (* 1870 in Frankfurt am Main; † 1960 1938 veranstaltet die Hauptstelle Bildende Kunst in Freiburg), Bildhauer im Amt des Beauftragten Hitlers im Ausstellungs- gebäude Tiergartenstraße in Berlin eine Sonder- Klimsch stammt aus einer Künstlerfamilie. Er ausstellung seiner Werke der letzten 15 Jahre. studiert an der Königlichen Akademischen Ein Exemplar seiner Bronze-Aktstatue „Olympia“ Hochschule für die bildenden Künste in Berlin in wird im Garten von Hitlers Reichskanzlei aufge- der Hardenbergstraße. Gemeinsam mit Walter stellt. Zu seinem 70. Geburtstag wird Klimsch Leistikow und gründete er 1898 1940 von Hitler die Goethe-Medaille für Kunst und die Berliner Secession. Einem großen Kreis Wissenschaft verliehen. 1944, in der Endphase bekannt wird der Bildhauer mit dem „Denkmal für des Zweiten Weltkriegs, nennt ihn Hitler auf der Rudolf Virchow“ (Berlin Mitte, Karlsplatz) das Sonderliste der Gottbegnadetenlisten unter den 12 40 zwischen 1906 und 1910 entsteht. wichtigsten bildenden Künstlern des NS-Regimes.

Klimsch fertigt 1921 in der Berliner Gießerei Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelt Klimsch Noack die Bronzeskulptur der Flora, die auf einem nach um, wird aber 1946 von Bürger- klassizistisch gestalteten Sockel aus Naturstein meister als Reichsdeutscher ausgewiesen. Sein steht und auf dem Steinplatz aufgestellt wird. Im Sohn nimmt ihn auf seinem Bauernhof in Saig gleichen Jahr wird er Professor für Bildhauerei im Breisgau auf. an den Vereinigten Staatsschulen an der Harden- bergstraße gegenüber. Klimsch wird als NS-Belasteter von der 1955 neugegründeten Akademie der Künste ausge- In der Zeit des Nationalsozialismus ist Klimsch schlossen. Zum 90. Geburtstag im Jahre 1960 als Künstler hoch angesehen, wie die „Großen erhält er vom damaligen baden-württembergischen Deutschen Kunstausstellungen“ im neu eröffneten Innenminister Filbinger das Große Verdienstkreuz Münchener Haus der Deutschen Kunst beweisen. am Bande verliehen. Er ist dort 1937–1944/45 mit 20 Objekten vertreten. Nach einem Tagebucheintrag von gilt Klimsch als „der Reifste unter unseren Plastikern. Ein Genie. Wie er den Marmor behandelt.“

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN Ungefähr am markierten Bezugspunkt Steinplatz befindet sich heute ein Sockelfragment des Floradenkmals, das bei #V-FD 02 Erdarbeiten im Zuge der Umgestaltung gefunden wurde. 41

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz FLORA MEMORIAL

Fritz Klimsch (b. 1870 in Frankfurt am Main, d. 1960 in In 1938, the Visual Arts Section of the Office of Hitler’s Freiburg), sculptor Special Representative mounted a special 15-year retrospective of Klimsch’s work at the Tiergartenstraße Klimsch was born into a family of artists and studied at Exhibition Hall. One of his bronze Olympia statues was the Royal Academy of Visual Arts on Hardenbergstraße installed in the garden of Hitler’s chancellery. in Berlin. Together with and Max Liebermann, he founded the Berlin Secession in 1898. On Klimsch’s 70th birthday, Hitler awarded him the He gained wide recognition for his memorial to Rudolf Goethe Medal for Art and Science. In 1944, with World Virchow (Berlin-Mitte, Karlplatz), created between War II nearing its end, Hitler placed him on the special 1906 and 1910. list of “divinely inspired” artists exempt from military service, ranking him among the Nazi regime’s 12 most In 1921, in collaboration with the Noack foundry, important visual artists. Klimsch created this bronze figure of Flora, which was installed on a classical stone pedestal on Steinplatz. After the war Klimsch moved to Salzburg, but in 1946 The same year he became a professor of sculpture he was identified as a citizen of the German Reich and 42 at the Unified Schools for Fine and Applied Arts on expelled. He was taken in by his son, who owned a farm Hardenbergstraße, across from Steinplatz. in the Breisgau region in the town of Saig.

Klimsch was highly regarded as an artist during the Nazi Because of his Nazi ties, Klimsch was excluded from era, as evidenced by the “Great German Art Exhibitions” the Academy of Arts when it was reestablished in 1955. held at the newly opened Haus der Deutschen Kunst in In 1960, in honor of his 90th birthday, he was awarded Munich between 1937 and 1945, which included 20 the Grand Cross of the Order of Merit by the Interior pieces by Klimsch. An entry in Joseph Goebbels’s diary Minister of Baden-Württemberg. describes Klimsch as “the most mature of our sculptors. A genius. How he handles the marble.” Fritz Klimsch in seinem Atelier, 1940 „Flora“ Steinplatz, Bronzeplastik, geschaffen von Fritz Klimsch Foto: unbekannt, Quelle Wikipedia, gemeinfrei 1920 bis 1921, aufgestellt 1921 43 Foto: unbekannt (1922), Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Fritz Klimsch online: Laxary (Blog) https://laxary.de/kunst/fritz-klimsch

Literatur: „Eine Auswahl seiner Werke / Fritz Klimsch.“ Mit einer Einleitung von Wilhelm von Bode, Fritz Klimsch, Pontosverlag Freiburg i .B., 1924 „Fritz Klimsch – Kollektiv-Ausstellung Juni-Juli 1941 im Hause d. ehem. Secession, Wien“, Fritz Klimsch, Robert Scholz, Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP, 1941 „Freie Schöpfungen“, Fritz Klimsch, Uli Klimsch, Verlag Rauschenbusch, Berlin, 1949 „Erinnerungen und Gedanken eines Bildhauers – geformte Bilder eines Lebens und zweier Jahrhunderte“, Fritz Klimsch, Verlag Rauschen- busch, Berlin, 1951 „Die Bildhauer August Gaul und Fritz Klimsch im Museum Giersch in Frankfurt a.M. vom 3. Oktober 2010 bis 30. Januar 2011“, Ausstel- lungskatalog, Hrsg. Museum Giersch, Sophia Dietrich, Verlag Imhof, 2010

Film: „Die deutsche Wochenschau“, 701, 1944 (ab 1:50min), https://www.net-film.ru/en/film-55390/ „Das Porträt: Fritz Klimsch“ Welt im Bild, 144, 1955 (ab 1:25 min), https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/583207?set_lang=de TITEL JAHR DENKMAL AUGUST ENDELL 1927

KUBATUR MATERIAL

Figurativ X Abstrakt  Naturstein Kunststein X Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

August Endell (*1871 in Berlin, † 1925 in Berlin), Bis zum Ersten Weltkrieg leitet er in Berlin eine Architekt. Designschule. 1914 wird August Endell als Nachfolger Henry van de Veldes für die Leitung Endell studiert in Tübingen und München Philoso- der Kunstgewerbeschule in Weimar vorgeschla- phie und Psychologie, als Künstler und Architekt gen, die Wahl fällt jedoch auf Walter Gropius. ist er Autodidakt. Die Vorlesungen in München machen August Endell auf das Phänomen der Von 1918 bis zu seinem Tod 1925 ist August Sinneswahrnehmung aufmerksam. Der Student Endell Leiter der Akademie für Kunst und Kunst­ beschäftigt sich fortan intensiv mit der Wahrneh- gewerbe in Breslau. mung und deren Bedeutung für den Menschen, nämlich aus Vielem eine Einheit zu gestalten. 44 1896 erhält August Endell im Alter von nur 25 Jahren seinen ersten Auftrag: Die Gestaltung der Fassade des Fotoateliers Elvira in München mit bewegten und verschlungenen Jugendstil-Formen und bizarren Motiven machen ihn schlagartig berühmt. Der als Stukkorelief gearbeitete Jugend- stildrache auf der Außenfassade wird 1937 auf Veranlassung der Nationalsozialisten im Zuge der Gestaltung der Umgebung des Hauses der Deutschen Kunst abgeschlagen.

1901 geht August Endell zurück in seine Heimat- stadt Berlin und beginnt sich zunehmend von den extrem verschlungenen und bewegten Formen des Jugendstils zu distanzieren. In dieser Zeit entstehen die meisten seiner Stadthäuser und Villen in Berlin und Potsdam. So auch das Hotel Am Steinplatz, das 1907 als Wohnhaus gebaut wird und die Hackeschen Höfe in Berlin-Mitte (ebenfalls 1906/1907).

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #A-AE 03 45

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz AUGUST ENDELL MEMORIAL

August Endell (b. 1871 in Berlin, d. 1925 in Berlin), In 1901 Endell returned to his native Berlin and began architect more and more to distance himself from the bold and intricate forms of Art Nouveau. Most of his town A self-taught artist and architect, Endell studied houses and country villas in Berlin and Potsdam philosophy and psychology in Tübingen and Munich. were constructed during this period. These include the Hotel am Steinplatz, which was built in 1907 as a His coursework in Munich drew his attention to the private residence, and the Hackesche Höfe in Berlin- phenomenon of sensory perception. Thereafter he Mitte (1906–07). devoted himself to an intensive study of perception and its human significance – specifically, the way Until the start of World War I, Endell was the director it creates one out of many. of a design school in Berlin. In 1914 he was nominated to succeed Henry van de Veldes as director of the In 1896, when he was just 25 years old, Endell Weimar School of Arts and Crafts, but Walter Gropius received his first commission. His design for the facade was chosen instead. of the Elvira photography studio in Munich, with its 46 dynamic, sinuous Art Nouveau shapes and bizarre From 1918 until his death in 1925, Endell was the motifs, made him instantly famous. director of the State Academy of Arts and Crafts in Breslau. The facade’s dominant form, an Art Nouveau dragon sculpted in stucco relief, was destroyed in 1937 by order of the Nazi Party as part of a renovation of the area around the Haus der Deutschen Kunst. Porträt August Endell (um 1900) Fassade Atelier Elvira, München, mit sogenanntem Drachen­ Foto: unbekannt, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei ornament, Entwurf: August Endell, 1900 47 Foto: unbekannt, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Haus am Steinplatz online: https://www.wohnmal.info/stadt-architektur/endell-hotel-am-steinplat

Biografie online: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/charlotte-salomon/

Literatur: „Die Schönheit der großen Stadt“, August Endell, Regenbrecht Verlag Berlin, 2018 (Nachdruck) „Zauberland des Sichtbaren“, August Endell, Berlin-Westend, Verlag der Gartenschönheit, 1928 „Architektur als Bild: das „Atelier Elvira“ von August Endell“, Nikolaus Schaffer, (Dissertation), Universität Salzburg, 1981 „August Endell, 1871–1925; Architekt und Formkünstler“, Ausstellungskatalog, Bröhanmuseum Berlin, Imhof Verlag, 2012 „An die Schönheit - August Endells Texte zu Kunst und Ästhetik 1896 bis 1925“, Helge David (Hrsg.), VDGV Weimar, 2008 TITEL JAHR DENKMAL KRIEGSLAZARETT HARDENBERGSTRASSE 1943

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Figurativ X Abstrakt Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

Kaiser Wilhelm II. läßt nach dem Attentat auf dem Zum Chefarzt des Lazaretts wird Stabsarzt Dr. österreichischen Kronprinzen in Sarajewo am 6. Juli Rosenthal ernannt. Bereits am 5. September 1914 die unbedingte Bündnistreue des Deutschen stehen alle Räume inkl. Operationssaal, Badeein- Reiches zu Österreich-Ungarn erklären. Für die richtungen für 320 Betten fertig zur Verfügung. mehr als zwei Millionen Einwohner Berlins und „Vor allem die im Erdgeschoss und im ersten die der umliegenden Gemeinden vollziehen sich Geschoss liegenden leicht zugänglichen großen große Veränderungen. Die Mobilmachung wird am schönen Säle sind für diese Zwecke bestimmt 1. August 1914 im Deutschen Reich angeordnet. und werden mit Zustimmung der Lazarettverwal- Deutschland erklärt Russland den Krieg. tung mit reichem künstlerischen Wandschmuck aus den Sammlungen der Hochschule versehen“. Danach schliesst man Museen, setzt Theaterauf- (Quelle: Jahresbücher der Königlichen Hochschule 48 führungen ab, schränkt den Stromverbrauch und für die bildenden Künste zu Berlin, zur Verfügung öffentlichen Verkehr ein und besetzt Bahnhöfe. gestellt vom Archiv der UdK) Später werden zur Versorgung mit den entspre- chenden Lebensmitteln die diversen Lebensmittel- Während des Kapp-Putsches im März 1920 versorgungstellen begründet. Militärbüros wird noch einmal ein Regiment der Reichswehr im über­nehmen die Aufgabe Einquartierungen und Gebäude der Hochschule einquartiert. Requisitionen nach dem Kriegsleistungsgesetz zu organisieren. Es werden Durchmarsch-, Massenquartiere und Lazarette bereitgestellt.

Auch die Studierenden der Königlichen Hochschu- le gegenüber des Steinplatzes sind betroffen – alle dienstfähigen Männer, auch aus der Verwal- tung, werden eingezogen. Der Unterricht soll laut Rektor jedoch weiter geführt werden, nur dürfen keine ausländischen Studenten der befeindeten Länder mehr zugelassen werden. Für das Gebäude der damaligen Königlichen Hochschule für die bildenden Künste bedeutet dies darüberhinaus, dass hier das I. Reservelazarett eingerichtet wird.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #R-KH 04 49

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO THE HARDENBERGSTRASSE MILITARY HOSPITAL

On July 6, 1914, after the assassination of the Austrian announced, but foreign students from enemy nations crown prince in Sarajevo, Kaiser Wilhelm II declared would no longer be accepted. And there was a further the ’s unconditional loyalty to its ally implication for the school building: It was to be the -Hungary. This brought major changes for the site of Military Hospital No. 1. more than two million residents of Berlin and the surrounding area. On August 1, Germany issued the A medical officer by the name of Rosenthal was order to mobilize the empire and declared war on chosen as the hospital’s chief of staff. By September 5, Russia. the entire facility was ready for service, including an operating room and beds and bathing facilities for 320 Museums were quickly closed, theatrical performances patients. canceled, power consumption and public transporta- tion cut back, and train stations occupied. Somewhat “The rooms chosen for this purpose were mainly the later, rationing centers were set up to handle the big, beautiful, easily accessible classrooms on the first distribution of various foodstuffs. Military authorities and second floors. With the consent of the hospital took on the task of quartering soldiers and requisition- administrators, these were amply furnished with artistic 50 ing materials in accordance with the War Powers Act, wall decor from the school’s collections.” establishing temporary and permanent garrisons and – From the yearbooks of the Royal School of Visual Art military hospitals. in Berlin, provided courtesy of the UdK Archive

The students at the Royal School of Visual Art opposite The school building served as a barracks again during Steinplatz were impacted as well: All men fit for duty, the Kapp Putsch of March 1920, this time housing a including school administrators, were conscripted. regiment of the Reichswehr. Classes would continue nonetheless, the rector Abbildung: Die Woche, Heft 39, Berlin, den 26. September 1914, Vereinigte Staatsschulen (heute UdK) vom Steinplatz aus 16. Jahrgang, Druck und Verlag von August Scherl G.m.b.H., gesehen, 1918 51 Berlin SW Foto: unbekannt, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Der 1. Weltkrieg online: Deutsches Historisches Museum Berlin: https://www.dhm.de/ausstellungen/archiv/2014/der-erste-weltkrieg.html „Der 1. Weltkrieg und seine Auswirkungen auf Berlin“, Quellensammlung Landesarchiv Berlin: http://landesarchiv-berlin.de/wp-content/ uploads/2017/03/QuellenWeltkrieg.pdf „Lebendiges Museum online“ LEMO: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg „Frauen an der Heimatfront“, deutsche welle, 2014, https://www.dw.com/de/zwischen-k%C3%BCche-und-fabrik-frauen-an-der- heimatfront/a-17842220

Geschichte der UdK: https://www.udk-berlin.de/universitaet/die-geschichte-der-universitaet-der-kuenste-berlin/

Literatur: „Die Schlafwandler: Wie Europa in den ersten Weltkrieg zog“, Christopher Clark (Autor), Norbert Juraschitz (Übersetzer), Pantheon Verlag, 2015 TITEL JAHR DENKMAL MÖRDERMORD 1921

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Figurativ X Abstrakt Naturstein Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Talât Pascha, Grosswesir und Innenminister des Opfer ist Mugerditchian, der als Armenier die Liste Osmanischen Reiches ordnet 1915 die Verhaftung der Deportierten für den Polizeipräsidenten in armenischer Intellektueller in Istanbul an, was den Istanbul erstellt hatte. Völkermord an der armenischen Bevölkerung einleitet. 1921 wird Talât in Berlin von dem jungen Tehlirian wird bei dem Mordprozess vom Vorwurf Armenier Tehlirian ermordet. eines Tötungsdeliktes mit der Begründung „Unzurechnungsfähigkeit“ freigesprochen. Er Nach dem Verhandlungsprotokoll des anschließen- rechtfertigt das Attentat in Berlin mit folgenden den Mordprozesses gegen Tehlirian, der im Juni Worten: „Ich habe den Mörder meiner Frau und 1921 in Berlin stattfindet, wohnt Talât Pascha Großeltern gerichtet.“ in der Hardenbergstr. 4, nahe dem Steinplatz und 52 wird am 15. März 1921 auf der Straße von dem Das Verbrechen an den Armeniern führt zuvor armenischen Studenten Soghomon Tehlirian bereits 1919 zum ersten Völkermordprozess in erschossen, der selbst in dem gegenüberliegenden Konstantinopel. Dort wird u.a. Talât in Abwesenheit Haus mit der Nummer 37 wohnt. Beide Häuser zum Tode verurteilt. Insgesamt werden vor den werden im Krieg zerstört. Kriegsgerichten 17 Todesurteile ausgesprochen, von denen schließlich drei vollstreckt werden. Am 15. März 1921 gegen Mittag verläßt Talât sein Wohnhaus und geht auf dem rechten Bürgersteig Die Täter, die sich mit deutscher Hilfe ins Ausland in Richtung Zoologischer Garten. Als er vor dem bzw. nach Berlin flüchten, werden jedoch später Haus mit der Nummer 17 ankommt, (heute von den armenischen Attentätern (u.a. auf der Industrie- und Handelskammer), erschießt der Uhlandstraße in Berlin) erschossen. Ihre Gräber Armenier Talât Pascha, wirft die Waffe weg und befinden sich heute noch auf dem türkischen flieht in Richtung Fasanenstraße. Als Passanten Friedhof in Neukölln. sich auf Tehlirian werfen und ihn überwältigen, verteidigt er sich mit den Worten: „Ich bin Armenier, Talâts sterbliche Überreste werden 1943 durch er ist Türke. Was haben die Deutschen damit zu das Hitlerregime unter militärischen Ehrenbezeu- tun?“ gungen von Berlin nach Istanbul überführt und dort am Denkmal der jungtürkischen Revolution von Tehlirian ist Mitglied des armenischen Kommandos 1908 beigesetzt. „Operation Nemesis“, das die Täter des Genozids an den Armeniern verfolgt und tötet. Sein erstes

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #S-MM 05 53

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO THE MURDERER’S MURDER

In 1915 Talaat Pasha, Grand Vizier and Interior Minister Tehlirian was part of Operation Nemesis, an Armenian of the Ottoman Empire, ordered the arrest of Istanbul’s commando unit that tracked down and killed the Armenian intellectuals, thereby initiating the Armenian perpetrators of the Armenian Genocide. His first victim Genocide. was Haroutoun Mugerditchian, an Armenian who had prepared the list of deportees for Istanbul’s chief of In 1921, Talaat was murdered in Berlin by a young police. Tehlirian was ultimately acquitted of the charge Armenian student named Soghomon Tehlirian. of murdering Talaat on grounds of “incompetence.” According to the transcript of Tehlirian’s murder trial, He justified the Berlin assassination with these words: which was held in Berlin in June 1921, Talaat lived at “I have passed judgement on the murderer of my wife Hardenbergstr. 4, not far from Steinplatz, and was shot and grandparents.” in the street on March 15 by Tehlirian, who lived across the street at Hardenbergstr. 37. Both buildings The crime against the Armenians had already led to were destroyed in the war. initial genocide trials, held in Istanbul in 1919, at which Talaat and others were condemned to death in On March 15, 1921, Talaat left his apartment building absentia. The military courts involved handed down 54 around noon and began walking down the sidewalk a total of 17 death sentences, of which only three were on the right-hand side of the street, heading toward the ultimately carried out. However, the other perpetrators, Zoological Garden. As he passed in front of Harden- who had fled abroad to Berlin and other cities with bergstr. 17 (now the headquarters of the German German help, were later shot by Armenian assassins. Chamber of Industry and Commerce), Tehlirian shot (Two of the others were killed in Berlin, on Uhland- him, threw the gun away, and then fled in the direction straße; their graves can be found in the Turkish of Fasanenstraße. cemetery in Neukölln).

When he was tackled and overpowered by passersby, Talaat’s remains were repatriated from Berlin to Istanbul Tehlirian defended himself by saying, “I’m an Armenian, by the Hitler regime in 1943 with great military ceremo- he’s a Turk. What have the Germans got to do with it?” ny. In Istanbul they were reinterred at the Monument of Liberty, a memorial to the 1908 Young Turk Revolution. Mehemed Talât Pascha in Berlin, keine Zeitangabe Soghomon Tehlirian Foto: unbekannt, Quelle: Landesarchiv Berlin Foto aus: The New Armenia volume 13, May-June 1921 p. 43, 55 gemeinfrei, Urheber unbekannt

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Genozid an den Armeniern: www.genocide-museum.am Biografie Tehlirian online:http://www.genocide-museum.am/eng/soghomon-tehlirian-eng.php Biografie Talat Pascha (in englischer Sprache): https://www.firstworldwar.com/bio/talaat.htm Biografie Talat Pascha (auf deutsch) http://www.eslam.de/begriffe/t/talat_pascha.htm Mördermord online: https://flucht-exil-verfolgung.de/de/ort/talaat-pascha-tehlirian

Literatur: „Operation Nemesis: The Assassination Plot that Avenged the Armenian Genocide“ (in englisher Sprache), Eric Bogosian, Little, Brown and Company, 2015 „Der Prozess des Soghomon Tehlirian. Selbstjustiz als Mittel der Gerechtigkeit?“, Christopher Habeck, Grin Verlag, 2018 „Mördermord: Dokumente und Dialoge“, Günther Fuchs und Hans-Ulrich Lüdemann, Kindle Edition, 2012

Film: „Soghomon Tehlirian rächt den Völkermord“ Dokumentarfilm zum 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern (Aramäern, Assyrern und Pontosgriechen), arte, Upload 2010, youtube: https://www.youtube.com/watch?v=datiao7GPdw TITEL JAHR DENKMAL BERNHARD WEISS 1952

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Figurativ Abstrakt X Naturstein X Kunststein

Kinetisch Andere Metall Andere

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Dr. Bernhard Weiß (*1881 in Berlin, † 1951 in 1932 verliert Weiß – wie die gesamte Regierung London), Jurist, Polizei-Vizepräsident Preußens – sein Amt. Nach kurzer Haft wird er freigelassen. Eine der Bedingungen hierfür ist, Weiß‘ Vater ist Vorsitzender der jüdischen dass er schriftlich seinen Verzicht auf jede weitere Gemeinde Fasanenstraße in Berlin. Nach dem dienstliche Tätigkeit erklären muss. Nach der Abitur im Jahr 1900 studiert Bernhard Weiß Übertragung der Regierungsgewalt auf die Rechtswissenschaften. Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wird Haftbefehl gegen ihn erlassen und ein Kopfgeld Im Sommer 1918 wird er in den Polizeidienst auf ihn ausgesetzt. Als seine Wohnung am aufgenommen. 1925 wird er Chef der Kriminalpoli- Steinplatz gestürmt und geplündert wird, entkommt zei und 1927 Polizeivizepräsident. Die Ehe mit Weiß gerade noch durch den Hinterausgang und 56 seiner kunstliebenden Gattin Lotte macht ihn mit verbirgt sich fortan an wechselnden Orten. den führenden Künstlern der Weimarer Republik Schließlich flieht er zunächst nach Prag. Anfang bekannt. So wird Weiß zu einer festen Größe auch 1934 gelangt er und seine Frau mit tschechischen im Berliner Kulturbetrieb. Pässen nach London, wo er ein kleines grafisches Unternehmen aufbaut. Weiß hat eine Kämpfernatur und greift als einer der wenigen republikanisch gesinnten höheren Nach dem Krieg besucht Weiß erstmals nach Polizeibeamten systematisch gegen Rechtsbrüche seiner Emigration 1949 wieder Berlin. Er äußert, durch. Er wird Opfer regelmäßiger Diffamierungs- sein sehnlichster Lebenswunsch sei es, nach kampagnen der aufkommenden NSDAP unter dem Berlin zurückzukehren. Ernst Reuter bietet ihm ein Berliner Gauleiter Joseph Goebbels, der Weiß Amt mit Beratungsfunktion im Polizeidienst an. wegen seiner jüdischen Herkunft stets als „Isidor Dazu kommt es aus gesundheitlichen Gründen Weiß“ bezeichnet. In Weiß hat Goebbels einen nicht mehr: Im Jahre 1951, kurz vor der Wiederer- Feind gefunden, der seiner nationalsozialistischen langung seiner deutschen Staatsbürgerschaft, Ideologie entspricht: ein Bürger jüdischer Herkunft stirbt Weiß in London an Krebs. und Repräsentant der Republik, im NSDAP-Jargon „Vertreter des Systems“. Weiß schlägt zurück und überzieht Goebbels mit mehr als 60 erfolgreich verlaufenen Prozessen.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #B-BW 06 57

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz BERNHARD WEISS MEMORIAL

Dr. Bernhard Weiß (b. 1881 in Berlin, d. 1951 in In 1932 Weiß – like the rest of the Prussian government London), jurist, police vice president – was removed from office. After a brief jail term, he was released. One condition of his release was that Weiß’s father was the leader of the congregation of the he promise in writing to refrain from serving in any Fasanenstraße Synagogue in Berlin. After completing official capacity in the future. secondary school in 1900, Bernhard Weiß studied law. After the Nazis took power on January 30, 1933, they In summer 1918 he joined the Berlin police. He was issued a warrant for his arrest and offered a reward for promoted to head of the Criminal Investigation Division his capture. When his home on Steinplatz was in 1925 and vice-president of the department in 1927. ransacked, he slipped out the back door, only barely Through his art-loving wife, Lotte, he got to know the escaping with his life, and went into hiding, moving from leading artists of the Weimar Republic and became a place to place and eventually fleeing to Prague. In early familiar figure in Berlin’s cultural scene. 1934, using Czech passports, he and his wife made it to London where he opened a small printing business. Weiß was a fighter by nature, and as one of the few 58 high-ranking officers with republican leanings, he took In 1949 Weiß returned to Berlin for the first time since systematic action against infractions of the law. He his emigration; he said that his fondest wish was to see became the victim of regular defamation campaigns Berlin again. Ernst Reuter offered him an advisory by the rising Nazi Party under its local leader, Joseph position in the police department, but Weiß’s health Goebbels, who nicknamed Weiß “Isidor” in reference prevented him from ever taking the post: In 1951, to his Jewish heritage. In Weiß, Goebbels found an shortly before his German citizenship was reinstated, enemy who fit with Nazi ideology: a Jewish-German he died of cancer in London. citizen and a proxy for the republic, or in Nazi jargon, a “representative of the system.” Weiß struck back, winning more than 60 lawsuits against Goebbels. Polizeivizepräsident Bernhard Weiß und seine Ehefrau Lotte Weiß, Die von der Militärbehörde verhafteten und ihres Amtes enthobenen 1930 Dr. Bernhardt Weiss (rechts), Polizeiminister Carl Severing (?) 59 Foto: Leo Rosenthal, Quelle: Landesarchiv Berlin (mitte) und Kommandeur Magnus Heimannsberg (links), das Foto entstand zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr 1932 Foto: unbekannt, Quelle: Bundesarchiv, CC-BY-SA 3.0

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Online: „Isidor – Geschichte einer Hetzjagd“, Dietz Bering, 1981, Zeit online: https://www.zeit.de/1981/34/isidor-geschichte-einer-hetzjagd/ komplettansicht

Literatur: „Bernhard Weiß – Polizeivizepräsident in Berlin, preußischer Jude, kämpferischer Demokrat“, Joachim Rott, Hentrich&Hentrich Verlag, Berlin „Ich gehe meinen Weg ungehindert geradeaus“: Dr. Bernhard Weiß (1880–1951). Polizeivizepräsident in Berlin. Leben und Wirken, Joachim Rott, Verlag Frank & Timme, 2010 TITEL JAHR DENKMAL FAMILIE ZELLERMAYER 2006

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Figurativ Abstrakt X Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere Metall Andere

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Max Zellermayer (*1863 b. Czernowitz, † 1933 in zunächst im Hotel – auch als dieses während des Berlin) Bankier, Kaufmann, Hotelbesitzer 2. Weltkriegs von der Marine beschlagnahmt sowie Heinz Max Lorenz Zellermayer (*1915 in Berlin, von Bomben beschädigt wird. Tochter Ilse geht mit † 2011 in Uznach, Schweiz), Hotelbesitzer, ihrem Ehemann nach Paris, Söhne Heinz und Unternehmer, Politiker Achim auf Schweizer Hotelfachschulen. Bereits Achim Zellermayer (*1917 in Berlin, † 1991 während des Zweiten Weltkriegs ist Heinz Manager in Würzburg) Hotelier verschiedener Lokale in Berlin und Paris. Im Jahr Ilse Eliza Zellermayer (*1920 in Berlin), 1945 eröffnet er sein erstes eigenes Restaurant Opernagentin, Autorin unter dem Namen Zellermayer´s und beginnt mit seinen Geschwistern den Aufbau des ererbten Max Zellermayer ist uneheliches Kind des Fürsten Hotel am Steinplatz. Ebenfalls 1945 gründet er die 60 Maximilian von Thurn und Taxis, seine jüdische Gaststätteninnung Berlin. Bekanntheit erlangt Mutter (geb. Silberbusch) wird von diesem mit dem Heinz 1949, als er den Kommandanten des Stiefvater Zellermayers verheiratet. Es wird amerikanischen Sektors Frank Howley überredet, finanziell und für die Ausbildung von Max gesorgt. für Berlin die Sperrstunde abzuschaffen. Er sitzt Er kommt mit 25 Jahren über Wien nach Berlin und von 1958 bis 1978 für die CDU im Berliner wird im Boom der Gründerzeit erfolgreicher Abgeordnetenhaus. Unternehmer (Russische Kaviarkompagnie, Tabak, Feinkostgeschäfte, Immobilien) und Bankier. In Sein mittlerer Bruder Achim wird als Künstler der zweiter Ehe ist er mit Erna Heydron, der Mutter Familie bezeichnet und gründet im Erdgeschoss seiner drei Kinder verheiratet. Mit dem Erwerb des des Hotels die Bar Volle Pulle – leider konnten Doppelhauses Uhlandstr. 197 / Steinplatz 4 im Jahr keine Dokumente gefunden werden, die Näheres 1913 steigt er drei Jahre später auch ins Hotelge- über sein Leben berichten. Die jüngste Schwester werbe ein. Max ist ein imposanter, überaus Ilse erfüllt sich ihren Lebenstraum, macht eine erfolgreicher hilfsbereiter und großzügiger Mensch. Ausbildung zur Opernsängerin und wird dann eine 1933 wird er von einem seiner Angestellten als der erfolgreichsten Opernsänger-Agentinnen (u.a. Halbjude bei der angezeigt und bei der Pavarotti). Ilse lebt heute noch in Berlin und dortigen Vorlandung wird ihm eröffnet, dass er publiziert biografische Bücher über ihr Leben und weder seine Bank noch sein Hotel weiter betreiben das ihrer Familie. könne. Wenige Stunden nach dem Verhör erleidet Max einen Hirnschlag, an dessen Folgen er drei Tage später stirbt. Seine Frau und Kinder bleiben

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #W-FZ 07 61

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO THE ZELLERMAYER FAMILY

Max Zellermayer (b. 1863 in Chernivtsi, d. 1933 in At first his wife and children remained in the hotel, even Berlin), businessman, banker, hotel owner as it was commandeered by the Navy and damaged by Heinz Max Lorenz Zellermayer (b. 1915 in Berlin, wartime bombing attacks. His daughter Ilse went to d. 2011 in Uznach, Switzerland), hotel owner, Paris with her husband, his sons Heinz and Achim to entrepreneur, politician hotel management schools in Switzerland. Heinz was Achim Zellermayer (b. 1917 in Berlin, d. 1991 in already managing restaurants in Berlin and Paris during Würzburg), hotelier the war, and in 1945 he opened Zellermayer’s, his first Ilse Eliza Zellermayer (b. 1920 in Berlin), opera agent, restaurant under his own name. writer The same year he and his siblings began rebuilding the Max Zellermayer was the illegitimate child of Prince Hotel am Steinplatz, which they had inherited, and he Maximilian of Thurn and Taxis, who arranged for Max’s also founded an association of Berlin hoteliers. Heinz Jewish mother (née Silberbusch) to marry Moses rose to prominence in 1949 by convincing the com- Zellermayer. Max was provided for financially and given mandant of the American sector, Frank Howley, to an education. At age 25 he went to Vienna and then deregulate bar closing hours in Berlin. From 1958 to 62 to Berlin, becoming a successful entrepreneur (Russian 1978, he was a CDU representative in Berlin’s state caviar company, tobacco, delicatessens, real estate) parliament. and banker during the boom years of the late 19th century. His second wife, Erna Heydron, was the His younger brother Achim, who was considered the mother of his three children. artist of the family, opened the bar Volle Pulle on the ground floor of the hotel; unfortunately, it has not been Three years after buying the adjacent properties at possible to find out more about him. Uhlandstr. 197 and Steinplatz 4, he entered the hotel business. He was an imposing, exceptionally success- The youngest child, Ilse, realized her life’s dream, ful, supportive, and generous individual. In 1933 one of training as an opera singer and then becoming one of his employees reported him to the Gestapo as a the most successful agents in opera (Pavarotti, etc.). “half-Jew,” and when he appeared for interrogation he She still lives in Berlin and publishes biographical books was informed that he would no longer be able to about her life and family. operate his bank or his hotel. A few hours afterward he suffered a stroke, and three days later he died of complications. Frau Erna Zellermayer mit ihren Söhnen Heinz (rechts) Ilse Eliza Zellermayer, 2018 und Achim, 1963 Foto: Manfred Weghenkel, Quelle: Journal aus Berlin 63 Foto: Heinz Wunnicke, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Online: „Nachruf auf Heinz Zellermayer“, Tagesspiegel online: https://www.tagesspiegel.de/berlin/heinz-zellermayer-geb-1915/5822040.html „Ilse Zellermayer ist Hotellegende und Künstlerfreundin“, Morgenpost online: https://www.morgenpost.de/berlin/leute/article206852993/ Ilse-Zellermayer-ist-Hotellegende-und-Kuenstlerfreundin.html

Literatur: „Drei Tenöre und ein Sopran. Mein Leben für die Oper“, Ilse Zellermayer, Verlag Kindle Edition, Taschenbuch, 2015 „Prinzessinnensuite. Mein Jahrhundert im Hotel“, Ilse Zellermayer, Aufbau Verlag, 2010 TITEL JAHR DENKMAL FÜR DIE VERTREIBUNG UND ERMORDUNG JÜDISCHER ANWOHNER*INNEN VOM STEINPLATZ 1933-45 1996

KUBATUR MATERIAL Figurativ Abstrakt  Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere X Metall Andere

VERWEIS

Das Denkmal erinnert an das Schicksal der 35.000 von ihnen überleben die Deportationen jüdischen Deutschen: an Anwohner*innen, an nicht. Nur 7.000 der ursprünglich 165.000 Nachbar*innen, an Selbstständige, an Angestellte, zählenden jüdischen Bevökerung Berlins überlebt die mit der Machtübergabe an die Nationalsozialis- in der Stadt. ten zunächst Diskriminierung, Ausgrenzung und Demütung erfahren und denen kurze Zeit später mit Im Umfeld des Steinplatzes finden sich viele Berufsverboten und Kündigungen die Existenz- Stolpersteine, die namentlich an einzelne Schick­ grundlage genommen wird. sale erinnern. Viele heutige Anwohner*innen und überlebende Angehörige beteiligen sich an Sie werden ins Exil getrieben, verhaftet, misshan- den Recherchen, die das Projekt Stolpersteine delt und gefoltert, oft genug aus Habsucht des Künstlers Gunter Demnig inzwischen weltweit denunziert, abgeholt und deportiert. Ihre Geschäf- ermöglicht. 64 te, Büros, Kanzleien, Wohnungen, Möbel, Kleider werden von nicht-jüdischen Deutschen wenn nicht Stolpersteine in der näheren Umgebung: sogar übernommen, so doch deutlich unter Wert gekauft. Von denen, die nicht emigrieren können, Carmerstr. 18: Margarethe Schwarzstein, *1886 überleben wenige in Verstecken, wenn ihnen mutige Menschen helfen, die ihr eigenes Leben Carmerstr. 2: Ida Drucker, 1867, Max Drucker, dafür riskieren. *1851

Aus Berlin werden ab 1941 50.000 jüdische Carmerstr.10: Charlotte Friedlaender, *1885, Bürger*innen und deren Kinder in über 60 Elsbeth Friedlaender, *1889 „Ostransporten“ ab den Güterbahnhöfen Grune- wald und Moabit, sowie dem Anhalter Bahnhof in Uhlandstr. 194 A: Alfred Bergmann, *1910 die von Deutschen besetzten Länder Litauen, Lettland, Weißrußland, Tschechien und Polen Uhlandstr. 191: Eduard Hans Steinthal, *1896 deportiert. Die jüdischen Deutschen werden dort in Konzentrationslagern durch unmenschliche Fasanenstr. 2: Gertrud Grossmann, *1873 Zwangsarbeit, Menschenversuche, Hunger und Seuchen, sowie durch direkte Tötungen ermordet. Hardenbergstr. 16: Otto Reinhold Siegel, *1922

Knesebeckstr. 100: Tatjana Barbakoff, *1899

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #N-JA 08 Angaben zu Stolpersteinen: Stand Sommer 2018 65

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL FOR THE EXPULSION AND MURDER OF THE JEWISH RESIDENTS OF STEINPLATZ, 1933–45

This memorial is a reminder of the fate of the German Stolpersteine near Steinplatz: Jews: the residents, neighbors, business owners, and employees who first suffered discrimination, ostracism, Carmerstr. 18: and humiliation following the Nazis’ rise to power, and Margarethe Schwarzstein, b. 1886 who were soon thereafter deprived of their livelihoods by firings and occupational bans. Carmerstr. 2: Ida and Max Drucker, b. 1867 and 1851 They were driven into exile, imprisoned, tortured and mistreated, denounced – as often as not out of greed Carmerstr. 10: – taken away and deported. Their businesses, work- Charlotte and Elsbeth Friedlaender, b. 1885 and 1889 places, offices, apartments, furniture, and clothes were bought extremely cheaply, if not simply taken, by Uhlandstr. 194 A: non-Jewish Germans. Of those unable to emigrate, a Alfred Bergmann, b. 1910 few survived in hiding, aided by brave individuals who 66 risked their own lives to do so. Uhlandstr. 191: Eduard Hans Steinthal, b. 1896 Starting in 1941, 50,000 Jewish citizens and their children were deported from Berlin to the German- Fasanenstr. 2: occupied countries of Lithuania, Latvia, Belarus, Gertrud Grossmann, b. 1873 Czechia, and Poland, departing from the Grunewald and Moabit freight stations and the Anhalter Bahnhof Hardenbergstr. 16: passenger station in more than 60 trains bound Otto Reinhold Siegel, b. 1922 for the East. In the concentration camps there, Jewish Germans were murdered, either directly or by in-­ Knesebeckstr. 100: humane forced labor, medical experiments, hunger, and Tatjana Barbakoff, b. 1899 disease. Thirty-five thousand did not survive deporta- tion. Out of a Jewish population originally numbering 165,000 in Berlin, just 7,000 survived in the city.

Around Steinplatz there are a number of Stolpersteine (“stumbling blocks”) commemorating the fates of named individuals. Many current residents and surviving relatives have participated in the research that has made this project possible. Originated by the artist Gunter Demnig, today the Stolpersteine can be found throughout the world. Straßenszene in Berlin um 1940 Stolperstein in Gedenken an Ida Drucker, Cramerstr. 2 Foto: unbekannt, Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-B04491, (Nähe Steinplatz) 67 CC-BY-SA 3.0 Foto: Stefka Ammon

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Stadtrundgang auf den Spuren jüdischen Lebens in Berlin: https://www.annefrank.de/ausstellung-berlin-alt/begleitangebote/stadtrund- gang-auf-den-spuren-juedischen-lebens-berlin-gaeste-familien/?L=0

Online: „Nationalsozialismus in Berlin – Der Tag, an dem die Deportationen begannen“, René Schlott, Spiegel online: http://www.spiegel. de/einestages/erste-deportation-von-berliner-juden-1941-a-1116943.html

Berliner Judentum online: „Zukunftsvision und Erinnerung. Klischee-Vermarktung und Provokationskunst: Wer sich heute zwischen Wilmersdorf und Prenzlauer Berg auf die Spuren jüdischen Lebens begibt, macht unerwartete Entdeckungen. Ein Streifzug durch die Hauptstadt“: http://www.berlin-judentum.de/berlin/schalom-berlin.htm

Walter Demnigs Projekt Stolpersteine in Berlin https://www.stolpersteine-berlin.de/

Literatur: „Jüdische Geschichte in Berlin. Bilder und Dokumente“, Reinhard Rürup (Hrsg.), Edition Hentrich, Berlin 1995 „Jüdische Berliner. Leben nach der Shoa“, Andreas Nachama, Ulrich Eckhardt, Jaron, Berlin 2003 „Die Entwicklung der jüdischen Religionsgesellschaft zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in der Zeit von 1671 bis 1918 in Preußen, unter besonderer Würdigung der Berliner Verhältnisse“, Katja Schmidt, Weißensee Verlag, Berlin 2006 „Geschichte der Berliner Juden“, Volker Wagner: Elsengold Verlag, Berlin 2016 TITEL JAHR DENKMAL 1950

KUBATUR MATERIAL Figurativ Abstrakt X Naturstein Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Elisabeth Schumacher geb. Hohenemser (*1904 in Deportation schützen. Das Ehepaar Schumacher Darmstadt, † 1942 in Berlin-Plötzensee), Grafike- ist im Frühjahr 1941 an dem Versuch beteiligt, die rin, Widerstandskämpferin Sowjetunion vor dem deutschen Angriff zu warnen. Ostern 1942 versucht Elisabeth Schumacher Ab 1921 lebt Elisabeth in Frankfurt und studiert bis vergeblich ihren Onkel, den jüdischen Musikwis- 1925 an der Kunstgewerbeschule Offenbach. senschaftler Richard Hohenemser und dessen Frau Danach arbeitet sie einem Kunstgewerbeatelier, Alice zu retten, die sich aus Verzweiflung über die um anschließend bis 1933 in Berlin an den Judenverfolgung mit Gas in ihrer Wohnung das Vereinigten Staatsschulen für Freie und Ange- Leben nehmen. wandte Kunst (heute ‚UdK‘, ggü. Steinplatz) in der Grafikklasse bei Ernst Böhm zu studieren. Nach Das Ehepaar Schumacher nimmt im August 1942 Abschluss des Studiums ist sie für das Deutsche den Kommunisten Albert Hößler auf, der seit den 68 Arbeitsschutzmuseum in Berlin tätig, wo sie 1930er Jahren in der Sowjetunion lebt und mit dem Libertas Haas-Heye kennenlernt. Auf Grund der Fallschirm über Deutschland abspringt, um die Nürnberger Gesetze hat Hohenemser als „Halbjü- Widerstandsgruppe bei der Übermittlung von din“ keine Chance auf eine feste Anstellung und Informationen in die Sowjetunion zu unterstützen. kann nur noch freiberuflich arbeiten. Am 12. September 1942 wird nach Entschlüsse- 1934 heiratet Elisabeth den Bildhauer Kurt lung eines Funkspruchs auch Elisabeth Schuma- Schumacher. Das Ehepaar schließt sich dem cher in ihrer Wohnung festgenommen. Wie ihr Freundeskreis um Libertas und Harro Schulze- Mann wird sie vom Reichskriegsgericht am 19. Boysen an, der später „Rote Kapelle“ genannt wird. Dezember 1942 wegen „Vorbereitung zum Während des Spanischen Bürgerkrieges werden Hochverrat“, „Landesverrat“ und weiterer politi- geheime Materialien der deutschen Luftwaffe von scher Vergehen zum Tode verurteilt. Schulze-Boysen an die Gruppe weitergeleitet, besprochen und von Elisabeth Schumacher kopiert Elisabeth Schumacher stirbt am 22. Dezember und miniaturisiert. Die Gruppe beteiligt sich auch 1942 unter dem Fallbeil im Strafgefängnis an der illegalen Verteilung von Flugblättern und Berlin-Plötzensee. Eine Dreiviertelstunde vor ihr ist dokumentiert Verbrechen des NS-Regimes. dort ihr Mann erhängt worden.

Elisabeth verbreitet selbst illegale Widerstands- schriften und versucht, jüdische Angehörige vor der

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #L-ES 09 69

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz ELISABETH SCHUMACHER MEMORIAL

Elisabeth Schumacher, née Hohenemser (b. 1904 in Elisabeth herself distributed illegal resistance publica- Darmstadt, d. 1942 in Berlin-Plötzensee), graphic artist, tions and tried to protect Jewish relatives from being resistance fighter deported. In spring 1941, she and her husband took part in the attempt to warn the Soviet Union of the In 1921 Elisabeth moved to Frankfurt, where she German attack. studied at the Offenbach School of Arts and Crafts until 1925. She then worked at a craft studio before enrolling On Easter 1942, she unsuccessfully tried to save her in Ernst Böhm’s graphic arts class at the Unified uncle, the Jewish musicologist Richard Hohenemser, Schools for Fine and Applied Arts in Berlin (now the and his wife Alice, who committed suicide with gas in UdK, opposite Steinplatz). After completing her studies their apartment in desperation over the persecution of there, she worked for the German Museum of Industrial the Jews. Safety in Berlin, where she met Libertas Haas-Heye. As a “half-Jew” under the Nuremberg Laws, she had no In August 1942, the Schumachers took in Albert chance of securing a permanent position and could Hößler, a communist who had been living in the only work as a freelancer. Soviet Union since the 1930s and had parachuted into 70 Germany to help the resistance group channel In 1934 she married the sculptor Kurt Schumacher. information to Moscow. The couple grew close to Libertas and Harro Schulze- Boysen and their circle of friends, who would later be On September 12, 1942, Elisabeth was apprehended known as the “Red Orchestra.” During the Spanish Civil in her apartment after a radio message was decoded. War, Schulze-Boysen smuggled out secret documents Like her husband, she was sentenced to death by from the German Air Force, which were discussed by Germany’s highest military court on December 19, the group and copied and miniaturized by Elisabeth. 1942 for “,” “conspiracy to commit high The group was also involved in distributing illegal treason,” and other political offenses. Elisabeth pamphlets and documenting the crimes of the Nazi Schumacher was executed by guillotine on December regime. 22, 1942 at the Plötzensee Prison in Berlin. Her husband had been hanged 45 minutes earlier. Elisabeth Schumacher um1935 Kurt und Elisabeth Schumacher in Luzern, Ostern 1939 Foto: unbekannt, Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand Foto: unbekannt, Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand 71

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Biografie online: Gedenkstätte Deutscher Widerstand: https://www.gdw-berlin.de/vertiefung/biografien/personenverzeichnis/biografie/view- bio/elisabeth-schumacher/?no_cache=1 Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_Schumacher

Literatur: „Kurt und Elisabeth Schumacher“, Heinrich Scheel, in: /Jürgen Danyel/Johannes Tuchel (Hrsg.), „Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“, Berlin 1994, 254ff. „Erfasst? Das Gestapo-Album zur Roten Kapelle“, Regina Griebel/Marlies Coburger/Heinrich Scheel, Halle 1992 „Kunst, Macht, Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin“, Christine Fischer-Defoy, Hochschule der Künste, Berlin: Elefanten Press, Berlin 1988 „Deutsche Widerstandskämpfer 1933 bis 1945“, Luise Kraushaar, Berlin 1970 Band 2 „Die Rote Kapelle. „Landesverrat“ als antifaschistischer Widerstand“, Gert Rosiejka, Verlag ergebnisse, Hamburg 1986 TITEL JAHR Denkmal U-Bootstab der Marine Großadmiral Dönitz 1956

KUBATUR MATERIAL

Figurativ X Abstrakt Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

Karl Dönitz (* 1891 in Grünau b. Berlin, † 1980 in Dönitz wird von Hitler testamentarisch 1945 zu Aumühle), Marine-offizier (ab 1943 Großadmiral), seinem Nachfolger als Reichspräsident und Nationalsozialist, NSDAP-Mitglied, verurteilter Oberbefehlshaber der ernannt. Am Kriegsverbrecher 5. Mai 1945 setzt Dönitz eine geschäftsführende Reichsregierung ein, die sich in Flensburg Bereits im 1. Weltkrieg ist Dönitz Mitglied der zurückzieht und als ‚Regierung Dönitz‘ bekannt kaiserlichen Marine und wird als Berufssoldat im wird. Ungefähr zwei Wochen nach der am 8. Mai Grad eines Leutnants 1919 auch in die zunächst in Kraft getretenen bedingungslosen Kapitulation vorläufige Reichsmarine der Weimarer Republik der Wehrmacht werden Dönitz, die hohen übernommen. Die Nationalsozialisten machen ihn Generäle des Oberkommandos der Wehrmacht 1936 zum „Führer der U-Boote“ und er wird in der und alle Mitglieder der Regierung vor Ort verhaftet. 72 deutschen Kriegsmarine die treibende Kraft beim Dönitz gehört zu den 24 angeklagten Hauptkriegs- Aufbau der U-Boot-Waffe. Dönitz wird als sei sehr verbrechern im Nürnberger Prozess. Er wird wegen ehrgeizig und geltungsbedürftig beschrieben. Führens von Angriffskriegen und Kriegsverbrechen schuldig gesprochen und im Oktober 1946 Im 1940 beschlagnahmten Hotel am Steinplatz lediglich zu zehn Jahren Haft verurteilt, die er bis werden ab 1942 Umbaumaßnahmen vorgenom- zum Oktober 1956 vollständig verbüßt. men – es wird nach Beschädigungen von Regie- rungsgebäuden durch alliierte Bombenangriffe Dönitz stirbt im Alter von 89 Jahren in Nordeutsch- mit dem Nachbarhaus per Wanddurchbrüche land. An seinem Grab finden immer noch Ehrungen verbunden und im März 1943 steht es plötzlich rechtsextremer Organisationen statt, die NPD legt mitten im Zentrum des Kriegsgeschehens: regelmäßig Kränze nieder. Nazi-Admiral Karl Dönitz, inzwischen zum Ober­ befehlshaber der Marine ernannt, richtet sein Hauptquartier im Hotel ein. Neun Monate lang schickt der Befehlshaber der U-Boote vom Steinplatz aus seine „grauen Wölfe“ gegen „England“. Als der alliierte Bombenhagel in Berlin zunimmt, flieht Dönitz mit seinem Stab nach Bernau – auf einen Militärstützpunkt, genannt „Objekt Koralle“. Mutter und Tochter Zellermayer erleben das Geschehen in ihrem Haus hautnah.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #P-KD 10 73

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO THE SUBMARINE STAFF OF GRAND ADMIRAL DÖNITZ

Karl Dönitz (b. 1891 in Grünau near Berlin, d. 1980 in In Hitler’s last will and testament, written in 1945, he Aumühle), naval officer (grand admiral from 1943 on), chose Dönitz to succeed him as President of the Reich Nazi Party member, convicted war criminal and Supreme Commander of the Armed Forces. On May 5, 1945, Dönitz set up an acting cabinet, which Dönitz served in the Imperial Navy during World War I, relocated to Flensburg and is known as the Dönitz and as a career soldier he was appointed to the Government. The unconditional surrender of the provisional navy of the Weimar Republic in 1919 with German forces went into effect on May 8, and two the rank of lieutenant. In 1936 the Nazis promoted him weeks later Dönitz, the generals of the Armed Forces to submarine commander, and he became the driving High Command, and all government officials present force behind the development of the navy’s submarine were placed under arrest. capabilities. He has been described as a highly ambitious man who craved recognition. Dönitz was one of the 24 defendants prosecuted for war crimes in the Nuremberg trials. He was found guilty The Navy commandeered the Hotel am Steinplatz in of waging wars of aggression and committing crimes 74 1940 and began renovation work in 1942, breaking against the laws of war, and in October 1946 he was through walls to connect the hotel to the adjacent sentenced to just 10 years in prison. He served this property after government buildings were damaged by sentence in full and was released in October 1956. Allied bombing attacks. In March 1943, the hotel suddenly stood at the center of wartime action: Nazi Dönitz died at the age of 89 in northern Germany. To Admiral Dönitz, by then Commander-in-Chief of the this day, right-wing extremists continue to hold Navy, made the Hotel am Steinplatz his headquarters. ceremonies at his grave, and it is regularly decorated For nine months, the submarine commander dispatched with wreaths by the successor to the Nazi Party, the his “gray wolves” from Steinplatz against England. NPD. When the hail of Allied bombs intensified in Berlin, Dönitz and his staff fled to Bernau, to a military base known as “Camp Coral.” His wife and daughter experienced events at first hand from their house on base. Karl Dönitz (rechts) im Gespräch mit Kapitänleutnant Herbert Karl Dönitz,1974 Wohlfahrt um 1940 Foto: Votava / picture-alliance / IMAGNO 75 Foto: unbekannt, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Nachruf 1981 Spiegel online http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14315471.html Von Dönitz’ signierte Ausgaben seiner autobiografischen Bücher u.a. „Zehn Jahre und zwanzig Tage“, Bonn, Athenäum- Verlag Junker und Dünnhaupt, 1958, werden für bis zu 250 € gehandelt, siehe: https://www.zvab.com/servlet/SearchResults?an=d%F6nitz&cm_sp=sort-_-SRP-_- Results&hl=on&sortby=1

Literatur: „Autobiographie als Apologie: Rhetorik der Rechtfertigung bei Baldur von Schirach, Albert Speer, Karl Dönitz und Erich Raeder (Formen der Erinnerung)“, Roman B. Kremer, Band 65, V&R unipress, 2017 „Dönitz vor Gericht – Vernehmungsprotokolle und Zeugenaussagen (aus den Dokumenten des internationalen Gerichtshofes Nürnberg)“, Anton F. Schimmelpfennig (Herausgeber), Sketec-Verlag GmbH, 2012 „Dönitz. Des Teufels Admiral“; Peter Padfield, aus dem Englischen von E. Duncker, R. Fleissner, J. Nowel, S. Rott-Illfeld; Verlag Ullstein, Berlin 1984

Film: „Eine deutsche Karriere – Rückblicke auf unser Jahrhundert“, Regie: Karl Gass, 113 Min., sw, Dokumentarfilm, Deutsche Demokrati- sche Republik (DDR), DEFA-Studio für Dokumentarfilme, 1987 TITEL JAHR DENKMAL CHARLOTTE SALOMON 1964

KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt  Naturstein Kunststein Kinetisch X Andere Metall Andere X

VERWEIS

Charlotte Salomon (*1917 in Berlin, † 1943 in Im Exil gerät Charlotte Salomon in eine Lebens­ Auschwitz-Birkenau), Malerin krise, die sowohl auf die Judenverfolgung der Nationalsozialisten als auch auf tragische Vorfälle Salomon wächst in einem bürgerlichen Umfeld in innerhalb ihrer Familie zurückzuführen ist. Sowohl Berlin Charlottenburg auf. Ab 1927 besucht sie ihre Mutter (1926), eine Tante (1913), als auch ihre das Fürstin-Bismarck-Gymnasium und verläßt die Großmutter (1940) nehmen sich das Leben. Sie Schule 1933 ein Jahr vor dem Abitur, um den beginnt ihr Leben in konzentriert verdichteter, aber antisemitischen Anfeindungen zu entgehen, die auch ironisch-spöttischer Form als bildliches dort seit der Machtübergabe an die Nationalsozia- Theaterstück zu beschreiben. listen zur Tagesordnung gehören. Zum Winterse- mester 1935/36 wird sie – zunächst auf Probe Leben? Oder Theater? ist der Titel eines zwischen 76 – an den Vereinigten Staatsschulen für freie und den Jahren 1940 und 1942 entstehenden angewandte Kunst (heute UdK, gegenüber Werkzyklus. Er umfasst 1325 Bilder in teilweise Steinplatz) in Berlin-Charlottenburg aufgenommen. comic-haftem oder auch filmischem Stil, mit Texten und Musiktiteln. Es ist das Hauptwerk der Trotz der immer weiter zunehmenden Schikanen Künstlerin und beschreibt und illustriert auf gegen jüdische Bürger wird sie im Februar 1936 eindringliche Weise ihr Leben im südfranzösischen regulär immatrikuliert, da ihr Vater als Frontkämpfer Exil. des Ersten Weltkriegs anerkannt ist. Nachdem ihr bei einem Wettbewerb der Kunsthochschule der Im Juni 1943 heiratet Charlotte den österreichi- erste Platz, der ihr von der Jury zuerkannt werden schen Emigranten Alexander Nagler, den sie soll wegen ihrer jüdischen Herkunft versagt wird, nach ihrer Flucht in Frankreich kennenlernt. Das verläßt sie die Hochschule im Herbst 1937. Ehepaar wird verraten, am 24. September 1943 Im Januar 1939 emigriert Charlotte Salomon nach in Nizza verhaftet und am 7. Oktober in das Konzen- Frankreich. Dort lebt sie in Villefranche nahe Nizza trationslager Auschwitz deportiert. bei ihren Großeltern, die dorthin bereits1934 geflohen sind. Charlotte Salomon, im fünften Monat schwanger, wird vermutlich sofort nach ihrer Ankunft in Charlotte Salomon und ihr Großvater werden 1940 Auschwitz ermordet. interniert, kurze Zeit später jedoch wegen des hohen Alters des Großvaters wieder freigelassen.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #C-CW 11 77

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz CHARLOTTE SALOMON MEMORIAL

Charlotte Salomon (b. 1917 in Berlin, d. 1943 in thereafter due to her grandfather’s advanced age. Auschwitz-Birkenau), painter While in exile, Salomon experienced an existential crisis attributable both to the Nazis’ persecution of the Jews Salomon grew up in a middle-class household in and to a number of tragic family events. Three of her Berlin-Charlottenburg. She enrolled at the Fürstin-Bis- close relatives committed suicide: her aunt in 1913, her marck-Gymnasium in 1927 but left school in 1933, a mother in 1926, and her grandmother in 1940. She year before completing her studies, to escape the began to portray her life as a work of visual theater, in anti-Semitic hostility that had become commonplace tightly compressed but mockingly ironic form. since the Nazis had taken power. She was admitted to the Unified Schools for Fine and Applied Arts in Leben? Oder Theater? (Life? Or Theater?) is the title of Charlottenburg (now the UdK, opposite Steinplatz) for the cycle of works she created between 1940 and the 1935–36 winter semester, initially on a trial basis. 1942. It consists of 1,325 pictures, many in a filmic or Despite the ever-increasing harassment of Jewish comic-like style, as well as texts and musical numbers. It citizens, she was admitted as a regular student in was Salomon’s magnum opus, a compelling illustration February 1936 in recognition of her father’s service on of her life in exile in the south of . 78 the front lines in World War I. In June 1943 she married the Austrian emigré Alexan- She left the school in autumn 1937, after she won first der Nagler, whom she had met after fleeing to France. place in a school-wide competition but was denied the The newlyweds were denounced, imprisoned in Nice prize on account of her Jewish heritage. on September 24, 1943, and deported to the Ausch­ witz concentration camp on October 7. In January 1939 Salomon emigrated to France. There she lived with her grandparents, who had fled in 1934, Salomon is believed to have been murdered immediate- in the village of Villefranche near Nice. She and her ly on arriving at Auschwitz; she was five months grandfather were interned in 1940 but released soon pregnant at the time. Charlotte Salomon und ihr Vater Albert vermutlich auf dem Balkon Charlotte Salomon: „1. KAPITEL Einige Tage später. PAULINKA ihrer Wohnung in Berlin, ca. Ende der 20er Jahre ,Ich hab den Ring verkauft, hier habt Ihr etwas Geld dafür.‘“, 79 Foto: unbekannt, Quelle: Collection Jewish Historical Museum, aus: Leben? Oder Theater?, 1940 –1942, Quelle: Collection Amsterdam Jewish Historical Museum, Amsterdam. © Charlotte Salomon Foundation, ® Charlotte Salomon

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Leben? Oder Theater? online https://charlotte.jck.nl/section Leben? Oder Theater? Ein autobiographisches Singspiel in 769 Bildern, Charlotte Salomon, Kiepenheuer & Witsch, 1990 Biografie online: http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/charlotte-salomon/ Literatur: „Charlotte Salomon: Es ist mein ganzes Leben“, Margret Greiner, Albrecht Knaus Verlag, 2017 „Tell me another morning. An autobiographical novel.“, Zdena Berger, Ashfield, Mass: Paris Press, 2007 „Charlotte Salomon. 1917–1943 Bilder eines Lebens“, Astrid Schmetterling, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001

Film: „Heben Sie es gut auf, es ist mein Leben. Das Album der Charlotte Salomon“, Rainer Hagen, Hannelore Schäfer, TV-Videoaufnahme. Hamburg: NDR, 1987 „Charlotte. Originaltitel: Based on the life and work of Charlotte Salomon“, Frans Weisz, Judith Herzberg, 1984, BRD, Spielfilm, 95 min. „May You Never Forget My Faith in You“, Kees Hin, 1986 „C‘est toute ma vie“, Richard Dindo & Esther Hoffenberg, 1992 „Life? Or Theatre?“, Dokumentarfilm, Franz Weisz, 2012 (niederländisch mit englischen Untertiteln) TITEL JAHR DENKMAL CAFÉ UND FILMBÜHNE AM STEINPLATZ 2004

KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt X Naturstein Kunststein X Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

Die ‚Filmbühne am Steinplatz‘ wird 1950 von Allan oder sogar barfuß. Hier im Café gafft deshalb O. Hagedorff gegründet und bietet unter dem niemand wie draußen auf der Straße, wo die Leute Nachfolger Ernst Remmling (dem Begründer der sich umdrehen und registrieren, was sich da noch ‚Gilde deutscher Filmkunsttheater‘) ab 1957 als alles einbürgerte: alte und zu große, reichlich eines der ersten deutschen Programmkinos eine runtergekommene Lederjacken, ausgebeulte perfekte Mischung aus anspruchsvoller Filmkunst Pullover, offene Hemdkragen, die kürzeren Röcke, und gemütlichem Cafébetrieb. Gerne trifft man sich junge Frauen, die ungeniert auf der Straße rauchen, hier auf ein Gläschen zur Einstimmung schon lange und eine gewisse Verwilderung des Haarwuchses vor dem Film oder tauscht hinterher bei einem bei jungen Leuten beiderlei Geschlechts. ‚Salat Filmbühne‘ die Meinungen über das gerade Rudi Dutschke kommt gern in dieses Café, weil er Gesehene aus – allerdings, aufgrund des meist hier Studenten treffen kann, die wie er aus der DDR 80 starken Andrangs, mit weit weniger Chancen auf kommen. Trotz aller anderen Kontakte: die einen Sitzplatz. Emigranten stecken immer wieder die Köpfe zusammen. Das Café Steinplatz wird zum Herz der sogenann- Sie brauchen die Nähe untereinander.“ ten 68er Studentenbewegung des 20. Jahrhun- — Ulrich Chaussy, Rudi Dutschke, Die Biografie, derts. Droemer, 2018

„Nicht nur bei Rudi Dutschke stippt die Buchecken Nach der Schließung des Kinos 2003 werden die gelegentlich in den Milchkaffee. Auch an den Räumlichkeiten des Filmsaals dem damaligen anderen kleinen Tischen türmen sich die Bücher- Betreiber des Restaurants zugeschlagen und nach neben den Tellern und Tassen. Studienlektüre ist kurzen Intermezzi mit Nutzung des jüdisches das, Wissenschaftliches und Wörterbücher, Theaters Bahmah und des Rock Style Entertain- Camus aber auch Kerouacs Kultroman Unterwegs, menthaus als „Restaurant Filmbühne am Stein- vereinzelt Marx oder andere sozialistische Autoren. platz“ mit einem großen Wintergarten weiter Am schönsten ist es im Sommer. Dann stehen betrieben. Das Cafe existiert heute in seiner draußen auf der Terrasse zum Steinplatz hin die ursprünglichen Form als Studentencafé nicht mehr. Klapptische und -stühle aufgereiht. Die Bücher lesenden Besucher rücken von Zeit zu Zeit ein wenig weiter mit dem Stuhl um den Tisch, den Sonnenstrahlen hinterher. Wenn es richtig warm ist, kommen einige in Sandalen ohne Strümpfe

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #K-CS 12 81

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO THE CAFÉ UND FILMBÜHNE AM STEINPLATZ

In 1950 Allan O. Hagedorff opened one of Germany’s of the sun. When it’s really warm, some of them come in first art cinemas, the Filmbühne am Steinplatz. Under sandals without socks, or even barefoot. Here at the Ernst Remmling, who took over in 1957 (and also café, no one stares the way they do out there in the founded a national association of art-house movie street, where people turn to see what else is normal theaters), it offered a perfect mix of sophisticated now: seriously shabby old leather jackets too big for cinema and cozy café atmosphere. Filmgoers would their wearers, shapeless sweaters, open collars, shorter meet here long before the movie started to have a drink skirts, young women uninhibitedly smoking on the and set the mood, or stay afterwards to discuss what street, and a certain overgrown wildness to the hair of they had just seen over a “Filmbühne salad” – though the young people of both sexes. with much less chance of getting a table, given the Dutschke likes coming to this café because here he can popularity of the place. meet students who are from the GDR like he is. Even with all their other connections, the emigrants always Café Steinplatz later became the heart of the leftist like to get together. They need the contact with one movements surrounding the protests of 1968: another.”

82 “It’s not just Rudi Dutschke dunking the corner of a — Ulrich Chaussy, Rudi Dutschke. Die Biografie page in his café au lait every now and then. Books are (Munich: Droemer, 2018) piled high among the cups and plates on the other tables too. This is student literature: scholarly works, After the Filmbühne stopped showing movies in 2003, reference books, Camus, as well as Kerouac’s cult the theater space was sold to the operators of the classic On the Road, occasionally Marx or some other restaurant. After brief interludes in which the venue was socialist author. used as the Jewish theater Bahmah and the Rock Style Entertainmenthaus, it resumed operations as the It’s nicest in summer, when the folding chairs and tables Restaurant Filmbühne am Steinplatz, featuring a large are lined up outside on the terrace facing Steinplatz. winter garden. It no longer exists in its original form as a The readers among the clientele periodically shift their student café. chairs a little farther around the table, following the rays Filmbühne am Steinplatz, 1999 Demonstration gegen den Vietnam-Krieg, Französische Foto: David Simpson, (CC BY-SA 3.0) Demonstranten am Steinplatz 83 Foto: Bert Saas, 1968, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Geschichte des Kinos: http://filmtheater.square7.ch/wiki/index.php?title=Charlottenburg_Filmb%C3%BChne_am_Steinplatz

Der Gründer und erster Geschäftsführer der Filmbühne war Allen O. Hagedorf (1916 -2007), langjähriger Freund der Stummfilmdiva Asta Nielsen und ihr späterer Biograf. Als sie 1936 Berlin verließ, half Hagedorff während des Nazi-Regimes mit Nielsens finanzieller Unterstüt- zung jüdischen Verfolgten mitten in Deutschland. Leider ist die Autobiografie des gebürtigen Dänen bisher nicht auf deutsch erschienen: „En meget jødevenlig ung dansker“ (Ein sehr jüdische junger Däne), Allan O. Hagedorff, aufgezeichnet von Else Cornelius, Gyldendal Verlag (DK), 2012 TITEL JAHR DENKMAL MARSHALL-PLAN 1997

KUBATUR MATERIAL

Figurativ X Abstrakt Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

Marshall-Plan (ERP) 1947 bis 1952 entgegen zu setzen. Die Idee einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ präsentiert Außenminister George C. Der Marshall-Plan, offiziell European Recovery Marshall am 5. Juni 1947 anlässlich einer Rede an Program (kurz ERP) genannt, ist ein großes der Harvard-Universität. Mehrere Staaten West- Konjunkturprogramm der Vereinigten Staaten von und Südeuropas „ergreifen die Rettungsleine“, wie Amerika, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem an es der britische Außenminister Ernest Bevin den Folgen des Krieges leidenden Westeuropa formuliert. und den USA zugute kommt. Es besteht teils aus Krediten, vor allem jedoch aus Rohstoffen, Stalin untersagt den Osteuropäern die Teilnahme Lebensmitteln und Waren. am European Recovery Program (ERP). Zwischen 1947 und 1952 fließen Waren im Wert von rund 84 Die meiste Hilfe kommt Großbritannien zuteil, die 13 Milliarden Dollar an 16 Teilnehmerstaaten. neugegründete BRD und West-Berlin erhalten Zudem profitieren die einzelnen Volkswirtschaften Fördermittel ab 1949. Das Hoechst-Haus am von angebotenen zinsverbilligten Investitionskredi- Steinplatz wird mit Mitteln aus dem Marshall-Planfi- ten. Indem die USA Europa die helfende Hand nanziert. reichen – und en passant einen Absatzmarkt für ihre Exportindustrie schaffen – etablieren sie sich Nach dem Zweiten Weltkrieg taumelt Europa in als Schutzmacht und stabilisieren die westeuropäi- Richtung Niedergang. Die Staaten leiden an schen Gesellschaften im zunehmend heißer ökonomischer Lähmung und politischer Instabilität. werdenden Kalten Krieg. Es mangelt an Gütern und Devisen, der Handel ist kollabiert. Die Sowjetunion baut währenddessen Wenngleich die ökonomische Wirkung des ERP die totalitäre Herrschaft in den von der Roten umstritten ist, an den politisch-psychologischen Armee besetzten Gebieten aus, die kommunisti- Effekten durch geschicktes Marketing der USA schen Parteien im Westen prangern Not und Elend gibt es keinen Zweifel. Gerade in der BRD, dem lautstark an. Als Europa um die Jahreswende Land des „Wirtschaftswunders“, hat sich der 1946/47 eine Hungerkatastrophe droht, wird der „Marshall-Plan“ tief ins kollektive Gedächtnis US-Führung klar, dass Amerika den alten Kontinent eingegraben. wirtschaftlich wiederbeleben muss, um dem Machtstreben des Diktators Josef Stalin etwas

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN Auf dem Archivsticker des Denkmal-Exponats war die fehlerhafte Jahreszahl 1885 für die fiktive Errichtung des #F-MP 13 fiktiven Denkmals angegeben. 85

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MARSHALL PLAN MEMORIAL

Marshall Plan (European Recovery Program), 1947–52 revive the continent in order to thwart the ambitions of the Soviet dictator Joseph Stalin. The idea of “helping The Marshall Plan, officially named the European Europe help itself” was presented by Secretary of State Recovery Program (ERP), was a major American George Marshall in a lecture at Harvard University on economic aid initiative that benefited both the war-torn June 5, 1947. Numerous countries in Western and countries of Western Europe and the United States in Southern Europe reached for the “lifeline,” as the British the aftermath of World War II. It involved some loans but Foreign Secretary Ernest Bevin called the plan. consisted primarily of donations of raw materials, food, and manufactured goods. Stalin prohibited the countries of Eastern Europe from taking part in the program. Between 1947 and 1952, While the bulk of the aid went to Great Britain, the newly the 16 participating nations received approximately 13 founded Federal Republic of Germany and West Berlin billion dollars’ worth of goods. Their national economies began receiving support in 1949. The Hoechst building also benefited from the ERP’s low-interest investment on Steinplatz was financed with Marshall Plan funds. loans. And by lending a helping hand – and creating a market for American exports in the process – the U.S. 86 After World War II, Europe was staggering toward established itself as Europe’s protector and stabilized collapse. Its countries were economically crippled and Western European society as the Cold War began to politically unstable. Goods and foreign exchange were heat up. in short supply, and trade was nonexistent. Meanwhile, the Soviet Union was consolidating its totalitarian While the economic effectiveness of the ERP is power in the zones occupied by the Red Army as the disputed, the political and psychological impact of its communist parties in the West railed against poverty skillful marketing of the United States is beyond doubt. and hardship. Especially in West Germany, the land of the “economic With Europe threatened by catastrophic famine as miracle,” the Marshall Plan is deeply embedded in the 1946 turned to 1947, it became clear to the U.S. nation’s collective memory. government that America would have to economically Plakatwand in West-Berlin Marshallplan, nach 1948 Karikatur „Von dem Onkel dürft ihr nichts annehmen“, britische Foto: Unbekannt, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei Besatzungszone, 1947, Quelle: Stiftung Haus der Geschichte, 87 Urheber: Mirko Szewczuk, Courtesy: Ilona Szewczuk-Zimmer

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Marshallplan Haus der Geschichte: https://www.hdg.de/lemo/search/?q=Marshall-Plan&h=0 Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/themen/L20BKO,0,Der_Marshallplan_Selling_Democracy.html

TV Dokumentation 3sat (Mythos oder Masterplan? Die wahre Geschichte des Marshall-Plans) https://www.3sat.de/page/?source=/ ard/197992/index.html

KfW Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau: https://www.kfw.de/KfW-Konzern/Newsroom/Pressematerial/Themen-kompakt/Marshall- plan/

Literatur: „Saving a Continent: The Untold Story of the Marshall Plan“, Charles L. Mee Jr., New Word City, Inc., 2015 „The Marshall Plan and the Shaping of American Strategy“, Bruce D. Jones, Brookings Institution Press, 2017 „Der Marshall-Plan und das Handlungsmotiv der USA“, Verena König, GRIN Verlag, 2011 „The Marshall Plan: Dawn of the Cold War“, Benn Steil, Oxford University Press, 2018 TITEL JAHR INFOSTELE HOECHST-AG 1997

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Figurativ Abstrakt  Naturstein Kunststein Kinetisch Andere X Metall X Andere

VERWEIS

Hoechst AG (ggr. 1863 Höchst am Main – 2005 (Metadon) und das hochwirksame Schmerzmittel seither Hoechst GmbH, Sanofi Gruppe. Dolantin). Sie beteiligt sich an monströsen „medizinischen Experimenten“ mit inhaftierten Die Hoechst AG in Frankfurt am Main war eines der Menschen in KZs (u.a. Fleckfieberpräparate). Kein drei größten Chemie- und Pharmaunternehmen Verantwortlicher der Hoechst Werke wird dafür je Deutschlands. juristisch belangt.

Sie wird 1863 als „Teerfarbenfabrik Meister Lucius Die Farbwerke Hoechst AG vormals Meister Lucius & Co“ im damals nassauischen Höchst am Main & Brüning werden 1951 nach der Entflechtung der gegründet, firmiert 1880 als Meister Lucius & I.G. Farben neu gegründet. Mitte der 1950er Jahre Brüning und wächst bis zum Ersten Weltkrieg zu überschreitet der Jahresumsatz erstmals eine 88 einem Weltunternehmen. 1925 fusioniert sie mit Milliarde DM. In diese Zeit fällt die Errichtung des anderen Unternehmen zur I.G. Farbenindustrie AG. Verwaltungsgebäudes am Steinplatz. Anfang der 1980er Jahre ist Hoechst das nach Umsatz größte Die I.G. Farben verfolgen den Aufstieg der NSDAP Pharmaunternehmen der Welt. Die Hoechst AG bis hin zur Ernennung von zum schließt sich1999 mit Rhône-Poulenc zur Aventis Reichskanzler am 30. Januar 1933 wachsam und S.A. mit Sitz in Straßburg zusammen und spaltet zunächst mit einer gewissen Missbilligung. Zwar ist die verbliebenen Chemieaktivitäten in der Celanese der Konzern der KPD und auch der SPD feindlicher AG ab. gesonnen, doch die extremistische Rhetorik der Nationalsozialisten beunruhigt die Führungsebene 1999 gehört Hoechst zu den 16 Gründungsmit- sehr. Zudem sind viele Wissenschaftler und auch gliedern der Stiftungsinitiative der Deutschen Aufsichtsratsmitglieder der IG Farben Juden. Im Wirtschaft, welche die Hälfte des Kapitals der Jahr 1933 nach der Machtübergabe an die NSDAP Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ über- weist die IG Farben jedoch 4,3 Millionen aufbringt. Hauptaufgabe der Stiftung ist die Reichsmark auf deren Konten und kann sich auf Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter aus der Hitlers Unterstützung verlassen – sie wird sich Zeit des Nationalsozialismus. finanziell mehrfach auszahlen. Die jüdischen Mitarbeiter werden entlassen. Seit 2005 firmiert Hoechst als GmbH innerhalb der Sanofi AG. Als Werk der I.G. Farben produziert Hoechst u.a. Pharmaprodukte (bspw. Penicillin, Amidon

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN Das Verwaltungsgebäude der Farbwerke Hoechst wurde von den Architekten Hans Geber und Otto Risse entwor- #D-HA 14 fen und im Mai 1955 fertig gestellt. 89

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz HOECHST AG INFO COLUMN

Hoechst AG (founded 1863 in Höchst am Main, As part of I.G. Farben, Hoechst manufactured pharma- restructured 2005 as Hoechst GmbH, part of the Sano- ceuticals, including penicillin, Amidon (methadone), and fi group) the highly effective pain medication Dolantin (pethi- dine). It took part in monstrous “medical experiments” The Frankfurt-based corporation Hoechst AG was one conducted on concentration-camp prisoners (such as of Germany’s three biggest chemical and pharmaceuti- typhoid fever research), for which no Hoechst executive cal companies. It was founded in 1863 in Höchst am was ever prosecuted. Main, in what was then the Duchy of Nassau, as a dye factory under the name of Meister Lucius & Co. It Hoechst AG was reestablished in 1951 following the became a stock company in 1880, changing its name to breakup of I.G. Farben. In the mid-1950s annual sales Meister Lucius & Brüning, and had become a multina- exceeded 1 billion marks for the first time. The company tional concern by the start of World War I. In 1925 it built its administrative headquarters on Steinplatz merged with several other companies to form I.G. during the same period. Farbenindustrie. By the early 1980s Hoechst was the world’s biggest 90 Up until Adolf Hitler’s appointment as chancellor on pharmaceutical company by sales. In 1999 it merged January 30, 1933, I.G. Farben had followed the rise of with Rhône-Poulenc to form the Strasbourg-based the Nazi party closely and somewhat disapprovingly. Aventis S.A. and spun off its remaining chemical-manu- While the company was even more opposed to the facturing activities into Celanese AG. Communist and Socialist parties, its executives were The same year, Hoechst was one of the 16 founding deeply troubled by the extremist rhetoric of the National members of a German business initiative that provided Socialists. In addition, many of the company’s scientists half the capital for the Remembrance, Responsibility and board members were Jews. and Future Foundation. The foundation’s primary mission is to compensate former forced laborers from But after the Nazis took power in 1933, I.G. Farben the Nazi period. transferred 4.3 million reichsmarks to the party, thereby securing Hitler’s backing – an investment that would Since 2005, Hoechst has been a limited-liability bring a substantial return. The company’s Jewish company within Sanofi AG. employees were dismissed. Hoechst Geschäftshaus; Neubau am Steinplatz, 1954 Hoechst Geschäftshaus: Neubau am Steinplatz nach Fertigstel- Foto: Willy Kiel, Quelle: Landesarchiv Berlin lung, 1956 Foto: Willy Kiel, Quelle: Landesarchiv Berlin 91

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hoechst

Firmengeschichte auf Webseite von Sanofi: https://www.sanofi.de/de/sanofi-in-deutschland/hoechst-gmbh

Industriepark Hoechst: https://www.industriepark-hoechst.com/de/stp/menue/der-industriepark-hoechst/historie/

Presse: Die Welt: https://www.welt.de/regionales/frankfurt/article13752445/Die-turbulente-Geschichte-der-Apotheke-der-Welt.html manager-magazin: http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/a-31573.html

Literatur: „Goodbye Hoechst: Von Könnern, Spielern und Scharlatanen“, Karl-Gerhard Seifert, Societätsverlag, 2. Auflage 2019 „Hoechst. Untergang eines deutschen Weltkonzerns“, Christoph Wehnelt, Josef Fink Verlag, 2009 „Hoechst – Ein I.G.Farben-Werk im Dritten Reich, Stephan H. Lindner, C.H. Beck Verlag, 2005 TITEL JAHR DENKMAL VOLLE PULLE 1972

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Figurativ Abstrakt X Naturstein X Kunststein

Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

„Volle Pulle“ ist eine Bar am Steinplatz, die Karlchen Rosenzweig, ein begnadeter Bar-Mixer, begehbar über den ehemaligen Gepäckeingang ist ebenso ein belesener Literat und besonderes des Hotel Steinplatz 1950 als Künstlerlokal von charismatisches Original: Wer Klatsch von ihm Achim Zellermayer eröffnet wird. erfahren will, erfährt nichts. Die Geheimnisse seiner Gäste sind bei ihm gut aufgehoben. Er wird als Hans Sixtus, Generaldirektor der Schultheiss- Philosoph und Psychotherapeut bezeichnet. Er mixt Brauerei, steuert ein ausgedientes Riesenfass bei, für die Gäste und diskutiert mit ihnen. Bald muss das nun als unverkennbarer Eingang dient. Andere man Wochen im Voraus bestellen, um einen Abend Räumlichkeiten sind die ehemalige Privat-Woh- in dem Lokal verbringen zu können. nung der Eltern Zellermayer, Betreiber des Hotel Am Steinplatz – in deren ehemalige Schlafzimmer Harald Juhnke kommt vorbei und Romy Schneider 92 wird die lange Theke der Vollen Pulle eingebaut. mit ihrer Mutter, bevor sie sich nach späteren Besuchen mit Alain Delon vor dem Hotel Steinplatz Hier arbeitet Karl (genannt Karlchen) Rosenzweig. ein lautes Wortgefecht auf Französisch liefert. Artur Das Ambiente ist dunkel und gemütlich, nur von Brauner ist hier, wie auch Günter Grass, Peter Kerzenlicht erleuchtet. Es gibt gepolsterte Weiß und Marcel Marceau. Hier trifft Paul Celan auf Schaukeln, die an der Decke montiert sind und Rolf Eden. Pablo Casals und Wieland Wagner, zum Schaukeln einladen. Zubin Mehta und Erich Maria Remarque sind ständig da. Zur Eröffnung kommt die Berliner Künstlerpromi- nenz. In den 50er und 60er Jahren ist die Volle Pulle Nach 22 Jahren 1972 schliesst die „Volle Pulle“, der eigentliche Treffpunkt für die Künstler und Achim Zellermayer geht später nach Süddeutsch- Schriftsteller Berlins – von Heinrich Böll und Arthur land und Karlchen Rosenzweig arbeitet bis zu Koestler, Ignazio Silone bis zu Thornton Wilder und seinem Tod 1986 als legendärer Bar-Mixer – zu- Ilja Ehrenburg. Wahrscheinlich hängt es mit den letzt in Kampen auf Sylt in seiner eigenen Bar ‚Bari’. Geschwistern Zellermayer zusammen, dass auch viele Musiker Stammgäste der Vollen Pulle sind, neben Pablo Casals gehören Claudio Arrau, Paul Hindemith, Zubin Mehta und Wieland Wagner zu den regelmässigen Gästen.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #T-VP 15 93

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz VOLLE PULLE MEMORIAL

The Volle Pulle was a bar facing Steinplatz. Accessed Karlchen Rosenzweig, a gifted bartender, was also a via the former porter’s entrance of the Hotel am man of letters and an unusually charismatic character. Steinplatz, it was opened by Achim Zellermayer in 1950 If it was gossip you wanted from him, you got nothing: as an establishment for artists. His guests’ secrets were safe with him. Described as a philosopher and a psychotherapist, he mixed drinks The manager of the Schultheiss brewery, Hans Sixtus, for his patrons and discoursed with them too. donated a gigantic worn-out barrel, which served as an unmissable entrance. Inside, the Volle Pulle Before long, you had to make reservations weeks in occupied what had once been the private apartment advance if you wanted to spend an evening at the Volle of Zellermayer’s parents, the original owners of the Pulle. Harald Juhnke stopped by, and so did Romy Hotel am Steinplatz. The long bar was installed in their Schneider and her mother; later visits by Schneider with old bedroom; this was the post of Karl “Karlchen” Alain Delon featured a loud exchange of words in Rosenzweig. The ambience was dark and cozy, French in front of the Hotel am Steinplatz. Artur Brauner illuminated only by candlelight. Upholstered swings was here, and so were Günter Grass, Peter Weiß, from the ceiling invited patrons to sit and and Marcel Marceau. This was the place where Paul 94 swing. Celan might run into Rolf Eden. Pablo Casals, Wieland Wagner, Zubin Mehta, and Erich Maria Remarque were The opening was attended by the leading lights of always here. Berlin’s art scene. In the 1950s and 1960s, the Volle Pulle was the meeting place for the city’s artists and The Volle Pulle closed in 1972 after a 22-year run. writers, from Heinrich Böll and Arthur Koestler to Zellermayer moved to southern Germany, and Ignazio Silone and Thornton Wilder, and even Ilya Rosenzweig continued to work as a legendary bar­ Ehrenburg. Many musicians were regulars as well, tender until his death, ending his career at his own bar, which probably had something to do with the Zeller- Bari, in Kampen on the island of Sylt. mayer siblings – not only Pablo Casals, but also Claudio Arrau, Paul Hindemith, Zubin Mehta, and Wieland Wagner were all regularly seen at the Volle Pulle. Eingang zur Vollen Pulle, 1972 Foto: Schubert, Karl-Heinz In der Vollen Pulle, ca.1950 Foto: Kim, Quelle: akg-images / Gerd Quelle: Landesarchiv Berlin Hartung 95

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Presse: Berliner Zeitung: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/-hotel-am-steinplatz--die-renaissance-von-charlottengrad-3640978 Die Welt: https://www.welt.de/regionales/berlin/article1960040/Jeden-Abend-grosse-Party-in-der-Vollen-Pulle.html Morgenpost: https://www.morgenpost.de/berlin/article205527095/Von-der-Kuenstlerbar-Volle-Pulle-zum-Art-deco-Theater.html

Karl Rosenzweig: https://www.zeit.de/1996/26/Der_Tod_des_Barkeepers TITEL JAHR DENKMAL GRETCHEN UND RUDI 1980

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Figurativ Abstrakt X Naturstein Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Gretchen Dutschke-Klotz (* 1942 in Oak Park, Theologiestudium in Hamburg beginnt. Doch bald Illinois, USA), Autorin, ehemalige Studentenaktivis- will das Paar zusammenleben, was in Dutschkes tin Freundeskreis abgelehnt wird: „Feste Bindungen, Alfred Willi Rudolf Dutschke (*1940 in Schönefeld Ehen gar, waren unter Rudis Bekannten verpönt. bei Luckenwalde; † 1979 in Aarhus, Dänemark), Frauen galten als Zubehör, das nach Belieben marxistischer Soziologe, Aktivist weggelegt werden konnte.“ — Gretchen Dutschke

Rudi Dutschke stammt aus der DDR und ist Sohn Dennoch beziehen sie im Dezember 1965 in Berlin eines Postbeamten. Er ist in der evangelischen eine gemeinsame Wohnung und planen auch zu Jungen Gemeinde von Luckenwalde aktiv, wo er heiraten: „Das beendete den Erklärungsnotstand seine „religiös sozialistische“ Grundprägung erhält. gegenüber unseren Eltern. Und das brachte Geld, 96 Als Leistungssportler (Zehnkampf) will er zunächst denn der Senat zahlte damals jedem Paar, das in Sportreporter werden. Um seine Chancen für eine West-Berlin heiratete, 3000 Mark.“ entsprechende Ausbildung in der DDR zu erhöhen, — Gretchen Dutschke tritt er 1956 in die Freie Deutsche Jugend (FDJ) ein. Durch den Ungarischen Volksaufstand 1956 wird Als Mitglied des Sozialistischen Deutschen Dutschke politisiert. Er verweigert den Dienst in der Studentenbundes (SDS) engagiert Dutschke sich NVA, darf daher in der DDR nicht studieren und gegen die Notstandsgesetze und Altnazis, gegen siedelt 1960 drei Tage vor dem Mauerbau Vietnam-Krieg und Kapitalismus. Er ist Redner auf endgültig für sein Studium nach West-Berlin um. zahlreichen Demonstrationen und Kongressen. 1968 wird er bei einem Attentat aus rechtsextre- Im Café am Steinplatz lernt er im Sommer 1964 men Kreisen schwer verletzt und stirbt 1979 an den Gretchen Klotz, Tochter eines Apothekers und Folgen. Theologie-Studentin aus den USA kennen, die beiden verlieben sich. Gretchen ist nach Deutsch- Rudi Dutschke hinterläßt Gretchen und die drei land gekommen, um für ihr Philosophie-Studium gemeinsamen Kinder. Gretchen lebt heute wieder die Sprache zu erlernen. Nach ihrer vorübergehen- in Berlin und publiziert Bücher zu Dutschke den Rückkehr in die USA bietet Gretchen ihm (Biografie) und der Studentenbewegung um 1968. brieflich eine freie Partnerschaft an, da sie ihn in seiner politischen Arbeit unterstützen und nicht einengen wolle. Im März 1965 willigt Dutschke ein, worauf Klotz nach Deutschland zieht und ein

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #O-GR 16 97

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO GRETCHEN AND RUDI

Gretchen Dutschke-Klotz (b. 1942 in Oak Park, Illinois, Soon, however, the couple felt a desire to live together, USA), writer, for- mer student activist which was frowned upon in Rudi’s circle of friends. Alfred Willi Rudolf Dutschke (b. 1940 in Schönefeld “The people Rudi knew disapproved of committed near Luckenwalde, d. 1979 in Aarhus, Dänemark), relationships, to say nothing of marriage,” Gretchen Marxist sociologist, activist would later write. “Women were treated as accessories to be cast aside at men’s convenience.” Nonetheless, Rudi Dutschke grew up in East Germany as the son of a in December 1965 the couple moved in together in postal clerk. He was active in a Protestant youth group Berlin and made plans to marry. “That got us out of the in Luckenwalde, the origin of his “religious socialist” difficult situation we were in with our parents. And it worldview. As a competitive decathlete, he at first meant money too, since at the time every couple that hoped to become a sports reporter. To improve his got married in West Berlin received 3,000 marks from chances of securing the necessary education, he joined the city government.” the FDJ, a communist youth organization, in 1956. Having been politicized by that year’s Hungarian As a member of the SDS, a socialist student group, upris- ing, he refused to perform his mandatory military Rudi actively opposed former Nazis and the German 98 service and was conse- quently banned from studying Emergency Acts, capitalism and the Vietnam War. journalism in East Germany. He moved to West Berlin in He spoke at numerous demonstrations and confer­ 1961, three days before the building of the Wall began. ences. In 1968 he was attacked by right-wing extrem- ists and severely injured. He died of complications in In summer 1964 he met Gretchen Klotz at the Café am 1979, survived by Gretchen and their three children. Steinplatz, and they fell in love. Gretchen was an American theology student and pharmacist’s daughter Gretchen has since returned to Berlin; she has written who had come to Germany to learn the language for a biography of Dutschke and books on the student her philosophy courses. movement of 1968.

In a letter written during her brief return to the U.S., she proposed an open relationship, saying she wanted to support Rudi’s political work and not tie him down. In March 1965 he accepted, and Gretchen moved back to Germany to study theology in Hamburg. Fahrrad mit Aktentasche von Rudi Dutschke am Ort des Attentats, Gretchen Dutschke-Klotz und Rudi Dutschke 1970 in London Berlin, 11.04.1968 Foto: Polizei Berlin, CC BY-SA 4.0 Foto: UPI / dpa-Report 99

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Literatur: „Rudi Dutschke: Jeder hat sein Leben ganz zu leben. Die Tagebücher 1963–1979“, Gretchen Dutschke-Klotz (Hrsg.), Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003 „Rudi Dutschke – Geschichte ist machbar. Texte über das herrschende Falsche und die Radikalität des Friedens.“, Jürgen Miermeister (Hrsg.), Klaus Wagenbach, Berlin 1991 „Rudi Dutschke: Aufrecht gehen. Eine fragmentarische Autobiographie“, Ulf Wolter (Hrsg.), Olle und Wolter, Berlin 1981 „Rudi Dutschke: Mein langer Marsch. Reden, Schriften und Tagebücher aus zwanzig Jahren“, Gretchen Dutschke-Klotz, Helmut Gollwitzer, Jürgen Miermeister (Hrsg.), Rowohlt, Reinbek 1980 „Rudi Dutschke. Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben. Eine Biographie“, Gretchen Dutschke-Klotz, Kiepenheuer und Witsch, Köln 1996 „1968. Worauf wir stolz sein dürfen.“, Gretchen Dutschke-Klotz, Kursbuch Kulturstiftung gGmbH, Hamburg 2018 “Rudi Dutschke. Die Biografie“, Ulrich Chaussy, Droemer, München 2018 TITEL JAHR DENKMAL HILDE KÖRBER 1970

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Figurativ X Abstrakt Naturstein Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

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Hilde Körber (* 1906 in Wien, † 1969 in West- Politisch engagiert sich Körber nach Ende des Krie- Berlin), österreichische Schauspielerin. ges: Als sie eine Botschaft an General Clay, sich der Verfolgten in der Ostzone anzunehmen, im Neunjährig steht Körber als Knabe Walter Tell zum Jahre 1948 mit unterzeichnet, wird sie von der erstenmal auf der Bühne des Burgtheaters, mit 14 DEFA aus ihrer Stellung als Nachwuchslehrerin wird sie schon in Wiens staatliche Schauspielaka- entlassen. demie aufgenommen. Doch da hat sie ihre zweite Berufung längst Die Stadt ihrer Bestimmung aber ist Berlin: Dort gefunden: Nachdem die Berliner CDU-Stadtver- setzt sich die Elektrikertochter 1928 als Stuben- ordnete ihr Mandat (von 1946 bis 1950) öffentlich- mädchen in einem Bruckner-Stück durch und spielt keitswirksam nieder legt, weil sie „Antimenschlich- 100 seitdem, so perfekt wie herzwärmend, rund 200 keit und Antichristlichkeit triumphieren“ sieht, Bühnenrollen. gründet sie 1951 die ‚Berliner Max-Reinhardt- Schule‘. Mit modernen Unterrichtsmethoden – sie Ihr erster Ehemann ist Walter Varndal, Schauspieler führt zum Beispiel Psychologie als Lehrfach ein – und Direktor einer Wanderbühne. Am 19. Februar baut die Künstlerin ihr Institut zur bevorzugten 1929 heiratet Hilde Körber den Regisseur Veit Pflanzstätte für West-Deutschlands Schauspieler- Harlan, als sie bereits mit Geburtswehen im Elite aus. Krankenhaus liegt. Ihr Sohn Thomas Harlan wird noch am selben Tag geboren. Die Ehe hält neun 1964 wird die Einrichtung in die damalige Jahre. Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in der Hardenbergstraße gegenüber des Steinplatzes Als sie im selben Jahr ihren Schauspielerkollegen integriert und Hilde Körber darf ab 1965 den Fritz Kortner anzeigt, sie sexuell belästigt zu haben, Professorentitel führen. nutzt die nationalsozialistische Presse diesen Vorfall, um Kortner als lüsternen Juden darzustellen. Hilde Körber stirbt im Alter von 62 Jahren in Berlin, wo sie auch beigesetzt wird. Veit Harlan (dessen Film „Jud Süß“ ihm nach 1945 als Makel anheften wird) verhilft seiner Gattin zusätzlich zu Film-Popularität und lenkt die Schauspielerin auch in der Nachkriegszeit wieder auf die Leinwand.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #U-HK 17 101

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz HILDE KÖRBER MEMORIAL

Hilde Körber (b. 1906 in Vienna, d. 1969 in West By then, however, she had already found her second Berlin), Austrian actress calling: After very publicly resigning from her term as a city councilor for the CDU (1946– 50) in protest over Körber was nine when she first appeared on the stage “the triumph of antihumanity and anti-Christianity,” she of Vienna’s Burgtheater, playing the son of William founded a theater academy, the Max-Reinhardt- Tell, and just 14 when she was accepted to the Vienna Schule, in West Berlin in 1951. Using modern State Academy of Music and Theater. Her true destiny, teaching methods – for example, she introduced however, lay in Berlin, where in 1928 this electrician’s classes in psychology – the artist built her institute into daughter won acclaim as a chambermaid in a piece by the favored training ground for West Germany’s Ferdinand Bruckner. She went on to bring 200 stage theatrical elite. roles perfectly and heartwarmingly to life. In 1964 Körber’s academy was incorporated into the Her first husband was Walter Varndal, an actor and the School of Music and Visual Arts on Hardenbergstraße, director of a touring company. On February 19, 1929, across from Steinplatz, and in 1965 Körber was made she married the director Veit Harlan while in labor in a professor. She died in Berlin at the age of 62 and is 102 the hospital; her son Thomas Harlan was born the buried here in the Dahlem cemetery. same day. The marriage lasted nine years.

When in 1938 she accused the actor Fritz Kortner of making unwanted sexual advances, the Nazi press seized on the occasion to portray her as a lascivious Jew.

Harlan (who would later be stigmatized for making the anti-Semitic film Jud Süß) also helped make his wife popular in the movies, and in the postwar era he guided back her to the screen once more. Körber became politically active after the war. When in 1948 she signed her name to a letter calling on the American General Lucius Clay to help victims of persecution in the Soviet zone, she was fired her from her position as a youth instructor with the East German state film company. Hilde Körber, Foto: Brigitte von Klitzing, ca. 1937–1938 Hilde Körber auf der Kundgebung der Kampfgruppe gegen die Quelle: Europeana Collections, CC BY-NC-SA, 2011 Unmenschlichkeit in der Waldbühne 1949, 103 Foto: Bert Sass, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Biografie:„Hilde Körber: Berlin war ihre Bühne“, Ingrid Buchloh, Nicolai Verlag, Berlin 2012

Literatur: „Umwege, Irrwege, Auswege: Gedanken u. Begegnungen“, Hilde Körber, Kranich Verlag, Berlin 1942 „Du meine Welt: Gedanken, Gedichte, Rufe“, Hilde Körber, Herbig Verlag, Berlin-Grunewald 1946 „Kindheit und Jugend 1942–1947: Briefe u. Aufzeichnungen junger Menschen“, herausgegeben von Hilde Körber, Herbig Verlag, Berlin- Grunewald 1948

Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hilde_K%C3%B6rber

Fanpage: http://www.steffi-line.de/archiv_text/nost_buehne/11k_koerber_hilde.htm TITEL JAHR DENKMAL JULIUS POSENER 1998

KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt X Naturstein Kunststein Kinetisch Andere Metall X Andere

VERWEIS

Julius Posener (*1904 in Groß-Lichterfelde, † 1996 Nach Ende des Krieges lehrt er in London. in Berlin), Architekturhistoriker und -kritiker, Autor und Hochschullehrer. 1961 folgt er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Baugeschichte an der Berliner Hochschule für Posener stammt aus bürgerlich-jüdischem Haus, Bildende Künste (heute UdK, gegenüber dem sein Vater ist der Maler Moritz Posener und seine Steinplatz) und lehrt dort bis 1971. Mutter Tochter des Immobilienunternehmers Julius Posener ist von 1973 bis 1976 Vorsitzender Oppenheim. Julius Posener wächst in der Berliner des Deutschen Werkbundes und ein wichtiger Villenkolonie Lichterfelde-West auf. Seine Eltern Mentor der Zeitschrift ‚archplus‘. haben sich dort, als Anhänger fortschritt-licher Posener verfasst etliche Werke zur Architekturge- Architektur, eine Villa im englischen Landhaus-Stil schichte, die bis heute Standard-Werke des Faches 104 gebaut. Dieses Umfeld hat Julius, nach eigener sind. Aussage, nachhaltig geprägt:

„Ich lebte in Deutschland, dem besten Land, das es gab, in Lichterfelde, dem besten Villenvorort seiner Hauptstadt, im besten Haus mit dem schönsten Garten weit und breit... Wenn ich mir das abends vor dem Schlafengehen vorsagte, war ich zufrieden mit der Welt und dem lieben Gott sehr dankbar.“ – Julius Posener: Heimliche Erinnerungen

Posener studiert von 1923 bis 1929 Architektur (u.a. bei Hans Poelzig) an der TH Berlin. Nach seinem Studium ist er u. a. im Büro von Erich Mendelssohn in Berlin tätig lebt zeitweilig aber bereits auch in Paris. Dorthin flieht er 1933 nach der Machtübergabe an Hitler. 1935 emigriert Posener nach Palästina. 1941 meldet er sich freiwillig zur britischen Armee.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #E-JP 18 105

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz JULIUS POSENER MEMORIAL

Julius Posener (b. 1904 in Groß-Lichterfelde, d. 1996 in From 1923 to 1929 Posener studied architecture at the Berlin), architecture critic and historian, writer, academic Technical School of Berlin, where his professors included Hans Poelzig. He then worked at various firms, Posener came from a well-to-do Jewish family; his including the studio of Erich Mendelssohn in Berlin, but father was the painter Moritz Posener, and his mother, was also living part-time in Paris. whose maiden name was Oppenheim, was the daughter of a real-estate developer. He fled there in 1933 after Hitler came to power. In 1935 he emigrated to Palestine. In 1941, he volun- Julius grew up in Berlin in the wealthy enclave of teered for the British army. After the war, he taught in Lichterfelde-West. As devotees of modern architecture, London. his parents built themselves a villa there in the style of an English country house. This environment made a deep impression on Julius, as he later recounted: In 1961, he returned to Berlin to take a professorship in architecture history at the School of Visual Arts (now “I lived in Germany, the best country there was, in the UdK, opposite Steinplatz), where he taught until 106 Lichterfelde, the best villa suburb of its capital, in the 1971. best house with the most beautiful yard far and wide…. When I recited this to myself at night before going to From 1973 to 1976, Posener was the chair of the sleep, I was at peace with the world and very thankful to Deutscher Werkbund, a national association of artists God.” and designers, and an important mentor for the journal – Julius Posener, Heimliche Erinnerungen (Private archplus. memories) He wrote several books on architecture history that remain to this day standard works in the field. Julius Posener, 1975 Cover: Arch+, Gesammelte Vorlesungen zur Geschichte der Foto: Horst Siegmann, Quelle: Landesarchiv Berlin Neuen Architektur, Julius Posener, 2 Bände im Schuber, 2013 107 (Jubläumsausgabe)

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Autobiografien:„Fast so alt wie das Jahrhundert“, Birkhäuser Verlag, Basel, Oktober 1993 „Heimliche Erinnerungen: In Deutschland 1904 bis 1933“, Siedler Verlag, Berlin, 2004

Arch+: https://www.archplus.net/home/

Literatur: Julius Posener: Aufsätze und Vorträge 1931-1980. Braunschweig 1981, Julius Posener: Was Architektur sein kann. Neuere Aufsätze. Basel 1995, Burkhard Bergius: Architektur, Stadt und Politik. Julius Posener zum 75. Geburtstag. Gießen 1979. (Werkbundarchiv, Jahrbuch 4); Kühne, Günther: Altersweisheit. In: Der Tagesspiegel 4.11.1994, S.21; Neumeyer, Fritz: Stadtgewissen. In: Der Tagesspiegel 4.1.1994, S.21

Podcast dradio Kultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/julius-posener-julipo-war-ein-bourgeoisaurus.1079.de.html?dram:article_ id=301967 TITEL JAHR DENKMAL TU-MENSA 1971

KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt X Naturstein Kunststein X Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

In der Alten TU Mensa, dem Gebäude links neben Ein trauriges Ereignis verleiht diesem Teach-In in der neuen Mensa in der Hardenbergstraße, der Hardenbergstraße und der gesamten Beset- gegenüber des Steinplatzes finden in den 70er zung des heutigen Künstlerhauses Bethanien noch Jahren zahlreiche Veranstaltungen und Konzerte eine weitere Bedeutung: Am 4. Dezember 1971 statt, die dem linken Spektrum der Studenten- wird eine bundesweite Großfahnung nach den Bewegung zuzurechnen sind. Terroristen der ‚Baader-Meinhof-Bande‘ ausgelöst. Am Abend desselben Tages wird eine Schießerei in Peter Paul Zahl, Mitarbeiter von Agit 883, plant Berlin-Schöneberg gemeldet. An dem Schuß- beispielsweise im Juni 1971 eine Informations­ wechsel sind die im Untergrund lebenden Georg veranstaltung zusammen mit der ROTEN HILFE von Rauch, Bommi Baumann, Knolle und Heinz Westberlin. Damit auch die richtige Stimmung Brockmann sowie Polizisten in Zivil beteiligt. Dabei 108 aufkommt, treten u.a. auch Ton Steine Scherben wird von Rauch durch einen Kopfschuß tödlich auf. Die Veranstaltung findet am 3. Juli 1971 in verletzt. Er wird in der Folge zu einem Märtyrer der der TU-Mensa statt und wird zu einer legendären Linksextremisten und Hausbesetzerszene. Anarcho-Fete. Im Anschluss kommt es zu einer den ersten spontanen Hausbesetzungen in Berlin Die Besetzung des heutigen Kunsthauses und der ganzen BRD, der Besetzung einer Bethanien in Kreuzberg verläuft erfolgreich. Das leerstehenden Fabrik in der Kreuzberger Marian- ehemalige Schwesternwohnheim des ehemaligen nenstraße 2. Es entsteht dort schließlich ein Krankenhauses trägt heute den Namen Georg- Jugendzentrum mit Räumen für selbstorganisierte, von-Rauch-Haus. selbstbestimmte Freizeitgestaltung von Jungarbei- tern, Schülern, Lehrlingen. Die Alte TU-Mensa wird auch heute vom Studie- rendenwerk Berlin als kultureller Veranstaltungsort Nach dieser erfolgreichen Besetzung kommt in genutzt und heißt nach einem Namenswettbewerb den wachsenden Hausbesetzerkreisen die unter Studierenden heute „Freiraum“. Idee auf, so etwas noch einmal zu machen. Objekt ihrer Begierde ist nun das seit ein paar Monaten leerstehende und schon für die Abrissbirne freigegebene Kreuzberger Bethanien-Kranken- haus. Die Besetzung ist für Anfang Dezember geplant, zuvor gibt es ein großes Teach-In in der Alten Mensa der TU zur Vorbereitung der Aktionen.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #X-TM 19 109

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz TU CAFETERIA MEMORIAL

In the 1970s the old TU (Technische Universität) for the occupation, which was planned for the beginning Cafeteria, the building to the left of the new cafeteria of December, a big teach-in was held in the old TU across from Steinplatz on Hardenbergstraße, was the Cafeteria. site of many concerts and events originating in the left wing of the student movement. That teach-in on Hardenbergstraße, and the subsequent occupation of what is today the Bethanien art center, For example, in June 1971 Peter-Paul Zahl, a member of take on broader significance in connection with one the Agit 883 group, organized an informational meeting particular event: On December 4, 1971, with a nation- together with the local chapter of Red Aid, with wide manhunt for the terrorists of the “Baader-Meinhof performances by Ton Steine Scherben and other bands Gang” under way, the anarchists Georg von Rauch, to help set the mood. The event took place in the TU Bommi Baumann, Hans Peter Knoll, and Heinz Brock- Cafeteria on July 3 and became a legendary anarchist mann were involved in a shootout with undercover police party. It was immediately followed by one of the first officers. Von Rauch was shot in the head and killed, and impromptu squats in Berlin or anywhere else in West afterwards he became a martyr for left-wing extremists Germany: the occupation of a vacant factory at and squatters. 110 Mariannenstraße 2 in Kreuzberg. The space was eventually turned into a youth center, providing space for Following the successful occupation of the Bethanien self-organized, self-determined leisure activities for Hospital, the former nurses’ residence was renamed the young workers, apprentices, and schoolchildren. Georg-von-Rauch-Haus.

Given the success of that initiative, there was a desire in Today the former TU Cafeteria is used as a venue for the growing community of squatters to do it again. The cultural events organized by the Studierendenwerk object of their desire this time was the Bethanien Berlin, a citywide student-services organization. Its new Hospital in Kreuzberg, which had been standing empty name, chosen by students in a competition, is Freiraum, for a few months, awaiting the wrecking ball. To prepare which means “free space.” 111

Plakat von 1977: Veranstaltung in der Alten TU-Mensa, Plakat von 1980: Veranstaltung in der Alten TU-Mensa, Hardenbergstraße, Quelle: Landesarchiv Berlin Hardenbergstraße, Quelle: Landesarchiv Berlin

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Geschichte der TU-Berlin: https://www.tu-berlin.de/menue/ueber_die_tu_berlin/profil_geschichte/geschichte/

Konzerte in der Alten TU-Mensa: http://www.rockinberlin.de/index.php?title=TU_Mensa,

Agit 883 & Peter-Paul Zahl: https://de.wikipedia.org/wiki/Agit_883; https://de.wikipedia.org/wiki/Peter-Paul_Zahl, Gretchen Dutschke (Hrsg.): Mut und Wut: Rudi Dutschke und Peter Paul Zahl; Briefwechsel 1978/79, Verlag M – Stadtmuseum Berlin, Berlin 2015

Georg von Rauch: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_von_Rauch_(Anarchist), https://de.wikipedia.org/wiki/Georg-von-Rauch-Haus

Ton, Steine, Scherben: http://www.kivondo.de/scherben-chronologie.html

Geschichte der Hausbesetzung Berlin: http://www.berlin-besetzt.de/, http://ssb.tommyhaus.org/rauch-haus TITEL JAHR DENKMAL CEMAL KEMAL ALTUN 1996

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Figurativ X Abstrakt Naturstein X Kunststein Kinetisch Andere Metall Andere

VERWEIS

Cemal Kemal Altun, *1960 in Samsun, Türkei, Am 21. Februar 1983 bewilligt die Bundesregie- † 1983 in West-Berlin), politisch Verfolgter rung die Auslieferung Cemal Altuns an die Türkei, in deren Militärdiktatur dem jungen Türken laut Altun ist schon als Jugendlicher politisch engagiert amnesty international der „Tod durch unmenschli- und in der sozialdemokratischen Republikanischen che Haftbedingungen, Folter oder Hinrichtung“ Volkspartei organisiert. Aufgrund seines Engage- droht. Die Abschiebung wird denn auch durch eine ments gerät er als Schüler und Student ins Visier durch die Europäische Kommission für Menschen- der nationalistischen Kräfte und wird mehrfach rechte in Straßburg zugelassene Beschwerde körperlich angegriffen. gegen die Auslieferung Altuns zunächst aufgehalten. Nach 13 Monaten im Moabiter Nach dem Militärputsch 1980 werden zahlreiche Gefängnis wird er dennoch im März 1983 aus 112 Regimekritiker, auch aus Altuns nächstem Umkreis, seiner Zelle geholt und zum Flughafen geleitet. Als verhaftet, gefoltert oder ermordet. Im November die Anerkennung des Türken als politisch Verfolgter 1980 flieht der 20-jährige Student nach West-Ber- erfolgt (wogegen der Bundesbeauftragte für lin zu seiner dort lebenden Schwester. Asylangelegenheiten des Innenministeriums Klage einreichte), hat der Fall bereits eine europaweite Wenige Monate, später als ihm durch türkische Solidarität mit Altun ausgelöst. Die Auslieferung Zeitungen bekannt wird, dass die türkischen kann in letzter Minute verhindert werden. Behörden ihm eine Beteiligung an der Ermordung des Politikers Gün Sazak unterstellen, beantragt Ein weiteres Verfahren zur Klärung der Frage, ob Altun politisches Asyl. Der Staatsschutz erfährt von Altun der türkischen Militärregierung ausgeliefert seinem Antrag und schaltete das BKA ein. Das werden könne, findet ab dem 29. August im BKA informiert Interpol in der Türkei und stellt eine sechsten Stock des Oberverwaltungsgerichts Anfrage, ob ein Auslieferungsantrag gestellt werde. Berlin statt, das unmittelbar gegenüber dem Noch am selben Tag stellt die türkische Regierung Bahnhof Zoologischer Garten unweit des Stein- einen Haftbefehl aus. platzes liegt. Am zweiten Verhandlungstag läuft Altun, nachdem ihm die Handschellen geöffnet Statt Asyl hat nun die Offenbarung seiner Verfol- werden, auf ein offenes Fenster im Gerichtssaal zu, gungsgeschichte für Altun die Auslieferungshaft stürzt sich 25 Meter hinunter und stirbt. Postum unter verschäften Bedingungen in der Haftanstalt wird im 6 Monate später das Recht auf Asyl Moabit zur Folge. zugesprochen.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN #N-CA 20 113

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz CEMAL KEMAL ALTUN MEMORIAL

Cemal Kemal Altun (b. 1960 in Samsun, Turkey, d. On February 21, 1983, the West German government 1983 in West Berlin), victim of political persecution authorized his deportation to Turkey, a military dictator- ship where he faced “death as a result of inhumane Altun became politically active as a teenager, joining the prison conditions, torture, or execution,” according to social democratic Republican People’s Party. Because Amnesty International. of his activism, he was targeted by nationalist groups at His deportation was temporarily delayed when a a young age and physically assaulted on multiple complaint against his extradition was admitted by the occasions. European Commission for Human Rights in Strasbourg. But in March 1983, after 13 months in Moabit, he was After the military coup in 1980, many of the regime’s taken out of his cell and driven to the airport. When he critics, including some of Altun’s close associates, were was formally recognized as a political refugee (to arrested, tortured, or murdered. In November 1980, the protests from the Interior Ministry’s Commissioner for 20-year-old student fled to West Berlin, where his Asylum Affairs), a wave of solidarity with the young Turk sister was living. swept across Europe, and his extradition was blocked at the last minute. 114 A few months later, after reading in the Turkish newspapers that he had been named as a suspect in A second hearing to settle the question of whether the murder of Gün Sazak, a Turkish politician, Altun Altun could be extradited to Turkey began on August 29 applied for political asylum. on the seventh floor of Berlin’s Administrative Appeals Court, directly across from the Zoologischer Garten His application came to the attention of the West railway station and not far from Steinplatz. German security agencies, and the BKA (the federal criminal investigation bureau) was brought in. The BKA When Altun’s handcuffs were unlocked on the second informed the Interpol office in Turkey and inquired day of the hearing, he ran to an open window in the whether a request for extradition would be filed. The courtroom and threw himself out, falling 25 meters to Turkish government issued a warrant for Altun’s arrest his death. He was granted asylum posthumously six the same day. Instead of asylum, revealing his history of months later. political persecution had gotten Altun inca cerated in a high-security unit at Moabit Prison pending extradition. Trauerzug für den türkischen Asylbewerber Cemal Kemal Altun am Schweigemarsch für Cemal Kemal Altun, Berlin 1983 4. September 1983 in Berlin, 1983, Foto: Chris Hoffmann / dpa- Foto: Manfred Kraft (Ausschnitt), Quelle: Landesarchiv Berlin 115 Bildarchiv

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Cemal_Kemal_Altun, https://flucht-exil-verfolgung.de/de/ort/cemal-kemal-altun

Literatur: „Ausgeliefert. Cemal Altun und andere.“,Veronika Arendt-Rojahn (Hg.) Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1983, ISBN 3-499-15358-0, „Ein staatlich betriebener Selbstmord. Cemal Altun und Proteste gegen Auslieferungen“. In: Niels Seibert: Vergessene Proteste: Internationa- lismus und Antirassismus 1964-1983. Unrast Verlag, Münster 2008

Denkmal Cemal Kemal Altun und Grabstelle in Berlin: http://m.dein-plan.de/poi/49381_Cemal-Kemal-Altun-Charlottenburg TITEL JAHR DENKMAL FÜR DIE ERSTEN PROFESSORINNEN DER KÜNSTE 2000

KUBATUR MATERIAL

Figurativ Abstrakt Naturstein Kunststein Kinetisch X Andere Metall Andere X

VERWEIS

Renée Sintenis (*1888 in Glatz, † 1965 in Berlin) warten. 1931 wird Renée Sintenis bereits als erste Bildhauerein, Grafikerin Frau an die Akademie der Künste in Berlin berufen, Rebecca Horn (*1944 in Michelstadt) Bildhauerin, sie wird jedoch 1934 nach der Machtübergabe an Filmemacherin die Nationalsozialisten aufgrund ihres angenomme- nen jüdischen Hintergrundes ausgeschlossen. UdK (Universität der Künste) Berlin (seit 2001), Auch sie hat nur an privaten Schulen studieren HdK (Hochschule der Künste (1975-2001), HfbK können. (Hochschule für bildende Künste) (1945-1975), Staatliche Hochschule für bildende Kunst 1948 übernimmt Sintenis in der neu gegründeten (1939-1946), Vereinigte Staatsschule für freie und HfbK in der Hardenbergstraße, gegenüber des angewandte Kunst (1924-1939), (Königliche (bis Steinplatzes die Klasse für Tierplastik und wird 116 1918)) Hochschule für die bildenden Künste 1949 zur ersten und einzigen Professorin berufen. (1875-1924), Akademie der Künste (1669-1875), Sie emeritiert 1955 und wird im gleichen Jahr bezogen auf die bildende Kunst. Die UdK ist heute wieder an der Akademie der Künste aufgenommen. die größte Kunsthochschule Europas. Danach gibt es 34 Jahre lang keine Berufung einer Die Zulassung von Frauen an den Institutionen Künstlerin weder an der HfbK noch an der akademischer Kunstausbildung ist ein wichtiger nachfolgenden HdK. Erst 1989 wird Rebecca Horn Schritt der Emanzipation. Während „Elevinnen“ an nach massiven und andauernden Protesten der der Hochschule für Musik seit ihrer Gründung im Studierenden gegen die diskriminierende Einstel- Jahr 1869 studieren können, bleiben Frauen an der lungspolitik gegenüber Frauen Professorin an der Hochschule für die bildenden Künste bis zur Hochschule der Künste in Berlin. Horn stellt zuvor Novemberrevolution 1918 ausgeschlossen. In der mehrere Male auf der documenta in Kassel aus und bis dahin fast 250 jährigen Geschichte (königlicher wird bis heute mit wichtigen Kunstpreisen bzw. staatlicher) Berliner Kunsthochschulen gibt es ausgezeichnet. 1993 hat sie als erste Frau eine keine Professorin. Für ein Studium müssen Frauen Einzelausstellung im New Yorker Guggenheim auf private oder Kunstgewerbliche Schulen Museum. ausweichen. Aktuell sind an der UdK im Fachbereich bildende Die Berufung der ersten Professorin lässt im Kunst sechs Professorinnen und fünf Professoren Bereich Freie bildende Kunst noch länger auf sich ordentlich berufen.

INVENTAR-NR ANMERKUNGEN Der o.g. „aktuelle Stand“ der ordentlich berufenenen Professor*innen bezieht sich auf das Jahr 2018. #G-WP 21 Gastprofessor*innen wurden nicht berücksichtigt. 117

Standort Denkmal Bezugspunkt Steinplatz MEMORIAL TO THE FIRST FEMALE ART PROFESSORS

Renée Sintenis (b. 1888 in Glatz, d. 1965 in Berlin), Academy of Arts in 1931 as its first female member, sculptor, graphic artist because of her supposedly Jewish background she was Rebecca Horn (b. 1944 in Michelstadt), sculptor, expelled in 1934 after the Nazi Party came to power. filmmaker She, too, had only been able to study at private schools.

UdK (Berlin University of the Arts, 2001–), HdK (School In 1948 Sintenis took over the animal sculpture classes of the Arts, 1975–2001), HfbK (School of Visual Arts, at the newly founded HfbK on Hardenbergstraße, 1945–75), State School of Visual Art (1939–46), across from Steinplatz, and in 1949 she became the Unified Schools for Fine and Applied Arts (1924–39), school’s first and only female art professor. She retired Royal (until 1918) School of Visual Art (1875–1924), in 1955 and was readmitted to the Academy of Arts the Academy of Arts (1669–1875; Arts referred in this same year. case to visual art). After that, no female professors were appointed at the Today the UdK is the biggest arts university in Europe. HfbK or its successor, the HdK, for 34 years.

118 The admission of women to institutions of higher educa- Only in 1989, after massive and continuous student tion in the arts was an important step toward emancipa- protests over the school’s discriminatory faculty hiring tion. While female students were allowed to study at policies, did Rebecca Horn become a professor at the Berlin’s Royal School of Music since its founding in HdK. By then she had exhibited multiple times at 1869, they were barred from attending the School of documenta in Kassel, and she continues to be honored Visual Art until the November Revolution in 1918. with major arts awards today. In 1993 she was the first woman to have a solo exhibition at the Guggenheim In the almost 250-year history of royal and state art Museum in New York. schools in Berlin up to that time, there had never been a female professor. Women who wanted to study art had Today there are 11 full professors at the UdK’s College to attend private academies or craft schools instead. of Fine Arts: six women and five men.

The appointment of the first female professors in the field of visual art was even longer in coming. Although Renée Sintenis had been admitted to the Berlin Renée Sintenis, 1930, Foto: Hugo Erfurth, Dresden, gemeinfrei Rebecca Horn, Foto: Ute Perrey, Courtesy of Ute Perrey 119

QUELLEN, LITERATURHINWEISE:

Geschichte der UdK: https://www.udk-berlin.de/universitaet/die-geschichte-der-universitaet-der-kuenste-berlin/die-vorgaengerinstitutionen- von-1696-bis-1975/vorgaengerinstitutionen-bildende-kunst-und-gestaltung/das-frauenstudium-in-der-bildenden-kunst/, Renée Sintenis: https://de.wikipedia.org/wiki/Ren%C3%A9e_Sintenis; Archiv der UdK; http://www.orden-pourlemerite.de/plm/gedenkwor- te/sintenis1888_gedenkworte.pdf; http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/renee-sintenis/; Silke Kettelhake: „Renée Sintenis: Berlin, Boheme und Ringelnatz“, Osburg Verlag, Hamburg, 2010; Rebecca Horn: Archiv der UdK, https://de.wikipedia.org/wiki/Rebecca_Horn; Elke Melkus, Rebekka Horn kommt an die HdK. In: 63. Berliner Kunstblatt, 18. Jahrgang, Nr. 63 (1989), S. 36 -38; Alexandra Tacke; „Rebecca Horn: Künstlerische Selbstpositionierungen im kultu- rellen Raum“, aus der Reihe: Literatur – Kultur – Geschlecht, Band 60, Böhlau Verlag, Wien, 2011

Auskunft Archiv Udk, Dietmar Schenk, August 2018, per E-mail: „Wenn man das gesamte Spektrum der Fächer einschließlich Musik und Theater in den Blick nimmt, findet man sehr unterschiedliche Konstellationen. So gab es für Gesang bereits in der Kaiserzeit auch Professorinnen. Hilde Körber (siehe Denkmal Hilde Körber, S. 104) hatte als Schulleiterin eine besonders hervorgehobene Position; im Schauspiel gab es aber auch schon früher Frauen, die lehrten, so in den 1920er Jahren Tilla Durieux.“ 120 TRANSKRIPTIONEN

Ortwin Bader-Iskraut, Jesko Habert, Jessy James Lafleur

121 08. AUGUST 2018 ja schon immer für Anwohner begehbar und erlebbar, und es wäre doch schön, wenn das so bleibt. Wir wohnen jetzt seit den 90ern hier, und da war schon „Ich würde ja gerne ein paar Anekdoten erzählen, aber immer ein Denkmal für die Opfer von Faschismus und so lange wohne ich ja noch gar nicht hier. Da kann Stalinismus, und klar war das nicht immer alles sauber ich ja gar nichts erzählen. Seit wann ich hier wohne? hier. Aber dass das jetzt quasi in einer Verpackung Also, hierher gezogen bin ich in den frühen Neunzi- versteckt ist, ist schade. Die Idee ist super, aber da gern. Um ehrlich zu sein, hat sich da gar nicht mehr so würden wir doch gerne mehr von sehen.“ viel verändert hier seitdem, die Anwohner sind doch (Herr und Frau Schaube) recht gleich geblieben. Aber der Steinplatz, naja, der war früher etwas ganz Anderes. Sehr verwildert, und „In den letzten vier-fünf Jahren hat sich hier schon viel da hat man den Kindern schon gesagt, dass sie hier verändert, das nennt man eben die Gentrifizierung. nicht hinkommen sollen. Da gab es auch viel mehr Ob- Da sind dann die Mieten angestiegen, und viele Leute dachlose, die auf den Bänken geschlafen haben. Das sind zwar hergezogen, aber wohnen gar nicht wirklich war schon ein bisschen schwierig. Das ist natürlich hier. Die Wohnungen stehen eigentlich alle leer. Na- heute schöner. Nur eine Sache ist geblieben – und türlich sind trotzdem noch genug Menschen hier im ich bin ja eigentlich nicht so, dass ich so Wert darauf Viertel, aber immer weniger normale Menschen, die 122 lege, was die anderen sich so zuschulden kommen hier wohnen, sondern viele Airbnbler und Touristen. lassen – aber das stört mich wirklich: Wie die alle mit Dadurch ist viel erkaltet. Bei uns im Haus sind zwei ihren Hunden herkommen, die sie freilaufen und ihr oder drei Familien ausgezogen, und der Hausbesitzer Geschäft verrichten lassen. Ich habe mal nachge- macht jetzt halt doppelten Umsatz mit Airbnb. Und fragt, was man da so gegen machen könnte, aber da wenn etwas saniert wird, dann als Luxussanierung, müsste man vom Bezirksamt eine Hundeverbotszone und wird dann auch viel teurer. Klar, im gediegenen mit Schild und allem aufstellen lassen. Das wäre ja Charlottenburg bei der hoch renommierten UdK wol- schon ein bisschen aufwändig.“ len natürlich viele wohnen. Im Gegensatz zu manchen (Anonym) Bezirken im Osten ist das Publikum hier auch schon ein bisschen älter. Aber ich wohne trotzdem gerne „Jammerschade, dass die Skultpuren nicht ausge- hier. Alles ein bisschen unaufgeregter hier. Das su- packt sind, denn man erkennt da nicht so viel von. Die chen wahrscheinlich auch die ganzen gutbetuchten Idee finde ich sehr schön und die Plastiken scheinen Leute, wenn sie hier herkommen – und das kann man auch ganz interessant zu sein. Aber das sind ja nur denen ja auch nicht verübeln. Aber dann landen die Vermutungen, man kann da nicht wirklich was erken- Wohnungen halt gar nicht mehr wirklich bei Berlinern. nen. Ist natürlich klar, dass man das wegen dem Van- Eine gute Freundin ist Fotografin, die fotografiert oft dalismus so lässt. Aber wenn wir den Raum öffnen Möbel für ein Luxusmöbelhaus in den teuren Woh- und für solche Aktionen für alle nutzen wollen, dann nungen von irgendwelchen Leuten. Die ist oft hier, in muss man leider auch damit rechnen, dass es Leute irgendeiner Wohnung mit super viel Luxus, mit Gold gibt, die da wie die Hunde ihre Marke hinterlassen. an den Wänden und so. Da wohnen dann irgendwel- Bei Hunden ist das ja deren Natur, da kann man nichts che Belgier oder Russen, wo die feine Dame einmal gegen machen, dass sie gegen den Baum pinkeln. im Jahr herkommt, ein paar Fotos mit teuren Möbeln Aber das Besprühen von Denkmälern ist ja nicht un- macht und dann ein Jahr wieder weg ist. Aber ansons- bedingt in der menschlichen Natur. Der Steinplatz war ten ist das schon eine schöne Gegend. Man muss nur aufpassen, dass die Leute mit Windhunden und war ein Studentenfaschingsfest – eine spektakuläre Porsche nicht überhand nehmen – sonst klappt das Sache, das kann man sich heute gar nicht mehr vor- mit der Durchmischung nicht mehr. Vor 10 Jahren war stellen! Ich war nur einmal da, aber weil wir kein Geld das alles mehr von der UdK, oder der HdK, wie sie da- hatten, konnten wir uns da die Getränke nicht leisten. mals hieß, geprägt. Da war das hier das Einzugsgebiet Also habe ich mir mit meinem Freund vorher Zuhause der Künstleruni, und hatte so einen Boheme-Charme. eine Flasche Cognac einverleibt und bin dann dahin Alles voller Künstler und Schauspieler, die gingen ja gegangen. Ein Freund, der studiert hat, hat mich dann dann auch hier in die Kneipen und Restaurants. So, da am Eingang schon abgefangen als ich hinkam, wie man das heute vielleicht noch in Kreuzberg sieht, weil ich war ja kein Student. Aber das ganze war nicht war das hier auch mal: Die sahen dann von außen her so erfolgreich für mich, weil ich wegen dem Cognac etwas abgerissen aus, aber nicht weil sie obdachlos schon ziemlich down (sic) war, und einfach müde wur- waren oder so, sondern weil sie einfach einen anderen de. Aber das hat man trotzdem jedes Jahr mitgekriegt, Lebensstil haben. auch über Berlin hinaus, mit den tollen Kostümen. Mal sehen, wo das jetzt hingeht. Wenn man irgend- Nächtelang haben sie da gefeiert, die ganze Woche wann beim Bäcker 2 Euro für das Brötchen bezahlt, lang. Das war großartig. Ich hab nie so richtig verfol- weiß man auch Bescheid, wo das herkommt. Ist jetzt gen können, warum es das nicht mehr gibt. Wenn man noch nicht so, aber die Leute sind schon ein bisschen nichts mehr mit Studenten zu tun hat, bekommt man anspruchsvoller geworden. So ein Stück Kuchen da das ja nicht mehr so mit. vorne beim Bäcker soll jetzt auch ein bisschen schme- Und dann war da natürlich noch der Konzertsaal, da cken, und dann kommen die Bio-Sachen dazu, und hatte ich mein erstes Konzerterlebnis mit dem Berli- das ist ja auch gut und darf ruhig etwas mehr kosten, ner Symphonischen Orchester. Das war mit 16 oder solange es nicht überteuert ist. Aber letztenendes ist 17. Das war damals das erste Orchester was da ent- der Steinplatz ja auch nur einen Steinwurf vom Kuh- standen ist. Meine Freundin hat mich da hingeschleift, damm entfernt – dafür ist das eigentlich noch ganz eigentlich hatte ich überhaupt keine Antenne für so- 123 schön unaufgeregt. Wenn man das mit Paris ver- was. Beethoven haben sie da gespielt. Damit ging das gleicht, in einer Nebenstraße der Champs Elisée sieht dann los, und ich wurde richtig kunstbegeistert – Bal- das nicht so aus.“ lett, Oper, das war eine ganz neue Welt. Besonders (Name anonymisiert: „Kosmo Dreistern“ und Frau) verrückt waren wir nach Ballett: Da sind wir abends immer hin und haben durch den Vorhang gelinst, um „Hier um den Steinplatz rum habe ich als Jugendliche die Künstler nach der Aufführung dahinter zu sehen. so viel Kultur erlebt. Als ich 17 oder 18 war, habe ich Ich hab schon wirklich viel hier um den Platz herum hier mit meinen Freundinnen im Studentenheim der gemacht. Später hab ich dann in der Erwachsenen- katholischen Arbeiterbewegung meine erste Fuß- bildung hier im Haus neben dem Hotel meine Abende ballweltmeisterschaft gesehen. Da haben wir uns in verbracht und viele Seminare mitgemacht. Das war einem winzigen Zimmer zusammengepfercht und die die Lessing-Hochschule, die hatten Juden schon in Seele aus dem Leib gebrüllt. Im Studentenheim hat- den 20er Jahren gegründet. Wurde im Krieg von den ten wir auch immer Tanzfeste, und das Steinplatzkino Nazis natürlich verboten und ausgeräumt, aber später, war ja auch ein guter Anlasspunkt für Kultur. Sowas in den 50ern, wurde die wieder neugegründet.“ gabs damals nicht so oft, das war ein richtig gutes (Frau Neumann) Programmkino. Und dann gabs natürlich noch „Die volle Pulle“, das war eine ziemlich düstere Kneipe di- „Das sieht alles ein bisschen steril aus hier, aber das rekt unter dem Hotel. Jeder ist da hingegangen, auch ist ja normal kurz nach einer Renovierung. Als ich vor bekannte Leute, wegen der Uni. 20 Jahren hierher gezogen bin, sah das jedenfalls Und da im Uni-Gebäude, hinter dem Prometheus- anders aus. Da war das ganze Viertel auch noch ein Brunnen – der hat mich schon immer fasziniert, weil bisschen lebendiger und linker. Hier war ja zum Bei- ich für Mythen und Sagen immer schon viel übrig hatte spiel das Kino, so ein richtiges studentisches Szene- – dahinter fand der berühmte „Zinnober“ statt. Das kino, mit einem Mäuerchen davor, wo Leute im Som- mer drauf sitzen konnten, das war schon sehr urig. Ich hab ich da angefangen. Damals war das noch grö- dachte, als ich hingezogen bin, dass ich dann oft in ßer, später haben sie dann mehr und mehr Aufträge das Kino gehen kann, aber wie das so ist, war ich dann ausgelagert und weitergegeben. Aber damals waren gar nicht so oft da, bis es zugemacht hat. Der Stein- wir noch Elektriker, Tischler, Maurer, Schlosser und platz selbst... naja, man hat denen ja nicht so wirklich so weiter, und haben Konstruktionen für die verschie- Aufmerksamkeit geschenkt damals, heute werden denen Institute gebaut. Nicht unbedingt künstlerisch, die etwas mehr herausgeputzt. Natürlich haben wir aber schon auch in die Richtung. Ich weiß noch, damals auch Zeit auf dem Platz verbracht, aber ir- damals hat bei uns in der Möbeltischlerei auch ein gendwie nicht so bewusst. Das war eigentlich immer Lehrling gearbeitet, dessen Großeltern früher das eher ein Unplatz, den man nicht wahrgenommen hat. Hotel am Steinplatz geführt haben. Das war vor dem Ich war immer sehr oft hier, obwohl ich selbst nicht Krieg. Unter den Nazis mussten sie dann fliehen, hier studiert habe. Das hatte einfach eine gewisse wahrscheinlich, weil sie Juden waren, und mussten Atmosphäre hier, und so eine Freiheit. Im Hof der Uni es leerstehend zurücklassen. Das hat dann irgendje- saßen die Studentinnen im Sommer oft oben ohne. mand später wieder geöffnet, und in der Kneipe dar- Da drüben auf der Nordseite des Platzes waren viele unter, der „Vollen Pulle“, trafen sich wieder Menschen Wohngemeinschaften, da hab ich auch drin gewohnt. aus aller Herren Länder. Und der Junge jedenfalls, der Zwei Ecken weiter war eine Kneipe, die von der SEW Lehrling, keine 500 Meter entfernt auf der anderen [sozialistischen Einheitspartei Westberlin] betrieben Seite des Platzes hat mit uns in der Tischlerei gear- wurde – die ist natürlich nicht mehr da – aber auch beitet.“ sonst gab es viele linke Kneipen und Restaurants. (Paco) Wie das „Terzo Mondo“ von Costas zum Beispiel. Costas, das war auch so eine linke Größe hier, den kennt auch jeder. Der hat dann sogar in der Linden- 124 straße mitgespielt! Und in die andere Richtung war Transkription: Jesko Habert einer meiner Lieblingsorte die Buchhandlung Kiepert, da wo jetzt Manufactum ist, die wurde immer größer, bis sie irgendwann pleite gingen.“ (Dagmar Plugge)

„Wissen Sie, wer hier das meiste Geld verdient? Die evangelische Kirche. Die lassen ihre Kirchen ver- fallen und tun dann so, als ob sie kein Geld haben. Gleichzeitig werden dann irgendwelche Plätze, wie der Steinplatz von irgendwelchen Westberliner Un- ternehmen erneuert, die kriegen dann einen Auftrag für die Grünanlagen und werden da besonders gut bezahlt. Das ist dann die selbe Firma, die auch für die Kirchturmreparatur zuständig ist, und renovieren denn dann dafür günstiger. Und deshalb muss die evangelische Kirche dann da kaum für bezahlen und machen richtig viel Geld.“ (Anonym)

„Gelebt habe ich hier nie, aber ich habe lange direkt hier an der UdK gearbeitet. Ich bin jetzt seit 16 Jah- ren in Rente, aber davor war ich 29, fast 30 Jahre als Tischler in der großen Zentralwerkstatt. In den 70ern 13. OKTOBER 2018 Medikamente an ihr Bett zu bringen, die hatte im Hotel eine ganz noble Suite. Sie saß im Bett wie eine Köni- gin, um sie herum mit Zeitungen, die sie wohl jeden „Ich wohne hier schon seit den Achtzigern zwei Stra- Morgen las. ßen weiter. Bin nicht so gerne in der Stadt, ich bin Unten war die Künstlerbar „Volle Pulle“. Wenn ich aus schon früher immer lieber ins Grüne gefahren, wis- der Oper kam, ich hab da jedes Ballett gesehen, sind sen Sie? Deswegen find’ ich es ein bisschen schade, wir abends immer dahin gegangen. Die Kunststuden- dass der Steinplatz jetzt so leer ist. Früher war hier ten waren ja alle ein bisschen verrückt und ich liebte nämlich mehr Gebüsch, Gestrüpp. Das sah nicht so das! Die Kommune 1 trieb sich da auch rum. Lang- schön geleckt aus wie jetzt, aber da hatten es die In- hans, Kunzelmann, diese Leute. Aber da saßen dann sekten besser und ein paar Vögel gab es auch. Ich auch die ganzen Schauspieler vom Renaissance-The- finde es schade, dass die Natur immer weiter aus der ater, die tranken alle Champagner. Zum Beispiel O. E. Stadt vertrieben wird. Aber vielleicht kommen ja ein Hasse, der war einer von den alten, gutaussehenden paar Tiere zurück, wenn die Bäume wieder ein biss- Schauspielern. In natura sah er noch besser aus! Und chen an Größe zugelegt haben.“ (Karl R.) die schönen Frauen sind um sie rumscharwenzelt, auch Schauspielerinnen aus dem Schillertheater oder „Morgen werd’ ich 76! Ich bin im Krieg geboren, die der Deutschen Oper, die kamen abends immer her. Bombardierung von Dessau hab’ ich mitgekriegt. Das tollste am Steinplatz war natürlich die Filmbüh- 125 1962 bin ich nach Berlin gekommen, weil mein Va- ne am Steinplatz, das war ja ein Kino. Da wurden alte ter am Ernst-Reuter-Platz ein Geschäft hatte und ich Filme gezeigt, mit Heinrich George, die ganzen Klas- die Jüngste war. Da drüben, wo jetzt alles so schick siker. Ich möchte anonym bleiben, denken Sie sich aussieht, das war damals für die Studenten. Ich habe einen Namen aus! Denn meinen Namen, den behält damals dort immer mit meinen Freunden gesessen man sich. Und wenn der irgendwo geschrieben steht, und da gab’s den schönsten Kakao mit Sahne! Und dann sagen die Leute: ach, die! Man kennt mich hier.“ ganz billig. Ich hab ganz schön geraucht und getrun- (anonym) ken, geb’ ich zu. Aber als ich in der Ballettschule in der Lietzenburger war, da war ich topfit! Natürlich, ich „Ich bin hier drüben Student, jetzt bald im dritten Se- wollte damals Tänzerin werden. Aber, wovon sollte ich mester. Der Platz war ja jetzt lange ne große Baustelle leben? Ich hatte einen Beruf gelernt, damals war ich und so richtig hab’ ich den nie wahrgenommen. Ich noch Apothekenhelferin, hier in dieser Apotheke um komme aus Niedersachsen und bin jetzt seit dem letz- die Ecke. Abends bin ich hier zur Abendschule, zweiter ten Jahr in Berlin. Wenn ich feiern gehe, dann läuft Bildungsweg, und dann bin ich in den Letteverein, da das auch meistens in anderen Bezirken, Kreuzberg, hab ich dann pharmazeutisch- technische Assistentin Mitte, Friedrichshain. Ich wusste gar nicht, dass hier gelernt. Ein Haus hier war voller Professoren, die hier früher so viel los war, aber vielleicht setzen wir uns hier unterrichtet haben, einer von denen war Baustadtrat jetzt nach der Uni manchmal hin und trinken was. Ich von Berlin. Und die kamen zu uns in die Apotheke, find’s auch cool, dass hier Kinder auch wieder Fußball da wusste ich alles über die, aber ich hatte natürlich spielen können. Mich stört’s jedenfalls nicht. Und die Schweigepflicht. Aber das ist ja jetzt verjährt! Skulpturen finde ich interessant, vielleicht können ja Ich kannte auch das Hotel mit den Besitzern, den Zel- ein paar noch länger stehen bleiben, dann ist der gan- lermayers, die kamen auch zu uns in die Apotheke. ze Platz nicht so leer.“ Einmal hatte ich die große Ehre, der Frau Zellermayer (anonym) „Meine Frau und ich haben uns jetzt die Bauarbeiten ein paar Monate angeguckt und wir finden das ziem- lich interessant, was hier entsteht. Es war hier immer so ungepflegt, so richtig Lust, sich hinzusetzen hat- te man nicht. Aber jetzt sieht es so schön gepflegt aus, passt irgendwie mehr zur Gegend. Und vielleicht kommen ja auch in den nächsten Monaten ein paar Studenten wieder die Straße rüber. Es ist ja so ein Al- te-Leute-Bezirk geworden und man kommt gar nicht so richtig ins Gespräch mit der jungen Generation. Vielleicht kann man hier ja mal so ein paar Veranstal- tungen machen in die Richtung. Ach, wenn ich’s mir so recht überlege, als ich jung war, habe ich auch nicht immer Lust gehabt, mich in den Park zu setzen und mit den alten Leuten zu reden. Da sind die Studenten heutzutage auch nicht anders als wir damals.“ (Hans W.)

Transkription: Ortwin Bader-Iskraut

126 JANUAR 2019 ge Generation sucht ihre Unabhängigkeit und neue Zukunftsvisionen. „Wir haben uns auf einer Feier im Hinterzimmer einer Kneipe kennengelernt...sie sah so „Vor ca. 2 Jahren hatte ich hier am Steinplatz ein wunderschön aus, mit ihrem bunten Kleid und dem Date mit einer Consulterin, ich war zu dem Zeitpunkt Pferdeschwanz, alle Jungs waren verliebt“. Er lacht. noch bei einem kleinen Start-Up-Unternehmen im IT- „Und doch hat sie sich für mich entschieden, für mich, Bereich angestellt und sehr unzufrieden mit meinem den kleinen Schlosser, der nichts zu bieten hatte, Job.“ Er steigt vom Fahrrad ab, hält die recht Hand ausser sein Herz.“ Hier in der Nähe vom Steinplatz vors Gesicht um die Augen vor der Sonne zu schüt- trafen wir uns nachts und haben stundenlang gere- zen und mustert den Steinplatz; „Dort drüben auf det, manchmal sind wir tanzen gegangen“. Er lächelt der Bank haben wir gesessen und unsere Gehälter und schaut in die müde Wintersonne. „Irgendwann miteinander verglichen.“ Er muss grinsen, als habe er kam sie nicht mehr und damals gab’s ja diese Handys erst in diesem Augenblick begriffen, dass es sich da- noch nicht, ich habe eine zeitlang jede Nacht auf sie bei nicht um den üblichen Gesprächsstoff bei einem gewartet, aber sie kam nicht mehr, da habe ich sie ersten Date handele. „Es war ein sehr offenes Ge- gehen lassen“. spräch“, fährt er fort. „Sie verdiente um einiges mehr (Holger, 81, Anwohner) als ich, obwohl wir aus der gleichen Branche kamen, was ich erstaunlich fand“. Er schüttelt den Kopf und „Auf diesem schwarzen Ding, das wie eine Kralle 127 schaut auf den Boden, bevor er den Kopf wieder hebt, aussieht, direkt vor der UDK, darauf haben wir im lächelt und erklärt: „Ich habe jetzt seit Februar einen Sommer unsere Klamotten getrocknet. Ein kunstvol- neuen Job und verdiene nun genau so viel wie mein ler Wäscheständer, sehr kunstvoll, aber das was sie Date von damals und genau diese Bank da vorne erin- aus dem Steinplatz gemacht haben, ist leider nicht so nert mich immer wieder aus Neue an meine Anfangs- kunstvoll, eher künstlich, wenn du mich fragst!“. Seine zeiten.“ Er steigt wieder aufs Rad und schaut in den vom Nikotin gelb gefärbten Finger fuchteln durch die Himmel. „If you are more fortunate than others, build Luft, als könne eine simple Handbewegungen den Ort a larger table, not a larger fence“, sagt er bevor er in wieder zu zurückverwandeln. Zu seinen Füßen stehen die Pedale tritt und davon radelt, auf der Suche nach 3 Plastiktüten, die er ordentlich neben sich drapiert einem Avocado-Sandwich. hat. „Man hätte es ja nett gestalten können, mehr Bäu- Aus dem Date ist übrigens nichts geworden. me oder so, aber der ganze Beton; Das sieht doch (Philipp, 27, Anwohner) nicht schön aus.“ Er bittet mich um eine Zigarette, zündet sie an, nimmt einen tiefen Zug und fährt fort: „Wir waren noch jung, jung und naiv, wie man so „Zwischen den Büschen auf dem alten Steinplatz hat- schön sagt“. Die grauen Haare sind ordentlich zu- ten wir nämlich so etwas wie Privatsphäre, da konnte rückgekämmt, in den Händen hält er einen blauen Ein- man sich umziehen und in Ruhe schlafen. Vielleicht kaufsbeutel, den er für einen kurzen Moment abstellt. haben sie die Büsche deswegen rausgerissen, um Er reibt sich die Hände und atmet aus, sein Atem wird die Ratten zu vertreiben, Ratten wie wir es sind, denn zu weißem Rauch an diesem kalten Tag. „Sie kam aus Obdachlose passen nicht so gut ins schicke Charlot- einem guten Haus, wohnte hier ganz in der Nähe, aber tenburger Bild“. Nach einer gefühlten Ewigkeit stellt wo, das weiß ich nicht genau, das sollte ich auch nicht er sich vor; Olaf heiße er und Olaf berlinert so me- wissen“. Berlin, Ende der 50er Jahre, die Stadt lei- lodisch- schön, dass man ihm stundenlang zuhören det noch unter den Folgen des Krieges, aber die jun- möchte. „Nein, Menschen sprechen nicht mit uns, aber einmal, gangen, aber ich weiß nicht ob ich das gut finde!“. da habe ich bei der Obdachlosenhilfe einen Anzug Sergej lehnt an der Motorhaube seines gelblichen gefunden, den habe ich angezogen und mich dann Mercedes, Berliner Markenzeichen, Transportmittel ins Foyer der TU (Technische Universität) gesetzt und der Desorientierten, Zugezogenen und Partygänger. eine Zeitung gelesen“. Er lacht; „Alle dachten ich sei Er holt ein Päckchen rote Pall-Mall aus der Jacken- ein Professor und da hatten sie Respekt, ohja, da hat- tasche und steckt sich eine weitere Zigarette in den ten sie alle Respekt, aber der verfliegt sehr schnell, Mund. Er deutet in Richtung UDK und bläst blauen wenn man dann wieder auf der Straße hockt!“. Er Rauch in die Straßenatmosphäre. „Gutes Geld macht schaut in die treibende Menschenmenge, die gekonnt man mit den Theatergängern, die fahren schon mal ein an ihm vorbei zischt und das Elend ob aus Stress oder gutes Stück mit und die sind auch ordentlich, ordentli- Desinteresse ignoriert. Genau ein Anzug liegt zwi- che Menschen sind das!“. Um uns ist es laut, Bahnhof schen Respekt und Abneigung. Zoo Berlin, der Ort der Ankommenden und Bleiben- Ich verabschiede mich, lasse ein paar Euro da und den. „Seit 26 Jahren bin ich hier, ich habe geheiratet als ich grade gehen will höre ich Olaf noch rufen: „Sie und bin aus Sibirien nach Deutschland gekommen, können ja alles schön machen, aber das Hässliche verstehen sie? Russlanddeutscher!“ Der nächste Zi- existiert auch hinter den Fassaden!“ garettenstummel findet den Weg in die Straßenrinne, Wie recht er doch hat! Sergej verschränkt die Arme vor der Brust. (Olaf, 56, Obdachloser) Ob er die Heimat vermisse? „Und wie ich sie vermisse! Als ich damals angekommen bin, haben wir geweint, Lärm, Lärm, Staub, Dreck und Baucontainer mitten ich und meine Frau, wir haben so sehr geweint, weil wir auf der Grünfläche. Wer hätte gedacht, dass die das zurück wollten“. Auf Anerkennung habe er gewartet, so Hotel am Steinplatz wieder aufleben lassen würden? wie viele andere Russen auch, während er auf dem Bau Auferstanden aus Ruinen sozusagen und wer die Mil- gearbeitet hat, aber Baustellen besucht er keine mehr: 128 lionen hat, kann es sich ja leisten, aber leisten können „Vor 12 Jahren habe ich angefangen Taxi zu fahren, es wir uns das nicht! Und überhaupt? Welcher Berliner gab nichts mehr zu bauen und jetzt bauen sie überall. soll sich das denn leisten können? So einen neumo- Sie bauen wie verrückt, aber ich fahre lieber Taxi!“. Was dischen Spa soll es da drin ja geben und ein schickes er vom Steinplatz hält? „Es ist ordentlich, ganz Berlin Restaurant mit weißen Tischdecken und Gerichten, ist jetzt ordentlich, sie haben die Stadt aufgeräumt!“ die so viel kosten, dass sie ein Vermögen dafür verlan- sagt er, grinst und steigt in seinen Mercedes. gen müssen. Die Künstlerbar „Volle Pulle“ hätten sie (Sergej, 46, Taxifahrer) wieder aufbauen müssen! Ja! Hätten sie! Da war auch schon der Grass zu Gast und dieser dicke Opernsän- „Vor ungefähr 4 Jahren hatte ich tatsächlich das drin- ger, der Pavarotti. Aber das hätte sich dann auch wie- gende aber seltene Bedürfnis mir Cannabis am Stein- der keiner leisten können. Wenigsten haben sie das platz zu kaufen, nicht weil der Steinplatz ein Dealer- schöne Haus nicht abgerissen und einen hässlichen Hotspot ist, sondern weil mein Dealer extra den Weg Glasblock hingestellt, ganz Berlin besteht nur noch auf sich nahm, um mich hier zu treffen. Er muss gut aus Glasblöcken. Ob ich das alte Berlin vermisse? Ja, verdient haben, denn er wohnte 2 Straßen weiter und sehr! Man kann sich ja nichts mehr leisten!“ ist mittlerweile nicht mehr auf freiem Fuß. Es war keine (Hildegard, 76, Anwohnerin) innige Beziehung zwischen uns beiden, also vermis- sen tue ich ihn jetzt nicht. War ne beschissene Zeit, ich denke nicht gerne daran zurück, Gott sei Dank hat Er zieht ein letztes Mal an seiner Zigarette, schnipst sich mein Leben inzwischen verändert, der Steinplatz sie auf den Gehweg und schaut ihr dabei zu wie sie erinnert mich jedes Mal aufs Neue daran.“ in die Straßenrinne hüpft. „Mein Sohn ist jetzt zum (Daniel, 25, Student) Bund gegangen, er hat sich nicht rechtzeitig um Uni gekümmert, also habe ich ihm gesagt, dass er sich Der silberne Rollkoffer rattert über den Steinplatz, um sein Geld kümmern soll, da ist er zum Bund ge- bleibt abrupt neben seinem Besitzer stehen, der sich auf einer Bank niederlässt. Die Sonne scheint und das blaue Hemd unter dem schwarzen Blazer vermischt sich mit dem blauen Himmel. Genau eine Zigarettenlänge Zeit habe er, bevor er sich auf den Weg zum Flughafen Tegel machen und in ein Flugzeug nach Paris steigen wird. „Ich habe direkt hier um die Ecke an der UDK studiert, und heute lebe ich hier.“ antwortet er auf die Frage, was ihn mit dem Steinplatz verbinde. „Wir Stundeten haben uns jede Woche genau hier am Steinplatz getroffen und sind dann geschlossen zur Demo marschiert, was waren wir engagiert, sind Studenten heute eigentlich noch engagiert? Sie machen sich doch größere Sorgen um ihre nächste Bachelorarbeit, als um die Welt, aber uns war das egal, wir hätten die Uni auch niedergebrannt, wenn wir keine andere Wahl gehabt hätten“. Er lacht und fügt hinzu: „Was aber sehr schade um das Ge- bäude gewesen wäre!“. Heute ist er selber Professor, ob er sich damit nicht auch einem System angepasst habe? „Nein, man muss ja etwas weitergeben, die nächste Generation inspirieren, damit sie nicht so langweilig und einheitlich werden, wie dieser Stein- platz es heute tut!“. Der habe damals nämlich wild ausgesehen, genau wie die Stadt, aber Berlin gehe 129 halt mit der Zeit. Er tritt die Zigarette aus, packt seine Sachen zusammen und geht...zur nächsten Bushal- testelle, der Rollkoffer rattert hinterher und fast kann man den stillen Lärm der Revolution hören. (Thomas, 55, Anwohner)

Transkription: Jessy James Lafleur LAUDATIO

Mein Name ist Robert Patz. Ich habe die Ehre, heute einige Worte zu verlieren, und zwar in Vertre- tung jener illustren Runde der Preisrichter*innen und Sachverständigen, der ich angehörte und der Sie – verehrtes Publikum – die Empfehlung verdanken, den künstlerischen Entwurf STEINPLATZ reloaded umzusetzen. Es handelt sich wohlgemerkt nur um einen der Entwürfe, die Sie heute und in Zukunft in vollem Glanze bestaunen dürfen: wie erwähnt, zählt dazu auch der landschaftsarchitektonische, studentische Entwurf von Leon Giseke, Lasse Malzahn und Lucas Rauch vom Fachbereich Landschaftsarchitektur der TU; dessen Überarbeitung durch das Büro Schirmer-Partner; zudem der ingenieurwissenschaft- liche Pavillon-Entwurf meines Kollegen Gregory Quinn vom Fachbereich Konstruktives Entwerfen und Tragwerksplanung der UdK.

Nun also zur Kunst: STEINPLATZ reloaded, der Titel klingt nach Neuanfang, nach Wieder- aufnahme, 130 nach dem Bestreben, etwas das einst bestand, wieder zu beleben. Dem Künstlerinnen- Kollektiv mmtt, bestehend aus Stefka Ammon und Katharina Lottner, wird in einem „explorativen Experiment“, wie sie es nennen, genau dies gelingen – so zumindest lautete die einhellige Meinung des Preisgerichts. Eine Kollegin, Prof. Juliane Zach, fragte mich erst vorgestern was das wohl bedeuten mag, „explora- tives Experiment“. Nun ja: Exploration heißt Erkundung. Es geht also darum, diesen Stadtraum zu erkunden, neu-zu-entdecken und neu in Besitz zu nehmen. Das ist aber nicht nur räumlich-architek- tonisch-landschaftsarchitektonisch gedacht, sondern eben auch geschichtlich-erzählerisch. Und dieser Platz hat, wie Sie anhand dieses Kunstprojekts merken werden, mit seinen 133 Jahren wahrhaft viel zu erzählen. Das Experiment von Stefka Ammon und Katharina Lottner besteht darin, diese gewaltige Vielfalt zu bergen. Die Erzählungen, historischen Begebenheiten und Besonderheiten dieses zentralen Berliner Ortes werden auf einem Versuchsfeld „re-materialisiert und gesichert“, wie die beiden es nennen, durch 21 neue Denkmale neben den drei bestehenden. Jedes Denkmal erzählt einen historischen Zusammenhang. An fünf Sonntagen wird es Führungen über den Steinplatz geben um all das zu vermitteln. Aber nicht nur der Platz erzählt, die Umgebung, die alten und neuen Denkmale. Das Angebot des temporäreren Kunstprojekts an Sie, also an die Nutzer*innen, besteht darin, dass auch Sie Ihre ganz persönlichen Geschichten erzählen, Sie finden dazu auf der Website steinplatz-reloaded.com sowohl Termine für Führungen als auch für sog. Transkriptionen, zu denen Sie sich anmelden können. Transkriptor*innen werden Ihre persönlichen, mit dem Ort verbundenen Geschichten aufnehmen und so der Nachwelt erhalten. Ich möchte Sie jetzt nicht mit der Einbettung des Projekts in einen aktuellen denkmaltheoretischen Diskurs strapazieren – zu dem die Arbeit von Stefka Ammon und Katharina Lottner zweifelsohne einen ausgesprochen klugen und anregenden Beitrag leistet, und zwar unter anderem indem sie die epistemischen Kräfte von Humor und Ironie entfaltet – sondern gleich mal anfangen mit einer persönlichen Erzählung:

Im Jahr 2007, vor über zehn Jahren also, stand ich, das erste Mal bewusst, vor dieser monumentalen Fassade der UdK. Ich war hier, um eine Eignungsprüfung zum Architekturstudium abzulegen. Zwei Tage sollte die gehen und ich war ernsthaft aufgeregt, wie sie vielleicht nachempfinden können, als junger Mensch aus der Provinz, ausgestiegen aus dem Zug am Bahnhof Zoo stand ich also hier um 10 Uhr morgens, natürlich, 14 Uhr sollte es losgehen, viel zu früh also – wie man das manchmal so macht als junger Mensch. Und statt die heiligen Hallen direkt zu betreten, habe ich sie – eingeschüchtert, wie ich war – erst einmal weiträumig umkreist. Am Ende meiner Umkreisung saß ich – Sie ahnen es – auf dem Steinplatz, damals noch vielmehr ein Innenraum umgeben von wildem Dickicht – für mich ein Schutzraum –, und während ich da saß, und meine Aufregung quasi unerträglich wurde, tauchten die Hasen auf. Sie mögen sich vielleicht erinnern, dass es hier immer eine kleine Hasen-Kolonie gab – und die wird’s vermutlich auch wieder geben. Genau genommen handelt es sich nicht um Hasen sondern um Kanin- chen, Abkömmlinge der einst vom Grenzstreifen vertriebenen sog. „Mauerhasen“ – daher der Name, den sie wohl von der Springer-Presse bekamen. Diese Kaninchen jedenfalls wurden einst von DDR- Grenzern vom sogenannten Todesstreifen – für die Kaninchen ein perfektes, weil geschütztes Habitat – vertrieben und verteilten sich in der Stadt, sowohl nach Osten als auch Westen. Ihre Nachfahren 131 sind heute auf vielen Berliner Grünflächen zuhause. Und während ich sie damals, vor meiner Prüfung, mit zunehmenden Vergnügen beobachtete, erkann- te ich, wie sie sich unbeeindruckt gaben, sowohl vom umgebenden Chaos der Großstadt als auch von ihrer eigenen Historie. Ich war abgelenkt, meine Aufregung war gemildert. Und vielleicht verdanke ich den Kaninchen, dass es dann doch noch geklappt hat mit meinem Studium an der UdK. Der Be- ginn vieler weiterer Geschichten, die mit diesem Ort assoziiert bleiben.

Stefka Ammon und Katharina Lottner beschreiben in ihrer Arbeit, dass es neben allen existierenden Denkmalen noch eine schier unendliche Anzahl weiterer möglicher Denkmale geben könnte. Welche davon materialisiert sind, also „in Stein gehauen“, entscheidet meist der Zufall. – Meine Empfehlung: ein Hasen-Denkmal! – Aber das ist nur eine Geschichte, meine Geschichte. Jetzt sind Sie aufgefordert, Ihre Geschichten zu erzählen!

Dankeschön.

Robert Patz Architekt und Künstler, Fachpreisrichter, Eröffnungsrede STEINPLATZ reloaded vom 17. August 2018 GRUSSWORT

Nach der erfolgten Neugestaltung des Steinplatzes im Kunst sowie zum Ort gesellschaftlichen Diskurses Rahmen des Plätzeprogramms „Stadtumbau West“ zu entwickeln und auf eine zeitgenössische Art die wurde ein Konzept entwickelt, das der neuen Gestaltung traditionelle Erinnerungskultur des Ortes zu hinter­ wie der Geschichtlichkeit des Ortes Rechnung trägt. fragen. Ziel ist es, den Platz in den Stadtraum zu öffnen. Nach 1945 übernahm der Platz vor allem repräsenta- Den Auftakt machen Stefka Ammon und Katharina tive Aufgaben, wozu auch die zwei Gedenkanlagen aus mit STEINPLATZ reloaded. Diese temporäre Kunst­ den Jahren 1951 und 1953 beitrugen. Darüber hinaus installation weckt über die Auseinandersetzung mit waren die dem Platz gegenüber liegenden Gebäude der Platzgeschichte Neugierde und öffnet sich thema- der Charlottenburger Kunsthochschule (vor allem der tisch ins Umfeld. Er ist voraussetzungsfrei und offen Konzertsaal) und des Studentenhauses der Technischen im humorvollen Zugang. Das Schemenhafte der Universität immer wieder zentrale Orte gesellschafts­ Skulpturen regt die Phantasie und den inhaltlichen politischer, kultureller und künstlerischer Veranstaltun- Bezug zu aktuellen Denkmaldebatten an. gen und Debatten. Diese verlorene berlinweite Bedeutung des Steinplatzes Oliver Schruoffeneger soll berücksichtigt werden. Der Bezirk plant, den Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin Bezirksstadtrat Steinplatz in den nächsten Jahren gemeinsam mit den für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt 132 Nachbar*innen zu einem Raum für Spiel, Sport und

KATHARINA LOTTNER STEFKA AMMON

Geb. 1970 in Nürnberg. Lebt in Berlin. Studierte Archi­ Geb. 1970 in Gehrden bei Hannover. Lebt in Berlin, tektur an der FH Frankfurt/Main und Bühnen- und 1993–2000 Studium an der KHB Weißensee, 2001 Kostümbild an der TU Berlin. Seit 1999 beschäftigt Meisterschülerin von Prof. Inge Mahn. Seit Auslands­ sie sich hauptsächlich mit temporären Bauten, wie Aus- studium 1998/99 an der PAfA Philadelphia Beschäf- stellungspavillons oder Bühnenbilder. Von ihr betreute tigung mit kulturellen Projektionen. Ammon war Projekte wurden mit diversen Preise ausgezeichnet, 2002–2005 Gastdozentin für die Koordination des z.B. dem red dot award oder dem Designpreis der Bun- interdisziplinären Studiengangs der KHB Weißensee. desrepublik Deutschland. 2006–2013 Mitglied des Berliner Projektraums Ste- defreund. Seit 1995 Ausstellungen im In- und Ausland, seit 2006 Teilnahme an Kunst-am-Bau-Wettbewerben, sowie Vorprüfungen und Juryverfahren für Kunst-am- Bau-Wettbewerbe des Bundes, des Landes Berlin und Berliner Bezirke. www.stefka-ammon.de IMPRESSUM

STEINPLATZ reloaded – Temporäre Kunstinstallation, Steinplatz, Berlin, 2018

Idee & Konzept: Stefka Ammon und Katharina Lottner (mmtt) Bauten und Baubetreuung: Katharina Lottner Recherche: Stefka Ammon, Eckehard Hoffmann Ausführung Bauten: SN Baumontagen, Berlin Texte: Stefka Ammon, Übersetzung: Patrick Hubenthal Transkriptor*innen: Jesko Habert, Yo-Pa, Ortwin Bader-Iskraut und Jessy James Lafleur Führungen: Eckehard Hoffmann Fotografien: Astrid Busch (Dokumentation) Druck Aufkleber und Bauschilder: Fontline, Berlin

STEINPLATZ reloaded – Publikation Nach bestem Wissen und Gewissen wurden Freigaben für den Abdruck der verwendeten Fotos eingeholt. Bei einzelnen Konzept & Gestaltung: Stefka Ammon und Janine Sack Bildern war dies nicht möglich – bitte melden Sie sich Fonts: Marion, Akzidenz BQ bei der Autorin, falls Sie Rechteinhaber*in von hier verwen- Papier: Hansaboard GD2, Munken Kristall Rough deten Bildern sind. Die Auswahl und Angabe der Quellen 133 Druck: Pinguin Druck Berlin folgte der subjektiven Recherche der Autor*innen und Auflage 200 erhebt keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit.

Published by EECLECTIC, Lindenstraße 91, 10969 Berlin Produziert mit der Unterstützung des Bezirksamtes [email protected], eeclectic.de Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin für Stadtent­ wicklung, Bauen und Umwelt. ISBN 978-3-947295-40-1 (Buch) ISBN 978-3-947295-57-9 (E-Book, Pdf-Format)

© Stefka Ammon, EECLECTIC, Berlin 2020

DANK AN: Beate Hofmann, Museum Grossauheim / Hanau Oliver Schrouffeneger, Bezirksstadtrat für Stadtentwick- Josephine Gabler, Käthe-Kollwitz-Museum, Berlin lung, Bauen und Umwelt, Charlottenburg-Wilmersdorf Vanessa Danesan, Hotel Am Steinplatz Walter Schläger, Grünflächenamt Charlottenburg- Anton Kras, Jewish Cultural Quarter, Amsterdam Wilmersdorf, Berlin Manfred Weghenkel, Journal aus Berlin Elfriede Müller, Britta Schubert und Martin Schönfeld, Carolin Jahn, Georg-Kolbe-Museum, Berlin Büro für Kunst im Öffentlichen Raum, BBK Berlin Dr. Gunnar Teske, Landschaftsverband Westfalen-Lippe Antje Kalcher und Dietmar Schenk, Archiv der UdK Caren Siebold, dpa Pressestelle, TU-Berlin Susanne Brömel, Gedenkstätte Deutscher Widerstand Robert Patz, Inga Kowalewski, Robert, Wolfgang & Frau Bartzsch, Landesarchiv Berlin, Fotosammlung Erna Ziegler